Leitfaden Grundausbildung Notfallmedizin

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Bergwacht
Grundausbildung Notfallmedizin
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
In enger Zusammenarbeit mit den Landesverbänden und Gliederungen
der Bergwacht des Deutschen und Bayerischen Roten Kreuzes
Bergwacht
Grundausbildung Notfallmedizin
Disclaimer
Auch dieser Leitfaden kann nicht ohne Fehler sein. Im Sinne eines
kontinuierlichen Prozesses soll er weiter verbessert und erweitert
werden. Korrekturvorschläge bitte an folgende e-mail Adresse:
[email protected] / Betreff: Leitfaden NFM. Die Rückmeldungen werden einmal jährlich vom Arbeitskreis gesichtet, geprüft
und ggf. in eine neue Auflage des Leitfadens aufgenommen.
In enger Zusammenarbeit mit den Landesverbänden und Gliederungen
der Bergwacht des Deutschen und Bayerischen Roten Kreuzes
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
„Grundausbildung Notfallmedizin“ der Bergwachten in Deutschland
Vorwort
Die präklinische Notfallmedizin ist als Teilbereich der Medizin
ständig im Fluss und in einer Weiterentwicklung begriffen.
Deshalb war es an der Zeit, dass die Mitte der 90er Jahre entwickelte „Sanitätsausbildung Stufe C Bergwacht“ in Deutschland grundlegend überarbeitet wurde. Hierbei wurde die zuvor bestehende strikte Trennung der Lehrgangsstufen A, B
und C im Sanitätsdienst aufgehoben und alle darin enthaltenen
wichtigen Lehrinhalte in einen neuen gemeinsamen Leitfaden
„Grundausbildung Notfallmedizin“ der Bergwacht auf Bundesebene integriert.
Auch wenn die notfallmedizinisch relevanten Erkrankungen
und Verletzungen bezüglich der Schwere und Ausprägung gegenüber dem Notfallspektrum im städtischen oder ländlichen
Bereichen keine grundsätzlichen Unterschiede aufweisen, sind
doch die äußeren Bedingungen und Begleitumstände dieser
Verletzungen und Krankheitsbilder im Mittel- und Hochgebirge grundlegend verschieden und erschweren häufig die notfallmedizinische Versorgung und Behandlung an der Einsatzstelle
in unwegsamen Gelände.
In insgesamt 10 Kapiteln der „Grundausbildung Notfallmedizin“
werden sowohl alle relevanten anatomischen und physiologischen Grundlagen des menschlichen Körpers als auch die
pathophysiologischen Besonderheiten der unterschiedlichen
Erkrankungen und Verletzungen unter spezieller Berücksichtigung
der alpinen Besonderheiten grundlegend dargestellt. Einheitlich
hervorgehoben werden hierbei jeweils der „Überblick über das
Erscheinungsbild“ sowie der „Überblick über die Maßnahmen“,
um dem Leser das Erkennen wichtiger Lehrinhalte zu erleichtern.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Durch den einheitlichen Textaufbau soll ein hoher Merk- und Lerneffekt erreicht werden. Geeignete Fallbeispiele und Fragen aus der
Praxis vertiefen die vermittelten Lehrinhalte. Die „Grundausbildung
Notfallmedizin“ soll insbesondere jugendlichen Bergwachtanwärter/
innen während der Ausbildung zum aktiven Bergretter als Grundlage
für die weitergehende notfallmedizinische Ausbildung dienen.
Deshalb wurden die aufgenommenen Graphiken insbesondere
auf die jüngeren Bergwachtanwärter/innen bezüglich Gestaltung
und Wissensvermittlung ausgerichtet. Erstellt wurden diese Grafiken durch den renommierten Alpinillustrator Georg Sojer, Staatl.
gepr. Berg- und Skiführer und Bergwachtmann aus dem Chiemgau.
Eine einheitliche Farbgebung und Gestaltung der Darstellungen
erhöht den Wiedererkennungswert und soll so die Wissensvermittlung während der Ausbildung erleichtern.
Die vorliegende „Grundausbildung Notfallmedizin“ vermittelt allen
Bergwachtanwärtern/innen wichtige Grundlagen der präklinischen
Notfallmedizin und entspricht im wesentlichen der „alten Sanitätsausbildung“ im DRK. Diese Grundlagen müssen selbstverständlich
durch weiterführende Lehrgänge/Seminare/Module wiederholt
und erweitert werden, um die aktiven Bergretter auf alle möglichen Notfallsituationen im Gebirge vorzubereiten und zur weiterführenden Assistenz des Notarztes zu befähigen.
Der besondere Dank gilt dem engsten Erarbeitungsteam und
der begleitenden Fachgruppe, dem Landesarzt des Bayerischen
Roten Kreuzes, Professor. Dr. med. Peter Sefrin, für seine Korrektur
und Freigabe sowie den Mitarbeitern des Bergwacht-Zentrums
für Sicherheit und Ausbildung.
Deutschland im Herbst 2007
Prof. Dr. med. Volker Lischke
Landesarzt der Bergwacht Hessen
und Sprecher der Bergwacht Landesärzte
Dr. med. Herbert Forster
Landesarzt der Bergwacht Bayern
Dr. med. Armin Berner
Landesarzt der Bergwacht Württemberg
Mitglieder des Arbeitskreises Notfallmedizin
der Bergwacht im DRK:
Dzaack, Günther BW Bayern
Filleböck, Roger BW Bayern
Flemisch, Johnny BW Bayern
Haas, Jörg DRK Generalsekretariat
Moser, Ignac BW Württemberg
Opperer, Gerhard BW Bayern
Schmitt, Stephan DRK Generalsekretariat
Stadler, Roland BW Bayern
Dr. Strosing, Karl BW Schwarzwald
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
„Grundausbildung Notfallmedizin“ der Bergwachten in Deutschland
Inhalt
1.
1.1
1.2
1.3
1.4
Notfallmedizin im alpinen Gelände . . . . . . . . . . . 09
Besonderheiten in der alpinen Notfallmedizin . . . . . . 10
Verhalten im Einsatzgeschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Einsatztaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Rechtliche Grundlagen, Dokumentation . . . . . . . . . . 14
2.
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
Körper des Menschen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Blut, Herz und Kreislauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Atmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Gehirn und Nervensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Organe im Bauchraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Stütz- und Bewegungsapparat . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
3.
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
Störungen der lebenswichtigen Funktionen . . . . 33
Einschätzung der Störung (Ganzkörpercheck) . . . . . . 34
Störungen der Vitalen Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . 37
Atemwegsverlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Herz-Lungen-Wiederbelebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
4.
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
4.6
4.7
Internistische Notfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Akute Atembeschwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Akute Herz-Kreislauf-Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . 66
Akute Baucherkrankung (akutes Abdomen) . . . . . . . 71
Schlaganfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
Unterzuckerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Krampfanfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
Gefäßverschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
5.
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
5.7
5.8
5.9
5.10
Chirurgische Notfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
Knochen, Gelenks- und Bänderverletzungen . . . . . . 84
Gelenksluxationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Kopfverletzungen (Schädel-Hirn-Trauma) . . . . . . . . . 90
Brust- und Lungenverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Bauchverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
Wirbelsäulen- und Beckenverletzungen. . . . . . . . . . . 97
Starke Blutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Amputationsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Fremdkörperverletzung, Pfählungsverletzung . . . . . 105
Mehrfachverletzung (Polytrauma) . . . . . . . . . . . . . . 107
6.
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
Thermische Notfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Unterkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erfrierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sonnenstich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hitzeerschöpfung, Hitzschlag . . . . . . . . . . . . . . . . .
Verbrennung, Verbrühung, Sonnenbrand . . . . . . . .
109
110
114
117
119
122
7.
7.1
7.2
7.3
Sonstige Notfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vergiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gynäkologische Notfälle und Geburt. . . . . . . . . . . .
Stromunfall und Blitzschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
125
126
133
136
8.
8.1
8.2
8.3
8.4
Spezielle Notfälle in der Bergrettung . . . . . . . .
Ermüdung, Erschöpfung, Bergungstod . . . . . . . . . .
Lawinenverschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hänge- und Rotationstrauma . . . . . . . . . . . . . . . . .
Höhenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139
140
142
145
149
9.
9.1
9.2
9.3
Psychische Notfälle und Belastung . . . . . . . . . .
Einsatz Todesfall. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Psychische Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Psychische Störungen und Erkrankungen . . . . . . . .
153
154
155
158
10.
10.1
10.2
10.3
10.4
10.5
Praktisches Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Beurteilen, messen und überwachen . . . . . . . . . . .
Atemwegssicherung, Inhalation und Beatmung . . .
Assistenz des Notarztes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ruhigstellungsmaßnahmen und Wundversorgung . .
Desinfektion und Hygiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
161
162
166
168
172
178
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
1. Notfallmedizin im alpinen Gelände
Fachbereich:
Ausbildungsstufe:
Stand:
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Notfallmedizin
Grundausbildung
12 / 2007
9
1. Notfallmedizin im alpinen Gelände
1.1 Besonderheiten in der alpinen Notfallmedizin
Die Voraussetzungen für eine optimale medizinische Versorgung
eines Notfallpatienten sind im klinischen Bereich oder im Straßenrettungsdienst in den meisten Fällen gegeben. Dagegen können
bereits im einfachen alpinen und unwegsamen Einsatzgelände
verschiedene Schwierigkeiten bei der Einsatzabwicklung auftreten.
Die Umlagerung eines Patienten in einer steilen und rutschigen
Wiese, die Lagerung eines Abgestürzten im Schrofengelände
oder die Versorgung eines verunfallten Skifahrers im tiefen
Schnee stellt umfangreiche Anforderungen an die jeweiligen
Einsatzkräfte.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Eine weitere Herausforderung stellt der Transport von technischen
und medizinischen Einsatzgeräten dar. Nicht alles was denkbar
ist, kann zum Patienten verbracht werden – hier sind Spezialgeräte
und Kompromisse gefordert.
Verschiedentlich muss abgewogen werden, ob eine Maximaltherapie an der Einsatzstelle notwendig und möglich ist oder
ein schneller, möglichst schonender Transport in eine geeignetere
Umgebung vorzuziehen ist. Der Einsatz im alpinen und unwegsamen Gelände darf jedoch nicht als Ausrede für eine generelle
Minderversorgung der Betroffenen verwendet werden.
10
1. Notfallmedizin im alpinen Gelände
1.2 Verhalten im Einsatzgeschehen
Wir wollen Menschen helfen
Grundvoraussetzung für den eingesetzten Helfer ist es, sich in
den in Not geratenen Menschen hinein zu versetzen. Durch ein
unvorhergesehenes Ereignis wurde er verletzt oder er ist
plötzlich erkrankt – zu allem Überfluss auch noch in alpinem
Gelände, das für die meisten ungewohnt und bedrohlich ist.
Eine Verletzung oder plötzliche Erkrankung schränkt die
Bewegungsfähigkeit und somit die Möglichkeit stark ein,
sich selbst aus eigener Kraft zu helfen.
Vertrauen zu schaffen ist eine wichtige Maßnahme, die nicht
unterschätzt werden darf. Der erste Eindruck entscheidet oft,
ob der Patient Vertrauen zu uns fasst.
Dies erreicht man durch:
sicheres Auftreten
über weitere Maßnahmen aufklären
auf schmerzhafte Maßnahmen vorbereiten
unnötige Schmerzen vermeiden
ausdauernde Betreuung, möglichst durch
die gleiche Person
Wünsche wenn möglich erfüllen
Regeln der Höflichkeit beachten
möglichst auf Augenhöhe miteinander sprechen
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Je nach Situation empfindet er:
Angst um das eigene Leben
Angst um die eigene Gesundheit
Angst vor Schmerzen
Angst, nicht richtig versorgt zu werden
Sorge um die Folgen des Unfalls
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■
Dies erreicht man durch:
Anwesenheit einer Bezugsperson
Mitnehmen von Lieblingsspielzeug
Ablenken von Verletzungen
Bedecken von Verletzungen
Erklären der Maßnahmen in einfachen Worten
Trösten, Beruhigen, Streicheln
keine Verharmlosung
■
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■
Es besteht natürlich eine Erwartungshaltung
gegenüber der Einsatzkraft.
Kinder sind keine kleinen Erwachsenen – deshalb muss die
Betreuung kindgerecht sein.
Naja...mit ein paar Schrauben
und Klammern läßt sich das wieder
ganz ordentlich reparieren...
Nicht umsonst erscheint in den folgenden Kapiteln immer
wieder „Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen“. Durch unser Verhalten können wir dem Patienten das
Gefühl geben, gut aufgehoben zu sein.
Der „Wunschretter“ hat folgende Eigenschaften:
medizinisch kompetent
fachlich kompetent
ruhiges, freundliches Auftreten
■
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
11
1. Notfallmedizin im alpinen Gelände
1.3 Einsatztaktik
Sicherheit
Die Sicherheit der Rettungsmannschaft steht an erster Stelle.
Gerade in der alpinen Umgebung lauern Gefahren z.B. Lawinengefahr und Steinschlag. Es gilt, zuerst abzuschätzen ob und wie eine
Rettung mit vertretbarem Risiko durchgeführt werden kann.
Birgt die Einsatzstelle Gefahren für den Patienten oder die Einsatzmannschaft? Muss der Patient erst aus dem Gefahrenbereich
gebracht werden, bevor man ihn an einer sicheren Stelle
versorgen kann?
Vorausschauendes Handeln und Risikomanagement sind hier
gefragt. Letztendlich muss jedem klar sein, dass wir niemanden
retten können, wenn das Risiko zu groß ist (s. § 323 c StGB).
Allgemeines
Bergwachtarbeit ist Teamarbeit. Ein Einsatz beginnt nicht mit der
Versorgung Verletzter vor Ort, sondern schon bei der Alarmierung. Bereits beim ersten Rückruf können Rückschlüsse auf die
Verletzungs-/Erkrankungsschwere gezogen und abgeklärt werden.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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Braucht man einen Notarzt?
Braucht man einen medizinischen Voraustrupp?
Was für medizinische Ausrüstung wird benötigt?
Besteht Transportdringlichkeit?
Lagemeldung an die Leitstelle
er
eit
tzl
sa
Notarztindikationen
Verschiedene Erkrankungen oder Verletzungen machen es
erforderlich, dass ein Notarzt hinzugezogen wird, um vor Ort
sofort eine ärztliche Therapie einleiten zu können.
Benötigt man einen Bergwachtarzt oder kann ein Notarzt der
Landrettung ungefährdet an die Einsatzstelle gebracht werden?
Rettungshubschrauber haben den Vorteil, dass sowohl ein Notarzt
als auch ein schnelles Transportgerät zur Verfügung stehen. Wann
ein Notarzt zu einem Notfall gerufen werden muss, wird durch die
Rettungsdienstgesetze der Bundesländer geregelt.
Speziell in der Bergrettung sollte man bedenken, dass der nachgeforderte Notarzt erst noch zur Einsatzstelle gelangen muss.
Der Bergretter ist dadurch längere Zeit auf sich allein gestellt.
Auch äußere Einflüsse wie Wetter, Kälte und ein langer Abtransport haben Einfluss auf die Entscheidung darüber, ob ein Notarzt
erforderlich ist.
12
1. Notfallmedizin im alpinen Gelände
Ein Notarzt ist bei folgenden Erkrankungen
bzw. Verletzungen einzusetzen:
Bewusstseinsstörungen
keine Reaktion auf Ansprechen und Rütteln
(auch bei verlangsamter, schläfriger Reaktion)
Atemstörungen
ausgeprägte oder zunehmende Atemnot, Atemstillstand
Kreislaufstörungen
akuter Brustschmerz, ausgeprägte oder zunehmende
Kreislaufschwäche, Schock, Kreislaufstillstand, Herzrhythmusstörungen, akuter Bluthochdruck, akutes Koronarsyndrom
Transportdringlichkeit
Es gibt Verletzungen und Erkrankungen bei denen das Überleben
einzig davon abhängt, dass der Patient so schnell wie möglich in
eine geeignete Klinik gebracht wird.
Es muss überlegt werden, wie der Verletzte/Erkrankte am
schnellsten der Klinik zugeführt werden kann. Zeit gewinnen
steht hier an erster Stelle und erfordert Entscheidungen. So
muss man z. B. abwägen ob ein Patiententransport mittels Ackja zu einem Hubschrauberlandeplatz gegenüber einer Windenbergung einen Zeitgewinn bringt.
Bei hoher Transportdringlichkeit zählt jede Minute!
Schonender Transport
■
■
■
■
Wirbelsäulenverletzungen
Frakturen (Schmerzen)
Unterkühlung
Zustand nach Herz-Lungen-Wiederbelebung
Übungsfragen
Hohe Transportdringlichkeit z.B.
■
Sonstige Schädigungen mit Wirkung
auf die Vitalfunktionen
schwere Verletzung, schwere Blutung, starke akute Schmerzen,
plötzliche Lähmungen (halbseitig), Brust- / Bauchverletzungen,
Schädel-Hirn-Trauma, größere Amputationen, Verbrennungen,
Frakturen mit deutlicher Fehlstellung, Pfählungsverletzungen,
Vergiftungen, bei mehreren Verletzten, suizidale Handlung und
Sturz aus großer Höhe.
Ferner sollte man immer einen Notarzt rufen, wenn man
meint, hier wäre ärztliches Wissen und Therapie erforderlich!
Auf der anderen Seite gibt es Patienten, die möglichst schonend
transportiert werden müssen.
■
■
■
■
■
alle schweren Verletzungen von Brust, Bauch oder Becken
alle Verletzten mit Anzeichen eines Volumenmangelschocks
nicht beherrschbare, schwere Blutungen
Schädel-Hirn-Traumata mit Bewusstseinstrübung oder
Bewusstlosigkeit
Akutes Koronarsyndrom
Schlaganfall
1. Nenne fünf Notarztindikationen!
2. Du bist dir nicht sicher, ob der Patient einen Schlaganfall
hat. Darfst du einen Notarzt rufen?
3. Muss man bei einer Bewusstseinsstörung einen
Notarzt rufen?
4. Nenne 4 Beispiele für Verletzungen, die eine hohe
Transportdringlichkeit haben!
5. Nenne 2 Beispiele für Verletzungen, die schonend
transportiert werden sollten!
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
13
1. Notfallmedizin im alpinen Gelände
1.4 Rechtliche Grundlagen, Dokumentation
Rechtfertigung einer „Körperverletzung“
Verpflichtung zur Hilfe
Jeder Mensch ist laut Gesetz im Rahmen seiner Möglichkeiten
zur Hilfeleistung verpflichtet (s. § 323 c StGB).
Diese Verpflichtung gilt im gleichen Umfang selbstverständlich
auch für die Einsatzkräfte der Bergwacht. Die Verpflichtung zur
Hilfe endet dort, wo eine Selbstgefährdung beginnt. Von einem
Nichtschwimmer kann nicht erwartet werden, einen Schwimmer aus dem Wasser selbst zu retten. Zu versuchen, Hilfe herbei
zu holen ist jedoch immer durchführbar.
Wird eine Einsatzkraft im Rahmen einer planmäßig organisierten
Rettungsaktion für einen Patient tätig, so besteht zwischen der
Bergwacht und dem Patienten ein (ungeschriebener) Vertrag.
Darin übernehmen die beteiligten Einsatzkräfte eine besondere
Verantwortung für den Patienten (Garantenstellung). Die Rettungskräfte führen alle Handlungen zur notfallmedizinischen Versorgung
gemäß den allgemeinen Standards durch.
D.h. der Patient darf davon ausgehen, dass die Rettungskräfte
alle Handlungen im Bereich der Technik und der notfallmedizinischen Versorgung zu seiner Rettung nach den aktuellen Standards durchführen.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Einwilligung
Nach Auffassung der deutschen Rechtsprechung erfüllt der „ärztliche Heileingriff“ objektiv den Tatbestand der Körperverletzung.
Dennoch wird der handelnde Arzt in der Regel nicht bestraft,
wenn der Patient in die Behandlung eingewilligt hat. Die Einwilligung oder mutmaßliche Einwilligung ist ein Rechtfertigungsgrund
wie Notwehr oder Notstandsregeln. Unter „ärztlichen Heileingriffen“ versteht man alle invasiven („in den Körper eindringenden“) Maßnahmen, wie das Legen einer Infusion, Intubation,
Medikamentengabe, Reposition, Defibrillation usw.
Ist ein Notarzt anwesend, so kann dieser ärztliche Aufgaben an
den Bergwachtmann/die Bergwachtfrau übertragen (Delegation).
Die Fähigkeit zur Durchführung muss bei der Einsatzkraft
der Bergwacht gegeben sein. Die Maßnahme muss erlernt
und beherrscht werden.
Unaufschiebbarkeit
Auch wenn der Notarzt noch nicht vor Ort ist, erfordern bestimmte
Notfallsituationen das sofortige Handeln, um Gefahr für Leib und
Leben abzuwenden. Auch in diesen Fällen muss die Einwilligung
oder mutmaßliche Einwilligung des Patienten vorliegen, damit die
Körperverletzung durch eine invasive Maßnahme (z.B. Defibrillation) gerechtfertigt ist.
Eine situationsgerechte Aufklärung ist Grundlage für eine Einwilligung. Man muss dem Patienten erklären, was man aus welchen
Gründen vorhat. Je schwerer der Notfall ist, desto geringer sind
die Anforderungen an die Aufklärung. Falls der Patient nicht einwilligen kann (z.B. weil er bewusstlos ist), greift die mutmaßliche
Einwilligung. Man überlegt, was der Wunsch des Patienten wäre.
In der Regel will der Patient gerettet werden, somit würde er
auch in invasive Maßnahmen einwilligen, die zu seiner Rettung
dienen. Hierzu müssen weitere Voraussetzungen vorliegen.
„Können“ des Durchführenden
Die Fähigkeit zur Durchführung, „das Können“ des Bergretters“
ergibt sich aus der erfolgreich absolvierten Basis- und Grundausbildung, weiteren Ausbildungen und regelmäßiger Fortbildung in
der jeweiligen Maßnahme (z.B. Frühdefibrillation). Die Maßnahme muss fachlich richtig durchgeführt werden und nach
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Man muss
sich im konkreten Fall die Maßnahme auch zutrauen.
Notwendigkeit („Notstandsregelung“)
Die invasive Handlung muss grundsätzlich „indiziert“ sein,
d.h. notwendig, um eine Gefahr für Leben bzw. Gesundheit des Patienten abzuwenden. Invasive Maßnahmen können nicht nur eine Körperverletzung (s.o.) darstellen, sondern
auch gegen andere Gesetze verstoßen. Das Heilpraktikergesetz
erlaubt das „Ausüben der Heilkunde“ eigentlich nur Ärzten und
Heilpraktikern. Ein „heilender Bergretter“ könnte unter Umständen unter dieses Gesetz fallen. Um diesen eventuellen „Verstoß“
14
1. Notfallmedizin im alpinen Gelände
gegen das Heilpraktikergesetz zu rechtfertigen, zieht man den
„Rechtfertigen Notstand“ (s. § 34 StGB) heran. Der Notstand
erfordert eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr
für Leib oder Leben. Die betroffenen Rechtsgüter, in diesem Falle
Leib oder Leben des Patienten und die Verletzung des Heilpraktikergesetzes, werden gegeneinander, in der Regel zu Gunsten
der Gesundheit des Verunfallten (und damit der Rechtfertigung
des invasiven Eingriffs), abgewogen.
Notarztruf
Erst dann – und nur, wenn der Notarzt bereits alarmiert wurde,
aber mit seinem rechtzeitigen Eintreffen nicht gerechnet werden
kann – kann durch nichtärztliches Personal eine ärztliche Maßnahme vorgezogen werden, wenn diese Maßnahme durch
die Einsatzkraft auch beherrscht wird! Die Verantwortlichkeit für die Maßnahme geht damit auf den Helfer über.
Merke: Auch wenn die „Aufgabe“ des Arztes vorgezogen wurde,
muss dieser immer hinzugezogen werden (Notarztruf). Es sind
alle Maßnahmen zu dokumentieren.
Rechtfertigung invasiver Maßnahmen
Notarztruf
Einwilligung des Patienten nach Aufklärung oder
mutmaßliche Einwilligung
Notwendigkeit
Unaufschiebbarkeit / angemessenes Mittel
„Können“ des Durchführenden
Dokumentation
■
■
Medizinproduktegesetz /
Medizinproduktebetreiberverordnung
Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass Geräte wie Sauerstoffdruckminderer, Blutdruckmessgeräte, Defibrillatoren und Beatmungsgeräte in regelmäßigen Abständen einer messtechnischen bzw. sicherheitstechnischen Kontrolle zugeführt werden
müssen. Das Datum der nächsten Kontrolle findet sich meistens
auf einer angebrachten Prüfplakette. Verbrauchsmaterialien,
bei denen das Haltbarkeitsdatum überschritten ist oder Geräte,
die nicht den Vorschriften entsprechen, müssen ausgesondert
und ersetzt werden. Anwender (Bergwachtmann / frau) von
Beatmungsgeräten und Defibrillatoren bedürfen einer Einweisung
durch speziell vom Hersteller geschulte Personen (Medizinproduktbeauftragte). Diese Einweisung muss schriftlich dokumentiert werden.
Treten Störungen oder Zwischenfälle mit Medizinprodukten auf,
die zur Schädigung von Patienten oder Helfern führen können
oder geführt haben, ist dies dem Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte in Berlin zu melden. Die Meldung erfolgt am
besten über den Dienstweg der Bergwacht.
Dokumentation
Jeder Patient hat das Recht auf eine vollständige Patientenakte.
Aus diesem Anspruch und aus Rechtsprechung, Gesetzen und
Vorschriften ergibt sich die Pflicht zur Dokumentation.
Die Dokumentation hat so zu erfolgen, dass zu einem
späteren Zeitpunkt die Untersuchungsergebnisse und
Versorgung nachvollziehbar sind. Hierzu werden z.B. Notfallprotokolle und Protokolle zur Frühdefibrillation verwendet,
die länderspezifisch unterschiedlich sein können.
Die Dokumentation im qualifizierten Rettungsdienst, zu dem die
Bergwacht gehört, dient mehreren Zielen:
■
■
■
■
Informationsweitergabe an die Klinik
Verlaufskontrolle verschiedener Vitalwerte während des
Einsatzes, um weitere Maßnahmen darauf abzustimmen
Nachweis der durchgeführten Maßnahmen gegenüber
dem Patienten als Kunden und dem Kostenträger
(Versicherung) zur Klassifizierung des Einsatzes
rechtliche Absicherung der handelnden Einsatzkräfte
Auf jede dokumentierte Feststellung müssen auch immer die
entsprechenden Maßnahmen erfolgt sein, so muss z.B. bei einer
festgestellten Bewusstlosigkeit immer der Notarzt nachgefordert werden. Die Maßnahmen sind gleichfalls zu dokumentieren.
■
■
■
■
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
15
1. Notfallmedizin im alpinen Gelände
Art der Dokumentation
Bundesweit sind für alle am Rettungsdienst beteiligten Interessensgruppen bestimmte Dokumentationsstandards verbindlich.
Daraus leiten sich die in vielen Bergwacht-Landesverbänden
vorhandenen Einsatzprotokolle ab. Wo ein solches standardisiertes Protokoll nicht verfügbar ist, kann eine Dokumentation
auf eine andere Weise erfolgen.
Maßnahmen im Rahmen der Notkompetenz, aber auch
Maßnahmen des Arztes, sind so zu dokumentieren, dass
auch nachvollziehbar ist, WER diese durchgeführt hat. Werden
Maßnahmen bewusst nicht durchgeführt, ist dies ebenfalls zu
dokumentieren.
Beispiel: „Keine Sauerstoffgabe möglich, Patient toleriert weder
eine Maske noch eine Sonde.“
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Informationsweitergabe in der Rettungskette
Die Bergwachtler vor Ort sind die ersten und oft auch die einzigen,
die den Unfallort sehen bzw. aus dem Unfallort auf den Unfallhergang schließen können. Die Bergwachteinsatzkräfte sind somit die
Augen und Ohren für die behandelnden Klinikärzte. Aus diesem
Grund kann es bei schwerwiegenderen Verletzungen von Bedeutung sein, dass die so gewonnenen Eindrücke dokumentiert und
den Einsatzkräften in der Rettungskette weitergegeben werden.
Dadurch liegen alle Informationen in der Klinik vor.
17:53:03!
Puls 93,76 pro Minute,
Blutdruck 147,32 zu...
16
2. Körper des Menschen
Fachbereich:
Ausbildungsstufe:
Stand:
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Notfallmedizin
Grundausbildung
12 / 2007
17
2. Körper des Menschen
2.1 Blut, Herz und Kreislauf
Das Blut
Das Herz
Das Blut ist eine körpereigene Flüssigkeit, die im wesentlichen
Transportfunktion hat. Das Blut erreicht durch das Kreislaufsystem alle Körperzellen.
Es befördert Sauerstoff und Nährstoffe zu den Zellen. Auf umgekehrtem Weg übernimmt das Blut von den Zellen Stoffwechselprodukte wie Kohlendioxid und Stoffwechselschlacken und
bringt sie zu den Ausscheidungsorganen Lunge oder Nieren.
Mit Hilfe des Blutes reguliert der Körper seine Temperatur und
seinen Wasser-Elektrolyt-Haushalt. Darüber hinaus spielt es eine
wesentliche Rolle bei der Abwehr von Fremdstoffen und Krankheitserregern. Die Gesamtblutmenge beträgt beim Erwachsenen
ca. 80 ml pro Kilogramm Körpergewicht, also ca. 5 bis 7 Liter.
Das Herz ist ein Hohlmuskel. Es befindet sich etwa in der Mitte
des Brustkorbes im Mittelfellraum (Mediastinum). Die Spitze des
Herzes ist nach links gerichtet und liegt auf dem Zwerchfell auf. Die
Größe entspricht etwa der Faust des betreffenden Menschen, ist
aber alters- und leistungsabhängig variabel.
Die Herzscheidewand trennt das Herz in eine rechte und eine linke
Hälfte. Jede Hälfte besteht aus einem Vorhof und einer Kammer.
Zwischen Vorhöfen und Kammern befinden sich die Segelklappen,
durch sie strömt das Blut in der Füllungsphase aus den Vorhöfen in die
Kammern. An den Austrittsöffnungen der vom Herzen ausgehenden
Arterien befinden sich die Taschenklappen. Alle Klappen verhindern
ventilartig den Rückstrom des Blutes und bestimmen die Fließrichtung.
Blutbestandteile
Das Blut besteht etwa zur einen Hälfte aus festen und zur anderen
aus flüssigen Bestandteilen. Die festen Bestandteile sind die
roten Blutkörperchen (Erythrozyten), die den roten Blutfarbstoff (Hämoglobin) als Träger des Sauerstoffs enthalten, die
weißen Blutkörperchen (Leukozyten) zur Abwehr von Krankheitserregern und Fremdstoffen, sowie die Blutplättchen
(Thrombozyten), die zusammen mit anderen Faktoren für die
Blutgerinnung notwendig sind.
Die flüssigen Bestandteile des Blutes (Blutplasma) bestehen zu
über 90 % aus Wasser sowie gelösten Substanzen: Elektrolyte,
Nährstoffe, Hormone, Vitamine, Stoffwechselprodukte und
gelöste Fette.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Hauptschlagader
(Aorta)
Taschenklappe
Segelklappe
Aufbau der Herzwand
Die Herzwände bestehen aus drei Schichten, der Herzinnenhaut
(Endokard), welche die Innenfläche des Herzens auskleidet, dem
Herzmuskelgewebe (Myokard) und der Außenhaut (Epikard), die
das Herz überzieht. Das Herz befindet sich im Herzbeutel (Perikard).
Er besteht aus Bindegewebe und umschließt das Herz sowie die
Austrittsstellen der großen Gefäße.
Spezielle im Herzmuskelgewebe eingelagerte Fasern leiten
die zur Herzkontraktion erforderlichen Reize weiter (Reizleitungssystem).
Zur Versorgung des großen Körperkreislaufes ist höherer Druck
und Volumen erforderlich. Daher ist die Muskulatur der linken
Herzhälfte dicker als die der rechten.
Lungenvene
Linker
Vorhof
Rechter
Vorhof
Rechte
Kammer
Linke
Kammer
Lungenarterie
Segelklappe
Taschenklappe
Scheidewand
18
2. Körper des Menschen
Sinusknoten
AV-Knoten
Rechter
Tawaraschenkel
Systole
HIS'sches
Bündel
Koronararterien
Linker Tawaraschenkel:
oberer Teil
unterer
Teil
Koronarvenen
Anspannungsphase
Purkinje
Fasern
Erregungsbildungs- und
Erregungsleitungssystem des Herzens
Das Herz bildet die für seine Muskelkontraktion notwendige
Erregung selbst, denn es verfügt über ein eigenes Erregungsbildungs und -leitungssystem. Dieses besteht aus speziellen Muskelzellen und -fasern, die Impulse erzeugen und weiterleiten können.
Diese Impulse wirken nur auf die Herzmuskelzellen und bewirken
das Zusammenziehen des Herzens.
Diastole
Herzkranzgefäße
Herzkranzgefäße (Koronargefäße) sind die Blutgefäße, die das
Herz versorgen. Die Herzkranzgefäße zweigen direkt oberhalb
der Aortenklappe aus der Aorta ab. Die Durchblutung findet
überwiegend in der Entspannungs- und Füllungsphase (Diastole)
des Herzens statt. Die Aortenklappe ist hierbei geschlossen.
Funktion des Herzens
Das Herz ist die Pumpe des Kreislaufsystems. Die Pumpfunktionen des rechten und linken Herzens erfolgen gleichzeitig. Beim
Ablauf einer Herzaktion unterscheidet man zwei Phasen:
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Austreibungsphase
Entspannungsphase
Füllungsphase
Anspannungs- und Austreibungsphase (Systole)
Beim Zusammenziehen des Herzmuskels steigt der Innendruck in den
Kammern, bis sich die Segelklappen schließen und die Taschenklappen
öffnen. Das Blut wird aus der rechten Kammer in die Lungenarterie und
aus der linken Kammer in die Aorta gepumpt. Anspannungs- und
Austreibungsphase der Kammern werden als Systole bezeichnet.
Entspannungs- und Füllungsphase (Diastole)
In dieser Phase erschlafft der Herzmuskel, und der Druck in den Kammern
sinkt, die Taschenklappen schließen sich und die Segelklappen öffnen
sich, das Blut strömt aus den Vorhöfen in die Kammern. Entspannungsund Füllungsphase der Kammern werden als Diastole bezeichnet.
19
2. Körper des Menschen
Herzrhythmus / Herzfrequenz
Die Regelmäßigkeit des Herzschlages entsteht durch die vom
Sinusknoten (Erregungsbildungszentrum) in regelmäßigen
Abständen ausgehenden Impulse. Sie bewirken eine geordnete,
gleichmäßige Herzaktion. Die Herzfrequenz beziffert die Zahl
der Herzschläge pro Minute. Die Herzfrequenz und die Kontraktion werden vom unwillkürlichen (vegetativen) Nervensystem beeinflusst. Sie kann den jeweiligen Erfordernissen angepasst, beschleunigt oder verlangsamt werden.
Normalwerte ohne körperliche Belastung sind beim:
Neugeborenen
2-jährigen Kind
10-jährigen Kind
Erwachsenen
ca. 140 Schläge / Min
ca. 120 Schläge/ Min.
ca. 90 Schläge / Min.
ca. 60 bis 80 Schläge / Min.
Mögliche Abweichungen von der normalen Herzfrequenz sind beim
Erwachsenen weniger als 60 Schläge pro Minute (Bradykardie) und
über 100 Schläge pro Minute (Tachykardie). Unregelmäßige Herzschlagfolgen werden als Herzrhythmusstörungen bezeichnet.
Herzschlagvolumen / Herzminutenvolumen
Neben der Anzahl der Herzaktionen spielt die Pumpleistung pro
Herzschlag und pro Minute eine entscheidende Rolle. Das Herzschlagvolumen ist die Blutmenge, gemessen in Milliliter (ml), die
vom Herz pro Herzaktion ausgepumpt wird. Beim Erwachsenen
beträgt sie ca. 70 bis 80 ml. Das Herzminutenvolumen ist die
Blutmenge in Milliliter oder Liter, die von einer Kammer in einer
Minute in den Kreislauf gepumpt wird.
Herzschlagvolumen x Herzfrequenz = Herzminutenvolumen
Beispiel:
80 ml x 70 (Schläge / Minute) = 5600 ml / min.
= 5.6 l / min.
Unter Belastung ist eine Steigerung des Herzminutenvolumens
um das fünf- bis sechsfache des Ruhewertes möglich.
Blutgefäße
Entsprechend dem Bau der Blutgefäße (Gefäßwände) und der
Strömungsrichtung des Blutes werden unterschieden:
Arterien sind alle vom Herzen wegführenden Gefäße. In den
Arterien strömt das Blut vom Herzen zu den Organen. Wegen
des hierzu notwendigen Pumpdruckes (Blutdruck) sind die
Arterien dickwandig und trotzdem sehr elastisch, da sie den
vom Herzen ausgehenden Blutdruck weiterleiten müssen.
Die Arterien verengen sich, je weiter sie sich verzweigen und
gehen schließlich in Haargefäße (Kapillaren) über. Die Kapillaren
verbinden arterielles und venöses System miteinander. Sie verlaufen
zwischen den Zellen und ermöglichen so den Sauerstoffaustausch zwischen dem Blut und den Zellen.
Venen sind alle zum Herzen führenden Gefäße. Die Venen sind
im Gegensatz zu den Arterien dünnwandig. Sie haben z.T. Klappen,
die die Fließrichtung des Blutes (zum Herzen) bestimmen.
Vene
Arterie
Muskeln
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
20
2. Körper des Menschen
Blutkreislauf
Das Blut fließt beim erwachsenen Menschen folgenden Weg:
Vom venösen Anteil der
Kapillaren im Körper fließt das Blut in immer größere
Venen, durch die
Untere bzw. Obere Hohlvene in den
Rechten Vorhof und von dort in die
Rechte Kammer. Durch die Pumpwirkung des
Herzens (Systole) wird das Blut durch die
Lungenarterie in die Lunge gepumpt. Über die
Verzweigungen der Lungenarterien gelangt das Blut
im Bereich der Lungenbläschen (Alveolen) in die
Lungenkapillaren, wo der Gasaustausch
stattfindet. Über vier
Lungenvenen gelangt das mit Sauerstoff
angereicherte Blut in den
Linken Vorhof und von dort in die
Linke Kammer. Durch die Pumpwirkung des
Herzens (Systole) wird das Blut durch die
Aorta in den Körper gepumpt. Hier verzweigen sich die
Arterien, bis schließlich im Bereich der
Kapillaren der Sauerstoffaustausch mit den Zellen erfolgt.
■
■
■
Obere
Körperhälfte
■
Kapillaren
Lunge
Kapillaren
■
■
■
Körperkreislauf:
Blut mit wenig
Sauerstoff in
den Venen
Lungenkreislauf:
Blut mit viel
Sauerstoff in
den Venen
■
■
■
Herzvorhöfe
Untere
Körperhälfte
Herzkammern
Kapillaren
■
■
■
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
21
2. Körper des Menschen
2.2 Atmung
Obere Atemwege
Die Atmung reguliert die Aufnahme von Sauerstoff und die
Abgabe von Kohlendioxid. Hierzu gelangt die Umgebungsluft über
die Atemwege in die Lunge. Die Atemwege vom Nasen / MundEingang bis zum Ende der Bronchiolen werden als luftleitendes
System bezeichnet. Dieser Bereich wird auch Totraum genannt, weil
in diesem Bereich (der Luftwege) kein Gasaustausch stattfindet.
Auf dem Weg zu den Lungenbläschen (Alveolen) wird die eingeatmete Luft gereinigt, angewärmt und angefeuchtet.
Im Naseneingang fängt die feine Behaarung groben Staub aus
der Einatemluft ab. In der Nasenhöhle und in den unteren Atemwegen wird die Luft durch die Schleimhäute und feine Härchen
weiter gereinigt, angefeuchtet und gleichzeitig durch die besonders
intensive Durchblutung auf Körpertemperatur erwärmt.
Die Einatmung kann auch durch den Mund erfolgen. Dabei sind
Reinigung und Erwärmung der Luft nicht so intensiv wie bei der
Nasenatmung.
Rachenraum
Der Bereich, wo Nasen- und Mundhöhle zusammentreffen, wird
als Rachenraum (Pharynx) bezeichnet. Hier kreuzen sich Speiseweg und Atemweg.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Nasenhöhle
Mundhöhle
Kehldeckel
Kehlkopfeingang
Stimmband
Luftröhre
(Trachea)
Speiseröhre
Bronchien
Bronchiolen
Rechter
Lungenflügel
Linker
Lungenflügel
Kehlkopf
Aufgabe des Kehlkopfes (Larynx) mit dem Kehldeckel (Epiglottis)
ist, beim Schlucken die Luftröhre (Schluckreflex) zu verschließen.
Damit wird das „Verschlucken“ verhindert. Gelangt dennoch
einmal ein Fremdkörper in die Luftröhre, so wird dort ein Hustenreflex ausgelöst. Der Fremdkörper wird dadurch wieder herausbefördert. Diese Schutzreflexe funktionieren nur ausreichend
solange das Bewusstsein erhalten ist.
Stimmbänder
Unterhalb des Kehldeckels befinden sich die Stimmbänder. Sie
werden durch die vorbeiströmende Luft in Schwingungen versetzt.
Die Gestaltung der Töne (Artikulation) wird durch Stellungen
der Zunge, der Lippen und des Gaumensegels erreicht.
Luftröhre
Die Luftröhre (Trachea) wird durch hufeisenförmige Knorpelspangen stabilisiert. Im hinteren Bereich besteht sie aus elastischem Gewebe. Die Luftröhre ist innen mit einer Schleimhaut
ausgekleidet. In der Mitte des Brustkorbes verzweigt sie sich in
einen rechten und einen linken Hauptbronchus, die sich weiter
verzweigen. Die kleinsten Bronchien am Ende des luftleitenden
Systems werden als Bronchiolen bezeichnet. An ihren Enden
befinden sich die Lungenbläschen (Alveolen). Die Gesamtheit
der Lungenbläschen bildet das gasaustauschende System. Über
die hauchdünnen, für Gase durchlässigen Wände der Lungenbläschen und der sie umgebenden Haargefäße (Kapillaren)
findet der Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid statt.
22
2. Körper des Menschen
Kleiner
Luftröhrenzweig
(Bronchiolus)
Luftröhrenast
(Bronchus)
Lungenbläschen
(Alveolen)
Lunge und Brustkorb
Der Brustraum wird fast vollständig von Lunge und Herz ausgefüllt. Umschlossen ist er durch den knöchernen Brustkorb mit
Wirbelsäule, Rippen und Brustbein. Das Zwerchfell begrenzt
den Brustraum zum Bauchraum. Das Brustfell (Pleura) ist eine
feuchte Haut, die den Brustraum innen auskleidet, es überzieht
Rippen, Mittelfellraum und Zwerchfell (Rippenfell und Zwerchfell). Das Lungenfell überzieht die Lungenoberfläche.
Pleuraspalt
Zwischen Rippen- und Lungenfell befindet sich ein feiner, allseitig
geschlossener, mit wenig Flüssigkeit ausgefüllter Spalt (Pleuraspalt). Hierdurch ergeben sich Haft- und Gleitflächen, so dass
die Oberfläche der Lunge sich nicht von der Innenfläche des
Brustraums lösen kann. Die Lunge folgt so jeder Bewegung des
Brustkorbes.
Das Mittelfell (Mediastinum) trennt den Brustraum in zwei Räume.
In diesem, durch das Mittelfell von der Lunge eingegrenztem
Raum, liegen die Speiseröhre, die Luftröhre, das Herz und große
Gefäße (Aorta und Hohlvenen).
Atemmechanik
Durch Erweitern des Brustraumes, Heben der Rippen und Senken
(Zusammenziehen) des Zwerchfelles (Muskelplatte, die den Brustkorb vom Bauchraum trennt) vergrößert sich der Brustraum. Die
Lunge folgt diesen Bewegungen des Brustraumes, Luft wird
durch die Atemwege angesaugt. Der Mensch atmet ein. Beim
Ausatmen erschlafft das Zwerchfell (Wölbung nach oben) und die
Rippen senken sich, der Brustraum verkleinert sich und die Atemluft strömt nach außen. Die Atemfrequenz (Atemzüge pro Minute)
und das Atemvolumen (Atemzugvolumen) werden vom Atemzentrum im verlängerten Mark gesteuert. Das Atemzentrum reguliert
die Atmung nach den Erfordernissen im Körper, angepasst an den
Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt des Blutes.
Atemfrequenz
Die Atemfrequenz (Atemzüge pro Minute) ohne
körperliche Belastung beträgt beim
Säugling
ca. 40 Atemzüge/min
Kleinkind
ca. 30 Atemzüge/min
Schulkind
ca. 25 Atemzüge/min
Jugendlicher
ca. 20 Atemzüge/min
Erwachsener
ca. 15 Atemzüge/min
Atemzugvolumen
Das Atemzugvolumen ist die Luftmenge, die pro Atemzug ein- und
ausgeatmet wird. Das Atemzugvolumen ohne körperliche Belastung
beträgt beim
Säugling
20 – 40 ml
Erwachsenen 500 – 800 ml
Atemminutenvolumen
Das Atemminutenvolumen errechnet sich aus
Atemzugvolumen x Atemfrequenz
Geht man z.B. bei einem Erwachsenen von einem Atemzugvolumen von 500 ml und einer Atemfrequenz von 15 Atemzügen
in der Minute aus, so ergibt sich als Atemminutenvolumen:
500 ml x 15 / min = 7500 ml / min
Totraum
Der Totraum ist das gesamte luftleitende System (vom Nasen- /
Mundeingang bis zum Ende der Bronchiolen). Hier wird zwar
Luft bewegt, es findet jedoch kein Gasaustausch statt. Die Größe
des Totraumes beträft ca. 2 ml / kg Körpergewicht, beim Erwachsenen
also ca. 150 ml.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
23
2. Körper des Menschen
2.3 Gehirn und Nervensystem
Längsschnitt
durch die Mitte des Gehirnes
Großhirn
Kleinhirn
Haut
Subkutangewebe
Großhirn
Im Großhirn sind die Funktionen des Bewusstseins lokalisiert, es
ist der Ort jeglicher geistiger Leistung. Hier werden die Sinneswahrnehmungen aufgenommen, verarbeitet und gespeichert
(Denken und Handeln), sowie die willkürlichen Bewegungen
des Körpers gesteuert.
Schädelknochen
Harte Hirnhaut
Hirnanhangsdrüse
Hirnstamm
Verlängertes Mark
Aufbau und Funktion
Das Nervengewebe lenkt durch Reizaufnahme, -verarbeitung
und -verteilung alle Lebensvorgänge des Organismus. Das Gehirn,
das Rückenmark und das weit verzweigte periphere Nervensystem
bestehen aus Nervenzellen und Nervenfasern.
Gehirn und Rückenmark bilden das zentrale Nervensystem (ZNS).
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Spinnwebhaut
Weiche Hirnhaut
Gehirn
Gehirn
Das Gehirn befindet sich geschützt in der knöchernen Schädelhöhle. Es wird von den Hirnhäuten umgeben. Es besteht aus
zwei Großhirnhälften, die unten an das Zwischenhirn angrenzen.
Dieses geht in den Hirnstamm mit dem verlängerten Mark über
und steht mit dem Kleinhirn in Verbindung. Zwischen den Hirnund Rückenmarkhäuten, wie auch in den Hirnkammern (Hohlräume
in der Hirnmasse = Ventrikel) befindet sich eine klare, wässrige
Flüssigkeit, die Gehirnflüssigkeit (Liquor). Durch diese Flüssigkeit
werden das Gehirn und das Rückenmark geschützt.
Kleinhirn
Das Kleinhirn koordiniert die Bewegungsabläufe. Es ermöglicht
und kontrolliert die Muskelspannung und Muskelkraft.
Hirnstamm
Der Hirnstamm und das verlängerte Mark sind übergeordnete
Zentren des unwillkürlichen (vegetativen) Nervensystems.
Zwischenhirn
Das Zwischenhirn ist einerseits Schnittpunkt zwischen Großhirn
und den tiefergelegenen Regionen des zentralen Nervensystems und andererseits zwischen Großhirn und dem vegetativen
Nervensystem.
24
2. Körper des Menschen
Großhirn
Kleinhirn
Rückenmark
Nervengeflecht des
Schultergürtels
Rückenmarksnerven
Nervengeflecht
des Armes
Der Sympathikus beschleunigt Herzschlag und Atmung: Herzkranzgefäße und Bronchien werden erweitert. Er verengt die
peripheren Gefäße und steigert den Blutdruck. An den Augen
bewirkt er eine Pupillenerweiterung.
Der Parasympathikus wirkt als „Gegenspieler“ des Sympathikus.
Er verlangsamt die Herztätigkeit: Herzkranzgefäße und Bronchien
verengen sich, der Blutdruck wird gesenkt. Die Drüsentätigkeit
und Darmbewegung werden gesteigert. Die Pupillen verengen sich.
Im Normalfall bewirkt das Zusammenwirken von Sympathikus
und Parasympathikus eine optimale Anpassung an die jeweilige
Belastungssituation.
Pie
ee
p!!
!
Nervengeflecht für
Beckengürtel und Bein
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
ep!!
Pie Piep
!
p!
Vegetatives Nervensystem
Das vegetative Nervensystem steuert zusammen mit dem Zwischenhirn und dem Hirnstamm die Organfunktion des Körpers und passt
sie der jeweiligen Situation an. Das bedeutet, dass die nicht dem
Willen des Menschen unterworfenen Körperfunktionen wie z.B.
Herztätigkeit, Kreislauf, Verdauung oder die Regulierung der Körpertemperatur automatisch gesteuert werden. Hierzu erstreckt sich ein
Netzwerk von Nervenbahnen vom Gehirn aus über den ganzen
Körper. Entsprechend ihrer Steuerungsfunktion unterscheidet man
zwei Teile: das sympathische und parasympathische Nervensystem.
Pie
Rückenmark
Das Rückenmark liegt als Nervenstrang im Wirbelkanal. Es ist
wie das Gehirn von Häuten und Gehirnflüssigkeit umgeben. Die
beidseitig aus dem Wirbelkanal zu den jeweiligen Körperbereichen und Organen austretenden Nerven gehören zum peripheren
Nervensystem.
25
2. Körper des Menschen
2.4 Organe im Bauchraum
Unter Verdauung werden alle Vorgänge der Zerkleinerung, Aufspaltung, Aufnahme (Resorption) und Weiterleitung der Nahrung
bis zur Ausscheidung verstanden.
Mund
Im Mund wird die Nahrung zerkleinert und mit Speichel vermischt.
Hier beginnt bereits die Verdauung (chemische Aufspaltung
durch Enzyme) der Speisen.
Speiseröhre
Durch den Schluckvorgang gelangt der Speisebrei in die hinter
der Luftröhre liegende Speiseröhre. Diese ist ein muskulöser
Schlauch, der durch wellenförmige Bewegungen (Peristaltik)
die Nahrung vom Rachen in den Magen befördert.
Magen
Der Magen liegt etwa in der Mitte des Oberbauches, unter dem
Zwerchfell. In ihm werden die Speisen durch Beimengung von
Magensaft, dessen wesentlicher Bestandteil Salzsäure ist, aufgespalten und durch ständige Bewegung der Magenmuskulatur
vermischt.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Dünndarm
Durch den Magenausgang (Magenpförtner) gelangt der Mageninhalt in einzelnen Schüben in den ersten Abschnitt des Dünndarms, den Zwölffingerdarm. Im Zwölffingerdarm werden
Verdauungssäfte sowohl aus der Bauchspeicheldrüse als auch
aus der Galle (die in der Leber produziert und in der Gallenblase
gesammelt wird) zugesetzt. Die Verdauungssäfte bewirken eine
weitere chemische Aufspaltung der Speisen. Die Galle macht
Fette wasserlöslich und damit aufnahmefähig.
Im weiteren Verlauf des Dünndarms werden die Nährstoffe in
gelöster Form durch die in den Dünndarmzotten befindlichen
Kapillaren der Pfortader und der Lymphwege resorbiert.
Dickdarm
Der Dünndarm mündet im rechten Unterbauch in den Dickdarm.
Der unterhalb der Einmündung in den Dickdarm befindliche Darmabschnitt ist der Blinddarm mit dem Wurmfortsatz (Appendix).
Der Dickdarm besteht aus einem aufsteigenden, einem quer
verlaufenden und einem absteigenden Teil. Hier wird dem Speisebrei Wasser entzogen und dem Körper wieder zugeführt.
Enddarm
Der Dickdarm mündet in den Enddarm. Von dort werden die nicht
verwerteten Substanzen durch den After als Stuhl ausgeschieden.
Mundhöhle
Speiseröhre
Magen
Zwerchfell
Leber
Gallenblase
Zwölffingerdarm
Querlaufender
Dickdarm
Aufsteigender
Dickdarm
Blinddarm
Wurmfortsatz
(Appendix)
Milz
Pförtner
Bauchspeicheldrüse
Absteigender
Dickdarm
Dünndarm
S-förmige
Schlinge
Mastdarm
26
2. Körper des Menschen
Leber
Die Leber liegt im rechten Oberbauch und wird teilweise vom
unteren Rippenbogen bedeckt. Sie ist die größte Drüse des
Körpers und ein sehr blutreiches Organ. Sie produziert Galle,
die in der Gallenblase gespeichert und bei Bedarf in den Zwölffingerdarm abgegeben wird. Weiter übernimmt sie wichtige
Stoffwechselfunktionen. Die über die Pfortader der Leber zugeführten Stoffe werden hier chemisch umgewandelt und teilweise
gespeichert. Darüber hinaus dient die Leber der Entgiftung des
Körpers.
Bauchspeicheldrüse
Die Bauchspeicheldrüse liegt im Oberbauch hinter dem Magen.
Sie hat zwei wesentliche Aufgaben. Zum einen bildet sie Verdauungssäfte, die in den Zwölffingerdarm abgegeben werden,
zum anderen wird in speziellen Zellen Insulin produziert, welches in den Blutkreislauf abgeführt wird. Insulin ist das Hormon,
das den Zuckerhaushalt des Körpers regelt.
Milz
Die Milz befindet sich im linken Oberbauch. Sie hat eine wichtige
Funktion im Immunsystem des Körpers (Speicherung bestimmter
weißer Blutkörperchen). Darüber hinaus baut die Milz überalterte
rote Blutkörperchen ab.
Bauchfell
Die beschriebenen Organe befinden sich in der Bauchhöhle.
Sie sind vom Bauchfell überzogen. Insbesondere das Bauchfell
besitzt sensible Nerven, die auch den Bauchschmerz auslösen.
Nieren
Die Nieren liegen außerhalb des Bauchfells, eingebettet in je
eine Fettkapsel, links und rechts neben der Wirbelsäule. Ihre
Aufgabe besteht darin, Stoffe, die in zu hoher Konzentration
im Blut vorhanden sind. Hierzu gehören vor allem Stoffwechselendprodukte wie Harnstoffe und Harnsäure, auszuscheiden.
Sie regulieren zudem den Wasser- und Elektrolythaushalt des
Körpers. Die von den Nieren ausgeschiedene Flüssigkeit (Harn)
gelangt über die Harnleiter in die Harnblase.
Nebenniere
Niere
Untere Hohlvene
Harnleiter
Harnblase
Die Harnblase befindet sich in der Mitte des unteren Bauchraumes im Bereich des kleinen Beckens. Als Sammelgefäß ist
die Harnblase in der Lage, sich bei Bedarf auszuweiten. Im
Normalfall fasst sie ca. 350 ml. Sie kann sich aber bis auf ein
Volumen von ca. 2.000 ml erweitern und reicht in diesem
Extremfall bis zur Höhe des Nabels. Der Urin fließt durch die
Harnröhre nach außen.
Harnröhre
Die Harnröhre wird beim Mann unmittelbar hinter dem Blasenausgang von der Vorsteherdrüse (Prostata) umschlossen und
verläuft durch das Glied. Die Harnröhre der Frau ist kürzer als
die des Mannes und mündet in den Scheidenvorhof.
Nierenschlagader
Nierenvene
Hauptschlagader
Harnblase
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
27
2. Körper des Menschen
2.5 Stütz- und Bewegungsapparat
Knochenaufbau
Prinzipiell sind alle Knochen des Menschen gleich aufgebaut.
Die Knochenrinde ist die äußere, kompakte Knochenstruktur. Sie
ist stark durchblutet. Die Knochenhaut umgibt die Knochen und
enthält sensible Nerven, die bei Verletzungen starke Schmerzen
auslösen.
Die Markhöhle ist bei den Röhrenknochen mit gelbem, fetthaltigem Knochenmark gefüllt (in den platten Knochen befindet
sich rotes Mark für die Blutbildung).
In besonders beanspruchten Bereichen der Knochen befinden
sich Knochenbälkchen. Sie ermöglichen durch ihre Struktur und
Anordnung eine sehr große Stabilität und Elastizität der Knochen.
In Bereichen, wo Knochen durch Gelenke miteinander verbunden
sind, sind die Gelenkflächen mit einer Knorpelschicht, dem
Gelenkknorpel, überzogen.
Knochenformen
Entsprechend ihrem Aufbau und ihrer
Struktur unterscheidet man:
Platte Knochen
Schulterblatt, Brustbein, Schädelknochen, Beckenknochen
Röhrenknochen
Oberarm, Oberschenkel
Kurze Knochen
Wirbelkörper, Hand- und Fußwurzelknochen
Knochenverbindungen
Die einzelnen Knochen sind unterschiedlich miteinander
verbunden. Es gibt feste und bewegliche Verbindungen:
Knochen (Knochenhaften) verbinden z.B. die verschiedenen Schädelknochen fest und unbeweglich miteinander.
Knorpel befinden sich dort, wo Knochen fest, aber beweglich
miteinander verbunden sind, z.B. die Rippen mit dem Brustbein.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
28
2. Körper des Menschen
Gelenke
Gelenke sind bewegliche Knochenverbindungen.
Sie bestehen aus:
Gelenkkapsel
Gelenkkopf
Stirnbein
Scheitelbein
Keilbein
Verstärkungsbänder
■
Gelenkpfanne
Gelenkspalt mit
Gelenkschmiere
Knorpelschicht
Kugelgelenk
allseitig drehbar
Kugelgelenk
■
■
■
■
Gelenkkopf
Gelenkpfanne
Gelenkknorpel
Gelenkkapsel
Bänder
Entsprechend ihrer Beweglichkeit werden Kugelgelenke,
Scharniergelenke, Drehgelenke und Sattelgelenke
unterschieden.
Schläfenbein
Nasenbein
Hinterhauptsbein
Jochbein
Unterkiefer
Oberkiefer
Stirnbein
Keilbein
Drehgelenk
drehbar um die
Längsachse
Kombiniertes Gelenk
Dreh-/Scharniergelenk
Sattelgelenk
schwenkbar in
zwei Ebenen
Scharniergelenk
schwenkbar in einer Ebene
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Drehgelenk
Schläfenbein
durchlöcherte
Platte des
Siebbeins
Sehnervkanal
Ovales Loch
Eingang zum
Gehörgang
Scharniergelenk
Sattelgelenk
Hinterhauptsbein
großes
Hinterhauptsloch
Schädel
Der Gehirnschädel schützt das Gehirn. Bedingt durch seine
Form hat er eine sehr große Festigkeit. Die einzelnen Knochenplatten sind durch Knochenhaften miteinander verbunden.
Die Knochen des Gehirnschädels bilden zusammen mit dem
Siebbein die Schädelbasis. Sie ist mit vielen Kanälen zum Durchlass von Nerven und Blutgefäßen durchzogen. Im hinteren Bereich
der Schädelbasis befindet sich das Hinterhauptsloch, das den
Zugang der Nerven zum Wirbelkanal darstellt.
29
2. Körper des Menschen
seitlich
Wirbelkörper
Gelenkflächen
für die Rippen
obere
Gelenkfortsätze
Querfortsätze
Dornfortsatz
untere Gelenkfortsätze
von oben
Gelenkfläche des
Querfortsatzes
für die Rippe
Beuger
Strecker
Wirbelloch
Gelenkflächen
für die Rippen
Wirbelkörper
Wirbelsäule
Als Achse unseres Skelettes hat die Wirbelsäule die Aufgaben,
den Schädel zu tragen, unseren Körper aufrecht zu halten und
als Federung zu dienen (doppelte S-Form + Bandscheiben). Die
Wirbelsäule besteht aus 7 Halswirbeln, 12 Brustwirbeln, 5 Lendenwirbeln sowie dem Kreuzbein und dem Steißbein.
Vom 2. Halswirbel bis zum 5. Lendenwirbel befinden sich
zwischen den Wirbelkörpern die Zwischenwirbelscheiben
(Bandscheiben). An den Wirbeln befinden sich Gelenke und
Gelenkflächen, die eine hohe Beweglichkeit ermöglichen. Durch
das Wirbelloch führen das Rückenmark sowie bestimmte Nerven.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Brustkorb
Zum Brustkorb gehören die Brustwirbelsäule, das Brustbein und
die Rippen. Von den 12 Rippenpaaren sind 7 direkt mit dem
Brustbein verbunden (echte Rippen). Die übrigen 5 Rippenpaare
(unechte Rippen) sind nur indirekt oder gar nicht mit dem Brustbein verbunden.
Die Rippen werden bei der Einatmung mit der Brustkorbmuskulatur nach oben gezogen, dadurch vergrößert sich das Volumen
im Brustkorb.
Becken
Der Beckengürtel, aufgrund seiner Bauart auch Beckenring genannt,
verbindet den Rumpf mit den unteren Extremitäten. Im Becken
verlaufen große Gefäße, welche die unteren Extremitäten mit
Sauerstoff und Nährstoffen versorgen.
Bänder
Bänder bilden u.a. die Gelenkkapseln. Sie führen und stabilisieren die Gelenke, sichern und festigen die Stellung bestimmter
Knochen zueinander und schaffen dadurch bestimmte Funktionseinheiten, wie z.B. Elle und Speiche oder die Wirbelsäule.
Sehne
Gelenk
Muskeln und Sehnen
Die Bewegung der Knochen erfolgt durch Muskeln. Sie sind je
Bewegungseinheit meist gegenläufig angeordnet, z.B. Armbeugeund Armstreckmuskel. Die Muskeln gehen in die Sehnen über. Diese
verlaufen durch Sehnenscheiden geschützt über das Gelenk
zum gegenüberliegenden Knochen.
30
2. Körper des Menschen
Haut
Die Haut als größtes Organ des Körpers besteht aus verschiedenen,
schichtweise angeordneten Gewebetypen: Oberhaut, Lederhaut, Unterhautfettgewebe. Wir nehmen sie zuerst als Grenze
des Körpers zur Umwelt wahr. Aber auch im Körperinneren gibt
es viele Haut-Bestandteile (z.B. Schleimhäute).
Die Haut als Hülle des Körpers hat verschiedene Aufgaben:
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Mechanischer Schutz
z.B. bei Stößen oder dem Hinfallen, aber
auch Schutz vor Krankheitserregern
Temperaturregulation
durch Verengung oder Erweiterung
der Blutgefäße und durch Schwitzen
Regulierung des Wasserhaushaltes
Abgabe von Wasser und Salzen (Schweiß)
Sinnesfunktion
Wahrnehmen von Schmerzen, Berührungen
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Fachbereich:
Ausbildungsstufe:
Stand:
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Notfallmedizin
Grundausbildung
12 / 2007
33
3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
3.1 Einschätzung der Störung
(ABC-Sicherung / Ganzkörpercheck)
Die ABC-Sicherung und der Ganzkörpercheck werden bei
jedem Verletzten durchgeführt. Grund dafür ist, dass für das weitere
Vorgehen ein rascher Überblick über möglicherweise vorliegende
Verletzungen / Erkrankungen benötigt wird. Gerade dem wachen
Patienten wird sich eine eher unbedeutende Schnittwunde,
die ihm jedoch unter Umständen große Schmerzen bereitet,
bedrohlicher darstellen, als beispielsweise eine bestehende stumpfe
Bauchverletzung. Diese könnte deshalb ohne Ganzkörperuntersuchung übersehen werden und im weiteren Verlauf möglicherweise
zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen. Bei bewusstlosen
Patienten liefert ausschließlich der Ganzkörpercheck Hinweise auf
mögliche Verletzungen.
Die Erstuntersuchung eines Notfallpatienten ist eine der wichtigsten und verantwortungsvollsten Aufgaben im Rahmen
der Versorgung eines Patienten im Gebirge. Mit dem Ergebnis
der Untersuchung werden die Weichen gestellt für den gesamten weiteren Ablauf des Einsatzes. Die Frage, die dabei den
Ausschlag für die weiteren Entscheidungen gibt ist:
Kann ich die Situation selbst beherrschen oder brauche ich Hilfe?
So kann es erforderlich sein, einen Hubschrauber, einen Notarzt
oder einfach Verstärkung anzufordern.
Maßnahmen
Beim Eintreffen an der Einsatzstelle erfolgt
eine Lagebeurteilung:
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Sind die Helfer oder der Patient gefährdet?
Wie viel Verletzte sind vorhanden (Unfallhergang)
Ist der Patient ansprechbar, bewusstseinsgetrübt oder bewusstlos?
Ist ein Notarzt aufgrund der vorgefunden
Situation erforderlich?
ABC-Sicherung
Zuerst werden die Vitalfunktionen überprüft und behebbare
lebensbedrohliche Störungen sofort behandelt! Dies ist
besonders bei bewusstseinsgetrübten / bewusstlosen Patienten
wichtig. Die Erstuntersuchung der lebenswichtigen Funktionen
lässt sich auch leicht mit dem Englischen abkürzen:
A = Airway (Atemwege)
B = Breathing (Atmung) und
C = Circulation (Kreislauf)
A Sind die Atemwege frei
oder müssen sie frei gemacht werden?
(z.B. Unterkiefer vorschieben, Kopf überstrecken,
Fremdkörper entfernen, Absaugen...)
B Atmet der Patient
oder muss er beatmet werden? Liegt eine akute
Atemnot vor? (z.B. Beatmung, Sauerstoffgabe bei
akuter Atemnot und schweren Verletzungen)
C Hat der Patient Lebenszeichen / Kreislaufzeichen
oder muss mit der Herz-Lungen-Wiederbelegung
begonnen werden?
Liegen starke, erkennbare Blutungen vor?
(z.B. Herz-Lungen-Wiederbelebung, Druckverband...)
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
12//2007
2007
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Behebbare lebensbedrohliche Störungen
A
B
C
Airway (Atemwege)
Breathing (Atmung)
Circulation (Kreislauf)
Bei einem Patienten, der problemlos sprechen kann ist ABC
abgehandelt. Jemand der ohne Anstrengung redet, hat freie
Atemwege, atmet und weist einen Puls auf.
Ganzkörpercheck
Bevor man mit der Ganzkörperuntersuchung beginnt, klärt man
den Betroffenen über den Grund dieser Maßnahme auf: Es ist für
einen Patienten nicht unbedingt einsichtig, dass man sich nicht
sofort um evtl. offensichtliche Verletzungen kümmert, sondern
erst einen kompletten Ganzkörpercheck durchführt.
Die Untersuchung selbst läuft immer nach dem gleichen Schema
ab. Sie verläuft von Kopf bis Fuß, so dass hier die lebenswichtigen
Organe und Organsysteme zuerst untersucht werden.
Ziel ist es, lebensbedrohliche Verletzungen / Erkrankungen
möglichst früh zu erkennen (hohe Transportdringlichkeit).
Bei der Untersuchung selbst befragt man den Patienten zuerst
nach der Art und dem Ort der Beschwerden, sowie dem Unfallhergang (Gedächtnislücke).
Anschließend tastet man den Patienten ab und befragt ihn, z.B.
„haben Sie hier Schmerzen?“ Auch kann der Patient aufgefordert
werden, seine Extremitäten zu bewegen „Können sie ihre Finger,
Arme und Beine bewegen und ist das Gefühl normal ?“.
Bei der Untersuchung beginnt man mit den Organsystemen von deren
Fehlfunktion am ehesten eine Lebensgefährdung ausgehen könnte.
Zunächst untersucht man den Kopf, befragt den Patienten nach
dem Unfallhergang und eventueller Gedächtnislücke (Filmriss).
Nach der Beurteilung der Bewusstseinslage sucht man nach
Druckschmerzen, offenen Wunden, Blut oder Gehirnflüssigkeit
aus Mund, Nase und Ohren.
Zur Untersuchung des Kopfes gehört auch die Untersuchung
der Halswirbelsäule auf Verletzungen.
Nun geht man weiter zum Brustkorb. Hier tastet man die Rippen
und das Brustbein ab, fragt nach Druckschmerzen, Schmerzen bei
der Atmung und nach Atemnot. Auch Atemnot vor der Ankunft
des Rettungspersonals ist wichtig (innere Erkrankung). Auch ist es
wichtig, nach offenen Verletzungen und Prellmarken zu suchen.
Als nächstes beurteilt man den Bauch.
Hier geht es ebenfalls um Druckschmerz, der wenn vorhanden
auch lokalisiert werden muss. Aber ebenso interessieren Abwehrspannung, Prellmarken und auch hier wieder offene Verletzungen
und sichtbare Blutungen. Bei der Untersuchung des Bauches
muss man wissen, dass tiefe Rippenfrakturen auch den Bauch
betreffen können und sehr gefährlich sind.
Anschließend untersucht man das Becken als mögliche Quelle
für schwere innere Blutungen. Man untersucht das Becken auf
Schmerz, Kompressionsschmerz, Bewegungsempfindlichkeit und
Instabilität. Auch Blut, das möglicherweise über Harnröhre, Darm
oder Vagina ausgetreten ist, kann als ein Hinweis auf eine schwere
Beckenverletzung dienen.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
35
3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Nachdem die Systeme untersucht worden sind, von denen in
nächster Zeit eine Lebensbedrohung zu erwarten ist, untersucht
man noch den Bewegungsapparat.
Die Wirbelsäule muss in ihrer gesamten Länge untersucht
werden. Liegt der Patient auf der Seite, ist das nicht besonders
schwierig, liegt er auf dem Rücken, so kann man auch in dieser
Lage mit etwas Anstrengung die gesamte Wirbelsäule abtasten,
ohne den bis jetzt in seiner Lage nicht veränderten Patienten
besonders zu bewegen.
Gibt der Patient Schmerzen im Rücken an, dann ist es wichtig zu
wissen ob sie tatsächlich in der Mittellinie lokalisiert sind, oder
ob es sich nicht eher um Rippenfrakturen handelt. Zu einer
Untersuchung der Wirbelsäule gehört immer eine Untersuchung
der Sensibilität und der Motorik. Daher ist es auch sinnvoll, die
Wirbelsäule erst jetzt zu untersuchen und nicht schon zu einem
früheren Zeitpunkt.
Nachdem die körperliche Untersuchung abgeschlossen ist und
Puls und Blutdruck bestimmt sind, erfolgt eine Neubewertung
der Gesamtsituation.
Mit diesem Untersuchungsgang ist eine systematische Beurteilung
des gesamten Patienten in ca. 1 1 ⁄ 2 Minuten möglich.
Anschließend wird der Patient über das Untersuchungsergebnis und das weitere Vorgehen informiert.
Das Schema ist in erster Linie auf die Untersuchung eines Verletzten ausgerichtet. Doch auch für die Beurteilung eines erkrankten
Patienten kann das Schema hilfreich sein. Nachdem der Helfer
ausführlich auf die Hauptbeschwerden eingegangen ist, kann er
zumindest verbal den Körper in der angegebenen Reihenfolge abfragen und so Informationen über ausstrahlende Schmerzen oder
weitere Beschwerden gewinnen.
Jetzt kann sich nahtlos die Untersuchung der Extremitäten
anschließen. Diese werden untersucht auf abnormale Lage und
Beweglichkeit, Schwellung, Schmerzen, offene Wunden, hervorstehende Bruchenden, Sensibilität, Motorik und Durchblutung.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
3.2 Störungen der vitalen Funktionen
Vitale Funktionen
Bewusstsein, Atmung und Kreislauf, haben einen unmittelbaren
Einfluss auf das Überleben. Ist eine dieser drei Vitalfunktionen im
menschlichen Körper gestört, können auch die anderen beiden
geschädigt werden. Wichtig ist das schnelle Handeln, das sich hier
oft an den Symptomen orientiert.
Definition und Aufgabe des Bewusstseins
Arbeiten die verschiedenen Bereiche des Nervensystems ungestört
zusammen, so ist der Mensch bei Bewusstsein. Er kann sehen,
hören, fühlen, riechen und schmecken. Sein Denk-, Merk- und
Reaktionsvermögen funktioniert ebenso wie die Fähigkeit,
geordnete Bewegungsabläufe auszuführen. Er ist örtlich, zeitlich
und der Situation entsprechend orientiert. Auch die Schutzreflexe
sind, obwohl sie nicht bewusst gesteuert werden, vom ungestörten
Bewusstsein abhängig.
Überblick über das Erscheinungsbild
bei Störungen des Bewusstseins
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Überblick über die Maßnahmen
bei Störungen des Bewusstseins
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Störung und Gefahren
Die größte Gefahr geht von den ausgeschalteten Schutzreflexen
und der völligen Muskelerschlaffung aus. Während bei ungestörtem
Bewusstsein prinzipiell keine Gefahr besteht, dass die Atemwege
verlegt werden, ist dies bei Bewusstlosigkeit möglich. Die Zunge
kann die Atemwege wegen der Muskelerschlaffung im Rachenraum verlegen. Aber auch Erbrochenes oder Flüssigkeiten, z.B.
Blut, können durch Anatmen (Aspiration) und dem jetzt fehlenden
Hustenreflex zum Ersticken führen.
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Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Stellt man beim Ansprechen eines Patienten fest, dass dieser schläfrig
und teilnahmslos aber noch erweckbar ist und auf Fragen antwortet,
spricht man von einer Bewusstseinstrübung. Sollte der Patient
auf Ansprache und auf leichtes Rütteln an den Schultern nicht
reagieren bzw. keinerlei Reaktion auf Schmerzreize zeigen spricht
man von einer Bewusstlosigkeit.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
keine / verminderte Reaktion auf Ansprechen / Anfassen
fehlende Schutzreflexe
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ABC-Sicherung
Notarzt rufen
Bewusstlose mit ausreichender Eigenatmung
in stabile Seitenlage bringen
ggf. Patienten über Maßnahmen informieren
und beruhigen
Absaugbereitschaft herstellen
Sauerstoffgabe
Ganzkörpercheck
Wärmeerhalt
Blutzuckerkontrolle (wenn möglich)
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Maßnahmen
Der Betroffene wird angesprochen und angefasst. Bei einer
Bewusstseintrübung muss man den Patienten regelmäßig
ansprechen oder ein Gespräch mit ihm führen, um frühzeitig zu
erkennen wenn er das Bewusstsein verliert. Bei Bewusstlosigkeit folgt eine Atem und Kreislaufkontrolle (siehe Herz-Lungen
Wiederbelebung). Ist eine ausreichende Atmung und Kreislauftätigkeit vorhanden, wird der Patient in die stabile Seitenlage
gebracht, damit Flüssigkeiten (Blut, Erbrochenes) abfließen
können. Wegen der Gefahr des Erbrechens sollte, um schnell
reagieren zu können, eine Absaugpumpe vorbereitet werden.
Sofern die Möglichkeit zur Blutzuckermessung besteht, sollte sie
durchgeführt werden.
Definition und Aufgabe der Atmung
Die Atmung reguliert die Aufnahme von Sauerstoff und die
Abgabe von Kohlendioxid. Durch die Atembewegung gelangt
die Umgebungsluft über die Atemwege in die Lunge und der
Sauerstoff über diese in das Blut. Ist diese Funktion beeinträchtig, kann es zu lebensbedrohlichen Störungen kommen.
Bei jeder Bewusstseinstrübung ist ein Notarzt zu rufen!
1.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
2.
3.
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Störung und Gefahren
Ursachen für Atemstörungen können z. B. Asthma oder ein
Lungenödem (durch Ertrinken, extreme Höhe, Gifte, herzbedingt,
allergisch) sein. Auch andere Erkrankungen oder Verletzungen
können eine Atemstörung auslösen.
Bei Atemstörungen wird entweder zu wenig Sauerstoff aufgenommen oder zu wenige Abfallprodukte der Verbrennung
(Kohlendioxid) abgegeben. Es ist auch beides gleichzeitig möglich
(Ausnahme ist die Hyperventilation). Ist die Abatmung von
Kohlendioxid in der Lunge beeinträchtigt, steigt der Kohlendioxidspiegel im Blut an. Wird zu wenig Sauerstoff aufgenommen,
kommt es zu Stoffwechselstörungen in den Zellen mit vermehrter
Abgabe saurer Substanzen in das Blut.
Resultat ist eine Übersäuerung des Blutes (Acidose), die für den
Gesamtorganismus schädlich ist. Die für Sauerstoffmangel empfindlichsten Zellen sind die des Gehirns. Diese werden bereits
nach kurzer Zeit (wenige Minuten) geschädigt. In jedem Fall führt
akuter Sauerstoffmangel zur baldigen Bewusstlosigkeit.
Ist eine Spontanatmung vorhanden, aber diese nicht ausreichend,
spricht man von einer ungenügenden Atmung. Ist keine „normale“
Atmung vorhanden, spricht man von einem Atemstillstand.
Die Schwere der Atemnot abzuschätzen ist oft schwierig. Alarmsignale für den Bergretter sind Angaben des Patienten z.B. wie „ich
bekomme sehr schlecht Luft“ bzw. bläulich verfärbte Lippen, Ohrläppchen oder Finger (Zyanose). Hier ist der Patient akut gefährdet.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
bei ungenügender Atmung (Atemnot)
Der Betroffene hat eine flache, schnelle Atmung, es kann aber
auch eine tiefe Atmung mit langen Atempausen vorliegen. Der
gesamte Atemrhythmus ist möglicherweise unregelmäßig. Die
Haut zeigt die typische Blaufärbung (Zyanose). Weitere typische
Zeichen für eine ungenügende Atmung oder Atemnot sind das
Hochziehen des Schultergürtels zur Betätigung der Atemhilfsmuskulatur, das Ringen nach Luft und häufig der Widerstand
gegen flaches Liegen, da im Liegen die Atemnot zunimmt. Der
Betroffene leidet unter motorischer Unruhe und Angstgefühlen.
Er kann Schmerzen beim Atmen haben. Ebenso können Atemnebengeräusche wie Pfeifen, Schlürfen oder Röcheln auftreten.
Unter Umständen wird der Betroffene helles, schaumiges Blut
aushusten und man beobachtet zudem eine deutliche Verstärkung
vorhandener Schockanzeichen.
Überblick über das Erscheinungsbild
bei Störungen der Atmung
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Ringen nach Luft
nicht normale Atemgeräusche
Blaufärbung der Schleimhäute,
(z.B. Lippen, Fingernagelbett , Ohrläppchen)
Unruhe, Angst
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Maßnahmen
Der Bergretter muss beruhigend auf den Betroffenen eingehen.
Die Sauerstoffversorgung kann durch atemunterstützende Hochlagerung des Oberkörpers und durch eine unterstützende
Sauerstoffgabe verbessert werden. In den meisten Fällen ist
das Aufrichten des Oberkörpers, Anlehnen an einen geeigneten Gegenstand und das Aufstützen der nach hinten gerichteten Arme, die beste Lösung. Ausschlaggebend für die Lagerung ist letztendlich aber der Wunsch des Patienten.
Offene Verletzungen des Brustkorbes müssen steril, aber keinesfalls
luftdicht abgedeckt werden. Einer schlechten Versorgung des
Gewebes wird mit Sauerstoffgabe entgegengewirkt.
(Der Zustand Atemstillstand wird unter der Herz-Lungen Wiederbelebung behandelt, die Verlegen der Atemwege mit einem Fremdkörper unter dem Thema Atemwegsverlegung.)
Zu den allgemeinen Maßnahmen gehören, je nach Schwere der
Atemnot bzw. Situation, das Hinzuziehen eines Notarztes, wärmeerhaltende Maßnahmen und die Dokumentation des Einsatzes.
Definition und Aufgabe des Kreislaufes
Der menschliche Körper besteht aus vielen Zellen, die zu jeder Zeit
mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und von Stoffwechselprodukten entsorgt werden müssen. Diese Transportfunktion
übernimmt das Blut. Der Blutkreislauf ist ein in sich geschlossenes
System von Röhren, die sich in ihrem Wandaufbau und ihrem
Durchmesser unterscheiden.
Störung und Gefahren
Störungen des Kreislaufsystems können an verschieden Funktionsstellen ansetzen. So kann zum Beispiel die Herzkraft vermindert,
die Herzfrequenz zu hoch oder zu niedrig, der Herzrhythmus unregelmäßig, das Blutvolumen zu wenig, der Blutdruck zu hoch
oder zu tief und die Gefäßwand bzw. die Gefäßdurchgängigkeit
gestört sein. Tritt an einer Stelle eine Störung auf, so kann dies
Auswirkungen auf das gesamte Herz-Kreislauf-System und den
restlichen Organismus haben.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Störungen im Herz-Kreislauf-System können – außer durch Sinneswahrnehmungen durch den Bergretter – oft nur durch Gerätekontrollen (Blutdruck, Pulsoximeter, EKG) am Betroffenen
erkannt werden. Allgemeine Anzeichen für eine Störung des HerzKreislauf-Systems können z.B. Schwindel, Übelkeit, Erbrechen,
Durchfall, Kaltschweißigkeit, „Schwarzwerden vor den Augen“,
Blässe, Teilnahmslosigkeit, Bewusstlosigkeit und Atemnot sein.
Überblick über das Erscheinungsbild
bei Störungen des Kreislaufes
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Schwindel
Blässe
Übelkeit
Teilnahmslosigkeit
Kaltschweißigkeit
Atemnot
Überblick über die Maßnahmen bei Störungen der Atmung
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Notarzt rufen je nach Erkrankungsschwere/Situation
ggf. Patienten über Maßnahmen informieren
und beruhigen
Sauerstoffgabe, ggf. Beatmung
Lagerung mit erhöhtem Oberkörper
oder nach Wunsch des Patienten
Wärmeerhalt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
40
3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Maßnahmen
Nach dem Ganzkörpercheck wird, wenn möglich, die Ursache für
die Kreislaufstörung bekämpft (z.B. Stillen von Blutungen). Die
Messung des Blutdrucks kann Hinweise zur Schwere der Störung
geben. Die Lagerung ergibt sich aus dem Verletzungs- bzw.
Erkrankungsmuster.
Zu den allgemeinen Maßnahmen gehören, je nach Schwere der
Kreislaufstörung bzw. je nach Situation, das Hinzuziehen eines
Notarztes, wärmeerhaltende Maßnahmen und die Dokumentation
des Einsatzes.
Besondere und spezielle Maßnahmen werden bei den einzelnen
Krankheitsbildern genauer erläutert.
Überblick über die Maßnahmen
bei Störungen des Kreislaufes
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Notarzt rufen je nach Erkrankungsschwere / Situation
ggf. Patienten über Maßnahmen informieren
und beruhigen
Sauerstoffgabe
situationsgerecht Lagern
Wärmeerhalt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Fallbeispiele Bewusstseinsstörung
Fallbeispiele Atmung / Kreislauf
Fallbeispiele Atmung / Kreislauf
1. Du wirst während eines Dienstabends in ein Nachbarhaus
gerufen. Du findest eine ca. 50-jährige Patientin regungslos
auf dem Fußboden ihrer Wohnung. Vorerkrankungen sind
laut Ehemann nicht bekannt.
2. Du wirst in den nahe gelegenen Klettergarten zu einem Kletterunfall gerufen. Ein etwa 15-jähriger Junge ist von ca. 2 Metern
Höhe abgestürzt und mit dem Hinterkopf aufgeschlagen. Laut
Angabe der Freunde war der Betroffene kurzzeitig bewusstlos
und ist jetzt wieder bedingt ansprechbar.
3. Eine Person verlässt die Seilbahn an der Bergstation und bricht
kurz darauf bewusstlos zusammen. Bei Eurem Eintreffen haben
Ersthelfer die Person in die stabile Seitenlage gebracht.
1. Ein Bergwanderer stürzt durch Unachtsamkeit über eine Wurzel
und verletzt sich am Brustkorb. Der Betroffene hat eine schnelle,
oberflächliche Atmung und äußert sich über atemabhängige
Schmerzen im linken Brustkorb. Es entwickelt sich eine leichte
Blaufärbung der Lippen und ein deutlich sichtbarer Bluterguss ist
am linken Rippenbogen zu erkennen.
2. Du wirst zu einer nahe gelegenen Berghütte gerufen. Dort
findest du einen ca. 65-jährigen Wanderer vor, der sich während
des Essens an den Hals fasste und zu würgen begann. Kurz
darauf bricht er bewusstlos zusammen. Es ist keine Atmung
mehr feststellbar.
3. Ihr werdet zu einem gestürzten Snowboarder gerufen, der
mit dem Hinterkopf auf einer Eisplatte aufgeschlagen ist. Ihr
findet den Boarder bewusstlos vor. Aus der Nase und aus
dem linken Ohr sickert langsam Blut. Der Betroffene hat ein
röchelndes Atemgeräusch.
1. An einem kühlen Tag kommt eine ca. 17-jährige Bergwanderin
mit ihrer Mutter zu dir in die Hütte und klagt über folgende
Beschwerden: Leichte Übelkeit, Schwindel, Schlaffheit und
Durchfälle. Welche Maßnahmen ergreifst du?
2. Ihr findet auf der Terrasse einer Hütte einen ca. 50-jährigen
Mann vor, der über beidseitige Krämpfe in den Waden klagt.
Er gibt an, seit fünf Stunden unterwegs zu sein und eine so
große Tour schon seit Jahren nicht mehr gemacht zu haben.
Wie kann man ihm helfen?
3. Ihr werdet zu einer Bergstation gerufen, wo sich eine
bewusstlose Person befinden soll. Beim Eintreffen findet ihr
eine ca. 40-jährige Frau am Boden liegend vor, die aber bereits
wieder ansprechbar ist. Sie gibt an, die Gondel verlassen zu
haben, anschließend wurde ihr schwarz vor Augen und sie
kann sich an nichts erinnern. Welche Maßnahmen ergreift ihr?
Übungsfragen
1. Welche Erkrankungen können zu einer
Bewusstlosigkeit führen?
2. Welche Arten von Bewusstseinstörungen kennst du?
3. Warum wird ein Bewusstloser in die stabile Seitenlage
gebracht, auch wenn er verletzt ist?
4. Welche Maßnahmen ergreifst du wenn ein Bewusstloser
in Seitenlage erbricht?
5. Weshalb ist es wichtig auch bei einem Bewusstlosen, der
in der Seitenlage liegt, die Vitalfunktionen
regelmäßig zu überprüfen?
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Übungsfragen
Übungsfragen
1. Welche Verletzungen könnten bei einem Bergwanderer
vorliegen, der ein Geröllfeld hinab gestürzt ist und starke
Schmerzen beim Atmen hat?
2. An was ist zu denken, wenn ein Mensch, der beim Essen ist,
plötzlich bläulich anläuft und bewusstlos zusammenbricht?
3. Bei welchen Verletzungen können Atemstörungen auftreten?
4. Wie werden die Prioritäten in der Versorgung einer Atemstörung, einer Schädel-Hirn-Verletzung, einer Bewusstlosigkeit
und einer Unterkühlung gesetzt? Vergleiche z.B. Fall 3.
1. Welche Krankheitsbilder können in den oben genannten
Beispielen (1 – 3) vorliegen?
2. Welche Gefahren bestehen für die Betroffenen und mit welchen
Komplikationen muss gerechnet werden?
3. Wodurch können Krämpfe der Skelettmuskulatur
allgemein auftreten und wodurch kann im Vorfeld
solchen vorgebeugt werden?
4. Wie sollten von Kreislaufstörung Betroffene
gelagert werden?
5. Von welchen Kriterien hängt die Lagerung ab?
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
3.3 Atemwegsverlegung (Fremdkörper)
Störung und Gefahren
Die Verlegung der Atemwege stellt eine ernste, wenn auch
behebbare Störung der Atmung dar. Wird hier nicht konsequent
und rasch gehandelt droht der Tod durch Ersticken. Zur Verlegung
der Atemwege kommt es häufig wenn Speisen anstatt in die
Speiseröhre in die Luftröhre gelangen. Kinder „verschlucken“
manchmal auch Spielzeug oder andere Fremdkörper.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Wenn ein Fremdkörper in die Luftröhre „in den falschen Hals
gelangt“, wird der Hustenreflex ausgelöst. Der Betroffene versucht
selbst, den Fremdkörper auszuhusten. Gelingt dies nicht, löst
der Fremdkörper vereinzelt einen Würgereiz aus. Zum Teil hört
man pfeifende Atemgeräusche, die durch die verlegten Atemwege entstehen. Als Zeichen des Sauerstoffmangels können die
Haut, Gesicht, Lippen sowie Finger (Nagelbett) bläulich verfärbt
sein (Zyanose).
Ist man sich nicht sicher was die Atemnot ausgelöst hat, kann das
„plötzliche“ Auftreten Indiz für eine Verlegung durch einen Fremdkörper sein. Der Sauerstoffmangel kann im weiteren Verlauf zur
Bewusstlosigkeit bis hin zum Herz-Kreislauf-Stillstand führen.
Überblick über das Erscheinungsbild
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Maßnahmen bei Erwachsenen
und Kindern über einem Jahr
Kann der Betroffene noch atmen und sprechen fordert man ihn
zum Husten auf. Ist die Verlegung der Atemwege so schwerwiegend, dass er weder sprechen noch adäquat atmen kann,
versucht man zuerst zwischen die Schulterblätter zu schlagen.
Hierzu soll sich der Betroffene nach vorne beugen, anschließend
schlägt man bis zu 5-mal mit der flachen Hand zwischen die
Schulterblätter. Gleichzeitig muss der Notarzt alarmiert werden.
Führt auch diese Maßnahme zu keinem Erfolg wendet man
den „Heimlich-Handgriff“ an. Man stellt sich hinter den nach
vorne gebeugten Betroffenen, umfasst ihn mit beiden Armen
und ballt mit einer Hand eine Faust. Die Faust legt man auf den
Oberbauch unterhalb des Brustbeines, mit der anderen Hand
umfasst man die Faust und zieht sie bis zu 5-mal ruckartig
nach hinten und oben. Führen beide Maßnahmen zu keinem Erfolg wird mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung
(HLW) begonnen.
Überblick über die Maßnahmen bei schwerer
Atemwegsverlegung durch Fremdkörper
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ABC-Sicherung
Notarzt rufen
Patienten nach vornüberbeugen
bis zu 5 Schläge zwischen die Schulterblätter
bis zu 5 Heimlichmanöver (Faust ruckartig
in den Oberbauch pressen)
falls kein Erfolg, Beginn HLW
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Ist der Betroffene bewusstlos, wird gehandelt wie bei der
Herz-Lungen-Wiederbelebung. Patienten, bei denen das
Heimlichmanöver ausgeführt wurde, müssen einem Arzt vorgestellt werden (Gefahr von inneren Verletzungen).
starker Hustenreiz
Würgereiz, bzw. Schluckbeschwerden
pfeifende Atemgeräusche
Blaufärbung der Haut (Zyanose)
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Maßnahmen bei Säuglingen unter einem Jahr
Zuerst wird der Säugling in Bauchlage in den Schoß gelegt. Wichtig
ist dass der Kopf tief liegt und von einer Hand fixiert wird.
Nun wird bis zu 5-mal mit dem Handballen der Körpergröße angepasst in die Mitte des Rückens geschlagen.
Gleichzeitig muss der Notarzt alarmiert werden.
Führt diese Maßnahme zu keinem Erfolg, wird der Säugling
in rückwärtige Kopf-tief-Lage gebracht. Nun erfolgen bis zu 5
Brustkorbkompressionen, ähnlich der Herzdruckmassage beim
Säugling, nur stärker und mit langsamerer Frequenz.
Fallbeispiel
Du wirst zu einer nahe gelegenen Berghütte gerufen. Dort findest
du einen ca. 65-jährigen Wanderer vor, der sich während des
Essens an den Hals fasste und zu würgen begann. Kurz darauf bricht
er bewusstlos zusammen. Es ist keine Atmung mehr feststellbar.
Übungsfrage
An was ist zu denken, wenn ein Mensch, der beim Essen ist,
plötzlich blau anläuft und zusammenbricht?
Führen beide Maßnahmen zu keinem Erfolg, bzw. ist der
Patient bewusstlos, wird mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung begonnen.
Überblick über die Maßnahmen bei schwerer
Atemwegsverlegung durch Fremdkörper
(Säuglinge unter 1 Jahr)
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ABC-Sicherung
Notarzt rufen
Patienten in Bauchlage bringen
bis zu 5 Schläge in die Mitte des Rückens
Patienten in Rückenlage bringen
bis zu 5 Brustkorbkompressionen
(ähnlich Herzdruckmassage)
falls kein Erfolg, Beginn HLW
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
3.4 Schock
Störung und Gefahren
Ein Missverhältnis zwischen benötigter und zirkulierender Blutmenge führt zur Zentralisation des Kreislaufes. Der Blutfluss in
den Kapillaren ist gestört oder unterbrochen. Der daraus folgende
Sauerstoffmangel schädigt die Körperzellen und lässt sie absterben.
Bei schweren Verletzungen, Vergiftungen oder Erkrankungen droht
der lebensgefährliche Schock, der unversorgt zum Tod führen kann.
Es gibt verschiedene Arten des Schocks die nach der auslösenden
Ursache benannt sind. Je nach Schockart sind auch verschiedene
Maßnahmen angezeigt. Bei der Behandlung des Schocks wird
vorrangig die auslösende Ursache bekämpft sowie der Sauerstoffbedarf ausgeglichen (Patient soll sich nicht anstrengen).
Überblick über das Erscheinungsbild
beim Volumenmangelschock
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Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
beim Volumenmangelschock
Ein Volumenmangelschock entsteht durch die Verminderung der
kreisenden Blutmenge in Folge einer Blutung nach außen oder
innen, Verbrennungen, Durchfall oder Erbrechen und Flüssigkeitsverlust durch starkes Schwitzen. Anzeichen sind fahle Blässe,
kalte, feuchte Haut mit Schweiß, frieren und zittern, schneller
Puls, niedriger Blutdruck, Zyanose und im fortgeschrittenen
Stadium Teilnahmslosigkeit bis hin zur Bewusstlosigkeit.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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starker Blutverlust
Verbrennungen
Flüssigkeitsverlust
(starkes Schwitzen, Durchfall oder Erbrechen)
Blässe
kalte, feuchte Haut (Schweiß)
frieren und zittern
schneller Puls
niedriger Blutdruck
evtl. Blaufärbung der Haut und der Schleimhäute (Zyanose)
Bewusstseinsstörungen
Maßnahmen beim Volumenmangelschock
Zuerst gilt es, die Ursachen zu beseitigen, z.B. Blutungen stillen.
Dann wird der Betroffene unter Berücksichtigung des Verletzungsmusters flach gelagert und die Beine angehoben (Schocklage).
Der Betroffene ist der Witterung entsprechend zuzudecken. Weiterhin kann Sauerstoff zur Inhalation gegeben werden. Der
Betroffene muss beruhigt und ständig betreut werden. Ebenso
müssen die Vitalfunktionen ständig überwacht werden. Ein Notarzt sollte umgehend hinzugezogen werden und ein zügiger
Transport in eine geeignete Klinik vorbereitet werden.
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
beim kardiogenen Schock
Aufgrund schwerer Störungen der Herztätigkeit kommt es zu einer
Minderung des Herzminutenvolumens und dadurch zu einem kardiogenen Schock. Die betroffene Person hat meist starke Schmerzen,
die häufig in den linken Arm, den Oberbauch oder in den Rücken
ausstrahlen. Bedingt durch die Atemnot versuchen die Betroffenen
den Oberkörper aufzurichten.
Der Puls kann unregelmäßig werden. Der Blutdruck fällt häufig.
In seltenen Fällen kann es zu gestauten Halsvenen aufgrund der verminderten Herzleistung kommen. Die Betroffenen sind meist unruhig
und kaltschweißig.
Überblick über das Erscheinungsbild
beim kardiogenen Schock
Brustschmerzen, Brustenge
Atemnot
unregelmäßiger Puls
sinkender Blutdruck
• Unruhe, Kaltschweißigkeit
• evtl. gestaute Halsvenen
• evtl. Blaufärbung der Haut und
der Schleimhäute (Zyanose)
Überblick über die Maßnahmen
beim kardiogenen Schock
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Notarzt rufen
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Bewegung, Anstrengung und Aufregung vermeiden
Lagerung mit erhöhtem Oberkörper
Sauerstoffgabe
ggf. beengende Kleidung öffnen
Wärmeerhalt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Maßnahmen beim kardiogenen Schock
Der Betroffene muss beruhigt und betreut werden. Jede Bewegung,
Anstrengung und Aufregung muss vermieden werden. Der Patient
sollte flach mit erhöhtem Oberkörper gelagert werden. Ein Notarzt
ist unverzüglich nachzufordern. Ggf. Sauerstoff geben und
beengende Kleidung öffnen. Die Vitalfunktionen müssen ständig
überwacht werden und an den Wärmeerhalt muss gedacht werden.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
46
3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf beim
allergischen (anaphylaktischen) Schock
Der allergische (anaphylaktische) Schock ist die Folge einer
Überempfindlichkeitsreaktion des Körpers auf Medikamente,
Infusionen, Insektengifte usw., bei der es zu einer Weitstellung
der Kapillargefäße kommt. Plasma tritt aus dem Gefäßsystem
aus und es entsteht dadurch ein Volumenmangel. Zusätzlich
zu den allgemeinen Schockanzeichen treten Hautveränderungen
wie Juckreiz, Hautrötung, Bläschen- / Quaddelbildung und Lidödeme auf. Übelkeit, Brechreiz und zunehmende Atemnot
sind weitere Anzeichen. Die betroffene Person kann in kürzester
Zeit Bewusstseinsstörungen zeigen.
Überblick über das Erscheinungsbild
beim allergischen (anaphylaktischen) Schock
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allgemeine Schockanzeichen
(wie Volumenmangelschock)
Atemnot
Hautveränderungen
(Juckreiz, Rötung, Bläschen, Ödeme)
Übelkeit, Erbrechen
u.U. rasche Bewusstseinseintrübung
Maßnahmen beim allergischen
(anaphylaktischen) Schock
Nach Möglichkeit sollten auslösende Ursachen (Infusionen,
Medikamente usw.) sofort abgestellt oder beseitigt werden.
Überprüfung der Vitalfunktionen, ggf. Wiederherstellung. Ein
Notarzt muss so früh wie möglich hinzugezogen werden. Bei
Atemnot und erhaltenem Bewusstsein Flachlagerung mit erhöhtem Oberkörper. Bei Bewusstlosigkeit wird der Betroffene
in die stabile Seitenlage gebracht. Bei erhaltenem Bewusstsein
und ohne Atemnot soll der Betroffene flach liegen. Wärmeerhalt und Sauerstoffgabe sind weitere Maßnahmen, ebenso die
Betreuung und Überwachung der betroffenen Person. Ggf.
muss Hilfe beim Erbrechen geleistet werden.
Überblick über die Maßnahmen
beim allergischen (anaphylaktischen) Schock
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
ggf. auslösende Ursache beseitigen
Notarzt rufen je nach Erkrankungsschwere / Situation
Sauerstoffgabe
Lagerung je nach Zustand
Schocklage oder flach mit Kopf tief
Wärmeerhalt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
47
3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf beim
Kreislaufkollaps (vasovagale Synkope)
Der Kreislaufkollaps (vasovagale Synkope) wird durch eine
Weitstellung der peripher gelegenen Gefäße hervorgerufen.
Dadurch entsteht ein kurzzeitiger relativer Volumenmangel.
Ausgelöst wird die Weitstellung der Gefäße durch eine Reaktion
des vegetativen Nervensystems. Als Ursache kommen verschiedene Schädigungen des Nervensystems, Vergiftungen aber auch
psychische Einflüsse (Schreck, Freude, etc.) in Frage. Blässe und
kurzzeitige Bewusstlosigkeit sind die Folgen. Der Betroffene bricht
zusammen, kommt aber wieder schnell zu sich und ist dann häufig
desorientiert.
Überblick über das Erscheinungsbild
beim Kreislaufkollaps
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niedriger Blutdruck
Blässe
Bewusstseinstörung (Ohnmacht)
nach kurzer Zeit Besserung des Zustandes
häufig desorientiert
Maßnahmen beim Kreislaufkollaps
Nach der Überprüfung der Vitalfunktionen muss der Betroffene
flach gelagert werden mit Beinen hoch, bei Bewusstlosigkeit in
stabiler Seitenlage. Anschließend muss der Betroffene auf Verletzungen untersucht werden. Ist der Betroffene ansprechbar
sollten die Beine erhöht gelagert werden (Schocklage). Wegen
der Verwechslungsgefahr mit dem akuten Koronarsyndrom sollte
bei dem geringsten Verdacht dieses schwerere Erkrankungsbild
angenommen werden. Führen die allgemeinen Maßnahmen zu
keiner Besserung, muss ein Notarzt hinzugezogen werden. Der
Betroffene sollte auch nach dem Aufklaren noch einige Zeit liegen
bleiben und es sollte auf Wärmeerhalt geachtet werden.
Auch wenn nicht jeder Kreislaufkollaps das Hinzurufen eines Notarztes erfordert, sollte er dennoch ärztlich abgeklärt werden.
Überblick über die Maßnahmen
beim Kreislaufkollaps
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Notarzt rufen je nach Erkrankungsschwere / Situation
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Betroffenen längere Zeit flach liegen lassen
Wärmeerhalt
situationsgerechte Lagerung
lückenlose Überwachung und Dokumentation
48
3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Fallbeispiele
1. Ihr werdet über die Rettungsleitstelle alarmiert. Ihr findet
einen ca. 65-jährigen Bauern vor, der sich mit der Motorsäge
in den Unterschenkel geschnitten hat. Er ist blass und nach der
Erstuntersuchung habt ihr einen Puls von 120 Schlägen pro
Minute und einen Blutdruck von 100 zu 60 mmHg festgestellt.
Wie handelt ihr?
2. In einem Bergrestaurant sitzt ein Gast, der plötzlich zusammenbricht und über starke Schmerzen in der Brust klagt. Er ist
blass und kaltschweißig und bekommt schlecht Luft.
3. Ihr werdet zu einem Patienten mit Insektenstich auf einem
Wanderweg gerufen. Ihr findet eine 25-jährige Frau vor, die
erbricht und eine deutliche Rötung am Arm aufweist.
Übungsfragen
1. Bei welchen Erkrankungen darf keine Schocklage
durchgeführt werden?
2. Erklärt den Begriff Schock!
3. Was sind Auslöser für einen allergischen
(anapyhlaktischen) Schock?
4. Weshalb kann bei einem kardiogenen Schock
der Puls langsam und bei einem Volumenmangelschock sehr hoch sein?
5. Was für Ursachen gibt es für einen
Volumenmangelschock?
4. Bei einem Berggottesdienst bricht ein Anwärter
eurer Bereitschaft bewusstlos zusammen.
Wie versorgt ihr den betroffenen Kameraden?
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
49
3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
3.5 Herz-Lungen-Wiederbelebung
bei Erwachsenen
Störung und Gefahren
Die häufigste Ursache für einen Herz-Kreislauf-Stillstand ist
das Akute Koronarsyndrom (Herzinfarkt, Angina Pectoris) mit
Kammerflimmern. Auch ein Stromschlag, ein massiver Blutverlust, eine Lungenembolie oder eine Vergiftung können diesen
auslösen. Eine erfolgreiche Herz-Lungen-Wiederbelebung ist
nur durch konsequente Zusammenarbeit aller Beteiligten und
durch vorausschauende Planung möglich.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Ohne äußere Hilfe findet das Herz nicht mehr in den normalen
Rhythmus zurück. Mit jeder Minute, die verstreicht, reduziert sich
die Überlebenschance des Betroffenen. Sie beträgt nach acht bis
zehn Minuten ohne wirksame Hilfe lediglich zwei Prozent.
Überblick über das Erscheinungsbild
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Bewusstlosigkeit
Atemstillstand, Kreislaufstillstand
Maßnahmen
An erster Stelle steht der Eigenschutz. Sollte der Patient sich in
einem Gefahrenbereich befinden muss zuerst bedacht werden,
ob der Patient aus diesem gerettet werden kann und Herz-LungenWiederbelebungs-Maßnahmen ggf. an einem sicheren Ort
eingeleitet werden können.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Auffinden einer Person:
Findet man einen leblosen Patienten auf, so schüttelt man ihn zuerst
leicht an den Schultern und fragt dabei: „Ist alles in Ordnung?“ Ist
der Patient bewusstlos, erfolgt ein Notruf, falls noch nicht geschehen.
Notrufzeitpunkt:
Bei Erkennen einer lebensbedrohlichen Störung, Bewusstlosigkeit,
Atem- und Kreislaufstillstand müssen so schnell wie möglich weitere Rettungskräfte (AED, Notarzt) nachgefordert werden.
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Freimachen des Atemwegs und Kontrolle
von Atmung / Kreislauf:
Zum Freimachen der Atemwege wird der Kopf leicht nach hinten
(nackenwärts) gebeugt. Dadurch hebt sich der Zungengrund.
Zum Freimachen der Atemwege ist auch der „Esmarch-Handgriff“
geeignet. Beim Esmarch-Handgriff wird der Unterkiefer des
liegenden Patienten angehoben und nach vorn gezogen. Dadurch
hebt sich der Zungengrund und der Rachenraum wird geöffnet.
Falls sich ein Fremdkörper (Gebiss, Essensreste etc.) im Mundraum
befindet, muss dieser entfernt werden. Dabei kann eine Magillzange oder ein Absauggerät hilfreich sein.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Atem- und Kreislaufkontrolle:
Die Atem- und Kreislaufkontrolle darf maximal 10 Sek. dauern.
Bei der Atemkontrolle liegt das Hauptaugenmerk auf der Fragestellung „Atmet der Patient normal?“ (Hören, Sehen, Fühlen).
Bei der Kreislaufkontrolle achtet der Helfer auf Eigenbewegung
des Patienten. Im Zweifelsfall ist unverzüglich mit der Herz-LungenWiederbelebung zu beginnen!
Technik der Herzdruckmassage:
Bei der Herz-Lungen-Wiederbelebung wird das Herz zwischen
Brustbein und Wirbelsäule zusammengedrückt. Durch diese
Kompression und die im Wechsel stattfindende Beatmung werden
der Blutkreislauf und damit die Sauerstoffversorgung des Körpers,
insbesondere des Gehirns, aufrechterhalten.
Eine wirksame Herzkompression kann nur auf einer harten Unterlage (z.B. Boden) erfolgen. Der Brustkorb muss zumindest soweit
wie nötig freigemacht werden (Unterkühlung beachten), damit der
Druckbereich auf dem Brustkorb sicher aufgesucht werden kann und
ein Abweichen davon während der Maßnahme vermieden wird.
Bei der Herzdruckmassage kniet man seitlich neben dem Patienten. Der Druckbereich befindet sich in der Brustkorbmitte, was der
unteren Brustbeinhälfte entspricht. Die Handballen werden übereinander gelegt und die Finger verschränkt.
51
3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Die Kompression erfolgt senkrecht auf das Brustbein mit einer
Frequenz von 100 Kompressionen pro Minute. und einer Drucktiefe von 4 - 5 cm. Die Arme des Helfers sind durchgestreckt, der
Oberkörper ist senkrecht über dem Brustkorb. Auf eine komplette Entlastung nach der Herzdruckmassage ist zu achten.
Druck und Entlastungsphase sollten gleichlang sein.
Da die Herzdruckmassage eine anstrengende Maßnahme darstellt,
sind die Helfer möglichst regelmäßig, alle 2 Minuten oder 5 Zyklen,
auszutauschen.
Beatmung ohne Hilfsmittel:
Eine Hand wird auf die Stirn des Patienten gelegt und damit der
Kopf nach hinten gezogen, wobei der Daumen und Zeigefinger
frei bleiben müssen, um damit die Nase zu verschließen. Mit den
Fingerspitzen der anderen Hand wird das Kinn angehoben, um die
Atemwege freizumachen. Nach einer normalen Einatmung wird
der Patient Mund-zu-Mund beatmet bis sich der Brustkorb hebt.
Die Beatmungsdauer sollte 1 sek. betragen. Es werden verschiedene Beatmungshilfen z.B. in Form eines Schlüsselanhängers
angeboten, die zum Infektionsschutz beitragen können. Die
Mund-zu-Nase-Beatmung stellt eine effektive Alternative dar.
Beatmung mit Hilfsmittel:
Zu den Hilfsmitteln gehören Taschenmasken und Beatmungsbeutel. Diese Hilfsmittel erleichtern es dem Helfer, den Patienten
zu beatmen und bieten einen erhöhten Infektionsschutz gegenüber der Mund-zu-Mund-Beatmung.
Um die Beatmungsmaske aufzusetzen befindet sich der Helfer
oberhalb des Kopfes. Mund und Nase werden mit der Maske
bedeckt und mit Daumen und Zeigefinger im sogenannten
„C-Griff“ auf das Gesicht gepresst! Mit den anderen drei Fingern
wird der Unterkiefer leicht hochgezogen. Das Vorgehen mit der
Taschenmaske ist identisch.
Verwendung von Sauerstoff:
Die Beatmung sollte bei der Herz-Lungen-Wiederbelebung mit
dem Beatmungsbeutel (inkl. Reservoir) unter Zugabe von Sauerstoff (wenn möglich 15 l / min entspricht 98% in der Einatemluft)
durchgeführt werden.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
52
3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Schwierige Beatmungs-Situationen:
Ist es nicht möglich die Beatmungsmaske mittels „C-Griff“ dicht
zu bekommen können zwei Helfer alternativ den doppelten
„C-Griff“ zum Beatmen verwenden.
Die Handposition ist wie beim Esmarch Handgriff, nur dass die
Beatmungsmaske zusätzlich auf den Mund gedrückt wird.
Überblick über die Maßnahmen
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
ABC-Sicherung
Notarzt rufen
Freimachen der Atemwege
Atemkontrolle/Kreislaufkontrolle
Herz-Lungen-Wiederbelebung
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Ablauf (Algorithmus) Herz-Lungen-Wiederbelebung
Erwachsene
Bewusstlos, Lebenszeichen?
Notarzt rufen
Freimachen der Atemwege
Atem- und
Kreislaufkontrolle
(max. 10 Sek.)
Herzdruck-Massage (30 mal)
Beatmung (2 mal)
1 Helfer
Herzdruck-Massage (30 mal)
Beatmung (2 mal)
2 Helfer
DE
FI
Herzdruckmassage und Beatmung abwechseln bis der Patient Lebenszeichen zeigt.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
3.5 Herz-Lungen-Wiederbelebung
Frühdefibrillation
Rechtliche Grundlagen
Bei der Defibrillation handelt es sich um eine ärztliche Maßnahme. Wird die Defibrillation mit einem AED (automatisierter
externer Defibrillator) durchgeführt überwiegt der Nutzen der
Rechtsgutverletzung. An den Bergwachtmann wird der Anspruch
gestellt (Garantenstellung) einen AED sicher anwenden zu können,
wenn dieser zu seiner vorgehaltenen Ausrüstung gehört. Deshalb
ist hier eine spezielle Ausbildung und regelmäßige Überprüfung
der Handhabung vorgeschrieben.
Rechtfertigung invasiver Maßnahmen
Notarztruf
Einwilligung des Patienten nach Aufklärung oder
mutmaßliche Einwilligung
Notwendigkeit
Unaufschiebbarkeit / angemessenes Mittel
„Können“ des Durchführenden
Dokumentation
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Ablauf (Algorithmus) Frühdefibrillation
Der Einsatz eines AED ergänzt nur die Herz-Lungen-Wiederbelebungsbemühungen und kann sie nicht ersetzen. Das wichtigste
für den Patienten sind adäquat durchgeführte Basismaßnahmen.
Beim Eintreffen am Patienten wird unmittelbar mit der Basis
Herz-Lungen-Wiederbelegung begonnen und der AED eingeschaltet. Nach Angabe des AED Gerätes erfolgt das weitere Vorgehen. Während der Herzdruckmassage werden die Elektroden vom
Bergretter, welcher sich am Kopf befindet, am Oberkörper aufgeklebt. Bei ausgeprägter Brustbehaarung muss diese rasiert werden,
damit die Elektroden ausreichend Hautkontakt bekommen.
Wurde der Kollaps beobachtet oder wird bereits bei der Ankunft
des Rettungsteams reanimiert, erfolgt die erste Analyse frühestmöglich. Ansonsten werden zuerst 2 Minuten (5 Zyklen) Basis-HerzLungen-Wiederbelebung vor der ersten Analyse durchgeführt.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
DE
FI
Bei der Analyse und einer eventuellen Schockabgabe ist darauf
zu achten, dass niemand den Patienten bewegt oder berührt.
Der Patient und die Helfer dürfen sich nicht in Nässe (z.B. Pfütze)
befinden. Vor der Schockabgabe warnt der Bergwachtmann am
Kopf „Alle weg vom Patienten, Vorsicht Schock“. Die Schockabgabe erfolgt dann kontrolliert.
Unmittelbar nach der Schockabgabe wird wieder die Wiederbelebung mit der Herzdruckmassage aufgenommen. Vor der
nächsten Analyse wird 2 Minuten reanimiert (5 Zyklen).
Der Einsatz ist entsprechend zu dokumentieren.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
56
3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Ablauf (Algorithmus) Frühdefibrillation
Bewusstlos, Lebenszeichen?
Notarzt rufen
Freimachen der Atemwege
Atem- und
Kreislaufkontrolle
Herz-Lungen-Wiederbelebung
und Vorbereiten der Defibrillation
DE
Defibrillation
FI
Herzdruckmassage und Beatmung abwechseln bis der Patient Lebenszeichen zeigt.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
3.5 Herz-Lungen-Wiederbelebung bei
Kindern und Säuglingen
Der Ablauf (Algorithmus) der Herz-Lungen-Wiederbelebung bei
Erwachsenen und Kindern ist unterschiedlich. Der Ablauf der
Kinder-Herz-Lungen-Wiederbelebung findet Anwendung bei
Kindern bis zur Pubertät. Ist das Kind / der Säugling bewusstlos, erfolgt die Überprüfung der Atmung. Wird hier keine normale Atmung
festgestellt, werden unmittelbar 5 Beatmungen durchgeführt.
Anschließend erfolgt wieder eine Atem- und Kreislaufkontrolle.
Notarztalarmierung:
Die Alarmierung des Notarztes erfolgt bei Kindern und Säuglingen
erst nach Beginn der Herz-Lungen-Wiederbelebung, wenn dies
nicht parallel z.B. durch Anwesende geschehen kann.
Freimachen des Atemwegs und Kontrolle
der Atmung / Kreislauf bei Kindern und Säuglingen:
Die Atem- und Kreislaufkontrolle (Suche nach Lebenszeichen)
dauert wie beim Erwachsenen maximal 10 Sek. Bei der Atemkontrolle liegt das Hauptaugenmerk auf der Fragestellung „Atmet
der Patient normal?“ (hören, sehen, fühlen).
Bei Kindern wird eine Hand an die Stirn des Kindes gelegt. Die
Finger der anderen Hand werden an das Kinn gelegt. Anschließend
wird nur das Kinn angehoben.
Bei Säuglingen wird der Kopf durch Anfassen an Stirn und Kinn in
waagrechte (Neutral-) Position gebracht. Die Kinnspitze wird mit
zwei Fingern leicht angehoben („Schnüffelstellung“). Unterstützend
können Säuglinge auch mit dem Oberkörper auf eine ca. 3 cm hohe
Unterlage gelegt werden, um den Kopf in Neutralposition zu bringen.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Beatmung von Kindern und Säuglingen
Die Beatmung erfolgt bis sich der Brustkorb hebt. Die
Beatmungsdauer sollte 1 Sek. betragen. Sollten Säuglinge
mit einem Beatmungsbeutel beatmet werden, ist darauf zu
achten, dass die Finger zum Niederhalten der Beatmungsmaske im
Kieferwinkel platziert werden. Bei einer Handhaltung wie beim
Erwachsenen kann der Zungengrund die Atemwege verschließen.
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Technik der Herzdruckmassage bei Kindern:
Bei Kindern / Säuglingen erfolgt die Herzdruckmassage in der
Mitte des Brustkorbes mit einer Frequenz von 100 / min.
Die Drucktiefe beträgt ca. 1 / 3 des Brustkorbdurchmessers.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Ablauf (Algorithmus) der Herz-LungenWiederbelebung Kinder / Säuglinge
Bewusstlos, Lebenszeichen?
Freimachen der Atemwege
Atemkontrolle
Notarzt rufen
Beatmung (5-mal)
Atem- und
Kreislaufkontrolle
Führt nur ein Helfer die Wiederbelebung durch, so erfolgt dies im Wechsel 30:2,
bei zwei Helfern wird im Rhythmus 15:2 reanimiert. Herzdruckmassage und
Beatmung abwechseln und fortsetzen bis der Patient Lebenszeichen zeigt.
Herzdruckmassage (30-mal)
Beatmung (2-mal)
1 Helfer
Herzdruckmassage (15-mal)
Beatmung (2-mal)
2 Helfer
Die Alarmierung des Notarztes
erfolgt erst nach Beginn der Basis
Herz-Lungen-Wiederbelebung,
wenn dies nicht parallel z.B. durch
Anwesende geschehen kann.
Herzdruckmassage und Beatmung abwechseln bis der Patient Lebenszeichen zeigt.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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3. Störung der lebenswichtigen Funktionen
Fallbeispiele Herz-Lungen-Wiederbelebung
Übungsfragen Herz-Lungen-Wiederbelebung
1. Ihr werdet mit dem BW-Fahrzeug zu einem Gasthof gerufen, in
dem ein älterer Herr zusammen gebrochen ist. Der örtliche Notarzt und Rettungswagen benötigen noch ca. 15 Minuten, da sie
an einem anderen Einsatz tätig sind. Bei eurem Eintreffen stellt
ihr fest, dass bereits Ersthelfer mit der HLW begonnen haben.
1. Beschreibe die einzelnen Schritte der ErwachsenenHerz-Lungen-Wiederbelebung in der richtigen Reihenfolge.
2. Bei Wartungsarbeiten an einer Seilbahn bekommt ein Mitarbeiter
einen Stromschlag. Er liegt bewusstlos am Boden und zeigt keine
Lebenszeichen.
3. Welche Maßnahmen ergreifst du, wenn du die
Beatmungsmaske nicht dicht bekommst?
3. Ihr werdet in einer Berghütte zu einem bewusstlosen Säugling
gerufen. Die Mutter ist sehr aufgeregt. Der Säugling liegt auf
einem Tisch.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
2. Beschreibe die einzelnen Schritte der Kinder-HerzLungen-Wiederbelebung in der richtigen Reihenfolge.
4. Wie ist die Aufgabenverteilung bei einer Herz-LungenWiederbelebung, wenn vier Bergretter anwesend sind?
5. Welche Fehler können bei der Herz-Lungen-Wiederbelebung im Bergrettungsdienst gemacht werden?
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
4. Internistische Notfälle
Fachbereich:
Ausbildungsstufe:
Stand:
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Notfallmedizin
Grundausbildung
12 / 2007
63
4. Internistische Notfälle
4.1 Akute Atembeschwerden
Störung und Gefahren
Zu Atembeschwerden können unter anderem verschiedene
Erkrankungen der Lunge oder des Herzens führen. Ob sich diese
Störung im Bereich der Lungenbläschen (Alveolen) oder den
Bronchien befindet, hat für die rettungsdienstliche Versorgung
keine Relevanz. Entscheidend ist, dass es sich um eine Störung
der Vitalfunktionen handelt, die große Aufmerksamkeit verlangt,
da Atemnot für den Patienten immer seelisch und körperlich
sehr belastend ist.
Eine Sonderform bildet die Asthmaerkrankung. Asthmatiker
haben Probleme, die eingeatmete Luft wieder auszuatmen. Asthmatiker haben meist ein Medikament in Form eines Sprays bei sich,
das ihnen das Atmen etwas erleichtert.
Überblick über das Erscheinungsbild
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Unruhe, Todesangst
Blaufärbung von Lippen, Schleimhäuten,
Fingernagelbett (Zyanose)
schlechte Sauerstoffsättigung
auffälliger Atemrhythmus
besonders tiefe oder flache Atmung
Patient versucht atemerleichternd zu sitzen
Überblick über die Maßnahmen
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Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Die schlechte Versorgung mit Sauerstoff kann beim Patienten
zu Unruhe bis hin zur Todesangst führen, was wiederum zu
erhöhtem Sauerstoffbedarf führt. Sauerstoffmangel im Gewebe
zeigt sich durch Blaufärbung der Lippen und Schleimhäute
oder des Fingernagelbettes (Zyanose). Die Atmung selbst kann in
ihrer Tiefe oder Rhythmus verändert sein. Steht zur Messung
der Sauerstoffsättigung ein Pulsoxymeter zur Verfügung, weist
dies häufig Werte unter 90 % auf. Patienten mit Atemnot findet
man häufig in atemerleichternder sitzender Haltung vor.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen (je nach Erkrankungsschwere / Situation)
Lagerung mit erhöhtem Oberkörper
oder nach Wunsch des Patienten
Sauerstoffgabe
Absaugbereitschaft- und Beatmungsbereitschaft herstellen
Wärmeerhalt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Maßnahmen
Durch den Bergretter muss beruhigend auf den Patienten eingegangen werden. Jegliche zusätzliche Aufregung und Anstrengung
sollte verhindert werden. Die Sauerstoffversorgung kann durch
atemunterstützende Hochlagerung des Oberkörpers und durch
Sauerstoffgabe verbessert werden. Eine intensive Überwachung
des Patienten (Puls, Blutdruck, Pulsoxymeter) kann frühzeitig
Veränderungen aufzeigen. Der Notarzt sollte in schweren Fällen
hinzugezogen werden.
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4. Internistische Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Eine 40 jährige Bergsteigerin klagt in einer Hütte über starke
Atemnot. Sie sagt bei deinem Eintreffen, dass sie Asthmatikerin
ist aber ihr Asthmaspray nicht die gewünschte Wirkung zeigt.
Die Lippen sind bei einem Eintreffen bläulich verfärbt.
1. Du kommst auf einer privaten Bergtour zu einem Patienten
mit akuter Atemnot. Welche Maßnahmen kannst du mit
deinen begrenzten Mitteln ergreifen? Welche Maßnahmen
sind bei einem Patienten mit akuter Atemnot notwendig?
2. Du wirst zu einem 35 jährigen Bergwanderer gerufen mit
dem Meldebild „Atemnot nach Bienenstich“. Am Einsatzort
findest du einen jungen Mann mit hochrotem Kopf und sichtlicher Atemnot. Bei weiterer Befragung bestätigt sich, dass die
Beschwerden nach einem Bienenstich eingesetzt haben.
2. Wie kann man eine allgemeine Atemstörung erkennen?
3. Ihr werdet im Frühling zu einer Almwiese gerufen, auf der
eine junge Frau sitzt, die über Atembeschwerden, tränenden
Augen und Niesattacken klagt.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
3. Welche Möglichkeiten gibt es, um einen Allergiker, der bei
massivem Pollenflug unterwegs ist, am Berg zu versorgen?
4. Warum kommt es häufig zu Atembeschwerden, wenn
Touristen an der Bergstation ankommen?
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4. Internistische Notfälle
4.2 Akute Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Definition und Aufgabe
Der menschliche Körper besteht aus vielen Zellen, die zu jeder
Zeit mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und von Stoffwechselprodukten entsorgt werden müssen. Die Transportfunktion übernimmt das Blut. Der Blutkreislauf ist ein in sich geschlossenes System
von Röhren, die sich in ihrem Wandaufbau und ihrem Durchmesser
unterscheiden. Antrieb des Kreislaufes ist das Herz.
Störung und Gefahren
Störungen des Kreislaufsystems können an verschieden Funktionsstellen ansetzen. So kann zum Beispiel die Herzkraft vermindert,
die Herzfrequenz zu hoch oder zu tief, der Herzrhythmus unregelmäßig, das Blutvolumen häufig zu wenig, der Blutdruck zu hoch
oder zu niedrig sein. Auch kann eine Verengung der Gefäßwände
vorliegen oder die Gefäßdurchgängigkeit vermindert sein. Tritt
an einer Stelle dieses Systems eine Störung auf, so kann das gesamte
Herz-Kreislauf-System in Kürze betroffen sein. Ebenso wird innerhalb kurzer Zeit auch das Atemsystem mit betroffen sein.
Der Herzmuskel setzt sich aus verschiedenen hoch spezialisierten
Zellen zusammen. Diese werden über die Herzkranzgefäße mit
Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Sobald eine Verminderung
oder Unterbrechung dieser Versorgung entsteht, werden die
Herzmuskelzellen nach kurzer Zeit geschädigt. Dieses kann durch
eine Verengung oder durch einen Verschluss der Herzkranzgefäße hervorgerufen werden.
Durch Erkrankungen des Herzens, mit einem damit verbundenen
Nachlassen der Herzkraft, kann es zu Wasseransammlungen in
der Lunge (Lungenödem) kommen.
Die Beeinträchtigung der Blutgefäße wird durch verschiedene
Risikofaktoren, wie Rauchen, Bluthochdruck, ungesunde Ernährung
und Zuckerkrankheit (Diabetes) verstärkt. Aufgrund plötzlicher
Störungen kann es zu lebensbedrohlichen Zuständen oder sogar
zum Herz-Kreislauf-Stillstand kommen.
Überblick über das Erscheinungsbild
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Überblick über die Maßnahmen
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Schwindel
Blässe
„Schwarz werden vor den Augen“
Übelkeit
Bewusstseinstrübung bis hin zur Bewusstlosigkeit
Kreislaufregulationsstörungen
niedriger Blutdruck/Synkope
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Störungen im Herz-Kreislauf-System können durch eigene Sinneswahrnehmungen durch den Bergretter, gesichert nur durch Messwerte (Blutdruck, Pulsoximetrie), am Betroffenen erkannt werden.
Allgemeine Anzeichen für eine Störung des Herz-Kreislauf-Systems
können z. B. Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbrüche,
Blässe und Bewusstseinstrübung bis zur Bewusstlosigkeit sein.
Maßnahmen
Der Bergretter muss die Vitalfunktionen des Betroffnen überprüfen
und symptombezogene Versorgungen durchführen. Allgemeine
Maßnahmen sind das Beruhigen des Betroffenen sowie die flache
Lagerung bzw. Schocklage, Pulskontrolle, Blutdruckmessung, ggf.
Temperaturkontrolle und Wärmeerhaltung.
(temperaturbedingte Störungen, siehe thermische Notfälle)
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen je nach Erkrankungsschwere / Situation
flache Lagerung, bzw. Schocklage
Sauerstoffgabe
Wärmeerhalt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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4. Internistische Notfälle
Akutes Koronarsyndrom
früher Herzinfarkt / Angina Pectoris
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Oftmals klagen Betroffene über starke Schmerzen und / oder
Engegefühl im Brustkorb ggf. mit Ausstrahlung in den linken
Arm, Oberbauch, Hals, Rücken etc. sowie Atemnot und daraus
entstehende Todesangst mit Unruhe. Im fortgeschrittenen
Stadium können die Patienten kaltschweißig sein und Schockanzeichen mit niedrigem Blutdruck auftreten.
Prinzipiell ist jederzeit mit lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen (unregelmäßigem Puls) und im ungünstigsten Fall
mit Kammerflimmern / Herz-Kreislauf-Stillstand zu rechnen.
In seltenen Fällen (z.B. Zuckerkrankheit) kann ein Ereignis am
Herzen auch ohne Schmerzen auftreten.
Maßnahmen beim Akuten Koronarsyndrom
Durch den Bergretter muss beruhigend auf den Betroffenen eingegangen werden. Jegliche zusätzliche Aufregung und Anstrengung
muss vermieden werden. Der Patient ist mit erhöhtem Oberkörper
zu lagern (Wunsch des Patienten). Die Sauerstoffversorgung
des Herzmuskels soll durch eine unterstützende Sauerstoffgabe
(situationsbedingte Dosierung) verbessert werden. Eine intensive
Überwachung des Patienten (Puls, Blutdruck, Pulsoxymeter) kann
frühzeitig Veränderungen aufzeigen. Ein Defibrillator sollte bereitgehalten werden. Der Notarzt muss sofort nachalarmiert werden.
Überblick über die Maßnahmen
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Überblick über das Erscheinungsbild
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Engegefühl in der Brust
Todesangst, Unruhe, Kaltschweißigkeit
Schmerzen im Brustkorb
(ausstrahlend in den Oberbauch, linken Arm, Hals, etc.)
eventuelle Atemnot
(ggf. Brodeln, Rasseln, Abhusten von Schaum)
Herzrhythmusstörungen, ggf. bis hin
zum Herz-Kreislauf-Stillstand
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen
jegliche Anstrengung vermeiden
Patienten mit erhöhtem Oberkörper lagern
(ggf. beengende Kleidung öffnen)
Sauerstoffgabe
Schockbekämpfung und Wärmeerhalt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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4. Internistische Notfälle
Akuter Bluthochdruck
hypertensiver Notfall
Störung und Gefahren
Eine Bluthochdruckkrise ist ein plötzlicher Anstieg des Blutdruckes
auf Werte über 220 mmHg, welcher zu bedrohlichen Folgezuständen an Herz und Gehirn führen kann. Das Herz muss eine
erhebliche Mehrarbeit leisten und kann versagen. Es kann sich
im weiteren Verlauf ein kardiales Lungenödem ausbilden. Der
massive Druckanstieg im Gehirn kann zu schwerwiegenden
Störungen der Bewusstseinslage, zu Krämpfen und Gehirnblutungen (siehe Schlaganfall) führen. In Einzelfällen kann es zu
starkem Nasenbluten kommen.
Überblick über das Erscheinungsbild
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Kopfschmerzen
Sehstörungen
Schwindelgefühl
Verwirrtheit
Bewusstseinstrübungen
Herzklopfen
Nasenbluten
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Es können anfangs Kopfschmerzen, Sehstörungen, Schwindelanfälle, Verwirrtheit bis hin zu Bewusstseinsstörungen auftreten.
Erscheinungsbilder können einem Schlaganfall gleichen. Die
betroffene Person kann auch Herzklopfen angeben. Länger
anhaltendes Nasenbluten kann auch Folge eines geplatzten
Blutgefäßes in der Nase sein.
Überblick über die Maßnahmen
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Maßnahmen bei akutem Bluthochdruck
Die betroffene Person muss, sofern sie ansprechbar ist, mit
erhöhtem Oberkörper gelagert und beruhigt werden. Bei
Bewusstlosigkeit und vorhandener Atmung wird die stabile
Seitenlage hergestellt. Der betroffenen Person sollte Sauerstoff
gegeben werden. Ein Notarzt sollte hinzugezogen werden und
der akute Zustand mit Medikamenten versorgt werden. Das
Nasenbluten wird durch nach vorn gebeugten Kopf und
Kühlung des Nasen- und Nackenbereiches versorgt. Es kann auch
eine Komprimierung der Nasenflügel zu einer Blutstillung führen.
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen
Lagerung abhängig der Bewusstseinslage
wenn möglich Oberkörper hoch
Sauerstoffgabe
Kühlen von Nasen- und Nackenbereich, bzw.
Komprimierung der Nasenflügel bei Nasenbluten
Wärmeerhalt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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4. Internistische Notfälle
Fallbeispiele Kreislaufregulationsstörung
Fallbeispiele Akutes Koronarsyndrom
Übungsfragen
1. An einem kühlen Tag kommt eine ca. 17-jährige Bergwanderin
mit ihrer Mutter in die Hütte und klagt über folgende Beschwerden:
Übelkeit, Schwindel, Schlaffheit und Durchfall. Welche
Maßnahmen ergreifst du?
1. Ein etwa 55-jähriger Bergsteiger klagt in einer Hütte über
plötzliche Schmerzen im Oberbauch und über einen zunehmenden Druck im Brustkorb. Beim Verlassen der belebten
Gaststube versagen ihm die Beine – er wird durch Begleiter
gestützt und flach auf den Boden gelegt. Du findest beim Eintreffen einen unruhigen, über Atemnot und starke Schmerzen
klagenden Betroffenen vor.
1. Welche ersten Maßnahmen ergreifst du beim Eintreffen am
Notfallort bei einem Patienten, der sehr unruhig ist und über
starke Schmerzen im Brustkorb klagt?
2. Ein etwa 70-jähriger Wanderer kommt zur Bergwachtstation
und fragt dich nach einer Schmerztablette, da er seit mehreren
Stunden einen drückenden Schmerz im Brustkorb verspürt, der
in den linken Arm ausstrahlt. Er möchte seine Wanderung in
jedem Fall fortsetzen und verspricht, sich am Abend ausreichend
Ruhe zu gönnen.
3. Welche atemunterstützenden Maßnahmen ergreifst du?
Wieviel Liter Sauerstoff erhält der Betroffene von dir?
2. Ihr findet auf der Terrasse einer Hütte einen ca. 50-jährigen Mann
vor, der über Schwindel und Übelkeit klagt. Er gibt an, seit fünf
Stunden unterwegs zu sein und eine so große Tour schon seit
Jahren nicht mehr gemacht zu haben. Wie kann man ihm helfen?
3. Ihr werdet zu einer Bergstation gerufen, wo sich eine bewusstlose Person befinden soll. Beim Eintreffen findet ihr eine ca.
40-jährige Frau am Boden liegend vor, die aber bereits wieder
ansprechbar ist. Sie gibt an, die Gondel verlassen zu haben,
anschließend wurde ihr schwarz vor Augen und sie kann sich
an nichts erinnern. Welche Maßnahmen ergreift ihr?
Übungsfragen
1. Welche Krankheitsbilder können im oben genannten
Beispiel vorliegen?
2. Welche Gefahren bestehen für die Betroffenen und mit welchen
Komplikationen muss gerechnet werden?
3. Wodurch können Krämpfe der Skelettmuskulatur allgemein
auftreten und wodurch kann im Vorfeld gegen solche
vorgebeugt werden?
4. Wie sollten Betroffene mit einer Kreislaufstörung
gelagert werden?
5. Von welchen Kriterien hängt die Lagerung ab?
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
2. Wie lautet deine Meldung an die Leitstelle bei einem 55-jährigen
Skifahrer mit starken Schmerzen über Herz und Lunge?
Welche weiteren Einsatzkräfte und -mittel forderst du nach?
4. Welche Gefahren drohen beim akuten Koronarsyndrom?
5. Welche Anzeichen kennst du, die auf ein akutes Koronarsyndrom
hinweisen können?
3. Ihr werdet wegen winterlicher Verhältnissen zu einem Bergbauernhof gerufen, da der reguläre Rettungsdienst wegen
Schneeverwehungen nicht mehr dorthin gelangen kann. Ihr
findet eine ältere Dame, die im Hausflur zusammengebrochen
war. Sie ist jetzt nur bedingt ansprechbar und röchelt stark
beim Atmen. Eine Blaufärbung der Lippen (Zyanose) ist klar
erkennbar. Umstehende Angehörige berichten darüber, dass
die Frau plötzlich zusammengesackt sei und über starke Schmerzen im Brustkorb geklagt hat. Die Angehörigen geben an, dass
die Betroffene seit längerem Wasser in den Beinen hat, wofür sie
auch von ihrem Hausarzt Medikamente bekommen hat.
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4. Internistische Notfälle
Fallbeispiele akuter Bluthochdruck
Übungsfragen
1. Ihr werdet zur Mittelstation einer Seilbahn gerufen und findet
dort eine korpulente 40-jährige Frau vor. Sie klagt über Kopfschmerzen, Schwindel und Sehstörungen. Sie gibt an, ihr Herz
würde so pochen. Sie hat einen hochroten Kopf. Sie erzählt,
seit einiger Zeit erhöhte Blutdruckwerte zu haben.
1. In welchem Bereich liegt der normale Blutdruck
eines gesunden Erwachsenen?
2. Ihr werdet zu einer Berghütte gerufen, wo sich eine Gruppe
junger Menschen befindet, die eine Party feiern. Bei eurem
Eintreffen findet ihr einen ca. 50-jährigen Gast, der über
Schwindel, starke Kopfschmerzen und Atemnot klagt.
3. Welche Erkennungszeichen gibt es bei einer
Bluthochdruckkrise?
3. Ihr werdet zu einer brennenden Berghütte gerufen. Ihr müsst
Euch um die Hüttenwirtin kümmern, die auf den ersten Blick
keine ersichtlichen Verletzungen hat. Die ca. 60-jährige Frau
ist sehr aufgeregt und hat einen hochroten Kopf. Nach einigen
Minuten gibt sie Schwindelgefühl an. Wie versorgt ihr die
betroffene Frau?
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
2. Weshalb kann eine Bluthochdruckkrise
lebensbedrohlich werden?
4. Welche Maßnahmen können bei einer Bluthochdruckkrise durchgeführt werden?
5. Worauf ist bei der Lagerung einer Person mit einer
Bluthochdruckkrise zu achten?
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4. Internistische Notfälle
4.3 Akute Baucherkrankungen
Überblick über die Maßnahmen
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Störung und Gefahren
Unter dem Begriff der akuten Baucherkrankungen versteht man
alle plötzlich auftretenden Notfälle, die als Ursache eine Erkrankung des Bauchraumes bzw. der Bauchorgane haben. Der Sammelbegriff „Akuter Bauch“ wird angewendet, weil in den meisten
Fällen eine genaue Diagnose außerhalb der Klinik, also im Rahmen
der Erstversorgung, kaum möglich ist. Man orientiert sich daher an
dem gemeinsamen Leitsymptom, dem plötzlich auftretenden,
starken Schmerz im Bauchraum, der von seinem Ursprung her
meist nicht genau lokalisiert werden kann. Bei akuten Erkrankungen im Bauchbereich ist der Betroffene stets einer großen Blutungs- und Infektionsgefahr ausgesetzt, die auch später auftreten
kann. Unter Umständen versagen einzelne Organe, dies kann zu
lebensbedrohlichen Zuständen führen.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Typisch für Koliken der Niere oder Galle sind wellenförmige,
krampfartige Schmerzen, die auch in den Rücken ausstrahlen
können. Achtung! Aufgrund dieser Symptomatik muss
man auch ein akutes Koronarsyndrom in Betracht ziehen!
Teilweise sind Nierenkoliken auch mit dem Ausscheiden von
blutigem Urin verbunden. Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes äußern sich häufig durch Erbrechen und / oder Durchfälle, die
oft mit großem Flüssigkeitsverlust einhergehen.
Auslöser hierfür können verdorbene Lebensmittel, Gifte oder eine
Infektion sein. Bestehen die Beschwerden schon über einen längeren
Zeitraum, kann eine Abwehrspannung der Bauchdeckenmuskulatur
mit einer Verhärtung der Bauchdecke entstehen. Um Entspannung
und Schmerzlinderung zu erreichen, nehmen Betroffene oft eine
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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Schonhaltung ein (angezogene Beine oder Embryonallage). Bei
schwerem Verlauf zeigen die Patienten Schockanzeichen, die
sich rasch verstärken können.
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Überblick über das Erscheinungsbild
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Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
Kolikartige Schmerzen
Abwehrspannung der Bauchdecke
Schonhaltung des Betroffenen
Schocksymptome
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen je nach Verletzungsschwere / Situation
situationsgerechte Lagerung
Sauerstoffgabe
befragen nach Krankheitsverlauf und Vorerkrankungen
(z.B. Herz / Kreislauf)
Wärmeerhalt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
zügiger Transport in geeignete Klinik
Maßnahmen
Nach dem Ganzkörpercheck wird der Betroffene nach dem Erkrankungsverlauf und über eventuelle Vorerkrankungen befragt. Sofern
es der Zustand des Betroffenen zulässt, sollte er flach mit einer
Knierolle gelagert werden. Alternativ kann auch die Embryonallage
(seitlich liegend mit angezogenen Beinen) angewendet werden.
Bewusstseinsklare Patienten mit starken Durchfällen dürfen Getränke zur Verminderung des Flüssigkeitsverlustes zu sich nehmen.
Bei allen anderen Baucherkrankungen darf der Betroffene
weder essen noch trinken!
Die weiteren Maßnahmen orientieren sich am Patientenzustand.
Hierzu zählen Wärmeerhalt, Schockbekämpfung und psychische
Betreuung.
Bei starken Schmerzen oder instabilen Kreislaufverhältnissen
muss unverzüglich ein Notarzt hinzugezogen werden!
In Absprache mit der Leitstelle und dem Notarzt erfolgt ein zügiger
Abtransport in eine geeignete Klinik!
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4. Internistische Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Eine ca. 50-jährige Frau sitzt in der Bergstation und hat
stärkste Schmerzen im Oberbauch. Sie hat bereits mehrfach
erbrochen. Vorerkrankungen sind bei ihr nicht bekannt.
1. Welche akuten Erkrankungen im Bauchraum kennst du?
2. Ein ca. 60-jähriger Mann befindet sich in einem Berggasthof
auf der Toilette. Plötzlich stellt er fest, dass der Stuhl blutig
verfärbt ist. Er hatte vor längerer Zeit schon einmal Darmblutungen. Er ist blass und kaltschweißig.
3. Eine Schulklasse befindet sich auf einer Hütte im Skilager.
Ihr werdet in der Nacht alarmiert, da bei mehreren Schülern
heftige Durchfälle mit starken Bauchschmerzen auftreten.
Die Schüler haben auf der Anreise zum Schilager an einer
Raststätte Kartoffelsalat gegessen.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
2. Welche Erkrankungen kennst du, die gleiche Beschwerden
wie akute Baucherkrankungen aufweisen?
3. Wann sollte man einen Patienten mit einer akuten
Baucherkrankung nicht essen und trinken lassen?
4. Welche Lagerungsmöglichkeiten gibt es
bei Baucherkrankungen?
5. Was sind allgemeine Erkennungszeichen
bei Baucherkrankungen?
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4. Internistische Notfälle
4.4 Schlaganfall
Störung und Gefahren
Die häufigste Erkrankung des Gehirns ist der Schlaganfall (Apoplex).
Dabei kommt es aufgrund einer Minderdurchblutung durch
eine Gefäßverengung oder eines Gefäßverschlusses zur Schädigung von Hirngewebe. Auch das Zerreißen eines Gefäßes im
Gehirn mit nachfolgender Blutung kann eine Minderdurchblutung
auslösen. Man spricht häufig vom unblutigen oder blutigen
Schlaganfall, die Unterscheidung kann mit Sicherheit aber erst
in der Klinik erfolgen.
Ebenso gibt es leichtere Formen von Schlaganfällen, die sich
spontan innerhalb von Stunden oder Tagen zurückbilden. Je
schneller eine optimale Versorgung des Patienten vor Ort gelingt
und er anschließend zeitnah einer Therapie in einer geeigneten
Klinik zugeführt wird, desto besser sind die Prognosen für eine
erfolgreiche Behandlung.
Überblick über das Erscheinungsbild
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bewusstseinsgetrübt / bewusstlos
Lähmungen im Gesichtsbereich
und / oder der Extremitäten
Kraftlosigkeit in einer Körperhälfte
Sprachschwierigkeiten / Sehstörungen
ggf. unkontrollierter Stuhl / Urinabgang
Maßnahmen
Durch den Bergretter muss beruhigend auf den Betroffenen eingegangen werden. Die Durchblutung und Sauerstoffversorgung des
Gehirns sollte mittels Sauerstoffgabe (situationsabhängig) und
leichter Oberkörperhochlage (blutdruckabhängig) verbessert werden.
Der Notarzt muss möglichst früh hinzugezogen werden.
Bewusstseinsgetrübte und bewusstlose Patienten müssen in
die stabile Seitenlage gebracht werden. Blutdruckmessung
wenn möglich, an der nicht betroffenen Seite durchführen. Der
Transport muss zügig in ein geeignetes Krankenhaus erfolgen.
Überblick über die Maßnahmen
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Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Vor Ort kann sich dem Bergretter ein sehr unterschiedliches
Erscheinungsbild darstellen. Die Symptome erstrecken sich vom
hängenden Mundwinkel über den motorischen und sensiblen
Ausfall der ganzen Körperhälfte, Sprach- und / oder Sehstörungen,
Bewusstseinsstörung bis zur Bewusstlosigkeit.
Die Symptome können sich bessern oder verschlechtern. Die
Schädigung der betroffenen Hirnregion und deren Folgen bleiben
oft lange bestehen, und können aber teilweise durch mühsames
Training verbessert werden.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen
Sauerstoffgabe
Lagerung abhängig der Bewusstseinslage,
wenn möglich Oberkörper hoch
betroffene Extremitäten abpolstern (Druckstellen)
Blutzuckertest
Wärmeerhalt
zügiger Transport in eine geeignete Klinik
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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4. Internistische Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Ein etwa 55-jähriger Almbauer sitzt am Tisch und macht einen
verwirrten Eindruck auf dich. Bei genauerem Hinschauen
meinst du, dass eine Gesichtshälfte etwas hängt.
1. Welche Symptome können Hinweise auf einen
Schlaganfall geben?
2. Im Übernachtungslager einer Alpenvereinshütte triffst du am
Morgen auf eine 65-jährige Frau. Sie macht auf dich einen aufgewühlten Eindruck. Sie kann nicht sprechen.
3. Ein Langläufer bricht in der Loipe zusammen und ist kurz
bewusstlos. Noch vor eurem Eintreffen kommt der Betroffene
wieder zu sich und hat Gefühlsstörungen im rechten Arm
und Bein.
2. Welche Maßnahmen ergreifst du bei einem Patienten
mit Verdacht auf Schlaganfall?
3. Wie dringlich ist der Abtransport in eine Klinik und
wo befindet sich die nächste geeignete Klinik für die
Behandlung eines Schlaganfalles?
4. Mit welchen Gefahren bzw. welchen Spätfolgen muss
bei einem Schlaganfall gerechnet werden?
5. Welche Erkennungszeichen deuten auf einen
Schlaganfall hin?
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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4. Internistische Notfälle
4.5 Unterzuckerung
Störung und Gefahren
Jeder Mensch benötigt Energie in Form von Zucker (Glukose),
um seine Körperfunktionen aufrecht zu erhalten. Insulin
beeinflusst die Verfügbarkeit von Glukose in der Zelle, bei
Diabetikern ist die Produktion oder die Wirksamkeit des
Hormons Insulin jedoch gestört.
Diabetiker müssen regelmäßig Medikamente in Form von
Tabletten einnehmen, um die Insulinproduktion zu stimulieren,
oder spritzen das Insulin (z.B. mit einem „Pen“) direkt unter die
Haut. Diese Medikamente sind auf jeden Patienten, seine
Gewohnheiten und Nahrungsaufnahme, individuell abgestimmt.
Gefährlich für den Betroffenen wird es, wenn der Blutzuckerspiegel aufgrund ungewöhnlicher körperlicher Belastung z.B.
bei einer Bergtour, Alkoholgenuss oder Insulingabe ohne nachfolgende Mahlzeit rasch absinkt.
Man spricht dann von der Unterzuckerung (Hypoglykämie).
Dieser Zustand kann für den Patienten lebensgefährlich werden,
da er ohne fremde Hilfe nicht aus diesem akuten Zustand befreit
werden kann. Auch das Nervengewebe im Gehirn reagiert sehr
empfindlich auf Zuckermangel, was zu Spätschäden führen kann.
Es gibt auch das Krankheitsbild der Überzuckerung (Hyperglykämie),
dieses hat aber für die Bergrettung weniger Relevanz, da vor Ort
keine Therapie durchgeführt werden kann und Schäden erst bei lang
anhaltendem hohem Blutzuckerspiegel zu erwarten sind.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Der normale Blutzuckerspiegel beträgt 70 – 110 Milligramm pro
Deziliter (mg / dl). Zu geringe Blutzuckerkonzentrationen führen
zu rascher Bewusstlosigkeit. Patienten mit Unterzuckerung sind
oft schweißgebadet, blass, schwach, unruhig, bisweilen auch
aggressiv und haben ein starkes Hungergefühl. Die Pulsfrequenz
kann stark ansteigen. Die Bewusstlosigkeit tritt oft sehr schnell ein.
Maßnahmen
Solange der Patient noch ansprechbar ist und schlucken kann,
sollten ihm stark gezuckerte Getränke oder / und Traubenzucker verabreicht werden. Bei bewusstlosen Patienten muss
schnellstmöglich ein Notarzt hinzugezogen werden. Die vitalen
Funktionen müssen überwacht und bis zum Eintreffen des
Notarztes gesichert werden. Zur Diagnosesicherung sollte ein
Blutzuckertest durchgeführt werden. Achtung bei hohen bzw.
tiefen Temperaturen können Blutzuckermessgeräte falsche
Messergebnisse liefern!
Überblick über die Maßnahmen
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Überblick über das Erscheinungsbild
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starkes Schwitzen, Blässe
Hungergefühl
Unruhe, Aggressivität
Desorientierung
Schwächegefühl, Zittern am ganzen Körper
Krampfanfall
schneller Puls
Bewusstseinsstörung bis Bewusstlosigkeit
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen
Blutzuckertest
Zucker über den Mund (oral) zuführen (wenn ansprechbar)
Lagerung abhängig der Bewusstseinslage
Schockbekämpfung und Wärmeerhalt
Patient und Angehörige über Vorerkrankungen und
Medikamenteneinnahme befragen
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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4. Internistische Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Im Lager einer Hütte liegt ein 40-jähriger Mann, er ist schweißgebadet und bewusstlos.
1. Welche Ursachen können einen Unterzucker auslösen?
2. Ein 60-jähriger Wanderer sitzt in einer Hütte und wirkt verwirrt. Bei Befragung gibt er eine bekannte Zuckerkrankheit
(Diabetes) an.
3. Bei einem Schulwandertag klagt eine 16-jährige Schülerin
über Schwächegefühl, Schweißausbrüche und über ein starkes
Durstgefühl. Sie ist am ganzen Körper zittrig und gibt an,
heute Morgen nichts gegessen zu haben.
2. Du wirst zu einem bewusstlosen Patienten gerufen.
Welche Symptome können auf einen Unterzucker hinweisen?
3. Eine Schulfreundin im Fall drei möchte ihrer Freundin
ein Stück Traubenzucker geben, darf sie das?
4. Sie hat ihr den Zucker gegeben und nach kurzer Zeit hat
sich die Schülerin wieder erholt. Darf die Schulklasse mit ihr
weiter gehen?
5. Welche Maßnahmen kann man ergreifen, um nicht in einen
Unterzucker zu geraten?
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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4. Internistische Notfälle
4.6 Krampfanfall
Störung und Gefahren
Krampfanfälle können durch unterschiedliche Erkrankungen
oder in Folge von akuten oder zurückliegenden Verletzungen
ausgelöst werden. Die häufigste Ursache eines Krampfanfalles
ist die angeborene Epilepsie. Andere Auslöser können z. B.
Schlaganfall, Unterzuckerung, verschiedene Medikamente,
Alkoholentzug, Drogen oder starkes Fieber im Kindesalter sein
(sog. Fieberkrampf). Verletzungen mit Beteiligung des Gehirns
können ebenfalls einen Krampfanfall verursachen.
Während des Krampfes selbst besteht die Gefahr für den
Patienten sich zusätzliche Verletzungen zuzuziehen. In den
meisten Fällen sind Personen nach einem Krampfanfall
bewusstseinsgetrübt / bewusstlos. Es besteht die Gefahr
des akuten Sauerstoffmangels.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Der Krampfanfall geht häufig mit Bewusstlosigkeit einher und
kann sich auf einzelne Gliedmaßen oder über den ganzen Körper
erstrecken. Der Krampf selbst beginnt meist mit dem Strecken
der Gliedmaßen bzw. des ganzen Körpers, gefolgt von Zuckungen.
Eine nicht selten auftretende Begleitverletzung ist der Zungenbiss.
Häufig kommt es zur Bildung von schaumigem Speichel sowie
Urin- und manchmal Stuhlabgang.
Die Dauer ist meist auf einige Minuten begrenzt, kann aber in
Einzelfällen erheblich länger sein. Nach Krampfanfällen kommt
es oftmals zum so genannten Erschöpfungsschlaf.
Überblick über das Erscheinungsbild
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Krampfanfälle können auch die Ursache für Verletzungen sein.
Ein epileptischer Anfall kann z.B. beim Radfahren zu einem Sturz
führen und fatale Folgen haben.
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Zuckungen am ganzen Körper oder
einzelner Körperteile
Bewusstlosigkeit
Zusatzverletzungen (z.B. Zungenbiss)
Erschöpfung, Verwirrtheit nach dem Krampfanfall
Patient kann sich an Vorfall nicht erinnern
Maßnahmen
Beim plötzlich auftretenden Krampfanfall ist die Hauptaufgabe des
Helfers, den Patienten vor zusätzlichen Verletzungen zu schützen.
Der Patient sollte keinesfalls zwanghaft festgehalten werden, da
auch dies zu Verletzungen führen kann. Vielmehr sollten umherstehende harte Gegenstände entfernt bzw. abgepolstert werden.
Die Lagerung erfolgt nach Bewusstseinslage oder Patientenwunsch. Da der Patient nach dem Krampfanfall oftmals müde und
verwirrt ist, muss der Bergretter beruhigend auf den Betroffenen
eingehen.
Achtung: Es kann jederzeit zu einem erneuten Krampfanfall kommen.
Überblick über die Maßnahmen
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
während des Krampfanfalls Patienten schützen
(z.B. vor Verletzung durch Sturz)
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Notarzt rufen
Blutzuckertest
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Sauerstoffgabe nach dem Krampfanfall
Lagerung abhängig der Bewusstseinslage
Patient bzw. Angehörige über
Vorerkrankungen befragen
Wärmeerhalt
vor Reizen schützen
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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4. Internistische Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Du wirst in eine nahegelegene Skihütte gerufen. Am Boden
liegt ein etwa 40-jähriger Mann. Umstehende Passanten haben
beobachtet, wie er plötzlich vom Stuhl gefallen ist und am
ganzen Körper gezuckt hat.
1. Welche Ursachen können einen Krampfanfall auslösen?
2. Du wirst im Winter auf eine Hütte gerufen, wo junge Leute
eine Apres-Skiparty feiern. Eine ca. 16-jährige Schülerin hat
größere Mengen „Alcopops“ getrunken und hat kurze Zeit
später die Augen verdreht und zu krampfen begonnen. Bei
eurem Eintreffen ist die Patientin bewusstlos.
3. Welche Folgeschäden können nach Krampfanfällen auftreten?
3. Du wirst zu einem Familienstreit auf einer Hütte gerufen. Die
14-jährige Tochter hat sich so in den Streit hinein gesteigert,
dass sie kurzatmig wurde und kurz darauf krampfte.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
2. Neben dir fällt jemand hin und zuckt am ganzen Körper.
Welche Maßnahmen ergreifst du?
4. Wie lange können Krampfanfälle dauern?
5. Warum bluten krampfende Personen häufig
aus dem Mund?
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4. Internistische Notfälle
4.7 Gefäßverschluss
Störung und Gefahren des Arterienverschlusses
Die Arterien kommen vom Herzen. In ihnen wird das Blut in die
Gewebe geführt. Sie verzweigen sich im Körper in immer dünner
werdende Äste und bilden schließlich die Haargefäße (Kapillaren).
Ein akuter Arterienverschluss entsteht, ähnlich wie ein Herzinfarkt,
durch Ablagerungen (z.B. Verkalkung in den Gefäßen). Auch
können Blutgerinnsel, die sich an Gefäßwänden oder im Herz
gebildet haben und plötzlich vom Blutstrom mitgerissen werden,
in den sich verengenden Arterien stecken bleiben und diese
verstopfen. Dadurch kommt es zu einer Minderdurchblutung
des dahinter gelegenen Gewebes. Mangelnde Sauerstoffversorgung von Gliedmaßen oder der inneren Organe ist
die Folge.
Die Gefahr des Arterienverschlusses besteht im Absterben von
Gewebe durch unterbrochene Blutversorgung (Sauerstoffmangel).
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
des Arterienverschlusses
Bei einem Arterienverschluss entstehen durch den akuten Sauerstoffmangel meist sehr starke Schmerzen im betroffenen Arm
oder Bein. Aufgrund der unterbrochenen Durchblutung ist die
betroffene Körperregion blass und kalt. Es ist kein Puls mehr
tastbar und das Empfinden ist gestört. Es droht das Absterben
der betroffenen Gewebebereiche.
Maßnahmen beim Arterienverschluss
Der Bergretter muss beruhigend auf den Betroffenen eingehen.
Keinesfalls darf äußere Wärme zugeführt werden. Den Erkrankten so lagern, dass der betroffene Arm bzw. das betroffene
Bein gut abgepolstert tief gelagert werden kann. Es dürfen keine
Druckstellen entstehen. Den Notarzt mit hinzuziehen.
Überblick über das Erscheinungsbild
beim Arterienverschluss
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Überblick über die Maßnahmen
beim Arterienverschluss
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
meist starke Schmerzen
an den betroffenen Gliedmaßen kein Puls tastbar
blasse Haut an den betroffenen Gliedmaßen
kalte Haut, Angabe von Kältegefühl, ggf. erfragen
Angabe von Empfindungsstörungen
spontanes Herabhängen von einem Arm oder Bein
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen
betroffene Gliedmaße abgepolstert tief lagern
Wärmeerhalt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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4. Internistische Notfälle
Störung und Gefahren des Venenverschlusses
Der akute Venenverschluss entsteht durch Thromben (Blutgerinnsel), welche in den Venen eine Blutstauung hervorrufen.
Häufig bilden sich Blutgerinnsel bei Patienten, die längere Zeit in
ihrer Bewegung eingeschränkt waren (z.B. Bettlägerigkeit, Gips).
Wenn sich diese Blutgerinnsel (Thromben) lösen besteht Lebensgefahr durch eine Lungenembolie.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
des Venenverschlusses
Durch den Verschluss einer Vene ist die betroffene Extremität
rotbläulich verfärbt (Zyanose), geschwollen und sehr schmerzhaft.
Es entsteht ein Hitze- und Spannungsgefühl. Bei Hochlagerung der
betroffenen Extremität gibt der Betroffene Schmerzlinderung an.
Ein Seitenvergleich erleichtert die Diagnose.
Überblick über das Erscheinungsbild
beim Venenverschluß
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„Zerreiß-Schmerzen“ in der betroffenen Extremität
Hitze- und Spannungsgefühl
rot-bläuliche Verfärbung der betroffenen Extremität
Schwellung der betroffenen Extremität
spontanes Hochhalten
Maßnahmen beim Venenverschluss
Der Bergretter muss beruhigend auf den Betroffenen eingehen.
Das betroffene Körperteil muss hoch gelagert und gut gepolstert
werden. Dadurch wird der venöse Blutrückfluss zum Herzen
erleichtert. Die Betroffenen dürfen keinesfalls umher laufen
oder sich anstrengen, passiver Abtransport.
Überblick über die Maßnahmen
beim Venenverschluß
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen
betroffene Gliedmaßen hoch lagern und abpolstern
körperliche Ruhe
Wärmeerhalt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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4. Internistische Notfälle
Fallbeispiele Arterienverschluss
Fallbeispiele Venenverschluss
1. Ein ca. 50-jähriger Mann kommt zur Einsatzwache und klagt
über sehr starke und plötzlich aufgetretene Schmerzen im
Arm. Der Arm fühlte sich plötzlich auch sehr kalt an.
1. Eine ca. 40-jährige Frau hat ein geschwollenes Bein und klagt
über sehr starke Schmerzen. Im Bein hat sie ein Hitze- und
Spannungsgefühl.
2. Abends auf der Einsatzwache klagt ein ca. 60-jähriger Mann
über plötzlich und stichartig aufgetretenen sehr starken Schmerz
in seinem rechten Bein. Wenn er sein Bein hochlegt, werden die
Schmerzen stärker. Er gibt Empfindungsstörungen in seinem
Bein an.
2. Nach einer längeren Busfahrt klagt ein älterer Mann über
Schmerzen im rechten Bein. Die betroffene Extremität ist rotbläulich verfärbt, geschwollen und schmerzt sehr stark.
Übungsfragen
Übungsfragen
1. Wie lagerst du einen Patienten mit Arterienverschluss?
1. Wie lagerst du einen Patienten mit Venenverschluss?
2. Wie versorgst du die betroffene Extremität?
2. Wie versorgst du die betroffene Extremität?
3. Wie kann es zur Entstehung eines Arterienverschlusses kommen?
3. Wie kann es zur Entstehung eines Venenverschlusses kommen?
3. Ein ca. 45-jähriger Bergwanderer sitzt am Wegesrand und
klagt über starke Schmerzen in seiner rechten Wade. Dieses
Bein ist bläulich verfärbt und sehr heiß. Der Wanderer möchte
unbedingt noch zur nächsten Hütte laufen.
4. Was ist an einem Venenverschluss so gefährlich?
5. Welche Erkennungszeichen deuten auf einen Venenverschluss hin?
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
81
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
5. Chirurgische Notfälle
Fachbereich:
Ausbildungsstufe:
Stand:
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Notfallmedizin
Grundausbildung
12 /2007
83
5. Chirurgische Notfälle
5.1 Knochen-, Gelenksund Bänderverletzungen
Störung und Gefahren
Das menschliche Skelett setzt sich aus ca. 250 Knochen zusammen, die durch Gelenke und Sehnen verbunden, zu einem
stabilen Gerüst geformt sind. Die Knochen werden, wie auch
die Muskulatur und die Organe, durch z.T. große Gefäße mit
Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. In der Haut, die den
Knochen umspannt, laufen zudem umfangreiche Nervenbahnen. Sollte ein Knochen geschädigt werden, kann dies deshalb zu starken Schmerzen und gefährlichem Blutverlust führen.
Bei einer Verletzung der Muskulatur, Gefäße oder Haut durch
die Bruchenden oder durch äußerliche Gewalteinwirkungen
besteht zudem eine erhöhte Infektionsgefahr.
Außerdem führen Verletzungen der Knochen, Bänder und
Gelenke zu Instabilität und Bewegungseinschränkungen bis
hin zu Lähmungserscheinungen (z. B. bei Schädigung der
Wirbelsäule). Über die langfristige Prognose entscheidet unter
anderem die, durch die Fehlstellung bedingte, begleitende
Gewebsschädigung.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Verletzungen von großen Knochen können zu
einem lebensbedrohlichen Blutverlust führen:
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■
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Oberarm bis ca. 800 ml
Unterarm bis ca. 400 ml
Becken bis ca. 5000 ml
Oberschenkel bis ca. 2000 ml
Unterschenkel bis ca. 1000 ml
Beim Erwachsen ist ab einem Blutverlust von 1000 ml mit einem
lebensbedrohlichen Schockzustand zu rechnen. Bei offenen
Knochenbrüchen können noch erheblich größere Blutmengen
verloren gehen.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Eine Schädigung der Knochen, Gelenke oder Bänder führt in
vielen Fällen zu starken Schmerzen. Hinweis auf eine Verletzung
kann auch eine Bewegungs-/Funktionseinschränkung sein.
Ohne umfangreiche Röntgendiagnostik kann eine Knochenverletzung nicht immer zweifelsfrei festgestellt werden. Grundsätzlich sollte in unklaren Fällen von einer Schädigung ausgegangen werden. Verletzungen der Bänder können nur in
seltenen Fällen durch Erkennungszeichen vor Ort sicher festgestellt werden. Daher sollte von umfangreichen Beweglichkeitstests abgesehen werden. In jedem Fall muss die Haut an
der schmerzenden Stelle auf Verletzungen untersucht werden.
Oberarm
bis ca. 800 ml
Unterarm
bis ca. 400 ml
Becken
bis ca. 5000 ml
Oberschenkel
bis ca. 2000 ml
Unterschenkel
bis ca. 1000 ml
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5. Chirurgische Notfälle
Durchblutung – Motorik – Sensibilität (D-M-S)
Überprüfung der betroffenen Extremität
Durchblutung
Ist die Extremität noch durchblutet? Sind periphere Pulse tastbar?
Hat die Extremität normale Körpertemperatur?
Motorik
Ist die Beweglichkeit erhalten? Können z.B. die Zehen der
betroffenen Extremität selbst bewegt werden?
Sensibilität
Bestehen Gefühlsstörungen (Kribbeln, Taubheit)?
Die Ergebnisse aus dieser Überprüfung können eine Einordnung
der Transportdringlichkeit ergeben (wird z.B. die Durchblutung
der Extremität nicht gewährleistet, ist ein zügiger Hubschrauberabtransport einzuleiten).
Maßnahmen
Durch den Bergretter muss beruhigend auf den Betroffenen
eingegangen werden. Die betroffene Verletzungsregion ist
nur soweit als erforderlich zu bewegen. Sollte bei der Untersuchung eine Verletzung der Haut bzw. eine Durchspießung
durch einen Knochen festgestellt werden, muss unmittelbar
eine sterile Abdeckung der Wunde erfolgen.
Frakturen von Knochen werden immer unter achsengerechtem
Längszug geschient. Benachbarte Gelenke werden immer mit
ruhiggestellt.
Überblick über die Maßnahmen bei
Knochen-, Gelenks- und Bänderverletzungen
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■
Überblick über das Erscheinungsbild
bei Knochen-, Gelenks- und Bänderverletzungen
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Fehlstellung
Blutungen, Schockanzeichen
Bewegungseinschränkung
Schwellung
Schmerzen
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck inkl. DMS
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen je nach Verletzungsschwere/Situation
Wundversorgung
Wärmeerhalt
achsengerecht ruhig stellen (Vakuumschiene
und -matratze, Sam-Splint, usw.)
■
erneute Überprüfung DMS
Kühlung der betroffenen Stelle (Kältebeutel nicht
direkt auf die Haut aufbringen)
■
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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85
5. Chirurgische Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Ein etwa 40-jähriger Skifahrer ist bei langsamer Fahrt
gestürzt und klagt über starke Schmerzen im Bereich oberhalb des Skischuhs. Es ist eine leichte Schwellung im Bereich
des Schienbeins zu tasten.
1. Welche Knochenverletzungen können zu einer lebensbedrohlichen Situation führen?
5. Welche Blutmengen können bei verschiedenen Brüchen
verloren gehen?
2. Welche Maßnahmen ergreist du bei einem offenen
Knochenbruch?
6. Welche Gefahren bestehen bei offenen Knochenbrüchen?
2. Eine etwa 60-jährige Langläuferin ist an einer kurzen
Abfahrtstelle gestürzt und klagt über starke Schmerzen und
Bewegungsunfähigkeit im Bereich der rechten Schulter und
des rechten Armes.
3. Eine etwa 20-jährige Snowboarderin ist bei der Abfahrt
mit dem Becken an einen Seilbahnmast geprallt. Sie klagt
über starke Schmerzen, Schwindel und zeigt deutlich zunehmende Schockanzeichen.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
3. Wie lautet deine Meldung an die Leitstelle bei einer etwa
20-jährigen Snowboarderin mit starken Schmerzen im
Beckenbereich? Welche weiteren Einsatzkräfte und -mittel
forderst du nach?
7. Welche Mittel zur Ruhigstellung von Knochenbrüchen
sind dir bekannt?
4. Was musst du beachten, wenn du eine Kühlung mit Kälteoder Schneebeutel an einer verletzten Stelle durchführst?
86
5. Chirurgische Notfälle
5.2 Gelenksluxationen
Schultereckgelenk
Schultergelenk
Störung und Gefahren
50% aller Luxationen (Verrenkungen) betreffen das Schultergelenk. Sie sind oft mit starken Schmerzen und zum Teil mit
Störungen der Durchblutung, der Motorik und der Sensibilität
(DMS) des betroffenen Armes verbunden. Stehen längere oder
schwierige Abtransportwege bevor, ergibt sich deshalb die
Notwendigkeit, diese Art von Verletzung bereits am Unfallort
zu reponieren (einzurenken). Die Reposition einer Luxation ist
grundsätzlich eine ärztliche Maßnahme, die für den Bergretter
nur im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes (Notwendigkeit der Maßnahme, Beherrschen der Maßnahme, Notarztruf,
Einwilligung des Patienten und Dokumentation) möglich ist.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Durch Gewalteinwirkung auf das Schultergelenk (z.B. Sturz mit
ausgestrecktem Arm) können die Gelenkkapsel und Bänder verletzt werden, Gelenkteile werden so aus ihrer ursprünglichen
Lage verschoben.
Häufig findet man die Betroffenen mit einer fixierten Fehlstellung (Arm in gebeugter Stellung vom Körper weg haltend) vor.
Der Verletzte kann seinen Arm nicht an den Körper anlegen.
Beim Ertasten der verletzten Schulter zeigt sich im Vergleich
zur unverletzten Schulter meist eine Delle zwischen Oberarm
und Schulter. Zudem können Durchblutungsstörungen, Gefühlsstörungen und Schmerzen an dem betroffenen Arm auftreten
(DMS). Begleitverletzungen dürfen nicht außer Acht gelassen
werden (Ganzkörpercheck).
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
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2007
Oberarmkopf
Oberarmknochen
Gelenkpfanne
Schulterblatt
Überblick über das Erscheinungsbild
bei der Schulterluxation
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Unfallhergang
Position von Schulter und Oberarm
(fixierte Fehlstellung)
Delle zwischen Oberarm und Schulter (Vergleich mit
unverletzter Schulter!)
Störungen von Durchblutung, Motorik und Gefühl
(DMS)
Schmerzen
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5. Chirurgische Notfälle
Maßnahmen
Zuerst muss ein kompletter Ganzkörpercheck des Verletzten
erfolgen. Bei Verdacht einer Schulterluxation ist auf Störungen
von Durchblutung, Motorik und Sensibilität (DMS) im betroffenen
Bereich zu achten und diese zu dokumentieren. Dabei sollte immer
die unverletzte Schulter mit verglichen werden.
Steht in angemessener Zeit kein Notarzt zur Verfügung,
der eine Reposition durchführen kann, sollte dies nur
durch den erfahrenen und geübten Bergretter erfolgen.
Hierfür ist eine weiterführende Ausbildung erforderlich.
Überblick über die Maßnahmen bei
der Schulterluxation
■
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck inkl. D-M-S- Regel (Vergleich mit
der unverletzten Schulter)
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Notarzt rufen
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Dokumentation DMS
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Patient über Maßnahmen informieren und beruhigen
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Ruhigstellung
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erneute Überprüfung von DMS und Dokumentation
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lückenlose Überwachung und Dokumentation
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Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
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2007
Sprunggelenk
Störungen und Gefahren
Durch Fehlstellung im Bereich des Sprunggelenks werden
Haut, Nerven, Sehnen und Blutgefäße stark in Mitleidenschaft
gezogen. Je größer die Fehlstellung und die Zeitspanne nach
der Verletzung ist, desto größer wird der Schaden. Eine Minderdurchblutung der „gespannten“ Haut kann sich im späteren
Heilungsverlauf sehr nachteilig auswirken. Gelingt es nicht, das
Sprunggelenk in angemessener Zeit zu reponieren, kann dies
schwerwiegende Folgen für den Verletzten haben.
Überblick über das Erscheinungsbild bei
der Sprunggelenksluxation
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Unfallhergang
abnormale Position des Sprunggelenks
Schwellungen und Blutergüsse
Störungen von Durchblutung, Beweglichkeit und
Gefühl (DMS)
Schmerzen
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Sprunggelenkluxationen treten häufig bei Bergwanderern und
Langläufern auf. Durch Gewalteinwirkung auf das Sprunggelenk werden Gelenkkapsel und Bänder verletzt, das Gelenk
wird aus seiner normalen Lage geschoben und eine Schwellung
tritt auf. Häufig treten dabei zusätzlich Frakturen im Sprunggelenksbereich auf. Bei einer Luxation im Sprunggelenk zeigt sich
meist eine abnorme Lage, die oft sehr schmerzhaft ist. Zudem
können Gefühlsstörungen und Durchblutungsstörungen auftreten.
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5. Chirurgische Notfälle
Maßnahmen
Zuerst muss eine komplette Erstuntersuchung des Betroffenen
erfolgen. Bei Verdacht einer Sprunggelenkluxation ist auf
Störungen von Durchblutung, Motorik und Sensibilität (DMS)
im betroffenen Bereich zu achten und diese zu dokumentieren.
Die achsengerechte Schienung/Reposition sollte möglichst frühzeitig erfolgen. Dazu muss der Verletzte über diese Maßnahme
aufgeklärt werden und sein Einverständnis dazu geben.
Achsengerechte Ruhigstellung einer Sprunggelenkluxation:
Ein Helfer fixiert den betroffenen Unterschenkel im Kniebereich.
Der Bergretter greift den Fuß an Ferse und Fußrücken, um anschließend mit einem kräftigen Zug in Verlängerung der Unterschenkelachse anzuziehen. Gelingt die Reposition nicht, muss
das betroffene Gelenk in der Fehlstellung ruhiggestellt werden.
Nach dem achsengerechten Zug bzw. Repositionsversuch ist
das Sprunggelenk zu schienen (Schienungsmaterial vorher
herrichten). Nach erfolgter Ruhigstellung wird eine erneute
Überprüfung von Durchblutung Motorik, und Sensibilität vorgenommen und dokumentiert.
Eine erfolgreiche Reposition, aber auch ein erfolgloser
Repositionsversuch, ist immer zu dokumentieren!
Überblick über die Maßnahmen bei der
Sprunggelenksluxation
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ABC-Sicherung
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Ganzkörpercheck inkl. DMS
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Notarzt rufen
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Aufklärung über Maßnahmen, Einverständnis
des Betroffenen
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Vorbereitung der Schienung
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achsengerechte Ruhigstellung
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erneute Überprüfung DMS
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Wärmeerhalt
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lückenlose Überwachung und Dokumentation
Fallbeispiele
1. Eine Langläuferin stürzt in einer schwer zugänglichen Loipe
und bleibt mit einer Fußverletzung dort liegen. Ihr erreicht
mit eurem Skidoo den Einsatzort und findet dort eine
ca. 45-jährige Patientin vor, die über starke Schmerzen im
rechten Sprunggelenk klagt. Ihr seht, dass sich der Fuß in einer
abnormen Lage befindet. Ein Abtransport bis zur nächsten
Klinik dauert mindestens eine Stunde. Ein Einsatz des Rettungshubschraubers ist auf Grund der Witterung nicht möglich.
2. Ein Bergwanderer rutscht vor eurer Diensthütte aus und
bleibt dort liegen. Er klagt über stärkste Schmerzen im
rechten Sprunggelenk. Bei der Erstuntersuchung stellt ihr
fest, dass das Gelenk verformt ist und nicht belastet werden
kann. Ein Arzt kommt zufällig vorbei.
3. Ihr werdet zu einer Bergwanderin gerufen, die sich in einem
Geröllfeld verstiegen hat und gestürzt ist. Sie klagt über
starke Schmerzen im Sprunggelenk, dies ist deutlich angeschwollen und verformt.
Übungsfragen
1. Welche Gefahren bestehen bei einer Sprunggelenkluxation?
2. Was überprüfst du vor und nach der Ruhigstellung/Reposition?
3. Wie geht man bei der Reposition eines Sprunggelenks vor?
4. Warum soll ein verletztes Sprunggelenk gekühlt und hoch
gelagert werden?
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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5. Chirurgische Notfälle
5.3 Kopfverletzungen (Schädel-Hirn-Trauma)
Definition
Dieser Begriff fasst Weichteilverletzungen, Brüche der Knochen
des Gesichtsschädels, des Gehirnschädels und Gehirnverletzungen zusammen, die zunächst oft nicht unterschieden oder
ihrem Schweregrad nach beurteilt werden können. Kopfverletzungen entstehen in Folge einer Gewalteinwirkung auf den Schädel
z.B. durch Sturz, Schlag oder Anprall. Für das Ausmaß der Schädigung ist es entscheidend, ob es sich um Verletzungen des
Schädels oder des Gehirns oder eine Kombination beider Verletzungsarten, d.h. eine Schädel-Hirn-Verletzung (Trauma) handelt.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
von Weichteilverletzungen
Bei geschlossenen Verletzungen können Blutergüsse mit starken
Schmerzen auftreten, die deutlich sichtbar sind. Der Betroffene
kann z.B. eingeschränktes Sehvermögen angeben. Bei offenen
Weichteilverletzungen am Kopf treten mehr oder weniger starke Blutungen auf, die meistens aus Platzwunden, Schnittwunden oder Skalpierungsverletzungen entstehen. Auch können
die Augen durch stumpfe oder spitze Gegenstände verletzt sein,
was zum Ausfall der Sehkraft führen kann.
Maßnahmen bei Weichteilverletzungen
Nach einer sterilen Bedeckung steht die Blutstillung an erster
Stelle. Hier kann in den meisten Fällen im Kopfbereich kein
Druckverband angelegt werden. Deshalb muss durch Aufpressen der flachen Hand des Bergretters eine Komprimierung und
somit eine Blutstillung bewirkt werden. Der Betroffene sollte
mit leicht erhöhtem Oberkörper gelagert werden.
Überblick über die Maßnahmen
bei Weichteilverletzungen
■
Störung und Gefahren von Weichteilverletzungen
Bei Weichteilverletzungen handelt es sich oft um stark blutende Wunden, in extremen Fällen auch um Skalpierungsverletzungen.
Ebenso können geschlossene Verletzungen auftreten, die massive Schwellungen oder Blutergüsse mit sich führen. Hierbei
können die Atmung, das Sehvermögen oder auch der Gehörsinn beeinträchtigt oder auf Dauer geschädigt werden.
Grundausbildung
Notfallmedizin| |12
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2007
Grundausbildung || Notfallmedizin
Überblick über das Erscheinungsbild von
Weichteilverletzungen
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Schwellungen und Blutergüsse
starke Blutungen mit Schockanzeichen
Störungen der Atmung
Fremdkörper in Wunden
eingeschränkte Sinneswahrnehmungen
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen je nach Verletzungsschwere/Situation
Wundversorgung
situationsgerecht Lagern
Wärmeerhalt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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5. Chirurgische Notfälle
Störung und Gefahren beim Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
Eine Form der Schädel-Hirn-Verletzung ist das leichte SHT (Commotio). Die Hirnzellen werden nicht verletzt, aber kurzzeitig in
ihrer Funktion gestört, was sich als kurzzeitige Bewusstlosigkeit
mit Erinnerungslücke darstellen kann. Bei schwereren Verletzungen kann es unter Umständen zu Blutungen in und um das
Gehirn kommen. Zudem ist die Gefahr einer Bewusstlosigkeit,
ansteigenden Hirndruckes und eines Atem- und Herz-KreislaufStillstandes gegeben. Bei offenen Schädel-Hirn-Verletzungen ist
die Gefahr von starken Blutungen, dem Austritt von Gehirnflüssigkeit (Liquor) und in extremen Fällen der Austritt von Gehirnmasse gegeben. Bei Schädel-Hirn-Verletzungen können auch
Krampfanfälle auftreten. Schädel-Hirn Verletzte können zudem
von einer Unterkühlung betroffen sein, da das Wärmeregulationszentrum beeinträchtigt oder ausgefallen sein kann. Die
Atmung von Schädel-Hirn-Verletzten kann beeinträchtigt sein
(bis zum Atemstillstand). Bei Bewusstlosigkeit besteht zusätzlich Aspirationsgefahr (Anatmung) von Blut, Erbrochenem
oder Flüssigkeiten. Auf Begleitverletzungen ist zu achten!
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf beim
Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
Bei einem leichten SHT ist der Betroffene häufig benommen,
weist Gedächtnislücken auf, klagt über Kopfschmerzen und
Schwindel, in Einzelfällen auch über Übelkeit mit nachfolgendem Erbrechen.
Bei mittelschwerem und schwerem Schädel-Hirn-Trauma
gibt es verschiedene Verlaufsformen, entweder es kommt nach
einer kurzzeitigen Bewusstlosigkeit und einem symptomfreien Intervall zu einer erneuten Bewusstseinsstörung oder
der Betroffene ist von Anfang an bewusstseinsgetrübt oder
bewusstlos. Es kann zu mehr oder minder starken Blutungen
aus Nase, Ohr, Mund, aber auch aus Wunden kommen. Bei
Schädelbasisfrakturen können auch ein Brillen-/ oder Monokelhämatom (Veilchen) sichtbar werden. In seltenen Fällen ist
der Schädel so stark verletzt, dass Hirnmasse austritt. Bei einer
Schädel-Basis-Verletzung kann Gehirnflüssigkeit (Liquor) aus
dem Ohr oder der Nase austreten (schwer zu erkennen, oft mit
Blut vermischt). Des Weiteren können Sinneswahrnehmungen
beeinträchtig oder geschädigt sein.
Großhirn
Kleinhirn
normale
Durchblutung
Hirnblutung
Minderdurchblutung
Anschwellen der
Nervenzellen
(Hirnödem)
Kompression am
Atemzentrum
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5. Chirurgische Notfälle
Akute Lebensgefahr besteht, wenn nach vorübergehender Aufklarung erneut eine Bewusstseinstrübung auftritt
(Blutung im Gehirnschädel). Diese Symptome können auch noch
Stunden nach dem Ereignis auftreten.
Manifestieren sich Zeichen eines Volumenmangelschockes
sollte an weitere Begleitverletzungen gedacht werden.
Überblick über das Erscheinungsbild bei
Schädel-Hirn-Trauma
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Bewusstseintrübung, Bewusstlosigkeit
Blutungen, ggf. offene Schädelverletzung
Flüssigkeitsaustritt aus Ohr, Mund, Nase
Brillen-/Monokelhämatom
Atem- und Kreislaufstörungen
beeinträchtigte Sinneswahrnehmungen
Übelkeit, Erbrechen, Schwindel
Maßnahmen beim Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
Im Vordergrund steht die Sicherung der Vitalfunktionen. Dazu
gehören die Stillung von Blutungen, das Freimachen und Freihalten der Atemwege, die Schockbekämpfung, der Wärmeerhalt und nicht zuletzt die richtige Lagerung des Betroffenen
(optimal wäre eine Oberkörperhochlage im Winkel von ca. 30°).
Bewusstseinsgetrübte Patienten müssen in der stabilen Seitenlage gelagert und offene Verletzungen steril bedeckt werden. Dem Betroffenen sollte möglichst über eine Maske Sauerstoff gegeben werden. Wegen der Gefahr des Erbrechens
wird Absaugbereitschaft hergestellt. Bei Kopfverletzungen
muss grundsätzlich an eine Begleitverletzung der Halswirbelsäule gedacht werden, die durch eine Halskrause (z.B. Stifneck)
versorgt werden soll. Bei jedem mittelschweren und schweren
Schädel-Hirn-Trauma oder offenem SHT muss ein Notarzt hinzugezogen werden. Die lückenlose Überwachung und Dokumentation muss sichergestellt werden.
Überblick über die Maßnahmen beim
Schädel-Hirn-Trauma
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Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
12//2007
2007
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren
und beruhigen
je nach Verletzungsschwere/Situation Notarzt rufen
Stabilisieren der HWS
Sauerstoffgabe
Wundversorgung
Lagerung abhängig der Bewusstseinslage
Wärmeerhalt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Fallbeispiele
1. Ihr werdet im Rahmen eines Hüttendienstes in einen Klettersteig gerufen, wo ein Kletterer abgestürzt sein soll. Ihr findet
einen ca. 25-jährigen Mann vor, der bewusstlos am Boden
liegt. Trotz des Kletterhelmes hat er sich eine größere Kopfplatzwunde durch einen Steinschlag zugezogen.
2. Ein Nordic- Walker ist gestürzt und mit dem Hinterkopf aufgeschlagen. Er kann sich an nichts mehr erinnern und weiß
nicht, wie er in sein Hotel kommen soll bzw. wie das Hotel heißt.
3. Wein Skitourengeher stürzt in ein Schneeloch und schlägt
dabei mit der Schläfe auf einen Eisblock auf. Seine Kameraden können ihn nach kurzer Zeit bergen und in die stabile
Seitenlage bringen. Bei eurem Eintreffen ist der Betroffene
wieder ansprechbar, klagt aber über zunehmende Kopfschmerzen und Schwindel.
Übungsfragen
1. Welche Gefahren können bei Schädel-Hirn-Verletzungen auftreten?
2. Worauf deutet ein Brillenhämatom hin?
3. Welche Hinweiszeichen deuten auf ein Schädel-Hirn-Trauma?
4. Warum kann es bei Kopfverletzungen zu einer
Unterkühlung kommen?
5. Welche Hinweise erhält man durch die Pupillenkontrolle?
92
5. Chirurgische Notfälle
5.4 Brust- und Lungenverletzungen
Störung und Gefahren
Man unterscheidet offene und geschlossene Brustkorbverletzungen, wobei offene Brustkorbverletzungen relativ selten sind.
Bei Rippenbrüchen droht die Gefahr, dass eine oder mehrere
gebrochene Rippen nachfolgend mechanische Lungenverletzungen mit einem massivem Blutverlust verursachen. Sind
mehrere Rippen gebrochen spricht man von einer Rippenserienfraktur.
Tritt aufgrund einer Verletzung (von innen oder außen) Luft in
den Pleuraspalt (sog. Pneumothorax), fällt die Lunge in sich
zusammen. Dieser Zustand kann innerhalb kürzester Zeit
lebensbedrohlich werden. Achtung: Verletzungen des Brustkorbes können mit starkem Blutverlust einhergehen.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Schon der Unfallhergang kann auf eine Brustkorbverletzung hindeuten. Die Betroffenen klagen über Atemnot bzw.
atemabhängige Schmerzen.
Überblick über das Erscheinungsbild bei Brust
und Lungenverletzungen
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Unfallhergang
Atemnot mit Schmerzen
Prellmarken
ggf. offene Verletzungen, verformter Brustkorb
zunehmende Atemnot (Zyanose)
gestaute Halsvenen
Kreislaufverhältnisse verschlechtern sich
Loch in der
Brustwand
Dabei besteht immer die Gefahr, dass die Atemnot innerhalb kurzer Zeit zunimmt!
Anzeichen einer schweren Brustkorbverletzung sind die bläuliche Färbung der Schleimhäute (Zyanose) und/oder gestaute
Halsvenen. Wegen massivem Blutverlust können sich die
Kreislaufverhältnisse innerhalb kürzester Zeit verschlechtern
(Schock).
Grundausbildung
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2007
Pleuralspalt
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5. Chirurgische Notfälle
Maßnahmen
Überprüfung, Sicherung und ggf. Wiederherstellung der Vitalfunktionen ist die wichtigste Maßnahme. Bei schweren Brustkorbverletzungen (Atemnot, Verdacht einer Blutung in den
Brustkorb, starke Schmerzen) muss ein Notarzt so früh wie
möglich hinzugezogen werden. Eine Atemerleichterung schafft
die Lagerung mit erhöhtem Oberkörper und hoch dosierte Sauerstoffgabe. Offene Brustkorbverletzungen müssen keimfrei,
aber niemals luftdicht abgedeckt werden. Bei Bewusstlosigkeit
ist der Verletzte in die stabile Seitenlage zu bringen, wobei die
verletzte Brustkorbhälfte unten liegen soll. Verschlechtert sich
die Atmung trotz Sauerstoffinhalation muss der Betroffene vom
Bergretter beatmet werden. Der Transport in ein geeignetes
Krankenhaus sollte schnellstmöglich und mit Notarztbegleitung
(Rettungshubschrauber) erfolgen.
Überblick über die Maßnahmen bei Brust
und Lungenverletzungen
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren
und beruhigen
Notarzt rufen je nach Verletzungsschwere/Situation
Lagerung abhängig der Bewusstseinslage, wenn
möglich Oberkörper hoch
offene Brustkorbverletzungen steril versorgen
(nicht luftdicht)
Sauerstoffgabe
Beatmungs- und Reanimationsbereitschaft
Wärmeerhalt
zügiger Transport in eine geeignete Klinik
lückenlose Überwachung und Dokumentation
3. Ein 65-jähriger Skifahrer wird beim Aussteigen aus dem
Schlepplift von einem Bügel mitgezogen und prallt dann
gegen einen Liftmasten. Ihr kommt mit eurem Skidoo zur
Einsatzstelle und findet den Betroffenen halbsitzend mit
vermutlich mehreren Rippenbrüchen vor. Er hat einen
Bluterguss, der sich über die gesamte rechte Brustkorbhälfte ausdehnt.
Übungsfragen
1. Welche Gefahren bestehen bei offenen und geschlossenen
Brustkorbverletzungen?
2. Welche Erkennungszeichen deuten auf eine Rippenserienfraktur hin?
3. Was ist bei der Versorgung einer offenen Brustkorbverletzung zu beachten?
Fallbeispiele
4. Wie wird ein Verletzter mit Brustkorbverletzung gelagert?
1. Ein Skifahrer kommt bei rasanter Fahrt von der Piste ab und
prallt in eine Fichte. Dabei stößt er sich einen abgebrochenen
Ast durch die Kleidung in den Brustkorb. Der Ast befindet
sich nicht mehr in der Wunde. Er hat eine starke Atemnot
und eine leichte Sickerblutung am linken Brustkorb.
5. Was ist der Unterschied zwischen einer Rippenfraktur und
einer Rippenserien-Fraktur?
2. Ein Bergwanderer stürzt im Schrofengelände über ca. 20
Meter ab. Hierbei verletzt er sich den Brustkorb und klagt
über starke Schmerzen und Atemnot.
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
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2007
94
5. Chirurgische Notfälle
5.5 Bauchverletzungen
Störung und Gefahren
Häufigste Formen sind Leber-, Milz-, Darm-, Nieren- und Gefäßverletzungen. Diese Verletzungen führen meist zu starkem
Blutverlust. Verschiedene Bauchorgane wie Milz und
Leber sind teilweise vom knöchernen Brustkorb umgeben und
können bei Verletzungen des Brustkorbes mitbetroffen sein.
Manchmal tritt Magen-Blasen-, oder Darminhalt in die keimfreie Bauchhöhle aus. Für den Verletzten besteht Lebensgefahr
durch Verbluten (Volumenmangel-Schock) und im späteren
Verlauf durch schwere Infektionen (Sepsis) der Bauchhöhle, insbesondere durch eine Bauchfellentzündung, sowie durch das
Absterben von Darmteilen. Bei Einblutung in Organe bei unverletzter Organhülle entwickelt sich eine Spannung, welche die
Organhülle bis zu Stunden später zum Einreißen bringen kann
(zweiseitige Ruptur). Dies hat eine massive Blutung zur Folge,
die lebensbedrohlich ist.
decke geschlossen, handelt es sich um ein „stumpfes Bauchtrauma“. Bei der zweiseitigen Ruptur beobachtet man häufig
einen langsam zunehmenden Schmerz, der in einem plötzlichen
Vernichtungsschmerz gipfelt. Ein anschließendes Nachlassen
des Schmerzes bedeutet nicht Entspannung der Situation, sondern
muss als absolutes Alarmzeichen gewertet werden.
Überblick über das Erscheinungsbild
bei Bauchverletzungen
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Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Bereits der Unfallhergang kann auf mögliche Bauchverletzungen schließen lassen. Bauchverletzungen mit und ohne Eröffnung der Bauchhöhle können das gleiche Krankheitsbild wie
akute Baucherkrankungen zeigen (Abwehrspannung und Schonhaltung). Ursachen sind stumpfe oder spitze (penetrierende)
Gewalteinwirkungen auf den Bauchraum, wobei innere und/
oder offene Verletzungen entstehen. Durch die Gewalteinwirkung kann die Bauchdecke eröffnet sein. Man bezeichnet
die Verletzung dann als „offenes Bauchtrauma“. Ist die Bauch-
Grundausbildung
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2007
Unfallhergang
Abwehrspannung und Schonhaltung
Prellmarken mit Blutergüssen
sichtbare Blutungen und Verletzungen
Übelkeit, Erbrechen kann blutig sein
Atemnot
Schockzeichen
Maßnahmen
Da es sich um eine lebensbedrohliche Verletzung handelt,
die oft nicht vor Ort stabilisiert werden kann, muss der zügige
Transport in die nächste chirurgische Klinik organisiert werden
(Rettungshubschrauber). Die Überprüfung, Sicherung ggf.
Wiederherstellung der Vitalfunktionen steht an erster Stelle.
Bei offenen Bauchverletzungen müssen diese feucht/keimfrei
abgedeckt werden (Verbandtuch), wobei hervor getretene
Darmschlingen nicht zurück gedrängt werden dürfen.
Bei Atemnot sollte Sauerstoff gegeben werden. Der Betroffen
sollte flach mit einer Knierolle gelagert werden, Körperwärme
erhalten und Betroffenen betreuen. Dem Verletzten darf nichts zu
Essen oder Trinken gegeben werden. Der Notarzt muss frühzeitig hinzugezogen werden und den schnellstmöglichen Transport in die nächstgelegene und geeignete Klinik begleiten.
Überblick über die Maßnahmen
bei Bauchverletzungen
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen
Sauerstoffgabe
Wundversorgung
situationsgerecht lagern
Wärmeerhalt
zügiger Transport in eine geeignete Klinik
lückenlose Überwachung und Dokumentation
95
5. Chirurgische Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Ein ca. 5-jähriger Junge ist beim Schlittenfahren gegen
einen Baum geprallt und hat sich dabei eine Schlittenkufe in
den Bauchraum gestoßen. Es sind deutliche Prellmarken und
eine Abwehrspannung feststellbar. Der Junge ist benommen
und blass.
1. Welche Gefahren können bei offenen und geschlossenen
Bauchverletzungen auftreten?
2. Ein 13-jähriger Junge stürzt bei langsamer Fahrt mit dem
Mountain Bike und bekommt dabei den Lenker in den
linken Bauch gerammt. Er fährt noch eine halbe Stunde
weiter, bricht dann jedoch zusammen und klagt über
stärkste Schmerzen im linken Bauchraum.
3. Auf einer Skipiste stoßen zwei befreundete Skifahrerinnen
zusammen. Nach kurzer Zeit können beide die Fahrt fortsetzen und machen an eine Hütte Rast. Plötzlich stellt eine
der beiden Frauen auf der Toilette fest, dass der Urin blutig
verfärbt ist. Sie zittert am ganzen Körper und ist kaltschweißig.
Sie bittet ihre Freundin, die Bergwacht zu alarmieren.
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
12//2007
2007
2. Wie werden offene Bauchverletzungen versorgt?
3. Warum soll der Transport einer Bauchverletzung schnell
und schonend in das nächstgelegene geeignete Krankenhaus erfolgen?
4. Welche Anzeichen deuten auf ein geschlossenes Bauchtrauma hin?
5. Wie ist eine offene Bauchverletzung zu versorgen, wenn
noch ein Fremdkörper im Bauchraum steckt?
96
5. Chirurgische Notfälle
5.6 Wirbelsäulen- und Beckenverletzungen
Störung und Gefahren
Die besondere Gefahr für einen Verletzten besteht darin, dass
bei einer Verletzung der Wirbelsäule das im Wirbelkanal verlaufende Rückenmark geschädigt wird. Dies kann zu einer
Querschnittslähmung führen. Darunter versteht man eine
Schädigung der Nervenbahnen im Bereich der Fraktur, die zur
Lähmung der Muskulatur bei gleichzeitigem Ausfall der Empfindungsnerven der unterhalb der Fraktur gelegenen Körperbereiche
führen kann. Die Lähmung erfasst bei Querschnittslähmungen
der Lendenwirbelsäule u. U. die Blase und den Mastdarm. Bei
Brüchen auf Höhe der Halswirbelsäule kann es zur Lähmung
der Atemhilfsmuskulatur und des Zwerchfells kommen. Frakturen im Bereich der ersten zwei Halswirbel können sofort tödlich
sein („Genickbruch“).
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Wirbelbrüche entstehen durch direkte Gewalteinwirkung auf
die Wirbelsäule oder durch Stauchung, die zum Kompressionsbruch eines Wirbelkörpers führen kann. Verletzungen der Wirbelsäule können auch durch Beschleunigungstraumen bzw.
Peitscheneffekt entstehen. Kennzeichen eines Wirbelbruches
können der typische Unfallhergang, Schmerzen im Bereich der
Wirbelsäule, seltener Bewegungsunfähigkeit, Gefühllosigkeit im
Bereich der Extremitäten und/oder des Rumpfes sowie Harnund/oder Stuhlabgang in Folge einer Blasen- oder Mastdarmlähmung sein. Durch den Ausfall der steuernden Nerven kann
es zu einem Blutdruckabfall kommen.
Überblick über das Erscheinungsbild
bei Wirbelsäulenverletzungen
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Unfallhergang
Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule
seltener Gefühlsstörungen, Bewegungsunfähigkeit
(Lähmungen)
ggf. Stuhl- und/oder Harnabgang
Schockgefahr
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97
5. Chirurgische Notfälle
Maßnahmen bei Wirbelsäulenverletzungen
Bei der Versorgung von Wirbelsäulenverletzungen ist darauf zu
achten, dass der Patient so wenig wie möglich bewegt wird.
Muss der Patient bewegt werden, z.B. um ihn in die stabile
Seitenlage zu bringen oder zum Überheben auf die Vakuummatratze, sollte dies schonend geschehen. Wichtig ist hier dass
der Patient in der Achse nicht verdreht (Torsion) oder gestaucht
wird! Schwere Verletzungen in diesem Bereich erfordern immer
den Einsatz eines Notarztes. Nach Überprüfung der Vitalfunktionen muss zuerst die Halswirbelsäule stabilisiert werden (Halskrause). Anschließend wird der Verletze nach Möglichkeit mit
einer Schaufeltrage (alternativ durch vier Helfer) auf eine
Vakuummatratze übergehoben. Der Abtransport sollte so schonend wie möglich erfolgen (Rettungshubschrauber). Weitere
Maßnahmen der Schockbekämpfung, sowie Überwachung der
Vitalfunktionen müssen durchgeführt werden.
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Überblick über die Maßnahmen bei Wirbelsäulenverletzungen
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen je nach Verletzungsschwere/Situation
schonend überheben auf Vakuummatratze
stabilisieren der Halswirbelsäule
situationsgerecht lagern
Wärmeerhalt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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5. Chirurgische Notfälle
Störungen und Gefahren bei Beckenverletzungen
Sie stellen eine massive Verletzung dar, bei der durch die
mögliche Schädigung großer Blutgefäße stets mit lebensbedrohlichen Komplikationen zu rechnen ist.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
bei Beckenverletzungen
Kennzeichen für eine Beckenverletzung kann der Unfallhergang
sein, besonders wenn es zu Kompressionen des Beckenbereiches
gekommen ist und Kennzeichen einer Fraktur, Instabilität des
Beckens, leichte Blutungen aus der Harnröhre oder Abgang von
blutigem Urin oder akuter Harnverhalt auftreten. Innerhalb kurzer
Zeit kann es zu einem schweren Volumenmangelschock kommen.
Maßnahmen bei Beckenverletzungen
Die Versorgung von Wirbelsäulen- und Beckenverletzungen sind
nahezu gleich. Verletzungen in diesem Bereich erfordern immer
den Einsatz eines Notarztes. Nach dem Ganzkörpercheck wird
der Verletze nach Möglichkeit mit einer Schaufeltrage (alternativ durch vier Helfer) auf eine Vakuummatratze übergehoben.
Patienten mit dem Verdacht auf eine Beckenfraktur müssen so
schnell wie möglich in die nächste geeignete Klinik gebracht
werden!
Weitere Maßnahmen der Schockbekämpfung sowie Überwachung der Vitalfunktionen müssen durchgeführt werden.
Überblick über die Maßnahmen bei Beckenverletzungen
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen
situationsgerecht lagern
Wärmeerhalt
zügiger Transport in eine geeignete Klinik
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Überblick über das Erscheinungsbild
bei Beckenverletzungen
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Unfallhergang
Schmerzen im Bereich des Beckens
Gefühlsstörungen, Bewegungsunfähigkeit
(Lähmungen) in den Beinen
evtl. blutiger Urin
Volumenmangelschock
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5. Chirurgische Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Ein Skifahrer ist bei der Abfahrt von der Piste abgekommen
und gegen einen Baum geprallt. Bei eurem Eintreffen gibt
der ca. 25-jährige Skifahrer stärkste Schmerzen im Beckenbereich an. Bei näherer Untersuchung stellt ihr fest, dass der
Verletzte blutig eingenässt hat.
1. Mit welchen Gefahren muss bei einer Beckenverletzung
gerechnet werden?
2. Ein Eiskletterer ist aus ca. 12 Metern abgestürzt und mit dem
Gesäß aufgekommen. Er hat stärkste Schmerzen im Bereich
der Lendenwirbel und kann die Beine nicht bewegen.
3. An was erkennt ihr eine Beckenverletzung?
3. Ihr werdet von der RLST zu einem abgestürzten Gleitschirmflieger alarmiert. Dieser befindet sich sechs Meter über den
Boden in den Ästen eines Baumes. Das Gelände ist steil, ein
Hubschrauber steht nicht zur Verfügung. Auf Zuruf gibt
der Verletze an, dass er mit dem Rücken gegen den Baum
geprallt ist und seitdem verspürt er ein Kribbeln und Taubheitsgefühl in den Beinen.
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2007
Grundausbildung || Notfallmedizin
2. Mit welchen Spätschäden muss bei einer Wirbelsäulenverletzung bzw. Beckenverletzung gerechnet werden?
4. Warum unterkühlen Becken- und Wirbelsäulenverletzte
sehr schnell?
5. Welche Gefahren bestehen bei einer Verletzung der
Halswirbelsäule?
100
5. Chirurgische Notfälle
5.7 Starke Blutungen
Störung und Gefahren
Ab einem Blutverlust von ca. 20 % (ca. 1 Liter bei einem Erwachsenen) der Gesamtblutmenge kann sich ein Volumenmangelschock entwickeln. Bei Kindern und vor allem bei Kleinkindern
besteht diese Gefahr wegen der im Verhältnis geringeren Blutmenge schon erheblich früher.
Überblick über das Erscheinungsbild
bei starken Blutungen
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Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Durch Verletzungen mit spitzen, scharfen oder stumpfen Gegenständen kann es zu starken Blutungen nach innen und/oder
nach außen kommen. Hellrotes Blut deutet meist auf eine
arterielle Blutung hin, dunkelrotes Blut lässt auf eine venöse
Blutung schließen. Oft hat sich eine Blutlache gebildet oder
auf der Kleidung des Betroffenen bildet sich ein schnell
größer werdender Blutfleck, evtl. tropft das Blut aus der
Kleidung heraus. Bei großen Schnitt- und Platzwunden sind oft
tiefere Gewebeschichten freigelegt. Eine weitere Erscheinungsform von Blutungen sind Krampfaderblutungen. Diese treten
überwiegend an den Beinen auf. Auch hier entstehen starke
venöse Blutungen mit der Gefahr eines sich entwickelnden
Volumenmangelschocks.
Grundausbildung
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sichtbare Blutungen, evtl. pulsierend
Schockanzeichen
klaffende Wunden, sichtbare Hautschäden
Teilamputationen, Ablederungen
Hämatome bei geschlossenen Blutungen
Krampfaderblutungen, häufig im Bereich
des Unterschenkels
101
5. Chirurgische Notfälle
Maßnahmen
Als erstes muss immer versucht werden, lebensbedrohliche
Blutungen zu stoppen. Dazu sollte das betroffene Körperteil
hochgelagert werden. Der Betroffene wird möglichst flach
gelagert. Die meisten Blutungen lassen sich mittels eines Druckverbandes stillen. Hier sollte darauf geachtet werden, dass der
Puls immer noch tastbar bleibt. Sollte dies nicht ausreichen,
muss die Blutung zusätzlich durch Druck auf die Wundauflagen
bekämpft werden. Reicht auch dies nicht aus, wird die zuführende Arterie abgedrückt (Innenseite Oberarm/Leiste). Sollte
diese Maßnahme ebenfalls keine Stillung der Blutung zur Folge
haben, muss abgebunden werden z.B. Blutdruckmanschette.
Fallbeispiele
Überblick über die Maßnahmen bei starken Blutungen
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Häufig kommt es zu einem Volumenmangelschock, der nach
Stillung der Blutung durch Hochlagerung der Beine und Wärmeerhaltung bekämpft werden muss. Die Vitalfunktionen müssen
ständig überwacht werden.
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen
betroffenes Körperteil möglichst hochlagern
zuführende Arterie abdrücken
Wundversorgung
ggf. Kompression mit Wundauflagen auf die Wunde
oder Druckverband
Wärmeerhalt
zügiger Transport in eine geeignete Klinik
lückenlose Überwachung und Dokumentation
1. Bei Forstarbeiten verletzt sich ein Arbeiter mit der Motorsäge
im Unterschenkelbereich. Dabei kommt es zu einer pulsierenden
Blutung im Bereich des Sprunggelenkes.
2. In einem Berggasthof stürzt eine Bedienung mit ihrem Tablett
und fällt mit der Hand in die Scherben. Es kommt zu einer
pulsierenden Blutung im Bereich des rechten Handgelenkes.
3. Ein Bergsteiger verletzt sich durch Steinschlag am Hals.
Es kommt zu einer starken venösen Blutung im Bereich des
linken Halsmuskels.
Übungsfragen
1. An welchen Stellen kann man Arterien abdrücken?
2. Welche Möglichkeiten von Druckverbänden gibt es?
3. Welche Maßnahme wird durchgeführt, wenn ein
Druckverband durchblutet?
4. Warum muss eine lebensbedrohliche Blutung sehr rasch
versorgt werden bevor andere Maßnahmen am Verletzten
durchgeführt werden?
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
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2007
102
5. Chirurgische Notfälle
5.8 Amputationsverletzungen
Störung und Gefahren
Durch massive Gewalteinwirkung von außen können unter anderem auch Extremitäten abgetrennt werden. In den meisten
Fällen betrifft ein solcher Vorfall die Finger (z.B. durch Kreissäge,
Kletterseile) oder die Zehen (z.B. durch Schneidewerkzeuge). In
wenigen Fällen ist auch eine Abtrennung des gesamten Armes
oder Beines möglich (z.B. durch Umlenkrolle des Liftes oder
durch eine Holzerbahn). Auch eine teilweise Abtrennung führt
bereits zu einer Minderversorgung des betroffenen Bereiches
mit Blut und somit eventuell zu einer dauerhaften Schädigung.
Bei der Abtrennung ganzer Gliedmaßen kann auch der Blutverlust lebensbedrohliche Folgen haben.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Bei Amputationsverletzungen kommt es häufig vor, dass die
betroffene Person gar nicht realisiert, dass ein Körperteil (z.B.
ein Fingerglied) abgetrennt ist. Es stellt sich dem Bergretter die
Situation dar, nicht nur den Betroffenen versorgen zu müssen,
sondern auch das abgetrennte Körperteil.
Überblick über das Erscheinungsbild bei
Amputationsverletzungen
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Fehlen eines Körperteils
Fehlstellung bei Teilamputation
sichtbare Knochensplitter
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Maßnahmen
Das Hauptaugenmerk muss auf den Betroffenen gerichtet werden,
bis dieser erstversorgt ist. Anschließend wird das Amputat
versorgt. Diese Aufgabe kann auch ein zweiter Bergretter übernehmen. Man sollte den Betroffenen hinlegen und die verletzte
Körperregion möglichst hochhalten. Bei starken Blutungen am
Arm kann die Oberarmarterie abgedrückt werden, bei starken
Blutungen am Bein die Arterie in der Leiste. Die Wunde wird
anschließend steril bedeckt und starke Blutungen mit einem
Druckverband versorgt. Der Betroffene sollte flach gelagert
bleiben. Bei Schockzeichen muss die Schocklage hergestellt
werden. Zur weiteren Schockbekämpfung zählen Wärmeerhaltung, psychische Betreuung und die Gabe von Sauerstoff.
Der Patient muss weiterhin engmaschig überwacht werden, da
der Schreck oftmals Anzeichen eines Schockes und Schmerzen
für eine kurze Zeit unterdrückt.
Die Leitstelle muss zeitnah informiert werden, um eine geeignete Klinik zur weiteren Versorgung organisieren zu können.
Versorgung des abgetrennten Körperteils (Amputat)
Das abgetrennte Körperteil muss steril eingewickelt werden
(z.B. mit einer großen Kompresse). Auf keinen Fall sollte es
gereinigt oder abgewaschen werden. Das eingewickelte Amputat
muss dann in eine wasserdichte Plastiktüte gegeben werden.
Diese wird in einen zweiten Plastikbeutel eingeführt, der soweit
mit einem Wasser-Eis-Gemisch gefüllt wird, bis das Amputat
komplett von der Flüssigkeit umgeben ist. Idealerweise vewendet man spezielle Replantatbeutel, die eine optimale Lagerung
garantieren. Die Kühlung verlängert die Zeitspanne in der
das Amputat erfolgreich wieder replantiert werden kann (bei
Fingern z.B. bis zu 24 Stunden).
Auf keinen Fall darf das Amputat direkt mit Eis in Kontakt
kommen und gefrieren.
Das Amputat sollte immer mit dem Patienten das Krankenhaus
erreichen (alle Amputate oder abgetrennte Gewebeteile können
u. U. bei der Replantation als hilfreiche Ergänzung eingesetzt
werden).
Eine Besonderheit stellen ausgeschlagene Zähne und Knochensplitter dar. Diese müssen in ihrer sterilen Umhüllung befeuchtet
werden, z.B. mit steriler Infusionslösung übergießen, oder in
einer Spritze mit Infusionslösung, da sie sonst austrocknen und
nicht mehr verwendbar sind.
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5. Chirurgische Notfälle
Überblick über die Maßnahmen bei Amputationsverletzungen
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen je nach Verletzungsschwere / Situation
Patienten flach lagern
betroffenes Körperteil möglichst hochhalten,
ggf. abdrücken
Wunde steril bedecken und Verband anlegen,
ggf. Druckverband
Sauerstoffgabe
Sicherstellung und Versorgung des Amputats
Wärmeerhalt
Lagemeldung an Leitstelle (geeignete Klinik!)
gleichzeitiger Transport von Patient und Amputat
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Fallbeispiele
1. Ihr werdet zur örtlichen Seilbahn gerufen. Es handelt sich
um einen Arbeitsunfall während der laufenden Revisionsarbeiten an der Bergstation. Ihr findet einen ca. 30-jährigen
Mann vor, der den rechten Unterarm in ein Tuch gewickelt hat.
Ein Kollege zeigt Euch die abgetrennte Hand.
2. Ihr werdet in ein Klettergebiet gerufen, in dem sich ein
Kletterunfall ereignet hat. Ihr findet eine junge Frau vor,
die beim Abseilen mit dem Zeigefinger in den Abseilachter
gekommen ist und sich diesen abgetrennt hat. Der Zeigefinger
ist jedoch noch nicht gefunden worden.
Grundausbildung
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Äußerer Plastikbeutel
(1/2 Wasser, 1/2 Eis)
Innerer
Plastikbeutel
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3. Ihr werdet zu einem Skiunfall an der Talstation gerufen. Vor
Ort findet ihr einen ca. 13-jährigen Schüler, dessen rechtes
Ohr bzw. Schädelhälfte mit einem Schal komprimiert wird.
Ein Teil des Ohres ist durch die scharfen Skikanten eines anderen
Schülers abgetrennt worden. Das abgetrennte Stück Ohr hat
ein weiterer Schüler in ein sauberes Stofftaschentuch gewickelt. Der verletzte Schüler zeigt deutliche Schockanzeichen.
Amputat
(in Kompresse
eingeschlagen)
Übungsfragen
1. Welche Unterschiede gibt es in der Versorgung zwischen
einem abgetrennten Finger und einem ausgeschlagenen Zahn (komplett mit Wurzel)?
2. Worauf müsst ihr bei der Kühlung eines abgetrennten
Körperteiles achten?
3. Was könnt ihr tun, wenn kein Eis oder Eiswürfel zur
Verfügung stehen?
4. Wie lange kann ein abgetrenntes Körperteil ordnungsgemäß
gelagert werden, ehe es wieder angenäht (replantiert)
werden kann?
5. Was ist bei der Versorgung eines Amputats zu beachten,
wenn dieses verschmutzt ist?
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5. Chirurgische Notfälle
5.9 Fremdkörperverletzung,
Pfählungsverletzung
Störung und Gefahren
Durch massive Gewalteinwirkung können spitze oder stumpfe
Gegenständen in den Körperstamm oder in Extremitäten eindringen oder sie durchstoßen. Dabei können Gefäße, Nerven
oder auch Organe lebensgefährlich verletzt werden. Würde
man am Unfallort diese Fremdkörper entfernen, können weitere
Verletzungen entstehen. Große Schwierigkeiten können sich in
Einzelfällen bei der Stillung von starken Blutungen ergeben.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Zu Pfählungsverletzungen kann es kommen, wenn der beschleunigte menschliche Körper in spitze oder stumpfe Gegenstände
stürzt oder geschleudert wird (z.B. Skifahrer stürzt in Skistock),
oder indem beschleunigte Gegenstände in den Körper eindringen
(z.B. Nagelschussapparat). In Einzelfällen müssen Anlagen oder
Gegenstände abgebaut oder abgetrennt werden, damit der
Betroffene gerettet werden kann.
...geiil !
...geiil!
Maßnahmen
An erster Stelle muss die Stillung der ggf. lebensbedrohlichen
Blutungen erreicht werden. Unter Umständen muss der
Betroffene aus der bedrohlichen Lage (z. B. aufgespießt
im Jägerzaun) befreit werden (u. U. technische Hilfe anfordern,
z.B. Feuerwehr, THW). Offene Verletzungen müssen steril
abgedeckt oder verbunden werden. Fremdkörper möglichst
großzügig abpolstern. Fremdkörper dürfen auf keinen Fall entfernt werden! Schockbekämpfung und Wärmeerhaltung sollten
so früh wie möglich durchgeführt werden (frühzeitige Sauerstoffgabe, Schocklage!).
Überblick über die Maßnahmen bei Fremdkörperverletzung, Pfählungsverletzung
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Überblick über das Erscheinungsbild bei
Fremdkörperverletzung, Pfählungsverletzung
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starke Schmerzen
Schock durch lebensbedrohliche Blutungen
Bewegungseinschränkung, evtl. Ausfallerscheinungen
der betroffenen Körperregion
Atemnot, Atemstillstand (bei Brustkorbverletzungen)
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen
Stillung lebensbedrohlicher Blutungen
Wundversorgung
Fremdkörper nicht entfernen
Sauerstoffgabe
Wärmeerhalt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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5. Chirurgische Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Ihr werdet am Abend auf eine Skipiste gerufen. Ein älterer
Skifahrer ist bei seiner nächtlichen Talfahrt gestürzt und hat
sich dabei den abgebrochenen Skistock durch den Oberschenkel gestoßen. Der Skistock schaut auf beiden Seiten ca. 20 cm
heraus. Wie geht ihr medizinisch und einsatztaktisch vor?
1. Wie versorgt ihr eine Fremdkörperverletzung durch ein
Eisgerät, welches im Oberschenkel eingedrungen ist?
2. Ein Radfahrer ist auf einer Forststraße vom Fahrrad gefallen
und in einen abgebrochen Ast gestürzt. Der Fahrradfahrer
wurde am Unterbauch aufgespießt. Der Ast befindet sich
noch in der Wunde. Es liegt nur eine leichte Blutung vor. Der
Radfahrer ist wach und ansprechbar. Wie geht ihr medizinisch und einsatztaktisch vor?
3. Welche Möglichkeiten der Blutstillung im Bereich der
Extremitäten kennt ihr?
3. Ihr werdet zu einer Hüttenbaustelle gerufen. Dort hat sich
ein Handwerker mit einem Nagelschussapparat einen Nagel
durch die linke Hand geschossen. Die Wunde blutet nur sehr
gering. Der Handwerker will den Nagel möglichst schnell
entfernen. Wie versorgt ihr den Betroffenen?
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
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2007
2. Mit welchen Gefahren und Spätschäden muss bei
Pfählungsverletzungen gerechnet werden?
4. Welche Maßnahmen zur Stabilisierung von eingedrungenen
Fremdkörpern kennt ihr?
5. Warum darf ein eingedrungener Fremdkörper nicht
entfernt werden?
106
5. Chirurgische Notfälle
5.10 Mehrfachverletzung (Polytrauma)
Definition
Bei Patienten mit Mehrfachverletzungen (Polytraumata) führen
entstandene Verletzungen in verschiedenen Körperregionen zu
akuten Störungen der Vitalfunktionen, wobei von mindestens
einer Verletzung oder aus der Kombination der verschiedenen
Verletzungen akute Lebensgefahr ausgeht (sog. Polytrauma).
Überblick über das Erscheinungsbild bei
Mehrfachverletzungen
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Störung und Gefahren
Mehrfachverletzte sind erheblich stärker gefährdet als Patienten, die
eine einzelne lebensbedrohliche Verletzung haben. Mehrere Einzelverletzungen können sich in ihrer störenden Wirkung auf den
Gesamtorganismus gegenseitig verstärken. Bei einem Polytrauma
sind die Vitalfunktionen durch die Verletzungen z.B. der Lungen
(Thorax- Trauma) oder des Gehirns (Schädel-Hirn-Trauma) gestört.
Zusätzlich kann sich aufgrund von Bauch- oder Extremitäten
Verletzungen und den damit verbundenen Blutungen ein lebensbedrohlicher Schock entwickeln.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Der Unfallhergang lässt Rückschlüsse auf das Verletzungsmuster
zu und ist damit für die weitere Versorgung des Patienten entscheidend. Durch die Schwere der Verletzungen können die Vitalfunktionen gestört oder ausgefallen sein. Häufig sind Verletzungen
am Körperstamm oder an den Extremitäten erkennbar, weitere
Verletzungen lassen sich oft erst nach einer gründlichen Erstuntersuchung erkennen. Aufgrund der Schwere und Vielzahl der
Verletzungen kann innerhalb kurzer Zeit ein lebensbedrohlicher
Zustand eintreten.
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
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2007
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Unfallhergang
sichtbare Verletzungen
akute Störung der Vitalfunktionen
(z.B. Schock, Atemstörung)
innere Verletzungen (Ganzkörpercheck!)
sich rasch verschlechternder Allgemeinzustand
Überblick über die Maßnahmen bei
Mehrfachverletzungen
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Maßnahmen
Die Beachtung des Eigenschutzes steht an erster Stelle. Ggf.
muss eine Rettung aus der Gefahrenzone (Steinschlag) erfolgen,
um den Betroffenen an einem sicheren Ort weiter versorgen zu
können. Als erstes werden die Vitalfunktionen überprüft.
Die Stabilisierung der Vitalfunktionen, hat absoluten
Vorrang vor der Behandlung einzelner Verletzungen!
Ein Notarzt muss möglichst früh hinzugezogen werden. Informationen über den Unfallhergang müssen dem Notarzt mitgeteilt
werden, damit er auf das Verletzungsmuster schließen kann.
Sind die Vitalfunktionen gesichert, erfolgt ein Ganzkörpercheck,
um die Reihenfolge des weiteren Vorgehens festzulegen. Eine
grundlegende Versorgung von Mehrfachverletzten erfolgt immer
mit HWS-Schiene und Vakuummatratze, um den Verletzten
schonend und fachgerecht lagern zu können. Die weitere
Versorgung richtet sich nach der Schwere der Verletzungen
bzw. dem Verletzungsmuster. Es muss ein rascher Transport in
ein geeignetes Krankenhaus erfolgen.
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ABC-Sicherung
ggf. starke Blutungen stillen
Notarzt rufen
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Ganzkörpercheck
Sauerstoffgabe
Wundversorgung
Lagerung mit HWS-Schiene und Vakuummatratze
Wärmeerhalt
zügiger Transport in eine geeignete Klinik
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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5. Chirurgische Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Ihr beobachtet den Absturz eines Gleitschirms von eurer
Vorauseinsatzwache aus. Nach ca. 30 Minuten Suche findet
ihr den bewusstlosen Piloten mit einer offenen Unterschenkelfraktur und mit einer leichten Blutung aus dem linken Ohr
vor. Wie geht ihr hierbei vor?
1. Was ist ein Polytrauma?
2. Ihr werdet mit mehreren Bereitschaften zu einer abgestürzten
Gondel gerufen. Es ist nicht ganz klar, wie viele Verletzte es
gegeben hat und ein Hubschrauber kann wegen Nebels
nicht kommen. Ihr seid die Ersten, die die Einsatzstelle
erreichen. Ihr findet drei ansprechbare Patienten und zwei
Bewusstlose vor. Ihr habt nur Euer Sanitätsmaterial dabei
und keinen Notfallrucksack. Was macht ihr?
2. Was sind bedrohliche Gefahren bei einem Polytrauma?
3. Was ist der Standard bei der Versorgung von
Mehrfachverletzten?
4. Welche Verletzung muss zuerst bei einem Polytrauma
versorgt werden?
5. Warum ist es erforderlich, Mehrfachverletzte zügig in
ein geeignetes Krankenhaus zu transportieren?
3. An einem schönen Sommernachmittag werdet ihr zu einem
gestürzten Mountainbike-Fahrer gerufen. Der Rettungshubschrauber ist ebenfalls unterwegs. Die Unfallstelle befindet
sich auf einer Forststraße in einem dichten Waldstück. Der
Verletzte ist ansprechbar und klagt über Atemnot und Schmerzen im linken Thoraxbereich sowie über starke Schmerzen im
rechten Oberschenkel.
Grundausbildung
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6. Thermische Notfälle
Fachbereich:
Ausbildungsstufe:
Stand:
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Notfallmedizin
Grundausbildung
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6. Thermische Notfälle
6.1 Unterkühlung
Störung und Gefahren
Der menschliche Organismus besitzt die Fähigkeit, seine
Körpertemperatur auch bei großen Unterschieden zur Umgebungstemperatur, konstant bei einem Normalwert von ca. 37
Grad Celsius zu halten. Bei einem Abfall der Körperkerntemperatur (KKT) unter 35°C spricht man von einer allgemeinen Unterkühlung (Hypothermie).
Die Körperschale (Extremitäten) ist üblicherweise kühler als der
Körperkern. Die Temperatur des Körperkerns wird möglichst
lange konstant gehalten. Im Körperkern liegen die lebensnotwendigen Organe, die zusammen mit der Skelettmuskulatur für
die Wärmeproduktion verantwortlich sind. In der Körperschale
findet die Temperaturabgabe an die Umgebung statt.
Die gewichtsbezogene Körperoberfläche ist bei Säuglingen/
Kleinkindern größer als bei Erwachsenen, daher ist hier das
Unterkühlungsrisiko erhöht.
Eine Unterkühlung entsteht, wenn die Wärmeabgabe des
Körpers über einen längeren Zeitraum größer ist als die
Wärmeproduktion.
Mögliche Ursachen sind Bewegungseinschränkungen aufgrund
von Verletzung oder Erkrankung, unzureichende Kleidung,
Erschöpfung, mangelnde Energie- und Flüssigkeitszufuhr, Sturz
in kaltes Wasser oder ein Lawinenunfall. Äußere Einflüsse wie
Temperatur, Wind und Niederschlag haben ebenso Einfluss auf
die Auskühlungsgeschwindigkeit (sog. Windchill-Effekt). Die
Hilfeleistung orientiert sich am jeweiligen Unterkühlungsstadium, in dem der Betroffene sich befindet.
Dabei ist besonderes Augenmerk auf Begleitverletzungen,
wie z.B. Erfrierungen, zu legen!
Beim aktiven und passiven Bewegen unterkühlter Patienten
kann es zur Durchmischung von kaltem Schalenblut mit warmem Kernblut kommen. Dies führt zu einem weiteren Abfall
der Körperkerntemperatur mit den entsprechenden Folgen
(Bewusstlosigkeit, Herz-Kreislauf-Stillstand). Diesen Vorgang
nennt man „after-drop“.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Die Unterkühlungsstadien kann man in 4 verschiedene Stadien
unterteilen. Die hier verwendete Zuordnung von Stadien zur
Körperkerntemperatur wurde von der IKAR (Internationale
Kommission für Alpines Rettungswesen) definiert.
Grundausbildung
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2007
35°
37°
34°
36°
30°
28°
34°
26°
28°
20°
28°
Normale Verteilung
Verteilung bei
maximaler Zentralisation
1. Stadium: leichte Unterkühlung
(Hypothermie Grad I) 35-32°C KKT
Die Körpertemperatur ist noch nicht unter 32 Grad abgesunken.
Der Körper versucht einer allgemeinen Unterkühlung dadurch
zu begegnen, dass er vermehrt Wärme produziert (u.a. durch
Kältezittern). Gleichzeitig wird durch verminderte Durchblutung
der Körperoberfläche (Arme, Beine, Haut) die Wärmeabgabe
verringert. Die Haut ist blass und kalt. Betroffene klagen über
Schmerzen vornehmlich an Händen, Füßen und Knien. Atmung
und Kreislauf sind zunächst gesteigert.
110
6. Thermische Notfälle
2. Stadium: mittelschwere Unterkühlung
(Hypothermie Grad II) 32-28°C KKT
Die Körperkerntemperatur ist unter 32 Grad abgesunken.
Der Betroffene atmet langsamer, die Pulsfrequenz und der
Blutdruck sinken. Das Kältezittern ist beendet. Der Betroffene
wird zunehmend bewusstseinsgetrübt. Das Schmerzempfinden lässt nach.
3. Stadium: schwere Unterkühlung
(Hypothermie Grad III) 28-24°C KKT
Der Betroffene ist bewusstlos, die Atmung ist flach und langsam, Puls und Blutdruck langsam und niedrig. Das Schmerzempfinden ist nur noch schwach vorhanden. Im weiteren
Verlauf können Atem- und Kreislaufstillstand eintreten.
4. Stadium: sehr schwere Unterkühlung
(Hypothermie Grad IV) unter 24°C KKT
Der Betroffene ist bewusstlos, Atmung ist nicht mehr
feststellbar, ein Puls kann nicht mehr getastet werden.
Die Muskelspannung kann erhöht oder schlaff sein. Die tiefste
bisher überlebte Temperatur war 13,7°C KKT.
Maßnahmen 1. Stadium: leichte Unterkühlung
Herstellen windgeschützter Verhältnisse. Bei leicht unterkühlten, unverletzten Patienten sollten nasse Kleider entfernt
und trockene Bekleidung angezogen werden. Zufuhr von
heißen, gezuckerten Getränken und eine zusätzliche Isolation
durch Rettungsdecke, Biwaksack und Wolldecken können sehr
hilfreich sein. Unverletzte Personen, die sich problemlos aufwärmen lassen, müssen nicht in jedem Fall in ein Krankenhaus
eingewiesen werden. Bei verletzten, unterkühlten Personen
sollen nasse Kleidungsstücke soweit möglich gewechselt werden.
Ein weiteres Auskühlen verhindert man mit Wärmebeuteln und
Isolation durch Rettungsdecke, Decken und Vakuummatratze.
Unterkühlte Patienten mit Verletzungen werden immer in ein
Krankenhaus eingewiesen.
1. Stadium: leichte Unterkühlung
(Hpothermie Grad I) 35-32°C KKT
Maßnahmen 2. Stadium: mittelschwere Unterkühlung
Herstellen windgeschützter Verhältnisse, vorsichtiges
Entfernen nasser Kleidung und die Anlage einer Wärmepackung sind die entscheidenden Maßnahmen bei diesen
Patienten.
Ist der Patient noch ausreichend ansprechbar können heiße
gezuckerte Getränke zugeführt werden. Diese Patienten intensiv
überwachen! Jede unnötige Bewegung soll vermieden
werden. Alle Patienten müssen in ein Krankenhaus mit
Intensivstation.
2. Stadium: mittelschwere Unterkühlung
(Hypothermie Grad II) 32-28°C KKT
Überblick über das Erscheinungsbild
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Überblick über das Erscheinungsbild
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ansprechbar
Kältezittern
kalte Extremitäten
Überblick über die Maßnahmen
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5. Stadium: Tod (Hypothermie Grad V)
Überblick über die Maßnahmen
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Wärmeerhalt
heiße, gezuckerte Getränke zuführen
lückenlose Überwachung und Dokumentation
zunehmende Bewusstseinstrübung
kalte Extremitäten
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen
Wärmeerhalt
nicht unnötig bewegen
wenn möglich heiße, gezuckerte Getränke zuführen
schonender Transport
lückenlose Überwachung und Dokumentation
111
6. Thermische Notfälle
Maßnahmen 3. Stadium: schwere Unterkühlung
(Hypothermie Grad III) 28-24°C KKT
Diese Patienten müssen intensiv überwacht werden, jede
Bewegung sollte vermieden werden. Bei erhaltenem Kreislauf
wird eine Wärmepackung angelegt. Alle Patienten bekommen
Sauerstoff. Bewusstlose Patienten werden in stabile Seitenlage
gebracht. Diese Patienten sollten in ein geeignetes Krankenhaus geflogen werden (Abklärung über RLST).
Maßnahmen 4. Stadium: sehr schwere Unterkühlung
(Hypothermie Grad IV) unter 24°C KKT
Bei diesen Patienten sollte unverzüglich mit den Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen werden. Eine aktive Wärmezufuhr ist hier nicht mehr sinnvoll, die weitere Auskühlung
sollte aber unter allen Umständen vermieden werden. Diese
Patienten müssen in eine Klinik mit Herz-Lungen-Maschine
geflogen werden. Die Reanimation wird solange fortgeführt,
bis der Patient wieder auf normale KKT erwärmt ist.
3. Stadium: schwere Unterkühlung
(Hypothermie Grad III) 28-24°C KKT
4. Stadium: sehr schwere Unterkühlung
(Hypothermie Grad IV) unter 24°C KKT
Überblick über das Erscheinungsbild
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Bewusstlosigkeit
kalte Extremitäten
Überblick über die Maßnahmen
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Notarzt rufen
Wärmeerhalt
nicht unnötig bewegen
schonender Transport
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Überblick über das Erscheinungsbild
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Überblick über die Maßnahmen
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Kreislaufstillstand
kalte Extremitäten, kalter Körperstamm
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Notarzt rufen
Herz- Lungen-Wiederbelebung
nicht unnötig bewegen
Wärmeerhalt
Transport in eine Klinik mit Herz-Lungen-Maschine
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Als Grundregeln bei der Versorgung gelten:
Niemand ist tot, es sei denn er ist warm und tot!
Jeder bewusstseinsgetrübte Patient ist vital gefährdet.
Der Wärmeerhaltung kommt bei den Maßnahmen eine
entscheidende Bedeutung zu. Einfache Maßnahmen wie
das Herstellen windstiller Verhältnisse und das Entfernen
nasser Kleidung, verzögern die weitere Auskühlung
erheblich. Eine isolierende Kopfbedeckung (Mütze) verhindert eine Wärmeabgabe über den Kopf. Mit chemischen
Wärmebeuteln, die an den Körperstamm gelegt werden,
kann die Auskühlung weiter verlangsamt werden.
Den besten Effekt erzielt man, indem Wärmebeutel an
den Körperstamm gelegt werden und der Patient in
Decken oder Schlafsack und einen Wärmesack gehüllt
wird. Die Decken sollen möglichst eng anliegen und
dicht abschließen.
112
6. Thermische Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Ihr findet im Rahmen einer groß angelegten Vermisstensuche einen seit zwei Tagen vermissten ca. 75-jährigen Mann
in einem Bergwald vor. Der Betroffene ist leicht bekleidet,
blass und nur bedingt ansprechbar.
1. Was sind die wesentlichen Unterschiede der einzelnen
Unterkühlungsstadien?
2. Ihr werdet zu einem Lawinenabgang gerufen. Ihr findet
einen bewusstlosen Skitourengeher noch in der Lawine vor.
Eine Atemhöhle ist vorhanden. Die Atmung des Sportlers ist
sehr verlangsamt.
3. Ihr werdet mit eurer Bereitschaft zu einem Canyoning-Unfall
gerufen. Der Betroffene macht einen leblosen Eindruck und
befindet sich noch im Wasser. Angehörige berichten, dass er
seit ca. 20 Minuten im Wasser ist und sie nicht in der Lage
waren, ihn zu retten.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
2. Wie ist die Wärmepackung zu verwenden und welchen
Vorteil bringt sie?
3. Warum darf bei Unterkühlungen in der Erstversorgung
kein Alkohol gegeben werden?
4. Warum und wann werden heiße gezuckerte Getränke
bei einer Unterkühlung gegeben?
5. Wie lange würdet ihr einen Betroffenen mit einem
Herz-Kreislauf-Stillstand reanimieren?
113
6. Thermische Notfälle
6.2 Erfrierungen
Störung und Gefahren
Erfrierungen sind örtliche Schädigungen des Gewebes durch
Kälteeinwirkung. Dabei werden die betroffenen Regionen
unzureichend durchblutet. Eine örtliche Erfrierung kann bereits
bei Temperaturen unter +6°C entstehen. Infolge der Kälteeinwirkung kommt es zu einer Engstellung der Gefäße an den
körperfernen Stellen, wie Finger, Zehen, Nasenspitze, Ohren
und Wangen. Sie werden begünstigt durch zu enge Kleidung
und Schuhwerk, körperliche Erschöpfung, Rauchen, Verletzungen
(Schonhaltung) und großen Flüssigkeitsverlust. Dabei verlangsamt sich durch Verengung der Blutgefäße die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes in den Endgefäßen. Es kommt
zur Verklumpung von roten Blutkörperchen und Blutplättchen.
Einen wesentlichen Einfluss auf das Auftreten von Erfrierungen
haben die Umgebungstemperatur und die Windgeschwindigkeit. Man spricht hier von der hautwirksamen Temperatur in
Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit.
Häufig haben Patienten mit einer lokalen Erfrierung eine Unterkühlung. Diese muss dann vorrangig behandelt werden.
Wenn erfrorene Extremitäten wieder erwärmt werden, kommt
es durch Flüssigkeitsansammlung zur Anschwellung von Zellen.
Frieren diese Zellen nun ein zweites mal innerhalb kurzer Zeit
ein, kommt es durch Kristallbildung zur Zerstörung der Zellen
und damit unter Umständen zum Verlust einer ganzen Extremität.
Deshalb muss unter allen Umständen ein erneutes Abkühlen
verhindert werden.
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
12//2007
2007
Windegeschwindigkeit Entsprechender Abkühleffekt
auf der ungeschützten Haut bei Windstille (Temperatur °C)
in m/Sek. (km/h)
Windstille
10
5
0
-5
-10
-15
-20
-25
-30
-35
Schwacher Wind
1,5 - 3,5 (6,4 - 12,6)
8
3
-4
-14
-20
-23
-26
-28
-33
-38
Mäßiger Wind
3,5 - 8 (12,6 - 28,8)
4
-2
-10
-21
-25
-32
-38
-45
-52
-55
Frischer Wind
8 - 14
(28,8 - 50,4)
0
-7
-15
-25
-28
-36
-48
-56
-63
-66
Starker Wind
-3
14 - 21 (50,4 - 75,6)
-11
-18
-27
-33
-39
-51
-57
-65
-73
Stürmischer Wind
-4
21 - 25 (75,6 - 90,0)
-12
-19
-28
-36
-43
-52
-60
-68
-76
Hohe Gefahr
von Frostschäden
Sehr hohe Gefahr
von Frostschäden
114
6. Thermische Notfälle
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Bei der Erstversorgung einer Erfrierung sind nur die Frühschäden
zu erkennen. Diese sind häufig an Fingern, Zehen, Nase, Ohren
und im Gesichtsbereich erkennbar. Durch den fließenden zeitlichen
Verlauf einer örtlichen Erfrierung ist es am Unfallort kaum möglich,
zwischen den einzelnen Schweregraden eine Unterscheidung
zu treffen.
1. Grad
Es sind weiße, kalte, gefühllose Körperteile in den ersten
24 Stunden zu erkennen. Es können Schmerzen in den Randbereichen auftreten.
2. Grad
Es kann nach Tagen eine Blasenbildung hinzukommen, die in
der leichteren Form klar bleiben, in der schwereren Form aber
mit Blut gefüllt sind.
Maßnahmen im Gelände
Als erstes muss man abklären, ob zusätzlich eine Unterkühlung
vorliegt. Diese muss vorrangig behandelt werden, da sie für den
Patienten lebensbedrohlich sein kann. Der Betroffene soll
möglichst frühzeitig heiße, gezuckerte Getränke bekommen,
um zentral aufgewärmt zu werden. Keinen Alkohol verabreichen!
Die erfrorenen Körperteile sollen möglichst schnell durch die
eigene Körperwärme wieder erwärmt werden. Ein erneutes Abkühlen der betroffenen Körperteile ist in jedem Fall zu verhindern.
Maßnahmen im Gelände Überblick bei Erfrierungen
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3. Grad
Es kann sich innerhalb von Tagen bis Wochen nach dem
Erwärmen totes, schwarzes Gewebe (Nekrosen) abgrenzen.
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Überblick über das Erscheinungsbild bei Erfrierungen
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weiße, kalte und gefühllose Körperteile
(z.B. Finger, Zehen, Nase)
Blasenbildung (evtl. erst nach Tagen)
totes, schwarzes Gewebe (erst nach Tagen bis Wochen)
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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windgeschützte Umgebung schaffen
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen je nach Verletzungsschwere/Situation
Unterkühlung vorrangig versorgen
heiße, gezuckerte Getränke (kein Alkohol)
Wärmeerhalt, ggf. Wärmepackung
Erwärmen der erfrorenen Körperteile durch Körperwärme (z.B. unter den Achseln)
keine Salben, kein Einreiben mit Schnee, nicht massieren!
sterile, lockere Verbände, wobei das erneute Abkühlen
der betr. Körperteile ausgeschlossen werden muss
betroffene Körperteile druckfrei lagern
liegt keine Unterkühlung vor, soll der Betroffene
die Körperteile aktiv bewegen
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Die betroffenen Körperteile müssen mit sterilen lockeren Verbänden
versorgt werden (Ausnahme Gesicht). Ebenso sollten sie druckfrei
gelagert und abgepolstert werden. Es dürfen keine Salben aufgetragen werden, auch nicht mit Schnee abreiben oder massieren!
Liegt keine Unterkühlung vor, soll der Betroffene die Körperteile
aktiv bewegen.
Maßnahmen in warmer Umgebung
Dem Betroffenen heiße, gezuckerte Getränke verabreichen. Für
die geschädigten Körperteile ist schnelles Erwärmen im Wasserbad (außer im Gesicht) die beste Möglichkeit. Dies scheitert
aber oft an unerträglichen Schmerzen. Als praktikabel hat sich
erwiesen, mit niedriger Wassertemperatur zu beginnen und nur
soviel warmes Wasser dazuzugeben, wie der Betroffene gerade
noch aushält. Hat der Verletzte selbst Schmerzmittel dabei, kann
er diese vorher einnehmen (z.B. ASS, Ibuprofen usw.). Sollte der
Betroffene bereits Erfrierungsblasen haben, so werden diese
nicht geöffnet.
Spezielle Maßnahmen in warmer Umgebung
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warme Raumtemperatur
heiße, gezuckerte Getränke (kein Alkohol)
Erwärmung des Körperteils in einem körperwarmem Wasserbad
Blasen nicht öffnen
sterile, druckfreie Verbände
ggf. Schmerzmittelgabe
115
6. Thermische Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Im Rahmen einer Vermisstensuche wird eine verwirrte ca.
80-jährige Frau in einem verschneiten Waldgebiet aufgefunden.
Sie muss dort mehrere Stunden in Sandalen statt festem
Schuhwerk umhergeirrt sein. Bei einer näheren Untersuchung stellt ihr fest, dass die Zehen und Finger blass verfärbt
und steif sind.
1. Warum dürfen Erfrierungen nicht massiert, mit Schnee
abgerieben oder mit Salben behandelt werden?
2. An einem Wintertag bricht ein Schneesturm los und ihr
werdet zu einer Suche nach einem vermissten Skitourengeher alarmiert. Nach einigen Stunden wird der Betroffene
gefunden. Bei der näheren Erstuntersuchung stellt ihr fest,
dass der Betroffene keine Handschuhe mehr trägt und die
Finger kalt und gefühllos sind.
2. Darf ein Betroffener mit Erfrierungen sich aktiv bewegen,
wenn gleichzeitig eine Unterkühlung vorliegt?
3. Von welchen Faktoren ist es abhängig, ob eine
Erfrierung auftritt?
4. Warum dürfen Blasen einer Erfrierung nicht am Einsatzort
geöffnet werden, um Druckschmerzen zu entlasten?
3. Ihr werdet von der Leitstelle zu einem verunfallten Skilangläufer gerufen. Da kein Flugwetter herrscht, braucht ihr
ca. 1 Stunde bis zur Unfallstelle. Dort findet ihr einen ca.
45-jährigen Mann vor, der von der Loipe abgekommen und
in ein Bachbett gestürzt ist. Der rechte Unterschenkel befindet
sich in einer abnormen Lage. Der Betroffene klagt über
stärkste Schmerzen in den Zehen und den Fingern, die
bläulich blass sind. Weiterhin zeigt der Verletzte nur ein
geringes Kältezittern und wird zunehmend schläfrig.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
116
6. Thermische Notfälle
6.3 Sonnenstich
Störung und Gefahren
Der Sonnenstich unterscheidet sich von den anderen Hitzeschäden dadurch, dass nicht der gesamte Körper, sondern
zunächst nur der Kopf betroffen ist. Wenn die UV-Strahlen der
Sonne lange Zeit auf den unbedeckten Kopf oder Nacken einwirken, kann eine Reizung der Hirnhäute hervorgerufen werden.
Es kommt zum Anschwellen des Gehirns und der Gehirnhäute.
Da eine Ausdehnung innerhalb des Schädels nicht möglich ist,
kommt es zu den entsprechenden Auswirkungen und Anzeichen, wie z.B. bei Schädelverletzungen. Besonders Personen
mit geringer Kopfbehaarung, Säuglinge und Kleinkinder sind
davon betroffen und gefährdet.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Die betroffenen Personen haben sich längere Zeit unter direkter
Sonneneinstrahlung aufgehalten. Infolge dessen kann es zu
stechenden Kopf- und Nackenschmerzen mit Schwindel, Übelkeit und Erbrechen kommen. Oft entwickelt sich eine Nackensteifigkeit aufgrund einer Reizung der Gehirnhäute . Die Körpertemperatur des Erkrankten liegt im normalen Bereich, jedoch
zeigt er häufig einen hochroten und heißen Kopf. In manchen
Fällen kommt es zu Sehstörungen, seltener zu Bewusstseinsstörungen und Krampfanfällen. Die Symptome können auch
mit einer Verzögerung von mehreren Stunden auftreten.
Maßnahmen
Der Betroffene muss in den Schatten gebracht werden bzw.
es wird Schatten vor Ort hergestellt.
Die Lagerung richtet sich nach der Bewusstseinslage, idealerweise aber mit erhöhtem Oberkörper.
Der Kopf sollte gekühlt werden. Dies kann durch Auflegen
feuchter Tücher auf die Stirn und den Nacken (Verdunstungskälte) oder durch Luftzirkulation geschehen. Die Vitalfunktionen müssen ständig überwacht und der Betroffene psychisch
betreut werden. Auch ist darauf zu achten, dass der Betroffene keiner Sonneneinstrahlung mehr ausgesetzt wird
(Rückfallgefahr). Der Erkrankte ist auf jeden Fall in eine Klinik
zu transportieren.
Überblick über die Maßnahmen bei Sonnenstich
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Überblick über das Erscheinungsbild bei Sonnenstich
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Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
12//2007
2007
Kopfschmerzen mit Schwindel, Ohrensausen
und evtl. Sehstörungen
hochroter, heißer Kopf bei normaler Körpertemperatur
Übelkeit und Erbrechen
Nackensteifigkeit- und schmerzen
Bewusstseinsstörung bis Bewusstlosigkeit
evtl. Krampfanfälle
Auftreten der Symptome bis zu 8 Stunden später
■
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
in schattige, kühle Umgebung bringen
bei Bewusstseinstörungen oder instabilem
Kreislauf Notarzt rufen
Oberkörperhochlagerung
Kopf und Nacken kühlen
auf Rückfallgefahr achten
lückenlose Überwachung und Dokumentation
117
6. Thermische Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Eine Familie kommt mit ihren beiden Kindern zu dir in
die Diensthütte. Ein Kind hat starke Kopfschmerzen mit
Schwindel und hat bereits erbrochen. Die Familie war
seit einigen Stunden ohne Kopfbedeckung in der prallen
Sonne unterwegs.
1. Welche Erkennungszeichen für einen Sonnenstich
sind dir bekannt?
2. Ein Bergbauer hat mehrere Stunden Heu an einem Südhang
gemäht. Der Himmel ist wolkenlos und die Temperatur liegt
bei über 30 Grad. Der Betroffene klagt über Sehstörungen
und Nackensteifigkeit.
3. Warum kann ein Sonnenstich lebensbedrohlich werden?
3. Bei einer Bergmesse bricht der Geistliche während der
Predigt zusammen. Bei der Erstuntersuchung stellt ihr eine
normale Körpertemperatur aber einen hochroten heißen
Kopf fest. Der Pfarrer ist im weiteren Verlauf weiterhin
bewusstlos und hat immer wieder kurze Krampfanfälle.
5. Welche anderen Erkrankungen können eine Nackensteifigkeit wie bei einem Sonnenstich auslösen?
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
2. Mit welchen anderen akuten Erkrankungen bzw. internistischen Notfällen kann ein Sonnenstich verwechselt werden?
4. Warum kann es häufig bei Kleinkindern unter Umständen
erst später zu Erkennungszeichen kommen?
118
6. Thermische Notfälle
6.4 Hitzeerschöpfung, Hitzschlag
Hitzeerschöpfung
Störung und Gefahren
Eine Hitzeerschöpfung entsteht in der Regel, wenn bei
größerer Hitze und/oder hoher Luftfeuchtigkeit, meist
in Kombination mit körperlicher Anstrengung, unzureichend Flüssigkeit aufgenommen wird. Der Körper verliert
durch Schwitzen große Mengen Flüssigkeit und Mineralien
(Verbrauch beim Bergsteigen ca. 4 bis 6 Liter Flüssigkeit / Tag).
Die Austrocknung (Dehydrierung) zeigt sich z.B. durch stehende
Hautfalten. Durch den entstandenen Volumenmangel kann es
zum Kreislaufzusammenbruch kommen.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Der Betroffene klagt über Schwindel-, Schwäche- und Durstgefühl. Es zeigen sich Schockanzeichen (z.B. erst gerötete, später
blasse und kaltschweißige Haut, Blutdruckabfall, beschleunigter Puls und Atmung, Muskelzittern). Auch Muskelkrämpfe können auftreten. Die Körpertemperatur liegt noch im normalen
Bereich (Hitzeerschöpfung kann unter Umständen das Vorstadium eines Hitzschlages sein!).
Maßnahmen
Nach dem Ganzkörpercheck den Betroffenen flach lagern. Stellt
man Schockzeichen oder instabile Kreislaufverhältnisse fest,
sofort einen Notarzt nachalarmieren! Bei erhaltenem
Bewusstsein gibt man dem Erkrankten Flüssigkeit, ideal
sind isotonische Getränke.
Zusätzlich ist für eine längere Ruhephase zu sorgen. Bewusstlose werden in die stabile Seitenlage gebracht. Überwachung
der Vitalfunktionen bis zur Übergabe an den Rettungsdienst
oder Klinik.
Überblick über das Erscheinungsbild
bei Hitzeerschöpfung
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Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
12//2007
2007
Schwindel, Schwäche, Durst
stehende Hautfalten
blasse Haut und später kaltschweißig
beschleunigter Puls, niedriger Blutdruck,
erhöhte Atemfrequenz
normale Körpertemperatur
evtl. Muskelkrämpfe
Überblick über die Maßnahmen
bei Hitzeerschöpfung
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
flache Lagerung
Notarzt rufen je nach Erkrankungsschwere / Situation
Flüssigkeit zu trinken geben
für Ruhephase sorgen
lückenlose Überwachung und Dokumentation
119
6. Thermische Notfälle
Hitzschlag
Störungen und Gefahren
Ein Hitzschlag entsteht durch einen Wärmestau im Körper.
Bei feucht-schwüler Witterung, körperlicher Anstrengung und
unzweckmäßiger Kleidung kann der Körper nicht genügend Wärme durch Verdunstung nach außen abführen. Es kommt zum
Versagen der körpereigenen Temperaturregulation und
zu einem Anstieg der Körpertemperatur auf über 40° C.
Hieraus kann sich sehr schnell ein lebensbedrohlicher Zustand entwickeln!
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Der Betroffene klagt über Kopfschmerzen mit Schwindel und
Übelkeit. Die Haut ist trocken, hochrot und heiß. Im fortgeschrittenen Stadium wird sie fahl grau und schließlich blau verfärbt. Puls und Atmung des Betroffenen sind
beschleunigt. In schweren Fällen können Schock, Bewusstseinstrübung (bis hin zu Bewusstlosigkeit) und Krampfanfälle
auftreten. Die Symptome zeigen sich im Verlauf von ein bis
zwei Stunden.
Maßnahmen
Der Betroffene muss sofort an einen kühlen, schattigen Ort
gebracht werden. Die Lagerung richtet sich nach der
Bewusstseinslage, idealerweise aber mit erhöhtem Oberkörper.
Die Kleidung soll geöffnet ggf. entfernt werden, während
der Betroffene psychisch betreut wird. Auf Waden und
Körperstamm sollten feuchtkalte Tücher aufgelegt werden,
um die Körpertemperatur zu senken. Stehen diese nicht zur
Verfügung, kann auch Wasser oder Desinfektionsspray
(Verdunstungskälte) verwendet werden. Zusätzlich sollte Sauerstoff gegeben werden.
Da es sich um einen lebensbedrohlichen Zustand handelt, der
sich innerhalb kürzester Zeit verschlechtern kann, wird ein Notarzt gerufen und die Vitalfunktionen laufend überprüft.
Überblick über die Maßnahmen bei Hitzschlag
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Überblick über das Erscheinungsbild bei Hitzschlag
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Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit
hochrote, trockene und heiße Haut, später fahl grau
beschleunigter Puls und Atmung
hohe Körpertemperatur (bis über 40°C)
Schock, Bewusstseinstrübung bis
Bewusstlosigkeit, Krampfanfälle
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen
Sauerstoffgabe
Verbringen an einen schattigen Ort
Oberkörper hoch lagern
Kleidung öffnen
Haut kühlen (Waden- und Brustwickel, Wasser,
Desinfektionsspray)
für Ruhephase sorgen
lückenlose Überwachung und Dokumentation
120
6. Thermische Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Ein Bergwanderer steigt bei feucht-schwüler Witterung zu
einem Gipfel auf. Mit dem Wissen, dass er zu wenig Getränke
dabei hat, setzt er die Tour fort. Nach zwei Stunden bricht er
erschöpft zusammen.
1. Worin liegt der Unterschied zwischen einer Hitzeerschöpfung und einem Hitzschlag?
2. Eine Gruppe von Jägern ist mit voller Ausrüstung auf dem
Weg zu einer Jagdhütte unterwegs. Nach zwei Stunden Aufstieg bei feucht-schwüler Witterung bricht ein Jäger zusammen. Die Rettungsleitstelle alarmiert euch zu diesem Einsatz.
3. Ein Mountainbiker ist an einem heißen sonnigen Tag zu
einer großen Bergrunde aufgebrochen. Nachdem er drei
Stunden bei großer Hitze bergauf geradelt ist, stürzt er
vom Rad und liegt bewusstlos am Boden.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
2. Worin unterscheiden sich die Maßnahmen bei einem
Hitzschlag und einer Hitzeerschöpfung?
3. Welche Getränke können bei der Hitzeerschöpfung
dem Betroffenen gegeben werden?
4. Wie versorgt ihr den Betroffenen im Fall 2, da dieser
an einer Stelle liegt, wo kein Einsatzfahrzeug hinkommt.
5. Wie kann man auf freien Flächen für einen Verletzten
oder Erkrankten Schatten herstellen?
121
6. Thermische Notfälle
6.5 Verbrennung, Verbrühung, Sonnenbrand
Störung und Gefahren
Der Sonnenbrand ist ein Verbrennungsschaden der Haut, der
durch das UV-Licht der Sonnenstrahlen verursacht wird. Verbrennungen entstehen auch durch Berührung mit heißen
Gegenständen, offenem Feuer, Reibungshitze sowie durch
elektrischen Strom (Blitzschlag) oder Bestrahlung. Wurden die
Schäden durch heiße Flüssigkeiten oder heiße Dämpfe verursacht, nennt man sie Verbrühungen. Werden heiße Dämpfe oder
Gase eingeatmet, kann dies zu einem lebensbedrohlichen Inhalationstrauma führen. Die Schwere der Schädigung hängt von der
Temperatur, ihrer Einwirkdauer und der Größe der betroffenen
Körperoberfläche ab. Durch den zerstörten Schutzmantel der
Haut ist der Verletzte einer hohen Infektionsgefahr ausgesetzt.
Generell entsteht beim Erwachsen ab ca. 10 bis 15% verbrannter Körperoberfläche ein lebendbedrohlicher Schockzustand
(bei Kleinkindern bereits ab 5 - 10%), wobei die Handflächengröße der jeweiligen Person ca. 1% der Körperoberfläche entspricht. Bei schweren Verbrennungen (über 20% verbrannter
Körperoberfläche) kann es nach einigen Tagen zu Regulationsund Funktionsstörungen im gesamten Organismus kommen,
die als Verbrennungskrankheit bezeichnet wird.
9%
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Die Beurteilung einer Verbrennung / Verbrühung richtet sich
nach dem Grad und der Größe der geschädigten Körperoberfläche:
Bei Verbrennungen/Verbrühungen 1. Grades ist eine Hautrötung und geringe Schwellung erkennbar. Der Betroffene
verspürt einen brennenden, ziehenden Schmerz.
18%
Ist die Hautrötung bereits mit einer Blasenbildung und einer
oberflächlichen Zerstörung der Haut verbunden, handelt es
sich um eine Verbrennung/Verbrühung 2. Grades.
Mithilfe der Neuner-Regel kann beim Erwachsenen das Ausmaß
der betroffenen Körperoberfläche abgeschätzt werden.
15%
1%
18%
9,5%
17%
Eine Verbrennung/Verbrühung 3. Grades ist gekennzeichnet
durch die völlige Zerstörung des Deckgewebes. Es ist grauweiß. Schmerzen bestehen nur in der Übergangszone zu Grad 2.
Ist der Körperteil völlig verkohlt spricht man von einer
Verbrennung / Verbrühung 4. Grades.
9%
1%
Erwachsener
2x
16%
9,5%
17%
bis 5. Lebensjahr
Überblick über das Erscheinungsbild der
Schweregrade bei Verbrennung, Verbrühung
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Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
12//2007
2007
2x
18%
9%
Beurteilung richtet sich nach Grad und Größe der
geschädigten Körperoberfläche
1. Grad Hautrötung, Schwellung und Schmerz
2. Grad Rötung, Schwellung, Blasen, starker Schmerz
3. Grad weiße Haut, nachlassen der Schmerzen,
Schädigung bis in die Tiefe
4. Grad völlige Verkohlung, keine Schmerzen
Faustregel: Handfläche des Verletzten entspricht
ca. 1% der Körperoberfläche
122
6. Thermische Notfälle
Maßnahmen
Die Rettung aus dem direkten Gefahrenbereich muss unter
Berücksichtigung der Eigensicherheit an erster Stelle stehen.
Kleiderbrände müssen sofort gelöscht werden (am besten
mit Wasser). Steht kein Wasser zur Verfügung, werden die
Flammen mit einer Decke erstickt oder der Betroffene wird am
Boden gewälzt. Feuerlöscher sollten zum Ablöschen brennender
Personen nur in Ausnahmen verwendet werden. Dabei darf der
Löschstrahl nicht ins Gesicht gehalten werden.
Bei Verbrühungen sollte die Kleidung möglichst rasch aber
vorsichtig mittels Schere entfernt werden.
Bei lokalen Verbrennungen ist zur Schmerzbekämpfung eine
Kühlung mit lauwarmen Wasser zeitnah zum Unfall sinnvoll. Zur
Vermeidung einer Unterkühlung ist zu beachten, dass grundsätzlich nicht der Körperstamm mit Wasser behandelt wird,
sondern jeweils nur die geschädigte Körperregion. Die Dauer
der Wasserbehandlung sollte auf max. 10 min. begrenzt werden,
um ebenfalls eine Unterkühlung zu vermeiden! Bei Verbrennungen
des 3. Grades ist kein Schmerzempfinden mehr vorhanden. Eine
Kühlung ist deshalb nicht sinnvoll. Großflächige Verbrennungen
des 3. Grades dürfen auf keinen Fall gekühlt werden. Patienten
in diesem Zustand sind ggf. bereits „unterkühlt“!
Wärmeerhalt beachten (Rettungsdecke) und Sauerstoff verabreichen! Die Kontrolle der Atmung ist dauerhaft notwendig, da
bei Gesichtsverbrennungen, aber auch bei Verbrennungen und
Verbrühungen größeren Ausmaßes, davon ausgegangen werden
muss, dass der Verletzte eine schwere Schädigung der Atemwege
erlitten hat. Hierbei können die Schleimhäute der Atemwege
anschwellen, so dass es zu einer Verlegung der Atemwege mit
schwerster Atemnot kommen kann.
Frühzeitige Rücksprache mit der Leitstelle wegen eines Transportes in eine geeignete Klinik (Verbrennungsbett) halten.
Überblick über die Maßnahmen bei Verbrennung,
Verbrühung
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Nach der Kühlung werden die Brandwunden keimfrei und
locker bedeckt, um ein zusätzliches Eindringen von Krankheitserregern zu verhindern. Brandblasen werden wegen der Infektionsgefahr auf keinen Fall geöffnet! Es erfolgt keine Behandlung
der Verletzungen mit Salben, Puder oder ähnlichem!
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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Rettung aus Gefahrenbereich (Eigenschutz)
Kleiderbrände löschen, Kleidung vorsichtig entfernen
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Abschätzen des Verbrennungsausmaßes
Notarzt rufen je nach Verletzungsschwere / Situation
örtliche Kühlung mit lauwarmen Wasser zur
Schmerzbekämpfung (bis zum 2. Grad)
Wunden keimfrei und locker bedecken
Wärmeerhalt
Sauerstoffgabe
Überwachung der Vitalfunktionen
lückenlose Überwachung und Dokumentation
123
6. Thermische Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. An einem sonnigen Wintertag kommt eine junge Frau
zu euch in die Diensthütte und klagt über Schmerzen im
Gesichts-, Brust- und Halsbereich. Ihr seht, dass die betroffenen Körperstellen krebsrot sind und kleine Blasen entstanden sind. Die Frau gibt an, in der Sonne eingeschlafen
zu sein.
1. Von welchen Faktoren ist die Schwere einer Verbrennung
bzw. einer Verbrühung abhängig?
2. Der Koch eines Berggasthofes hat sich einen Topf voll
kochendem Wasser über beide Oberschenkel geschüttet.
Er sitzt in der Küche auf einem Hocker und hat noch nichts
unternommen. Eine Küchenhilfe steht aufgeregt daneben.
Er gibt unerträgliche Schmerzen an.
2. Erkläre die Neunerregel!
3. Welche Temperatur sollte das verwendete Wasser
zur Kühlung haben?
4. Warum sollte bei Verbrühungen die Kleidung noch vor
der Kühlung mit Wasser entfernt werden?
5. Warum sollte die Kaltwasseranwendung nur 10 Minuten
durchgeführt werden, und welche Risiken hat sie?
3. Beim Biwak zweier Bergsteiger kommt es zur Explosion
eines Gaskochers. Ihr werdet von der Leitstelle alarmiert und
rückt aus. Ihr findet die zwei Bergsteiger mit Verbrennungen
im Gesicht und Verbrennungen an beiden Händen vor. Einer
der beiden klagt über Atemnot, da er die Stichflamme eingeatmet hat.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
124
Hilfeee!...Windel...
...aber schneeelll!
7. Sonstige Notfälle
Fachbereich:
Ausbildungsstufe:
Stand:
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Notfallmedizin
Grundausbildung
12 / 2007
125
7. Sonstige Notfälle
7.1 Vergiftungen
Allgemeine Störungen und Gefahren
Unter Giften versteht man Stoffe, die im menschlichen Körper
schwere, oft lebensbedrohliche Störungen hervorrufen können.
Entscheidend für die schädigende Wirkung sind die Art, Menge,
Konzentration und die Einwirkungszeit des Giftes. Es gibt eine
Vielzahl von Giften, mit denen wir alltäglich umgehen z. B.
Arzneimittel, Rauch- und Gärungsgase, Pflanzenschutz- und
Schädlingsbekämpfungsmittel, Haushaltsreinigungsmittel, giftige
Pflanzen und Pilze, verdorbene Lebensmittel usw.
Ursachen für Vergiftungen:
Brände, Silounfälle (Gase)
Selbsttötungsabsichten
Missbrauch von Drogen oder Alkohol
Leichtsinn im Umgang mit Giftstoffen
Verwechslung wegen mangelnder Kennzeichnung
Unwissenheit und Neugier bei Kindern
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Verlauf und Erscheinungsbild
Gifte gelangen über die Atemwege, die Schleimhäute, den
Verdauungsweg oder die Haut in den Körper. Aber auch die
Kombination von mehreren Aufnahmewegen (z.B. Atemwege
und Haut oder Verdauungsweg und Schleimhäute) sind möglich.
Überblick über das Erscheinungsbild bei Vergiftungen
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Oft sind gerade bei einer Vergiftung die Anzeichen nicht eindeutig. Schweißausbrüche mit Übelkeit, Erbrechen, Schwindel,
Bauchschmerzen, Durchfall, Krämpfe, Atem- und Kreislaufbeschwerden mit Bewusstseinseintrübung bis hin zu Atem- und
Kreislaufstillstand sind die deutlichsten Anzeichen.
Insbesondere bei Kindern erfordert es oft viel geduldiges Befragen, bis die Ursache für einen klaren Befund herausgefunden
ist. Entscheidend für jede Hilfeleistung ist, dass bei ersten Anzeichen eines unklaren Erkrankungszustandes an eine mögliche
Vergiftung gedacht wird, damit eine weitergehende Diagnose
und schließlich sachgemäße Hilfe erfolgen kann.
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Übelkeit
Erbrechen
Bauchschmerzen, Durchfall
Krämpfe, evtl. am ganzen Körper
Schweißausbrüche, Schwindel
Schockanzeichen
Ringen nach Luft (vor allem bei Rauchgasvergiftungen)
Bewusstseinstrübung bis Bewusstlosigkeit
Atem- und Kreislaufstillstand
Betrachtet man diese Ursachen, wird deutlich, dass viele Vergiftungen durch vorsichtigen, bewussten Umgang mit Giftstoffen
durchaus vermeidbar sind.
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
12//2007
2007
126
7. Sonstige Notfälle
Maßnahmen
Der Bergretter muss zuerst das Umfeld prüfen und die Eigengefährdung abschätzen, speziell bei Gas- und Brandunfällen
und bei Vergiftungen mit Chemikalien (z.B. Chlor oder Unkrautvernichtungsmittel wie E605). Unmittelbare Rettung aus dem
Gefahrenbereich! Anschließend Überprüfen der Vitalfunktionen,
Versorgung und entsprechende Lagerung des Betroffenen. Beim
Verdacht einer Vergiftung über Schleimhäute und Atemwege
darf die Beatmung nur mit Hilfsmitteln erfolgen. Sicherstellung
von Giftresten und Erbrochenem. Frühzeitig einen Notarzt hinzuziehen und die nächstgelegene Giftnotrufzentrale kontaktieren
(z.B. Giftnotrufzentrale München im Klinikum Rechts der Isar,
Tel.: 089/19240).
Überblick über die Maßnahmen bei Vergiftungen
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Folgende Angaben sind dabei wichtig
Alter der betroffenen Person
Art und Konzentration des Giftes
ungefähr eingenommene Menge
ungefährer Zeitpunkt der Giftaufnahme
Anzeichen der Vergiftung
bereits durchgeführte Maßnahmen
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Umfeld prüfen, Eigenschutz andauernd beachten
Rettung aus unmittelbarem Gefahrenbereich
durch Fachpersonal mit Schutzausrüstung
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Notarzt rufen je nach Erkrankungsschwere/ Situation
Sauerstoffgabe, ggf. Beatmung (nur mit Hilfsmitteln)
Lagerung abhängig von der Bewusstseinlage
psychische Betreuung
Sicherstellen von Giftresten und Erbrochenem
(Eigenschutz!)
Giftnotruf kontaktieren
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Erscheinungsbild und Verlauf
Die Giftwirkung entsteht durch die höhere Bindungskraft von
Kohlenmonoxid im Vergleich zum Sauerstoff an den Blutfarbstoff Hämoglobin. Deshalb wird der Sauerstofftransport im
Blut blockiert und es kommt zu den typischen Anzeichen eines
Sauerstoffmangels. Zu beachten ist allerdings, dass der Patient
u.U. keine Blaufärbung der Schleimhäute oder Blässe aufweist.
Auch das Pulsoximeter zeigt evtl. Normalwerte an, obwohl
eindeutig ein Sauerstoffmangel vorliegt.
Überblick über das Erscheinungsbild
bei Kohlenmonoxidvergiftung
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Nachfolgend werden einige besonders häufige Vergiftungsformen dargestellt.
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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Kohlenmonoxid(CO)-Vergiftung
Kohlenmonoxid entsteht vor allem bei laufenden Verbrennungsmotoren und Öfen in geschlossenen oder ungenügend belüfteten
Räumen oder bei Bränden als Rauch- und Brandgas. Achtung!
Dieses Gas ist geruchlos, leichter als Luft und in Verbindung mit
Sauerstoff hochexplosiv!
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Übelkeit
Kopfschmerzen
Schwindel
evtl. Krämpfe
schneller, flacher Puls
Achtung: keine Blaufärbung der Schleimhäute
und der Haut (Zyanose)
Achtung: normale Werte bei der Pulsoximetrie
trotz Sauerstoffmangel
Bewusstseinstörungen bis Bewusstlosigkeit
Atemstörung bis Atemstillstand
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7. Sonstige Notfälle
Maßnahmen:
Bei den zu ergreifenden Maßnahmen steht der Eigenschutz
an erster Stelle. Aufgrund der extremen Explosionsgefahr
ist das Bedienen von elektrischen Geräten (z.B. Funk, Handys
und Telefon) im gefährdeten Bereich strikt zu unterlassen!
Frühzeitige Alarmierung von Notarzt und evtl. Feuerwehr!
Vor jedem Rettungsversuch den Raum von außen lüften. Ist
dies nicht möglich, müssen Atemschutzgeräte verwendet
werden (Feuerwehr!). Die Rettung aus dem gefährdeten Bereich ist ein riskantes Verfahren und darf nur unter größter Vorsicht erfolgen, wenn mehrere Personen die Sicherung übernehmen. Laufende Motoren abstellen!
Nach erfolgter Rettung sofort Kontrolle der Vitalfunktionen
und hochdosiert Gabe von Sauerstoff. Weiteres Vorgehen nach
Zustand des Patienten. Muss dieser beatmet werden, darf dies
nur mit Beatmungsbeutel erfolgen (CO-Ausatmung des Patienten!)
Überblick über die Maßnahmen
bei Kohlenmonoxidvergiftung
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Umfeld prüfen, Eigenschutz andauernd beachten
frühzeitiger Notarztruf, Feuerwehr alarmieren
Rettung aus unmittelbaren Gefahrenbereich
durch Fachpersonal mit Schutzausrüstung
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Sauerstoffgabe, ggf. Beatmung (nur mit Hilfsmitteln)
Lagerung abhängig von der Bewusstseinslage
psychische Betreuung
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Kohlendioxid(CO 2)-Vergiftung
Kohlendioxid (CO2) entsteht bei Gärungs- und Zersetzungsvorgängen von organischem Material. Man findet es z.B. in Silos,
Kellereien und Jauchegruben. Das Gas ist geruchlos, schwerer
als Luft und bildet in Bodennähe sog. Kohlendioxidseen. Befindet
sich in der Umgebungsluft zu viel CO 2, ist dort praktisch kein
Sauerstoff mehr vorhanden.
Erscheinungsbild und Verlauf
Es kommt zunächst zu einem starken Anstieg der Atemfrequenz
mit Blaufärbung der Schleimhäute, gefolgt von Unruhe- und
Verwirrtheitszuständen. Bedingt durch den Sauerstoffmangel
kommt es schnell zur Bewusstlosigkeit. Bereits nach wenigen
Minuten erleidet der Patient einen Atemstillstand.
Überblick über das Erscheinungsbild
bei Kohlendioxidvergiftung
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Schweißausbrüche, Schwindel
Schockanzeichen
Ringen nach Luft
Bewusstseinstrübung bis Bewusstlosigkeit
Atem- und Kreislaufstillstand
Maßnahmen
Bei den zu ergreifenden Maßnahmen steht der Eigenschutz
an erster Stelle! Frühzeitige Alarmierung von Notarzt und
evtl. Feuerwehr!
Vor jedem Rettungsversuch den Raum von außen lüften. Ist
dies nicht möglich, müssen Atemschutzgeräte verwendet werden
(Feuerwehr!). Die Rettung aus dem gefährdeten Bereich ist ein
riskantes Verfahren und darf nur unter größter Vorsicht erfolgen,
wenn mehrere Personen die Sicherung übernehmen. Nach
erfolgter Rettung sofort Kontrolle der Vitalfunktionen und
hochdosiert Gabe von Sauerstoff. Weiteres Vorgehen nach
Zustand des Patienten.
Überblick über die Maßnahmen
bei Kohlendioxidvergiftung
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Umfeld prüfen, Eigenschutz andauernd beachten
frühzeitiger Notarztruf, Feuerwehr alarmieren
Rettung aus unmittelbaren Gefahrenbereich
durch Fachpersonal mit Schutzausrüstung
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Sauerstoffgabe, ggf. Beatmung (nur mit Hilfsmitteln)
Lagerung abhängig von der Bewusstseinlage
psychische Betreuung
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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7. Sonstige Notfälle
Rauchgas-, Reizgasvergiftung
Reizgase sind Stoffe, die auf die Atemwege und deren Schleimhäute, auf die Augen oder auf der Haut reizend bzw. ätzend
einwirken wie z.B. Chlorgas, Lackdämpfe, Säuredämpfe, Tränengas, aber auch Mischgase, die bei Bränden entstehen. Beim
Einatmen können diese Gase Entzündungen der Lungenbläschen
mit einer Flüssigkeitsabsonderung bewirken, die bis zu einem
Lungenödem (toxisches Lungenödem) führen können. Dieses
kann sich innerhalb von 24 Stunden entwickeln. Auch wenn das
Reizgas nur kurze Zeit eingewirkt hat, nur mit Beatmungsbeutel
beatmen!
Erscheinungsbild und Verlauf
In der Anfangsphase klagt der Patient über einen sich
verstärkenden Reizhusten mit zunehmender Atemnot,
Schmerzen in den Augen mit Rötung und Tränenfluss, evtl.
geröteter und schmerzhafter Haut. Im Laufe der Zeit
verstärkt sich die Atemnot durch das Anschwellen der Mundund Rachenschleimhaut, der Allgemeinzustand des Patienten
verschlechtert sich immer mehr.
Überblick über die Maßnahmen
bei Rauch-, Reizgasvergiftung
Überblick über das Erscheinungsbild
bei Rauch-, Reizgasvergiftung
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Maßnahmen
Bei den zu ergreifenden Maßnahmen steht der Eigenschutz
an erster Stelle! Frühzeitige Alarmierung von Notarzt und evtl.
Feuerwehr!
Nach erfolgter Rettung sofort Kontrolle der Vitalfunktionen
und hochdosiert Gabe von Sauerstoff. Weiteres Vorgehen nach
Zustand des Patienten. Muss dieser beatmet werden, darf dies
nur mit Beatmungsbeutel erfolgen.
gerötete Augen und Tränenfluss
gerötete Haut
Schmerzen
stärker werdender Husten
Anschwellen der Mund- Rachenschleimhaut
zunehmende Atemnot
Schockzeichen
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Umfeld prüfen, Eigenschutz andauernd beachten
evtl. Rettung aus unmittelbarem Gefahrenbereich
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
frühzeitiger Notarztruf, evtl. Feuerwehr alarmieren
Sauerstoffgabe, ggf. Beatmung (nur mit Hilfsmitteln)
Lagerung abhängig von der Bewusstseinlage
psychische Betreuung
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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7. Sonstige Notfälle
Alkoholvergiftung
Zustände, die nach Alkoholeinnahme über einen Rauschzustand
hinausgehen und schwere Vergiftungserscheinungen zur Folge
haben, bezeichnet man als Alkoholvergiftung. Dieser Missbrauch,
beabsichtig oder unabsichtlich, stellt gerade bei Jugendlichen die
häufigste Form von Vergiftungsnotfällen dar.
Alkohol wird beginnend von der Mundschleimhaut, dann überwiegend im oberen Dünndarm aufgenommen und erreicht sehr
schnell das Gehirn.
Aufnahme, Wirkung und Abbau von Alkohol hängen vor allem
von Alter, Geschlecht und Gewöhnung ab. Insbesondere Kinder
und Jugendliche haben ein niedrigeres Aufnahmevermögen. Hier
können bereits relativ geringe Mengen lebensbedrohlich sein.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Je nach aufgenommener Alkoholmenge kommt es zu ausgeprägten
Rauschzuständen mit Sprachstörungen, Enthemmung, eingeschränkter geistiger Aufnahmefähigkeit und Gangunsicherheit,
die ab einer Alkoholkonzentration von 2 bis 3 Promille in ein
Betäubungsstadium übergehen. Dieses ist gekennzeichnet durch
psychische Verwirrung, Bewusstseinsstörungen, Lähmungserscheinungen in den Gliedmaßen und starke Übelkeit mit oft
mehrmaligem Erbrechen. Bei mehr als 3 Promille kommt es zu
einer tiefen Bewusstlosigkeit mit Reflexlosigkeit und Atemstörungen bis zum Atemstillstand. Für Kinder kann diese Alkoholkonzentration, die bereits durch die Aufnahme geringer
Mengen erreicht wird, tödlich sein! Achtung: Der Bergretter
muss darauf gefasst sein, dass sich der Zustand des Patienten
durch weitere Verteilung der aufgenommenen Alkoholmenge
weiter verschlechtern kann. Außerdem könnten zusätzlich evtl.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Drogen oder Medikamente eingenommen worden sein. Auch
Begleitverletzungen oder eine Unterkühlung (Störung des
Wärmehaushalts) kommen häufig vor.
Überblick über das Erscheinungsbild
bei Alkoholvergiftung
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Alkoholgeruch in der Ausatemluft
verwaschene Aussprache, Lallen
Übelkeit und Erbrechen
Gangunsicherheit, evtl. Lähmungserscheinungen
Bewusstseinstörungen bis Bewusstlosigkeit ohne
Schutzreflexe
Atemstörungen bis Atemstillstand
Atemwegsverlegung durch Erbrochenes
evtl. Unterkühlung und /oder Begleitverletzungen
Maßnahmen
Die Überprüfung und Sicherung der Vitalfunktionen steht im
Vordergrund. Bei bewusstseinsgetrübten oder bewusstlosen
Patienten Notarztruf und andauernd auf das Freimachen und
Freihalten der Atemwege achten. Kein Erbrechen provozieren!
Lagerung nach Zustand des Patienten. Sauerstoffgabe und
Wärmeerhaltung!
Bei aggressiven Patienten beruhigender Zuspruch und Augenmerk auf Fremd- und Eigenschutz.
Achtung: Mischvergiftung mit Drogen und Medikamenten sind
möglich, speziell bei jugendlichen Patienten und bei Betroffenen
mit Selbsttötungsabsichten (Umfeld prüfen!). Auch schwere
Verletzungen (z.B. Schädel-Hirnverletzungen) und / oder eine Unterkühlung werden durch eine Alkoholvergiftung oft verschleiert!
Überblick über die Maßnahmen
bei Alkoholvergiftung
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Sauerstoffgabe, ggf. Beatmung
Lagerung abhängig von der Bewusstseinlage
Notarzt rufen je nach Erkrankungsschwere/Situation
psychische Betreuung
Sicherstellen von Giftresten und Erbrochenem
(Eigenschutz!)
Giftnotruf kontaktieren
lückenlose Überwachung und Dokumentation
130
7. Sonstige Notfälle
Drogenvergiftungen
Drogen werden über verschiedene Aufnahmewege zugeführt.
Sie können geraucht, gespritzt, geschnupft und geschluckt
werden. Sie beeinflussen den Körper auf unterschiedliche Weise.
Opiate wie Heroin und Morphin wirken auf das Zentralnervensystem und bewirken eine Hochstimmung, verminderte
Schmerzempfindlichkeit und eine Dämpfung der Wahrnehmung.
Amphetamine als sog. „Partydrogen“ wie z.B. Ecstasy und
Speed wirken auf den Sympathikus ein. Folgen sind ein deutlich
vermindertes Schlafbedürfnis, intensive Kontaktfreudigkeit,
übersteigertes Selbstvertrauen und körperliche Unruhe.
Überblick über das Erscheinungsbild
bei Drogenvergiftung
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Bei Amphetaminvergiftung
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Erscheinungsbild und Verlauf
Die lebensbedrohliche Wirkung dieser Stoffe ist durch Störungen
der Atmung und des Kreislaufs bedingt. Bei Überdosierung
von Opiaten kommt es schnell zu Bewusstseinstrübung und
Bewusstlosigkeit mit Ausfall der Schutzreflexe und zu einer
zentralen Atemstörung bis hin zum Atemstillstand. Bei Vergiftungen mit Amphetaminen kommt es subjektiv zu extremer
körperlicher Belastbarkeit. Diese bewirkt stunden- bis tagelange
Belastung und führt zu Überhitzung, Austrocknung durch
fehlendes Durstgefühl und schließlich zu akuten Erschöpfungszuständen und Kreislaufversagen.
soziales Umfeld (gebrauchte Spritzen in der Umgebung,
evtl. bek. Abhängigkeit, geäußerte Selbsttötungsabsichten)
Schockzeichen
Bewusstseinstörungen bis Bewusstlosigkeit
Atemstörungen bis Atemstillstand
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Umfeld (Party, Konzerte, Hüttenfeste)
Unruhe, Aggressivität
trockene Schleimhäute, gerötete Haut
Schweißausbrüche, evtl. hohes Fieber
Krämpfe, evtl. am ganzen Körper
Atemstörungen bis Atemstillstand
Maßnahmen
Die Versorgung einer Drogenvergiftung richtet sich nach den
jeweiligen Krankheitszeichen. Während bei einer Opiatvergiftung die Sicherstellung der Sauerstoffversorgung im Vordergrund steht, konzentriert man sich bei der Vergiftung mit
Amphetaminen auf psych. Betreuung, den Ausgleich des
Flüssigkeitshaushaltes und die Senkung der Körpertemperatur.
Lagerung des Patienten nach Bewusstseinslage. In jedem
Fall schnellstmöglicher Notarztruf, Giftnotruf kontaktieren und
lückenlose Überwachung sicherstellen. Auf jeden Fall Transport
in eine geeignete Klinik.
Überblick über die Maßnahmen
bei Drogenvergiftung
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Umfeld prüfen
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Notarzt rufen je nach Erkrankungsschwere / Situation
Sauerstoffgabe, ggf. Beatmung
Lagerung abhängig von der Bewusstseinslage
psychische Betreuung
Sicherstellen von Giftresten und Erbrochenem
Giftnotruf kontaktieren
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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7. Sonstige Notfälle
Fallbeispiele
1. Ihr werdet in eine Skihütte gerufen, wo sich ein 17-jähriger,
bewusstloser Jugendlicher befindet. Die Vitalfunktionen
sind vorhanden und beim Betroffenen wird ein deutlicher
Alkoholgeruch festgestellt. Er hat bereits mehrfach erbrochen
und eingenässt. Freunde geben an, dass er eine Flasche
Wodka getrunken haben soll.
3. Ihr werdet bei winterlichen Straßenverhältnissen zu einem
entlegenen Gasthaus gerufen, da der reguläre Rettungsdienst nicht dorthin kommt. Ihr stellt erst beim Eintreffen
an dem Gasthaus fest, dass es sich um einen Zimmerbrand
handelt. Der Hausherr hat den Brand bereits gelöscht und
sich dabei eine Rauchgasvergiftung zugezogen. Wie versorgt
ihr den Betroffenen?
2. Bei einer Vermisstensuche im Gelände findet ihr eine 35-jährige
Frau, die nur bedingt ansprechbar ist, auf. Ihr findet zwei
leere Schachteln Paracetamol 500 mg Tabletten. Die Frau
trübt zunehmend ein.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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7. Sonstige Notfälle
7.2 Gynäkologische Notfälle und Geburt
Störung und Gefahren
Gynäkologische Notfälle werden verursacht durch Zyklusstörungen,
Verletzungen oder Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane und Komplikationen während einer Schwangerschaft.
Als Zyklusstörungen werden unregelmäßige oder starke Monatsblutungen bezeichnet, die durch Abweichungen vom normalen
Hormonhaushalt verursacht werden.
Verletzungen manifestieren sich als stumpfe Traumen oder offene
Verletzungen bei Gewalteinwirkung auf den Unterbauch, als
Zerreißungen der äußeren Genitale bei Pfählungsverletzungen
und als Begleitverletzungen, z.B. nach einer Vergewaltigung.
Gynäkologische Erkrankungen sind für den Bergretter meistens
nur dann von Bedeutung, wenn sich daraus ein akuter Notfall
entwickelt, wenn sich beispielsweise bei Entzündungen der
inneren Geschlechtsorgane das Krankheitsbild des akuten
Bauches ausprägt.
Verlauf und Erscheinungsbild bei
gynäkologischen Notfällen
Die Patientinnen klagen sehr häufig über ausgeprägte
Schmerzen im Unterbauch, die in den Rücken ausstrahlen können.
Es kann zu teils starken Blutungen aus der Scheide kommen,
die in bestimmten Fällen lebensbedrohlich sind. Bei fortgeschrittenem Krankheitsverlauf kann sich hohes Fieber entwickeln.
Überblick über das Erscheinungsbild
bei gynäkologischen Notfällen
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evtl. bestehende Schwangerschaft
akuter Bauchschmerz
Blutungen aus der Scheide
Schockanzeichen
evtl. hohes Fieber, u.U. mit Krämpfen
evtl. Bewusstseinsstörungen
Maßnahmen
Im Vordergrund steht die Prüfung und Überwachung der
Vitalfunktionen. Eine umfangreiche Untersuchung durch den
Bergretter sollte unterbleiben, es kann sinnvoll sein, eine Helferin
hinzuzuziehen. Liegen Blutungen vor, eine sterile Vorlage vor
die Scheide legen und die Patientin anschließend in die
Fritsch’sche Lagerung bringen (Patientin wird flach auf dem
Rücken gelagert, dabei werden die gestreckten Beine überkreuzt). Achtung: schwangere Frauen in der zweiten Hälfte der
Schwangerschaft können in Rückenlage durch Kompression der
unteren Hohlvene (Vena Cava) einen deutlichen Blutdruckabfall
erleiden (Cava-Kompressionssyndrom). Um diesen vorzubeugen,
werden diese Patientinnen immer flach auf der linken Körperseite
gelagert (Linksseitenlage). Sauerstoffgabe! Die betroffene
Patientin muss fortlaufend psychisch betreut und über die
jeweiligen Maßnahmen informiert werden.
Überblick über die Maßnahmen
bei gynäkologischen Notfällen
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Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
12//2007
2007
ABC-Sicherung
Notarzt rufen je nach Erkrankungsschwere / Situation
Lagerung nach Situation
(Fritsch’sche Lagerung / Linksseitenlagerung)
psychische Betreuung
Sauerstoffgabe
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Transport in eine geeignete Klinik
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7. Sonstige Notfälle
Die Geburt
Gegen Ende der Schwangerschaft bereitet sich der mütterliche Organismus auf die Geburt vor. In der Eröffnungsperiode
weitet sich der Gebärmuttermund sowie der Geburtskanal, der
Beckenboden und die Scheide dehnen sich und das Kind wird
durch Kontraktionen (Wehen) der Muskulatur der Gebärmutter
(Uterus) tiefer getrieben. Die Dauer der Geburt richtet sich oft
danach, ob es das erste Kind ist oder ob die Mutter bereits
mehrere Kinder zur Welt gebracht hat. Die Dauer der Geburt ist
bei Erstgebärenden oft deutlich länger.
Bei Beginn der Geburt treten alle 10 bis 15 Minuten regelmäßig
Wehen auf und unter Umständen gehen nun bereits blutiger
Schleim und Fruchtwasser ab. Im weiteren Verlauf wird das
Kind durch die nun kürzeren Abständen auftretenden Eröffnungswehen in Richtung Geburtskanal gedrängt. In der Austreibungsperiode wird das Kind bei völliger Öffnung des Gebärmuttermundes durch die Austreibungs- bzw. Presswehen durch den
Geburtskanal gebracht.
Diese Wehen sind stärker als die Eröffnungswehen und treten
in Abständen von 2 Minuten mit einer Dauer von 60 bis 90
Sekunden auf. Bei einer normalen Geburt kommt das Kind mit
gebeugtem Kopf auf dem Beckenboden an. Danach streckt sich
der Kopf und tritt zuerst mit der Hinterseite, dann mit Schädeldach,
Stirn und Kinn aus dem Geburtskanal. Auch die Schultern müssen
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
sich nun, wie zuvor der Kopf, drehen, damit sie den Geburtskanal
passieren können. Zunächst wird die vordere, anschließend die
hintere Schulter geboren. Der übrige Körper folgt nun ohne
Schwierigkeiten. Mit der Geburt des Kindes setzt die Nachgeburtsperiode ein.
Durch Nachgeburtswehen wird die Gebärmutter zusammengezogen, wobei sich die Plazenta von der Gebärmutterwand löst.
Durch die Ablösung entsteht die Nachgeburtsblutung, die jedoch durch natürliche Gerinnungsvorgänge und das Wiederaufrichten der erschlafften Gebärmutter gestillt wird.
Verlauf und Erscheinungsbild bei einsetzender Geburt
Die Geburt setzt durch die Kontraktion der Gebärmuttermuskulatur ein. Dadurch erweitert sich der Geburtskanal. Es
setzen etwa alle 10 bis 15 Minuten regelmäßig auftretende
schmerzhafte Wehen ein. Später geht Fruchtwasser und blutiger
Schleim ab.
Überblick über das Erscheinungsbild
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Wehen, anfangs alle 10 bis 15 Minuten,
regelmäßig verlaufend
evtl. Abgang von Fruchtwasser und blutigem Schleim
Maßnahmen
Die Gebärende sollte nach eigenem Wunsch gelagert werden
und von der Umgebung und fremden Personen abgeschirmt
werden. Ständige Betreuung! Zur Geburt sollte die Gebärende
möglichst bodennah auf einer keimfreien Unterlage mit
angewinkelten Knien in Rückenlage gebracht werden. Der
Bergretter greift normalerweise nicht in den Geburtsvorgang
ein. Nach der Geburt wird die Nabelschnur ca. 20 - 30 cm vom
Neugeborenen entfernt mit sterilen Klemmen (erst kindseitig
und anschließend mutterseitig!) komprimiert. Dann wird die
Nabelschnur zwischen den Klemmen mit einer sterilen Schere
oder einem Skalpell durchtrennt. Die Gebärende muss laufend
über die jeweiligen Maßnahmen informiert und psychisch
betreut werden.
Nach diesem Vorgang wird das Neugeborene nach folgenden
Kriterien beurteilt:
Atmung ausreichend? (regelmäßig und kräftig schreiend)
Herzfrequenz normal? (>100 / min)
Hautfarbe rosig? (anfängliche Blaufärbung typisch, auch bei
gesunden Neugeborenen!)
Bei fehlenden Vitalfunktionen Wiederbelebungsmaßnahmen!
Bei stabilen Vitalfunktionen Neugeborenes abtrocknen, in warme
Tücher (evtl. Silberwindel) einwickeln und der Mutter übergeben.
Ständige Überwachung! Erhöhtes Augenmerk auf den Wärmeerhalt bei Mutter und Neugeborenem richten.
Etwa 20 Minuten nach der Entbindung des Kindes wird die Nachgeburt (Plazenta) ausgestoßen. Danach wird die Mutter mit einer
sterilen Vorlage an der Scheide versorgt und in die Fritsch’sche
Lagerung gebracht. Achtung auf Nachblutungen! Die Nachgeburt
134
7. Sonstige Notfälle
ist einer Hebamme oder einem Arzt zu übergeben. Uhrzeit und
Geburtsort sind zu dokumentieren (für das Standesamt wichtig)!
Überblick über die Maßnahmen bei der Geburt
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keimfreie Unterlage
Gebärende über Vorgehen und Maßnahmen
informieren
frühzeitiger Notarztruf, evtl. Hebammenruf
Betreuung der Mutter
Abnabelung
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Ihr werdet bei winterlichen Wetterverhältnissen zu einem
Aussiedlerhof gerufen, da der reguläre Rettungsdienst aufgrund der Schneehöhe den Hof nicht erreichen kann. Bei
diesem Einsatz sollt ihr eine junge Frau mit einsetzender
Geburt in ein Krankenhaus bringen. Als ihr am Einsatzort
ankommt, stellt ihr fest das bereits Fruchtwasser und
blutiger Schleim abgegangen sind. Die junge Frau, die ihr
erstes Kind erwartet, hat Wehen im Abstand von 15 Minuten. Komplikationen sind bisher nicht aufgetreten. Im Mutterpass sind auch keine Besonderheiten eingetragen.
1. Welche Maßnahmen führt ihr in welcher Reihenfolge
bei einer plötzlich einsetzenden Geburt durch, wenn
in den nächsten 5 bis 10 Minuten ein Arzt oder Hebamme
eintreffen?
2. Ihr werdet im Rahmen des Winterdienstes zur Bergstation
gerufen, wo sich eine ca. 20-jährige Patientin aufhält, die
über plötzlich auftretende Schmerzen im Unterbauch klagt.
Die Betroffene hat seit drei Wochen eine ausgebliebene
Regelblutung. Sie gibt an, plötzlich einen stechenden
Schmerz im Unterbauch verspürt zu haben.
4. Wie lange dauert normalerweise eine Schwangerschaft
und was sind Anzeichen einer einsetzenden Geburt?
2. Welche Gefahren können bei gynäkologischen
Blutungen auftreten?
3. Wozu hat eine werdende Mutter einen Mutterpass
und was könnt ihr daraus entnehmen?
Nach der Geburt
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Zustandsbeurteilung des Neugeborenen
Vitalfunktionen prüfen und sichern
Versorgung, Überwachung und Betreuung des
Neugeborenen
Versorgung, Überwachung und Betreuung der Mutter
Dokumentation (Zeitpunkt der Geburt, Zustand des
Neugeborenen und der Mutter, weiterer Verlauf)
Wärmeerhalt
Gratulieren!!!
Transport in eine geeignete Klinik
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
3. Im Rahmen eines Sommerdienstes auf einer Hütte kommt
eine junge Frau mit ihrem Begleiter zu euch und klagt über
folgende Beschwerden: Schmerzen und starkes Brennen
beim Wasserlassen sowie stechende Schmerzen im Unterbauchbereich. Sie war zwei Nächte in den Bergen mit dem
Schlafsack unterwegs, und die Symptome haben sich in den
letzten 12 Stunden verstärkt. Welche Erkrankung könnte
vorliegen und welche Empfehlungen gebt ihr der jungen Frau?
135
7. Sonstige Notfälle
7.3 Stromunfall und Blitzschlag
Störung und Gefahren
Bei einem Stromunfall wird der menschliche Körper Teil eines
Stromkreises, die durchlaufene Körperpartie ist kurzfristig ein
elektrischer Leiter. Die Stärke des Stromes, die den Körper nach
dem Schluss zweier unter Spannung stehender Teile durchströmt, spielt bei der Störung bestimmter Organe und der
Schädigung von Körpergewebe eine große Rolle.
Bei Niederspannungsunfällen überwiegen die elektrischen
Schädigungen an Herz und Nervensystem. Bedingt durch Verkrampfung der Herzkranzgefäße und Schädigungen am
Herzmuskel können Reizbildungs- und Reizleitungsstörungen
(Kammerflimmern) auftreten. Durch Einwirken auf die
Nervenbahnen kann es zu unkoordinierten Verkrampfungen oder
Lähmungserscheinungen kommen bis der Stromkreislauf unterbrochen wird.
Bei Unfällen mit hoher Spannung dominiert dagegen die thermische Einwirkung auf Körperoberfläche und Organe. Der hohe
Widerstand der Haut im Vergleich zum Körperinneren bewirkt
an der Ein- und Austrittstelle des elektrischen Stroms erhebliche
Wärmebildung. Dies kann großflächige und schwere Verbrennungen verursachen. Beim Kontakt mit Spannungsträgern oder
Blitzeinschlägen in den Kopf kann der Strom von oben nach
unten den gesamten Körper durchfließen, so dass neben einer
Schädigung des Gehirns auch andere Organe und das Rückenmark betroffen sein können. Bei einem durch einen Stromunfall
ausgelösten Kreislaufstillstand ist der schnellstmögliche Einsatz
eines AED sinnvoll.
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
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2007
Verlauf und Erscheinungsbild
Bei Stromunfällen oder Blitzschlag reagieren die Muskelfasern
auf den elektrischen Reiz mit heftiger Verkrampfung. Diese
sog. Muskelspasmen können zu schweren Verletzungen des
Bewegungsapparates führen (Knochenbrüche, Muskelfaserund Bänderrisse).
Bei längerer Einwirkzeit oder hohen Spannungen kann es
durch die Verkrampfung der Koronargefäße zu Herzrhythmusstörungen bis zum Herz- Kreislaufstillstand kommen.
Wird an den Kontaktstellen die Wärmeschwelle des menschlichen Gewebes überschritten, bilden sich Strommarken. Strommarken sind rundliche, von einer zentimeterbreiten weißlichen
und harten Zone umgebene Hautverbrennungen.
Bei entsprechend hoher Spannung kann es sowohl auf der
Körperoberfläche als auch im Körperinneren zu ausgedehnten
Verbrennungen mit den bekannten Problemen der Organ- und
Hautzerstörung kommen.
Maßnahmen
Der Eigenschutz steht immer im Vordergrund, dabei gilt Sicherheit vor Schnelligkeit. Grundsätzlich muss der Stromkreis im
häuslichen Bereich unterbrochen werden. Bei Hochspannungsunfällen muss das E-Werk bzw. die Bahn benachrichtig werden
und ein Sicherheitsabstand von mind. 10 Metern eingehalten
werden. Nach erfolgter Rettung müssen die Vitalfunktion gesichert
und ggf. wieder hergestellt werden. Frühzeitiger Notarztruf!
Strommarken werden keimfrei und locker bedeckt. Achtung auf
Begleitverletzungen! Das Bergrettungsteam muss jederzeit
Herz-Lungen-Wiederbelebungsbereit sein.
Überblick über die Maßnahmen
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Überblick über das Erscheinungsbild
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Strommarken an Ein- und Austrittsstellen
Krämpfe, Lähmungserscheinungen
Verbrennungen
evtl. Begleitverletzungen
Bewusstlosigkeit
Herzrhythmusstörungen
Herz-Kreislauf-Stillstand
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Eigensicherheit beachten, Stromkreise unterbrechen
Rettung aus dem Gefahrenbereich
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Notarzt
Sauerstoffgabe
auf Begleitverletzungen achten
Brandwunden versorgen
Herz-Lungen-Wiederbelebungsbereitschaft
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Transport in geeignete Klinik (Brandverletzungen!)
136
7. Sonstige Notfälle
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Ein Bergwanderer ist in einem Klettersteig unterwegs als ein
Gewitter aufzieht. Es kommt zu einem Blitzschlag, der den
Bergsteiger trifft. Er hängt bewusstlos im Klettersteig. Aufgrund des Wetters ist eine Rettung aus der Luft nicht
möglich und ihr macht Euch zu Fuß auf den Weg.
1. Von welchen Faktoren ist die Schwere
eines Elektrounfalls abhängig?
2. Bei Wartungsarbeiten an einer Bergbahn greift ein Mitarbeiter an ein Kabel, welches unter Strom steht. Ein anderer
unterbricht kurz darauf den Stromkreis. Ihr kommt mit
eurem Einsatzfahrzeug zu der Bergbahn und findet den
Arbeiter mit Verbrennungen an beiden Händen vor. Er ist
ängstlich und kaltschweißig.
3. Mit welchen Verletzungen muss außer Brandwunden
bei Hochspannungsunfällen bzw. Blitzschlag noch
gerechnet werden?
3. Ein Bergbauer repariert eine kaputte Lampenfassung auf
seiner Alm. Hierbei kommt es zu einem Stromschlag worauf
er die Leiter herunter fällt. Er schlägt mit dem Kopf auf und
liegt bewusstlos im Stall. Als ihr ihn vorfindet, seht ihr den
linken Arm in abnormer Lage.
5. Auf was müsst ihr als erstes achten, wenn ihr
zu einem dieser Unfälle gerufen werdet?
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
2. Welche Ausrüstungsgegenstände nehmt ihr im Fall
eins mit auf den Weg zur Einsatzstelle?
4. Welche Möglichkeiten kennt ihr, einen Betroffenen,
der noch im Stromkreis hängt, von diesem zu trennen?
137
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
8. Spezielle Notfälle in der Bergrettung
Fachbereich:
Ausbildungsstufe:
Stand:
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Notfallmedizin
Grundausbildung
12 / 2007
139
8. Spezielle Notfälle in der Bergrettung
8.1 Ermüdung und Erschöpfung, Bergungstod
Störungen und Gefahren
Wird ein Organismus dauerhaft stark beansprucht, kommt es
zur Ermüdung. Ermüdung kann sowohl muskulär als auch
geistig sein. Häufig ist es eine Mischform aus beidem. Sie führt
immer zu einer Minderung der Leistungsfähigkeit. Das Überschreiten der eigenen Leistungsgrenze in Kombination mit
Energie- und Flüssigkeitsmangel, zu wenigen Pausen, Nässe,
Kälte, einer leichten Unterkühlung oder örtlichen Erfrierung
führt zu einem raschen Verfall der Leistungsfähigkeit. Kommt
dann noch Angst, Konzentrationsschwäche und Lustlosigkeit
hinzu, führt Ermüdung zur Erschöpfung mit all ihren Gefahren.
Durch Konzentrationsmangel kann es zur Fehlbeurteilung von
kritischen Situationen kommen, durch muskuläre Schwäche
drohen Fehltritt und Absturz. Im Erschöpfungszustand mobilisiert der Körper die letzten Reserven. Er ist in einer maximalen
Stressreaktion. Körpereigene Hormone (Adrenalin und Cortison)
haben eine wichtige Überlebensfunktion.
Kommt nun Hilfe zu den Betroffenen, kann es zum Wegfall
der lebenswichtigen Stressreaktion und zum Bergungstod
kommen. Um dies zu verhindern, sollte der Betroffene zur aktiven
Mitarbeit an der Rettung aufgefordert werden. Keinesfalls sollte
ihm die sichere Gewissheit der Rettung „jetzt ist alles gut“ nahe
gebracht werden. Der Betroffene muss mit allen Mitteln wach
gehalten werden. Bergsteiger, die Aufputschmittel wie Koffeinkonzentrate, Anabolika oder Spezialdrinks verwenden, vermindern die natürliche Leistungsreserve und haben im Ernstfall ein
höheres Risiko eines Bergungstodes.
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
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2007
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Müdigkeit und Kraftlosigkeit verspürt jeder Mensch, der sich
körperlich betätigt. Greift der Betroffene hier nicht regulierend mit Energie- und Flüssigkeitszufuhr sowie angemessenen
Pausen ein, verschlechtert sich sein Zustand sehr schnell. Konzentrationsmangel und zunehmende Teilnahmslosigkeit folgen.
Am Ende dieses Abbauprozesses steht dann die Bewusstlosigkeit mit drohendem Herz-Kreislauf-Versagen.
Überblick über das Erscheinungsbild
bei Ermüdung und Erschöpfung, Bergungstod
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Müdigkeit
Kraftlosigkeit, Leistungsschwäche
zunehmende Gleichgültigkeit
Unruhe, Reizbarkeit, Angstzustände bis Panik
Gleichgewichtsstörungen
evtl. Durchfälle und Erbrechen, Seitenstechen
dauerhafte Erhöhung von Puls und Atmung
nur verzögerte Normalisierung von Puls
und Atmung im Ruhezustand
irrationale Handlungen
(z.B. sich im Schneesturm ausziehen usw.)
Bewusstseinsstörung bis Bewusstlosigkeit
Herz-Kreislauf-Versagen
Maßnahmen
Wenn möglich Pause und Reduzierung der körperlichen
Belastung. Zufuhr von energiereicher und schnell verfügbarer
Nahrung und Getränken. Schutz vor Kälte. Wird ein Abstieg
in Erwägung gezogen, muss auf die verminderte körperliche
Leistungsfähigkeit Rücksicht genommen werden.
Bei Bewusstseinstörungen muss ein Notarzt hinzugezogen
werden. Zur Diagnosesicherung sollte eine Blutzuckerbestimmung durchgeführt werden.
Überblick über die Maßnahmen
bei Ermüdung und Erschöpfung, Bergungstod
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ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Patienten über Maßnahmen informieren und beruhigen
Notarzt rufen je nach Erkrankungsschwere / Situation
Blutzuckertest (wenn möglich)
kältegeschützte Pause und warme, gezuckerte
Getränke an einem windgeschützten Ort
Lagerung abhängig der Bewusstseinslage
Wärmeerhalt, zusätzliche Kleidung, Biwaksack
Energiezufuhr durch Schokolade und Müsliriegel
langsamer Abstieg nach Erholung (Rucksack abnehmen)
psychische Betreuung, nie alleine lassen
Hoffnung, aber keine Gewissheit der Rettung geben
lückenlose Überwachung und Dokumentation
140
8. Spezielle Notfälle in der Bergrettung
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Ein Mitglied einer Wandergruppe bleibt erschöpft am Wegrand sitzen. Er klagt über Kraftlosigkeit und Blasen an den
Füßen. Zudem gibt der Wanderer an, am Morgen mehrfach
wegen Durchfalls auf der Toilette gewesen zu sein.
1. Welche Ursachen können eine Ermüdung
und eine Erschöpfung auslösen?
2. Du findest einen Bergsteiger, der die Nacht in einem
Biwak verbracht hat. Er wirkt sehr erschöpft und zittert am
ganzen Körper.
3. Wie führst du eine Blutzuckermessung durch?
3. Ihr werdet zu einer Wandergruppe gerufen, die 2 Tage auf
einem Grat blockiert war. Einer der Erschöpften steht in
Unterwäsche da.
2. Welche Maßnahmen ergreifst du bei Erschöpfungszuständen?
4. Welche anderen, euch bekannten Krankheitsbilder, können ein
ähnliches Zustandsbild wie das einer Erschöpfung haben?
5. Welche Getränke sind für eine erschöpfte Person
geeignet, welche nicht?
6. Was sind die Ursachen eines Bergungstodes,
wie kann man ihn vermeiden?
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
141
8. Spezielle Notfälle in der Bergrettung
8.2 Lawinenverschüttung
Gründe hierfür sind:
eine Verlegung der Atemwege mit Schnee
eine Behinderung der Atemmechanik durch die Schneemassen
sehr hohe CO2 (Kohlendioxid) Konzentrationen durch die Ausatemluft und Sauerstoffmangel im umgebenden Schnee
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Ein weiterer Faktor, der den Verschütteten bedroht, ist die
fortschreitende Unterkühlung. Aus diesem Grund wird ab
einer Verschüttungsdauer von über 35 Minuten der Verschüttete
schonend geborgen, um das kalte Schalenblut nicht mit dem
warmen Kernblut zu vermischen.
Grund für dieses Vorgehen sind statistische Forschungsergebnisse:
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Im Schnee ist so viel Sauerstoff gespeichert, dass ein Überleben über einen gewissen Zeitraum möglich ist. Ab einer
Verschüttungsdauer von 35 Minuten ist ein Überleben ohne Atemhöhle sehr unwahrscheinlich. Von einer Atemhöhle spricht man,
wenn Mund und Nase nicht mit Schnee oder Erbrochenem
verlegt sind. Es kann sich auch ein wenige Zentimeter breiter
Spalt vor den Atemwegen befinden.
Das Vorhandensein einer Atemhöhle zum Zeitpunkt der Rettung
ist ein sicherer Beweis dafür, dass der Verschüttete nach dem
Stillstand der Lawine noch geatmet hat und gibt Grund zur Hoffnung auf ein Überleben des Verschütteten. Darüber hinaus ist
das Vorhandensein einer Atemhöhle ein wichtiges Entscheidungskriterium für den Notarzt, wie lange die Reanimationsbemühungen sinnvoll erscheinen.
Grundausbildung
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2007
Bis 18 Minuten Verschüttungsdauer überleben ca. 91%.
9% haben tödliche Verletzungen erlitten.
Von 18 bis 35 Minuten Verschüttungsdauer fällt die Zahl
der Überlebenden drastisch auf ca. 34% ab. Ein Großteil der
Verschütteten verstirbt am akuten Sauerstoffmangel (alle ohne
Atemhöhle).
35 bis 90 Minuten Verschüttungsdauer überleben ca. 27% mit
geschlossener Atemhöhle.
Bei mehr als 90 Minuten Verschüttungsdauer tritt der Tod durch
langsames Ersticken und Unterkühlung ein (in der Lawine beträgt
der Kerntemperaturabfall 3 Grad pro Stunde, in Einzelfällen bis
8° pro Stunde je nach Kleidung)
130 Minuten bis 24 Stunden und mehr Verschüttungsdauer
überleben ca. 7% mit nach außen offener Atemhöhle.
Entscheidungskriterien für das weitere Vorgehen des
Notarztes sind die Verschüttungsdauer, das Vorhandensein einer Atemhöhle und die gemessene Körperkerntemperatur.
100
Überlebenswahrscheinlichkeit (%)
Störung und Gefahren
Drei Hauptgefahren lauern auf den Wintersportler in der Lawine.
Verletzungen, die beim Lawinenabgang entstehen, Ersticken
und Unterkühlung. Wird der Lawinenabgang überlebt, droht
der Verschüttete zu ersticken.
80
60
40
20
0
0
30
60
90
120
150
180
Verschüttungsdauer (Minuten)
142
8. Spezielle Notfälle in der Bergrettung
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Der Bewusstseinszustand kann von ansprechbar bis bewusstlos
reichen. Ebenso groß ist die Bandbreite an möglichen Verletzungen. Der Grad der Unterkühlung richtet sich nach der
Verschüttungsdauer und der Kleidung.
Maßnahmen bis 35 min Verschüttungsdauer
Bis zu einer Verschüttungsdauer von 35 Minuten
zählt jede Minute.
Beim Ausgraben des Verschütteten konzentriert man sich zuerst
auf die Atemwege und den Brustkorb. Noch während der Rettung
müssen verlegte Atemwege so rasch wie möglich freigelegt
werden. Bei einem Atemstillstand muss die Beatmung noch
in der Bergungshöhle begonnen werden. Bei einem Kreislaufstillstand wird der Verschüttete rasch geborgen und die HerzLungenwiederbelebung begonnen.
Maßnahmen über 35 Min. Verschüttungsdauer
Ab einer Verschüttungsdauer von 35 Minuten wird der Verschüttete schonend geborgen. Beim Ausgraben sollten möglichst zuerst die Atemwege und der Brustkorb freigelegt werden.
Im Bereich des Kopfes wird besonders auf das Vorhandensein
einer Atemhöhle geachtet.
Um ein weiteres Auskühlen zu vermeiden müssen überflüssige
Körperbewegungen vermieden werden. Auch die Schaffung
einer großen Bergehöhle hat sich aus diesem Grund bewährt.
Sind Bewegungen des Rumpfes und der großen Gelenke für die
Bergung und Lagerung notwendig, so müssen sie so langsam
wie möglich durchgeführt werden.
Überblick über die Maßnahmen
bei Lawinenverschüttung
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Ein weiteres Auskühlen sollte durch Herstellen windstiller
Verhältnisse und Wärmeerhalt mittels Decken und Wärmepacks verhindert werden!
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Notarzt rufen
Atemwege und Brustkorb freilegen
auf Atemhöhle achten
ABC-Sicherung
rasche Bergung bei Verschüttungsdauer unter 35 min
schonende Bergung bei Verschüttungsdauer
über 35 min
Reanimation bei Kreislaufstillstand
Wärmeerhalt
andere Maßnahmen nach Notwendigkeit
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Ein weiteres Auskühlen sollte durch Herstellen windstiller
Verhältnisse und Wärmeerhalt mittels Decken und Wärmepacks verhindert werden!
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
143
8. Spezielle Notfälle in der Bergrettung
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Ihr werdet in ein Skitourengebiet gerufen, wo ein Schneebrett einen Skitourengeher verschüttet hat. Ihr werdet mit
einem Hubschrauber auf das Lawinenfeld gebracht und
findet dort ein bereits geborgenes Lawinenopfer vor. Der
Betroffene wurde von seinen Kameraden bereits nach ca. 25
Minuten ausgegraben. Er ist bedingt ansprechbar und klagt
über Schmerzen im Brustkorb.
1. Wann spricht man von einer Atemhöhle?
2. Ein Schneeschuhwanderer bricht mit einer Schneewächte
ca. 100 m in die Tiefe. Ihr werdet ca. 1 Stunde später alarmiert und rückt sofort zur Unfallstelle aus. Der Vermisste wird
nach ca. 2 Stunden gefunden. Beim Ausgraben stellt ihr fest,
das der Betroffene nicht mehr atmet und keinen Puls mehr
hat. Mund und Nase sind schneefrei, er hat eine vereiste
Atemhöhle.
2. Warum ist es so wichtig, bei der Bergung
auf eine Atemhöhle zu achten?
3. Wodurch sind Verschüttete gefährdet?
4. Warum hat ein Verschütteter ohne Atemhöhle eine schlechtere
Prognose als ein Verschütteter mit Atemhöhle?
5. Ab wie viel Minuten Verschüttungsdauer geht man
zusätzlich auch von einer Unterkühlung aus?
6. Was sind die Ursachen eines Bergungstodes bei einem
Unterkühlten und wie sind die Gegenmaßnahmen?
3. An einem winterlichen Nachmittag beobachtet ihr einen
Lawinenabgang in eurem Dienstgebiet. Ihr seht, wie ein
Skifahrer von den Schneemassen mitgerissen wird. Ca. 20
Minuten nach Abgang der Lawine habt ihr den Betroffenen
freigelegt (keine Atemhöhle). Er besitzt keine Lebenszeichen.
Wie geht ihr vor?
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
144
8. Spezielle Notfälle in der Bergrettung
8.3 Hänge- und Rotationstrauma
Hängetrauma
Störung und Gefahren
Unter einem Hängetrauma versteht man eine Störung, die
von einem Kreislaufzusammenbruch durch bewegungsloses
freies Hängen in einem Anseilgurt verursacht wird. Durch Versacken des Blutes in tiefer hängende Körperregionen kommt es
zur Mangeldurchblutung lebenswichtiger Organe (z.B. Lunge,
Nieren, Herz und Gehirn). Durch diese Kreislaufregulationsstörung entsteht ein lebensbedrohlicher Schockzustand. Auch
nach einer Rettung und Erstversorgung muss mit einer Verschlechterung des Zustandes gerechnet werden. Der Grund
dafür ist das schnell zum Herzen zurückströmende Blut aus den
unteren Körperregionen, das zu einer Herzüberlastung mit lebensbedrohlichen Auswirkungen führen kann. Auch schwere
Begleitverletzungen wirken sich ungünstig auf den Zustand des
Verletzten aus.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Mögliche Auslöser eines Hängetraumas können ein Sturz ins
Seil beim Felsklettern, ein Gletscherspaltensturz oder auch
eine Baumlandung beim Gleitschirmfliegen sein. Bei Patienten
mit Brust-Sitzgurtkombination kommt es zu einem allmählich
einsetzenden Ausfall der Armnerven mit völliger Bewegungsunfähigkeit und durch Einengung des Brustkorbes zur einer
Behinderung der Atmung. Das Versacken des Blutes in die die
unteren Körperregionen führt zu einem Volumenmangelschock.
Die daraus resultierende verminderte Hirndurchblutung führt
zu Bewusstseinsstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit.
Überblick über das Erscheinungsbild
beim Hängetrauma
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Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
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2007
Unfallhergang
Atemnot
Schockzeichen
Schmerzen
evtl. Begleitverletzungen
evtl. Unterkühlung
Bewusstseinsstörungen bis Bewusstlosigkeit
145
8. Spezielle Notfälle in der Bergrettung
Maßnahmen
Nach jedem freien Hängen im Seil soll der Verletzte trotz Zeichen
des Volumenmangelschocks zuerst etwa 3-5 Minuten an den
Fels lehnen bzw. mit Unterstützung stehen. Danach je nach
Zustand des Verletzten für 20-40 min. in Kauerstellung verbringen. Nach Normalisierung der Kreislaufverhältnisse erfolgt
eine Flachlagerung.
Die anderen Maßnahmen der Schockbekämpfung wie Wärmeerhalt, psychische Betreuung und Sauerstoffgabe dürfen dabei
nicht außer Acht gelassen werden. Begleitverletzungen müssen
nach Art und Schwere versorgt werden. Ein Notarzt wird je
nach Schwere der Störung hinzugezogen.
Nach mehr als 30 minütigem Hängen sollte der Patient passiv
mit dem Kopf nach oben abtransportiert werden. Die Lagerung
erfolgt nach Bewusstseinslage.
Überblick über die Maßnahmen beim Hängetrauma
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Rettung aus dem Gefahrenbreich, Eigenschutz abwägen
ABC-Sicherung
Ganzkörpercheck
Sauerstoffgabe
Notarzt rufen
3-5 Minuten stehend mit Unterstützung,
danach Kauerstellung
nach Normalisierung der Kreislaufverhältnisse
situationsgerecht lagern
Wärmeerhalt
Versorgung von Begleitverletzungen
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Jedes Hängetrauma muss im Krankenhaus stationär
überwacht werden!
Maßnahmen bei Bewusstlosen oder Schwerverletzten
Die Bewusstlosigkeit kann durch mangelnde Hirndurchblutung
entstehen. Oberstes Ziel muss die Wiederherstellung eine ausreichenden Hirndurchblutung sein. Dazu wird der Patient
wenn möglich aus dem Hängen heraus auf eine Schaufeltrage übernommen. Ist keine Schaufeltrage vorhanden wird der
Verletzte so schonend wie möglich hingelegt. Jetzt werden an
beiden Oberschenkeln durch Blutdruckmanschetten venöse
Stauungen angelegt und der bewusstlose Patient vorsichtig in
Seitenlage gebracht. Dann werden über einen Zeitraum von 10-30
Minuten die Stauungen der Oberschenkel gelöst
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
im Seil hängt. Der Kletterer gibt an, dass er wegen eines
Steinschlages abgestürzt ist und sich nicht selbst befreien
konnte. Er klagt über Schwindel und Schmerzen in der rechten Schulter und in den Beinen.
3. Ein 60-jähriger Mann stürzt 5 Meter in einem Klettersteig ins
Seil und bleibt dort hängen. Ihr kommt nach einer Stunde
am Einsatzort an und stellt fest, dass der Betroffene lediglich
Schürfwunden hat. Er ist blass und klagt über massive Übelkeit mit Erbrechen.
Übungsfragen
1. Welche Gefahren bestehen bei längerem Hängen im Seil?
Fallbeispiele
2. Was ist bei einem Betroffenen, der länger im
Seil hing, bei der Lagerung zu beachten?
1. Ihr werdet zu einem Gleitschirmflieger gerufen, der in einem
Waldstück abgestürzt ist. Nach ca. 4 Stunden Suche findet
ihr einen bewusstlosen Piloten in ca. 8 m Höhe in den Bäumen
hängen. Beschreibt den Vorgang der Rettung und der Erstversorgung des ca. 30-jährigen Mannes.
3. Welche Organe des menschlichen Körpers sind
besonders beim Hängetrauma betroffen?
2. In einem Klettergarten kommt es zu einem Kletterunfall. Ihr
werdet dorthin gerufen und findet nach ca. 30 min. Fahrt
zum Einsatz einen 19-jährigen Patienten vor, der noch immer
5. Was muss bei einer bewusstlosen Person, die
hängend im Seil aufgefunden wird, beachtet
werden, welche Zusatzgefahren bestehen?
4. Aufgrund welcher Unfälle kann es zu
einem Hängetrauma kommen?
146
8. Spezielle Notfälle in der Bergrettung
Rotationstrauma
Störungen und Gefahren
Ein Rotationstrauma entsteht durch die auf den Körper wirkenden
Kräfte, welche die Körperflüssigkeiten in den Bein- und den Kopfbereich verlagern, was neben Blutverteilungsstörungen zu massiven lokalen Druckanstiegen führen kann. Es kann zum Platzen
von Blutgefäßen mit Einblutungen kommen (Schädel-Hirn-Trauma).
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Beim Aufnehmen eines Bergesackes mit dem Hubschrauber
beginnt sich der Bergesack um die eigene Achse zu drehen.
Dabei werden je nach Dauer des Vorganges enorme Beschleunigungskräfte (bis 15 G = fünfzehnfaches der Erdbeschleunigung!) im Kopf- und Beinbereich erreicht. Dadurch wird die
Blutzirkulation stark beeinträchtigt und das Blut in den Kopf
und die unteren Extremitäten verlagert. Dieser Mechanismus
führt zu massiven lokalen Druckanstiegen. Der Betroffene ist
rasch bewusstseinsgetrübt und bereits nach kurzer Zeit bewusstlos. Zudem entstehen Einblutungen im Gesicht bzw. in
den Augenhöhlen, ins Gewebe (geplatzte Kapillargefäße) oder
sogar ins Schädelinnere (Hirnblutung). Es besteht dabei die
Gefahr des Atem- und Kreislaufstillstandes.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Überblick über das Erscheinungsbild
beim Rotationstrauma
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Unfallhergang, Ablauf des Windenvorganges
Schwindel, Übelkeit
Einblutungen (Gesicht, Gewebe, Augen!)
Schockzeichen
evtl. Begleitverletzungen
Bewusstseinstrübung bis Bewusstlosigkeit
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8. Spezielle Notfälle in der Bergrettung
Maßnahmen
Die Maßnahmen sind die gleichen wie beim Schädel-Hirn-Trauma.
Nach einem Ganzkörpercheck erfolgt je nach Verletzungsschwere eine Notarztnachforderung. Die Lagerung orientiert
sich an der Bewusstseinslage und den Kreislaufverhältnissen.
Ansprechbare Patienten werden mit leicht erhöhtem Oberkörper gelagert. Bewusstseinsgetrübte oder bewusstlose Patienten in die stabile Seitenlage bringen. Weitere Maßnahmen
sind Schockbekämpfung mit Sauerstoffgabe, Wärmeerhaltung
und psychischer Betreuung. Während des Abtransportes wird
der Patient engmaschig überwacht. Anschließend werden alle
Maßnahmen dokumentiert.
Überblick über die Maßnahmen
beim Rotationstrauma
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Ganzkörpercheck
Notarzt rufen
Sauerstoffgabe
Patienten beruhigen
situationsgerechte Lagerung
Schockbekämpfung, Wärmeerhaltung
lückenlose Überwachung und Dokumentation
Fallbeispiel
1. Ihr habt einen abgestürzten Kletterer versorgt, der jetzt
durch die Winde eines Hubschraubers aufgenommen wird.
Eine Anti-Rotations-Leine ist in Verwendung. Plötzlich ändert
der Hubschrauber seine Position und die Antirotationsleine
verfängt sich in einem Baum und reißt ab. Der Betroffene im
Bergesack rotiert immer schneller. Der Pilot erkennt dies und
fängt dies durch Vorwärtsflug ab. Am Zwischenlandeplatz
müsst ihr die Versorgung sicherstellen.
Übungsfragen
1. Wie kann man die gesundheitlichen Schäden
durch ein Rotationstrauma erkennen?
2. Wie werden Betroffene versorgt?
3. Durch welchen Mechanismus entsteht ein Rotationstrauma?
4. Wie stark können die Beschleunigungkräfte
im Bergesack werden?
5. Warum kann ein Rotationstrauma lebensbedrohlich werden?
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8. Spezielle Notfälle in der Bergrettung
8.4 Höhenerkrankungen
Störung und Gefahren
Kalte, trockene Luft, erhöhte UV-Strahlung und vor allem Sauerstoffmangel sind die wesentlichen Faktoren, die zu einer Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit in der Höhe führen.
Die Zusammensetzung der Luft ist bis in große Höhen gleich,
der Barometerdruck aber halbiert sich alle 5500 Höhenmeter,
so dass mit zunehmender Höhe der Sauerstoffpartialdruck abnimmt. Bei raschem Aufstieg in mittlere Höhen (1500-2500 m
über dem Meer) kommt es bereits zu Funktionseinschränkungen des Gehirns. Große Höhen sind Höhen zwischen 2500 und
5300 m über dem Meer. Hier ist eine Akklimatisation erforderlich. Akklimatisation ist die dauerhafte Anpassung an einen
verminderten Sauerstoffpartialdruck. Es gibt drei wesentliche
Formen von Höhenerkrankungen.
1. akute Höhenkrankheit (AMS)
2. Höhenlungenödem (HAPE) und
3. Höhenhirnödem (HACE)
Die gemeinsame Ursache aller drei Formen
ist der Sauerstoffmangel.
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Akklimatisation
Eine gute Akklimatisation kann das Erkrankungsrisiko reduzieren.
Wichtig ist eine langsame Gewöhnung an die Höhe. Die Akklimatisation war erfolgreich, wenn der Ruhepuls und das Leistungsniveau wieder den Werten im Tal entsprechen und eine ausreichende Urinproduktion besteht.
Akklimatisationsregeln
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“climb high-sleep low“: Schlafhöhe
täglich um 300 – 500 m erhöhen
“don’t go too high too fast”: Langsam aufsteigen,
keine Aufstiegshilfen wie Helikopter etc.
“don’t go up until symptoms go down“:
achte auf Frühzeichen der akuten Höhenkrankheit
Verlauf und Erscheinungsbild
Die akute Höhenkrankheit tritt vermehrt in Höhen zwischen
2500 und 6000 m auf. Die Beschwerden treten typischerweise
6 bis 48 Stunden nach Höhenexposition auf.
Anfangs treten so genannte Frühzeichen wie Kopfschmerz,
Appetitlosigkeit, unruhiger Schlaf, und nächtliche Atempausen
auf. In dieser Phase der Erkrankung kann man noch auf gleicher
Höhe eine Besserung abwarten.
Später können Warnsymptome hinzukommen. Starker anhaltender
Kopfschmerz, Übelkeit, markanter Leistungsabfall, Schwindel und
Bewusstseinsstörungen müssen sehr ernst genommen werden.
Das Höhenhirnödem ist eine schwere Verlaufsform der
akuten Höhenkrankheit. Sie verläuft häufig tödlich. Die Häufigkeit ist mit 0,3% in großen Höhen geringer als beim Höhenlungenödem. Es tritt fast immer mit Gangunsicherheit und
schwersten Kopfschmerzen in Erscheinung. Zudem treten Übelkeit und Erbrechen, Schwindel, Lichtscheue, Sehstörungen und
Halluzinationen bis hin zu Bewusstseinsstörungen und Bewusstlosigkeit auf.
Das Höhenlungenödem kommt in Höhen über 2500 Metern
vor. Es beginnt meist in der zweiten Nacht in einer neuen Höhe.
Auf 4500 m haben 15% der Bergsteiger unter starker körperlicher Belastung ein leichtes Höhenlungenödem. Wichtige
Hinweise für ein beginnendes Höhenlungenödem sind der
plötzliche Leistungsabfall, Atemnot zu Beginn nur bei Anstrengung, später in Ruhe, Blauverfärbung der Schleimhäute,
trockener Husten, später Husten mit blutig schaumigen Auswurf, Rasselgeräusche und Fieber bis 38,5°C. Zwei weitere höhenbedingte Erkrankungen sind periphere Höhenödeme
(Schwellungen an Fingern, Füßen und Gesicht) sowie Einblutungen der Netzhaut. Beide sind an sich harmlos, gelten aber als
Warnhinweise für einen gestörten Akklimatisationsprozess.
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8. Spezielle Notfälle in der Bergrettung
Überblick über das Erscheinungsbild
Akute Höhenkrankheit (AMS)
Überblick über das Erscheinungsbild
Höhenlungenödem (HAPE)
Frühzeichen
Kopfschmerzen
Übelkeit
Appetitlosigkeit
Unruhiger Schlaf
Nächtliche Atempausen
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Warnsymptome
rapider Leistungsabfall
konstante, schwere Kopfschmerzen
Schlaflosigkeit
schwere Übelkeit, Erbrechen
Schwindel, Benommenheit
Gleichgewichtsstörungen
periphere Höhenödeme
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plötzlicher Leistungsabfall
Atemnot bei Anstrengung mit
verzögerter Erholung in Ruhe
später Atemnot in Ruhe
Blauverfärbung der Schleimhäute
trockener Husten, später mit blutig schaumigem Auswurf
Rasselgeräusche in der Lunge
Erbrechen
Fieber bis 38,5°C
Flachlagerung unmöglich
Lagen abgestiegen werden. Auf ausreichenden Kälteschutz
ist immer zu achten, Sauerstoff sollte verabreicht werden. Ein
Erkrankter darf nie alleine gelassen werden. Prinzipiell sollte
auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden (4-5
Liter pro Tag). In den Alpen ist bei Flugwetter ein Rettungshubschrauber das geeignete Rettungsmittel.
Überblick über die Maßnahmen
Milde Höhenkrankheit (AMS)
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Überblick über das Erscheinungsbild
Höhenhirnödem (HACE)
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schwerste Kopfschmerzen
Übelkeit und Erbrechen
Gang- und Stehunsicherheit
Schwindel
Lichtempfindlichkeit und Sehstörungen
Bewusstseinsstörung bis Bewusstlosigkeit
Maßnahmen
Die effektivste Maßnahme zur Behandlung der akuten Höhenkrankheit ist die Erhöhung des Sauerstoffpartialdruckes entweder durch Abstieg, durch Sauerstoffgabe oder indem man
den Betroffenen in einen Überdrucksack legt. Die medikamentöse Therapie ist häufig hilfreich, in einigen Fällen sogar
lebensrettend, sollte aber „Spezialisten“ vorbehalten bleiben.
Bei Frühzeichen der akuten Höhenkrankheit darf nicht weiter
aufgestiegen werden, sondern müssen ein bis zwei Ruhetage
ohne körperliche Belastung eingelegt werden. Verbessert sich
der Zustand des Betroffenen nicht, muss abgestiegen werden.
Bei Warnsymptomen der akuten Bergkrankheit, von Höhenhirnödem oder Höhenlungenödem muss immer sofort in tiefere
Schwere Form der akuten Höhenkrankheit,
Höhenhirnödem (HACE), Höhenlungenödem (HAPE)
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
nicht weiter aufsteigen
Ruhepause (1-2 Tage)
Abstieg, ggf. Betroffenen tragen
viel trinken
Kopfschmerztherapie mit Ibuprofen, ASS, usw.
(Unverträglichkeit abklären)
sofortiger Abtransport in tiefe Lagen
Sauerstoffgabe
Wärmeerhaltung
heiße, gezuckerte Getränke mit Mineralien
(abhängig von der Bewusstseinslage),
evtl. Infusionstherapie durch Arzt
evtl. Überdrucksack
Notarzt rufen (Hubschrauber)
Lagerung abhängig der Bewusstseinslage,
wenn möglich Oberkörperhochlage
medikamentöse Therapie (Diamox, Dexamethason
bei HACE, Nifedipin bei HAPE) durch Arzt
lückenlose Überwachung und Dokumentation
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8. Spezielle Notfälle in der Bergrettung
Fallbeispiele
Übungsfragen
1. Ihr werdet nachts in einer Hütte auf 2485 m vom Hüttenwirt geweckt. Ein Bergsteiger hat Atemnot. Er kann im Sitzen
besser atmen als im Liegen. Seine Lippen sind blau verfärbt.
1. Ab welcher Höhe können Höhenkrankheiten
auftreten und welche?
2. Ihr macht privat eine alpine Hochgebirgstour auf 3500 m und
findet eine 40-jährige Frau vor. Die Frau klagt über Atemnot
und Übelkeit, möchte aber weiter Aufsteigen. Welchen Rat
gebt ihr?
3. Ihr seid privat auf das Jungfraujoch mit der Bahn hochgefahren (3500 m). Ein älteres Ehepaar kommt ins Restaurant
und klagt über Unwohlsein mit Übelkeit, leichte Kopfschmerzen und Schwindel. Sie erzählen, dass das Frühstück heut
morgen nicht so gut war. Was denkt ihr?
2. Bei welchen Symptomen darf nicht weiter
aufgestiegen werden?
3. Bei welchen Symptomen muss sofort versucht werden,
weiter abzusteigen oder einen Überdrucksack zu verwenden?
4. Nenne drei durch große Höhe ausgelöste Krankheiten!
5. Dürfen Bergsteiger mit Höhenlungenödem trinken?
4. Ihr seit mit der Bahn auf 3650 m hochgefahren und habt
dort übernachtet. Am nächsten Morgen wollt ihr einen Viertausender besteigen. Ihr habt beim Frühstück bereits rasende
Kopfschmerzen und Appetitlosigkeit. Was macht ihr?
5. Ihr seit im Basislager auf 5300 m. Ein Bergsteiger fällt durch
Gangunsicherheit, Teilnahmslosigkeit und massive Kopfschmerzen auf. Das Essen hat er bereits erbrochen.
6. Am Jubiläumsgrat (Zugspitze) werden zwei Bergsteiger nach
3 Tagen Suchaktion im Winter gefunden und gerettet. Sie
sind unverletzt klagen aber über Übelkeit, Schwindel, „kalte
Füße“ und Kopfweh.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
9. Psychische Notfälle
Einsatz Todesfall, psychische Belastung und Erkrankungen
Fachbereich:
Ausbildungsstufe:
Stand:
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Notfallmedizin
Grundausbildung
12 / 2007
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9. Psychische Notfälle
9.1 Einsatz Todesfall
Die Feststellung des Todes erfolgt prinzipiell durch einen Arzt.
Nur im Ausnahmefall kann die aktive Einsatzkraft die Todesfeststellung übernehmen bei Verletzungen, die mit dem Leben
nicht vereinbar sind oder bei Vorliegen sicherer Todeszeichen
wie Totenflecken, Leichenstarre oder Verwesungszeichen. Vorsicht allerdings besonders bei Unterkühlung und Vergiftungen.
Würde und Anstand sind die ersten Gebote im Umgang mit
Verstorbenen. An der Leiche soll nicht manipuliert und die Lage
oder Auffindesituation nicht unnötig verändert werden. Der
Verstorbene muss solange vor Ort belassen werden, bis die
Polizei anwesend ist und den Leichnam freigibt. Erfolgt eine
Bergung der Leiche ohne Inaugenscheinnahme durch die
Polizei, sollten nach Möglichkeit zumindest Fotos gemacht
werden. Für Bergung und Transport von Leichen werden in der
Regel besondere Transportsäcke verwendet.
Der Verstorbene soll unmittelbar nach der Todesfeststellung
zugedeckt werden, auch wegen unbeabsichtigt vorbeikommender Passanten oder Einsatzkräften. Helfer, die noch nicht
mit Toten im Einsatz konfrontiert waren und belastet wirken,
sollten darauf angesprochen werden. Die Überbringung von
Todesnachrichten an Angehörige wird in der Regel in Zusammenarbeit von Polizei und Kriseninterventionsdienst durchgeführt.
Die Verabschiedung vom Verstorbenen durch Angehörige und
Tourenpartner ist ein wichtiger Schritt im Umgang mit dem
Tod und wird deswegen von den Einsatzkräften der Krisenintervention unterstützt und vorbereitet.
1. Eine erfolglose Reanimation wird durch den Notarzt abgebrochen. Der Einsatzort befindet sich im Skipistengelände
500 m oberhalb der Talstation.
2. Bei Anbruch der Dunkelheit werdet ihr zu einem abgestürzten Kletterer gerufen. Der Seilpartner war zur Hütte abgestiegen, um die Bergwacht zu verständigen. Der Absturz
erfolgte über eine Wandhöhe von 300 m. Die Verletzungen
sind nicht mit dem Leben vereinbar, ein Notarzt ist nicht mit
vor Ort. Ein Hubschraubereinsatz ist auf Grund von Dunkelheit und Gelände nicht möglich.
Überblick über die Maßnahmen Einsatz Todesfall
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Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
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Fallbeispiele
Todesfeststellung nur durch den Notarzt
Alarmierung Kriseninterventionsdienst
keine Manipulation am Leichnam
Abdecken des Leichnams
Alarmierung der Polizei
Abtransport nach Anweisung durch die Polizei
ggf. bildliche Dokumentation
Übungsfragen
1. Wer ist vor der Bergung eines Leichnams zu verständigen?
2. Wer ist für die Todesfeststellung zuständig?
3. Nenne Beispiele für sichere Todeszeichen.
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9. Psychische Notfälle
9.2 Psychische Belastung
Im Zuge von Freizeit und Erleben im Gebirge stellen Tod und
Unfallereignisse psychische Ausnahmesituationen für Beteiligte
und Angehörige dar.
Störung und Gefahren
Betroffene können Angehörige, Hinterbliebene Gruppenmitglieder,
Ersthelfer sein, aber auch Dritte die sich betroffen fühlen. Auslösende Faktoren sind Ereignisse, auf die sich der Betroffene nicht
einstellen kann, weil sie überraschend kommen und als Bedrohung
des Lebens oder der Existenz erlebt werden, unabhängig davon,
ob dies objektiv nachvollziehbar ist. Dazu kann auch der Tod eines
Angehörigen oder eines nahestehenden Menschen zählen.
Erscheinungsbild (Symptome) und Verlauf
Der Betroffene erlebt völlige Hilflosigkeit, intensive Angst,
Entsetzen oder Grauen, sowie Chaos oder Orientierungslosigkeit. Erkennungsmerkmale dafür sind z.B. Gefühllosigkeit,
Abgestumpftheit oder fehlende emotionale Reaktionsfähigkeit.
Verminderung der Wahrnehmungsfähigkeit der Umwelt und
unangebrachte Verhaltensweisen können zu Selbstgefährdung
führen, bis hin zum Gefühl, alles passiere nur im Traum oder
sei unwirklich wie in einem Film. Zum Teil kann man sich an
wichtige Aspekte des Geschehenen nicht mehr erinnern.
Auswirkungen davon können sich auch erst nach einigen Stunden
oder Tagen zeigen, z.B. durch auffälliges Vermeiden von Gesprächen,
Gedanken, Handlungen, Personen und Orten, die Erinnerungen
an das Ereignis hervorrufen.
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
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Weitere Symptome können gesteigerte Aggressivität, Reizbarkeit
und Überempfindlichkeit, Schlafstörungen, Alpträume, Konzentrationsstörungen, Schreckhaftigkeit und innere Unruhe sein.
Diese Symptome sind eine normale Reaktion auf ein außergewöhnliches Ereignis. Sie können nur einige Tage aber auch bis
zu vier Wochen andauern.
Die Art und Form der emotionalen Reaktion hängt von der
persönlichen Entwicklung und Erfahrungen ab und können
nicht abgeschätzt werden.
Maßnahmen
Die aktive Einsatzkraft sollte sich einen Überblick verschaffen und
frühzeitig den Kriseninterventionsdienst alarmieren, Betroffene –
auch emotional – nicht alleine lassen, zuhören und bei Antworten
diese nicht werten. Gefühle und Aussagen sollten akzeptiert werden
und bei Unklarheiten sollten nur gesicherte Tatsachen wertungsfrei weitergegeben werden.
Ziel bei der Betreuung Betroffener ist die emotionale Stabilisierung
in der akuten Notfallsituation. Die längerfristige Begleitung oder
psychotherapeutische Betreuung ist Aufgabe professioneller Stellen.
Überblick über das Erscheinungsbild
Zeitnah zum Geschehen
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Entsetzen, Grauen, Fluchtreaktionen
Chaos, Orientierungslosigkeit
völlige Hilflosigkeit
Gefühllosigkeit
sachlich unangepasstes Verhalten
intensive Angst
Selbstgefährdung
Schuldgefühle
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9. Psychische Notfälle
Ersthelfer
Bei der Betreuung von Ersthelfern ist darauf zu achten, sie nicht
zu übersehen, sie zu motivieren und Wert zu schätzen. Oft leidet
ein Ersthelfer unter dem Gefühl, nicht genug oder das Falsche
getan zu haben. Vorhandene Schuldgefühle sollten dabei
relativiert und ihm für sein Engagement gedankt werden. Auch
kann er – sofern er das möchte – evtl. in die weitere Versorgung
mit eingebunden werden. Betreuung kann auch bedeuten, dem
Ersthelfer verwendetes Verbandsmaterial zu ersetzen, etwas
zu essen oder trinken anzubieten oder bzgl. der Fortsetzung/
Abbruch der Tour zu beraten. Die Möglichkeit zum „Durchschnaufen“
sollte in jedem Fall ermöglicht werden.
Gruppen
Gruppen, die durch den Unfall eines Mitgliedes unmittelbar
betroffen sind, dürfen keinesfalls unbeachtet bleiben. Unter
Berücksichtigung der körperlichen und psychischen Verfassung
kann ein sicherer Abstieg im Rahmen einer Betreuung durch
den Kriseninterventionsdienst erfolgen. Ggf. sollte spätestens
nach Ankunft im Tal der Betreuungsbedarf abgeklärt werden,
bevor die Gruppe auseinander geht. Starke psychische Belastungen vermindern die Leistungsfähigkeit, weshalb auf ausreichend Pausen geachtet werden soll.
Umgang mit Medien
Beim Umgang mit Medien ist insbesondere bei Einsätzen mit
Schwerverletzten und/oder Toten darauf zu achten, dass die
Medienarbeit grundsätzlich im Interesse der Bergwacht ist,
deshalb aber auch im Aufgabenbereich von Pressesprechern
liegt. Bei Unklarheiten kann der EL Bergwacht kontaktiert
werden. Patienten, Angehörige und alle Betroffenen sollten
vor der Medienberichterstattung geschützt werden, wir selbst
unterliegen der Schweigepflicht und es ist auch nicht unsere
Aufgabe, über mögliche Schuldfragen zu befinden.
Da alle am Einsatz beteiligten aktiven Einsatzkräfte mehr oder
weniger stark emotional beteiligt sind, ist es häufig besser,
jemandem die Arbeit mit der Presse zu übertragen, der etwas
Abstand zu dem Einsatz hat.
Überblick über die Maßnahmen
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Gelegentlich realisieren Betroffene die Tragweite eines Ereignisses erst zeitversetzt, weshalb die emotionalen Reaktionen
individuell und sehr unterschiedlich auftreten können. Häufig
tritt dies bei Gruppenmitgliedern auf, die anfänglich distanziert,
„abgeklärt“ oder „cool“ wirken.
Es ist wichtig, darauf zu achten, wie Gruppenmitglieder miteinander umgehen (Schuldzuweisungen, o.ä.) und ob evtl. Einzelgespräche notwendig sind.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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Überblick über das Unfallgeschehen
und Beteiligte verschaffen
Kontakt zu Beteiligten herstellen
und durchgehend sicherstellen
Akzeptanz zeigen für die Situation des Betroffenen
sprechen, informieren und zuhören
Selbständigkeit unterstützen
ggf. Alarmierung Krisenintervention
Kriseninterventionsdienst
Für die Betreuung von Betroffenen, Angehörigen, Bergkameraden, Freunden und Ersthelfern stehen Kriseninterventionsdienste
zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um Einsatzkräfte aus
dem Berg- bzw. Rettungsdienst, welche über eine Zusatzausbildung für diese Aufgabe verfügen. Sie stehen im Einsatzfall zeitnah zur Verfügung und entlasten die Einsatzkräfte, welche in
den unmittelbaren Rettungseinsatz eingebunden sind.
Ziel dieser Arbeit ist die Unterstützung der Betroffenen zur
Wiedererlangung von Handlungsfähigkeit in dieser außergewöhnlichen Situation. Ferner soll Vorsorge gegenüber der
Entstehung einer psychischen Krankheit (z.B. Posttraumatische
Belastungsstörung, „krankhafte“ Trauer) in Folge des Unfallereignisses getroffen werden.
Ein Alarmierung sollte möglichst zeitnah erfolgen bei:
Einsatzsituation für Krisenintervention
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Reanimation oder Todesfall
Polytrauma
Lawinenunglück
Vermisstensuche
Seilbahn- oder Liftunglück
Schwerer Verkehrs- oder Arbeitsunfall am Berg
Suizid (auch Versuch)
Tod eines Kindes
Überbringen einer Todesnachricht an Hinterbliebene
Nach Einschätzung / Bedarf des Einsatzleiters,
der Einsatzkräfte
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9. Psychische Notfälle
Umgang mit der eigenen Belastung
Der Umgang mit der eigenen Belastung beginnt im Rahmen der
Anwärterausbildung. Ein hohes Maß an fachlicher Qualifikation
im Bereich der Bergrettung und eine entsprechende körperliche
Fitness erhöhen die Reizschwelle für das Aufkommen von Stress.
Eine gut funktionierende Kameradschaft und ein konstruktives
Miteinander kann die Einsatzbelastung jedes Einzelnen deutlich
verringern.
Nur ca. 5 – 10% aller Bergretter/-innen werden innerhalb ihrer
Bergwachttätigkeit mit dem Anblick eines toten Menschen konfrontiert. Dennoch muss jeder darauf vorbereitet sein. Einsatznachbesprechungen sollten sich generell nicht ausschließlich
auf den taktischen Ablauf des Einsatzes beschränken. Oberstes
Ziel muss es immer sein, die emotionale Belastung der Einsatzkräfte zu reduzieren.
Die Maßgabe für das, was als belastend empfunden wird, ist
dabei nicht die allgemeine Meinung, sondern das, was jeder
Einzelne für sich als belastend empfindet. Auch Bergretter /-innen
mit sehr viel Einsatzerfahrung sind vor akuter Traumatisierung
nicht gefeit. Es ist wesentlich mutiger zu sagen: „Der Einsatz ist
mir nahe gegangen“, oder „ich bekomme das Bild dieser schweren Verletzung nicht aus dem Kopf“, als vorzugeben „das macht
mir gar nichts aus“.
Galgenhumor und Witze reißen muss nicht zwangsläufig ein
Zeichen von Gefühllosigkeit sein. Meist ist es nur ein Mittel,
um mit der Situation umgehen zu können. Vorsicht, dies darf
nicht in der Nähe von Betroffenen oder über Funk geschehen.
Feste Rituale sind ein gutes Mittel, um bewusst aus dem Einsatz
zu kommen. z.B. Einsatzleiter: „Danke für Eure gute Arbeit, jetzt
ist Einsatzende“ und den Einsatz nachbesprechen. Ablegen der
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Die Tragödie oder das körperliche Leid, das uns bei manchen
unserer Einsätze umgibt verändert häufig die Biographie der
Beteiligten. Uns als Retter sollte aber sehr bewusst sein, dass
dies das Schicksal anderer Menschen ist und wir in den entsprechenden Einsätzen unser Möglichstes geleistet haben bzw.
zukünftig unser Möglichstes tun.
Die Bergwacht möchte, dass du als Helfer keinen Schaden an
Leib und Seele nimmst. Deshalb erachtet die Bergwacht es als
einen zentralen Bestandteil der Personalfürsorge, dass besonders
belastende Ereignisse im Bergwacht-Dienst verantwortet und
strukturiert aufgearbeitet werden.
Einsatzspezifische Belastungen (Schlafstörungen, Wiedererinnerung, verändertes Essverhalten, Befindlichkeitsstörungen) sind
eine normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis. Sie können
sich jedoch zu posttraumatischen Belastungsstörungen als
schwerem gesundheitlichen Folgeschaden auswirken. Kennzeichnend hierfür können sein: wiederkehrende belastende
Erinnerung an das Ereignis, anhaltende Vermeidung von Reizen,
die mit dem Trauma verbunden sind, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Wachsamkeit, übertriebene Schreckreaktion und
die Verminderung sozialer Kontakte.
Entscheidend zur Erhaltung der seelischen Gesundheit ist der
Umgang mit sich selbst. Zu einer guten Verarbeitung von außergewöhnlichen belastenden Einätze helfen folgende Regeln.
Überblick über die Maßnahmen
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akzeptiere die eigenen Reaktionen und Gefühle
(sie sind keine Schwäche sondern Ergebnis
der geleisteten Arbeit!)
bewusst Abstand gewinnen, Zeit für Erholung
und Abstand planen
sich Zeit für die Verarbeitung nehmen, im Gespräch
oder durch „Aufschreiben“ des Erlebten,
körperliche Aktivität, Sport
Unterstützung bei Freunden und Familien suchen
und annehmen
vertraute Alltags- und Freizeitgewohnheiten
beibehalten
Einsatznachbesprechungen sollten nicht nur auf einsatztechnischer Seite durchgeführt werden, sondern auch einen die
Psyche entlastenden Teil beinhalten. Maßnahmen dieser Art
werden bei entsprechenden Einsätzen nach Anforderung durch
die Mitarbeiter eines SbE Teams (SbE = Stressbearbeitung nach
belastenden Einsätzen) durchgeführt.
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9. Psychische Notfälle
9.3 Psychische Störungen und Erkrankungen
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Akute Belastungsreaktion – ABR
Akute Belastungsstörung – ABS
PTBS Post Traumatische Belastungsstörung
Suizidalität bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen
Akute Belastungsreaktion / (-Störung)
Die Akute Belastungsreaktion ist eine normale körperliche und
seelische Reaktion auf ein außergewöhnliches Ereignis, welche
zu Beginn noch keinen eigenen Krankheitswert besitzt. Allerdings kann sich im Rahmen des Erscheinungsbildes ein Leidensdruck entwickeln, der dann auch die Handlungsfähigkeit einschränken kann. Daraus kann sich eine psychische Störung oder
sogar psychiatrische Erkrankung entwickeln wie z.B. ein verschleppter und unbehandelter grippaler Infekt sich zu einer
lebensbedrohlichen Herzmuskelentzündung ausbreiten kann.
Die akute Belastungsreaktion kann durch ein Unfallereignis mit
Bedrohung des Lebens, der Sicherheit oder Unversehrtheit des
Betroffenen oder einer geliebten Person durch z.B. Unfall, Naturkatastrophe oder ungewöhnliche plötzliche und bedrohliche
Veränderung der sozialen Stellung ausgelöst werden.
An Symptomen zeigt sich meist ein gemischtes und gewöhnlich
wechselndes Bild mit anfänglicher „Betäubung“, dann Angst,
Ärger, Verzweiflung, Überaktivität oder Rückzug. Häufig werden
Ausschnitte der Situation „wiedererlebt“ in Form von Geräuschen,
Bildern, Gerüchen und Sinneseindrücken (Intrusionen). Die Symptome
sind rasch rückläufig nach Ende der unmittelbaren Belastung
können aber auch bis zu 48 Stunden (Belastungsreaktion) bzw.
bis zu 4 Wochen (Belastungsstörung) anhalten.
Grundausbildung
Notfallmedizin| |12
12//2007
2007
Grundausbildung || Notfallmedizin
Posttraumatische Belastungsstörung
Hält die Symptomatik über den Zeitraum von 4 Wochen hinaus
an, kann sich eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
als verzögerte oder verlängerte seelische und körperliche Reaktion auf ein belastendes Ereignis entwickeln. Belastende Ereignisse können sein, eine außergewöhnliche Bedrohung oder ein
katastrophenartiges Ausmaß einer Situation (z.B. bei schwerem
Unfall, gewaltsamen Tod oder Naturkatastrophen). Symptome
sind zusätzlich zu den Merkmalen einer Akuten Belastungsreaktion wiederholtes Erleben der Belastung („flash-backs“),
ein andauerndes Gefühl des Betäubtseins, emotionale Stumpfheit, Teilnahmslosigkeit und die Unmöglichkeit, Freude zu empfinden. Dies führt zur Vermeidung von auslösenden Faktoren,
Angst, Panik und Aggression, einer Übererregtheit und Überempfindlichkeit des Gehirns („Hyperarousal“) bis hin zum Suchtmittelmissbrauch und Suizidalität.
Mit diesen psychiatrischen Erkrankungen ist die aktive Einsatzkraft der Bergwacht am ehesten im Rahmen von Suizidalität
konfrontiert. Effektive spezifische Maßnahmen sind meist nur
durch professionelle Stellen möglich, allerdings kann die Einsatzkraft die Situation durch einige allgemeine Maßnahmen
entschärfen.
Überblick über das Erscheinungsbild
bei psychischen Notfällen / Erkrankungen
Mögliche Merkmale:
Orientierungslosigkeit, Verwirrtheit
Angst und Panik
Wechsel von Ruhe und Erregung, Aggression
Verkennung der Realität
Kontaktaufnahme ist erschwert
Gedankensprünge, Wahnvorstellungen
körperliche Erregtheit, Schwitzen, Übelkeit,
Benommenheit
Äußerungen über suizidale Absichten
Äußerungen über Art und Weise des geplanten
Selbstmordes
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Suizidalität
Dazu abzugrenzende psychiatrische Erkrankungen sind Anpassungsstörungen, Störungen bei denen Gefühle, Gedanken
und Wahrnehmung nicht mehr zusammenarbeiten (disoziative
Störungen), affektive und wahnhafte Störungen, Zwangsund Somatisierungsstörungen sowie Persönlichkeitsstörungen
und Sucht.
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9. Psychische Notfälle
Maßnahmen
Man sollte offen sein und zuhören, mit dem Unerwarteten
rechnen, auf Eigenschutz und Fremdsicherung achten. Ein
„Lösen“ des „Problems“ ist normalerweise nicht möglich, allerdings
können im Rahmen einer Deeskalation Perspektiven angeboten
werden. Sehr zeitnah sollte professionelle Hilfe hinzugezogen werden. Freiheitsentzug, z.B. durch Unterbringung auf einer geschlossenen Station eines Nervenkrankenhauses, ist normalerweise nur
durch ein Gericht, die Polizei oder das Ordnungsamt mit entsprechender ärztlicher Stellungnahme möglich. Dafür müssen
entweder Selbstgefährdung, Fremdgefährdung oder andere
Störungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegen.
Fallbeispiele
Fallbeispiele
1. Ihr werdet zu einem Felsköpfchen gerufen. Dort hält sich
eine Person auf, die Selbstmordabsichten geäußert hat.
Polizei und ein Polizeipsychologe werden gleichzeitig mit
Euch alarmiert, brauchen aber ca. 20 Min. länger als ihr. Ihr
findet eine 28-jährige Frau vor, die mit einem Sprung in die
Tiefe droht.
1. Der Tourenführer einer 6-köpfigen Gruppe ist bei einem
Lawinenabgang tödlich verschüttet worden. Nach der Bergung
sind noch mehrere Einsatzkäfte mit der Gruppe auf dem
Lawinenfeld.
2. Eure Bereitschaft wird zu einer Vermisstensuche alarmiert.
Der Vermisste soll laut Freundin unter Alkohol- und Drogeneinfluss stehen und trägt eine Waffe bei sich. Das Suchgebiet erstreckt sich über steiles Waldgelände.
2. Vor der Bergrettungswache wirst du nach einer erfolglosen
Vermisstensuche von einem Reporter angesprochen, ob es
nicht unvernünftig von der vermissten Person war, allein
unterwegs zu sein. Der gleiche Reporter will von dir wissen,
warum die Suche abgebrochen wurde.
Übungsfragen
Überblick über die Maßnahmen
bei psychischen Notfällen/Erkrankungen
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Eigenschutz und Fremdgefährdung beachten,
Distanz wahren
Sicherheit vermitteln; Kontakt aufrechterhalten
Notarzt, Polizei, Kriseninterventionsdienst rufen
Gedanken und Äußerungen der Betroffenen
zur Selbsttötung sind immer ernst zu nehmen
nur in Ausnahmefällen Gewalt zum Fremd- und/oder
Eigenschutz anwenden
Transport und Weiterbehandlung rechtzeitig organisieren
Übungsfragen
1. Welche Personen werden bei Einsätzen häufig vergessen?
1. Wie soll man sich als Bergretter gegenüber Personen
verhalten, die Selbstmordabsichten geäußert haben?
2. Wer sollte noch möglichst früh alarmiert
und nachgefordert werden?
3. Darf ein Patient mit Gewalt von einem
Selbsttötungsversuch abgehalten werden?
2. Wer übernimmt die Aufgabe der Betreuung von Tourenpartnern und Angehörigen nach Unfällen mit weitreichenden Folgen?
3. Wie können Reaktionen von Beteiligten nach einem
tödlichen Unfall im Gebirge ausfallen?
4. Worin besteht der Unterschied zwischen Akuter Belastungsreaktion und Posttraumatischer Belastungsstörung?
5. Welche Verhaltensweisen sind typisch
für eine akute Belastungsreaktion?
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
10. Praktisches Arbeiten
Fachbereich:
Ausbildungsstufe:
Stand:
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Notfallmedizin
Grundausbildung
12 / 2007
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10. Praktisches Arbeiten
10.1 Beurteilen, messen und überwachen
Beurteilung der Haut
Durch genaues Beobachten des Betroffenen stellt man fest, ob
die Hautfarbe normal rosig, blass oder blau (Zyanose) verändert ist. Eine Blaufärbung ist zuerst an den Schleimhäuten, z.B.
Zunge oder an Lippen, Ohrläppchen und Fingernägeln sichtbar.
Durch Anfassen ist feststellbar, ob die Haut warm oder kalt,
trocken oder feucht ist.
Pulskontrolle Handgelenk
Der Puls ist eine durch Blutauswurf des Herzens entstehende
Druckwelle. Er ist an den oberflächlich verlaufenden Arterien
tastbar bzw. sichtbar. Beim Pulsfühlen können die Frequenz
(Anzahl der Schläge pro Minute) und der Rhythmus (Regelmäßigkeit des Pulses) beurteilt werden.
Puls an der Handgelenksschlagader (Radialispuls)
Von der Daumenseite her kommend, tastet man mit den Fingerbeeren den Puls am Arm. Eine Kontrolle dieses peripheren
Pulses ist jedoch nicht immer möglich, da z. B. die Zentralisierung beim Schock bewirken kann, dass der Puls am Handgelenk kaum oder nicht tastbar ist.
Puls an der Halsschlagader (Carotispuls)
Es wird mit drei Fingerbeeren seitlich neben dem Kehlkopf der
Puls getastet.
Normalwerte des Pulses im Ruhezustand:
Neugeborenen
ca. 140 Schläge/Min.
2-jährigem
ca. 120 Schläge/Min.
10-jährigem
ca. 90 Schläge/Min.
Erwachsener
ca. 60 bis 80 Schläge/Min.
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Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
12//2007
2007
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10. Praktisches Arbeiten
Blutdruck / RR (nach Riva Rocci)
Die durch die Tätigkeit der linken Herzkammer hervorgerufenen
rhythmischen Druck- und Volumenschwankungen im arteriellen
System werden durch die Aorta und die großen Arterien gedämpft und weitergegeben. Die Wände dieser Arterien werden
während der Austreibungsphase (Systole) des Herzens gedehnt
und speichern (Windkesselfunktion) dabei etwa die Hälfte des
Schlagvolumen. Diese Blutmenge wird während der Erschlaffungsund Füllungszeit (Diastole) des Herzens an die anschließenden
Gefäßabschnitte weiter gegeben. Die Druckschwankungen in
den Gefäßen werden durch Angabe der Maximal- und Minimalwerte angegeben.
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Systolischer Druck (oberer Wert)
Diastolischer Druck (unterer Wert)
Die gemessenen Normalwerte des Blutdrucks liegen meist bei
120/80 mm Hg. Zur besseren Beurteilung kann der Patient auch
nach seinen normalen Blutdruckwerten gefragt werden. Mit
zunehmendem Lebensalter steigen der systolische und weniger
stark der diastolische Blutdruck an. Aber auch bei älteren Menschen betrachtet man systolische Werte von über 160 mm Hg
und diastolische Werte über 95 mm Hg als krankhaft.
Das Blutdruckverhalten hängt von folgenden Faktoren ab:
Schlagkraft des Herzens
Widerstand in den Gefäßen des Körpers
zirkulierende Blutmenge (Volumenmangel)
Stress, Angst, Schmerzen
■
■
■
Blutdruckmessung mit Stethoskop
Dazu wird die luftleere Blutdruckmanschette um die Mitte des
entblößten Oberarmes gelegt und der Verschluss zusammengefügt. Die Manschette sollte etwa 2/3 des Oberarmes bedecken.
Für Kinder oder Babys gibt es spezielle Manschetten. Das
System wird z.B. mit einer Stellschraube geschlossen und das
Stethoskop in der Ellenbeuge angelegt. Man betätigt den
Gummiball und achtet auf Blutdruckgeräusche. Alternativ
kann dies auch durch Pulskontrolle am Handgelenk geschehen
(danach wird das Stethoskop aufgesetzt). Die Manschette wird
soweit aufgepumpt, bis keine Geräusche mehr hörbar sind,
die Arterie ist nun völlig zusammengedrückt. Der Druck in der
Manschette ist größer als der Blutdruck. Man beobachtet jetzt
die Druckanzeige genau und lässt durch langsames Öffnen des
Systems den Druck ab. Die Druckentlastung führt zur Öffnung der
Arterie und damit wieder zum Durchfluss des Blutes im Bereich
der Engstelle. Das Durchströmen des Blutes an der Engstelle im
Gefäß erzeugt mit dem Stethoskop wahrnehmbare Geräusche.
Beim ersten wahrgenommen Ton liest man die Skala ab und
merkt sich den Wert (systolischer Druck). Nun wird der Druck
weiter langsam abgelassen. Die Arterie öffnet sich weiter, das
Geräusch des durchfließenden Blutes wird deutlicher. Wenn das
Geräusch verschwindet, fließt das Blut wieder ungehindert in der
Arterie. Der Druck in der Manschette entspricht dem Druck in
den Gefäßen. Beim letzten hörbaren Ton liest man wieder die
Skala ab und merkt sich diesen zweiten Wert (diastolischer Druck).
■
Normalwerte im Ruhezustand:
10-jährigem
Erwachsener
Systole
90-125
100-140
Diastole
60 mmHg
60-90 mmHg
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
163
10. Praktisches Arbeiten
Blutdruckmessung ohne Stethoskop
In schwierige Situationen (Kälte, Lärm, Transport) kann es
notwendig sein den Blutdruck ohne Stethoskop palpatorisch,
d.h. durch Tasten, ggf. über der Kleidung zu messen. Die Blutdruckmanschette wird wie oben beschrieben angelegt und aufgepumpt. Anschließend wird der Manschettendruck abgelassen bis
wieder ein Puls am Handgelenk tastbar ist. Dieser Wert auf dem
Manometer entspricht ungefähr dem systolischen (oberen) Blutdruckwert.
Ein diastolischer (unterer) Blutdruckwert kann so nicht
ermittelt werden.
Bei Messungen über der Kleidung kann der Wert verfälscht
sein (meist wird ein zu hoher Druck gemessen).
Pulsoximeter
Mit dem Pulsoximeter kann die Sauerstoffsättigung im Blut
gemessen werden. Gleichzeitig kann dieses Gerät noch die
Pulsfrequenz anzeigen. Beim gesunden Menschen sind Werte
von über 95% als normal anzusehen. Liegt der Messwert
darunter, sollte Sauerstoff verabreicht werden.
Verschiedene Erkrankungen- oder Verletzungen machen es
trotz guter Messwerte notwendig, Sauerstoff zu verabreichen.
Da das Gerät nur im zirkulierenden Blut die Sauerstoffsättigung
misst, kann es bei einem Volumenmangelschock zwar anfangs
einen normalen Wert anzeigen, der Körper hat jedoch ein
Sauerstoffdefizit (z.B bei starken Rauchern).
Kohlenmonoxid im Blut kann einen falschen Wert vorgaukeln.
Kalte Finger des Patienten können dazu führen, dass eine
Messung der Sauerstoffsättigung nicht möglich ist.
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
164
10. Praktisches Arbeiten
EKG, Defibrillator
EKG
Mit einem EKG kann die elektrische Aktivität des Herzens sichtbar gemacht werden. Es lassen sich Aussagen zu elektrischen
Aktionen und Beeinträchtigungen des Herzens treffen.
Hierzu klebt man mehrere Elektroden auf den Brustkorb, die
durch das Patientenkabel mit dem EKG verbunden werden. Die
gebräuchlichste Ableitung zur einfachen Beurteilung des Herzrhythmus ist die Dreikanal-Ableitung. Hierzu werden je nach
Modell drei bis vier Elektroden benötigt.
Blutzucker-Messgerät / BZ Messstreifen
Es gibt verschiedene Blutzuckermessgeräte und Teststreifen,
mit denen der Blutzuckergehalt des Blutes gemessen werden
kann. Hier müssen die jeweiligen Herstellerangaben beachtet
werden.
Defibrillator
Im Rettungsdienst ist meist im EKG ein Defibrillator integriert.
Er kann durch gezielte Stromstöße (Defibrillation) Herzrhythmusstörungen wie Kammerflimmern und Kammerflattern beenden.
AED
Neuere EKG Geräte können lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen erkennen. Nach der Diagnose eines defibrillierbaren
Rhythmus wird ein Elektroschock vorgeschlagen und freigegeben.
Um ein EKG oder einen Defibrillator in der Bergrettung zu
benutzen, bedarf es einer Einweisung gemäß dem Medizinproduktegesetz (MPG).
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
12//2007
2007
165
10. Praktisches Arbeiten
10.2 Atemwegssicherung,
Inhalation und Beatmung
Umgang mit Sauerstoff
Technische Hinweise
Sauerstoff (O2) wird in weißen Flaschen und dem Kennbuchstaben „N“ unter Druck aufbewahrt (bis 2006 waren Sauerstoffflaschen blau mit einem weißen Kopfring). Sauerstoffflaschen sind vor Stoß und Druck zu schützen. Alle Teile, die mit
dem unter Druck stehenden Sauerstoff in Berührung kommen,
dürfen keinesfalls gefettet oder geölt werden, da sonst Explosionsgefahr besteht!
Inhaltsdruck
Ein Inhaltsdruck der Sauerstoffflasche von 200 bar bedeutet,
dass sich im Vergleich zu einer Flasche ohne Druckbefüllung die
200-fache Menge an Sauerstoff in der Flasche befindet.
Flascheninhalt
Flascheninhalt = Rauminhalt x Inhaltsdruck
Demnach befinden sich in einer gefüllten 2-Liter-Flasche
bei einem Druck von 200 bar 400 Liter Sauerstoff
(2 Liter x 200 bar = 400 Liter Sauerstoff)
Zubehör
Der ausströmende Sauerstoff wird zunächst von einem Druckminderer auf einen „Arbeitsdruck“ von ca. 4,5 bar reduziert,
dort kann meist auch die Abgabemenge in Liter / Minute eingestellt werden. Dies gilt nur für die Geräteeinstellung „Sauerstoffinhalation“.
Demandventile ermöglichen beim Beatmen mit dem Beatmungsbeutel eine maximale Sättigung der Einatemluft mit Sauerstoff.
Wird mit Beatmungsgeräten beatmet, ist der Sauerstoffverbrauch
pro Minute den Herstellerhinweisen zu entnehmen.
Sauerstoffinhalation
Sauerstoff kann dem Patienten über verschiedene Hilfsmittel
verabreicht werden. Zur Sauerstoffinhalation können eine Nasensonde, Sauerstoffbrille, Sauerstoffmaske und Sauerstoffmaske
mit Reservoir verwendet werden. Die Sauerstoffausbeute für
den Patienten ist bei der Nasensonde am schlechtesten und
bei der Sauerstoffmaske mit Reservoir am besten. Sauerstoffmasken benötigen eine Mindestdurchflussmenge (Herstellerangaben).
Berechnung des Sauerstoffvorrates
Die Zeit, für die der Sauerstoffvorrat einer 2-Liter-Flasche mit
einem Inhaltsdruck von 200 bar bei einer Sauerstoffabgabe von 4
Litern/Minute (flow) ausreicht, wird folgendermaßen berechnet:
Flaschengröße x Inhaltsdruck
= mögliche Behandlungsdauer
Abgabemenge pro Minute
Beispiel:
2 l-Flasche x (200) bar
4 l pro Minute
Mögliche Behandlungsdauer = 100 Minuten
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
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166
10. Praktisches Arbeiten
Methoden der Beatmung
Ist ein Atemstillstand vorhanden, muss kontrolliert beatmet werden. Der Bergretter kniet oberhalb des Kopfes und hält den Hals
leicht überstreckt. Die Beatmungsmaske wird so auf das Gesicht
gesetzt, dass Mund und Nase bedeckt sind. Mit Daumen
und Zeigefinger wird die Maske fest auf das Gesicht gedrückt
(C-Griff) und mit den restlichen Fingern wird der Unterkiefer
nach vorne und oben gezogen.
Der Guedeltubus wird, mit der Spitze zum Gaumen zeigend, zunächst zu ca. 2/3 seiner Gesamtlänge eingeführt. Danach wird
er unter Drehung von 180 Grad ganz hinein geschoben. Sollte
der Patient dabei würgen, ist der Patient nicht tief bewusstlos.
Sind bei liegendem Tubus die Atemwege nicht frei, muss er ggf.
durch einen größeren Tubus ersetzt werden .
Absaugen
Absaugen kann man je nach Absaugpumpenmodell mit dem
Absaugrüssel oder einem Absaugkatheter. Der Absaugkatheter
sollte nicht zu klein gewählt werden, damit er ein ausreichendes
Absaugvolumen hat. Die maximale Einführlänge des Absaugkatheters entspricht der Strecke zwischen Mundwinkel und
Ohrläppchen. Andernfalls könnte der Kehlkopfbereich (z.B.
Stimmritze/Kehlkopfdeckel) verletzt oder ein Würgereiz provoziert werden.
Zum Einführen des Absaugkatheters nimmt man die Position
am Kopfende des Betroffenen ein. Der Mund wird für den Absaugkatheter geöffnet und „ohne Sogwirkung“ eingeführt, da sich
ansonsten der Absaugkatheter bereits beim Einführen an der
Rachenwand festsaugen kann. Erst wenn der Absaugkatheter
eingeführt und „positioniert“ ist, darf der „Sog“ erzeugt werden.
Hierbei wird der Absaugkatheter „unter Sog drehend“ langsam
herausgezogen.
Vorsicht!
Während der gesamten Absaugprozedur findet
keine Beatmung statt!
■
■
Guedeltubus
Bei Maskenbeatmungen ist bei tief bewusstlosen Patienten das
vorherige Einführen eines Guedeltubus in den Mund-RachenRaum empfehlenswert. Er verhindert, dass Zunge und Zungengrund die Atemwege verlegen.
Guedeltuben gibt es in verschiedenen Größen. Die richtige Größe
ergibt sich am Patienten durch Abmessung der Entfernung zwischen Mundwinkel und Ohrläppchen.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
■
Bei häufigem Absaugen muss ggf. der Auffangbehälter entleert werden.
Es kann sich als hilfreich erweisen, wenn der Patient
zum Mundraum ausräumen/absaugen mit zwei Helfern
auf die Seite gedreht wird.
167
10. Praktisches Arbeiten
10.3 Assistenz des Notarztes
Das folgende Kapitel beschreibt Maßnahmen, die grundsätzlich nur vom Notarzt durchgeführt werden. Der Bergretter
muss aber in der Lage sein, diesen in besonderen Situationen
(z.B. Massenanfall von Verletzten, schwieriges Gelände, Notarzt ohne Begleitung eines Rettungsassisten/-Sanitäter) bei der
Ausführung seiner Tätigkeit zu unterstützen. Dazu gehört u.a.
auch die Assistenz bei folgenden Maßnahmen:
Vorbereiten einer intravenösen Infusion
Benötigtes Material:
Infusionslösung nach Anordnung des Notarztes
(Plastikflaschen oder Plastikbeutel )
steril verpacktes Infusionsbesteck
steril verpackte Venenverweilkanülen
(im allg. Sprachgebrauch “Viggos/Braunülen“)
Blutdruckmanschette oder Stauschlauch
Hautdesinfektionsmittel
sterile Kompresse oder Tupfer
Fixierpflaster für Venenverweilkanülen
Heftpflaster
Einmalhandschuhe
elastische Binde
Abwurfbehälter für Venenverweilkanülen
■
■
■
■
Intravenöse Infusion
Der Begriff intravenöse ( = in eine Vene) Infusion bezeichnet das
Einfließen von Flüssigkeit über eine Venenverweilkanüle in den
Körper. Diese besteht aus einer Metallkanüle mit transparentem
hinteren Ende und einem diese umgebenden Kunststoffkatheter. Nach der Punktion wird dieser flexible Katheter in die
Vene vorgeschoben und dort belassen, die Metallkanüle wird
entfernt. Über die Venenverweilkanüle ist es dem Notarzt auch
möglich, Medikamente intravenös zu verabreichen (intravenöse
Injektion).
■
■
■
■
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■
■
Vorbereitung der intravenösen Infusion
Infusionslösung prüfen (vom Notarzt vorgegebene Art
der Lösung, Ablaufdatum, Flüssigkeit klar, mechanische
Beschädigungen, Mengeninhalt)
Schutzkappe der Infusionsflasche entfernen
Infusionssystem aus steriler Verpackung nehmen
Rollklemme des Infusionssystems schließen
Schutzkappe an der Infusionsflasche/Beutel entfernen
Schutzkappe am Einstichdorn entfernen und Einstichdorn
des Infusionssystems in die dafür vorgesehene Öffnung
der Infusionsflasche einstechen
Infusionsflasche hoch halten
flexible Tropfkammer des Infusionssystems durch
vorsichtigen Druck bis zur Hälfte mit Infusionslösung füllen
Rollklemme des Infusionssystems öffnen und den
Infusionschlauch vollständig entlüften, bis sich keine
Luftbläschen mehr darin befinden
■
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Alko
Alkoholthoupltuferpfer
Ri
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
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2007
168
10. Praktisches Arbeiten
Hilfe beim Anlegen der Infusion
Möglichst hygienisch arbeiten!
Staubinde anreichen
Desinfektion der geplanten Einstichstelle
Verpackung der Venenverweilkanüle (Größe bzw. Farbe
nach Angaben des Notarztes) öffnen und so anreichen,
dass der Notarzt die Kanülenflügel fassen kann
nach erfolgter Venenpunktion Stauung lösen
das Ansatzstück des Infusionsschlauches steril anreichen
Metallkanüle der Venenverweilkanüle nach evtl. Blutzuckermessung im Abwurfbehälter entsorgen
(Achtung! Verletzungsgefahr!)
Fixierung der Venenverweilkanüle mit Fixierpflaster und des
Infusionsschlauches mit Heftpflasterstreifen und Mullbinde
■
■
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■
■
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Intravenöse Injektion
Der Begriff intravenöse Injektion bezeichnet das heute im
Rettungsdienst übliche Verfahren der Verabreichung von
Medikamenten über eine Venenverweilkanüle in eine Vene.
Injektionslösungen stehen in Glasampullen (häufigste Verwendungsform), Plastik- und Stechampullen zur Verfügung. Normalerweise werden heutzutage Brechampullen verwendet, bei denen
ein Anfeilen nicht mehr nötig ist. Viele Ampullen haben Aufkleber,
die abgezogen und auf die Einwegspritzen mit der aufgezogenen Injektionslösung angebracht werden können. Alle Größen
von Einwegspritzen sind passend für den Ansatzkonus von
Venenverweilkanülen, nach dem sog. Luer-System, das in
Deutschland Verwendung findet.
Benötigtes Material:
Ampulle mit Injektionslösung (Brech- oder Stechampulle)
nach Anordnung des Notarztes
Einwegspritze (Größe nach Volumeninhalt der Injektionslösung)
Einwegkanüle
Hautdesinfektionsmittel
sterile Kompresse oder Tupfer zur Hautdesinfektion
Kompressen zum Öffnen der Brechampulle
Abwurfbehälter
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Alkohopf
ltuerpfer
Alkoholtu
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
169
10. Praktisches Arbeiten
Vorbereiten einer Injektion
Jede Injektionslösung muss überprüft werden
beim Bereitlegen
vor dem Aufziehen
vor der Verabreichung
Entnahme der Stechampulle
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Vorbereiten der Einwegspritze
Spritze der Verpackung entnehmen
Kanüle der Verpackung entnehmen, Schutzkappe
nicht entfernen
Kanüle auf Spritze aufstecken
■
■
■
Entnahme aus der Brechampulle
■
■
■
■
Brechampulle prüfen (vom Notarzt vorgegebene Art
der Lösung, Ablaufdatum, Flüssigkeit klar,
mechanische Beschädigungen, Mengeninhalt)
evtl. vorsichtig Injektionsflüssigkeit aus dem Ampullenkopf
in den Ampullenkörper klopfen/schütteln
Ampullenkopf abbrechen (zur Vermeidung von Schnittverletzungen Tupfer oder Kompresse mit dem Daumen
und Zeigefinger um den Ampullenhals klemmen)
Spritze nehmen, Schutzkappe der Kanüle abnehmen
und Injektionslösung aufziehen
■
Spritze entlüften
■
Neue Kanüle aufsetzen
■
Spritze kennzeichnen (entweder Aufkleber, mit wasserfesten
Stift beschriften oder die verwendete Ampulle zusammen
mit der Spritze anreichen) und dem Notarzt übergeben
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
■
■
■
■
■
Stechampulle prüfen (vom Notarzt vorgegebene Art
der Lösung, Ablaufdatum, Flüssigkeit klar,
mechanische Beschädigungen, Mengeninhalt)
Verschlusskappe der Stechampulle entfernen
Spritze nehmen, Schutzkappe der Kanüle abnehmen und
die gleiche Menge an Luft aufziehen, wie anschließend
als Lösungsmenge entnommen werden soll
Gummikappe der Stechampulle durchstoßen und
die in der Spritze befindliche Luft einspritzen
Spritzenkolben vorsichtig zurück ziehen und hierdurch
Spritze mit Medikament füllen
neue Kanüle aufsetzen
Spritze kennzeichnen (entweder Aufkleber, mit wasserfesten
Stift beschriften oder die verwendete Ampulle zusammen
mit der Spritze anreichen) und dem Notarzt übergeben
muss evtl. nochmals Injektionslösung aus der gleichen
Stechampulle aufgezogen werden, wird die Gummikappe
der Stechampulle mit Desinfektionslösung desinfiziert
(Einwirkzeit beachten!) und neue Spritzen und Kanülen
verwendet!
Gebrauchtes Spritzen- und Ampullenmaterial immer
im Abwurfbehälter entsorgen und eine lückenlose
Dokumentation von Menge und Art der verabreichten
Medikamente sicherstellen!
170
10. Praktisches Arbeiten
Endotracheale Intubation
Der Bergriff endotracheale ( = in die Luftröhre) Intubation
bezeichnet das Einführen eines Kunststoffschlauches über den
Mund (orotracheal) oder die Nase (nasotracheal) in die Luftröhre.
Die Intubation stellt die sicherste Beatmungsmöglichkeit für den
Notarzt dar. Durch den hinter der Spitze des Endotrachealtubus
angebrachten Ballon (sog. Cuff) wird eine Aspiration von Blut
und Erbrochenem verhindert und gleichzeitig die optimale
Belüftung beider Lungenflügel gewährleistet. Diesem Cuff
wird über einen in der Tubuswand eingebauten Schlauch, der bis
außerhalb des Mundes reicht, mit einer Einwegspritze Luft
verabreicht, bis die Luftröhre abgedichtet wird. Das sog. Laryngoskop
( = Kehlkopfspiegel) ermöglicht dem Notarzt die nötige Sicht in
den Kehlkopf, um eine sichere Intubation durchführen zu können.
Es besteht aus einem Batteriegriff und einem in der Größe auswechselbaren Spatel mit einer Lichtquelle am vorderen Ende.
Bei schwierigen Intubationsverhältnissen wird vorher ein Führungsstab (sog. Mandrin) in den Tubus eingeführt. Es gibt auch
Tuben mit bereits eingelegtem Führungsstab. Er erleichtert die
nötige Krümmung und Stabilisierung des Tubus für eine erfolgreiche Intubation. Die Magill-Zange wird zur Entfernung von
Fremdkörpern aus dem Mund-Rachenraum und zur nasotrachealen
( = über die Nase in die Luftröhre) Intubation verwendet.
Vorbereiten einer Intubation
■
■
Laryngoskop (Spatelgröße nach Angaben des Notarztes)
Endotrachealtuben (2 Tuben verschiedener Größe nach
Angaben des Notarztes)
■
Führungsstab (-mandrin)
■
Blockerspritze, 10 ml
■
Guedeltubus als Beißschutz
■
evtl. Gleitmittel für Tubus
■
Stethoskop
■
Beatmungsbeutel, Sauerstoffreservoir
und Sauerstoff-Flasche
■
Handschuhe anziehen
■
Tubus auf Dichtigkeit des Ballons prüfen
■
geprüften Tubus mit Gleitmittel vorbereiten
■
■
■
■
befeuchteten Führungsstab in den Tubus bis zur Tubusspitze
einführen und am entgegengesetzten Tubusende umknicken
Laryngoskop zusammensetzen und prüfen
(Lichtquelle ausreichend?)
Laryngoskop dem Arzt (Rechtshänder)
in die linke Hand geben
evtl. absaugen
Tubus (evtl. mit Führungsstab) an die rechte Hand
des Notarztes (Rechtshänder) reichen
■
Fixierbinde oder Tubus-Fixateur
■
Einmalhandschuhe
Magillzange
■
■
evtl. Kopf-/Hals-Lage auf Anweisung des Notarztes korrigieren
Absauggerät mit Absaugkathetern
■
■
Tubus nach erfolgter Intubation mit 10ml-Spritze blocken
■
■
Ankerstich
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Assistenz bei der Durchführung der Intubation
Beatmungsbeutel anschließen und zur Kontrolle der richtigen
Tubuslage Patienten vorsichtig beatmen. Notarzt prüft
gleichzeitig die Tubuslage mittels Stethoskop
■
Guedeltubus einführen
■
Tubus fixieren
■
Blockerspritze entfernen
■
Beatmung durchführen
Nach erfolgter Intubation muss der Tubus immer gesichert
werden, um ein Abknicken oder Verrutschen zu verhindern!
Bei fehlgeschlagener Intubation oder Verschmutzung des Tubus
neuen Tubus verwenden!
171
10. Praktisches Arbeiten
10.4 Ruhigstellungsmaßnahmen
und Wundversorgung
Grundsätze der Ruhigstellung von Frakturen
Benachbarte Gelenke werden mit ruhig gestellt!
Helm abnehmen
Viele Sportler tragen mittlerweile Helme. Integralhelme verhindern oder erschweren die Kontrolle von Bewusstsein, Atmung
und Kreislauf und die Durchführung lebensrettender Sofortmaßnahmen.
Der Helm bei Wintersportlern erschwert oftmals das Anlegen
einer Halskrause, so dass dieser abgenommen werden muss.
Nach dem Anlegen einer Halskrause sollte wieder der Helm
Grundausbildung
Grundausbildung || Notfallmedizin
Notfallmedizin| |12
12//2007
2007
oder eine Mütze aufgesetzt werden, um eine Unterkühlung zu
verhindern. Beim Abnehmen des Helmes ist darauf zu achten,
dass die Halswirbelsäule möglichst wenig bewegt wird.
Ein Helfer am Kopf fixiert den Helm während der zweite Helfer die
Helmverschlüsse öffnet und den Kopf im Nacken unterstützt.
Der Helfer am Kopf zieht nun den Helm nach oben weg und
übernimmt anschließend wieder die Stabilisierung des Kopfes.
172
10. Praktisches Arbeiten
HWS Stabilisierung
(Halskrause oder Inline-Methode)
Die Wahl der richtigen Größe des HWS-Stützkragens ist wichtig
für eine optimale Patientenversorgung. Ein zu kleiner Kragen
gewährleistet eine nur unzureichende Ruhigstellung. Ein zu
großer Kragen kann eine Überstreckung des Halses bewirken
(Größenwahl nach Angaben des Herstellers in der Bedienungsanleitung).
Das fachgerechte Anlegen eines Immobilisationskragens erfolgt
möglichst immer durch zwei Helfer.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Ein Helfer kniet hinter dem Patienten und hält die Halswirbelsäule in Neutralposition, d.h. ohne Zug. Der zweite Helfer misst
mit seinen Fingern den Abstand zwischen Schulterhöhe und
Kinn ab und vergleicht den Abstand mit den Markierungen auf
der Halskrause. Er bereitet die passende Halskrause vor und entfernt störende Kleidungstücke und Schmuck. Dann drückt er die
Kinnstütze brustwärts fest an den Hals und legt die Halsstütze
um den Nacken. Jetzt wird der Klettverschluss unter mäßigem
Zug geschlossen.
173
10. Praktisches Arbeiten
Vakuummatratze
Ein ideales Ruhigstellungsmittel zur Stabilisierung des gesamten Körpers ist die Vakuummatratze. Insbesondere bei Wirbelbrüchen, Beckenbrüchen, Oberschenkelbrüchen, aber auch
bei polytraumatisierten Patienten soll möglichst immer die Vakuummatratze eingesetzt werden. Die Vakuummatratze wird
vorbereitet, indem das Ventil geöffnet, die Oberfläche geglättet bzw. vormodelliert und etwas angesaugt wird. Je nach Art
der Verletzung und der zur Verfügung stehenden Ausstattung
werden unterschiedlich viele Bergretter benötigt. In jedem Fall
ist darauf zu achten, dass der Bruchbereich beim Überheben
nicht bewegt wird. Befindet sich der Betroffene auf der
Vakuummatratze, so wird das Ventil wieder geöffnet und die
Matratze anmodelliert und abgesaugt.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Die Schaufeltrage
Die Schaufeltrage dient insbesondere zur „bewegungsarmen
Umlagerung“ (da nur geringe Bewegungsveränderungen im
Bereich der Wirbelsäule) von Patienten mit Verdacht auf eine
Wirbelsäulenverletzung.
Die Schaufeltrage wird zuerst neben dem Betroffenen auf die
benötige Länge eingestellt. Durch Öffnen der Verschlüsse wird
die Schaufeltrage in zwei Hälften geteilt. Die beiden Hälften der
Schaufeltrage werden dann vorsichtig von der Seite unter den
Verletzten geschoben. Die Schaufeltrage wird am Kopf- und Fußende zusammen gefügt, so dass die Verschlüsse einrasten. Der
Verletzte wird mit der Schaufeltrage angehoben und auf die leicht
angesaugte Vakuummatratze verbracht. Anschließend die Schaufeltrage entfernen, den Patienten vollständig in die Vakuummatratze einsinken lassen und absaugen. Muss der Verletzte mit der
Schaufeltrage über eine größere Wegstrecke getragen werden
oder muss die Rettung mit der Schaufeltrage in steilem Gelände
erfolgen, ist der Verletzte unbedingt anzugurten.
Vakuumschiene
Die Vakuumschiene arbeitet nach demselben Funktionsprinzip
wie die Vakuummatratze: Durch Erzeugen eines Vakuums im
Inneren wird die Schiene fest und stabilisiert so die Verletzung.
Die Schiene gibt es für Arme und Beine in unterschiedlichen
Größen. Die verletzte Extremität wird von einem Helfer gehalten, während der zweite Helfer die Schiene anlegt und die
Klettverschlüsse schließt. Durch das nun anschließende Absaugen wird die Schiene hart. Die Klettverschlüsse sollten der
Reihe nach den veränderten Verhältnissen eingepasst werden.
Universell einsetzbares Schienenmaterial
(z.B. Sam Splint, Kramerschiene)
Nach dem Entrollen der Schiene wird diese je nach Länge der zu
versorgenden Extremität vorgeformt und ggf. durch Umfalten
gekürzt. Um die Stabilität der Schiene zu verstärken, kann sie so
gebogen werden, dass die Form einer „Dachrinne“ (U-Form)
oder T entsteht. Nun wird die Schiene möglichst genau an die
anatomischen Gegebenheiten der verletzten Extremität angepasst und mit Leukoplast, Mullbinden, elastischen Binden oder
Dreiecktüchern fixiert.
174
10. Praktisches Arbeiten
Lagerungen
Die richtige Lagerung erfüllt mehrere Zwecke zugleich. Einerseits
soll sie vor weiterem Schaden schützen, andererseits den Abtransport so angenehm wie möglich für den Patienten gestalten.
Durch Ruhigstellung und Schienung verletzter Körperregionen
werden Schmerzen gemildert. Durch Oberkörperhoch- oder
Flachlagerung kann der Kreislauf unterstützt oder entlastet
werden.
Letztendlich soll jedoch der Patient das Maß aller Dinge sein,
denn er fühlt, welche Körperhaltung für ihn die angenehmste ist.
Der Transport im Ackja oder der Gebirgstrage ist auch Bestandteil der Lagerung, da hier die Lage zur Horizontalen ständig
verändert wird. Nur im flachen Gelände sollte der Patient
mit dem Kopf nach unten transportiert werden, wenn
dies das Verletzungs- oder Erkrankungsmuster erfordert.
Ansonsten ist der Kopf- oben- Transport vorzuziehen, da hier
der Druck im Inneren des Schädels weniger ansteigt und somit
mögliche sekundären Schädigungen des Patienten verhindert
werden. Außerdem ist diese Lage wesentlich angenehmer für
den Patienten.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Stabile Seitenlage
Die stabile Seitenlage wendet man bei selbstständig atmenden,
bewusstseinsgetrübten oder bewusstlosen Patienten an.
Durch die Stabile Seitenlage werden die Atemwege frei gemacht und eine versehentliche Anatmung von Flüssigkeit und
Feststoffen, wie Speichel, Blut und Erbrochenem verhindert.
Besteht der Verdacht auf weitere Verletzungen sollte der
Verletzte mit mehreren Helfern in die stabile Seitenlage gedreht
werden (Im engen Ackja ist es hilfreich, das obere Bein
anzuwinkeln).
1.
3.
2.
4.
175
10. Praktisches Arbeiten
Schocklage
Die Schocklagerung wird angewendet, wenn aufgrund von
Volumenverlust der Körper keinen ausreichenden Blutdruck zur Durchblutung erzeugen kann. Das aus den Beinen
zurückströmende Blut unterstützt hier die Kreislauffunktion.
Bei Patienten die aufgrund ihrer Verletzung nicht bewegt
werden sollten, erfolgt die Schocklage mittels „schräg stellen“
der Gebirgstrage/Ackja.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Flachlagerung
Die Flachlagerung findet Anwendung bei allen schwereren
Verletzungsmustern, sowie Erkrankungen mit schlechten Kreislaufverhältnissen.
Atemunterstützende Lagerung
Bei Atemnot (Lungenödem, Asthma) werden die Patienten oft
selbständig eine Position einnehmen, um die Atemhilfsmuskulatur besser auszunützen. Hier kann der Bergretter unterstützend
tätig sein.
Oberkörperhochlagerung
Die Oberkörperhoch-Lagerung findet Anwendung bei Erkrankungen des Herzens, um die Belastung des Herzens zu verringern. Ebenso bei Kopfverletzungen, um den Druck im Inneren des
Schädels zu verringern und den venösen Abfluss zu verbessern.
Lagerung mit Knierolle
Mit einer Knierolle erreicht man eine Entlastung der Bauchdecke, sie findet Anwendung bei Erkrankungen, die mit Bauchschmerzen einhergehen.
Eine Knierolle kann auch zusätzlich mit anderen Lagerungen
angewendet werden, um das Liegen angenehmer zu machen.
176
10. Praktisches Arbeiten
Verbände
Ein Verband ist nötig sobald die Haut verletzt wurde. Er schützt
die Wunde vor weiterer Verschmutzung und damit vor Infektionen. Die einfachste Art des Verbandes ist das Heftpflaster,
mit dem man kleinere Wunden versorgt.
Sobald die Wunden großflächiger sind oder stark bluten, muss
man mit anderen Verbandsmaterialien (Verbandpäckchen,
Verbandtuch und sterilen Kompressen) arbeiten.
...geiil !
Rahmenverband
Der Rahmenverband findet Anwendung bei Wunden, die wegen
ihrer Größe nicht mehr mit einem Heftpflaster versorgt werden
können. Eine Sterile Wundauflage wird mit langen Pflasterstreifen über der Wunde befestigt.
Druckverband
Bei stark blutenden Wunden wird auf die sterile Wundauflage
zusätzlich noch ein Verbandpäckchen oder eine Binde gelegt,
um den Druck direkt auf die Wunde auszuüben und so die
Blutung zu stoppen. Nach dem Anbringen des Druckverbandes
muss an der betroffenen Extremität noch ein Puls tastbar sein.
...geiil !
Hier einige Verbände mit denen man den Großteil
aller Wunden adäquat versorgen kann:
Kopfverband
Bei Wunden im Kopfbereich fixiert man die sterile Wundauflage
des Verbandpäckchens mit zwei Kreisgängen. Damit der „Turban“
nicht nach oben rutscht, geht man einen Kreisgang unter dem
Kinn hindurch.
Wichtig ist, dass kein Kreisgang um den Hals geführt wird.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
Armtrageschlinge
Mit einer Armtrageschlinge können Verletzungen der Schulter
und des Armes ruhig gestellt werden.
Diese Ruhigstellungsmaßnahme kann auch mit einem „Sam Splint“
kombiniert werden (Handgelenksverletzung).
177
10. Praktisches Arbeiten
10.5 Desinfektion und Hygiene
Allgemeines
Wir sind umgeben von Bakterien, Viren und Pilzen. Manche
benötigen wir zum Leben (Darmflora), andere können Krankheiten auslösen (Infektionskrankheiten), wenn sie in unseren
Körper gelangen.
Übertragungswege sind z.B. kleine Tröpfchen in der Luft beim
Husten (Tröpfcheninfektion), Körperkontakt (Schmierinfektion)
oder über Körperflüssigkeiten. Auch indirekte Übertragungen
über Gegenstände oder Tiere sind möglich.
Ausschlaggebend für eine Ansteckung sind verschiedene Faktoren:
Wie hoch ist die Keimbelastung?
Ist z.B. ein Virus besonders aggressiv?
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Ist das betroffene Immunsystem durch Krankheit
oder Verletzung geschwächt?
Erleichtern Wunden als Eintrittspforten
den Weg in den Körper?
Ein intaktes Immunsystem kämpft ständig gegen eine Vielzahl
von Krankheitserregern. Es „lernt“ ständig dazu, was durch
Impfungen unterstützt werden kann.
Einige Krankheiten können nur über Körperflüssigkeiten übertragen werden. Andere werden bevorzugt über Tröpfcheninfektionen verbreitet.
Hygiene
Um die Anzahl von Krankheitserregern gering zu halten, ist
es ratsam sich an allgemeine Hygieneregeln zu halten. Das
Händewaschen nach dem Toilettengang verhindert, dass über
Schmierinfektionen Fäkalkeime weiterverbreitet werden. Die
Hand vor den Mund halten beim Husten verringert die Gefahr
von Tröpfcheninfektionen. In der Bergrettung sind zwei Personengruppen gefährdet: der Retter und der Patient. Die Rettungsmannschaft ist zum Beispiel durch Blut gefährdet, das Krankheiten
wie Aids oder Hepatitis übertragen kann.
Allgemeine Schutzmaßnahme ist das Vermeiden von Blutkontakt durch das Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen.
Der erkrankte oder verletzte Patient ist durch Krankheitserreger
gefährdet, die sich in der Umwelt oder auf unserer Ausrüstung
befinden. Schutz bietet hier das sterile Verbinden von Wunden
(Eintrittspforten) und die sorgfältige Verwendung von sterilem
Material.
Sterilisation
Beim Sterilisieren eines Medizinproduktes werden alle enthaltenen
Mikroorganismen und deren Sporen abgetötet sowie Viren,
Prionen (infektiöse Proteine), Plasmide und andere DNAFragmente zerstört. Sterilisiert wird unter anderem mit Hitze,
Chemikalien, Gasen oder Strahlen.
Desinfektion
Beim Desinfizieren reduziert man die Keimanzahl so, dass eine
Infektion bzw. Übertragung ausgeschlossen werden kann.
Es gibt Desinfektionsmittel, die je nach Art für verschiedene
Einsatzzwecke geeignet sind. So wird unterschieden zwischen
Flächendesinfektionsmitteln, Mittel für Instrumentendesinfektion,
Händedesinfektions- und Hautdesinfektionsmitteln. Das Desinfektionsmittel muss auf die verschiedenen Keime (Viren, Bakterien,
Sporen, Pilze) abgestimmt sein. Bei der Desinfektion muss auch
die vom Hersteller vorgeschriebene Einwirkzeit und Konzentration eingehalten werden. Die Desinfektion selbst erfolgt
durch Wischen oder Einlegen in Desinfektionlösung.
Bei der Anwendung des Desinfektionsmittels müssen folgende
Punkte bedacht werden
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Grundausbildung
Notfallmedizin| |12
12//2007
2007
Grundausbildung || Notfallmedizin
richtiges Desinfektionsmittel (Fläche, Instrumente, Hände, Haut)
richtiger Einsatzzweck (Viren, Bakterien, Pilze)
richtige Konzentration
richtige Einwirkzeit
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10. Praktisches Arbeiten
Hygienische Händedesinfektion
Durch die hygienische Händedesinfektion sollen diejenigen Keime
unschädlich gemacht werden, die durch Kontakt mit kontaminierten Objekten auf die Oberfläche der Haut gelangt sind.
Kontaminierte Hände dürfen erst nach der Desinfektion
mit Wasser und Seife gereinigt werden, da Seife das
Desinfektionsmittel neutralisieren kann.
Eigenschutz
Zum Eigenschutz gehört das Vermeiden von Übertragungskontakt mit infektiösen Patienten, Körperflüssigkeiten oder
Material. Dies kann mittels Schutzhandschuhen, Schutzbrille
oder Desinfektion von verwendetem Material (z. B. blutige
Schiene) geschehen.
Das Desinfektionsmittel wird zunächst in ausreichender Menge
in die hohle Hand gegeben und anschließend über die Hände
verteilt. Die Hände sind 30 Sek. lang mit Desinfektionsmittel gründlich zu benetzen und gegeneinander zu reiben. Besondere
Sorgfalt ist auf die Desinfektion der Fingerkuppen und des
Nagelfalzes zu legen.
Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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Grundausbildung | Notfallmedizin | 12 / 2007
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