DIE RADIODOKTOR-INFOMAPPE Ein Service von: ORF A-1040 Wien, Argentinierstraße 30a Tel.: (01) 50101/18381 Fax: (01) 50101/18806 Homepage: http://oe1.ORF.at Österreichische Apothekerkammer A-1091 Wien, Spitalgasse 31 Tel.: (01) 404 14-600 Fax: (01) 408 84 40 Homepage: www.apotheker.or.at Österreichisches Bundesministerium für Gesundheit A-1030 Wien, Radetzkystr. 2 Tel.: (01) 71100-4505 Fax: (01) 71100-14304 Homepage: www.bmg.gv.at/ RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 1 RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT Die Sendung Die Sendereihe „Der Radiodoktor“ ist seit 1990 das Flaggschiff der Gesundheitsberichterstattung von Ö1. Jeden Montag von 14.05 bis 14.40 Uhr werden interessante medizinische Themen in klarer informativer Form aufgearbeitet und Ö1-Hörerinnen und -Hörer haben die Möglichkeit, telefonisch Fragen an das hochrangige Expertenteam im Studio zu stellen. Wir über uns Seit September 2004 moderieren Univ.-Prof. Dr. Karin Gutiérrez-Lobos, Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz, Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger und Dr. Christoph Leprich die Sendung. Das Redaktionsteam besteht aus Mag. Xaver Forthuber, Mag. Nora Kirchschlager, Dipl. Ing. Eva Obermüller, Dr. Doris Simhofer, Dr. Michaela Steiner, Dr. Ronny Tekal und Dr. Christoph Leprich. Das Service Seit dem 3. Oktober 1994 gibt es das, die Sendereihe flankierende, Hörerservice, das auf größtes Interesse gestoßen ist. Die zu jeder Sendung gestaltete Infomappe mit ausführlichen Hintergrundinformationen, Buchtipps und Anlaufstellen wird kostenlos zur Verfügung gestellt und ist bereits am Sendungstag auf der Ö1-Homepage zu finden. Diese Unterlagen stellen in der Fülle der behandelten Themen ein MedizinLexikon für den Laien dar. Die Partner Ermöglicht wird die Radiodoktor-Serviceleiste durch unsere Partner: die Österreichische Apothekerkammer und das Österreichische Bundesministerium für Gesundheit. An dieser Stelle wollen wir uns ganz herzlich bei unseren Partnern für die Zusammenarbeit bedanken! Wir bitten um Verständnis, dass wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit in dieser Infomappe zumeist auf die weiblichen Endungen, wie z.B. PatientInnen, ÄrztInnen etc. verzichtet haben. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 2 ILY WILLKOMMEN IN DER WELT DER GEHÖRLOSEN Mit Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos 3. Dezember 2012, 14.05 Uhr, Ö1 Redaktion, Sendungs- und Infomappengestaltung: Dr. Christoph Leprich RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 3 INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS ILY – HERZLICH WILLKOMMEN IN DER WELT DER GEHÖRLOSEN 6 DIE GEBÄRDENSPRACHE 7 LANGER ANERKENNUNGSPROZESS 8 GEHÖRLOS, ABER KEINESWEGS STUMM Lippenlesen 8 9 DAS FINGERALPHABET 9 DAS SELBSTVERSTÄNDNIS GEHÖRLOSER 10 URSACHEN FÜR GEHÖRLOSIGKEIT 11 IN DER FAMILIE 11 SCHUL- UND BERUFSAUSBILDUNG 12 MEDIZINISCHE BETREUUNG GEHÖRLOSER MENSCHEN 13 DAS COCHLEA–IMPLANTAT (CI) 14 WIE HÖRT DER MENSCH? Der hörbare Frequenzbereich Der Schalldruckpegel Hörschwelle und Schmerzgrenze 15 15 15 15 VOM SCHALL ZUR WAHRNEHMUNG Die Fähigkeit zur „auditiven Diskrimination“ Die selektive Wahrnehmung Das „räumliche Hören“ Luftleitung und Knochenleitung 16 16 17 17 17 RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 4 INHALTSVERZEICHNIS DER GEHÖRSINN 17 DAS ÄUSSERE OHR 17 DAS MITTELOHR 18 DAS INNENOHR Die Haarzellen Wie Töne abgebildet werden 19 19 19 HÖRNERV UND HÖRZENTREN IM GEHIRN 20 DER GLEICHGEWICHTSAPPARAT 20 DIE DREI TEILE DES HÖRVORGANGES 21 DIE ARTEN DER SCHWERHÖRIGKEIT Schlecht hören bedeutet nicht nur leiser hören 21 22 ANLAUFSTELLEN INFOLINKS BUCHTIPPS SENDUNGSGÄSTE 23 25 29 30 RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 5 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN ILY – HERZLICH WILLKOMMEN IN DER WELT DER GEHÖRLOSEN Die Buchstaben I, L und Y als Gebärde benutzen Gehörlose auf der ganzen Welt um sich zu begrüßen. Sie entsprechen den Anfangsbuchstaben von I Love You. Weltweit kommt eines von 1.000 Kindern gehörlos zur Welt. In Österreich gibt es etwa 10.000 Gehörlose oder sehr stark hörbehinderte Menschen. Dieser Gruppe ist diese Infomappe gewidmet. Die Definitionen sind nicht völlig eindeutig, aber meist sind mit dem Begriff „gehörlos“ jene Menschen gemeint, die von Geburt an nicht hören konnten und deshalb als Kleinkinder nicht „normal“ sprechen gelernt haben. Schlecht sehen trennt von Dingen - schlecht hören trennt von Menschen! Mindestens eine halbe Million Österreicherinnen und Österreicher hören schlecht. Doch die Zahl der Menschen, deren Gehör nicht optimal funktioniert, dürfte noch höher sein. Denn nach den Daten aus vergleichbaren Ländern ist anzunehmen, dass hierzulande über eine Million Menschen unter Hörstörungen leiden. Aus Österreich zur Verfügung stehende Daten sagen aus: Mindestens 350.000 Menschen leiden an leichter Hörminderung 135.000 leiden an mittelgradiger Schwerhörigkeit 82.000 sind hochgradig schwerhörig 31.000 leiden an Ertaubung oder an Ertaubung grenzender Schwerhörigkeit 8.000 sind gehörlos geborene Menschen Im Alter von 50 Jahren hat der überwiegende Teil (über 90 Prozent) der Bevölkerung noch ein intaktes Hörvermögen - im Alter von 70 Jahren sind es nur mehr 65 Prozent. Erschreckend ist, dass bereits an die 20 Prozent der Jugendlichen nachweisbare Veränderungen im Innenohr haben - also viel früher, als zu erwarten wäre. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 6 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN Experten gehen davon aus, dass die lauten Schallquellen in der Umwelt (Konzerte, MP3-Player, etc.) dafür verantwortlich sind. DIE GEBÄRDENSPRACHE Für die meisten Gehörlosen ist die Gebärdensprache eine wesentliche Säule der Kommunikation - aber auch Grundlage der Gehörlosenkultur. Viele Gehörlose denken und träumen sogar in Gebärden und sie betrachten sich als Sprachminderheit und nicht als behindert. Gehörlos, aber keineswegs stumm. Wahrscheinlich dürften Gebärden seit jeher dort eingesetzt worden sein, wo Gehörlose zusammenkamen. Einfache Zeige- oder Hinweis-Gebärden, Nachbildungen von Gegenständen und pantomimische Szenen sind die Quellen der Sprache mit den Händen und dem Gesichtsausdruck. An verschiedenen Orten und in verschiedenen Gruppen entstanden unterschiedliche Sprachstrukturen und bis zum heutigen Tag gibt es keine internationale Gebärdensprache. Jedes Land hat seine eigene. So gibt es z.B. die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS), die Deutsche Gebärdensprache (DGS), die American Sign Language (ASL) und in Frankreich die Langue des Signes Française (LSF). Eine Gebärdensprache besteht aus kombinierten Hand-Zeichen, in Verbindung mit mimischem Ausdruck und lautlos gesprochenen Wörtern oder Silben (Mundbild). Auch die Körperhaltung wird ins Gespräch miteinbezogen. Die Gebärdensprache verfügt über eine eigenständige Grammatik. Während Gehörlose und Hörende aus einem Land Kultur, Konsumgewohnheiten etc. teilen, haben in punkto Kommunikation gehörlose Menschen aus Österreich und solche aus z.B. Afrika wohl mehr Gemeinsamkeiten. Innerhalb der Österreichischen Gebärdensprache gibt es ebenso wie auch in der österreichischen Sprache verschiedene Dialekte. Quellen: http://www.gehoerlos-tirol.at/beratungsstelle/bs_faqs.html#antwort1 http://de.wikipedia.org/wiki/Geb%C3%A4rdensprache RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 7 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN LANGER ANERKENNUNGSPROZESS 2005 wurde vom Parlament die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) als vollwertige Sprache anerkannt. Das klingt fortschrittlich, brachte aber den etwa 10.000 gehörlosen Österreicherinnen und Österreichern, die die Gebärdensprache sprechen und verstehen können, genau genommen wenig. Denn es gibt keine „durchführenden“ Gesetze. So wird die Gebärdensprache nach wie vor nicht verpflichtend an Schulen als mögliche zweite oder dritte Fremdsprache angeboten. Und während in den USA zum Beispiel Polizistinnen und Polizisten die Gebärdensprache in Grundzügen können, haben es schwerhörige und gehörlose Menschen bei uns viel schwerer, sich im Behörden-Alltag zurecht zu finden, denn die Österreichische Gebärdensprache wurde nicht in die Ausbildung der Beamtenschaft aufgenommen. Also das Ziel, dass Gehörlose in Österreich zweisprachig und barrierefrei leben können, ist noch nicht erreicht. Unser Sendungsgast Doris Kirchsteiger hält Sensibilisierungsschulungen an Schulen, für Beamte und in Unternehmen ab und gibt Kurse in der Österreichischen Gebärdensprache. Die Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes Mag.a Helene Jarmer ist seit 2009 Behindertensprecherin der Grünen im Parlament, aber die Fortschritte erfolgen zögerlich. So besteht für Gehörlose nach wie vor kein Recht auf einen GebärdenDolmetscher in einer Behörde oder einer Universität. GEHÖRLOS, ABER KEINESWEGS STUMM Viele Gehörlose können natürlich auch sprechen. Vor allem wenn sie das Gehör erst nach dem Spracherwerb verloren haben. Nicht nur aus diesem Grund wird der Begriff „taubstumm“ als diskriminierend empfunden. Erstens haben Gehörlose die Gebärdensprache – sie sind also keineswegs „sprachlos“. Und zweitens wurde früher häufig - und wird wohl auch noch heute noch - mit dem Wort stumm dumm assoziiert. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 8 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN Wie gesagt: Das Sprechen fällt den meisten im Laufe des Lebens ertaubten Menschen leicht, wenn sie es als Kinder erlernt haben. Selbst wenn sie sich selbst nicht mehr hören können, bleibt die Sprache noch geläufig. Von Geburt an Gehörlosen bereitet der Spracherwerb natürlich Probleme. Jene, die durch die Implantation eines Chochlea-Implantates hören können, lernen Sprachen leichter. Quelle: http://www.gehoerlos-tirol.at/beratungsstelle/bs_faqs.html#antwort1 Lippenlesen Ist eine jener Fähigkeiten, die Hörende meist in Erstaunen versetzt. Bis zu einem gewissen Grad tun dies alle Menschen und die meisten Gehörlosen sind in dieser Kunst recht geübt. Allerdings werden nur etwa ein Drittel der Laute vorne an den Lippen sichtbar. Z.B. ist beim Wort "Computer" nur -OM-U-E- sichtbar. Durch Lippenlesen erhält man also nur Rumpfinformationen. DAS FINGERALPHABET Entnommen: http://www.taubenschlag.de/cms_pics/fingeralphabet-GERv02A4_S01.pdf RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 9 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN DAS SELBSTVERSTÄNDNIS GEHÖRLOSER Der Österreichische Gehörlosenbund vertritt die Interessen der Gehörlosen Österreichs. Natürlich handelt es sich dabei um eine heterogene Gruppe. Die persönlichen Schicksale sind recht unterschiedlich und spätertaubte Personen und Gehörlose mit Chochlea-Implantat, die im Arbeitsprozess stehen, haben andere Herausforderungen zu meistern, als jene Gruppe Gehörloser, die aufgrund der ungünstigen Ausbildungssituation sozial stark benachteiligt sind. Dennoch wird folgende Grundsatzerklärung viele umfassen: Wie sehen sich Gehörlose selbst? Wir sind nicht behindert, sondern eine Sprachminderheit. Die Gehörlosengemeinschaft ist geeint durch die Österreichische Gebärdensprache. Wir sind gehörlos, aber nicht „taubstumm“! Wir sind selbstbewusst und selbstbestimmt. Wir sind nicht arm, sondern stolz auf unsere Gebärdensprache. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 10 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN URSACHEN FÜR GEHÖRLOSIGKEIT Allgemein werden diese in Schallempfindungsstörungen und Schallleitungsstörungen eingeteilt. Bei der Schallempfindungsschwerhörigkeit liegt die Störung im Bereich des Innenohres, des Hörnervs oder in den Hirnzellen selbst. Diese Störung ist nicht durch eine Operation zu behandeln und kann auch mit technischen Hilfen nur zum Teil behoben werden. Diese Höreinbuße hat folgende Auswirkungen auf die auditive Wahrnehmung: Auf die Lautstärke bezogen kann teilweise noch relativ gut gehört werden, aber die gehörte Sprache ändert sich in ihrem Aufbau, ihrem Klangbild, ihrer Qualität. Die Ursache liegt meistens im Verlust der hohen Frequenzen, die nur noch teilweise oder gar nicht mehr wahrgenommen werden können. Die Ursachen von Schallempfindungsstörungen sind vielfältig. Sie können sowohl erblich bedingt sein als auch vor, während oder nach der Geburt erworben werden (z.B. Krankheiten der Mutter, Alkohol- oder Drogenkonsum in der Schwangerschaft, Frühgeburten, mangelnde Sauerstoffzufuhr bei der Geburt, Hirnhautentzündung). Schallleitungsstörungen sind seltener: Hier sind das Außen- und/oder das Mittelohr betroffen sind. Beispielsweise ist der Gehörgang entzündet, verengt oder nicht vorhanden, das Trommelfell kann eingerissen sein oder die Gehörknöchelchenkette ist unterbrochen. Es kommt hierdurch zu einer nur gedämpften Übertragung der akustischen Reize. Schallleitungsstörungen treten oft erst innerhalb der frühen Lebensjahre und meist durch infektiöse Prozesse auf (z.B. Kinderkrankheiten, lang anhaltende Mittelohrentzündungen). GEHÖRLOSIGKEIT IN DER FAMILIE Nur wenige Hörstörungen sind vererblich, daher hat der Großteil der gehörlosen Kinder hörende Eltern und Geschwister. Das bringt für das hörbeeinträchtigte Kind Schwierigkeiten mit sich. Denn eine altersgerechte Verständigung zwischen ihm und den Eltern ist in der ersten Lebensphase nicht möglich. Das Kind kann sich sprachlich nicht ausreichend mitteilen und innerhalb der Familie in die Isolation geraten. Es wäre natürlich wichtig, dass die Familie die Gebärdensprache erlernt. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 11 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN Die Kommunikation mit den Bezugspersonen ist wichtig für die Entwicklung der kognitiven, psychischen und sozialen Fähigkeiten eines Kindes. Quelle: Broschüre „Kurzinformationen über Gehörlosigkeit“ des Projektes „Gehörlose Frauen in Kärnten“ http://www.uni-klu.ac.at/zgh/bilder/Folder.pdf SCHUL- UND BERUFSAUSBILDUNG Die meisten gehörlosen Kinder besuchen eine Gehörlosenschule. In diesen wird nach wie vor die Lautsprache als Unterrichtssprache (auch „orale Methode“ genannt) verwendet. Das vorrangige Unterrichtsziel ist das Erlernen der gesprochenen Sprache; die Verwendung der Gebärdensprache im Unterricht wird abgelehnt. Die Kinder sollen nach Beendigung der Schule in der Lage sein, sich lautsprachlich zu verständigen. Die Vermittlung von Inhalten bzw. Wissen rückt in den Hintergrund. Dies kann die Bildungssituation beeinträchtigen: Untersuchungen haben gezeigt, dass nach Abschluss der Pflichtschule die meisten gehörlosen Kinder keine entsprechende Schriftsprachkompetenz haben. Die Leistungen hinken denen von gleichaltrigen hörenden Kindern hinterher: Mit 14 bis 16 Jahren verfügt ein oral erzogenes gehörloses Kind im Durchschnitt über einen Wortschatz, der einem 8-jährigen hörendem Kind entspricht. Der geringe Wortschatz wirkt sich auf die Textproduktion und auf das Leseverständnis aus. Dies ist der Beginn einer Negativspirale: Viele Gehörlose haben nur einen mangelhaften Schulabschluss und in der Folge sind ihre Berufschancen schlecht. Der Großteil schließt eine Lehre ab. Gehörlose, die über einen höheren Schulabschluss (z.B. Matura oder Universität) verfügen, sind in Österreich selten. In einigen anderen Ländern, z.B. Schweden, ist die Bildungssituation Gehörloser wesentlich besser. Ausschlaggebend dafür ist der bilinguale Unterricht. Das bedeutet, die Gebärdensprache wird im Unterricht zur Wissensvermittlung verwendet. Die nationale Schriftsprache wird gezielt als Zweitsprache unterrichtet. In Österreich existiert kein flächendeckendes bilinguales Schulangebot. Dieses wäre dringend notwendig, um die schulische und berufliche Situation der Gehörlosen zu verbessern! Quelle: Broschüre „Kurzinformationen über Gehörlosigkeit“ des Projektes „Gehörlose Frauen in Kärnten“ http://www.uni-klu.ac.at/zgh/bilder/Folder.pdf RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 12 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN MEDIZINISCHE BETREUUNG GEHÖRLOSER MENSCHEN Es gibt in Österreich vier Gehörlosenambulanzen, die quasi die Aufgabe der hausärztlichen Betreuung wahrnehmen: Diese befinden sich in den Krankenhäusern der Barmherzigen Brüder Linz, Graz und Wien und im Landeskrankenhaus Salzburg. 1992 wurde die Ambulanz für Gehörlose im Linzer Krankenhaus der Barmherzigen Brüder eröffnet. Die Gehörlosen-Community war erfreut und aus allen Bundesländern pilgerten die Betroffenen nach Linz. Für die meisten war es die erste Gelegenheit, mit einem Arzt in der eigenen Muttersprache, der Österreichischen Gebärdensprache, unter vier Augen sprechen zu können und Befunde sowie Therapieanleitungen verständlich erklärt zu bekommen. Bald entstand der Wunsch nach Errichtung einer solchen Ambulanz in Wien, um auch hier mit gebärdensprachkompetenten ÄrztInnen und ohne DolmetscherInnen – also gleichsam „unter vier Augen“ – gesundheitliche Fragen erörtern zu können. Die Barmherzigen Brüder erklärten sich wiederum bereit, solch eine Einrichtung in ihrem Wiener Krankenhaus einzurichten und wurden dabei von vielen Gehörlosen sowie deren Verbänden und Interessenvertretungen intensiv unterstützt. Anfang Oktober 1999 war es so weit. Mittlerweile haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wiener Ambulanz jährlich rund 6.000 Patientenkontakte und führten circa 2.000 Begleitungen in andere medizinische Abteilungen des Krankenhauses beziehungsweise in wenigen, spezifischen Fällen in andere Spitäler oder zu niedergelassenen Fachärzten durch. Weiters wurden weit über 1.000 Sozialberatungen und zahlreiche psychologische Beratungsgespräche durchgeführt. Und oft werden Krankheiten, deren Erkennung eine ausführliche Anamnese voraussetzt, in der Gehörlosenambulanz überhaupt erstmals diagnostiziert. Daran wird deutlich, dass außerhalb der Ambulanz für Gehörlose viele Krankheiten erst sehr spät oder gar nicht erkannt sowie mitunter auch fehldiagnostiziert werden. Viele Patientinnen und Patienten bringen zum Erstgespräch in die Ambulanz zahlreiche Vorbefunde mit teils schwerwiegenden Krankheitsbildern mit. Bloß konnten die Gehörlosen keine Konsequenzen daraus ziehen – nicht aufgrund mangelnder Compliance, sondern weil ihnen bisher niemand erklären konnte, woran sie leiden und was sie dagegen tun können. Die Gebärdensprachkompetenz der Ambulanzmitarbeiter ist in diesen Fällen der sprichwörtliche Schlüssel zum Erfolg. Quelle: Broschüre der Barmherzigen Brüder Wien RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 13 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN DAS COCHLEA–IMPLANTAT (CI) Diese Hörhilfe wurde für gehörlos geborene Kinder oder ertaubte Erwachsene entwickelt. Sie verbessert das Hören also nicht, sondern macht es überhaupt erst möglich. Das Cochlea-Implantat ist eine Prothese, die die ausgefallenen Funktionen des Innenohrs ersetzt. Es besteht aus einem Mikrofon, einem digitalen Sprachprozessor, einer Sendespule mit Magnet und dem eigentlichen Implantat. Dieses setzt sich aus einem weiteren Magneten, einer Empfangsspule, dem Stimulator und dem Elektrodenträger mit den Stimulationselektroden zusammen. Das Implantat wird im Schädelknochen hinter dem Ohr eingepflanzt. Die Elektroden werden operativ in die Gehörschnecke (Cochlea) eingebracht. Mikrophon und Sendespule werden, wie bei anderen Hörsystemen, am Kopf getragen. Wie funktioniert nun ein Cochlea–Implantat? Über das Mikrofon gelangen die Schallwellen zum Sprachprozessor. Dieser codiert die akustischen Eingangssignale und leitet sie zu der Sendespule hinter dem Ohr. Von dort werden sie durch die Haut zum Implantat geschickt. Der Empfänger wandelt den akustischen Code in elektronische Signale um, die von den Elektroden aufgenommen und in die Cochlea geleitet werden. Die Fasern der Hörnerven werden durch die elektronischen Signale stimuliert, so dass sie die Information an das Gehirn weitergeben. Dieser Vorgang erzeugt beim Träger des Gerätes Hörempfindungen der unterschiedlichsten Art. Hörtraining und Sprachtherapie sollen dem Patienten helfen, die neuen Höreindrücke richtig einzuordnen, denn das Hören mit einem Cochlea-Implantat unterscheidet sich wesentlich vom normalen Hören. Daher ist nach der Implantation eine intensive Schulung nötig. Zur Verwendung von Chochlea-Implantaten gibt es unterschiedliche Meinungen in der Community der Gehörlosen. Manche lehnen es ab, dass Kinder „automatisch“ damit versorgt werden und während Ärzte und Medien Chochlea-Implantate meist als Wunderwerke der Technik bezeichnen, betrachten Gehörlose diese Hilfen sehr differenziert. In der Folge nun Informationen aus einer Radiodoktor-Infomappe zum Thema Hören: RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 14 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN WIE HÖRT DER MENSCH? Ob Vogelgezwitscher, Weckerläuten, ein Gespräch oder Lärm - in der Physik werden alle Geräusche als periodische Schwankungen des Luftdrucks bezeichnet. Töne sind Schallwellen, die von einer akustischen Quelle ausgehen, sich in der Luft fortpflanzen und dann von uns empfangen und entschlüsselt werden. Diese Schallwellen breiten sich mit 330 Metern pro Sekunde durch die Luft aus. Der hörbare Frequenzbereich Der Mensch kann jedoch nur Schallwellen in einem Frequenzbereich von 16 Hertz (=Schwingungen pro Sekunde) bei tiefen Tönen und bis zu 20.000 Hertz bei hohen Tönen wahrnehmen. Schwingungen, die darüber (Ultraschall) und darunter liegen (Infraschall), sind für den Menschen nicht hörbar. Viele andere Säugetiere können Töne im Ultraschallbereich wahrnehmen. Hunde hören z.B. Schwingungen bis zu 50.000 Hertz (spezielle Hundepfeifen), Delphine sogar bis zu 150.000 Hertz. Der Schalldruckpegel Für das Hören ist neben der Frequenz auch die Lautstärke (=Schalldruckpegel) maßgeblich. Der Schalldruckpegel wird in Dezibel (dB) angegeben. Das leise Rascheln der Blätter im Wald entspricht einem Schallpegel von 25 bis 30 Dezibel. Der Pegel von Sprache in „normaler“ Lautstärke beträgt zirka 65 dB ein Flugzeug erreicht etwa 120 dB. Die Schmerzgrenze eines gut hörenden Menschen liegt meistens bei 120 dB. Dies ist ein dreimillionenfach höherer Schalldruck als der des kleinsten hörbaren Geräusches. Dieser leiseste wahrnehmbare Schalldruck entspricht etwa 20 MikroPascal und liegt knapp über der Hörschwelle mit 0 Dezibel. Um den Leistungsumfang des Gehörsinns zu veranschaulichen: Verglichen mit dem Leistungsspektrum einer Waage kann das Hörorgan von einem Milligramm bis zu 1.000 Tonnen „hören“. Hörschwelle und Schmerzgrenze Um überhaupt etwas zu hören, muss für jede Frequenz eine unterschiedliche Lautstärke (Schalldruckpegel) erreicht werden. Die untere „Hörschwelle“ – das ist die Lautstärke, bei der ein Ton von 1.000 Hertz in ruhiger Umgebung gerade noch wahrgenommen werden kann – liegt für das gesunde Gehör eines jüngeren Menschen zwischen 0 und 10 Dezibel. Ein leises Atemgeräusch entspricht etwa 10 Dezibel, das Rauschen der Blätter im Wald etwa 30 dB, ein normales Gespräch 65 dB und das Geräusch des Presslufthammers liegt bei 100 Dezibel. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 15 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN Dezibel-Skalen sind logarithmisch, d.h. eine Verdopplung des Schalldrucks entspricht einem Pegelanstieg von 6 dB. Dies bedeutet beispielsweise, dass ein „Moped“ mit 70 dB fünf Mal so laut ist, wie „Flüstern“ mit 40 dB. Als Unbehaglichkeitsgrenze bezeichnet man Geräusche, die zu laut sind und ein unbehagliches Gefühl auslösen. Die als „Schmerzgrenze“ bezeichnete obere Hörgrenze – bei der keine Hörsondern lediglich nur noch eine Schmerzempfindung erfolgt – liegt bei ca. 120 Dezibel. Zur Wahrnehmung sehr tiefer und sehr hoher Töne ist ein weitaus höherer Schalldruck (Lautstärke) erforderlich als für Töne mittlerer Frequenzen. Die höchste Empfindlichkeit zeigt das menschliche Ohr für Frequenzen zwischen 500 und 5.000 Hertz. Dies entspricht auch der Frequenzspanne der menschlichen Sprache. VOM SCHALL ZUR WAHRNEHMUNG Die zum menschlichen Ohr gelangenden Schallwellen dringen über den Hörkanal zum Trommelfell, welches als akustischer Druckempfänger fungiert. Die von diesen Schalldrücken ausgelösten Bewegungen des Trommelfells wiederum wirken auf die Gehörknöchelchen ein, die die Schallschwingungen zum Innenohr übertragen. Durch die Hebelwirkung der Gehörknöchelchen-Kette werden sie dabei um das rund 20-fache verstärkt. Die verstärkten Schwingungen werden an die Basilarmembran und das Corti’sche Organ im Innenohr weitergegeben, wo sie von den Haarzellen in bioelektrische Impulse umgewandelt werden. Diese wiederum werden von den Fasern des Hörnervs aufgenommen und zum Hörzentrum im Gehirn geleitet. Erst hier findet die Entschlüsselung, Umsetzung und Interpretation der Impulse statt: Aus Signalen werden Informationen. Die Fähigkeit zur „auditiven Diskrimination“ Nun wäre der Mensch jedoch total überfordert, wenn er laufend jeden einzelnen Ton, der an sein Ohr dringt, isoliert wahrnehmen und analysieren müsste. Vor dieser Überforderung schützt ihn die Fähigkeit zur „auditiven Diskrimination“: Töne, welche als weniger wichtig eingestuft werden, können dabei weitgehend ausgeblendet oder in den Hintergrund verdrängt werden. Zugleich wird die Wahrnehmung auf jene Töne und Schallquellen konzentriert, die man wirklich zu hören wünscht. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 16 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN Die selektive Wahrnehmung Deshalb ist es dem Individuum auch möglich, sich in geräuschvoller Umgebung auf spezifische akustische Informationen zu konzentrieren und sich im Geräuschund Stimmengewirr eines öffentlichen Lokals auf bestimmte Gesprächspartner zu fixieren. Dasselbe gilt auch für den Schlaf: Hier werden selbst relativ laute „normale Geräusche“ – wie beispielsweise die Lärm-Emissionen eines vorbeifahrenden Zuges oder das Geräusch der frühmorgens vom Partner in Betrieb gesetzten Espresso-Maschine – nicht gehört, während uns umgekehrt relativ leise „Warngeräusche“ sofort aus dem Schlaf fahren lassen. Das „räumliche Hören“ Eine weitere Fähigkeit des menschlichen Gehörs ist die räumliche Wahrnehmung: Dank der Position der beiden Ohren und dem dazwischen liegenden Abstand ist das gesunde menschliche Gehör in der Lage, Schallwellen zu orten – also beispielsweise in einem Raum sofort festzustellen, wo sich ein sprechender Mensch, ein Radio oder ein Wecker befindet. Zudem kann sich der Mensch seiner Stimme und seines Gehörs wie eines Echolots bedienen – zum Beispiel, um sich in einem dunklen Raum zu orientieren. Luftleitung und Knochenleitung Neben dem Schalltransport über das Außenohr zum Innenohr, die so genannte Luftleitung, findet das Hören auch über die Knochenleitung statt. Schallwellen können den Schädelknochen direkt in Schwingung versetzen und ins Innenohr vordringen. Diese Schallleitung ist nicht so effektiv wie die Luftleitung, sie ist jedoch bei der Hörprüfung von Bedeutung. DER GEHÖRSINN Das Hörorgan kann anatomisch und funktionell in die drei Abschnitte äußeres Ohr, Mittelohr und Innenohr unterteilt werden. Dabei fallen jedem dieser Bereiche spezifische Aufgaben zu. DAS ÄUSSERE OHR Das äußere Ohr leitet die Schallwellen zum Mittelohr. Es besteht aus der Ohrmuschel und dem äußeren Gehörgang. Letzterer weist eine durchschnittliche Länge von 23 Millimetern und einen Durchmesser von 6 bis 8 Millimetern auf. In RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 17 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN seinem äußeren Drittel befinden sich die Ceruminaldrüsen. Diese produzieren das Ohrenschmalz – eine gelbliche, fettige Substanz, deren Aufgabe es ist, das Ohr vor eindringenden Schmutzpartikeln zu schützen. Der Gehörgang ist ein knöcherner Kanal, welcher im äußeren Bereich mit Knorpel und Haut bedeckt ist. Weiter innen ist er nur mehr mit zarter Haut ausgekleidet, die direkt in die Haut des Trommelfells übergeht. Dieses besitzt einen Durchmesser von etwa 10 Millimetern und wird durch die aus der Umwelt auftreffenden Schallwellen zu mechanischen Schwingungen angeregt. Es stellt die Grenze zum Mittelohr dar. DAS MITTELOHR Das Mittelohr besteht aus dem Trommelfell, der luftgefüllten Paukenhöhle, der darin liegenden Gehörknöchelchenkette und den Mittelohrmuskeln. Es dient der Übertragung der Schwingungen des Trommelfells in das mit Flüssigkeit gefüllte Innenohr. Mit dem Trommelfell in Verbindung stehen die Gehörknöchelchen des Mittelohrs. Sie verstärken aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Hebelwirkungen die einlangenden Schallschwingungen beträchtlich. Der Hammer ist fest mit dem Trommelfell verbunden und überträgt die Schwingungen über den Amboss auf den Steigbügel. Dessen Fußplatte ist mit der Chochlea (Ohrschnecke) verbunden, und auf diesem Weg erreichen die Schwingungen das Innenohr. Die Gehörknöchelchen sind winzig klein; der Steigbügel hat z.B. knapp die Größe eines halben Reiskorns. Zwischen dem Mittelohr und dem Rachenraum besteht eine direkte Verbindung in Form der Ohrtrompete oder Tube, auch Eustach´sche Röhre genannt. Diese ist, wie die Paukenhöhle, ein mit Schleimhaut ausgekleideter Hohlraum. Sie bildet einen Gang zum Nasen-Rachen-Raum und sorgt für einen permanenten Druckausgleich im Mittelohr und die Belüftung der Paukenhöhle. Die Ohrtrompete ist normalerweise geschlossen und öffnet sich beim Gähnen und Schlucken. Ihre Funktion ist für gutes Hören sehr wichtig. Ist bspw. die Schleimhaut der Ohrtrompete geschwollen und der Druckausgleich beeinträchtigt, verlieren die Gehörknöchelchen an Beweglichkeit und man hört schlechter. Eine weitere Aufgabe des Mittelohres besteht darin, das Innenohr und die in ihm liegenden Sinneszellen vor zu lauten Schalleinwirkungen zu schützen. Die zwei Mittelohrmuskeln können eintreffende Schallwellen abschwächen, indem sie sich bei lauten Geräuschen reflexartig zusammenziehen. Damit verringern sie die Schwingungsfähigkeit der Ohrknöchelchenkette. Diese Schutzeinrichtung kann lauten Geräuschen jedoch nur begrenzt entgegenwirken. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 18 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN DAS INNENOHR Im Innenohr findet der eigentliche Hörprozess statt. Es enthält das Gleichgewichtsorgan und das Hörorgan, das wegen seiner Form auch Schnecke (Cochlea) genannt wird. Die Ohrschnecke, Cochlea, ist eine spiralförmig gewundene Röhre von ca. 32 mm Länge und zweieinhalb Windungen Steigung. Die Röhre wird durch zwei Membranen (Reissner’sche Membran und Basilarmembran) in drei Kanäle unterteilt, die mit zwei unterschiedlichen Flüssigkeiten gefüllt sind. Die einzelnen Kanäle heißen Scala vestibuli, Scala media und Scala tympani. Zwischen den beiden Flüssigkeiten besteht eine elektrische Spannung, welche die für die Reizaufnahme und -weiterleitung erforderliche elektrische Energie liefert. Auf der Basilarmembran liegt das Corti’sche Organ, das auch als Transformationsorgan bezeichnet wird. Das Corti’sche Organ wandelt die durch das Mittelohr übertragenen mechanischen Schwingungen in Nervenimpulse um. Diese werden über den Hörnerv an das Zentralnervensystem weitergeleitet. Im Anschluss daran erfolgt der letzte Schritt des Hörvorganges, der Prozess der neuronalen Verarbeitung. Die Haarzellen Eintreffende Schwingungen breiten sich in einer Wanderwelle aus - wie ein ins Wasser geworfener Stein Wellen schlägt. Durch diese Wellenbewegungen werden die Sinnes- oder Haarzellen des Corti’schen Organs und ihre Ausläufer, die Sinneshärchen, gereizt. Dieser Reiz wird anschließend vom Gehörnerv zum Gehirn übertragen, wo die eigentliche Informationsverarbeitung stattfindet. Die Haarzellen – deren Aufgabe es ist, mechanische in bioelektrische Impulse umzuwandeln – sind äußerst sensible und verletzliche Organe, die durch akustische Überstrapazierung schwer geschädigt werden können. Die Haarzellen sind auf der Basilarmembran in drei äußeren und einer inneren Reihe angeordnet. 3.500 inneren Haarzellen stehen etwa 12.000 in den äußeren drei Reihen gegenüber. Die Haarzellen des Innenohrs sind wie alle anderen Sinneszellen des Körpers nicht erneuerbar – Verlust oder Zerstörung dieser Sinneszellen haben also irreparable Hörschäden zur Folge. Wie Töne abgebildet werden Töne werden durch unterschiedliche Ausdehnung der Wellenbewegungen dargestellt. Hohe Töne führen zu großen Ausdehnungen, während tiefe Töne zu kleinen Ausdehnungen führen. Weiters reizen hohe Töne vorwiegend die Haarzellen am Eingang und tiefe Töne die Haarzellen am Ende der Hörschnecke. Das bedeutet, dass verschiedene Töne an unterschiedlichen Orten der RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 19 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN Hörschnecke abgebildet und somit gehört werden. Beim alltäglichen Hörvorgang laufen gleichzeitig und ununterbrochen viele verschiedene Wellenbewegungen durch die Schnecke. Im Laufe des Lebens werden die Haarzellen der Eingangsöffnung stärker belastet, weil alle Wellenabläufe zuerst dort eintreffen. Durch die Abnutzung dieser Haarzellen kommt es bei älteren Menschen oft zu einer Schwerhörigkeit im Hochtonbereich. Die meisten Fälle von Schwerhörigkeit sind auf eine Schädigung der Haarzellen durch zu laute und zu lang andauernde Lärm-Einwirkungen auf das Ohr zurückzuführen. HÖRNERV UND HÖRZENTREN IM GEHIRN Die von den Haarzellen abgegebenen bioelektrischen Impulse werden vom Hörnerv aufgenommen – einer komplexen, aus rund 30.000 Fasern bestehenden Nervenbahn, die das Innenohr mit dem Hörzentrum im Gehirn verbindet. Im Gehirn wird die Information entschlüsselt, die zunächst als Schallwelle an das Ohr getragen, weitergeleitet und in elektrische Impulse umgewandelt wurde. Dabei wird jedes herangetragene Signal mit bereits bekannten verglichen. Im Laufe des Lebens speichert das Gehirn zigtausende akustische Signale, die dann zum Vergleich mit eintreffenden Geräuschen dienen. Schallaufnahme und Identifizierung erfolgen in Millisekunden. Das ist auch nötig, um uns vor Gefahren wie im Straßenverkehr oder bei bestimmten Sportarten zu schützen. Weiters hilft uns das Gehirn, die Richtungen zu ermitteln, aus der die Geräusche kommen. DER GLEICHGEWICHTSAPPARAT Zum Innenohr gehört auch der Gleichgewichtsapparat, der aus zwei kleinen Bläschen – dem Sacculus und dem Utriculus – sowie drei Bogengängen besteht. Sacculus und Utriculus enthalten winzige Kalksteinchen, deren Position sich – bedingt durch die Schwerkraft der Erde – analog zur Lage des Kopfes verändert. Die Bogengänge wiederum reagieren auf Flüssigkeitsbewegungen, die durch die Drehbewegungen des Kopfes ausgelöst werden. Die Schnecke, in der sich das Corti’sche Organ befindet, wird auch als Transformationsorgan bezeichnet. Doch nun zurück zum Prozess des Hörens. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 20 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN DIE DREI TEILE DES HÖRVORGANGES Betrachtet man die Aufgaben von Außen-, Mittel- und Innenohr wird deutlich, dass sich der Hörvorgang in drei grundlegende Komponenten zerlegen lässt. Die Reizleitung: Der Schall, der den so genannten adäquaten Reiz für das Hörorgan darstellt, muss aus der Umwelt zum Innenohr transportiert werden. Dabei erfüllen Außen- und Mittelohr zusammen mit dem Innenohr lediglich die Aufgabe, den Reiz an das Transformationsorgan weiterzuleiten. Die Reiztransformation: Bei der Reiztransformation erfolgt am Corti’schen Organ im Innenohr die Umwandlung des mechanischen Reizes in elektrische Impulsmuster (Nervenimpulse). Die neuronale Verarbeitung: Sie erfolgt auf verschiedenen Ebenen des Hörnerven und der Hörbahn und ist letztendlich die Auswertung der Impulsmuster im Zentralnervensystem. DIE ARTEN DER SCHWERHÖRIGKEIT Grundsätzlich unterscheidet man zwei Arten der Schwerhörigkeit: die Schalleitungsschwerhörigkeit: Die Ursache der Höreinschränkung liegt im Gehörgang oder Mittelohr. die Schallempfindungsschwerhörigkeit: Ursache der Hörschädigung sind Probleme im Innenohr, in den Nervenfasern oder Haarzellen der Schnecke. Weiters gibt es Hörstörungen, deren Ursache im Gehirn liegt. Außerdem gibt es Kombinationsformen aus den Genannten. Schwerhörigkeit kann ein- oder beidseitig auftreten, und in vielen Fällen entwickelt sich die Schwerhörigkeit beider Ohren unterschiedlich schnell. Die Grundtypen der Schwerhörigkeit werden nach Graden eingeteilt. Grundlage dieser Einteilung sind Bezugswerte, die durch ein Sprach- bzw. Tonaudiogramm ermittelt werden: Normalhörigkeit: Ein Abweichen der Hörfähigkeit bis 20 Dezibel. geringgradige Schwerhörigkeit: 20 bis 40 Prozent Hörverlust: Das Ticken der Armbanduhr - Lautstärke etwas mehr als 20 Dezibel - wird nicht mehr gehört. mittelgradige Schwerhörigkeit: 40 bis 60 Prozent Hörverlust: Die Grundgeräusche in Wohngebieten am Tag. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 21 AUS DER WELT DER GEHÖRLOSEN hochgradige Schwerhörigkeit: 60 bis 80 Prozent Hörverlust: Der Gesprächspartner kann nicht mehr gehört werden – Hörminderung beträgt 40 bis 60 Dezibel. an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit: 80 bis 85 Prozent Hörverlust: Die Höreinbuße beträgt über 80 Dezibel; Betroffene hören zum Beispiel laute Musik oder die Geräusche einer sehr belebten Straße nicht mehr. Schlecht hören bedeutet nicht nur leiser hören Viele gut Hörende sind der Meinung, Menschen mit Hörminderung würden dasselbe hören wie sie, nur eben viel leiser. Doch eine Hörminderung muss man sich eher wie ein Verschwimmen aller Geräusche vorstellen. Aus Gesprächen und Umgebungslauten entsteht ein Geräusche-Chaos, das nur schwer zu entwirren ist. Oft werden einzelne Laute nicht gehört – das Klangbild ist unvollständig - wie bei einem Puzzle, bei dem Teile fehlen. Je nachdem, wie sehr das Hörorgan im Laufe des Lebens gefordert und belastet wurde, lässt es früher oder später, stärker oder schwächer nach. Besonders häufige Formen Die häufigsten Formen von Hörminderungen sind Altersschwerhörigkeit und Lärmschwerhörigkeit. Sie entstehen durch eine nicht wieder umkehrbare Zerstörung der Haarzellen im Innenohr. Die Altersschwerhörigkeit, dabei handelt es sich um die zahlenmäßig bedeutendste Hörbeeinträchtigung, betrifft in unterschiedlichem Ausmaß jeden Menschen. Denn im genetischen „Fahrplan“ der Natur eines jeden Individuums ist die Lebensdauer der Gehörzellen „programmiert“, d.h. vorgegeben. Die ersten Anzeichen der Altersschwerhörigkeit lassen sich bei den meisten Menschen ab dem 50. Lebensjahr nachweisen. Meist sind zunächst die höheren Frequenzbereiche von der Hörminderung betroffen. Die tiefen Frequenzen, die für das Empfinden des Klangvolumens der Sprache verantwortlich sind, werden häufig noch recht gut wahrgenommen. Somit bemerken die von der Hörminderung Betroffenen den schleichenden Hörverlust nicht und die Sprachverständlichkeit sinkt, obwohl die Lautstärke der Sprache „normal“ erscheint. Pointiert formuliert: Die Betroffenen hören zwar alles, verstehen aber nichts. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 22 ANLAUFSTELLEN ANLAUFSTELLEN Österreichischer Gehörlosenbund Waldgasse 13/2 A-1100 Wien Tel.: +43/1/603 08 53 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.oeglb.at/ Gehörlosenambulanz Barmherzige Brüder Linz Bischofstraße 11 A-4021 Linz Tel.: +43/732/7897/24900 Homepage: http://www.barmherzigebrueder.at/content/site/linz/abteilungen/sinnes_und_sprachneurologie_gesundheits zentrum_fuer_gehoerlose/index.html Gehörlosenambulanz Barmherzige Brüder Graz Marschallgasse 12 A-8020 Graz Tel.: +43/316/7067/5300 SMS: +43/664/9673490 (Sekretariat) E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.barmherzigebrueder.at/content/site/graz/abteilungen/gehoerlosenambulanz/index.html Gehörlosenambulanz Salzburg Landesklinikum Salzburg Universitätsklinikum der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Müllner Hauptstraße 48 A-5020 Salzburg Tel.: +43/662/4482/3691 SMS/Mobil: +43/676/899 723 691 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.salzburgergehoerlosenverein.at/HP_SGV/gl_ambulanz_salzburg.html RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 23 ANLAUFSTELLEN Österreichische Schwerhörigen Selbsthilfe Preinsdorf 20 A-4812 Pinsdorf Tel.: +43/681/207 470 56 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.oessh.or.at/ Cochlea Implantat Austria - Österreichische Gesellschaft für implantierbare Hörhilfen Helfersdorferstraße 4 A-1010 Wien Tel.: +43/699/18888235 E-Mail: [email protected] Homepage: www.ci-a.at Österreichischer Gebärdensprach-DolmetscherInnenverband Postfach 95 A-1131 Wien Tel.: +43/1/802 52 82 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.oegsdv.at/index.php?content=1 Zahlreiche Anlaufstellen für Gehörlose und Schwerhörige http://www.ci-a.at/sefrengo/projekt01/index.php?idcat=14 Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern Schönbrunner Straße 119/13 A-1060 Wien Eingang: Am Hundsturm 7 Tel.: +43/1/961 05 85/24 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.klagsverband.at/ RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 24 INFOLINKS INFOLINKS Österreichischer Gehörlosenbund www.oeglb.at ServiceCenter ÖGS.barrierefrei www.oegsbarrierefrei.at RelayService Telefonvermittlungsdienst www.relayservice.at Nachrichtenportal Gebärdenwelt www.gebaerdenwelt.tv Wiener Fürsorge Verband www.witaf.at ÖHTB - Österreichisches Hilfswerk für Taubblinde und hochgradig Hör- und Sehbehinderte ww.oehtb.at VÖGS – Verein österreichischer gehörloser Studierende www.voegs.at Projekt GESTU – „gehörlos erfolgreich studieren an der TU Wien“ www.gestu.at ÖGSDV - Österreichischer Gebärdensprach-DolmetscherInnen Verband www.oegsdv.at Gebärdensprache & Gehörlosenkultur kennenlernen Sensibilisierungsakademie ServiceCenter ÖGS.barrierefrei www.oegsbarrierefrei.at RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 25 INFOLINKS Geschichte der Gehörlosen in Europa http://www.oeglb.at/netbuilder/docs/The_earliest_history_of_Deaf_education_in_Eu rope_06042010.pdf Übersicht für Institute und Stellen wo ÖGS erlernt werden kann: www.bizeps.or.at/links.php?nr=102 MUDRA - Lexikon der Österreichischen Gebärdensprache www.mudra.org ÖGS-Kurse im Sprachenzentrum der Universität Wien sprachenzentrum.univie.ac.at SIGN-IT - Integriertes Medienlernsystem für Studierende & DolmetscherInnen der ÖGS www.signit.at Fachausbildung Gebärdensprachdolmetschen in Linz www.gesdo.at Deutscher Gehörlosen-Bund http://www.gehoerlosen-bund.de/dgb/ Zentrum für Gebärdensprache und Hörbehindertenkommunikation (ZGH) www.uni-klu.ac.at/zgh Institut für Translationswissenschaft, Uni Graz www.uni-graz.at/itat Institut für Sprachwissenschaft, Uni Wien linguistics.univie.ac.at Ambulanz für Gehörlose in Wien www.barmherzige-brueder.at Institut für Sinnes- und Sprachneurologie in Linz www.barmherzige-brueder.at Gehörlosenambulanz in Salzburg www.salzburger-gehoerlosenverein.at RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 26 INFOLINKS Österreichs erste Minderheitensprache http://www.initiative.minderheiten.at/stat/stimme/stimme56f.htm „Beim Essen fällt kein Wort“ – Artikel in der FAZ vom 10.3.2012 http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/jung/jugend-schreibt/leben-mitgehoerlosigkeit-beim-essen-faellt-kein-wort-1951070.html „Stilles Studium“ – Artikel in der FAZ vom 1.6.2011 http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/campus/gehoerlose-an-der-uni-stillesstudium-1640123.html Taubenschlag - Das Portal für Gehörlose und Schwerhörige http://www.taubenschlag.de/Oesterreich Informationen zum Cochleaimplantat http://www.oessh.or.at/hoerspuren/ci Erfahrungsberichte von Cochlea-Implantat Versorgten http://www.ci-a.at/sefrengo/projekt01/index.php?idcatside=45 Wir Gehörlosen http://www.wir-gehoerlosen.de/ Gebaerdenwelt TV http://www.gebaerdenwelt.tv/ videotext.web – Innovation des Servicecenter ÖGS Barrierefrei http://www.oegsbarrierefrei.at/default.asp?id=2&sid=11&eid=2 Fingeralphabet http://www.fingeralphabet.org/ Ratgeber für gehörlose Eltern http://www.oegsbarrierefrei.at/default.asp?id=1 Gehörlosenkultur http://www.visuelles-denken.de/Schnupperkurs10.html Filme, in denen es um Hörschädigung geht oder in denen Hörgeschädigte auftreten RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 27 INFOLINKS http://www.taubenschlag.de/html/kultur/filme.htm RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 28 BUCHTIPPS BUCHTIPPS Sarah Neef Im Rhythmus der Stille: Wie ich mir die Welt der Hörenden eroberte Campus Verlag 2009 ISBN-13: 978-3593383835 Helene Jarmer Schreien nützt nichts: Mittendrin statt still dabei Südwest Verlag 2011 ISBN-13: 978-3517086590 Anne C. Uhlig Ethnographie der Gehörlosen: Kultur - Kommunikation - Gemeinschaft Verlag Transcript 2012 ISBN-13: 978-3837617931 RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 29 SENDUNGSGÄSTE SENDUNGSGÄSTE In der Sendung Radiodoktor – Medizin und Gesundheit vom 3. Dezember 2012 sprachen: Doris Kirchsteiger gehörlos, hält Sensibilisierungsschulungen an Schulen und in Unternehmen und gibt ÖGS-Kurse. Gleichzeitig leitet sie auch die Kommission Frauen des Österreichischen Gehörlosenbundes Sensibilisierungsakademie Servicecenter ÖGS Barrierefrei Waldgasse 13/2 A-1100 Wien Tel.: +43/1/64 10 510 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.oegsbarrierefrei.at/ Mag. Michael Wollrab Schriftführer des Vereins „Cochlea Implantat Austria-Österreichische Gesellschaft für implantierbare Hörhilfen, kurz CIA" Helfersdorferstraße 4 A-1010 Wien Tel.: +43/699/18888235 E-Mail: [email protected] Homepage: www.ci-a.at Dr. Thomas Ströbele med. Stellvertreter der Gehörlosenambulanz am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien Johannes von Gott Platz 1 A-1020 Wien Tel.: +43/1/21121/0 SMS: +43/8282/703 470 158 Homepage: http://www.barmherzigebrueder.at/content/site/wien/abteilungen/ambulanz_fuer_gehoerlose/index.html?SW S=9451ef3ba7caf3cc898f142244b9d5a2 RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 30 SENDUNGSGÄSTE Dr. Christian Quint Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenerkrankungen und Phoniatrie Josefstädter Str. 35/1/6 A-1080 Wien Tel.: +43/1/408 27 00 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.hno-quint.com/ Die Gebärdendolmetscherinnen Isabella Rausch und Helene Kurt RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 31