Betreuung und Arbeit mit hörbeeinträchtigten Kunden CLARKE Valerie Arbeit und Umgang mit hörbeeinträchtigten Kunden Statistische Daten 450 000 Personen sind in Österreich von einer Hörbehinderung betroffen.1 Auf Grund von statistisch schwer erfassbaren Daten und wegen nicht klar abgrenzbaren Werten von Altersoder Lärmschwerhörigkeit oder Mehrfachbehinderungen gibt es aber noch dazu eine große Dunkelziffer. 10.000 Personen davon sind gehörlos und verwenden als Kommunikationsmittel die Gebärdensprache [Grundsätzlich sagt man immer, dass ein Promill der Bevölkerung gehörlos ist ] Begriffsdefinitionen Hörbeeinträchtigt Damit sind alle Personen gemeint, die vorübergehend oder dauerhaft eine Hörbeeinträchtigung haben. Das bedeutet, dass sie sich aber nach wie vor im Alltag zurechtfinden ohne dass diese Beeinträchtigung auffällt. Es ist möglich, dass sich ein Hörverlust schleichend einstellt und diese Personen lange Zeit nichts mitbekommen davon. Z.B. Ältere Menschen behaupten dann, dass der Nachrichtensprecher nuschelt oder dass die Radiobatterie schwach geworden ist usw..... Schwerhörig Diese Personengruppe ist sich ihrer Hörbeeinträchtigung bewusst und versucht sie durch viele Hilfsmittel zu kompensieren. Welche es genau gibt hat Ihnen der Berater von Neuroth gezeigt. „Taubstumm“? Lange Zeit war der Begriff TAUBSTUMM in aller Munde, und ist es auch heute noch. Diese Bezeichnung stammt noch aus jener Zeit, in der man meinte, gehörlose Menschen seien bildungsunfähig und dumm. Außerdem meinen viele Leute, dass im Wort „stumm“ nicht nur eine Sprechunfähigkeit, sondern auch Kommunikationsunfähigkeit nachgewiesen wird.2 Der richtige Ausdruck ist „gehörlos“. Denn diese Personengruppe verfügt über den gleichen Sprechmechanismus wie jeder andere Mensch auch, nur dass sie ihre Stimme und deren Lautstärke oder Klang mittels Gehör nicht steuern und kontrollieren können. Diese Personen sind visuell ausgerichtet. Das bedeutet, dass sie visuelle Hilfsmittel, wie Blinkanlagen und Vibrationswecker sowie Faxgeräte benutzen um sich im Alltag zurecht zufinden. Diese Personen haben es oft schwieriger sich mit andern Personen zu unterhalten weil die Sprache für einen ungeübten sehr monoton und verwaschen klingt. 1 vgl: : Gehörlose Menschen in Österreich, Burghofer/ Braun, Linz 1995, Seite 11 2 vgl.: Das Zeichen, Fachzeitschrift zum Thema Gebärdensprache und 31, März 1995, Seite 40ff 2 Kommunikation Gehörloser, Nr Arbeit und Umgang mit hörbeeinträchtigten Kunden Der Gehörsinn3 Um ein Geräusch wahrnehmen zu können, muss sich der Schall einen komplizierten Weg ins Gehirn bahnen und dort im Hörzentrum des Großhirns in einen Laut umgewandelt werden. Dabei wird der Schall zuerst vom äußeren Ohr eingefangen und durch das Trommelfell über die kleinen Gehörknöchelchen im Mittelohr und anschließend durch dass Innenohr via Haarzellen (wo der Schall in Nervenimpulse umgewandelt wird) an das Großhirn weitergeleitet. Lassen aber ein oder mehrere Glieder dieser Kette nach, kann es zu Hörbeeinträchtigungen bis hin zur Gehörlosigkeit kommen. Prälinguale Ursachen Unter prälinguale Ursachen versteht man alle Komplikationen, die dazu führten, dass das Baby bereits vor der Geburt von einer Hörschädigung betroffen ist. Gründe dafür sind: Erblich bedingt; ist aber nur in 10% der Fälle die Ursache Wegen einer Infektion der Mutter während der Schwangerschaft, etwa durch Röteln, Masern, Mumps Wenn die Mutter während der Schwangerschaft an einer Krankheit, wie z.B. an Zucker leidet Falsche oder zu viele Medikamente in der Schwangerschaft Insgesamt trifft eine angeborene Hörbehinderung auf 36,1 % aller Gehörlosen zu.4 Perinatale Ursachen Wenn es während der Geburt zu Sauerstoffmangel des Kindes kommt, oder das Kind ein zu geringes Geburtsgewicht aufweist, unter Säuglingsgelbsucht leidet oder Blutgruppenunverträglichkeit zwischen Mutter und Kind existiert kann es zu Hörschädigungen kommen. Postlinguale Ursachen Eine andere Erklärung bilden postlinguale Ursachen: Das heißt, das Baby hatte schon Hörerlebnisse, bevor die Hörbehinderung eingetreten ist. Gründe dafür sind:5 Impfschäden Infektionen, wie Tuberkulose, Scharlach, Masern, Mumps, Keuchhusten Stoffwechselerkrankung (kretine, endemische Taubheit) Infektionen wie Mittelohrentzündungen oder Meningitis Schädelverletzungen Geräuschschäden durch laute Musik, Schießerei Präglinguale und postlinguale Hörschäden sind zumeist irreparabel. Deswegen darf man sie nicht mit folgender Gruppe von Hörbeeinträchtigungen verwechseln: Konduktive Hörverluste Dabei handelt es sich um vorrübergehende Hörverluste. Als weitläufigste Ursache kann man Flüssigkeit im Ohr bezeichnen. Das Kind hat dabei weder Fieber noch Schmerzen, es kann 3 vgl.: Kinder und gutes Hören; Broschüre aus Deutschland, Datum und Verlag unbekannt vgl.: Gehörlose Menschen in Österreich, Burghofer/ Braun, Linz 1995, Seite 17 5 vgl.: Gehörlose Menschen in Österreich, Burghofer/ Braun, Linz 1995, Seite 17 4 3 Arbeit und Umgang mit hörbeeinträchtigten Kunden aber zu einer leichten Störung der Sprachentwicklung des Kindes führen. Auch Mittelohrentzündungen können zu kurzfristigen Hörverlusten führen. Weiters können eine Gehöratresie (Verschluss des Gehörganges), eine Gehörgangsstenose (Verengung des Gehörganges) oder eine Zerumbildung schuld an einer Hörstörung sein.6 Progrediente Hörstörungen Dies sind Hörstörungen, die eine fortschreitende Verschlechterung mit sich bringen. Diese Störung reicht von leichter Hörverminderung im Kindesalter bis hin zur völligen Ertaubung im Erwachsenenalter.7 Rolle des Gehörs Warum spielt das Gehör eine solch große Rolle?8 a) Es spielt eine Rolle in der Entwicklung von Sprache und Kommunikation. Fragt man einen Linguisten was Sprache ist, erhält man die Antwort, dass sie etwas natürliches und spontan Reproduzierbares ist. Das bedeutet, dass das Kind automatisch Laute wiederholt die es hört und wenn es Erfolg erfahrt, weil die Oma lacht oder auf einen Hund zeigt und „Wau Wau“ sagt, sich das Kind das merkt. Verglichen mit hörbeeinträchtigten Kindern ist für sie eine bloße Mundbewegung ohne Ton oder nur mit komischen Geräuschen dazu niemals spontan reproduzierbar sondern nur durch langes mühevolles Training mit Logopäden. b) Es ist eine kontinuierliche Quelle der Information über Dinge und Ereignisse unserer unmittelbaren physischen Umwelt. Stellen Sie sich vor sie stehen in einer dicht gedrängten U-Bahn und die Person neben ihnen telefoniert. Binnen kürzerster Zeit haben sie mehr Information über diese Person gesammelt als sie jemals wissen wollten: Wann er nach Hause kommt, was er noch einkaufen gehen soll, wie das gegenüber seine Arbeit machen soll etc.... Der U-Bahnwagon bleibt bei einer Station. Stehen und über die Lautsprecher hören sie: Auf Grund der Erkrankung eines Fahrgastes kann es zu einem Aufenthalt von 15 Minuten kommen....Binnen 5 Minuten haben Sie also sehr viel Information und somit auch Sprache gehört, während die Gehörlose Person dem Telefonat nicht viel entnehmen konnte und die Lautsprecherdurchsage gar nicht mitbekommen hat. Wenn man sich nur kurz vor Augen hält was man durchschnittlich an einem Tag für auditive Reize erhält kann man sich vorstellen, dass es für den Gehörlosen einen weit größeren Kraftaufwand bedeutet, ständig „ am Laufenden“ zu sein und täglich dazuzulernen. c) Es vermittelt Warnsignale, die für die physische Sicherheit wichtig sind. Gehen sie mal durch die Stadt mit einem laut Aufgedrehten Walkman. Automatisch werden Sie in diesen Minuten sich öfters umdrehen oder herumschauen. Das 5 Minuten lang zu 6 vgl.: Sonderpädagogischer Förderbedarf bei hörgeschädigten Kindern; Zentrum für Schulentwicklung, Bereich I, Klagenfurt, April 1999, Seite 2ff 7 vgl.: Sonderpädagogischer Förderbedarf bei hörgeschädigten Kindern; Zentrum für Schulentwicklung, Bereich I, Klagenfurt, April 1999, Seite 2ff, Seite 22 8 vgl.: Das Zeichen, Nr 31, 1995; zitiert aus: Gehörlosigkeit in Ehe und Familie- Beziehungs- und Umgangsformen kommunikativ Behinderter“; Gotthardt-Pfeiff, U., Tübingen 1991, Seite 41 4 Arbeit und Umgang mit hörbeeinträchtigten Kunden machen mag lustig erscheinen und schärft sicherlich Ihre Sinne wieder. Aber das ein ganzes Leben lang zu machen bedeutet ständig erhöhtem, Stress ausgesetzt zu sein. Im Straßenverkehr können gehörlose Personen durch ihren erweiterten Blickwinkel und das Fühlen von herannahenden Kraftfahrzeugen wett machen. Aber viele fürchten sich einfach von hinten angegriffen zu werden, weil sie nicht hören können, wenn sich jemand anschleicht. d) Es trägt zur sozialen Integration bei. Denken Sie kürz über die Veranstaltungen nach, die Ihre Wohnstadt organisiert. Bei wie vielen davon ist hören von Vorteil? Konzerte? Theater?.... Kommunikationsmöglichkeiten Welche Hilfsmittel habe ich immer dabei um mich mit Personen zu verständigen, die meine Sprache nicht verstehen können? Hände und Arme Gesichtsausdruck Mimik Gestik Blick Oberkörper Mundbild Die Körpersprache ist für hörbeeinträchtigte Personen besonders wichtig, da sie mit unter die Sprachmelodie nicht hören. Sie können aber durch die Mimik des anderes erkennen worum es geht. z.B: Wenn ich eine Frage stelle ziehe ich automatisch die Augenbrauen hoch. Wenn mir etwas nicht klar ist runzle ich die Stirne. Wenn ich etwas lustiges erzähle ziehen sich die Lippen hoch zu einem Lächeln etc...... Gehörlose Personen können die Pausen zwischen den Worten nicht hören. Auch beim Lippenlesen kann man nur 33% ablesen. Der Rest ist zu ähnlich! Versuchen Sie bitte selber folgende Sätze: „Die Rinder stehen auf der Weide!“, „Hol die Mutter bitte!“ „Tee oder Kaffe?“ 5 Arbeit und Umgang mit hörbeeinträchtigten Kunden Tipps im Umgang mit hörbeeinträchtigten Personen Immer anschauen Nie schreien Deutlich reden und in kurzen Sätzen Eine Gesprächsstörung anzeigen besonders für schwerhörige Personen Schauen ob das Hörgerät in Ordnung ist (Setzt vertrauen zum Klienten voraus!!!) Nachfragen ob Geräusche gleich gehört wurden „ Ich glaube ihr Telefon läutet“ Langsam sprechen Im Notfall aufschreiben besonders für gehörlose Personen Angreifen Winken Licht auf und abdrehen beim Betreten eines Raumes Am Boden stampfen Das Thema sagen worum es geht „ Habe Frage zu Deinen Pflanzen“ Stimme beim Reden weglassen 6 Arbeit und Umgang mit hörbeeinträchtigten Kunden Einige wichtige Gebärden HALLO ESSEN KRANK G U T / G UT E N T AG T R I NK E N KOMM JA SCHMERZEN Auf WIEDERSEHEN 7 BITTE NE I N PROBLEM Arbeit und Umgang mit hörbeeinträchtigten Kunden Bei Interesse empfielt sich folgende Literatur Boyes Bream, Penny: Einführung in die Gebärdensprache und ihre Erforschung; Signum Verlag, Hamburg 1995, Band 11,2. Auflage Burghofer, Brigitte / Braun, Julius: Gehörlose Menschen in Österreich - Ihre Lebens- und Arbeitssituation; Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Gutenberg Werbering, Linz 1995, 1. Auflage Groce, Nora Ellen: Jeder sprach hier Gebärdensprache; Signum Verlag; Hamburg 1990, 2. Auflage Hunainigg, Franz-Josef: O du mein behinderndes Österreich!; Drava Verlag, Klagenfurt 1999, 1.Auflage Lane, Harlan: Mit der Seele hören; Signum- Verlag Padden, Carol / Humphries, Tom: Gehörlosigkeit: Eine Kultur bringt sich zur Sprache; Signum Verlag; Hamburg 1991,2. Auflage Pinker, Steven, Der Sprachinstinkt; Kindler Verlag, München 1996, 1. Auflage, Originalausgabe: The language Instinct; New York 1994 Sacks, Oliver: Stumme Stimmen- Reise in die Welt der Gehörlosen;Rowohlt- Verlag; Hamburg 1990, 3.Auflage Das Zeichen, Fachzeitschrift zum Thema Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser, diverse Ausgaben Internet www.taubenschlag.de www.hoerbehinderten-info.de http://gewi.kfunigraz.ac.at/~horizon www.gehoerlos.at www.oeglb.at www.gallaudet.edu www.bizeps.or.at www.uni-klu.ac.at/groups/spw/gs Aktuelle Adressen Österreichischer GebärdensprachdolmetscherInnenverband, Obfrau: DSA Gerstbach Barbara, Postfach 95, 1131 Wien, Tel + Fax: 802 52 82, [email protected] WITAF, Sozialberatung, Technische Assistenz, Arbeitsassistenz für Gehörlose, Kleine Pfarrgasse 33, 1020 Wien, Tel: 214 58 74/37, Fax: 214 76 95 HÖRT-HÖRT, Verein der Eltern und Freunde hörgeschädigter Kinder und Jugendlicher, Obfrau: Neusiedler Dorothea, Sperrga. 8-10, 1150 Wien, Tel: 894 73 32, Fax: 894 73 33 Österreichischer Gehörlosenbund, Präsidentin: Helene Jarmer, Waldgasse 13, 1100 Wien, Fax: 602 34 59 Gehörlosenambulanz Wien, Konventspital der Barmherzigen Brüder, Gr. Mohrengasse 4, 1020 Wien, Tel: 211 21-3050 VOX- Schutzverband d Schwerhörigen Österreichs, Technische Assistenz, Arbeitsassistenz, Sperrg 8, 1150 Wien, Tel: 892 34 72, FAX 892 34 72-5 8