PDF | 135 KB - Geschäftsstelle der Studienkommission für

Werbung
7. TAG DER LEHRE
22. NOVEMBER 2007
HOCHSCHULE BIBERACH
Ein E-Business Software Framework für die Lehre
Jürgen Wäsch / Thomas Dietrich / Oliver Haase
Motivation und Problemstellung
Heutige E-Business Anwendungssysteme automatisieren komplexe unternehmensübergreifende Geschäftsprozesse. Die verwendeten Technologien und
E-Business Standards entwickeln sich kontinuierlich weiter und sind zunehmend schwieriger zu verstehen. Um erfolgreich in dieser Situation agieren
zu können, benötigen Wirtschaftsinformatiker fundierte Kenntnisse in
aktuellen Internet- und Web(-Service)-Technologien, XML, E-Business Standards und unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen sowie praktische
Erfahrungen bei der Planung und Implementierung von unternehmensübergreifenden E-Business Anwendungssystemen.
Durch die Umstellung vom Diplomstudiengang auf den Bachelor-Studiengang
Wirtschaftsinformatik an der HTWG Konstanz wurden allerdings die Präsenzzeiten in den E-Business Lehrveranstaltungen verringert und der Selbstlernanteil erhöht. Um die vielfältigen Methoden und Technologien des E-Business
praxisbezogen zu vermitteln und noch einen sinnvollen Lerneffekt erzielen zu
können, wird in einem LARS-Projekt ein E-Business Software Framework
(EBSF) entwickelt, das den software-technischen Rahmen für die Bearbeitung
der Aufgabenstellungen in den Laborpraktika darstellt. Mit Hilfe des EBSF
und eines realitätsnahen Business Case sollen die Studierenden relativ einfach
eine durchgängige unternehmensübergreifende E-Business Lösung erstellen
können. Diese Lösung soll alle relevanten Interaktionen zwischen den beteiligten Unternehmen für einen ausgewählten unternehmensübergreifenden Geschäftsprozess abdecken.
Business Case
Es soll ein E-Business System für einen Händler für MRO-Güter (z. B. Büromaterialien, Arbeitschutz, IT-Produkte) auf Basis einer Service-orientierten
Architektur implementiert werden. Neben einem Web-basierten Online-Shop
soll das Händler-System auch die IT-Systeme der Lieferanten und die EProcurement Systeme von Geschäftskunden mittels Web-Service-Schnittstellen integrieren. Dadurch kann ein elektronischer Bestell- oder Logistikprozess
über eine mehrstufige Vertriebskette hinweg abgebildet werden (vgl. auch
Abb. 1).
1. Dem E-Business-System des Händlers liegt ein einfaches Warenwirtschaftssystem mit Kunden- und Produktdatenverwaltung (Multilieferanten-Katalog) zugrunde.
2. Die vom Händler vertriebenen Produkte sollen für Geschäfts- und
Endkunden (Menschen) via Web-basierten Online-Katalog/-Shop gesucht,
dargestellt und bestellt werden können.
3. Geschäftskunden, die ein E-Procurement-System betreiben, sollen
zusätzlich die elektronischen Produktdaten in maschinen-verarbeitbarer,
standardisierter Form über das Internet abrufen und in ihr E-Procurement172
© Geschäftsstelle der Studienkommission für Hochschuldidaktik an Fachhochschulen in Baden-Württemberg (GHD)
System einlesen können. Hierzu sollen der XML-basierte BMEcatStandard des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik
e. V. (BME) sowie Web-Service-Technologien zum Einsatz kommen.
Händler
E-Business
System
E-Supplier
Systeme (ESS)
WebServices
zu
implementieren
auf Basis des
EWFrameworks
Hersteller /
Lieferanten
Händler
Web-Browser
Webbasierter
OnlineShop
Endkunden
WebServices
Web-Browser
E-Procurement
System (EPS)
Geschäftskunden
Abb. 1: Gesamtüberblick über das E-Business Software Framework
4. Geschäftskunden sollen alternativ ihren Warenkorb aus dem Online-Shop
des Händlers in maschinen-verarbeitbarer Form abrufen und in ihr Warenwirtschafts- bzw. E-Procurement-System übernehmen können. Hierzu soll
das Open Catalog Interface (OCI) der SAP AG zum Einsatz kommen.
5. Neben Bestellungen über den Online-Shop soll das Händler-System auch
Bestellprozesse von Geschäftskunden in elektronischer Form (z. B.
Bestellungen aus E-Procurement Systemen) automatisch abwickeln
können. Hierzu soll der XML-basierte openTRANS-Standard des BME für
Geschäftstransaktionen (Bestellung, Bestellbestätigung, Lieferavi und
Rechnung) auf Basis von Web-Services genutzt werden.
6. Produkte, die der Händler nicht in ausreichender Anzahl im Lager hat,
sollen automatisch bei den entsprechenden Lieferanten nachbestellt, geliefert und abgerechnet werden. Zur Implementierung dieser Funktionalität
soll der openTRANS-Standard sowie Web-Services eingesetzt werden.
7. Aktuelle Produktdaten und Preisinformationen sollen aus den IT-Systemen
der Lieferanten automatisch via BMEcat und Web-Services in den Multilieferanten-Produktkatalog des Händler-Systems übernommen werden können.
Bestandteile des E-Business Software Frameworks
Um die über mehrere Unternehmen reichenden Geschäftsprozesse relativ
einfach zu implementieren bzw. simulieren zu können, müssen den Studierenden für die Laborpraktika vorgefertigte Software-Komponenten zur Verfügung
gestellt werden. Das im Rahmen von LARS entwickelte Java-basierte EBusiness Software Framework stellt hierzu drei verschiedene Komponenten
zur Verfügung (vgl. auch Abb. 1):
1. E-Business Wholesaler (EW) Framework: Das EW-Framework dient
als software-technische Basis zur Implementierung des E-Business
Händler-Systems durch die Studierenden und wird im nächsten Abschnitt näher beschrieben.
173
© Geschäftsstelle der Studienkommission für Hochschuldidaktik an Fachhochschulen in Baden-Württemberg (GHD)
2. E-Supplier System (ESS): Das ESS ist eine mandanten-fähige WebAnwendung, die ein einfaches Lieferanten E-Business-System mit
wohldefinierten und dokumentierten Web-Service Schnittstellen simuliert.
3. E-Procurement System: Das EPS ist eine mandanten-fähige WebAnwendung, die ein einfaches elektronisches Beschaffungssystem
eines Geschäftskunden mit wohldefinierten und dokumentierten WebService Schnittstellen simuliert.
Aufgabe der Studierenden ist es, auf Basis des EW-Frameworks das E-Business System für Händler inklusive Web-basierten Online-Shop und Web-Service Integration der E-Supplier und E-Procurement Systeme der Geschäftspartner zu implementieren.
Architektur des zu implementierenden E-Business Händler-Systems
Die Architektur des von den Studierenden zu implementieren E-Business
Händler-Systems ist in Abb. 2 dargestellt. Das Systems besteht aus den
einzelnen Schichten „Application“, „Business Objects / Logic“ und „Data
Abstraction / Persistence“ und entspricht somit dem gängigen 3-SchichtenModell (3-Tier-Application). Das zur Verfügung gestellte EW-Framework implementiert die beiden unteren Schichten und stellt ein Application Programming Interface (API) zur Entwicklung eigener E-Business Anwendungen
zur Verfügung.

Die Datenverwaltung erfolgt in einem relationalen Datenbanksystem. Das objekt-relationale Mapping ist mittels Hibernate
implementiert. Aufbauend auf den Hibernate-Objekten wurde
eine Datenverwaltungsabstraktionsschicht mit API (Data Objects, Data Objects Access) realisiert. Durch den Einsatz von
Hibernate ist das EW-Framework vom konkreten Datenbanksystem unabhängig.

Aufbauend auf der Datenverwaltungsabstraktionsschicht wurden
die wichtigsten Geschäftsobjekte (Business Objects) und die
Basis-Geschäftslogik (Business Object Access) für ein einfaches
Warenwirtschafts-System mit Produktdaten- und Kundenverwaltung implementiert. Des Weiteren wird Funktionalität zur
Authentisierung und Autorisierung zur Verfügung gestellt.
Aufbauend auf dem EW-Framework API realisieren die Studierenden den
Online-Shop sowie die Web-Service Anbindung des Händler-Systems an die
Systeme der Lieferanten (ESS) und der Geschäftskunden (EPS).

Hierzu ist es u. U. notwendig, die durch das EW-Framework zur
Verfügung gestellten Geschäftsobjekte und -logik durch anwendungsspezifische Geschäftsobjekte und -logik zu erweitern.

Der Web-basierte Online-Shop ist nach dem Model-ViewController Paradigma (MVC) zu realisieren. Darunter versteht
man die Trennung von Darstellung (View), Datenhaltung
(Model) und Ablauf-/Dialogsteuerung (Controller). Die ViewKomponente soll mittels Java Server Pages, XHTML, CSS,
174
© Geschäftsstelle der Studienkommission für Hochschuldidaktik an Fachhochschulen in Baden-Württemberg (GHD)
JavaScript und evtl. AJAX implementiert werden; der Controller
soll mittels Java Servlets realisiert werden.

Die Web-Service Schnittstellen werden mit Hilfe einer WebService Engine (Apache AXIS 2 oder Java 6 Web-Services)
implementiert. Zur Nutzung der Web-Services des ESS und des
EPS in dem Händler-System stehen die entsprechenden WSDLDateien zur Verfügung. Die Implementierung der vom ESS und
EPS aufgerufenen Web-Services des Händler-Systems erfolgt
auf Basis vorgegebener WSDL-Dateien.
Um diese Aufgaben den Studierenden zu erleichtern, stellt das E-Business
Software Framework bereits einfache Demo-Anwendungen zur Realisierung
des Web-basierten Online-Shops und der Web-Service Schnittstellen sowie
umfangreiche Dokumentationen und Anleitungen zur Verfügung.
Aktueller Stand der Arbeiten und Fazit
Im Jahr 2006 wurde eine erste Version des EW-Frameworks in Java entwickelt. Der Prototyp wird seit WS 06/07 in der Lehrveranstaltung "EBusiness" für den Bachelor-Studiengang Wirtschaftsinformatik (4. Semester)
eingesetzt, auf seine Einsatzfähigkeit im Rahmen der Lehrveranstaltung
evaluiert und auf Basis der Evaluationsergebnisse kontinuierlich weiterentwickelt. Die bisher gemachten Erfahrungen mit dem EW-Framework zur
schnellen Implementierung eines Online-Shops durch die Studierenden sind
sehr positiv.
Das E-Supplier System (ESS) und das E-Procurement System (EPS) werden
momentan im Rahmen eines LARS-Projekts realisiert. Die beiden Systeme
sollen ab SS 08 in der Lehrveranstaltung "E-Business Technologien" für den
Bachelor-Studiengang Wirtschaftsinformatik (6. Semester) eingesetzt werden,
um dann den kompletten Business Case mit Web-Service Integration der
Lieferanten- und Geschäftskunden-Systeme implementieren zu können.
Das vorgestellte E-Business Software Framework ermöglicht es den Studierenden – trotz Reduzierung der Präsenzzeiten –, relativ einfach eine durchgängige,
realitätsnahe, unternehmensübergreifende E-Business Lösung zu erstellen
(nicht nur unzusammenhängende Komponenten) und deren Funktionsweise
sowie das komplexe Zusammenspiel der IT-Systeme unterschiedlicher Unternehmen „aktiv” zu erfahren. Da das EW-Framework vollständig auf freier
Software beruht und das ESS und EPS als Web-Anwendungen konzipiert sind,
ist die Bearbeitung der Aufgabenstellung durch die studentischen Praktikumsgruppen jederzeit und einfach außerhalb der Präsenzzeit auch auf eigenen
Rechnern möglich, was dem im Bachelor verstärkten Anteil des Selbststudiums Rechung trägt.
175
© Geschäftsstelle der Studienkommission für Hochschuldidaktik an Fachhochschulen in Baden-Württemberg (GHD)
Abb. 2: Architektur des E-Business Händler Systems / EW-Frameworks
Kontakt
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Wäsch / Thomas Dietrich / Oliver Haase
Hochschule Konstanz – Technik, Wirtschaft und Gestaltung
[email protected]
[email protected]
[email protected]
176
© Geschäftsstelle der Studienkommission für Hochschuldidaktik an Fachhochschulen in Baden-Württemberg (GHD)
Herunterladen