ELEMENTARE ARITHMETIK UND ALGEBRAISCHE STRUKTUREN Die grundlegenden Objekte der Mathematik sind Mengen mit gewissen Zusatzstrukturen. Ganz grundlegende Beispiele solcher Strukturen sind z.B. Mengen mit einem Abstandsbegriff, sogenannte metrische Räume, oder Mengen mit einem Umgebungsbegriff, sogenannte topologische Räume. Kombiniert man Zusatzstrukturen oder betrachtet solche nur auf besonders speziellen Mengen, bekommt man entsprechend komplexere Objekte mit stärkeren Eigenschaften. Eine Vielzahl an weiteren grundlegenden Beispielen bekommt man jedoch durch Hinzunahme algebraischer Strukturen, d.h. durch Mengen mit speziellen Verknüpfungen. Solche Verknüpfungen sind eine Verallgemeinerung der bekannten Rechenoperationen “+“ und “·“ auf den reellen Zahlen. Abstrakt gesehen ordnet man hierbei zwei Zahlen a und b eine andere Zahl c zu, die man dann entweder die Summe a + b oder das Produkt a · b nennt. Mit dieser Verallgemeinerung wollen wir diesen Abschnitt beginnen. Definition: Unter einer Verknüpfung auf einer Menge G versteht man eine Abbildung ∗ : G × G → G, (a, b) 7→ ∗(a, b) =: a ∗ b. Bekannte Beispiele für Verknüpfungen auf Mengen sind die üblichen Zahlenbereiche N, Z, Q, R mit der Addition bzw. der Multiplikation oder die Menge Abb(M ) der Abbildungen einer Menge M in sich selbst mit der Komposition. Definition: Eine Menge G zusammen mit einer Verknüpfung “∗“ nennt man eine Gruppe, falls die folgenden Eigenschaften, die sogenannten Gruppenaxiome, erfüllt sind: (1) (a ∗ b) ∗ c = a ∗ (b ∗ c) für alle a, b, c ∈ G. (Assoziativgesetz ) (2) Es gibt ein e ∈ G, so dass gilt: (a) e ∗ a = a für alle a ∈ G, (b) Zu jedem a ∈ G gibt es ein a0 ∈ G mit a0 ∗ a = e. In diesem Fall nennt man e ein (links-) neutrales Element von (G, ∗) und a0 ein (links-) inverses Element von a. Die Gruppe (G, ∗) heißt abelsch (oder kommutativ ), falls zusätzlich gilt a ∗ b = b ∗ a für alle a, b ∈ G. Bemerkung: (i) Besteht keine Verwechselungsgefahr, so schreibt man Verknüpfungen meistens als Multiplikation, also “a · b“ oder “ab“, statt “a ∗ b“. Dann schreibt man für das neutrale Element entsprechend 1 statt e. Will man kennzeichnen zu welcher Gruppe das neutrale Element gehört, schreibt man auch eG bzw. 1G . (ii) Ist die Verknüpfung additiv geschrieben (“a + b“), so setzt man gewöhnlich voraus, dass sie kommutativ ist. (iii) Gilt für Verknüpfungen das Assoziativgesetz, so lässt man bei mehrfachen Produkten die Klammern üblicherweise weg. In den Gruppenaxiomen wurde lediglich die Existenz eines (links-) neutralen und von (links-) inversen Elementen gefordert. Dass diese Elemente eindeutig sind und man daher zum Beispiel von dem neutralen Element einer Gruppe spricht, ist eine der Aussagen des folgenden Satzes. Satz: Ist (G, ·) eine Gruppe, so gilt: (i) Das neutrale Element e ist eindeutig bestimmt und es gilt a · e = e · a = a für alle a ∈ G. (ii) Für jedes Element a ∈ G ist das inverse Element a0 eindeutig bestimmt und wird mit a−1 bezeichnet. Für a, b ∈ G gilt: a · a−1 = a−1 · a = e und (a−1 )−1 = a sowie (a · b)−1 = b−1 · a−1 . (iii) Es gelten die Kürzungsregeln: a · x = a · x̄ ⇒ x = x̄ und y · a = ȳ · a ⇒ y = ȳ. Beweis: Es sei e ein neutrales Element und a ∈ G. Zu a0 ∈ G mit a0 · a = e gibt es dann ein a00 ∈ G mit a00 · a0 = e. Also a · a0 = e · (a · a0 ) = (a00 · a0 ) · (a · a0 ) = a00 · (a0 · (a · a0 )) = a00 · ((a0 · a) · a0 ) = a00 · (e · a0 ) = a00 · a0 = e, d.h. linksinverse Elemente sind auch rechtsinvers. Dann ist ein linksneutrales Element aber auch rechtsneutral, denn a · e = a · (a0 · a) = (a · a0 ) · a = e · a = a. Ist dann e0 ein weiteres neutrales Element, so gilt somit e = e · e0 = e0 , d.h. das neutrale Element einer Gruppe ist eindeutig. Um die Eindeutigkeit von inversen Elementen zu zeigen, sei nun a00 ein weiteres inverses Element zu a, d.h. a00 · a = e = a0 · a. Dann folgt mit dem bereits Gezeigten a00 = a00 · e = a00 · (a · a0 ) = (a00 · a) · a0 = e · a0 = a0 . Weiter gilt (b−1 · a−1 ) · (a · b) = b−1 · (a−1 · (a · b)) = b−1 · ((a−1 · a) · b) = b−1 · (e · b) = b−1 · b =e aufgrund der Eindeutigkeit also b−1 · a−1 = (a · b)−1 . Die Identität (a−1 )−1 = a folgt aus der Gleichung a · a−1 = e per Definition und die Kürzungsregeln folgen durch Multiplikation mit a−1 von links bzw. rechts. Zur strukturellen Untersuchung von Gruppen benötigen wir weitere Begriffe, z.B. um die Unterstrukturen einer gegebenen Gruppe beschreiben zu können. Definition: Es sei (G, ∗) eine Gruppe und ∅ = 6 G0 ⊂ G. Dann nennt man G0 eine 0 Untergruppe von G, falls für alle a, b ∈ G gilt: (1) a ∗ b ∈ G0 (Abgeschlossenheit bzgl. “∗“), (2) a−1 ∈ G0 (Abgeschlossenheit bzgl. Inversenbildung). Bemerkung: Bezeichnen wir mit ∗0 die Einschränkung ∗0 : G0 ×G0 → G0 , ∗0 (a, b) = a ∗ b, der Verknüpfung ∗ auf G, so ist (G0 , ∗0 ) ebenfalls wieder eine Gruppe. Man schreibt hier aber üblicherweise auch wieder einfach ∗ statt ∗0 . Um algebraische Strukturen möglichst unabhängig untersuchen und miteinander in Verbindung setzen zu können, benötigt man Abbildungen, die gegebene Verknüpfungen respektieren. Definition: Es seien (G, ∗) und (H, ∗0 ) Gruppen. Dann nennt man eine Abbildung ϕ : G → H mit ϕ(a ∗ b) = ϕ(a) ∗0 ϕ(b) für alle a, b ∈ G einen (Gruppen-) Homomorphismus. Einen bijektiven Homomorphismus nennt man Isomorphismus und nennt die entsprechenden Gruppen in diesem Fall isomorph. Satz: Es sei ϕ : G → H ein Gruppenhomomorphismus. Dann gilt: (i) ϕ(eG ) = eH und ϕ(a−1 ) = ϕ(a)−1 für alle a ∈ G. (ii) Ist ϕ ein Isomorphismus, so ist ϕ−1 : H → G ebenfalls ein Isomorphismus, d.h. insbesondere ein Homomorphismus. (iii) Das Bild ϕ(G) ⊂ H ist eine Untergruppe von H und Ker(ϕ) = ϕ−1 (eH ) = {a ∈ G| ϕ(a) = eH }, der Kern von ϕ, ist eine Untergruppe von G. Der Beweis des Satzes wird als Übungsaufgabe gestellt. Aufgrund des zweiten Punktes kann man zwei isomorphe Gruppen (G, ∗) und (H, ∗0 ) hinsichtlich ihrer Gruppenstruktur als identisch betrachten. Beispiel: Für eine Zahl m ∈ N>0 ist die Abbildung ϕm : Z → Z, ϕm (a) = m · a, ein Homomorphismus, denn ϕm (a + b) = m · (a + b) = m · a + m · b = ϕm (a) + ϕm (b). Nach dem letzten Satz ist daher sein Bild ϕm (Z) =: m · Z, die Menge der ganzzahligen Vielfachen von m, eine Untergruppe von (Z, +). Im Anschluss an dieses Beispiel erhält man die sogenannte zyklische Gruppe, Zm = Z/m · Z, mit m Elementen wie folgt: Für m > 0 und jedes r ∈ {0, . . . , m − 1} sei r + m · Z = {r + m · a | a ∈ Z} die um r verschobene Untergruppe m · Z in Z (diese Mengen sind jedoch selbst im Allgemeinen keine Untergruppen). Diese Mengen nennen wir Restklassen modulo m. Man beachte hierbei, dass z.B. gilt m + m · Z = {m + m · a = m · (1 + a) | a ∈ Z} = {m · a0 | a0 ∈ Z} = 0 + m · Z Jede Zahl gehört zu genau einer Restklasse modulo m. Zu welcher, kann man durch Division mit Rest entscheiden. Satz: Zu jedem a ∈ Z und m ∈ N>0 gibt es eindeutig bestimmte Zahlen b ∈ Z und r ∈ {0, . . . , m − 1}, so dass gilt a = b · m + r. Insbesondere ist also a ∈ r + m · Z für ein eindeutiges r ∈ {0, . . . , m − 1}. Diese bereits aus der Schule bekannte Tatsache werden wir aus Zeitgründen in dieser Vorlesung nicht beweisen. Die Restklasse r + m · Z besteht jedenfalls also genau aus den Zahlen, die bei Division durch m den gleichen Rest r haben und es gilt Z = (0 + m · Z) t (1 + m · Z) t . . . t ((m − 1) + m · Z) = m−1 G (r + m · Z). r=0 . Um zu überprüfen, ob zwei Zahlen in derselben Restklasse liegen, hat man das folgende Kriterium. Satz: Zwei Zahlen a, a0 ∈ Z liegen genau dann in derselben Restklasse modulo m, wenn a − a0 durch m teilbar ist. In diesem Fall schreiben wir a ≡ a0 mod m. Erinnerung: Eine Zahl a ∈ Z ist durch eine Zahl m ∈ N>0 teilbar, wenn es eine Zahl b ∈ Z mit a = m · b gibt. Eine solche Zahl m nennt man dann Teiler von a und schreibt dafür auch m|a. Teilt m die Zahl a nicht, so schreibt man m - a. Beweis des Satzes: Sind a, a0 ∈ r + m · Z, so gibt es b, b0 ∈ Z mit a = r + m · b und a0 = r + m · b0 . Dann ist a − a0 = r + m · b − (r + m · b0 ) = m · b − m · b0 = m · (b − b0 ) durch m teilbar. Ist umgekehrt a − a0 = m · b für ein b ∈ Z und a0 ∈ r + m · Z, d.h. a0 = r + m · b0 für ein b0 ∈ Z, so ist a = a0 + m · b = r + m · b0 + m · b = r + m · (b0 + b) ∈ r + m · Z. Definition: Für a ∈ Z und m ∈ N>0 bezeichnen wir mit [a]m die Restklasse von a modulo m und nennen a einen Repräsentanten der Restklasse. Sind Verwechselungen ausgeschlossen, bezeichnen wir die entsprechende Restklasse auch einfach mit ā. Wir setzen dann Zm = {r̄ = r + m · Z | 0 ≤ r ≤ m − 1}. Zum Beispiel hat für m = 1 die Menge Z1 genau ein Element 0 + 1 · Z = Z und für m = 2 hat Z2 die beiden Elemente 0 + 2 · Z = Menge der geraden ganzen Zahlen 1 + 2 · Z = Menge der ungeraden ganzen Zahlen Auf der Menge der Restklassen Zm = {r̄ = r + m · Z | 0 ≤ r ≤ m − 1} definieren wir nun eine Addition durch ā + b̄ := a + b für a, b ∈ Z. Das ist wohldefiniert, denn für ā = a0 und für b̄ = b0 ist a − a0 = m · k und b − b0 = m · l also a + b = a0 + m · k + b0 + m · l = a0 + b0 + m · (k + l) = a0 + b0 , d.h. die Definition ist unabhängig von der Wahl der Repräsentanten. Versehen mit dieser Addition wird Zm zu einer Gruppe. Der Beweis des folgenden Satzes besteht dann lediglich noch in der Überprüfung der Gruppenaxiome und wird daher als Übungsaufgabe gestellt. Satz: Für m ∈ N>0 ist Zm = {0̄, 1̄, . . . , m − 1} mit der so erklärten Addition eine abelsche Gruppe und die Abbildung Z → Zm , a 7→ ā ein surjektiver Gruppenhomomorphismus. Das Rechnen in zyklischen Gruppen ist uns wohlbekannt, z.B. beim “Rechnen“ mit Uhrzeiten oder Daten im Kalender, was einer Rechnung in Z12 bzw. Z24 bei Uhrzeiten und beispielsweise Z7 bei Rechnungen mit Wochentagen entspricht. So würde wohl jeder zustimmen, dass Samstag + 2 Tage = Montag und Samstag + 7 Tage = Samstag ist. Bemerkung/Definition: Wegen (a+m·k)·(b+m·l) = a·b+a·m·l +b·m·k +m2 ·k ·l = a·b+m·(a·l +b·k +m·k ·l) ist, wie bei der Addition, durch ā · b̄ := a · b auf Zm auch eine assoziative und kommutative Multiplikation mit neutralem Element 1̄ definiert. Die Einheiten von Zm sind die Elemente mit multiplikativem Inversen, d.h. die ā ∈ Zm mit b̄ · ā = 1̄ für ein b̄ ∈ Zm . Die Menge der Einheiten in Zm wird mit Z∗m bezeichnet.