Montag 1.11.2010

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Mathematik für Physiker I, WS 2010/2011
Montag 01.11
$Id: mengen.tex,v 1.4 2010/11/01 14:19:48 hk Exp $
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§1
Mengen und Aussagen
Wir haben jetzt Allaussagen ∀(x ∈ M ) : A(x) und Existenzaussagen ∃(x ∈ M ) :
A(x) eingeführt. Diese scheinen sich zwar formal recht ähnlich zu sein, inhaltlich unterscheiden sie sich jedoch grundlegend voneinander. Um eine Allaussage ∀(x ∈ M ) : A(x)
zu beweisen, muss man sich ein beliebiges Element x ∈ M der zugrundeliegenden Menge M vorgeben und für jedes solche die Aussage A(x) beweisen. Es reicht nicht dies
für einzelne x ∈ M zu tun. Als ein Beispiel nehmen wir einmal
M = N\{0, 1} = {2, 3, 4, . . .} und
A(n) = ggT(n5 − 5, (n + 1)5 − 5) = 1
letzteres für jedes n ∈ N. Probieren wir etwa n = 2 so sind n5 −5 = 27 und (n+1)5 −5 =
238 und wir haben ggT(n5 − 5, (n + 1)5 − 5) = 1. Verwenden wir dann einen Computer,
so kann man leicht etwa alle Werte 2 ≤ n ≤ 1000000 durchprobieren und die beiden
Zahlen n5 − 5 und (n + 1)5 − 5 stellen sich immer als teilerfremd heraus. Als ein Beweis
der Aussage ∀(n ∈ M ) : A(n) reicht das aber nicht aus, selbst eine so große Zahl von
Beispielen hat keine Beweiskraft. Andererseits reicht ein einzelnes Gegenbeispiel aus
die Allaussage zu widerlegen, und nehmen wir etwa
n = 1435390, so ist ggT(n5 − 5, (n + 1)5 − 5) = 1968751 > 1.
Ganz anders sieht dies bei einer Existenzaussage aus. Um eine Aussage ∃(x ∈ M ) : A(x)
zu beweisen, muss man nur ein einziges x ∈ M finden für welches die Aussage A(x) gilt.
Idealerweise geschieht dies durch möglichst direkte Angabe solch eines x, aber dies ist
nicht zwingend verlangt, es gibt Beispiele bei denen man die Existenz eines x einsehen
kann, ohne die geringste Idee zu haben wie solches x konkret beschaffen kann.
Von Bedeutung sind oftmals auch die Verneinungen von All- und Existenzaussagen.
Überlegen wir uns zunächst wann eine Allaussage ∀(x ∈ M ) : A(x) falsch ist. Wie im
obigen Beispiel reicht hierfür ein einzelnes x ∈ M aus so, dass A(x) falsch ist. In
anderen Worten ist die Verneinung einer Allaussage eine Existenzaussage, nämlich
¬∀(x ∈ M ) : A(x) = ∃(x ∈ M ) : ¬A(x).
Entsprechend ist eine Existenzaussage ∃(x ∈ M ) : A(x) falsch, wenn wir eben kein
Element x von M finden können für das A(x) wahr ist, d.h. wenn die Verneinung
¬A(x) für jedes Element x von M wahr ist. Die Verneinung einer Existenzaussage wird
damit eine Allaussage
¬∃(x ∈ M ) : A(x) = ∀(x ∈ M ) : ¬A(x).
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Bei Verneinung drehen sich als All- und Existenzquantoren um, d.h. Allquantoren
werden zu Existenzquantoren und Existenzquantoren werden zu Allquantoren. Sind
beispielsweise M, N zwei Mengen und A(x, y) eine Aussage über Elemente x ∈ M und
y ∈ N , so wird
¬∀(x ∈ M )∃(y ∈ N ) : A(x, y) = ∃(x ∈ M ) : ¬∃(y ∈ N ) : A(x, y)
= ∃(x ∈ M )∀(y ∈ N ) : ¬A(x, y).
Entsprechend kann man in allen solchen Fällen vorgehen, zum Verneinen werden alle
Quantoren umgedreht und die innere Aussage verneint.
Zum Abschluß wollen wir noch einen Zusammenhang zwischen Aussagen und Mengen beschreiben. Neben den bisher beschriebenen Methoden zur Bildung von Mengen
gibt es noch eine weitere Konstruktionsmethode bei der aus einer gegebenen Menge
durch eine Bedingung an die Elemente dieser Menge eine Teilmenge ausgewählt wird.
Als ein Beispiel nehmen wir einmal die Menge P der Primzahlen. Primzahlen n sind
spezielle natürliche Zahlen n ∈ N, und zwar diejenigen die nicht Eins sind und keinen
von 1 und n verschiedenen Teiler besitzen. Letzteres ist eine Bedingung A(n) an die
Elemente von N, und man schreibt
P = {n ∈ N| n 6= 1und es gibt keinen Teiler m von n mit 1 < m < n}.
|
{z
}
A(n)
Allgemein schreibt man
{x ∈ M |A(x)} =
Menge aller Element x ∈ M , die die Bedingung
A(x) an Elemente von M erfüllen.
Beachte das es hier nur erlaubt ist, eine Teilmenge aus einer bereits vorhandenen
Grundmenge M auszuwählen. Man ist versucht auch freie Mengenbildungen“ also
”
{x|A(x)} für die Menge überhaupt aller mathematischen Objekte x, die die Bedingung
A(x) erfüllen, zuzulassen. Diese harmlos aussehende Schreibweise führt aber sofort
in verheerende Widersprüche. Der bekannteste solche Widerspruch ist die sogenannte
Russelsche Antinomie. Bei dieser versucht man die Menge“
”
R := {x|x ist eine Menge mit x ∈
/ x}
zu bilden. Es gibt dann zwei Möglichkeiten, entweder ist R ein Element von R oder
nicht, und wir wollen beide Möglichkeiten einmal durchgehen. Ist R ∈ R, so ist R nach
Definition von R eine Menge die sich nicht selbst als Element enthält, also haben wir
R∈
/ R. Dies geht natürlich nicht, und damit scheidet diese Möglichkeit aus. Daher muss
wohl R ∈
/ R gelten. Aber dann ist R ja eine Menge die sich nicht selbst als Element
enthält, und dies bedeutet wiederum R ∈ R, und auch diese Möglichkeit scheidet aus.
So etwas wie die Menge“ R darf also nicht existieren, und tatsächlich haben wir die
”
obige Mengenbildung durch das Bestehen auf einer vorgegebenen Grundmenge auch
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ausgeschlossen. Natürlich könnte es trotzdem einen komplizierteren Widerspruch geben, der nur unsere erlaubten Mengenbildungen verwendet, aber ein solcher ist bislang
nicht aufgetaucht.
Auch die Operationen des Schneidens, Vereinigens und Komplementbildens von
Mengen lassen sich alternativ über die Bildung von Teilmengen durch Auswahlbedingungen beschreiben. Beispielsweise ist für je zwei Mengen A, B
A ∩ B = {x ∈ A|x ∈ B} = {x ∈ B|x ∈ A} = {x|x ∈ A ∧ x ∈ B}.
Der letzte dieser drei Ausdrücke sieht dabei wie die eben gerade verbotene freie Mengenbildung aus. In diesem speziellen Fall kann man sie aber doch erlauben, da durch die
Bedingung A(x) = x ∈ A ∧ x ∈ B“ ja implizit eine Grundmenge gegeben ist. Ebenso
”
sind
A ∪ B = {x|x ∈ A ∨ x ∈ B},
A\B = {x ∈ A|x ∈
/ B}.
In diesem Sinne entspricht das Schneiden von Mengen der und“ Verknüpfung von
”
Aussagen, und das Vereinigen entspricht der oder“ Verknüpfung.
”
§2
Die Beweismethoden
Es gibt drei verschiedene Beweismethoden, der direkte Beweis, der indirekte Beweis
und die sogenannte vollständige Induktion. Die ersten beiden Methoden sind sehr allgemeiner Natur während die vollständige Induktion auf Aussagen eines speziellen Typs
beschränkt ist. Diese drei Methoden sind nur die prinzipiellen Grundmethoden. Beweise komplizierterer Aussagen setzen sich in der Regel aus vielen kleinen Teilbeweisen
zusammen, die dann ihrerseits jeweils eine der Grundmethoden verwenden.
Wir beginnen mit dem einfachsten der drei Grundtypen, dem direkten Beweis. Zu
zeigen ist eine Implikation A ⇒ B, wobei A die Voraussetzungen sind und B die
Behauptung ist. Bei einem direkten Beweis gibt man eine logische Folgerungskette
an, die bei den Vorausetzungen A beginnt und mit der Behauptung B endet. Als ein
Beispiel für einen direkten Beweis, wollen wir die folgende Behauptung verwenden:
Für alle x, y ∈ R mit x, y ≥ 0 ist
√
xy ≤
Die Voraussetzungen A und die Behauptung B sind hier
A = x, y ∈ R ∧ x, y ≥ 0,
x+y
√
B =
xy ≤
.
2
3-3
x+y
.
2
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Wir wollen an diesem Beispiel auch gleich einen der typischen Anfängerfehler vorführen,
und geben daher zunächst einen fehlerhaften Beweis an:
√
a+b
ab ≤
=⇒
2
=⇒
=⇒
=⇒
2
a+b
(a + b)2
a2 + 2ab + b2
ab ≤
=
=
2
4
4
2
2
4ab ≤ a + 2ab + b
a2 − 2ab + b2 ≥ 0
(a − b)2 ≥ 0 ist wahr.
(quadrieren)
Leider ist das kein Beweis, und zwar weder ein Beweis unserer Behauptung noch von
irgend etwas. Für einen direkten Beweis müsste man von der Voraussetzung ausgehend
auf die Behauptung schließen, aber hier sind wir anstelle dessen von der Behauptung
ausgegangen und haben gezeigt das aus dieser eine wahre Aussage folgt. Dies besagt
aber nichts, denn aus einer falschen Aussage folgt ebenso eine wahre Aussage.
Die eigentliche Rechnung ist aber schon in gewissen Sinne in Ordnung, sie ist nur
falsch organisiert. Was eigentlich gemeint ist, ist dass die letzte Aussage (a − b)2 ≥ 0
wahr ist, und aus dieser folgt dann a2 − 2ab − b2 ≥ 0 und aus dieser folgt weiter
2
(a + b)2 = a2 + 2ab + b2 ≥
p4ab, also (a + b) /4 ≥ ab, und das Ziehen der Wurzel ergibt
schließlich (a + b)/2 ≥ (ab). Die korrekte Schlußrichtung ist hier also von unten
nach oben, wir müssen den falschen Beweis nur umdrehen um den korrekten Beweis
zu erhalten.
Die korrigierte Version ist somit wie folgt. Es gilt a2 − 2ab + b2 = (a − b)2 ≥ 0,
und Addition mit 4ab liefert (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 = a2 − 2ab + b2 + 4ab ≥ 4ab,
2
also (a +
√b) /4 ≥ 4. Die Monotonie der Wurzel liefert schließlich die Behauptung (a +
b)/2 ≥ ab. Damit haben wir einen direkten Beweis unserer Behauptung angegeben.
In diesem Beispiel sehen wir auch, dass die logische Reihenfolge in einem Beweis von
der Reihenfolge der eigentlichen Überlegungen abweichen kann, auch wenn dies nicht
immer so extrem wie in diesem Beispiel ist. Wir hatten früher schon bemerkt, dass
ein Beweis nicht nur die Korrektheit einer Aussage belegen soll, sondern diese auch
erklären soll. Dagegen ist es nicht die Aufgabe eines Beweises zu dokumentieren wie
man auf den Beweis oder die Aussage kommt.
Soviel zum direkten Beweis. Wir kommen jetzt zur zweiten Beweismethode, dem
indirekten Beweis oder Widerspruchsbeweis. Auch bei diesen ist eine Aussage A ⇒ B
zu beweisen. Wie immer beim Beweis einer Implikation nehmen wir an, dass die Aussage
A gilt, und bei einem Widerspruchsbeweis nehmen wir weiter an, dass die Aussage B
falsch ist. Dann wird aus der Aussage A ∧ (¬B) ein Widerspruch hergeleitet, d.h. wir
finden eine Aussage C von der wir zeigen können das sowohl C als auch die Verneinung
¬C wahr sind. Da dies nicht möglich ist, muss die Annahme das B falsch ist selbst
falsch gewesen sein, d.h. B ist wahr.
√
Das Urbeispiel eines Widerspruchsbeweises ist der Beweis der Irrationalität von 2.
Die zu beweisende Aussage ist hier
√
B:
2∈
/ Q.
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√
Nehmen wir also an B wäre falsch, d.h. es ist
√ 2 ∈ Q. Da rationale Zahlen definitions2 > 0 ist, gibt es dann natürliche Zahlen
gemäß Brüche ganzer Zahlen
sind,
und
da
√
p, q ∈ N mit p, q ≥ 1 und 2 = p/q. Durch Auskürzen kann man weiter annehmen das
p und q keine gemeinsamen Teiler haben. Dies ist dann unsere Aussage
C:
p und q haben keine gemeinsamen Teiler
mit der wir einen Widerspruch erhalten werden. Hierzu rechnen wir
2
√ 2
p
p2
2= 2 =
= 2,
q
q
und somit ist auch p2 = 2q 2 . Damit ist p2 ein Vielfaches von 2, also gerade. Andererseits
sind Produkte ungerader Zahlen wieder ungerade, und damit muss p selbst gerade sein,
da sonst p2 ungerade wäre. Damit erhalten wir die natürliche Zahl
r :=
p
∈N
2
mit p = 2r. Setzen wir dies in unsere Gleichung ein, so folgt
2q 2 = p2 = (2r)2 = 4r2 ,
also auch q 2 = 2r2 . Genau wie bei p muss q damit gerade sein. Somit ist 2 aber ein
gemeinsamer
√ Teiler von p und q, wir haben also ¬C. Dies ist ein Widerspruch, und
somit ist 2 tatsächlich irrational.
Während der direkte und der indirekte Beweis auf ganz allgemeine Aussagen anwendbar sind, ist die dritte, jetzt zu diskutierende, Beweismethode nur für eine spezielle
Sorte von Aussagen verwendbar. Die vollständige Induktion ist ein Beweisverfahren,
um Aussagen über alle natürlichen Zahlen zu beweisen, genauer geht es um Allaussagen
der Form
∀(n ∈ N) : A(n),
wobei A(n) eine Aussage über natürliche Zahlen n ist. Ein Beispiel einer solchen Aussage ist
n(n + 1)
A(n) : 1 + 2 + 3 + · · · + n =
2
für n ∈ N. Dabei interpretieren wir die bei n = 0 auftretende leere Summe als Null.
Ein Induktionsbeweis erfolgt in zwei Schritten:
1. Induktionsanfang: Zeige das die Aussage A(0) gilt.
2. Induktionsschritt: Hier ist zu zeigen, dass aus A(n) für n ∈ N auch A(n + 1)
folgt, d.h es ist die Allaussage ∀(n ∈ N) : A(n) ⇒ A(n + 1) zu beweisen. Den
Induktionsschritt unterteilt man meistens in zwei Teile:
(a) Induktionsannahme: Sei n ∈ N mit A(n) gegeben.
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(b) Induktionsschritt: Zeige, dass auch A(n + 1) gilt.
Haben wir Induktionsanfang und Induktionsschritt erfolgreich durchgeführt, so besagt
das Prinzip der vollständigen Induktion, dass die Aussage A(n) für jedes n ∈ N wahr ist.
Ein häufiges Mißverständnis besteht darin zu glauben, dass man beim Induktionsschritt
bereits weiss das A(n) wahr ist. Dies ist aber nicht der Fall, alles was gezeigt wird ist die
Implikation A(n) ⇒ A(n + 1) und wie immer beim Beweis einer Implikation kann man
annehmen das die Voraussetzung der Implikation, also A(n), wahr ist denn andernfalls
ist die Implikation sowieso wahr.
Als ein Beispiel wollen wir die Formel
1 + ··· + n =
n(n + 1)
2
für alle n ∈ N per vollständiger Induktion beweisen. Dies bedeutet die Gültigkeit von
∀(n ∈ N) : A(n) mit der Aussage
A(n) :
1 + 2 + 3 + ... + n =
n(n + 1)
2
für n ∈ N.
Induktionsanfang: Der Induktionsanfang ist
A(0) :
0=
0 · (0 + 1)
,
2
was sicherlich wahr ist.
Induktionsannahme: Sei n ∈ N mit 1 + · · · + n =
n(n+1)
.
2
Induktionsschritt: Wir müssen einsehen das auch A(n + 1), also
1 + · · · + (n + 1) =
(n + 1)(n + 2)
2
wahr ist. Mit der Induktionsannahme ergibt sich
n(n + 1)
+ (n + 1)
2
n(n + 1) + 2(n + 1)
(n + 1)(n + 2)
=
,
=
2
2
1 + · · · + (n + 1) = (1 + · · · + n) + (n + 1) =
und der Induktionsschritt ist durchgeführt.
Per vollständiger Induktion ist damit A(n) für alle n ∈ N bewiesen.
Überlegen wir uns kurz warum ein Induktionsbeweis funktioniert. Im Induktionsanfang wird A(0) nachgewiesen und im Induktionsschritt wird weiter A(n) ⇒ A(n + 1)
für alle n ∈ N gezeigt. Mit n = 0 wissen wir insbesondere A(0) ⇒ A(0 + 1) = A(1),
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d.h. A(0) und die Implikation A(0) ⇒ A(1) sind wahr und somit ist auch A(1) wahr.
Mit n = 1 haben wir dann auch A(1) ⇒ A(1 + 1) = A(2) und da wir A(1) bereits
eingesehen haben, ist auch A(2) wahr. So fortfahrend sind dann auch A(3), A(4), . . .,
und immer so weiter, wahr. Da wir so bei jeder natürlichen Zahl n ∈ N vorbeikommen
ist A(n) für jedes n ∈ N wahr. Dies sollte Sie von der Gültigkeit der Methode der
vollständigen Induktion überzeugen. Es ist allerdings kein exaktes Argument für diese,
da wir das Problem in dem harmlos aussehenden und so weiter“ versteckt haben.
”
Bevor wir mit der vollständigen Induktion fortfahren, wollen wir noch eine nützliche
Abkürzung einführen, das sogenannte Summenzeichen. Man schreibt beispielsweise für
n∈N
n
X
k = 1 + 2 + · · · + n.
k=1
Das große Sigma ist hier das
Pn Summenzeichen und k der sogenannte Summationsindex. Das Summenzeichen k=1 ak wird so interpretiert das k die Werte von 1 bis n
durchläuft, für jedes solche k die Zahl ak gebildet wird und alle diese Zahlen aufsummiert werden. Beispielsweise sind
6
X
k 2 = 32 + 42 + 52 + 62 = 9 + 16 + 25 + 36 = 86 oder
4
X
1
k=1
k=3
k
= 1+
1 1 1
25
+ + = .
2 3 4
12
Oftmals läßt man den Summationsindex auch über eine kompliziertere Menge laufen,
die dann in der Regel unterhalb des Summenzeichens beschrieben wird, beispielsweise
X
1≤k≤10
k Primzahl
1
1 1 1 1
126
= + + + =
.
k
2 3 5 7
110
Der Summationsindex ist eine der letztes Mal erwähnten formalen Variablen, insbesondere gibt es ihn nur innerhalb der Summe und nicht außerhalb. Bei komplexeren
Summen dürfen auch mehrere Summationsindizes gleichzeitig verwendet werden, beispielsweise
1
1
1
1 1 1
47
1
=
+
+
= + + = .
i+j
1+2 1+3 2+3
3 4 5
60
1≤i<j≤3
X
Hier durchlaufen die Summationsindizes i, j die möglichen Werte (i, j) = (1, 2), (1, 3)
und (2, 3). Sind a1 , . . . , an , b1 , . . . , bn und c beliebige Zahlen, so gelten offenbar
n
X
(ak + bk ) =
k=1
n
X
ak +
k=1
n
X
(cak ) = c ·
k=1
n
X
k=1
3-7
n
X
k=1
ak .
bk und
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Entsprechende Formeln gelten dann natürlich auch für die Summation über kompliziertere Indexbereiche.
Wir wollen jetzt auch noch eine kleine Variante der vollständigen Induktion besprechen, bei der eine Aussage A(n) nicht unbedingt für alle n ∈ N bewiesen wird sondern
für alle n ab einem Startwert n0 ∈ N. Zu beweisen ist also die Allaussage
∀(n ∈ N, n ≥ n0 ) : A(n),
und für eine vollständige Induktion müssen die folgenden drei Bestandteile durchgeführt werden:
Induktionsanfang: Die Aussage A(n0 ) ist wahr.
Induktionsannahme: Sei n ∈ N mit n ≥ n0 und A(n).
Induktionsschritt: Zeige das dann auch A(n + 1) gilt.
Beachte das wir in der Induktionsannahme zusätzlich zu A(n) auch noch annehmen
das n ≥ n0 ist, dies kann durchaus wesentlich sein. Haben wir die obigen drei Schritte
durchgeführt, so besagt das Prinzip der vollständigen Induktion, dass die Aussage A(n)
für alle n ∈ N mit n ≥ n0 gilt. Als ein Beispiel wollen wir die Aussage 2n > n2 für
n ∈ N untersuchen. Diese ist nicht für jedes n ∈ N wahr, für die kleinen Werte von n
haben wir
n 2n n2
0 1 0
1 2 1
2 4 4
3 8 9
4 16 16
5 32 25
und somit versuchen wir unser Glück mit dem Startwert n0 = 5. Wir wollen also
2n > n2 für alle n ∈ N mit n ≥ 5 beweisen. Unsere Aussage A(n) ist hier
A(n) :
2n > n 2 .
Wir führen die vollständige Induktion durch
Induktionsanfang: Es ist 25 = 32 > 25 = 52 , also gilt A(5).
Induktionsannahme: Sei n ∈ N mit n ≥ 5 und 2n > n2 gegeben.
Induktionsschritt: Da insbesondere n ≥ 3 ist haben wir dann
n2 = n · n ≥ 3n = 2n + n > 2n + 1.
Es folgt
2n+1 = 2 · 2n > 2n2 = n2 + n2 > n2 + 2n + 1 = (n + 1)2 ,
und wir haben auch A(n + 1) eingesehen.
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Per vollständiger Induktion ist damit 2n > n2 für alle n ∈ N mit n ≥ 5 bewiesen.
In den allermeisten Fällen ist der Induktionsanfang wie in diesen Beispielen eine
recht banale Angelegenheit. Trotzdem ist er unverzichtbar, der Induktionsschluß kann
auch bei falschen Aussagen funktionieren. Nehmen wir einmal die offensichtlich unsinnige Aussage n > n + 1 als unser A(n). Ist dann n ∈ N mit A(n), also n > n + 1,
so folgt durch Addition mit Eins auch n + 1 > (n + 1) + 1, also A(n + 1). Der Induktionsschluß ist hier also problemlos möglich, der Anfang natürlich nicht. Dies ist
kein seltenes Phänomen, nehmen Sie einmal an die Aussage A(n) ist für jedes n ∈ N
falsch. Da aus falschem alles folgt, gilt dann A(n) ⇒ A(n + 1) für jedes n ∈ N, der
Induktionsschluß funktioniert also immer wenn die Aussage A(n) niemals richtig ist.
3-9
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