GUG aktuell 1/2006 Mit Wirkung zum 31. Dezember 2004 war die GUG durch die Mitgliederversammlung am 1. Oktober 2004 aufgelöst worden. Wir wollen an Umwelt-Themen Interessierten und Freunden der GUG die Möglichkeit erhalten, sich über die GUG-Internetseite zu informieren. Hierzu werden wir ab Juni 2005 in unregelmäßigen Abständen ein GUG aktuell als PDFDatei zur Einsicht bereitstellen. Weitere Informationen zu Umwelt-Themen gibt es bei www.egs-net.ch, „newsletter”. Kommentare und Kontakt: Monika Huch [email protected] bisherige GUG-Referentin für Öffentlichkeit Klima Diese Ausgabe von GUG aktuell enthält aktuelle Informationen zum Thema KLIMA. Eisbohrkerne aus der Antarktis berichten über große Klimaänderungen Deutschland beteiligt sich im Rahmen von EPICA (European Project for Ice Coring in Antarctica) an zwei Tiefbohrprojekten. Die Bohrung am Dome C in der Ostantarktis liegt im Sektor des Indischen Ozeans und wurde bereits im Dezember 2004 abgeschlossen. Von den 3260 m Eisbohrkern wurden bisher nur die oberen 3000 m analysiert. Die Bohrung in Dronning Maud Land im atlantischen Sektor der Antarktis wurde Mitte Januar 2006 in einer Tiefe von 2774 m erfolgreich abgeschlossen. Erste Untersuchungen des Eisbohrkerns vor Ort lassen vermuten, dass in den untersten 200 m sehr altes Eis erbohrt werden konnte. In allen Kaltzeiten der letzten 740.000 Jahre war die Meereisbedeckung rund um die Antarktis sehr viel größer als in Warmzeiten. Gleichzeitig war der Süden Südamerikas deutlich trockener und windiger als heute, was zu einem stark erhöhten Staubeintrag in die Antarktis führte. Diese Informationen stammen aus dem Eisbohrkern vom Dome C, der mehr als acht aufeinander folgende Wechsel von Eis- und Warmzeiten überdeckt. Der mit dem Wind in den Südozean transportierte Staub stellt auch vermehrt Nährstoffe für das Plankton im Ozean zur Verfügung. Analysen von Sulfataerosol im Eisbohrkern, das bei Algenblüten produziert wird, weisen allerdings nicht auf eine erhöhte bilogische Produktion im Südozean hin. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind am 23. März 2006 in "Nature" veröffentlicht worden ("Southern Ocean sea-ice extent, productivity and iron flux over the past eight glacial cycles"). PresseInformationen des Alfred-Wegener-Instituts vom 20.01.2006 und vom 23.03.2006 Internet: www.awi-bremerhaven.de; www.esf.org Enge Kopplung zwischen Klima und Treibhausgasen in der Vergangenheit Seit 650.000 Jahren waren die Treibhausgas-Konzentrationen nicht so hoch wie heute. Die warmen Klimaperioden im Zeitraum 650.000 bis 420.000 Jahren wiesen sogar geringere Kohlendioxid- und MethanKonzentrationen auf als in den darauf folgenden Warmzeiten. Zu dieser Aussage kommt ein europäisches Forscherteam unter Mitarbeit von Wissenschaftlern des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung nach der Auswertung eines Eisbohrkerns vom antarktischen Plateau bei Dome C. Nach der Analyse liegt die heutige Konzentration von atmosphärischem Kohlendioxid mit 0,38 Volumenpromille bereits 27 Prozent höher als der höchste aufgezeichnete Stand während der letzten 650.000 Jahre. Die Kopplung zwischen Temperatur und Kohlendioxid- bzw. Methan-Konzentrationen ist in der Vergangenheit zeitlich erstaunlich konstant. Erst durch den Einfluss des Menschen in den letzten Jahrhunderten wurden atmosphärische Treibhausgase über ihre natürlichen Grenzen erhöht. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind am 25. November 2005 in "Science" in zwei Beiträgen veröffentlicht worden ("Stable Carbon Cycle-Climate Relationship During the Late Pleistocene" und "Atmospheric Methane and Nitrous Oxide of the Late Pleistocene from Antarctic Ice Cores"). PresseInformation des Alfred-Wegener-Instituts vom 24.11.2005 Internet: www.awi-bremerhaven.de GUG aktuell 1/2006 2 Klimaentwicklung im Quartär - einige Zahlen Der Klimaverlauf des Quartärs kann in drei gleich große Abschnitte eingeteilt werden, die mit Erdparametern korrelliert sind. Im jüngsten Abschnitt dominiert die Periode der Exzentrizität, im ältesten die der Erdschiefe, der mittlere zeigt den Übergang. Diese drei Abschnitte wurden in Erinnerung an bedeutende Forscher benannt, die sich Gedanken über Erdschiefe und Exzentrizität der Erdbahn machten, und deren Beiträge für das Verständnis der Eiszeit außerordentlich wichtig wurden. Es sind dies der französische Mathematiker und Astronom PièrreSimon Laplace (1749-1827), der schottische Geologe James Croll (1821-1890) und der serbische Astronom und Klimatologe Milutin Milankovitch (1879-1958). Im Laplace-Abschnitt (1,85 bis etwa 1,24 Millionen Jahre vor heute) fanden die Wechsel zwischen Warm- und Kaltzeiten im Zyklus von 41.000 Jahren statt. Nimmt man heutige Isotopenverhältnisse im Eis an, so betrugen die Meeresspiegelschwankungen im Laplace-Intervall etwa 70 m. Vor ca. 900.000 Jahren kam es zu einem Klimasturz, der so genannten Mittelpleistozänen Revolution oder auch mittelquartären Klimaänderung. Zu diesem Zeitpunkt - im Croll-Intervall (zwischen 1,24 Mio. und 620.000 Jahren vor heute) - kam es zu einem Absinken des Meeresspiegels als Folge ausgedehnter Eisbildung. Die Eigenart des heutigen Eiszeitsystems - der Milankovitch-Epoche - besteht darin, dass extreme Kalt- und Warmzeiten im 100.000Jahre-Zyklus auftreten. Die Eismassen sind größer als zuvor, aber auch die Warmzeiten sind wärmer. Quelle: G. Wefer und W.H. Berger: Klima und Ozean. In: M. Huch, G. Warnecke und K. Germann (Hrsg.): Klimazeugnisse der Erdgeschichte. Perspektiven für die Zukunft. Springer-Verlag 2001 Erwärmung ist keine natürliche Klimaschwankung Die jüngste globale Warmperiode ist nicht natürlichen Ursprungs. Laut einer Studie ist die seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts anhaltende Klimaveränderung seit 1200 Jahren beispiellos. Seit mindestens 1200 Jahren hat es keine derartig lange und weit verbreitete Warmperiode gegeben wie die von der Mitte des 20. Jahrhunderts an. Das berichten britische Forscher aktuell im Fachmagazin "Science". Die Untersuchung widerspricht der Ansicht einiger Fachleute, dass es sich bei der derzeitigen globalen Erwärmung um eine natürliche Klimaschwankung handeln könnte. Timothy Osborn und Keith Briffa von der University of East Anglia in Norwich hatten die Temperaturen von 14 Standorten auf der Nordhalbkugel seit dem Jahre 800 rekonstruiert. Da es keine exakten Klima-Aufzeichnungen aus dem Mittelalter gibt, greifen die Forscher auf "Klimaarchive" zurück: Sie analysieren Baumringe, Eisbohrkerne oder fossile Muschelschalen. Anhand bestimmter Veränderungen wie der Dicke der Jahresringe oder des Verhältnisses bestimmter Moleküle ziehen sie dann Rückschlüsse auf die Temperatur. Laut den Daten des britischen Teams gab es mehrere ungewöhnliche Wärmeintervalle im frühen Mittelalter, zwischen 890 und 1170. Besondere Kaltzeiten folgten zwischen 1580 und 1850. Damit bestätigten die Wissenschaftler die gängige Annahme, dass es im Mittelalter eine Warmperiode gegeben hat und eine "Kleine Eiszeit" von Mitte des 16. bis ins 19. Jahrhundert hinein. Die am längsten andauernde und geographisch am weitesten verbreitete Erwärmung habe es aber im 20. Jahrhundert gegeben. Gegen Ende des Untersuchungszeitraums, in den frühen 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, zeigten 70 Prozent der ausgewerteten Daten eine Temperaturerhöhung an. Quelle: www.netzeitung.de Grönland bald ohne Eis? Modellrechnungen zeigen, dass die weltweiten Eisvorkommen für globale Klimaerwärmungen sensibler sind als bisher angenommen. Eine Erhöhung der globalen Temperatur um nur 3 °C würde ausreichen, um das Grönlandeis rapide abschmelzen zu lassen. Würde der derzeitige Ausstoß von Treibhausgasen in die Atmosphäre nicht reduziert, könnte dieser Prozess bereits im Jahre 2050 unwiderruflich in Gang gesetzt werden. Bereits heute ist aufgrund der globalen Erwärmung ein zunehmendes Abschmelzen der Gletscher auf Grönland zu erkennen. Dank eines erhöhten Schneefalls in der Antarktis ist ein bedrohlicher Anstieg des Meeresspiegels bisher ausgeblieben. Wenn der Schneefall in der Antarktis nicht mehr ausreicht, den Beitrag Grönlands zum Anstieg des Meeresspiegels zu kompensieren, ist mit einem Anstieg um etwa 70 m zu rechnen. Diese theoretische Möglichkeit, wie es in Zukunft um das Klima, die Eisverteilung und die Höhe des Meeresspiegels auf der Erde bestellt ist, macht deutlich, wie wichtig zuverlässige Daten über das gesamte Eisvorkommen auf unserem Planeten sind. Sie sollten durch den Anfang Oktober 2005 beim Start verloren gegangenen Satellit CryoSat geliefert werden. Daher ist ein Neustart von CryoSat für alle Menschen wichtiger denn je. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind am 21. Oktober 2005 in "Science" veröffentlicht worden (Richard B. Alley, Peter U. Clark, Ph. Huybrechts, Ian Joughin: Ice-Sheet and Sea-Level Changes). PresseInformation des Alfred-Wegener-Instituts vom 20.10.2005 Internet: www.awi-bremerhaven.de GUG aktuell 1/2006 3 Veränderungen in der Arktis Während der 21. Arktisexpedition des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung mit dem Forschungseisbrecher POLARSTERN wurden im Rahmen mehrerer Langzeitstudien Daten von am Meeresboden installierten Messstationen gesammelt. Bestückt mit verschiedenen Messgeräten für Strömung, Temperatur und Salzgehalt tragen die Daten dazu bei, den Wärme- und Süßwasserhaushalt der Grönlandsee zu bestimmen und seinen Einfluss auf die globalen Meeresströmungen abzuschätzen. Auf zwei in Ost-West-Richtung verlaufenden hydrographischen Schnitten zwischen Grönland und der Bäreninsel sowie zwischen Grönland und Spitzbergen stellten die Ozeanographen fest, dass sich die Strömungsverhältnisse im Arktischen Ozean geändert haben müssen. In den 90er Jahren wurde im Ostgrönlandstrom Wasser aus dem Pazifik identiziert, das durch die Beringstraße in die Arktis strömt. Dieses Wasser fließt nun wohl durch den Kanadischen Archipel westlich von Grönland in den Nordatlantik. Ein vorläufiger Vergleich der Meeresoberflächentemperaturen mit denen des letzten Jahres ergab eine Erwärmung im Osten und eine Abkühlung im mittleren und im westlichen Bereich der Framstraße. Daher wurde im Östgrönlandstrom auch mehr Meereis angetroffen als im vergangenen Jahr. In Tiefen unter 50 m setzt sich die deutliche Erwärmung der Vorjahre in der gesamten Framstraße fort. Im mittleren Bereich reicht die Erwärmung bis in Tiefen unter 2000 m. PresseInformation des Alfred-Wegener-Instituts vom 15.09.2005 Internet: www.awi-bremerhaven.de Arktische Oszillation beeinflusst das europäische Klima Die Arktische Oszillation beeinflusst das Auf und Ab der Temperaturen in der Arktis. Dabei handelt es sich um eine großräumige Schwingung der Atmosphäre, die durch entgegengesetzte Luftdruckanomalien in der zentralen Arktis und Teilen der mittleren Breiten gekennzeichnet ist. Die Jahrzehnte dauernden Schwingungen sind unterschiedlich stark ausgeprägt. In der positiven Phase, die seit etwa 1970 vorherrscht, treiben starke Westwinde im Winter warme Atlantikluft nach Nordeuropa und Sibirien. In der negativen Phase der Arktischen Oszillation kann die kalte Polarluft weiter nach Süden vordringen und beschert den Europäern strenge Winter, wie zuletzt von 1940 bis 1970. Steigende Temperaturen, schwindendes Meereis und schmelzende Gletscher zeigen die Auswirkungen der weltweiten Klimaveränderungen in der Arktis besonders deutlich. Computermodellierungen sollen das Ausmaß der Veränderungen vorhersagen. Die hohe Komplexität des arktischen Klimasystems erschwert allerdings verlässliche Prognosen. Die nur wenige Meter dicke Meereisbedeckung am Nordpol ist wesentlich anfälliger für geringfügige Veränderungen der Wasser- oder Lufttemperatur als der kilometerdicke Eisschild der Antarktis. Schmilzt das arktische Eis, das bis zu 90 Prozent des einfallenden Sonnenlichts wie ein Spiegel in die Atmosphäre zurückstrahlt, wird mehr Sonnenenergie absorbiert. Die Folge wäre eine zusätzliche Verstärkung der globalen Klimaerwärmung. Die bisherigen Auswertungen von Eisbohrkernen zeigen, dass in der Arktis klimatische Veränderungen in der Vergangenheit schneller verliefen als in der Antarktis. Dies und die Nähe zu Nord- und Mitteleuropa erfordern ein tieferes Verständnis der Mechanismen im arktischen System Atmosphäre - Ozean - Meereis Land, um die Auswirkungen zunehmender Treibhausgas-Konzentrationen auf unser Klima besser einschätzen zu können. PresseInformation des Alfred-Wegener-Instituts vom 02.09.2005 Internet: www.awi-bremerhaven.de Luftverschmutzung durch Aerosole Atmosphärische Aerosole haben erheblichen Einfluss auf den Strahlungshaushalt und damit auf das Klima der Erde. Natürlicherweise auftretende Aerosole sind Schwefelsäuretröpfchen, Seesalz, Sahara-Staub und andere mineralische Komponenten. Darüber hinaus werden sie vom Menschen durch Verbrennungsprozesse, Flugverkehr und Industrieabgase erzeugt, die heute etwa 20 bis 30 Prozent des atmosphärischen Aerosols ausmachen. Die Polarregionen der Erde sind Schlüsselgebiete für das Erdklima. Wichtige Voraussetzungen für präzise Klimavorhersagen sind ein genaues Verständnis und eine lückenlose Beschreibung der Aerosolbelastung. Eine Mess- und Vergleichskampagne mit 12 Sonnenphotometern soll im Rahmen des Polar-AOD-Netzwerks (Aerosol Optical Depth in Polar Regions) in Spitzbergen die Voraussetzungen schaffen, um im Internationalen Polarjahr 2007/2008 die Luftverschmutzung durch Aerosole in bisher nicht erreichter Genauigkeit an über 20 Standorten in den Polarregionen zu bestimmen. Sonnenphotometer sind eine spezielle Variante von Strahlungsmessgeräten, die die Intensität der Sonne in verschiedenen Farbbereichen messen können. Durch Vergleich der am Boden gemessenen Lichtintensität mit der außerhalb der Atmosphäre kann man ermitteln, wieviel Licht durch Streuung und Absorption in den Luftschichten herausgefiltert wird. Die Intensitätsänderung geht mit der Veränderung der Farbe des Sonnenlichts einher. Die Farbveränderung erlaubt gleichzeitig Aufschluss über den Charakter feiner Schwebeteilchen, der Aerosole, die in der Atmosphäre für die Lichtabschwächung sorgen. PresseInformation des Alfred-Wegener-Instituts vom 02.09.2005 Internet: www.awi-bremerhaven.de GUG aktuell 1/2006 4 Das Meer wird saurer Treibhausgase gefährden Ökosysteme im Ozean. Eine im Wissenschaftsmagazin "Nature" veröffentlichte Studie einer Gruppe von 27 Meeresforschern aus Europa, Japan, Australien und den USA zeigt, dass die Versauerung der Meere in den Polargebieten bereits in 50 bis 100 Jahren zu einem Verschwinden wichtiger Meeresorganismen führen könnte - viel früher, als bisher angenommen (Nature 438: 681-686). Bedroht sind vor allem Seegurken, Kaltwasserkorallen und im Wasser schwebende Flügelschnecken. Da diese Tiere eine wichtige Nahrungsquelle für andere Tiere von Krebsen über Lachse bis zu Walen darstellen, sind schwer wiegende Auswirkungen auf das gesamte polare Ökosystem zu befürchten. Ursachen der Versauerung der Meere sind eindeutig menschliche Einflüsse, denn durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe produziert jede Person auf unserem Planeten täglich im Durchschnitt 11 kg Kohlendioxid, die in die Atmosphäre gelangen. Vier Kilogramm davon werden von den Weltmeeren aufgenommen, was den Treibhaus effekt mildert. Unglücklicherweise reagiert das Kohlendioxid mit dem Meerwasser zu Säure, die die Kalkschalen vieler Meeresbewohner auflösen kann. Die Studie beruht auf weltweiten Messungen des Kohlenstoffgehalts der Meere. Die Computerberechnungen zeigen, dass bei dem derzeitigen Anstieg der Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre bereits in 50 Jahren in den Polarmeeren die Schalen der dort massenhaft vorkommenden Flügelschnecken (Pteropoda) einfach aufgelöst werden würden. Die wärmeren Meere folgen mit Zeitverzögerung. Die Schale der Flügelschnecken besteht aus Aragonit, einer verbreiteten Form des Kalziumkarbonats. Nur wenn das Meerwasser ausreichend mit Kalziumkarbonat gesättigt ist, können die Schalen der Flügelschnecken wachsen. Betroffen sind auch die im Nordatlantik vorkommenden Kaltwasserkorallen. Anders als ihre tropischen Verwandten wachsen Kaltwasserkorallen sehr langsam und sind schon heute durch die Bodenschleppnetze der Fischerei stark bedroht. Ein Verschwinden der Korallen würde auch zum Verschwinden der gesamten Riffgemeinschaft aus Tiefseefischen, Aalen, Krabben und anderen Organismen führen. PresseInformation des Alfred-Wegener-Instituts vom 26.09.2005 Internet: www.awi-bremerhaven.de Ökologische Veränderungen in der Nordsee Langzeituntersuchungen an der Biologischen Anstalt Helgoland des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung dokumentieren einen raschen ökologischen Wandel in der Nordsee. Die Wissenschaftler führen diese Änderungen vor allem auf die Einschleppung gebietsfremder Arten und den globalen Klimawandel zurück. Das haben die seit 1962 kontinuierlich fortgeführten Untersuchungen ergeben. Das Heft 4 (Band 58) der Zeitschrift "Helgoland Marine Research" (Springer-Verlag) ist der ökologischen Langzeitforschung auf Helgoland gewidmet. Die Daten belegen einen Anstieg der Wassertemperatur von 1,1 °C über die letzten 40 Jahre, bei gleichzeitig leichtem Anstieg des Salzgehalts. Meereisbildung bei Helgoland, ein Phänomen, das bis in die 1940er Jahre im Mittel etwa alle zehn Jahre auftrat, wurde in den letzten 60 Jahren nur ein einziges Mal beobachtet (1963). Die Nordsee weist deutliche Veränderungen in der Häufigkeit von Arten, im jahreszeitlichen Muster ihres Auftretens und im Artenspektrum auf. Weil die eng miteinander verbundenen Glieder von Lebensgemeinschaften nicht gleichlaufend reagieren, verändert sich das Ökosystem. Erstmalig konnte für die Nordsee eine mit dem Temperaturtrend gekoppelte Veränderung von Zeitpunkt und Stärke der Kieselalgenblüte nachgewiesen werden. Kieselalgen stellen die Basis des Nahrungsnetzes im Meer dar. Weil ihr Wachstum weitgehend die Saisonalität der Lebensgemeinschaften in der Wassersäule und am Meeresboden bestimmt, erwarten die Forscher für die Zukunft eine tief greifende Änderung des gesamten Ökosystems. Die Helgoländer Wissenschaftler stellten fest, dass einige heimische Arten wie Hummer und Kabeljau seltener geworden sind. Manche Organismen, wie verschiedene Algen und die europäische Auster, verschwanden ganz aus dem Gebiet. Andere Arten, wie der Taschenkrebs, nahmen in ihren Beständen zu oder traten neu auf. Die große Mehrzahl der seit etwa 15 Jahren neu aufgetretenen Arten sind "südliche" Arten aus der atlantischen Region, die durch den Temperaturanstieg jetzt auch weiter nördlich leben können. Damit sind sie gleichsam Indikatoren dieses Trends. Andere neue Arten wurden vom Menschen eingeschleppt und haben einige lokale Lebensräume und Lebensgemeinschaften bereits deutlich verändert. PresseInformation des Alfred-Wegener-Instituts vom 31.01.2005 Internet: www.awi-bremerhaven.de; springer.com GUG aktuell 1/2006 5 Genetische Vielfalt trotzt dem globalen Klimawandel Nach der ungewöhnlichen Hitzewelle im Sommer 2003, die zu großflächigem Absterben vieler Flachwasserlebewesen geführt hatte, erholten sich genetisch vielfältige Seegraswiesen-Abschnitte in der Ostsee deutlich schneller als genetisch gleichförmigere und wiesen am Ende des Sommers mehr Biomasse und Pflanzendichte auf. Dieser Effekt beruhte darauf, dass vor allem die empfindlicheren Genotypen durch die robusteren in ihrem Überleben und Wachstum gefördert wurden. Die Untersuchungen eines Forscherteams des Max-Planck-Instituts für Limnologie in Plön und des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften in Kiel wurde im Februar 2005 veröffentlicht (nähere Informationen bei [email protected]). Eine zentrale Frage bei Untersuchungen zum heutigen Klimawandel lautet, wie Populationen und Lebensgemeinschaften auf Extremereignisse wie Hitzewellen, Stürme und Überflutungen reagieren. Frühere Arbeiten haben gezeigt, dass die Artenvielfalt für die Produktivität und Stabilität von Ökosystemen eine wichtige Rolle spielt. Seegraswiesen bestehen in der Regel nur aus ein oder zwei Arten und bilden trotzdem eine der produktivsten Pflanzengemeinschaften auf der Erde. Sie sind Grundlage für marine Lebensgemeinschaften, indem sie Nährstoffe umsetzen, Lebensraum für Fische und Wirbellose bieten und die Küstenerosion einschränken. Die wenigen Arten in einer solchen Population verfügen allerdings über eine enorme Vielfalt an so genannten Genotypen - also Individuen mit unterschiedlicher genetischer Ausstattung. Die Ergebnisse haben Auswirkungen auf den Naturschutz und das Umweltmanagement, denn sie zeigen, dass genetische Vielfalt in artenarmen Lebensgemeinschaften die Funktion von Artenvielfalt einnehmen und extreme klimatische Ereignisse abpuffern kann. Gerade vor dem Hintergrund globaler Umweltveränderungen sollte dies eine zusätzliche Motivation sein, auch genetische Vielfalt zu schützen und zu erhalten. Presseinformation der Max-Planck-Gesellschaft Nr. PRI B 11/2005 (22) vom 15.02.2005 Internet: www.mpg.de Pflanzen durch globalen Klimawandel bedroht Über die Hälfte aller Pflanzenarten sind in Europa durch den Klimawandel ernsthaft bedroht. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Wissenschaftlerteam im Forschungsprojekt ALARM, das vom Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle (UFZ) geleitet wird. Besonders dramatisch wird sich die Situation in den mittleren bis hohen Lagen der Gebirgsregionen entwickeln. Die Gebirgsflora ist sehr spezialisiert und kann sich deshalb schlechter anpassen. Das betrifft neben den Alpen und Pyrenäen vor allem große Teile des Mittelmeerraums und Osteuropas. In Skandinavien und im Bereich des Atlantiks werden die Verluste der Artenvielfalt geringer ausfallen. ALARM nimmt vier Bereiche, denen ein Anteil am Rückgang der biologischen Vielfalt zugeschrieben wird, näher unter die Lupe: Klimawandel, Verlust an Bestäubern wie Bienen, Hummeln und Schmetterlingen, in der Umwelt vorhandene Schadstoffe sowie Invasion gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten. Die Wissenschaftler arbeiten in über 40 verschiedenen Untersuchungsgebieten verteilt über ganz Europa und Südamerika. Zum Ende der Projektlaufzeit 2009 erhoffen sich die Projektinitiatoren einen gewaltigen Wissenszuwachs - allein aufgrund der nie da gewesenen Breite und Vielschichtigkeit der Untersuchungen. Für die Studie war der Einfluss verschiedener Klimaprognosen, die ein Ansteigen der Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre bis zum Doppelten der heutigen Werte und einem Ansteigen der mittleren Temperatur um bis zu 4 °C im Jahre 2080 annehmen, auf 1350 europäische Pflanzenarten berechnet worden. Pressemitteilung des Umweltforschungszentrums vom 23.03.2006 im Internet: www.ufz.de Gewinn muss nicht klimpern Das globale Klima kann man als öffentliches Gut ansehen. Doch wie kann man Menschen dazu gewinnen, sich altruistisch für dessen Erhalt einzusetzen? In einem Experiment gingen Forscher des Plöner Max-Planck-Instituts für Limnologie und des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie dieser Frage nach. Ihre Versuchspersonen sollten entscheiden, ob sie Geld für eine Zeitungsanzeige des Max-Planck-Instituts für Meteorologie spenden wollten, in der der Öffentlichkeit die Folgen klimaschädlichen Verhaltens und einfache Regeln zum Klimaerhalt dargestellt werden sollten. Das Ergebnis der Forscher: Menschen setzen sich vor allem dann für gemeinnützige Ziele ein, wenn sie gut informiert sind und ihre gute Tat öffentlich gemacht wird - denn so gewinnen die edlen Spender öffentliche Anerkennung. Die Wissenschaftler raten Politikern, sich verstärkt um die Entwicklung von Strategien zu kümmern, mit denen Investitionen von Mitbürgern in den Klimaerhalt publik gemacht werden können. Presseinformation der Max-Planck-Gesellschaft Nr. C 11/2006 (29) vom 01.03.2006 Internet: www.mpg.de GUG aktuell 1/2006 Leseempfehlungen 6 Der Arktis-Klima-Report Die Auswirkungen der Erwärmung. ACIA - Arctic Climate Impact Assessment. 144 S., Großformat, ca. 450 Abb., Karten und Grafiken, durchgehend farbig illustriert, gebunden. ISBN 3-934613-86-1 EUR 16,90 (im Buchhandel) Der "Arktische Rat", dem die Nationen Russland, USA, Kanada, Norwegen, Schweden, Finnland, Island und Dänemark/Grönland/Färöer angehören, hat eine umfangreiche wissenschaftliche Studie über die Auswirkungen des Klimawandels in der Arktis herausgegeben. Diese ACIA-Studie (ACIA = Arctic Climate Impact Assessment) wurde von rund 300 Forschern aus den acht Arktis-Anrainerstaaten erarbeitet und in einem rund 1500 Seiten umfassenden Abschlussbericht dokumentiert. Eine Zusammenfassung liegt nun auch in deutscher Sprache vor. Arctic enrivonment: European perspectives Why should Europe care? Environmental issue report No 38, 58 pp. European Environment Agency EUR 15,00 (im Internet: http://Publications.eu.int) The Arctic is recognised as one of the planet's last pristine areas on the globe where indigenous peoples pursue their traditional lifestyles. However, as Europe's dependance on the Arctic's resources grows, the region is coming under increasing pressure from unsustainable development, land fragmentation, climate change and pollution. Indigenous peoples incur the greatest negative effects of this exploitation yet receive a relatively small share of the benefits. By taking stock of the most recent research and assessments by AMAP and others, EEA & UNEP have jointly prepared this report to raise the awareness. Impacts of Europe's changing climate An indicator-based assessment. EEA Report No 2/2004, 100 pp. European Environment Agency EUR 15,00 (im Internet: http://Publications.eu.int) This report represents past trends in Europe's climate, its current state and possible future changes as well as the impacts of climate change on the European environment and society. The report is aimed at the general interested public and decision-makers, especially those who wish to understand which natural systems and societal sectors are most vulnerable to climate change and its impacts. European environment outlook EEA Report No 4/2005. 87 pp. European Environment Agency. EUR 15,00 (im Internet: http://Publications.eu.int) This European environment outlook report addresses a range of environmental concerns and their common driving forces in an integrated way, and turns the spotlight on some of the more pressing issues. The report highlights the prospects for Europe's environment, exploring the consequences of our current expectations regarding socio-economic developments and, in some instances, points towards options for a more sustainable future. Klimazeugnisse der Erdgeschichte Perspektiven für die Zukunft. M. Huch, G. Warnecke, K. Germann (Hrsg.), 252 S., Springer-Verlag 2001 EUR 34,95 (im Internet: springer.com) Das Buch stellt das Klimageschehen in der Vergangenheit der Erde unter Verwendung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse in einen globalen Zusammenhang. Warnsignale aus den Polarregionen José L. Lozán, Hartmut Graßl, Hans Hubberten, Peter Hupfer, Peter Lemke, Dieter Piepenburg (Hrsg.) Brosch., ca. 400 S. EUR 35,00 (im Internet: http://www.rrz.uni-hamburg.de/Warnsignale/Buecher.html) Inhalt: 1 Die Polarregionen: Land und Leute. 2 Stürme, Meeresströmungen und Eis. 3 Flora und Fauna. 4 Das Weltklima und die polaren Regionen. 5 Umweltzerstörungen sowie Forschung und Schutz der Polarregionen. Nachrichten aus einem unbekannten Universum Eine Zeitreise durch die Meere. von Frank Schätzing (2006) 520 S., EUR 19,90 (im Buchhandel) Ein packendes Panorama unserer fremd gewordenen Heimat, der Meere. Mit Sachverstand und Ironie spannt Schätzing den Bogen vom Urknall bis in die nahe Zukunft, nimmt uns mit in das unbekannte Universum unter Wasser, versetzt uns in Erstaunen, Entzücken und Entsetzen. Danach sieht man die Ozeane - aber auch die Entwicklungsgeschichte der Erde - mit anderen Augen. (www.frankschaetzing.com) GUG aktuell 1/2006