RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT - Ö1

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RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
Die Sendung
Die Sendereihe „Der Radiodoktor“ ist seit 1990 das Flaggschiff der
Gesundheitsberichterstattung von Ö1. Jeden Montag von 14.20 bis 15.00 Uhr werden
interessante medizinische Themen in klarer informativer Form aufgearbeitet und Ö1- Hörerinnen
und -Hörer haben die Möglichkeit, telefonisch Fragen an das hochrangige Expertenteam im
Studio zu stellen.
Wir über uns
Seit September 2004 moderieren Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz, Univ.-Prof. Dr. Karin GutiérrezLobos, Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger und Dr. Christoph Leprich die Sendung.
Das Redaktionsteam besteht aus Walter Gerischer-Landrock, Mag. Nora Kirchschlager, Dr. Doris
Simhofer, Dr. Ronny Tekal-Teutscher und Dr. Christoph Leprich.
Das Service
Seit dem 3. Oktober 1994 gibt es das, die Sendereihe flankierende, Hörerservice, das auf größtes
Interesse gestoßen ist.
Unter der Wiener Telefonnummer 50 100 ist „Der Radiodoktor“ mit Kurzinformationen zur
aktuellen Sendung die ganze Woche per Tonband abrufbar. Die zu jeder Sendung gestaltete
Infomappe mit ausführlichen Hintergrundinformationen, Buchtipps und Anlaufstellen
komplettiert das Service und stellt in der Fülle der behandelten Themen eigentlich bereits ein
kleines Medizin-Lexikon für den Laien dar.
Die Partner
Ermöglicht wird die Radiodoktor-Serviceleiste durch unsere Partner: das Gesundheitsressort der
Stadt Wien und die Österreichische Apothekerkammer.
An dieser Stelle wollen wir uns ganz herzlich bei unseren Partnern für die Zusammenarbeit der
letzten Jahre bedanken!
Wir bitten um Verständnis, dass wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit in dieser Infomappe zumeist auf die
weiblichen Endungen, wie z.B. PatientInnen, ÄrztInnen etc. verzichtet haben.
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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GLAUBE, RELIGION UND SPIRITUALITÄT
IM KRANKHEITSFALL – TEIL 3:
BUDDHISMUS, HUMANISMUS UND ATHEISMUS
Mit Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz
5. Juli 2010, 14.03 Uhr, Ö1
Redaktion und Infomappe: Dr. Ronny Tekal-Teutscher
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
INHALTSVERZEICHNIS
GLAUBE, RELIGION UND SPIRITUALITÄT IM KRANKHEITSFALL – TEIL 3:
BUDDHISMUS, HUMANISMUS UND ATHEISMUS
Über Glauben und Nicht-Glauben in Österreich
Buddhismus in Krankheit und Tod
Humanismus im Krankenhaus
Weltreligionen in Österreich
Buddhisten
Keiner anerkannten Glaubensgemeinschaft angehörig
Der Buddhismus
Buddha
Karma und Samsara
Nirwana
Meditation
Trost und Leid im Buddhismus
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Buddhistische Ethik
Silas - Die fünf buddhistischen Ethikregeln
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Buddhistische Rituale am Lebensende
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Buddhismus in Österreich
Buddhistischer Friedhof in Wien
Mobiles Hospiz der Buddhistischen Religionsgesellschaft
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Der Humanismus
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Gemeinsamkeiten von Humansimus und Buddhismus
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Atheismus
Selbst Atheisten glauben…
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Klinikphilosophie –Philosophische Krankenhaus-Seelsorge
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RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
Was geschieht beim philosophischen Gespräch?
Philosophie für Ärzte
Philosophie im Klinikum - Ein Grazer Projekt
ANLAUFSTELLEN
BUCHTIPPS
QUELLEN UND LINKS
SENDUNGSGÄSTE
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
GLAUBE, RELIGION UND SPIRITUALITÄT
IM KRANKHEITSFALL – TEIL 3:
BUDDHISMUS, HUMANISMUS UND ATHEISMUS
Über Glauben und Nicht-Glauben in Österreich
In drei Sendungen gehen wir der Frage nach, mit welcher Haltung die großen Weltreligionen den
Themen Gesundheit, Krankheit und Sterben begegnen. Ist Krankheit eine Strafe, spendet der
Glaube Trost oder verspricht gar Heilung und ist Gesundheit ein Gut, das eigenverantwortlich
gepflegt werden muss?
In den ersten beiden Teilen unserer Serie „Glaube, Religion und Spiritualität im Krankheitsfall“
haben wir uns den katholischen und evangelischen Traditionen, sowie dem jüdischen und
muslimischen Glauben im Umgang mit Krankheit und Sterben gewidmet.
Auch fernöstliche Glaubensrichtungen werden hierzulande zunehmend populärer. Die
Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft ÖBR schätzte für das Jahr 2008 die Zahl der
"dem Buddhismus ernsthaft Nahestehenden" auf etwa 20.000 Menschen. Seit 1983 ist diese
Religion in Österreich gesetzlich anerkannt.
Zudem gibt es über eine Million Österreicherinnen und Österreicher, die sich keiner
Religionsgemeinschaft zugehörig fühlen. Die philosophische, diesseitsbezogene
Herangehensweise des Humanismus kann hier als Hilfe in schwierigen Lebenssituationen dienen.
Ein philosophisches Gespräch - weniger über Gott, mehr über die Welt - wird von der jungen, noch
experimentellen, Disziplin der „Klinikphilosophie“ angeboten.
Buddhismus in Krankheit und Tod
Geburt und Tod sind im Buddhismus nicht als Anfang und Ende zu sehen, vielmehr als Teil eines
immer wiederkehrenden Prozesses, an dessen Ende die Erleuchtung steht. Diese gilt als Ziel von
Buddhistinnen und Buddhisten und kann durch die Praxis der „Vier edlen Wahrheiten“ und des
damit verbundenen „Achtfachen Pfades“ erreicht werden.
Eine besondere pflegerische Betreuung ist für buddhistische Patientinnen und Patienten im
Krankenhaus nicht vonnöten. Es sollte jedoch die Möglichkeit zur Kontemplation und Meditation
gegeben sein.
Nach dem Sterben sieht der Buddhismus jedoch vor, den Leichnam eine Zeit lang in Ruhe zu
lassen und Manipulationen zu vermeiden, damit sich das Bewusstsein unbeschadet vom Körper
lösen kann. Seit 2005 gibt es für die Betreuung Schwerkranker das mobile Hospiz der
Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft, sowie einen buddhistischen Friedhof.
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
Die buddhistische Ethik, und die damit verbundenen Fragestellungen im Fall einer Krankheit, sind
in den fünf „Silas“ festgelegt. Die aktive Sterbehilfe ist im Buddhismus untersagt.
Humanismus im Krankenhaus
Der Humanismus ist eine nicht-religiöse Weltanschauung, die sich letztendlich auf die
abendländische Philosophie der Antike gründet. Sie orientiert sich an den Werten, den Interessen
und der Würde des einzelnen Menschen.
Dabei kommt den Begriffen der Autonomie und Selbstbestimmung gerade im Krankenhaus, auch
im Hinblick auf Diskussionen um ein menschenwürdiges Sterben, eine große Bedeutung zu.
Trost lässt sich gerade bei Menschen, die sich als Atheisten verstehen, vor allem im eigenen
Selbst finden. Hier kann Unterstützung in Form einer philosophischen Betreuung im Krankenhaus
durchaus auch Halt geben, wie eine Grazer Pilotstudie zu diesem Thema zeigt.
Auch dem medizinischen Personal kann die Beschäftigung mit der Philosophie ein Rüstzeug
geben, um selbst wieder als Mensch in Erscheinung zu treten und die Patientinnen und Patienten
nicht zum Objekt zu degradieren.
Dabei sind, hinsichtlich Selbstverantwortlichkeit und gegenwartsbezogener Herangehensweise,
durchaus Parallelen zwischen dem fernöstlichen Buddhismus und dem Humanismus zu
bemerken.
Weltreligionen in Österreich
Die letzte vollständige Volkszählung, zur Erhebung der Religionsgemeinschaften in Österreich aus
dem Jahr 2001 ergab:
73 Prozent Römisch-Katholisch
5 Prozent Evangelisch
4 Prozent Muslimisch
(Die aktuellsten Daten lieferte der Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) Anfang dieses Jahres.
Demnach leben derzeit insgesamt 515.914 Muslime in Österreich, was 6,2 Prozent der
Gesamtbevölkerung entspricht)
2 Prozent Griechisch-Orientalisch (orthodoxe Kirchen)
20.000 Personen sind aktive Mitglieder der Zeugen Jehovas. Den Hinduismus praktizieren
hierzulande rund 3600 Österreicherinnen und Österreicher.
Die israelitische Kultusgemeinde in Wien geht von rund 15.000 Juden in Österreich aus, ein
Großteil davon in der Bundeshauptstadt.
Buddhisten
Die Zahl der Buddhisten ist nicht genau erfasst. Die Österreichische Buddhistische
Religionsgesellschaft ÖBR schätzte für das Jahr 2008 die Zahl der " dem Buddhismus ernsthaft
Nahestehenden" auf etwa 20.000 Menschen.
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
Seit der staatlichen Anerkennung im Jahr 1983, in Form der Österreichischen buddhistischen
Religionsgesellschaft (ÖBR), existieren mittlerweile rund 50 Gruppen, die sich mit Buddhismus
auseinandersetzen (23 Orden, Dharmagruppen und buddhistische Institute aller Richtungen des
Buddhismus).
Keiner anerkannten Glaubensgemeinschaft angehörig
12 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher waren gemäß den Angaben der Statistik
Austria aus dem Jahr 2001 ohne religiöses Bekenntnis.
Durch die steigende Anzahl derer, die aus der römisch-katholischen Kirche austreten, liegt der
Prozentsatz heute deutlich darüber. Dies lässt jedoch natürlich keinen Rückschluss auf die
Religiosität dieser Gruppe zu.
Schätzungen zufolge könnte die Zahl der Personen ohne Glaubensbekenntnis, der Agnostiker und
Atheisten in Österreich zwischen 18 und 26 Prozent liegen.
Quellen:
Statistik Austria Volkszählung 2001
OTS Meldung des Integrationsfonds IFÖ 2/2010
ÖBR Österreichische Buddhistische Glaubensgesellschaft
Phil Zuckerman: „Atheism: Contemporary Rates and Patterns”.
Cambridge University Press, 2005
DER BUDDHISMUS
Der Buddhismus zählt zu den fünf großen Weltreligionen. Buddhist ist der, der sich als Buddhist
bezeichnet. Dabei gibt es eine große Toleranz anderen Religionen und Weltanschauungen
gegenüber. Oberstes Prinzip ist die Selbstverantwortlichkeit.
Er ist keine Glaubensreligion, kommt ohne Gotteskonzept und Dogmen aus, sondern sieht sich
vielmehr als Erkenntnisreligion. So liegt auch das Wesen des buddhistischen Weges nicht im
Glauben, sondern im Erkennen.
Buddha
Als Religionsgründer der weltweit viertgrößten Religion gilt Siddhartha Gautama. Er lebte
wahrscheinlich im 5. Jahrhundert v. Chr in Nordindien. Der Ehrentitel „Buddha“ kann mit
„Erwachter, Erleuchteter“ übersetzt werden.
Dabei gilt Buddha nicht als Gottheit, auch nicht als Prophet, der eine göttliche Botschaft
überbringt. Vielmehr erhielt er die Lehre Dharma (Sanskrit) nicht über eine Offenbarung, sondern
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
aufgrund der Meditation. Buddha selbst warnt laut den Überlieferungen vor einer dogmatischen
Befolgung seiner Lehre.
Die Lehre des Buddha umfasst über 84.000 Lehrreden. Sie sind als Erläuterungen zu den „Vier
Wahrheiten“ zu verstehen. Die Erkenntnis, nach dem Vorbild des historischen Buddhas durch
dessen Lehren zu erreichen, wird im Buddhismus angestrebt.
Es sollen dabei im Leben Extreme gemieden, vielmehr der „mittlere Weg“ eingeschlagen werden,
der „edle achtfache Pfad“.
Eine Glaubenskongregation, wie etwa im Christentum, gibt es nicht.
Unter den verschiedensten buddhistischen Schulen ist im Westen der Vajrayana als „tibetischer
Buddhismus“ bekannt. Im Gegensatz zu anderen Richtungen institutionalisiert gilt der Dalai
Lama als wichtige Autorität. Der direkten Weitergabe des Wissens von Lehrer zu Schüler wird ein
besonderer Wert beigemessen.
Karma und Samsara
„Karma“ wird oft als das sich erfüllende unabwendbare Schicksal fehlinterpretiert. Übersetzt
bedeutet es „Handeln, Wirken, Tun“. So setzt man aus der Sicht des Buddhismus Karma mit dem
Gesetz von Ursache und Wirkung gleich.
Jeder Handlung folgt eine Wirkung, die wiederum Ursache einer Handlung ist. Die kausalen
Zusammenhänge sind jedoch sehr komplex, sodass man nicht eine einzelne Wirkung auf eine
alleinige Ursache zurückführen kann. Vielmehr handelt es sich um eine Verkettung
verschiedenster Faktoren.
So bedeutet Karma nicht, einem vorbestimmten Schicksal ausgeliefert zu sein. Die karmische
Wirkung entsteht aus der Einstellung und der Absicht, mit der an eine Handlung herangegangen
wird. Damit ist jeder Mensch, nach Auffassung des Buddhismus, auch für seine Handlungen
verantwortlich. Wesentlich ist somit die positive Herangehensweise im Hier und Jetzt („heilsamer
Samen bringt nur heilsame Früchte“). Es gibt demnach, im Gegensatz zu anderen Religionen,
auch keine höhere Macht, die dem Menschen vergeben kann.
Demzufolge sind Gewaltfreiheit und Eigenverantwortlichkeit, Weisheit und Mitgefühl wesentliche
Aspekte des Buddhismus. Nichts existiert aus sich selbst, alles steht miteinander in Verbindung.
Dies bezeichnet der Buddhismus in einem seiner Grundkonzepte als „bedingtes Entstehen“
Solange der Kreislauf von Ursache und Wirkung bestehen, bleibt man auch im Kreislauf von
Werden und Vergehen. Selbst mit dem Tod manifestieren sich die karmischen Wirkungen in der
nächsten Existenz.
Dieser ständige Kreislauf wird „Samsara“ genannt. Nur durch die Erleuchtung, die Erkenntnis,
dass alles, auch das Selbst, eine von uns erzeugte Existenz ist, ist eine Befreiung aus diesem
Kreislauf, letztlich aus Tod und Wiedergeburt, möglich.
Nirwana
Buddha wird der Satz zugeschrieben: „Alles, was ich euch lehre, dient der Aufhebung des
Leidens.“ Die Erleuchtung, das Ziel der Buddhisten, kann durch die Praxis der „Vier edlen
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
Wahrheiten“ (und damit des „achtfachen Pfades“) erreicht werden, bis letztendlich die höchste
Verwirklichungsstufe, das Nirwana (Verwehen, Erlöschen) erreicht ist. Dabei handelt es sich um
keinen Ort, vielmehr um einen Zustand, unabhängig von Leben, Tod und Zeit.
Wer die Erleuchtung erreicht hat, ist unvoreingenommen, unbefangen, frei von allen begrifflichen
Vorstellungen, selbst frei von buddhistischen Vorstellungen wie Karma, Erleuchtung oder
Wiedergeburt.
Meditation
Mit Hilfe der Meditation und der Achtsamkeit lassen sich ein klarer Geist erreichen. Damit ist der
Mensch auf dem Weg zur Erleuchtung.
Die Achtsamkeit verhilft zum Begreifen, was genau jetzt, zu diesem Zeitpunkt geschieht. Die IchZentriertheit tritt zunehmend in den Hintergrund.
Von allen buddhistischen Schulen werden die „Meditation der Geistesruhe“ (Samadhi) und die
„Meditation der Klaren Einsicht“ (Vipassana) angewandt.
Quellen:
Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft
www.buddhismus-austria.at
Wikipedia zu Buddhismus
http://de.wikipedia.org/wiki/Buddhismus
Trost und Leid im Buddhismus
Im Buddhismus spricht man von den „vier edlen Wahrheiten“:
Das Leben ist leidvoll.
Die Ursachen dieses Leidens sind Gier, Hass und Verblendung.
Erlöschen die Ursachen, so erlischt das Leid.
Zum Erlöschen des Leidens führt der edle Achtfache Pfad.
Der achtfache Pfad setzt sich zusammen aus:
rechter Einsicht
rechtem Denken
rechter Rede
rechtem Handeln
rechter Lebensführung
rechtem Streben
rechter Achtsamkeit
rechter Versenkung
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
Die rechte Versenkung wiederum gliedert sich in vier Stufen, von der Erlangung der Ruhe, über
Freude und Glück, bis zur Wachsamkeit und zum Gleichmut. Auf der letzten Stufe ist die
erlösende Erkenntnis erreichbar. Durch die Meditation wird erkannt, dass konventionelle
Vorstellungen des „Ich“ nur Schein sind. Damit erlangt man Erlösung.
„Es geht dabei nicht um das Erdulden schwieriger Lebenssituationen, sondern um das positive
Annehmen“, so Dr. Fridolin Stögermayer vom mobilen Hospiz der ÖBR. „Je mehr es mir gelingt –
und dies ist der buddhistische Weg - meinen eigenen Egoismus und die eigene Selbsterhöhung in
den Griff zu bekommen, desto weniger werde ich in leidhafte Prozesse geraten.“
Quelle:
Theravada Schule der ÖBR
www.theravada-buddhismus.at
BUDDHISTISCHE ETHIK
Aktive Sterbehilfe ist im Buddhismus untersagt. Denn es gilt grundsätzlich das Verbot zu Töten.
Zudem beruht dieses Verlangen auf der nach buddhistischer Sicht irrigen Ansicht, dass mit
diesem Tötungsakt das „Karma – Wiedergeburt –Prinzip“ aufgehoben werden könnte. „Wenn
Leiden eine karmische Ursache hat, wird es seinen Weg durchlaufen, bis sich die karmische
Energie erschöpft hat“, so Stögermayer. Die Beendigung des Lebens unterbricht somit nur die
momentane karmische Wirkung, um in der nächsten Existenz wieder wirksam zu werden, bis sich
das schlechte Karma verbraucht hat.
Für buddhistische Nonnen und Mönche gibt es eine Vielzahl ethischer Regeln, die die
Laienanhänger dieser Glaubensrichtung ebenfalls befolgen können. Zur Entwicklung von
Sittlichkeit (Pali Sila) kommen fünf Tugendregeln (Silas) zur Anwendung. Sie ähneln in gewisser
Hinsicht den christlichen 10 Geboten, sind jedoch nicht als Gesetze zu verstehen, sondern
vielmehr als Orientierungspunkte, mit denen sich die Übenden ein Leben lang auseinandersetzen.
Silas - Die fünf buddhistischen Ethikregeln
Ich verspreche, mich darin zu üben, keine fühlenden Wesen zu töten oder zu verletzen!
Ich verspreche, mich darin zu üben, mir nicht Gegebenes nicht zu nehmen!
Ich verspreche, mich darin zu üben, meine Sinne verantwortungsbewusst zu gebrauchen und
durch sexuelles Fehlverhalten niemandem zu schaden!
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
Ich verspreche, mich darin zu üben, meine Worte achtsam zu gebrauchen und auf die Wirkung
meiner Rede zu achten!
Ich verspreche, mich darin zu üben, meinen bereits getrübten Geist nicht durch berauschende
Mittel weiter zu verblenden!
Eine andere Haltung bezieht die buddhistische Medizinethik zur indirekten Sterbehilfe durch
Unterbrechung lebensnotwendiger Maßnahmen:
„Wenn einer, der erkrankt ist, aufhört, Nahrung zu sich zu nehmen, obwohl Medizin und
Betreuung zur Verfügung stehen, dann begeht er eine kleinere Verfehlung. Aber wenn einer an
einer schweren Krankheit leidet und sein Leben auch mit intensiver Betreuung nicht verlängert
werden kann, ist es legitim, Nahrungs- und Medizingabe einzustellen“.
Die Gabe von starken Schmerzmitteln wird als legitim gesehen, solange die Absicht der Betreuer
auf Linderung des Leidens, nicht aber auf den vorzeitigen Tod ausgerichtet bleibt. Die
Betreuenden müssen sich dabei über die Motivation ihres Handelns völlig im Klaren sein.
Quellen:
Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft
www.buddhismus-austria.at
Wikipedia zu den „Fünf Silas“
http://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BCnf_Silas
Interdisziplinäre Palliativ-Projektgruppe Hanus Krankenhaus Wien, Wiener Gebietskrankenkasse
2009
BUDDHISTISCHE RITUALE AM LEBENSENDE
Geburt und Tod sind im Buddhismus kein Anfang und kein Ende. So geht es, laut Dr. Fridolin
Stögermayer, für Buddhistinnen und Buddhisten am Lebensende eher um die Frage: „Wie geht es
weiter?“. Denn letztendlich stellt auch der Tod eine Illusion dar, durch die Energie des eigenen
Karmas genährt. Diese Energie geht in die nächsten Lebenszyklen über.
So ist Trost im Buddhismus etwas Relatives. „Sterbende Menschen können den Hinterbliebenen
unglaubliche Kraft fürs Leben geben. Die Kraft der Reue hat in sich eine reinigende Wirkung“, so
Stögermayer.
Die Umgebung der Sterbenden im Krankenhaus sollte derart gestaltet sein, dass ihnen ein
„geistiger Rückzug aus dieser Welt, der im schrittweisen Loslassen auch von den nächsten
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
Angehörigen besteht, möglich ist. Sterbende sollten einen befriedeten, gleichmütigen und
losgelösten Bewusstseinszustand erreichen.“
Bestimmte Rituale sind nur in einigen Richtungen üblich, wie etwa beim tibetischen Buddhismus,
wo aus dem tibetischen Totenbuch gelesen wird.
Nach Eintritt des Todes soll der Leichnam in Ruhe liegen bleiben. Jede Manipulation ist zu
vermeiden.
Denn nach buddhistischer Auffassung benötigt das „Bewusstsein“ einige Zeit, um sich aus dem
Körper zu lösen. Diese sensible Zeit sollte nicht gestört werden. Über die Dauer dieser Phase gibt
es, je nach Kulturkreis, unterschiedliche Auffassungen. Sie kann, wie etwa in Sri Lanka, bis zu drei
Tage dauern.
Hierzulande sollten die Verstorbenen im Krankenhaus zumindest eine Stunde unberührt liegen,
bevor irgendwelche Handlungen an der Leiche vorgenommen werden.
Die Obduktion stellt nach dieser Phase kein Problem dar.
Die Bestattung kann durch Kremation oder normale Erdbestattung erfolgen. Ein eigener
buddhistischer Friedhof steht seit 2005 in Wien zur Verfügung.
Quellen:
Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft
www.buddhismus-austria.at
Interdisziplinäre Palliativ-Projektgruppe Hanus Krankenhaus Wien, Wiener Gebietskrankenkasse
2009
BUDDHISMUS IN ÖSTERREICH
Die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft schätzt die Zahl jener Personen, die dem
Buddhismus nahe stehen, auf rund 20.000 Menschen.
Als Geburtsstunde des Buddhismus in Österreich wird das Jahr 1949 angegeben. Damals wurde
die „buddhistische Gesellschaft Wien“ gegründet.
Dennoch reichen die Anfänge des heimischen Buddhismus weiter zurück. Als einer der ersten
Anhänger gilt Karl Eugen Neumann (1865 - 1915), der bereits mit 19 Jahren Buddhist geworden
war. Inspiriert von Arthur Schopenhauer und Richard Wagner, die sich mit der buddhistischen
Denkweise beschäftigten, widmete er sein Leben der Übersetzung der buddhistischen
Originaltexte aus dem Pali-Kanon, der Sammlung der Lehrreden des Religionsgründers Buddha
Siddharta Gautama.
Seit 1983 ist der Buddhismus eine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft. Damit war
Österreich das erste europäische Land, das diese Religion anerkannt hat.
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
Ein eigener „westlicher Buddhismus“ existiert (noch) nicht, sodass hierzulande die
unterschiedlichen buddhistischen Traditionen Asiens aufeinander treffen. Die verschiedenen
Richtungen sind gleichwertig unter dem Dach der Österreichischen Buddhistischen
Religionsgesellschaft vereint.
Buddhistischer Friedhof in Wien
Seit dem Jahr 2005 existiert auf dem Wiener Zentralfriedhof ein buddhistischer Friedhof.
So können die Menschen ihrer Weltanschauung und ihrem religiösem Empfinden gemäß beerdigt
werden. Aufgrund der wachsenden Zahl an Buddhistinnen und Buddhisten, vor allem in der
Bundeshauptstadt, wurde der Friedhof von der Österreichischen Buddhistischen
Religionsgesellschaft angelegt und wird seither auch entsprechend betreut.
Ein Friedhof stellt aus der Sicht des Buddhismus einen Ort dar, um sich alles „bedingt
Entstandene“, also all das, was vergänglich ist, bewusst zu machen.
Die spezifisch buddhistische Symbolik soll ein Ort der Besinnung und der Kontemplation sein.
Das Zentrum bildet ein Sakralbau, die Stupa, die Gräbergruppen sind wie ein achtspeichiges Rad
rundherum angeordnet. Sie symbolisieren den achtfachen buddhistischen Weg. Zwölf darum
angeordnete Steine stehen für die zwölf Ursachen des „bedingten Entstehens“ und damit der
Wiedergeburt. Die Anordnung der Gartenanlage soll auf die universellen Gesetzmäßigkeiten des
Daseins hinweisen.
„Die Einzigartigkeit jedes menschlichen Lebens wird damit in den universellen Kontext der
Bedingtheit und Vergänglichkeit aller Dinge gestellt, eine Kernbotschaft der Lehre des Buddha.
Damit verbunden ist die Ermutigung, das Leben zu nutzen, um Mitgefühl mit allen fühlenden
Wesen zu praktizieren und Weisheit zu üben.“ So beschreibt die ÖBR die Grundgedanken der
Gestaltung.
Der Friedhof soll den Hinterbliebenen Trost, Zuversicht, Ruhe und Klarheit für den Lebensweg
geben.
Mobiles Hospiz der Buddhistischen Religionsgesellschaft
In Österreich haben Buddhistinnen und Buddhisten im Herbst 2005 die Gründung eines Mobilen
Hospizes zur Begleitung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase beschlossen.
Hier werden nicht nur Buddhisten betreut, sondern Patientinnen und Patienten aller
Konfessionen. Viele Mitarbeiter arbeiten auch in anderen Institutionen, wie der Caritas oder auf
Palliativstationen. Umgekehrt haben viele Mitarbeiter nichts mit dem Buddhismus zu tun,
sondern absolvieren hier die Ausbildung.
Das mobile Hospiz bietet eine rein psychische oder auch spirituelle Betreuung an, keine
Palliativmedizin. „Dies würde unseren Rahmen sprengen“, erklärt der Obmann des Hospizes Dr.
Fridolin Stögermayer. Das Gespräch steht im Vordergrund, „wir sind für alle da, die uns haben
wollen.“
Seit 2007 bietet das Mobile Hospiz der ÖBR Seminare zur Sterbebegleitung an.
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
Dazu das Selbstverständnis des Hospizes:
„Buddhas Weg verbindet meditative Einsicht in die Wirklichkeit und großes Mitgefühl mit allen
Wesen. Diese Lebens- und Sterbebegleitung ist in der buddhistischen Tradition und Lehre
verankert. Liebe, Mitgefühl, Weisheit und Achtsamkeit sind Grundlagen buddhistischer Praxis.“
Grundlage ist der sogenannte „engagierte Buddhismus“, eine auf buddhistischen Grundsätzen
beruhende soziale oder karitative praktische Tätigkeit.
Quelle:
Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft
www.buddhismus-austria.at
Mobiles Hospiz der Österreichischen Buddhistischen Religionsgemeinschaft
www.hospiz-oebr.at
DER HUMANISMUS
Der Humanismus ist eine nicht-religiöse Weltanschauung, die sich letztendlich auf die
abendländische Philosophie der Antike gründet. Sie orientiert sich an den Werten, den Interessen
und der Würde des einzelnen Menschen.
Den Begriffen der Autonomie und Selbstbestimmung kommt gerade im Krankenhaus hinsichtlich
der Diskussionen um ein menschenwürdiges Sterben, große Bedeutung zu.
Toleranz, Gewaltfreiheit und Gewissensfreiheit gelten im Humanismus als wesentliche Prinzipien.
Naturgemäß gilt es, das „Diesseits“ zu verwirklichen, frei von „höheren Mächten" oder
Gottheiten.
Es existiert eine Vielzahl humanistischer Strömungen, deren Gemeinsamkeit die
Konfessionsfreiheit darstellt: Atheisten, Agnostiker oder Freidenker finden sich hier.
Im weltlichen Humanismus geht es nicht nur um die philosophische Weltanschauung, sondern
um die praktische Umsetzung. Gerade im Bereich medizinethischer Fragestellungen, etwa zu
Patientenverfügungen oder Sterbehilfe nimmt die Philosophie meist eine sehr deutliche Haltung
in Richtung einer weitgehenden Selbstbestimmtheit des Individuums ein. Vergebung oder Trost
findet der Mensch nur in sich selbst.
Mancherorts vermutet man, aufgrund der Omnipräsenz einer Betreuung von Kranken durch
kirchliche Institutionen, eine Diskriminierung humanistischer Bedürfnisse.
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
Obwohl sich viele humanistische Gruppen deutlich von Religionsgemeinschaften distanzieren,
findet sich in den verschiedenen Glaubensrichtungen eine Reihe von Elementen des
Humanismus.
Quellen:
Humanistischer Verband Deutschlands
www.hvd-nuernberg.de
Monika Wogrolly, Artikel zur philosophischen Praxis
http://www.information-philosophie.de/?a=1&t=591&n=2&y=1&c=59
GEMEINSAMKEITEN VON HUMANISMUS UND
BUDDHISMUS
Exemplarisch lassen sich einige Schnittpunkte zwischen der humanistischen Weltanschauung
und dem Buddhismus festmachen:
Gelassenheit
Gegenwartsbezogenheit
diesseitsbezogenes Denken
Verantwortlichkeit des Individuums, die nicht an eine „höhere Macht“, einen Gott abgegeben
wird
Nach dem Wiener Internisten und Philosophen Karl Hermann Spitzy ist, basierend auf Emanuel
Kant, „Zeit nur eine Kategorie menschlichen Denkens“. Wie im Buddhismus lösen sich die
Begrifflichkeiten mit zunehmender Erkenntnis auf.
ATHEISMUS
Die Auffassung, es gäbe keinen Gott, wurde in unseren Breiten erst mit der Zeit der Aufklärung
allmählich „salonfähig“.
Die moderne Medizin bedient sich seit der Zeit der Aufklärung der Naturwissenschaften und ihrer
Methoden. Diese kommen ohne die Arbeitshypothese „Gott“ aus. Sie können auch Krankheit und
Gesundheit erklären, ohne sich auf das Eingreifen einer höheren Macht berufen zu müssen - „etsi
Deus non daretur“ („gültig sogar, wenn es Gott nicht gäbe“).
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
Selbst Atheisten glauben…
Letztlich sind auch jene Menschen, die davon überzeugt sind, dass es kein Leben nach dem Tod,
keine Erlösung gibt, sondern schlicht „alles zu Ende“ ist, zu Gesprächen mit
Krankenhausseelsorgern bereit.
Laut der Religionskritik Sigmund Freuds regrediert der Mensch in der Religion zum Kind, gibt die
Verantwortlichkeit an eine höhere Instanz ab. Doch selbst der große Wiener Psychoanalytiker, der
auch nicht an ein Leben nach dem Tod geglaubt hat, bemerkte einmal, er habe auf empirischem
Weg, in seiner psychoanalytischen Praxis herausgefunden, dass jeder Mensch im Tiefsten von
seiner eigenen Unsterblichkeit überzeugt ist. Dies, so fügte er hinzu, sei natürlich kein Beweis
dafür, dass es eine solche Unsterblichkeit auch wirklich gäbe.
Auf den Anspruch, zwingend beweisbar zu sein, muss der Atheismus in der Tat verzichten. Als
philosophische Gesamtdeutung der Welt ist er so unbeweisbar, wie jede andere Aussage über die
Welt als Ganze unbeweisbar ist.
Dabei werden auch Atheisten von anderen Religionsgemeinschaften vereinnahmt, wie der
Kirchenkritiker DDr. Joachim Kahl erläutert: „Auf den fluchbedrohten Vorwurf des Unglaubens
wird in diesem Zusammenhang gerne verzichtet, so dass Religiosität als unentrinnbare
anthropologische Struktur erscheint: Auch du, Atheist, bist ein Gläubiger! Deine Religion ist eben
der Atheismus.“
Dabei kennt, so Kahl, undogmatischer, skeptischer Atheismus „keine Heilsgewissheit, freilich
auch keine Unheilsgewissheit, sondern sinnt - nüchtern und der Erde treu - auf ein
menschenwürdiges Leben diesseits von „Himmel“ und „Hölle“. Statt auf Erlösung zu hoffen,
arbeiten Atheisten „nur“ mit an der Befreiung. Das Höchste, was sie kennen, ist Glück im
Unglück, das es mit Anstand und Humor zu meistern gilt.“
Quellen:
Ulrich Körtner „Spiritualität im Krankenhaus“
http://ecards.orf.at/koertner/152847.html
Joachim Kahl in der Zeitschrift „diesseits“ (Ausgabe 4; 1999)
www.humanismus.de/node/282
KLINIKPHILOSOPHIE –
PHILOSOPHISCHE KRANKENHAUS-SEELSORGE
Der Begriff einer Philosophischen Seelsorge wurde vom Berliner Philosophen Wilhelm Schmid
geprägt.
„Philosophischer Berater bin ich nicht, aber philosophischer Seelsorger. So nenne ich das selbst,
wissend woher die Seelsorge ursprünglich kommt, nämlich aus der antiken Philosophie, von
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
Sokrates. Im Griechischen war das "epimilleates psyches" die Sorge, die sich auf die Seele
richtet. Das ist eine Begegnung zwischen zwei Menschen. Ich bin genauso Ratsuchender wie
derjenige, der mir gegenüber sitzt, und ich weiß genauso viel Rat wie der, der mir gegenüber sitzt.
Und so beraten wir uns allenfalls gegenseitig, so könnte man sagen. Ein Gespräch ist dann
besonders gelungen, wenn beide Seiten nach dem Gespräch das Gefühl haben, klüger geworden
zu sein. Und das geschieht nach meiner Erfahrung, ich mache das nun seit fast sieben Jahren
regelmäßig“, so Schmid in einem Interview in der Sendereihe "Studiozeit" des Deutschlandfunk
Köln 2004.
Die Klinikphilosophie ist ein sehr junges Gebiet. Daher beschränkt sich die praktische
Anwendung eher auf Einzelinitiativen und kann nicht auf etablierte Strukturen zurückgreifen, wie
kirchliche Gemeinschaften.
„Es gibt zwar Philosophen im Klinikbereich, die jedoch eher als Ethiker normativ arbeiten“. Das
bedeutet, sie erstellen Grundlagen, auf deren Basis ethische Entscheidungen getroffen werden
können. Eine direkte Betreuung am Krankenbett gibt es kaum“, erläutert Dr. Monika Wogrolly. Sie
arbeitet in Graz als Klinikphilosophin. Seit 1998 wird dieses Projekt über die Grazer Universität
für Medizinische Psychologie verwirklicht.
Große Bedeutung in diesem Bereich kommt natürlich auch Viktor Frankl mit seiner auf Jaspers
bezogenen Existenzanalyse und der Entwicklung der Logotherapie, der Suche nach dem Sinn –
auch im Angesicht des Todes – zu: „Ein Logotherapeut kann also nicht einem Patienten sagen,
was der Sinn seines Lebens ist. Sehr wohl aber, und das ist nicht zu unterschätzen, kann er dem
Menschen zeigen und die Tatsache aufleuchten lassen, dass das Leben einen Sinn hat, und zwar
einen Sinn, den es auch in den extremsten Situationen und bis zuletzt, bis zum letzten Atemzug,
behält" (Viktor E. Frankl, „Gesammelte Werke“, Bd. II, Böhlau Verlag 2006, S. 287.)
Was geschieht beim philosophischen Gespräch?
„Ich trete gleich wie Kolleginnen, die Medizinerinnen sind, ans Krankenbett. Die Menschen sind
von meiner Vorstellung als Philosophin zuerst verblüfft, wobei es für manche aber keine Rolle
spielt, wer die Person im weißen Kittel vor ihm tatsächlich ist“, erklärt Wogrolly.
Der Patient, aber auch der Arzt bzw. Philosoph als Dialogpartner findet Raum, um sich den Luxus
des Nachdenkens zu erlauben. Auch längeres Schweigen kann im Rahmen von solchen
Begegnungen durchaus produktiv sein.
Nach Sokrates soll der Mensch im Zwiegespräch mit dem Philosophen eigenständig zur Wahrheit
kommen. Im Krankenhaus sei es, so Monika Wogrolly, würden die Patientinnen und Patienten
jedoch in der Regel die Meinung einer (philosophischen) Autorität erwarten.
Philosophie für Ärzte
Auch für das medizinische Personal wäre es ratsam, sich wieder mehr mit der Thematik zu
beschäftigen. Die Philosophie kann dem Arzt/der Ärztin ein Rüstzeug geben, um selbst wieder als
Mensch in Erscheinung zu treten, um mit den Patienten zum bestmöglichen Heilungserfolg
zusammen zu wirken.
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
Philosophie und Medizin bildeten nicht von jeher einen Widerspruch, sondern gehörten
zusammen und ergänzten einander. Bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete die
Philosophie einen nicht wegzudenkenden Bestandteil der Ausbildung der Mediziner.
Heute kommt die Philosophie im Medizinstudium nur am Rande vor. So werden Patientinnen und
Patienten oft lediglich als zu behandelnde Objekte gesehen, eine aktive Rolle wird ihnen selten
zugedacht.
Der Mediziner und Philosoph Karl Hermann Spitzy ist jedoch der Auffassung, dass ein Arzt immer
auch Philosoph sein muss und objektive Befunde allein nicht zur kreativen Erstellung und
Erfassung des Krankheitsbildes ausreichen würden. Dabei könne der gewünschte optimale
Heilungserfolg erst durch ein „subjektorientiertes, dialogisches Arzt-Patienten-Verhältnis“
erreicht werden.
Die Ärztliche Dialogik lautet, wie der Philosoph und Medizinethiker Peter Kampits erklärt: „Die
Beziehung zu dem als Du gedachten Anderen ermöglicht überhaupt erst die Ich-Werdung.“ Das
bedeutet: Erst der Patient in seinem Sein und Tun macht den Arzt aus.
Quellen:
Interview mit Wilhelm Schmid in der Sendung „Studiozeit“ des Deutschlandfunk Köln, gesendet
am 25.11.2004, 20 Uhr
Monika Wogrolly, Artikel zur philosophischen Praxis
http://www.information-philosophie.de/?a=1&t=591&n=2&y=1&c=59
Viktor Frankl, „Gesammelte Werke“, Bd. II, Böhlau Verlag 2006
Philosophie im Klinikum - Ein Grazer Projekt
Die von Gerhard F. Walter unterstützte Pilotstudie unter der Leitung von Walter Pieringer und in
Kooperation mit Peter Kampits, läuft seit Oktober 2005.
Die Pilotstudie geht von der These aus, dass eine rein naturwissenschaftlich orientierte
Organmedizin dem Menschen nicht gerecht werden könne.
Ärztinnen und Ärzte fänden zudem keinen Sinn darin, nur auf die Erhaltung des biologischen
Lebens konzentriert zu sein, ohne Aspekte der Person und des Daseins mit seinen Sinn-, Wertund Bedeutungsaspekten gerade beim Krank-Sein in Diagnosestellung und Behandlung
einzubeziehen.
Thesen des Harvard-Professors und Friedensnobelpreisträgers Bernard Lown (Lown, „Die
verlorene Kunst des Heilens“):
Ärzte nehmen den Patienten zu wenig als sprechendes Subjekt wahr.
Ärzte maximieren Untersuchungen entgegen ihrer klinischen Evidenz.
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS
Ärzte schätzen ihre persönliche/subjektive Wahrnehmung gering.
Im Mai 2007 wurde, basierend auf den Erfahrungen aus der Studie, mit dem direkt am
Krankenbett angewandten philosophischen Gespräch, der erste Jour fixe der Arbeitsgemeinschaft
Philosophie in der Medizin abgehalten.
Der Verein ARGE PHILMED wurde 2010 gegründet, um philosophische Fragen der Medizin
praxisbezogen diskutieren.
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ANLAUFSTELLEN
ANLAUFSTELLEN
Mobiles Hospiz der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft
Koordinator: DSA Mag. Thomas Fröhlich
Fleischmarkt 16
A-1010 Wien
Tel.: +43/650/523 38 03
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.hospiz-oebr.at
Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft (ÖBR)
Fleischmarkt 16
A-1010 Wien
Tel.:+43/1/512 37 19
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.buddhismus-austria.at
Dachverband von Palliativ- und Hospizeinrichtungen in Österreich
Argentinierstraße 2/3
A-1040 Wien
Tel.: +43/1/803 98 68
Fax: +43/1/803 25 80
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.hospiz.at
Links zu humanistischen Organisationen - International Humanist and Ethical
Union
http://www.iheu.org/
Humanistischer Verband Deutschlands
http://www.hvd-nuernberg.de/
RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT
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BUCHTIPPS
BUCHTIPPS
Sogyal Rinpoche
Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben.
Ein Schlüssel zum tieferen Verständnis von Leben und Tod
Verlag Fischer 2004
ISBN-13: 978-3596160990
Rodney Smith
Die innere Kunst des Lebens und des Sterbens: Ein Ratgeber zum Umgang mit dem Tod
Verlag dtv 2008
ISBN-13: 978-3423345187
Monika Wogrolly-Domej
Abbilder Gottes. Demente, Komatöse, Hirntote
Verlag: Styria 2004
ISBN-13: 978-3222131509
Karl Hermann Spitzy, Eugen Maria Schulak
Wenn Ärzte nach der Weisheit suchen. Ein Dialog zwischen Medizin und Philosophie
Verlag Kremayr & Scheriau 2004
ISBN-13: 978-3218007375
Wilhelm Schmid
Philosophie der Lebenskunst
Verlag Suhrkamp TB Wissenschaft 1998
ISBN-13: 978-3518289853
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QUELLEN UND LINKS
QUELLEN UND LINKS
ÖBR Österreichische Buddhistische Glaubensgesellschaft
www.buddhismus-austria.at
Theravada Schule der ÖBR
www.theravada-buddhismus.at
Mobiles Hospiz der Österreichischen Buddhistischen Religionsgemeinschaft
www.hospiz-oebr.at
Monika Wogrolly, Artikel zur philosophischen Praxis
http://www.information-philosophie.de/?a=1&t=591&n=2&y=1&c=59
Ulrich Körtner: „Spiritualität im Krankenhaus“
http://ecards.orf.at/koertner/152847.html
Interdisziplinäre Palliativ-Projektgruppe Hanus Krankenhaus Wien, Wiener Gebietskrankenkasse
2009
Humanistischer Verband Deutschlands
www.hvd-nuernberg.de
Joachim Kahl in der Zeitschrift „diesseits“ (Ausgabe 4; 1999)
www.humanismus.de/node/282
Viktor Frankl
Gesammelte Werke, Bd. II
(Hrsg.: Alexander Batthyany)
Böhlau Verlag 2006
Interview mit Wilhelm Schmid in der Sendung „Studiozeit“ des Deutschlandfunk Köln, gesendet
am 25.11.2004, 20 Uhr
Phil Zuckerman
Atheism: Contemporary Rates and Patterns
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QUELLEN UND LINKS
Cambridge University Press, 2005
Statistik Austria Volkszählung 2001
OTS Meldung des Integrationsfonds IFÖ 2/2010
Wikipedia zu Buddhismus
http://de.wikipedia.org/wiki/Buddhismus
Wikipedia zu den „Fünf Silas“
http://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BCnf_Silas
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SENDUNGSGÄSTE
SENDUNGSGÄSTE
In der Sendung Radiodoktor – Medizin und Gesundheit vom 5. Juli 2010 waren zu
Gast:
em. Prim. Dr. Fridolin Stögermayer
Facharzt für Urologie
em. Vorstand der Urologie-Ambulanz am Hanusch Krankenhaus Wien
Obmann des mobilen Hospizes der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft
Fleischmarkt 16
A-1010 Wien
Tel.: +43/664/123 68 48
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.hospiz-oebr.at
Mag.a.Dr. Monika Wogrolly
Klinische Philosophin, Psychotherapeutin in Ausbildung, Autorin, Herausgeberin
Living Culture KG
Sparbersbachgasse 55/24
A-8010 Graz
Tel.: +43/664/5037740
E-Mail: [email protected]
Homepage: http://www.living-culture.at
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