RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT Die Sendung Die Sendereihe „Der Radiodoktor“ ist seit 1990 das Flaggschiff der Gesundheitsberichterstattung von Ö1. Jeden Montag von 14.20 bis 15.00 Uhr werden interessante medizinische Themen in klarer informativer Form aufgearbeitet und Ö1- Hörerinnen und -Hörer haben die Möglichkeit, telefonisch Fragen an das hochrangige Expertenteam im Studio zu stellen. Wir über uns Seit September 2004 moderieren Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz, Univ.-Prof. Dr. Karin GutiérrezLobos, Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger und Dr. Christoph Leprich die Sendung. Das Redaktionsteam besteht aus Walter Gerischer-Landrock, Mag. Nora Kirchschlager, Dr. Doris Simhofer, Dr. Ronny Tekal-Teutscher und Dr. Christoph Leprich. Das Service Seit dem 3. Oktober 1994 gibt es das, die Sendereihe flankierende, Hörerservice, das auf größtes Interesse gestoßen ist. Unter der Wiener Telefonnummer 50 100 ist „Der Radiodoktor“ mit Kurzinformationen zur aktuellen Sendung die ganze Woche per Tonband abrufbar. Die zu jeder Sendung gestaltete Infomappe mit ausführlichen Hintergrundinformationen, Buchtipps und Anlaufstellen komplettiert das Service und stellt in der Fülle der behandelten Themen eigentlich bereits ein kleines Medizin-Lexikon für den Laien dar. Die Partner Ermöglicht wird die Radiodoktor-Serviceleiste durch unsere Partner: das Gesundheitsressort der Stadt Wien und die Österreichische Apothekerkammer. An dieser Stelle wollen wir uns ganz herzlich bei unseren Partnern für die Zusammenarbeit der letzten Jahre bedanken! Wir bitten um Verständnis, dass wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit in dieser Infomappe zumeist auf die weiblichen Endungen, wie z.B. PatientInnen, ÄrztInnen etc. verzichtet haben. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 1 GLAUBE, RELIGION UND SPIRITUALITÄT IM KRANKHEITSFALL – TEIL 3: BUDDHISMUS, HUMANISMUS UND ATHEISMUS Mit Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz 5. Juli 2010, 14.03 Uhr, Ö1 Redaktion und Infomappe: Dr. Ronny Tekal-Teutscher RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 2 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS INHALTSVERZEICHNIS GLAUBE, RELIGION UND SPIRITUALITÄT IM KRANKHEITSFALL – TEIL 3: BUDDHISMUS, HUMANISMUS UND ATHEISMUS Über Glauben und Nicht-Glauben in Österreich Buddhismus in Krankheit und Tod Humanismus im Krankenhaus Weltreligionen in Österreich Buddhisten Keiner anerkannten Glaubensgemeinschaft angehörig Der Buddhismus Buddha Karma und Samsara Nirwana Meditation Trost und Leid im Buddhismus 5 5 6 6 6 7 7 7 8 8 9 9 Buddhistische Ethik Silas - Die fünf buddhistischen Ethikregeln 10 10 Buddhistische Rituale am Lebensende 11 Buddhismus in Österreich Buddhistischer Friedhof in Wien Mobiles Hospiz der Buddhistischen Religionsgesellschaft 12 13 13 Der Humanismus 14 Gemeinsamkeiten von Humansimus und Buddhismus 15 Atheismus Selbst Atheisten glauben… 15 16 Klinikphilosophie –Philosophische Krankenhaus-Seelsorge 16 RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 3 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS Was geschieht beim philosophischen Gespräch? Philosophie für Ärzte Philosophie im Klinikum - Ein Grazer Projekt ANLAUFSTELLEN BUCHTIPPS QUELLEN UND LINKS SENDUNGSGÄSTE RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 17 17 18 20 21 22 24 4 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS GLAUBE, RELIGION UND SPIRITUALITÄT IM KRANKHEITSFALL – TEIL 3: BUDDHISMUS, HUMANISMUS UND ATHEISMUS Über Glauben und Nicht-Glauben in Österreich In drei Sendungen gehen wir der Frage nach, mit welcher Haltung die großen Weltreligionen den Themen Gesundheit, Krankheit und Sterben begegnen. Ist Krankheit eine Strafe, spendet der Glaube Trost oder verspricht gar Heilung und ist Gesundheit ein Gut, das eigenverantwortlich gepflegt werden muss? In den ersten beiden Teilen unserer Serie „Glaube, Religion und Spiritualität im Krankheitsfall“ haben wir uns den katholischen und evangelischen Traditionen, sowie dem jüdischen und muslimischen Glauben im Umgang mit Krankheit und Sterben gewidmet. Auch fernöstliche Glaubensrichtungen werden hierzulande zunehmend populärer. Die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft ÖBR schätzte für das Jahr 2008 die Zahl der "dem Buddhismus ernsthaft Nahestehenden" auf etwa 20.000 Menschen. Seit 1983 ist diese Religion in Österreich gesetzlich anerkannt. Zudem gibt es über eine Million Österreicherinnen und Österreicher, die sich keiner Religionsgemeinschaft zugehörig fühlen. Die philosophische, diesseitsbezogene Herangehensweise des Humanismus kann hier als Hilfe in schwierigen Lebenssituationen dienen. Ein philosophisches Gespräch - weniger über Gott, mehr über die Welt - wird von der jungen, noch experimentellen, Disziplin der „Klinikphilosophie“ angeboten. Buddhismus in Krankheit und Tod Geburt und Tod sind im Buddhismus nicht als Anfang und Ende zu sehen, vielmehr als Teil eines immer wiederkehrenden Prozesses, an dessen Ende die Erleuchtung steht. Diese gilt als Ziel von Buddhistinnen und Buddhisten und kann durch die Praxis der „Vier edlen Wahrheiten“ und des damit verbundenen „Achtfachen Pfades“ erreicht werden. Eine besondere pflegerische Betreuung ist für buddhistische Patientinnen und Patienten im Krankenhaus nicht vonnöten. Es sollte jedoch die Möglichkeit zur Kontemplation und Meditation gegeben sein. Nach dem Sterben sieht der Buddhismus jedoch vor, den Leichnam eine Zeit lang in Ruhe zu lassen und Manipulationen zu vermeiden, damit sich das Bewusstsein unbeschadet vom Körper lösen kann. Seit 2005 gibt es für die Betreuung Schwerkranker das mobile Hospiz der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft, sowie einen buddhistischen Friedhof. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 5 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS Die buddhistische Ethik, und die damit verbundenen Fragestellungen im Fall einer Krankheit, sind in den fünf „Silas“ festgelegt. Die aktive Sterbehilfe ist im Buddhismus untersagt. Humanismus im Krankenhaus Der Humanismus ist eine nicht-religiöse Weltanschauung, die sich letztendlich auf die abendländische Philosophie der Antike gründet. Sie orientiert sich an den Werten, den Interessen und der Würde des einzelnen Menschen. Dabei kommt den Begriffen der Autonomie und Selbstbestimmung gerade im Krankenhaus, auch im Hinblick auf Diskussionen um ein menschenwürdiges Sterben, eine große Bedeutung zu. Trost lässt sich gerade bei Menschen, die sich als Atheisten verstehen, vor allem im eigenen Selbst finden. Hier kann Unterstützung in Form einer philosophischen Betreuung im Krankenhaus durchaus auch Halt geben, wie eine Grazer Pilotstudie zu diesem Thema zeigt. Auch dem medizinischen Personal kann die Beschäftigung mit der Philosophie ein Rüstzeug geben, um selbst wieder als Mensch in Erscheinung zu treten und die Patientinnen und Patienten nicht zum Objekt zu degradieren. Dabei sind, hinsichtlich Selbstverantwortlichkeit und gegenwartsbezogener Herangehensweise, durchaus Parallelen zwischen dem fernöstlichen Buddhismus und dem Humanismus zu bemerken. Weltreligionen in Österreich Die letzte vollständige Volkszählung, zur Erhebung der Religionsgemeinschaften in Österreich aus dem Jahr 2001 ergab: 73 Prozent Römisch-Katholisch 5 Prozent Evangelisch 4 Prozent Muslimisch (Die aktuellsten Daten lieferte der Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) Anfang dieses Jahres. Demnach leben derzeit insgesamt 515.914 Muslime in Österreich, was 6,2 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht) 2 Prozent Griechisch-Orientalisch (orthodoxe Kirchen) 20.000 Personen sind aktive Mitglieder der Zeugen Jehovas. Den Hinduismus praktizieren hierzulande rund 3600 Österreicherinnen und Österreicher. Die israelitische Kultusgemeinde in Wien geht von rund 15.000 Juden in Österreich aus, ein Großteil davon in der Bundeshauptstadt. Buddhisten Die Zahl der Buddhisten ist nicht genau erfasst. Die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft ÖBR schätzte für das Jahr 2008 die Zahl der " dem Buddhismus ernsthaft Nahestehenden" auf etwa 20.000 Menschen. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 6 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS Seit der staatlichen Anerkennung im Jahr 1983, in Form der Österreichischen buddhistischen Religionsgesellschaft (ÖBR), existieren mittlerweile rund 50 Gruppen, die sich mit Buddhismus auseinandersetzen (23 Orden, Dharmagruppen und buddhistische Institute aller Richtungen des Buddhismus). Keiner anerkannten Glaubensgemeinschaft angehörig 12 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher waren gemäß den Angaben der Statistik Austria aus dem Jahr 2001 ohne religiöses Bekenntnis. Durch die steigende Anzahl derer, die aus der römisch-katholischen Kirche austreten, liegt der Prozentsatz heute deutlich darüber. Dies lässt jedoch natürlich keinen Rückschluss auf die Religiosität dieser Gruppe zu. Schätzungen zufolge könnte die Zahl der Personen ohne Glaubensbekenntnis, der Agnostiker und Atheisten in Österreich zwischen 18 und 26 Prozent liegen. Quellen: Statistik Austria Volkszählung 2001 OTS Meldung des Integrationsfonds IFÖ 2/2010 ÖBR Österreichische Buddhistische Glaubensgesellschaft Phil Zuckerman: „Atheism: Contemporary Rates and Patterns”. Cambridge University Press, 2005 DER BUDDHISMUS Der Buddhismus zählt zu den fünf großen Weltreligionen. Buddhist ist der, der sich als Buddhist bezeichnet. Dabei gibt es eine große Toleranz anderen Religionen und Weltanschauungen gegenüber. Oberstes Prinzip ist die Selbstverantwortlichkeit. Er ist keine Glaubensreligion, kommt ohne Gotteskonzept und Dogmen aus, sondern sieht sich vielmehr als Erkenntnisreligion. So liegt auch das Wesen des buddhistischen Weges nicht im Glauben, sondern im Erkennen. Buddha Als Religionsgründer der weltweit viertgrößten Religion gilt Siddhartha Gautama. Er lebte wahrscheinlich im 5. Jahrhundert v. Chr in Nordindien. Der Ehrentitel „Buddha“ kann mit „Erwachter, Erleuchteter“ übersetzt werden. Dabei gilt Buddha nicht als Gottheit, auch nicht als Prophet, der eine göttliche Botschaft überbringt. Vielmehr erhielt er die Lehre Dharma (Sanskrit) nicht über eine Offenbarung, sondern RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 7 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS aufgrund der Meditation. Buddha selbst warnt laut den Überlieferungen vor einer dogmatischen Befolgung seiner Lehre. Die Lehre des Buddha umfasst über 84.000 Lehrreden. Sie sind als Erläuterungen zu den „Vier Wahrheiten“ zu verstehen. Die Erkenntnis, nach dem Vorbild des historischen Buddhas durch dessen Lehren zu erreichen, wird im Buddhismus angestrebt. Es sollen dabei im Leben Extreme gemieden, vielmehr der „mittlere Weg“ eingeschlagen werden, der „edle achtfache Pfad“. Eine Glaubenskongregation, wie etwa im Christentum, gibt es nicht. Unter den verschiedensten buddhistischen Schulen ist im Westen der Vajrayana als „tibetischer Buddhismus“ bekannt. Im Gegensatz zu anderen Richtungen institutionalisiert gilt der Dalai Lama als wichtige Autorität. Der direkten Weitergabe des Wissens von Lehrer zu Schüler wird ein besonderer Wert beigemessen. Karma und Samsara „Karma“ wird oft als das sich erfüllende unabwendbare Schicksal fehlinterpretiert. Übersetzt bedeutet es „Handeln, Wirken, Tun“. So setzt man aus der Sicht des Buddhismus Karma mit dem Gesetz von Ursache und Wirkung gleich. Jeder Handlung folgt eine Wirkung, die wiederum Ursache einer Handlung ist. Die kausalen Zusammenhänge sind jedoch sehr komplex, sodass man nicht eine einzelne Wirkung auf eine alleinige Ursache zurückführen kann. Vielmehr handelt es sich um eine Verkettung verschiedenster Faktoren. So bedeutet Karma nicht, einem vorbestimmten Schicksal ausgeliefert zu sein. Die karmische Wirkung entsteht aus der Einstellung und der Absicht, mit der an eine Handlung herangegangen wird. Damit ist jeder Mensch, nach Auffassung des Buddhismus, auch für seine Handlungen verantwortlich. Wesentlich ist somit die positive Herangehensweise im Hier und Jetzt („heilsamer Samen bringt nur heilsame Früchte“). Es gibt demnach, im Gegensatz zu anderen Religionen, auch keine höhere Macht, die dem Menschen vergeben kann. Demzufolge sind Gewaltfreiheit und Eigenverantwortlichkeit, Weisheit und Mitgefühl wesentliche Aspekte des Buddhismus. Nichts existiert aus sich selbst, alles steht miteinander in Verbindung. Dies bezeichnet der Buddhismus in einem seiner Grundkonzepte als „bedingtes Entstehen“ Solange der Kreislauf von Ursache und Wirkung bestehen, bleibt man auch im Kreislauf von Werden und Vergehen. Selbst mit dem Tod manifestieren sich die karmischen Wirkungen in der nächsten Existenz. Dieser ständige Kreislauf wird „Samsara“ genannt. Nur durch die Erleuchtung, die Erkenntnis, dass alles, auch das Selbst, eine von uns erzeugte Existenz ist, ist eine Befreiung aus diesem Kreislauf, letztlich aus Tod und Wiedergeburt, möglich. Nirwana Buddha wird der Satz zugeschrieben: „Alles, was ich euch lehre, dient der Aufhebung des Leidens.“ Die Erleuchtung, das Ziel der Buddhisten, kann durch die Praxis der „Vier edlen RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 8 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS Wahrheiten“ (und damit des „achtfachen Pfades“) erreicht werden, bis letztendlich die höchste Verwirklichungsstufe, das Nirwana (Verwehen, Erlöschen) erreicht ist. Dabei handelt es sich um keinen Ort, vielmehr um einen Zustand, unabhängig von Leben, Tod und Zeit. Wer die Erleuchtung erreicht hat, ist unvoreingenommen, unbefangen, frei von allen begrifflichen Vorstellungen, selbst frei von buddhistischen Vorstellungen wie Karma, Erleuchtung oder Wiedergeburt. Meditation Mit Hilfe der Meditation und der Achtsamkeit lassen sich ein klarer Geist erreichen. Damit ist der Mensch auf dem Weg zur Erleuchtung. Die Achtsamkeit verhilft zum Begreifen, was genau jetzt, zu diesem Zeitpunkt geschieht. Die IchZentriertheit tritt zunehmend in den Hintergrund. Von allen buddhistischen Schulen werden die „Meditation der Geistesruhe“ (Samadhi) und die „Meditation der Klaren Einsicht“ (Vipassana) angewandt. Quellen: Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft www.buddhismus-austria.at Wikipedia zu Buddhismus http://de.wikipedia.org/wiki/Buddhismus Trost und Leid im Buddhismus Im Buddhismus spricht man von den „vier edlen Wahrheiten“: Das Leben ist leidvoll. Die Ursachen dieses Leidens sind Gier, Hass und Verblendung. Erlöschen die Ursachen, so erlischt das Leid. Zum Erlöschen des Leidens führt der edle Achtfache Pfad. Der achtfache Pfad setzt sich zusammen aus: rechter Einsicht rechtem Denken rechter Rede rechtem Handeln rechter Lebensführung rechtem Streben rechter Achtsamkeit rechter Versenkung RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 9 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS Die rechte Versenkung wiederum gliedert sich in vier Stufen, von der Erlangung der Ruhe, über Freude und Glück, bis zur Wachsamkeit und zum Gleichmut. Auf der letzten Stufe ist die erlösende Erkenntnis erreichbar. Durch die Meditation wird erkannt, dass konventionelle Vorstellungen des „Ich“ nur Schein sind. Damit erlangt man Erlösung. „Es geht dabei nicht um das Erdulden schwieriger Lebenssituationen, sondern um das positive Annehmen“, so Dr. Fridolin Stögermayer vom mobilen Hospiz der ÖBR. „Je mehr es mir gelingt – und dies ist der buddhistische Weg - meinen eigenen Egoismus und die eigene Selbsterhöhung in den Griff zu bekommen, desto weniger werde ich in leidhafte Prozesse geraten.“ Quelle: Theravada Schule der ÖBR www.theravada-buddhismus.at BUDDHISTISCHE ETHIK Aktive Sterbehilfe ist im Buddhismus untersagt. Denn es gilt grundsätzlich das Verbot zu Töten. Zudem beruht dieses Verlangen auf der nach buddhistischer Sicht irrigen Ansicht, dass mit diesem Tötungsakt das „Karma – Wiedergeburt –Prinzip“ aufgehoben werden könnte. „Wenn Leiden eine karmische Ursache hat, wird es seinen Weg durchlaufen, bis sich die karmische Energie erschöpft hat“, so Stögermayer. Die Beendigung des Lebens unterbricht somit nur die momentane karmische Wirkung, um in der nächsten Existenz wieder wirksam zu werden, bis sich das schlechte Karma verbraucht hat. Für buddhistische Nonnen und Mönche gibt es eine Vielzahl ethischer Regeln, die die Laienanhänger dieser Glaubensrichtung ebenfalls befolgen können. Zur Entwicklung von Sittlichkeit (Pali Sila) kommen fünf Tugendregeln (Silas) zur Anwendung. Sie ähneln in gewisser Hinsicht den christlichen 10 Geboten, sind jedoch nicht als Gesetze zu verstehen, sondern vielmehr als Orientierungspunkte, mit denen sich die Übenden ein Leben lang auseinandersetzen. Silas - Die fünf buddhistischen Ethikregeln Ich verspreche, mich darin zu üben, keine fühlenden Wesen zu töten oder zu verletzen! Ich verspreche, mich darin zu üben, mir nicht Gegebenes nicht zu nehmen! Ich verspreche, mich darin zu üben, meine Sinne verantwortungsbewusst zu gebrauchen und durch sexuelles Fehlverhalten niemandem zu schaden! RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 10 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS Ich verspreche, mich darin zu üben, meine Worte achtsam zu gebrauchen und auf die Wirkung meiner Rede zu achten! Ich verspreche, mich darin zu üben, meinen bereits getrübten Geist nicht durch berauschende Mittel weiter zu verblenden! Eine andere Haltung bezieht die buddhistische Medizinethik zur indirekten Sterbehilfe durch Unterbrechung lebensnotwendiger Maßnahmen: „Wenn einer, der erkrankt ist, aufhört, Nahrung zu sich zu nehmen, obwohl Medizin und Betreuung zur Verfügung stehen, dann begeht er eine kleinere Verfehlung. Aber wenn einer an einer schweren Krankheit leidet und sein Leben auch mit intensiver Betreuung nicht verlängert werden kann, ist es legitim, Nahrungs- und Medizingabe einzustellen“. Die Gabe von starken Schmerzmitteln wird als legitim gesehen, solange die Absicht der Betreuer auf Linderung des Leidens, nicht aber auf den vorzeitigen Tod ausgerichtet bleibt. Die Betreuenden müssen sich dabei über die Motivation ihres Handelns völlig im Klaren sein. Quellen: Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft www.buddhismus-austria.at Wikipedia zu den „Fünf Silas“ http://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BCnf_Silas Interdisziplinäre Palliativ-Projektgruppe Hanus Krankenhaus Wien, Wiener Gebietskrankenkasse 2009 BUDDHISTISCHE RITUALE AM LEBENSENDE Geburt und Tod sind im Buddhismus kein Anfang und kein Ende. So geht es, laut Dr. Fridolin Stögermayer, für Buddhistinnen und Buddhisten am Lebensende eher um die Frage: „Wie geht es weiter?“. Denn letztendlich stellt auch der Tod eine Illusion dar, durch die Energie des eigenen Karmas genährt. Diese Energie geht in die nächsten Lebenszyklen über. So ist Trost im Buddhismus etwas Relatives. „Sterbende Menschen können den Hinterbliebenen unglaubliche Kraft fürs Leben geben. Die Kraft der Reue hat in sich eine reinigende Wirkung“, so Stögermayer. Die Umgebung der Sterbenden im Krankenhaus sollte derart gestaltet sein, dass ihnen ein „geistiger Rückzug aus dieser Welt, der im schrittweisen Loslassen auch von den nächsten RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 11 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS Angehörigen besteht, möglich ist. Sterbende sollten einen befriedeten, gleichmütigen und losgelösten Bewusstseinszustand erreichen.“ Bestimmte Rituale sind nur in einigen Richtungen üblich, wie etwa beim tibetischen Buddhismus, wo aus dem tibetischen Totenbuch gelesen wird. Nach Eintritt des Todes soll der Leichnam in Ruhe liegen bleiben. Jede Manipulation ist zu vermeiden. Denn nach buddhistischer Auffassung benötigt das „Bewusstsein“ einige Zeit, um sich aus dem Körper zu lösen. Diese sensible Zeit sollte nicht gestört werden. Über die Dauer dieser Phase gibt es, je nach Kulturkreis, unterschiedliche Auffassungen. Sie kann, wie etwa in Sri Lanka, bis zu drei Tage dauern. Hierzulande sollten die Verstorbenen im Krankenhaus zumindest eine Stunde unberührt liegen, bevor irgendwelche Handlungen an der Leiche vorgenommen werden. Die Obduktion stellt nach dieser Phase kein Problem dar. Die Bestattung kann durch Kremation oder normale Erdbestattung erfolgen. Ein eigener buddhistischer Friedhof steht seit 2005 in Wien zur Verfügung. Quellen: Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft www.buddhismus-austria.at Interdisziplinäre Palliativ-Projektgruppe Hanus Krankenhaus Wien, Wiener Gebietskrankenkasse 2009 BUDDHISMUS IN ÖSTERREICH Die Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft schätzt die Zahl jener Personen, die dem Buddhismus nahe stehen, auf rund 20.000 Menschen. Als Geburtsstunde des Buddhismus in Österreich wird das Jahr 1949 angegeben. Damals wurde die „buddhistische Gesellschaft Wien“ gegründet. Dennoch reichen die Anfänge des heimischen Buddhismus weiter zurück. Als einer der ersten Anhänger gilt Karl Eugen Neumann (1865 - 1915), der bereits mit 19 Jahren Buddhist geworden war. Inspiriert von Arthur Schopenhauer und Richard Wagner, die sich mit der buddhistischen Denkweise beschäftigten, widmete er sein Leben der Übersetzung der buddhistischen Originaltexte aus dem Pali-Kanon, der Sammlung der Lehrreden des Religionsgründers Buddha Siddharta Gautama. Seit 1983 ist der Buddhismus eine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft. Damit war Österreich das erste europäische Land, das diese Religion anerkannt hat. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 12 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS Ein eigener „westlicher Buddhismus“ existiert (noch) nicht, sodass hierzulande die unterschiedlichen buddhistischen Traditionen Asiens aufeinander treffen. Die verschiedenen Richtungen sind gleichwertig unter dem Dach der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft vereint. Buddhistischer Friedhof in Wien Seit dem Jahr 2005 existiert auf dem Wiener Zentralfriedhof ein buddhistischer Friedhof. So können die Menschen ihrer Weltanschauung und ihrem religiösem Empfinden gemäß beerdigt werden. Aufgrund der wachsenden Zahl an Buddhistinnen und Buddhisten, vor allem in der Bundeshauptstadt, wurde der Friedhof von der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft angelegt und wird seither auch entsprechend betreut. Ein Friedhof stellt aus der Sicht des Buddhismus einen Ort dar, um sich alles „bedingt Entstandene“, also all das, was vergänglich ist, bewusst zu machen. Die spezifisch buddhistische Symbolik soll ein Ort der Besinnung und der Kontemplation sein. Das Zentrum bildet ein Sakralbau, die Stupa, die Gräbergruppen sind wie ein achtspeichiges Rad rundherum angeordnet. Sie symbolisieren den achtfachen buddhistischen Weg. Zwölf darum angeordnete Steine stehen für die zwölf Ursachen des „bedingten Entstehens“ und damit der Wiedergeburt. Die Anordnung der Gartenanlage soll auf die universellen Gesetzmäßigkeiten des Daseins hinweisen. „Die Einzigartigkeit jedes menschlichen Lebens wird damit in den universellen Kontext der Bedingtheit und Vergänglichkeit aller Dinge gestellt, eine Kernbotschaft der Lehre des Buddha. Damit verbunden ist die Ermutigung, das Leben zu nutzen, um Mitgefühl mit allen fühlenden Wesen zu praktizieren und Weisheit zu üben.“ So beschreibt die ÖBR die Grundgedanken der Gestaltung. Der Friedhof soll den Hinterbliebenen Trost, Zuversicht, Ruhe und Klarheit für den Lebensweg geben. Mobiles Hospiz der Buddhistischen Religionsgesellschaft In Österreich haben Buddhistinnen und Buddhisten im Herbst 2005 die Gründung eines Mobilen Hospizes zur Begleitung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase beschlossen. Hier werden nicht nur Buddhisten betreut, sondern Patientinnen und Patienten aller Konfessionen. Viele Mitarbeiter arbeiten auch in anderen Institutionen, wie der Caritas oder auf Palliativstationen. Umgekehrt haben viele Mitarbeiter nichts mit dem Buddhismus zu tun, sondern absolvieren hier die Ausbildung. Das mobile Hospiz bietet eine rein psychische oder auch spirituelle Betreuung an, keine Palliativmedizin. „Dies würde unseren Rahmen sprengen“, erklärt der Obmann des Hospizes Dr. Fridolin Stögermayer. Das Gespräch steht im Vordergrund, „wir sind für alle da, die uns haben wollen.“ Seit 2007 bietet das Mobile Hospiz der ÖBR Seminare zur Sterbebegleitung an. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 13 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS Dazu das Selbstverständnis des Hospizes: „Buddhas Weg verbindet meditative Einsicht in die Wirklichkeit und großes Mitgefühl mit allen Wesen. Diese Lebens- und Sterbebegleitung ist in der buddhistischen Tradition und Lehre verankert. Liebe, Mitgefühl, Weisheit und Achtsamkeit sind Grundlagen buddhistischer Praxis.“ Grundlage ist der sogenannte „engagierte Buddhismus“, eine auf buddhistischen Grundsätzen beruhende soziale oder karitative praktische Tätigkeit. Quelle: Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft www.buddhismus-austria.at Mobiles Hospiz der Österreichischen Buddhistischen Religionsgemeinschaft www.hospiz-oebr.at DER HUMANISMUS Der Humanismus ist eine nicht-religiöse Weltanschauung, die sich letztendlich auf die abendländische Philosophie der Antike gründet. Sie orientiert sich an den Werten, den Interessen und der Würde des einzelnen Menschen. Den Begriffen der Autonomie und Selbstbestimmung kommt gerade im Krankenhaus hinsichtlich der Diskussionen um ein menschenwürdiges Sterben, große Bedeutung zu. Toleranz, Gewaltfreiheit und Gewissensfreiheit gelten im Humanismus als wesentliche Prinzipien. Naturgemäß gilt es, das „Diesseits“ zu verwirklichen, frei von „höheren Mächten" oder Gottheiten. Es existiert eine Vielzahl humanistischer Strömungen, deren Gemeinsamkeit die Konfessionsfreiheit darstellt: Atheisten, Agnostiker oder Freidenker finden sich hier. Im weltlichen Humanismus geht es nicht nur um die philosophische Weltanschauung, sondern um die praktische Umsetzung. Gerade im Bereich medizinethischer Fragestellungen, etwa zu Patientenverfügungen oder Sterbehilfe nimmt die Philosophie meist eine sehr deutliche Haltung in Richtung einer weitgehenden Selbstbestimmtheit des Individuums ein. Vergebung oder Trost findet der Mensch nur in sich selbst. Mancherorts vermutet man, aufgrund der Omnipräsenz einer Betreuung von Kranken durch kirchliche Institutionen, eine Diskriminierung humanistischer Bedürfnisse. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 14 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS Obwohl sich viele humanistische Gruppen deutlich von Religionsgemeinschaften distanzieren, findet sich in den verschiedenen Glaubensrichtungen eine Reihe von Elementen des Humanismus. Quellen: Humanistischer Verband Deutschlands www.hvd-nuernberg.de Monika Wogrolly, Artikel zur philosophischen Praxis http://www.information-philosophie.de/?a=1&t=591&n=2&y=1&c=59 GEMEINSAMKEITEN VON HUMANISMUS UND BUDDHISMUS Exemplarisch lassen sich einige Schnittpunkte zwischen der humanistischen Weltanschauung und dem Buddhismus festmachen: Gelassenheit Gegenwartsbezogenheit diesseitsbezogenes Denken Verantwortlichkeit des Individuums, die nicht an eine „höhere Macht“, einen Gott abgegeben wird Nach dem Wiener Internisten und Philosophen Karl Hermann Spitzy ist, basierend auf Emanuel Kant, „Zeit nur eine Kategorie menschlichen Denkens“. Wie im Buddhismus lösen sich die Begrifflichkeiten mit zunehmender Erkenntnis auf. ATHEISMUS Die Auffassung, es gäbe keinen Gott, wurde in unseren Breiten erst mit der Zeit der Aufklärung allmählich „salonfähig“. Die moderne Medizin bedient sich seit der Zeit der Aufklärung der Naturwissenschaften und ihrer Methoden. Diese kommen ohne die Arbeitshypothese „Gott“ aus. Sie können auch Krankheit und Gesundheit erklären, ohne sich auf das Eingreifen einer höheren Macht berufen zu müssen - „etsi Deus non daretur“ („gültig sogar, wenn es Gott nicht gäbe“). RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 15 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS Selbst Atheisten glauben… Letztlich sind auch jene Menschen, die davon überzeugt sind, dass es kein Leben nach dem Tod, keine Erlösung gibt, sondern schlicht „alles zu Ende“ ist, zu Gesprächen mit Krankenhausseelsorgern bereit. Laut der Religionskritik Sigmund Freuds regrediert der Mensch in der Religion zum Kind, gibt die Verantwortlichkeit an eine höhere Instanz ab. Doch selbst der große Wiener Psychoanalytiker, der auch nicht an ein Leben nach dem Tod geglaubt hat, bemerkte einmal, er habe auf empirischem Weg, in seiner psychoanalytischen Praxis herausgefunden, dass jeder Mensch im Tiefsten von seiner eigenen Unsterblichkeit überzeugt ist. Dies, so fügte er hinzu, sei natürlich kein Beweis dafür, dass es eine solche Unsterblichkeit auch wirklich gäbe. Auf den Anspruch, zwingend beweisbar zu sein, muss der Atheismus in der Tat verzichten. Als philosophische Gesamtdeutung der Welt ist er so unbeweisbar, wie jede andere Aussage über die Welt als Ganze unbeweisbar ist. Dabei werden auch Atheisten von anderen Religionsgemeinschaften vereinnahmt, wie der Kirchenkritiker DDr. Joachim Kahl erläutert: „Auf den fluchbedrohten Vorwurf des Unglaubens wird in diesem Zusammenhang gerne verzichtet, so dass Religiosität als unentrinnbare anthropologische Struktur erscheint: Auch du, Atheist, bist ein Gläubiger! Deine Religion ist eben der Atheismus.“ Dabei kennt, so Kahl, undogmatischer, skeptischer Atheismus „keine Heilsgewissheit, freilich auch keine Unheilsgewissheit, sondern sinnt - nüchtern und der Erde treu - auf ein menschenwürdiges Leben diesseits von „Himmel“ und „Hölle“. Statt auf Erlösung zu hoffen, arbeiten Atheisten „nur“ mit an der Befreiung. Das Höchste, was sie kennen, ist Glück im Unglück, das es mit Anstand und Humor zu meistern gilt.“ Quellen: Ulrich Körtner „Spiritualität im Krankenhaus“ http://ecards.orf.at/koertner/152847.html Joachim Kahl in der Zeitschrift „diesseits“ (Ausgabe 4; 1999) www.humanismus.de/node/282 KLINIKPHILOSOPHIE – PHILOSOPHISCHE KRANKENHAUS-SEELSORGE Der Begriff einer Philosophischen Seelsorge wurde vom Berliner Philosophen Wilhelm Schmid geprägt. „Philosophischer Berater bin ich nicht, aber philosophischer Seelsorger. So nenne ich das selbst, wissend woher die Seelsorge ursprünglich kommt, nämlich aus der antiken Philosophie, von RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 16 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS Sokrates. Im Griechischen war das "epimilleates psyches" die Sorge, die sich auf die Seele richtet. Das ist eine Begegnung zwischen zwei Menschen. Ich bin genauso Ratsuchender wie derjenige, der mir gegenüber sitzt, und ich weiß genauso viel Rat wie der, der mir gegenüber sitzt. Und so beraten wir uns allenfalls gegenseitig, so könnte man sagen. Ein Gespräch ist dann besonders gelungen, wenn beide Seiten nach dem Gespräch das Gefühl haben, klüger geworden zu sein. Und das geschieht nach meiner Erfahrung, ich mache das nun seit fast sieben Jahren regelmäßig“, so Schmid in einem Interview in der Sendereihe "Studiozeit" des Deutschlandfunk Köln 2004. Die Klinikphilosophie ist ein sehr junges Gebiet. Daher beschränkt sich die praktische Anwendung eher auf Einzelinitiativen und kann nicht auf etablierte Strukturen zurückgreifen, wie kirchliche Gemeinschaften. „Es gibt zwar Philosophen im Klinikbereich, die jedoch eher als Ethiker normativ arbeiten“. Das bedeutet, sie erstellen Grundlagen, auf deren Basis ethische Entscheidungen getroffen werden können. Eine direkte Betreuung am Krankenbett gibt es kaum“, erläutert Dr. Monika Wogrolly. Sie arbeitet in Graz als Klinikphilosophin. Seit 1998 wird dieses Projekt über die Grazer Universität für Medizinische Psychologie verwirklicht. Große Bedeutung in diesem Bereich kommt natürlich auch Viktor Frankl mit seiner auf Jaspers bezogenen Existenzanalyse und der Entwicklung der Logotherapie, der Suche nach dem Sinn – auch im Angesicht des Todes – zu: „Ein Logotherapeut kann also nicht einem Patienten sagen, was der Sinn seines Lebens ist. Sehr wohl aber, und das ist nicht zu unterschätzen, kann er dem Menschen zeigen und die Tatsache aufleuchten lassen, dass das Leben einen Sinn hat, und zwar einen Sinn, den es auch in den extremsten Situationen und bis zuletzt, bis zum letzten Atemzug, behält" (Viktor E. Frankl, „Gesammelte Werke“, Bd. II, Böhlau Verlag 2006, S. 287.) Was geschieht beim philosophischen Gespräch? „Ich trete gleich wie Kolleginnen, die Medizinerinnen sind, ans Krankenbett. Die Menschen sind von meiner Vorstellung als Philosophin zuerst verblüfft, wobei es für manche aber keine Rolle spielt, wer die Person im weißen Kittel vor ihm tatsächlich ist“, erklärt Wogrolly. Der Patient, aber auch der Arzt bzw. Philosoph als Dialogpartner findet Raum, um sich den Luxus des Nachdenkens zu erlauben. Auch längeres Schweigen kann im Rahmen von solchen Begegnungen durchaus produktiv sein. Nach Sokrates soll der Mensch im Zwiegespräch mit dem Philosophen eigenständig zur Wahrheit kommen. Im Krankenhaus sei es, so Monika Wogrolly, würden die Patientinnen und Patienten jedoch in der Regel die Meinung einer (philosophischen) Autorität erwarten. Philosophie für Ärzte Auch für das medizinische Personal wäre es ratsam, sich wieder mehr mit der Thematik zu beschäftigen. Die Philosophie kann dem Arzt/der Ärztin ein Rüstzeug geben, um selbst wieder als Mensch in Erscheinung zu treten, um mit den Patienten zum bestmöglichen Heilungserfolg zusammen zu wirken. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 17 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS Philosophie und Medizin bildeten nicht von jeher einen Widerspruch, sondern gehörten zusammen und ergänzten einander. Bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete die Philosophie einen nicht wegzudenkenden Bestandteil der Ausbildung der Mediziner. Heute kommt die Philosophie im Medizinstudium nur am Rande vor. So werden Patientinnen und Patienten oft lediglich als zu behandelnde Objekte gesehen, eine aktive Rolle wird ihnen selten zugedacht. Der Mediziner und Philosoph Karl Hermann Spitzy ist jedoch der Auffassung, dass ein Arzt immer auch Philosoph sein muss und objektive Befunde allein nicht zur kreativen Erstellung und Erfassung des Krankheitsbildes ausreichen würden. Dabei könne der gewünschte optimale Heilungserfolg erst durch ein „subjektorientiertes, dialogisches Arzt-Patienten-Verhältnis“ erreicht werden. Die Ärztliche Dialogik lautet, wie der Philosoph und Medizinethiker Peter Kampits erklärt: „Die Beziehung zu dem als Du gedachten Anderen ermöglicht überhaupt erst die Ich-Werdung.“ Das bedeutet: Erst der Patient in seinem Sein und Tun macht den Arzt aus. Quellen: Interview mit Wilhelm Schmid in der Sendung „Studiozeit“ des Deutschlandfunk Köln, gesendet am 25.11.2004, 20 Uhr Monika Wogrolly, Artikel zur philosophischen Praxis http://www.information-philosophie.de/?a=1&t=591&n=2&y=1&c=59 Viktor Frankl, „Gesammelte Werke“, Bd. II, Böhlau Verlag 2006 Philosophie im Klinikum - Ein Grazer Projekt Die von Gerhard F. Walter unterstützte Pilotstudie unter der Leitung von Walter Pieringer und in Kooperation mit Peter Kampits, läuft seit Oktober 2005. Die Pilotstudie geht von der These aus, dass eine rein naturwissenschaftlich orientierte Organmedizin dem Menschen nicht gerecht werden könne. Ärztinnen und Ärzte fänden zudem keinen Sinn darin, nur auf die Erhaltung des biologischen Lebens konzentriert zu sein, ohne Aspekte der Person und des Daseins mit seinen Sinn-, Wertund Bedeutungsaspekten gerade beim Krank-Sein in Diagnosestellung und Behandlung einzubeziehen. Thesen des Harvard-Professors und Friedensnobelpreisträgers Bernard Lown (Lown, „Die verlorene Kunst des Heilens“): Ärzte nehmen den Patienten zu wenig als sprechendes Subjekt wahr. Ärzte maximieren Untersuchungen entgegen ihrer klinischen Evidenz. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 18 BUDDHISMUS, HUMANISMUS, ATHEISMUS Ärzte schätzen ihre persönliche/subjektive Wahrnehmung gering. Im Mai 2007 wurde, basierend auf den Erfahrungen aus der Studie, mit dem direkt am Krankenbett angewandten philosophischen Gespräch, der erste Jour fixe der Arbeitsgemeinschaft Philosophie in der Medizin abgehalten. Der Verein ARGE PHILMED wurde 2010 gegründet, um philosophische Fragen der Medizin praxisbezogen diskutieren. RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 19 ANLAUFSTELLEN ANLAUFSTELLEN Mobiles Hospiz der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft Koordinator: DSA Mag. Thomas Fröhlich Fleischmarkt 16 A-1010 Wien Tel.: +43/650/523 38 03 E-Mail: [email protected] Homepage: www.hospiz-oebr.at Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft (ÖBR) Fleischmarkt 16 A-1010 Wien Tel.:+43/1/512 37 19 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.buddhismus-austria.at Dachverband von Palliativ- und Hospizeinrichtungen in Österreich Argentinierstraße 2/3 A-1040 Wien Tel.: +43/1/803 98 68 Fax: +43/1/803 25 80 E-Mail: [email protected] Homepage: www.hospiz.at Links zu humanistischen Organisationen - International Humanist and Ethical Union http://www.iheu.org/ Humanistischer Verband Deutschlands http://www.hvd-nuernberg.de/ RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 20 BUCHTIPPS BUCHTIPPS Sogyal Rinpoche Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben. Ein Schlüssel zum tieferen Verständnis von Leben und Tod Verlag Fischer 2004 ISBN-13: 978-3596160990 Rodney Smith Die innere Kunst des Lebens und des Sterbens: Ein Ratgeber zum Umgang mit dem Tod Verlag dtv 2008 ISBN-13: 978-3423345187 Monika Wogrolly-Domej Abbilder Gottes. Demente, Komatöse, Hirntote Verlag: Styria 2004 ISBN-13: 978-3222131509 Karl Hermann Spitzy, Eugen Maria Schulak Wenn Ärzte nach der Weisheit suchen. Ein Dialog zwischen Medizin und Philosophie Verlag Kremayr & Scheriau 2004 ISBN-13: 978-3218007375 Wilhelm Schmid Philosophie der Lebenskunst Verlag Suhrkamp TB Wissenschaft 1998 ISBN-13: 978-3518289853 RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 21 QUELLEN UND LINKS QUELLEN UND LINKS ÖBR Österreichische Buddhistische Glaubensgesellschaft www.buddhismus-austria.at Theravada Schule der ÖBR www.theravada-buddhismus.at Mobiles Hospiz der Österreichischen Buddhistischen Religionsgemeinschaft www.hospiz-oebr.at Monika Wogrolly, Artikel zur philosophischen Praxis http://www.information-philosophie.de/?a=1&t=591&n=2&y=1&c=59 Ulrich Körtner: „Spiritualität im Krankenhaus“ http://ecards.orf.at/koertner/152847.html Interdisziplinäre Palliativ-Projektgruppe Hanus Krankenhaus Wien, Wiener Gebietskrankenkasse 2009 Humanistischer Verband Deutschlands www.hvd-nuernberg.de Joachim Kahl in der Zeitschrift „diesseits“ (Ausgabe 4; 1999) www.humanismus.de/node/282 Viktor Frankl Gesammelte Werke, Bd. II (Hrsg.: Alexander Batthyany) Böhlau Verlag 2006 Interview mit Wilhelm Schmid in der Sendung „Studiozeit“ des Deutschlandfunk Köln, gesendet am 25.11.2004, 20 Uhr Phil Zuckerman Atheism: Contemporary Rates and Patterns RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 22 QUELLEN UND LINKS Cambridge University Press, 2005 Statistik Austria Volkszählung 2001 OTS Meldung des Integrationsfonds IFÖ 2/2010 Wikipedia zu Buddhismus http://de.wikipedia.org/wiki/Buddhismus Wikipedia zu den „Fünf Silas“ http://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BCnf_Silas RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 23 SENDUNGSGÄSTE SENDUNGSGÄSTE In der Sendung Radiodoktor – Medizin und Gesundheit vom 5. Juli 2010 waren zu Gast: em. Prim. Dr. Fridolin Stögermayer Facharzt für Urologie em. Vorstand der Urologie-Ambulanz am Hanusch Krankenhaus Wien Obmann des mobilen Hospizes der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft Fleischmarkt 16 A-1010 Wien Tel.: +43/664/123 68 48 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.hospiz-oebr.at Mag.a.Dr. Monika Wogrolly Klinische Philosophin, Psychotherapeutin in Ausbildung, Autorin, Herausgeberin Living Culture KG Sparbersbachgasse 55/24 A-8010 Graz Tel.: +43/664/5037740 E-Mail: [email protected] Homepage: http://www.living-culture.at RADIODOKTOR – MEDIZIN UND GESUNDHEIT 24