SOFIA – Ein fliegendes Infrarotobservatorium

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Auszug aus Ch. Ammer (Hg.), Weite Horizonte, Hannover 2012
Alfred Krabbe
SOFIA – Ein fliegendes
Infrarotobservatorium
Einleitung
Ein schwingungsentkoppeltes stabiles Fundament möglichst auf
gewachsenem Felsen ist die beste Basis für ein ausgezeichnetes
Teleskop auf dem Erdboden. Auch in der Schwerelosigkeit des
Weltraums mit seinen nur minimalen äußeren Kräften lassen
sich Teleskope routinemäßig bis an ihre Beugungsgrenze stabili­
sieren.
Das Stratosphären Observatorium Für Infrarot Astronomie
SOFIA1 dagegen betritt Neuland. Als flugzeug-getragenes Tele­
skop in einer Operationshöhe von bis zu 14 km kann es sich
weder auf ein gutes Fundament abstützen, noch wird es in einer
ruhigen Umgebung betrieben. Dennoch ist es das Ziel der Pro­
jektträger, mit SOFIA eine Richtungsstabilität von bis zu ehrgei­
zigen 0,2 Bogensekunden rms zu erreichen 2. Man könnte
meinen, die Verantwortlichen hätten im SOFIA Projekt alle Er­
fahrungen schlicht vergessen.
Wenn sich die NASA zusammen mit dem Deutschen Zen­
trum für Luft- und Raumfahrt (DLR) dennoch auf ein solches
Unternehmen einlassen, dann müssen dafür gute Gründe vorlie­
gen. Um diese Hintergründe, die technische Realisierung und
die ersten wissenschaftlichen Ergebnisse wird es in diesem Bei­
trag gehen.
1
2
Die Betonung liegt auf dem „i“.
rms: root mean square ist ein mathematisches Format für die Anga ­
be von statistischen Fehlern. Im Deutschen nennt man sie: Wurzel
aus der mittleren quadratischen Abweichung.
64
SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM
1. Der Infrarote Himmel
Die elektromagnetische Strahlung ist bislang immer noch der
fast einzige Weg, um Informationen über Objekte zu erhalten,
die sich außerhalb unseres Sonnensystems befinden. 3,4 Jeder
Spektralbereich von der hochenergetischen γ-Strahlung bis zu
den Radiowellen wird inzwischen astronomisch genutzt. Der
Grund dafür liegt in den unterschiedlichen spektralen Signatu­
ren, durch die sich physikalische Prozesse im elektromagneti­
schen Spektrum verraten und durch die sie astronomisch identi­
fiziert und interpretiert werden können. Wegen der Beziehung 5
E = hν sind dabei hochenergetische Prozesse eher mit der Emis­
sion von Röntgen- und γ-Strahlen verknüpft, während Radio­
strahlung eher bei niederenergetischen Prozessen frei wird. Des­
halb ist die Einbeziehung des gesamten Spektralbereichs in die
astronomische Modellbildung unabdingbar.
Der infrarote Spektralbereich und damit auch der infrarote
Himmel ist einer der letzten grauen Bereiche in der Astronomie.
Dies liegt vor allem an den technischen Schwierigkeiten, Emp­
fänger und Instrumente mit ausreichender Empfindlichkeit für
die schwache astronomische Infrarotstrahlung bereitzustellen.
Die ersten erfolgreichen Infrarotbeobachtungen an Objekten au­
ßerhalb des Sonnensystems wurden erst in den 60er Jahren des
vergangen Jahrhunderts durchgeführt (z.B. Neugebauer, Martz,
& Leighton, 1965). Inzwischen hat sich die instrumentelle Situa­
tion zwar erheblich verbessert, doch ist die Erhöhung der Emp­
findlichkeit und auch die Erhöhung der Zahl strahlungsemp­
findlicher Pixel in astronomischen Detektoren auch weiterhin
3
4
5
Die Grenze des inneren Sonnensystems liegt bei der Heliopause in
einer Entfernung von ~ 100 AE. Die Astronomische Einheit (AE)
wird durch den Abstand Erde-Sonne = 149,6 · 109 m definiert (vgl.
Anm. 14 in Krabbe, 2010).
Es ist inzwischen aber z.B. möglich, mit Raumsonden interstellaren
Staub einzufangen.
E ist die Energie, h die Planck Konstante,  die Frequenz der elek­
tromagnetischen Strahlung.
65
ALFRED KRABBE
ein großes Thema. So arbeiten astronomische Heterodynemp­
fänger im fernen Infraroten noch immer mit nur einem (!) Pixel.
Optische Fotokameras weisen dagegen leicht > 107 Pixel auf.
Der infrarote Spektralbereich hat etwa 10-mal so viele Farben
und Informationen wie der sichtbare Spektralbereich. Deshalb
haben die Astronomen ihn in vier Unterbereiche aufgeteilt: Na­
hes Infrarot (NIR) 0.9 – 3 µm, Mittleres Infrarot (MIR) 3 – 30
µm, Fernes Infrarot (FIR) 30 – 300 µm, Submillimeter (Sub-mm)
300 µm – 1 mm.6 Angegeben ist dabei jeweils der Wellenlängen­
bereich.
Der Himmel über uns strahlt vor allem im infraroten Spek­
tralbereich und bietet deshalb ein reiches astronomisches For­
schungsfeld. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass das
Weltall im Mittel kalt ist und von der kosmischen MikrowellenHintergrundstrahlung mit einer Temperatur von etwa 3 Kelvin
dominiert wird. Auch die Dunkelheit des Himmels bei Nacht ist
ein Hinweis auf die niedrige Temperatur des Weltalls. Zwar
stahlt die Sonne und auch die Sterne emittieren als heiße Körper
sichtbare und auch kurzwellige ultraviolette Strahlung. Doch die
Sterne sind räumlich nur kleine Gebilde und trotz ihrer großen
Zahl dominieren sie die Gesamtmasse des Weltalls nicht, son­
dern sind eher die „Highlights“.
Im infraroten Spektralbereich spielt dagegen vor allem die
Physik und Chemie der Moleküle und der Stäube eine große Rol­
le. Die großen Räume zwischen den Sternen sind häufig mit rie­
sigen Molekül- und Staubwolken besetzt, in deren Inneren sich
komplexe chemische und physikalische Prozesse abspielen. Die­
se werden durch die hochenergetische und allgegenwärtige kos­
mische Strahlung und auch durch die Wechselwirkung dieser
Wolken mit der Strahlung und dem Wind der sie umgebenden
Sternen initiiert und unterhalten. Als Beispiel sei die Bildung
neuer Sterne genannt, die tief im Inneren von komprimierten
Molekülwolken beginnt. Die spektralen Signaturen dieser che­
6
Die Grenzen zwischen den Bereichen sind nicht scharf, sondern va­
riieren in der Literatur etwas.
66
SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM
mischen Vorgänge sind extrem wichtig für unser Verständnis der
Sternbildung; sie sind jedoch nur im infraroten Spektralbereich
zu beobachten (Abb. 1+2). Ähnliches gilt auch für die physikali­
schen und chemischen Prozessen bei der Planetenentstehung.
Die Koexistenz von Staub und chemischen Molekülen in die­
sen Wolken ist noch aus einem weiteren Grund bedeutsam. Der
im Mittel submikrometer-feine Staub verwehrt den Einblick in
diese Wolken, weil er verhindert, dass sichtbare Strahlung die
Wolke verlässt oder durchdringt. Nur Infrarotstrahlung mit einer
deutlich größeren Wellenlänge als der mittlere Durchmesser der
Staubteilchen kann uns aus dem Inneren dieser Wolken Infor­
mationen liefern, weil diese Strahlung nicht mehr gestreut und
nur minimal absorbiert wird.
Auch wenn hier bislang nur die Chemie und Physik der Mole­
külwolken genannt wurden, gibt es viele weitere astronomische
Forschungsprojekte, die nur im infraroten Spektralbereich
durchgeführt werden können. Als Beispiele seien noch die Um­
gebung des Schwarzen Loches im Zentrum unserer Milchstraße
und Massenbewegungen nahe der Zentren anderer Galaxien ge­
nannt.
2. Warum SOFIA?
Eine der Komplikationen bei der praktischen Infrarotastronomie
stellt die Erdatmosphäre dar. Während sie im sichtbaren Spek­
tralbereich sehr transparent ist, jedoch durch ihre innere Turbu­
lenz Bildunschärfe verursacht, ist es in weiten Bereichen des in­
fraroten Spektralbereiches gerade umgekehrt. Die Teleskope
könnten beugungsbegrenzt mit maximaler Schärfe abbilden, je­
doch ist die Atmosphäre bis auf wenige Wellenlängen fast voll­
ständig undurchsichtig. Dies ist in Abb. 1 für einen astronomi­
schen Standort in 2000 m Höhe illustriert.
Der Grund für diese Absorptionen ist das reichliche Vorkom­
men von Wasser in unserer Atmosphäre. Die vielen und zudem
druckverbreiterten Wasserabsorptionslinien durchziehen den
67
ALFRED KRABBE
Abb. 1: Die wellenlängenabhängige Transmission der Erdatmosphäre
im infraroten Spektralbereich zeigt erst ab etwa 2000 m Höhe einige
„Fenster“ im nahen und mittleren Infraroten. Dennoch ist der größte
Teil des Spektralbereichs vom Erdboden aus nicht zugänglich.
Abb. 2: Die Transmission der Erdatmosphäre im infraroten Spektral­
bereich steigt dramatisch mit der Höhe an. Ab etwa 11 km, der Tropo ­
pause, sinkt die Restwassersäule auf nur noch einige µm, so dass die
mittlere Transmission auf ≥ 80% ansteigt.
68
SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM
Infrarotbereich wie einen Wald. Sie stehen so dicht, dass zwischen ihnen kein Durchschauen möglich ist. Glücklicherweise
ist die Skalenhöhe des Wasserdampfes in der Atmosphäre mit
etwa 2 km (Ulich, 1980) sehr viel kleiner als die des Luftdrucks,
die etwa 8 km7 beträgt. Deshalb können sich die Astronomen für
die Randbereiche des infraroten Spektrums mit hochgelegenen
Standorten behelfen. Folgerichtig werden in 5600 m Höhe 8 und
in der trockenen Antarktis (z.B. Tosti et al., 2006) inzwischen In­
frarot-Teleskope geplant und errichtet.
Am geschicktesten wäre jedoch ein Beobachtungsstandort im
Weltraum frei von aller Wasserabsorption. Vorbilder dafür sind
das Hubble Space Telescope und sein designierter Nachfolger das
James Webb Space Telescope. Jedoch erzielt man bereits in 12 km
Höhe eine solch gute Transmission von etwa ≥ 80 % über den ge­
samten infraroten Spektralbereich (Abb. 2), so dass die Nachteile
eines Satelliten in vielen Anwendungsfällen seine Vorteile über­
wiegen.
Eine flugzeug-getragene Beobachtungsplattform trägt im
Vergleich mit einem Satelliten ein größeres Teleskop für das glei­
che Budget, ist wissenschaftlich flexibler einsetzbar, kann mit
mehr Instrumenten bestückt werden, erlaubt sehr viel leichter
die Beobachtung transienter Ereignisse (z.B. Finsternisse, Bede­
ckungen, Kometen), kann stetig verbessert werden, hat eine Le­
bensdauer von 20 Jahren, ist betriebssicher und servicefreund­
lich, kann als Testumgebung für neue Technologien genutzt
werden, bevor diese in Satelliten eingesetzt werden und dient
schließlich dem Training und der Ausbildung für den wissen­
schaftlichen Nachwuchs.
Die größere wissenschaftliche Flexibilität zeigt sich vor allem
daran, dass Flüssighelium gekühlte Infrarot-Satelliten gewissen
Einschränkungen unterliegen. Sie dürfen wegen des Kühlmittel­
verlustes keine hellen Objekte (wie die inneren und die großen
Planeten) beobachten und auch keine Objekte in Sonnennähe
7
8
Siehe barometrische Höhenformel.
http://www.ccatobservatory.org
69
ALFRED KRABBE
(wie Kometen und andere Objekte in der Nähe ihres Perihels 9).
Weiterhin können von einem Flugzeug aus sogar Sonnenbeob­
achtung mithilfe eines Sonnenfilters durchgeführt werden.
Schließlich unterliegen Flugzeuge wegen ihrer Manövrierbarkeit
keiner Bahneinschränkung wie Satelliten. Die klaren Vorteile des
Satellitenorbit sind dagegen das vollständige Fehlen jeglicher
störender Atmosphäre und die höhere Empfindlichkeit der Be­
obachtungen.
Gerard KUIPER war 1965 der erste Wissenschaftler, der sich
an die Benutzung von Flugzeugen für infrarote astronomische
Beobachtungen herantraute. Er baute ein 30cm-Teleskop in
einen NASA Learjet 24, ein kleines Businessflugzeug, ein und
konnte damit etwa eine Stunde lang in 13 km Höhe beobachten.
Der Nachfolger war das mit 91 cm bereits deutlich größere NASA
Kuiper-Airborne-Observatory (KAO), das eine Lockheed C-141
als Plattform benutzte und zwischen 1975 und 1995 sehr erfolg­
reich Beobachtungsflüge durchführte. Bei diesen Beobachtungs­
flügen waren deutsche Wissenschaftler zunächst gastweise, spä­
ter jedoch regelmäßig und mit eigenen Instrumenten dabei. Der
Erfolg des KAO ermutigte die NASA und das DLR, mit SOFIA
den nächsten Schritt zu gehen und ein 2,7 m-Teleskop auf eine
Boeing 747 bringen, um auf diese Weise ein echtes Observatori­
um für internationale astronomische Forschung zu betreiben.
3. Das Observatorium
Kurz vor Weihnachten 1996 unterzeichneten NASA und DLR of­
fiziell ein Memorandum of Understanding (MoU) zu SOFIA.
Darin vereinbarten sie eine 80/20 Kollaboration mit Deutsch­
land als 20% Partner. Deutschland verpflichtete sich darin, das
Teleskop, 20% der Betriebsmannschaft und 20% der Betriebs­
kosten des Observatoriums beizustellen. Dafür erhält Deutsch­
land 20% der Beobachtungszeit während der geplanten Lebens­
dauer des Projektes von 20 Jahren. Das DLR beauftragte 1997 ein
9
Der sonnennächste Punkt einer Bahn.
70
SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM
Konsortium der Firmen MT-Mechatronik (Mainz) und Kay­
ser-Threde (München) mit der Entwicklung und dem Bau des
Teleskops und 2004 dann die Universität Stuttgart mit der Orga­
nisation und Gestaltung des deutschen Anteils zum Betrieb des
SOFIA Observatoriums durch das Deutsche SOFIA Institut. Die­
ses Institut befindet sich seit kurzem im Raumfahrtzentrum Ba­
den-Württemberg in Stuttgart.
SOFIA beruht auf einer Boeing 747SP, einer verkürzten Form
des bekannten 747 „Jumbo Jet“, die jedoch auf Grund der Modifi­
kation eine erheblich größere Reichweite erzielt und auch eine
Gipfelhöhe von 14 km erreichen kann. Das gebraucht gekaufte
Flugzeug hatte zuvor bereits über etwa 20 Jahre lang als Clipper
Lindbergh bei der PanAm und bei United Airlines Dienst getan,
bevor es für SOFIA völlig umgebaut und danach erneut auf die­
sen passenden Namen getauft wurde. Mit SOFIA wurde luft­
fahrttechnisch Neuland beschritten. Noch nie zuvor ist ein
Großraumflugzeug so stark umgebaut und modifiziert worden.
Abb. 3 zeigt eine schematische Darstellung des Flugzeugs.
Am auffälligsten ist das große Tor hinter den Tragflächen. Es be­
deckt eine Öffnung von etwa 4 m x 6 m und ist damit so groß
wie zwei Garagentore. Es hat die Form eines Zylindersegmentes
und bedeckt den Teleskopraum. Mit diesen Ausmaßen ist die Te­
leskopöffnung die größte fliegende Rumpföffnung in der Luft­
fahrtgeschichte.
Das Teleskop (Abb. 4) ist ein klassisches Cassegrain System
mit Primär- und Sekundärspiegel, bei dem das Licht jedoch
durch einen zusätzlichen Tertiärspiegel in den Nasmyth Fokus 10
umgelenkt wird. Die Lagerung ist eine azimutale Montierung,
bei der die Lagerung in eine Tragwand im Flugzeug eingebaut
wurde. Die Tragwand dient darüber hinaus als Druckschott und
stellt auch die Temperaturgrenze dar: Während im Teleskop­
raum während der Beobachtungen die Außenluft frei zirkuliert,
ist der vordere Teil des Flugzeugs, die Kabine mit dem Kontroll­
10
Die beiden Nasmythfokusse liegen auf der horizontale Achse des Te­
leskops. Bei SOFIA wird jedoch nur eine Fokusposition benutzt.
71
ALFRED KRABBE
deck, angenehm temperiert. Das Herzstück der Teleskopmontie­
rung bildet eine Ölfilm-geschmierte sphärische Lagerkugel mit
einem Durchmesser von 1,2 m und einer Oberflächengenauig­
keit im Bereich weniger Mikrometer.
Abb. 3: Schematische Darstellung des SOFIA Observatoriums.
Der Nasmythfokus ragt mit den Gegengewichten und einem Teil
des Antriebs und dem Hauptteil der Versorgungsleitungen in die
Flugzeugkabine und auch das wissenschaftliche Instrument wird
dort montiert. Vom Kontrolldeck aus werden das wissenschaft­
liche Instrument, das Teleskop, das Tor und weitere Geräte ge­
steuert, sobald das Observatorium vom Piloten im Cockpit frei­
gegeben worden ist. Vorn im Flugzeug sind einige Sitze für
mitfliegende Personen aus dem Bereich Bildung- und Öffent­
lichkeitsarbeit reserviert (siehe Kap. 6). Schwere Hilfsgeräte wie
Ölpumpen, Wasserkühlung und Vakuumpumpen sind im vorde­
ren Unterdeck untergebracht.
72
SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM
Abb. 4: Aufbau des SOFIA Teleskops. M3-1 und M3-2 sind die beiden
Tertiärspiegel. Der obere dichroitische Spiegel reflektiert Infrarotstrah­
lung und etwa ein Drittel der sichtbaren Strahlung. Der untere Voll­
spiegel reflektiert die von M3-1 durchgelassene sichtbare Strahlung.
Hinter dem Teleskopraum ist die Teleskopklimatechnik instal­
liert. Bevor das Observatorium startet, wird das Teleskop bereits
durch Hineinblasen von flüssigem Stickstoff auf etwa -40° C ab­
gekühlt, damit in Flughöhe sofort mit den Beobachtungen be­
gonnen werden kann. Nach Abschluss der Beobachtungen wird
das Teleskop vor dem Sinkflug durch trockene Luft (Taupunkt
etwa -70 °C) wieder aufgewärmt, damit sich kein Kondenswasser
absetzt, was der Optik, Mechanik und der Elektrik schadet.
In der oberen Etage im Bereich der früheren 1. Klasse befin­
den sich Messgeräte, mit denen das Verhalten des Flugzeugs auf­
gezeichnet wird. SOFIA ist ein Unikat und wird daher genau
überwacht. Auf derselben Ebene befindet sich auch der Wasser­
dampfmonitor, mit dem der Wasserdampfgehalt der Restatmo­
sphäre über dem Flugzeug verfolgt wird. Diese Information ist
für die Kalibrierung der Beobachtungsdaten essentiell.
73
ALFRED KRABBE
Das Teleskop wird im Betrieb von den besten verfügbaren
faseroptischen Gyroskopen inertial stabilisiert. Die Gyroskope
wiederum werden durch bis zu 3 Nachführkameras laufend ge­
stützt. Zwei der Kameras sitzen auf dem Frontring, die dritte Ka­
mera sieht den sichtbaren Anteil des vom Teleskop gelieferten
Bildes (Abb. 4). Dazu ist der Tertiärspiegel M3-1 so ausgeführt,
dass er das infrarote Licht reflektiert, das sichtbare Licht jedoch
transmittiert. Dies Licht wird dann von einem zweiten Tertiär­
spiegel M3-2 unterhalb des infraroten Lichtstrahls durch das
Nasmythrohr geführt und auf die Fokalebenenkamera gelenkt.
Die Bilder 5 bis 7 zeigen Teilansichten des Observatoriums
von innen und von außen.
Abb. 5: Blick in den vorderen Teil des Kontrolldecks. Die Wendeltreppe
zum oberen Deck und zum Cockpit ist nahezu unverändert, die Sitz­
reihen haben dagegen Konsolen (im Bild vorn rechts) und Steuerrech­
nern und Energieversorgung (im Bild hinten links hinter den Feuerlö­
schern) Platz gemacht. Auch die Decke wurde stark verändert.
74
SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM
Abb. 6: Das Teleskop bei geöffnetem Teleskopraum. Der Hauptspiegel
reflektiert den blauen Taghimmel. Darüber ist mit 3 Streben der Se­
kundärspiegel montiert. Der Tertiärturm ragt durch eine zentrale Boh­
rung des Hauptspiegels. Auf dem Frontring ist eine der beiden Kame­
ras zu sehen. Die Tragstruktur des Teleskops besteht durchgängig aus
Kohlefaser und erscheint deshalb dunkel. Von unten schiebt sich die
flexible Tür ins Bild, mit der die freie Öffnung so klein wie möglich ge­
halten wird.
Abb. 7: Das Tele­
skop bei nächtli­
chen Testbeobach­
tungen auf dem
Flugfeld. Der Tele­
skopraum ist er­
hellt und hebt die
Teleskopstruktur
deutlich ab.
75
ALFRED KRABBE
SOFIAs Heimatflughafen ist die NASA Dryden Aircraft Operati­
ons Facility (DAOF) des NASA Dryden Flight Reseach Centers
(DFRC) in Palmdale Kalifornien, etwa 1 Autostunde nördlich von
Los Angeles. Dort finden auch alle flugzeugbezogenen Arbeiten
statt. Das wissenschaftliche Zentrum von SOFIA ist traditionell
auf dem Gelände des NASA Ames Research Center in Moffett
Abb. 8: SOFIA bei einem Testflug mit geöffneter Tür. Das Teleskop war
bei diesem Flug zum Schutz gegen Sonnenstrahlen abgedeckt.
4. Erste Beobachtungen
Nach dem Abschluss der Umbaumaßnahmen begann im No­
vember 2009 mit den Testflügen ein spannendes Jahr für SOFIA.
Gleich im Dezember wurde zum ersten Mal die Teleskoptür ge­
öffnet und das Flugverhalten des Observatoriums untersucht. Es
stellte sich heraus, dass sich SOFIA bei geöffneter Tür extrem
gutmütig verhält und keine gefährlichen Turbulenzen durch die
76
SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM
Öffnung erzeugt werden. Die Abb. 8 entstand während dieser
Zeit. Bei Tagflügen war der Primärspiegel des Teleskops abge­
deckt, denn Sonnenstrahlen auf dem Teleskop wären wegen Ih­
rer Bündelung durch die Optik extrem gefährlich für das Flug­
zeug.
Im April 2010 wurde das Teleskop bei offenem Tor zum ersten
Mal erfolgreich inertial stabilisiert. 4 Wochen später wurde am
25./26. Mai 2010 zum ersten Mal ein Nachtflug süd-westlich von
Los Angeles über dem Pazifik durchgeführt. Dieser erste und so­
gleich erfolgreiche astronomische Beobachtungsflug von SOFIA
war ein sehr emotionales Erlebnis für alle Beteiligten, vor allem
für diejenigen, die während der 14 Jahre zwischen den Projektbe­
ginn und dem „First Light“ diesen Augenblick durch alle Höhen
und Tiefen im Projektverlauf herbeigesehnt hatten. Abb. 9 zeigt
das erste SOFIA Infrarotbild von Jupiter mit einigen der Galilei­
schen Monde.
Abb. 9: Das erste astronomische Bild vom 26. Mai 2010 mit SOFIA zeigt
Jupiter und einige seiner hellsten Monde in einer Kompositaufnahme
bei 5,4, 24 und 37 µm Wellenlänge in einer Falschfarbendarstellung.
Im Dezember 2010 erfolgte der erste wissenschaftliche Flug mit
SOFIA11 und im April 2011 die ersten wissenschaftlichen Beob­
achtungen mit einem deutschen Instrument. Dies war der Be­
ginn für ein erstes wissenschaftliches Beobachtungsprogramm
11
Die daraus resultierende erste wissenschaftliche Veröffentlichung
mit SOFIA Beobachtungen findet man bei Meech et al., 2011.
77
ALFRED KRABBE
mit dem Namen „Early Science“ im Jahre 2011. Das Projekt wollte
zum frühest möglichen Zeitpunkt die wissenschaftliche Qualität
von SOFIA demonstrieren und die wissenschaftliche Gemein­
schaft in USA und Deutschland mit einbeziehen. Dabei wurden
Risiken bewusst in Kauf genommen, denn weder das Teleskop
noch die wissenschaftlichen Instrumente waren zu dem Zeit­
punkt wirklich ausgereift. Zur Vorbereitung dieses Wissen­
schaftsprogramms wurden kurzfristig in USA und in Deutsch­
land Aufrufe zur Einsendung von Beobachtungsanträgen her­
ausgegeben und ein Reer-Review, ein Begutachtungsverfahren
wie in der Astronomie üblich, eingerichtet. SOFIA bestand diese
Feuerprobe mit Bravour, wobei der persönliche Einsatz vieler
Einzelner weit über die reguläre Arbeitszeit hinaus den Erfolg si­
cherstellte.
Für SOFIA wurden in der ersten Generation sieben wissen­
schaftliche Instrumente entwickelt (Tabelle 1). Es sind 4 spektral
breit- und schmalbandige Kameras, die zusammen den gesam­
ten optischen und infraroten Spektralbereich bis 300 µm abde­
cken: HIPO (0,3 – 1,1 µm), FLITECAM (1,0 – 5,5 µm), FORCAST
(5,6 – 38 µm) und HAWC (40 – 300 µm). Von diesen stehen die
ersten drei bereits zur Verfügung, der erste Einsatz von HAWC
ist für 2014 geplant.
Darüber hinaus wurden für die erste Instrumentengeneration
von SOFIA 3 Spektrometer für die Spektralbereiche mittleres
und fernes Infrarot (MIR und FIR) entwickelt: EXES (5 – 29 µm,
spektrale Auflösung 3·103 - 105), FIFI-LS (42 – 210 µm, spektrale
Auflösung 1·103 – 3·103) und GREAT (62 – 240 µm, spektrale Auf ­
lösung 104 - 108). Von diesen Instrumenten steht GREAT bereits
zur Verfügung, die übrigen beiden folgen Anfang 2014. Bei
GREAT handelt es sich um einen Heterodyn-Empfänger, wie er
auch in Radios Verwendung findet. Deshalb ist die spektrale
Auflösung nicht vom Instrument vorgegeben, sondern orientiert
sich an den jeweiligen wissenschaftlichen Aufgaben.
Sowohl FLITECAM wie auch FORCAST besitzen zuschaltbare
Gitterprismen, sogenannte Grisms, die auch für (jedoch spalt­
78
SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM
lose) Spektroskopie mit einer Auflösung von etwa 2000 benutzt
werden können.
Tabelle 1: Instrumente der ersten Generation für SOFIA
5. Erste Wissenschaftliche Ergebnisse
Aus den 30 Beobachtungsflügen im Rahmen des „Early Science“Programms wurden 2011 so viele exzellente Beobachtungsdaten
gewonnen, dass inzwischen bereits mehr als 30 Publikationen in
referierten Zeitschriften veröffentlicht wurden.12 Da die Darstel­
lung der Ergebnisse den Rahmen dieses Beitrags bei weitem
übersteigt, sollen hier nur wenige Beispiele exemplarisch und
kurz dargestellt werden.
12
Special Edition von Astronomy & Astrophysics 2012, vol. 542, 22 Art.
L1 – L22; Special Collection von Astrophysical Journal 2012, vol. 749,
8 Art. L17 – L24.
79
ALFRED KRABBE
5.1 Plutobedeckung mit HIPO
Pluto gehört zur Klasse der Zwergplaneten in unserm Sonnen­
system und wird von Charon und noch zwei weiteren jedoch
kleinen Monden13 Nix und Hydra umkreist. Mit einem Durch­
messer von etwa 2400 km ist Pluto nur knapp halb so groß wie
Merkur, hat jedoch eine dünne Stickstoffatmosphäre mit der
Temperatur von 50 Kelvin und einer Höhe von etwa 1000 km.
Der Atmosphärendruck beträgt am Boden etwa 1 hPa, was nur
1/100000 des irdischen Luftdrucks ist. Pluto bewegt sich auf sei­
ner stark elliptischen Bahn zur Zeit von der Sonne fort, so dass
Modellrechungen davon ausgehen, dass die Atmosphäre des Plu­
to demnächst ganz ausfrieren könnte. Die Überprüfung dieser
Hypothese und die Erforschung der Plutoatmosphäre gelingt am
besten mit Hilfe einer Sternbedeckung.
Dabei bewegt sich die Erde mit einer Geschwindigkeit von ca.
24 km/s durch den Schatten, den Pluto mit einem weit entfern­
ten Stern wirft, der zufällig in der passenden Richtung steht.
Solche beobachtbaren Sternbedeckungen mit Pluto kommen
alle paar Jahre vor. Bei einem Schattendurchmesser von der Grö­
ße des Plutodurchmessers ist jedoch erstens die Wahrscheinlich­
keit gering, dass eine professionelle Sternwarte gerade ideal auf
der Zentrallinie der Sternenverfinsterung liegt und zweitens
dauert das ganze Ereignis auch nur ca. 100 Sekunden, wie man
leicht nachrechnen kann. SOFIA ist wegen seiner Mobilität die
ideale Plattform für solche Beobachtungen, denn es kann se­
kundengenau auf die Zentrallinie der Verfinsterung manövriert
werden. Allerdings ist dabei zu beachten, dass sich der Schatten
etwa 100 mal schneller bewegt als ein Flugzeug. Außerdem muss
Pluto während dieses Ereignisses bei Nacht so weit über dem
Horizont stehen, dass er vom SOFIA-Teleskop im Elevationsbe­
reich zwischen 23° und 58° erfasst werden kann.
13
Im Juni 2011 wurden mit dem Hubble Space Telescope noch zwei
weitere sehr kleine Pluto Monde entdeckt.
80
SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM
Abb. 10: Plutos Schattenwurf auf den pazifischen Ozean während der
Sternbedeckung vom 23. Juni 2011. Die Größe des Plutoschattens ist
durch den grauen Kreis markiert, seine Bewegungsrichtung durch den
gelben Pfeil angezeigt. SOFIAs Flugroute folgt der roten Linie. Zum
Zeitpunkt der Bedeckung flog SOFIA etwa senkrecht zur Schatten­
bahn. Diese Route ergibt sich aus der Position von Pluto am Himmel.
Er stand zur Zeit der Bedeckung senkrecht über dem eingezeichneten
Fußpunkt (Dunham, Wolf et al., 2012).
Am 23. Juni 2011 bot sich diese Gelegenheit über dem Südpazifik.
Es wurde ein entsprechender Beobachtungsflug mit dem HIPO
Instrument vorbereitet. HIPO hat auch einen schnellen Kamera­
modus, der im sichtbaren Spektralbereich etwa 400 Bildern/Se­
kunde aufnehmen kann. Weiterhin war geschickterweise eine
optische Testkamera mit ähnlicher Datenrate am Ort der Fokal­
kamera für Teleskoptests installiert. Auf diese Weise konnte so­
81
ALFRED KRABBE
wohl das vom Tertiärspiegel reflektierte sichtbare Licht, wie
auch das transmittierte Licht benutzt werden. Diese Beobach­
tung benutzte nicht die Infrarotstrahlung sondern sichtbares
Licht. SOFIA spielte bei dieser Beobachtung seine weltweite Mo­
bilität als weitere Stärke aus (Abb. 10).
Parallel zum SOFIA wurde Pluto von zwei Bodenteleskopen
beobachtet. Dadurch war es möglich die Bahn des Pluto sehr ge­
nau zu bestimmen und SOFIA möglichst genau während der
Verfinsterung auf die Zentrallinie des Schattens zu dirigieren.
Die Beobachtungskampagne verlief so erfolgreich, dass die Zen­
trallinie zur richtigen Zeit innerhalb von 100 km Abstand getrof­
fen wurde. Die Qualität der Messungen ist deutlich besser als
alle bisherigen Versuche vom Boden. Leider können die Ergeb­
nisse hier aus urheberrechtlichen Gründen nicht abgebildet wer­
den, da die Daten noch nicht offiziell publiziert sind (Dunham,
Wolf et al., 2012). Es zeigt sich jedoch bereits, dass die Atmo­
sphäre des Pluto noch nicht ausgefroren ist. Für SOFIA war diese
Beobachtung wegen der hohen Komplexität und des sehr
schmalen Zeit- und Ortsfensters eine frühe Reifeprüfung, die es
mit Bravour bestanden hat.
5.2 Das galaktische Zentrum mit FORCAST
Das 8000 pc entfernte14 Zentrum unserer Milchstraße können
wir im sichtbaren Licht nicht beobachten, weil entlang der
Sichtlinie dicke Staub- und Gaswolken liegen, die das ausge­
sandte Licht absorbieren. Aus früheren Beobachtungen im NIR
und MIR vom Boden aus wissen wir von dem zentralen Stern­
haufen und dem Schwarzen Loch mit etwa 4 Millionen Sonnen­
massen (Ghez et al., 2008, Gillessen et al., 2009). Weiterhin ist
die Existenz von vielen jungen Sternen im Zentralbereich ein
Rätsel (Eisenhauer et al., 2005). Sternbildung im Zentralbereich
erfordert zuallererst einen gewissen Massefluss in das Zentral­
14
1 pc = 1 parsec = 1 Parallaxensekunde = 3,26 Lichtjahre (vgl. Anm. 12
in Krabbe, 2010).
82
SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM
gebiet hinein. Mit dem Kuiper Airborne Observatory (KAO)
wurde bereits 1982 ein molekularer Thorus um das Zentralgebiet
entdeckt (Becklin, Gatley, & Werner, 1982). Unklar ist bislang, ob
dieser Thorus genügend Material bereitstellen kann um eine
Episode der Sternentstehung im Zentralgebiet zu initiieren.
Mit SOFIA galt es nun, den Thorus im FIR zunächst einmal
mit viel besserer Winkelauflösung als bislang möglich zu ver­
messen und hinsichtlich seiner Morphologie, der Temperatur­
verteilung und anderen Kenngrößen zu charakterisieren. Dazu
wurde das Instrument FORCAST benutzt und die Region bei
drei Wellenlängen: 19 µm, 31 µm und 39 µm abgebildet. Die drei
erhaltenen Aufnahmen wurden zu einer Falschfarbenaufnahme
so kombiniert, dass die Farbe blau dem kurzwelligen Kanal ent­
sprach und rot dem langwelligen. Der mittlere Kanal erhielt die
Farbe grün. Das Ergebnis ist in Abb. 11 in zwei verschiedenen
Darstellungen gezeigt.
Im Hintergrund erkennt man den Ring, der durch eine Struk­
tur im Vordergrund teilweise überstrahlt wird. Bei der hellen
Struktur im Vordergrund, die eher wie ein liegendes „Y“ aussieht,
handelt es sich um Gasströme an deren Kreuzungspunkt sich das
Zentrum unserer Milchstraße mit dem Schwarzen Loch befin­
det. Diese Gasströme scheinen eine physikalische Verbindung zu
dem Ring zu besitzen. Der Ring selbst ist ein fast perfekter Kreis,
dessen Ebene um 72° gegenüber der Himmelsebene geneigt ist.
Er hat einen Radius von 1,5 pc und ist damit mehr als doppelt so
groß wie der Abstand der Sonne vom dem ihr nächsten Stern
(Proxima Centauri). Die Dicke des Ringes ist nur etwa 1/10 seines
Durchmessers, so dass man besser von einer Scheibe spricht.
Während die blaue Emission eher von der Innenseite des Ringes
zu kommen scheint, ist es mit der roten Emission eher umge­
kehrt; sie betont mehr den Außenrand. Die zentralsymmetrische
Verteilung der Farben spiegelt eine entsprechende Temperatur­
verteilung wider. Daraus folgt, dass der Ring von innen geheizt
wird und keine eigene dominante Energiequelle besitzt. Abb. 11
ist das schärfste und klarste Bild, das wir bislang von dieser
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ALFRED KRABBE
Scheibe haben. Weitere Betrachtungen müssen der Veröffentli­
chung vorbehalten bleiben, die in Vorbereitung ist (Herter, Mor­
ris et al., 2012).
Abb. 11: Die ferninfrarot Emission der zirkumgalaktischen Scheibe im
Zentrum unserer Milchstraße, wie sie mit FORCAST beobachtet wurde
(Herter, Morris et al., 2012). Die beiden Darstellungen unterscheiden
sich nur durch die Helligkeitsdarstellung, um die unterschiedlichen
Emissionsgebiete herauszuarbeiten. Erläuterungen im Text.
5.3 Sternentstehung in M17 SW mit GREAT
Wie bereits erwähnt, findet Sternentstehung tief in Inneren von
Molekül- und Staubwolken statt und ist in der Regel nicht im
sichtbaren Spektralbereich beobachtbar. Messier15 17 Süd-West
(M17 SW) ist ein Gebiet mit gerade entstandenen jungen Sternen
und einer benachbarten Wolke molekularen Gases. Die Masse
dieser Wolke entspricht etwa 104 Sonnenmassen und die Wolke
wechselwirkt mit dem Sternenwind und der Strahlung der neu­
en Sterne. Durch die räumliche Nähe zwischen jungen Sternen
15
Der französische Astronom erstellte den nach ihm benannten Kata­
log nebelhafter Objekte.
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SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM
und Molekülwolke entsteht in den oberflächennahen Zonen der
den jungen Sternen zugewandten Seite der Molekülwolke eine
Wechselwirkungszone, die einer Chemiefabrik gleicht. Diese
Zone ist ein energetisch offenes System und in ihr laufen eine
große Zahl physikalischer und chemischer Prozesse ab. Die Art
der Vorgänge und der Zwischenprodukte hängt dabei sehr deut­
lich davon ab, wie weit jede Schicht von der Oberfläche der Mo­
lekülwolke entfernt ist: oberflächennahe Bereiche sind heiß und
dissoziiert, tiefere Schichten sind nur warm und reaktiv. Man
nennt diese Zone photonendominierte Region und seine Unter­
suchung stellt ein Hauptarbeitsgebiet des GREAT Spektrometers
(Abb. 12) dar.
Abb. 12: Das GREAT Instrument betriebsbereit am SOFIA Tele­
skopflansch. Dies Bild zeigt die Kabinenseite des Teleskops. Die blauen
Balanciergewichte umgeben den Teleskopflansch wie Kreissegmente.
85
ALFRED KRABBE
In der Abb. 13 ist diese Wechselwirkungsregion in einer NIR Auf­
nahme zu sehen. Die heißen Sterne leuchten von links die Mole­
külwolke an, deren Oberfläche als Reaktion hell erstrahlt. Hinter
der Oberfläche beginnt der verborgenen Teil der Molekülwolke,
von der wir nur Infrarotstrahlung empfangen. Mit dem GREAT
Instrument wurde die Emission zweier Spezies in dieser Wech­
selwirkungsregion kartiert: Kohlenmonoxid (CO) bei einem
Übergang von 1,5 THz entsprechend einer Wellenlänge von 200
µm und einfach ionisierter Kohlenstoff CII bei einem Übergang
von 1,9 THz entsprechend einer Wellenlänge von 159 µm 16. Die
eckige Klammer […] verweist darauf, dass die spezielle Emission
quantenmechanisch verboten ist da sie auf einem Feinstruktur­
übergang beruht.
In dem Bild ist leicht zu sehen, dass die räumliche Verteilung
der beiden Emissionen deutlich voneinander verschieden ist. Es
zeigt sich, dass das CO Molekül tiefer im Inneren der Molekül­
wolke existiert, während der ionisierte Kohlenstoff etwas näher
an deren Oberfläche entsteht. Eine genaue Analyse der Daten er­
gibt jedoch noch weitergehende Informationen: Die Molekül­
wolke liegt nicht als massives Gebilde vor, sondern sie hat eine
hierarchische Substruktur mit einer sehr großen inneren Ober­
fläche. Diese Erkenntnis ist für die Modellierung der Wolke und
ihrer chemischen Entwicklung von großer Bedeutung (PérezBeaupuits et al., 2012).
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass jede der Emis­
sionskarten mit nur einem Detektor aufgenommen wurde. Die­
ser wurde während der Beobachtung mäanderförmig über das
Gebiet bewegt. Später wurden die Daten mit Rechnerhilfe wie­
der zu einem Bild zusammengesetzt. Da SOFIA mehr als ein
Dutzend innerer Koordinatensysteme hat und die Beobachtun­
gen mehrfach unterbrochen werden mussten, ist dies Ergebnis
zu dem frühen Zeitpunkt des Teleskopsbetriebs auch beobach­
tungstechnisch eine Meisterleistung.
16
Neutraler Kohlenstoff wird entsprechend als CI bezeichnet, wobei
„I“ eine römische 1 darstellt.
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SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM
Abb. 13: Das Sternentstehungsgebiet Messier 17 SW wurde in den bei­
den spektralen Übergängen von CO (1,5 THz) und [CII] (1,9 THz) mit
dem GREAT Instrument kartiert (Pérez-Beaupuits et al., 2012). Diese
Karten sind die beiden Teilbilder rechts. Die Lage dieser Teilbilder in
M17 SW ist auf dem großen Bild links durch den roten Rahmen gezeigt.
Das große Bild dient der Orientierung und ist eine NIR Aufnahme mit
dem Spitzer Space Telescope. Die beiden Einsätze auf dem großen Bild
zeigen die spektrale und räumliche Verschiedenheit beider Übergänge.
Weitere Einzelheiten im Text.
6. Bildung und Öffentlichkeit
Von Beginn an war die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit so­
wohl in den USA wie auch in Deutschland fester Bestandteil des
SOFIA Projektes. Beide Länder arbeiten unabhängig voneinan­
der, kooperieren jedoch bei Gelegenheit. Während das Öffent­
lichkeitsprogramm das Ziel hat, die breite Öffentlichkeit in
Deutschland durch die Nutzung verschiedenster Kanäle und
Medien mit SOFIA und seinen Ergebnissen bekannt zu machen,
zielt die Bildungsarbeit auf die Integration von SOFIA in ein
bundesweit agierendes Partnerschulprogramm zur Erzielung ei­
ner nachhaltigen Wirkung bei Schülern im wissenschaft­
87
ALFRED KRABBE
lich-technischen Unterricht. SOFIA hat mittlerweile 36 Partner­
schulen in allen Bundesländern und arbeitet eng mit dem Haus
der Astronomie in Heidelberg zusammen.
Im SOFIA Flugzeug sind mehrere Sitzplätze für mitfliegende
Lehrer reserviert. Das DSI plant, künftig etwa 8 Lehrer pro Jahr
durch Mitflüge so nah wie möglich an die astronomische For­
schung heranzuführen. Dazu wird eine intensive Betreuung und
Schulung der Lehrer durchgeführt. Die ersten zwei Lehrer sind
bereits 2011 mitgeflogen und ihre Erfahrungen werden zur Zeit
ausgewertet.
7. Zusammenfassung
SOFIA hat sich nach einer langen Entwicklungszeit nun endgül­
tig in der deutschen und amerikanischen Sternwartenszene eta­
bliert. Im Frühjahr 2012 wurden die letzten Restarbeiten erledigt,
so dass im Herbst 2012 der planmäßige Beobachtungsbetrieb mit
diesem außergewöhnlichsten Observatorium in der Astronomie­
landschaft aufgenommen werden kann.
Ich danke T. Herter und T. Dunham für die Überlassung von
Beobachtungsergebnissen vor deren Veröffentlichung und T.
Keilig für die kritische Durchsicht des Manuskriptes. Das Bild­
material wurde von NASA, DLR, USRA, DSI und vom Autor zur
Verfügung gestellt. SOFIA wird weiterhin gemeinsam betrieben
durch die Universities Space Research Association, Inc. unter
dem NASA-Vertrag NAS2-97001 und durch das Deutsche SOFIA
Institut an der Universität Stuttgart unter dem DLR-Raumfahrt­
management Vertrag 50 OK 0901. SOFIA wird im Auftrag des
DLR- Raumfahrtmanagements mit Mitteln des Bundesministeri­
ums für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses
des Deutschen Bundestages durchgeführt.
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SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM
Quellenangaben
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Dunham, E./Wolf, J. et al., 2012: in Vorbereitung.
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Ghez, A.M. et al., 2008: Measuring Distance and Properties of the Mil­
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Gillessen, S. et al., 2009: Monitoring Stellar Orbits Around the Massive
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Herter, T./Morris M. et al., 2012: Astrophysical Journal, in Vorbereitung.
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