Auszug aus Ch. Ammer (Hg.), Weite Horizonte, Hannover 2012 Alfred Krabbe SOFIA – Ein fliegendes Infrarotobservatorium Einleitung Ein schwingungsentkoppeltes stabiles Fundament möglichst auf gewachsenem Felsen ist die beste Basis für ein ausgezeichnetes Teleskop auf dem Erdboden. Auch in der Schwerelosigkeit des Weltraums mit seinen nur minimalen äußeren Kräften lassen sich Teleskope routinemäßig bis an ihre Beugungsgrenze stabili­ sieren. Das Stratosphären Observatorium Für Infrarot Astronomie SOFIA1 dagegen betritt Neuland. Als flugzeug-getragenes Tele­ skop in einer Operationshöhe von bis zu 14 km kann es sich weder auf ein gutes Fundament abstützen, noch wird es in einer ruhigen Umgebung betrieben. Dennoch ist es das Ziel der Pro­ jektträger, mit SOFIA eine Richtungsstabilität von bis zu ehrgei­ zigen 0,2 Bogensekunden rms zu erreichen 2. Man könnte meinen, die Verantwortlichen hätten im SOFIA Projekt alle Er­ fahrungen schlicht vergessen. Wenn sich die NASA zusammen mit dem Deutschen Zen­ trum für Luft- und Raumfahrt (DLR) dennoch auf ein solches Unternehmen einlassen, dann müssen dafür gute Gründe vorlie­ gen. Um diese Hintergründe, die technische Realisierung und die ersten wissenschaftlichen Ergebnisse wird es in diesem Bei­ trag gehen. 1 2 Die Betonung liegt auf dem „i“. rms: root mean square ist ein mathematisches Format für die Anga ­ be von statistischen Fehlern. Im Deutschen nennt man sie: Wurzel aus der mittleren quadratischen Abweichung. 64 SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM 1. Der Infrarote Himmel Die elektromagnetische Strahlung ist bislang immer noch der fast einzige Weg, um Informationen über Objekte zu erhalten, die sich außerhalb unseres Sonnensystems befinden. 3,4 Jeder Spektralbereich von der hochenergetischen γ-Strahlung bis zu den Radiowellen wird inzwischen astronomisch genutzt. Der Grund dafür liegt in den unterschiedlichen spektralen Signatu­ ren, durch die sich physikalische Prozesse im elektromagneti­ schen Spektrum verraten und durch die sie astronomisch identi­ fiziert und interpretiert werden können. Wegen der Beziehung 5 E = hν sind dabei hochenergetische Prozesse eher mit der Emis­ sion von Röntgen- und γ-Strahlen verknüpft, während Radio­ strahlung eher bei niederenergetischen Prozessen frei wird. Des­ halb ist die Einbeziehung des gesamten Spektralbereichs in die astronomische Modellbildung unabdingbar. Der infrarote Spektralbereich und damit auch der infrarote Himmel ist einer der letzten grauen Bereiche in der Astronomie. Dies liegt vor allem an den technischen Schwierigkeiten, Emp­ fänger und Instrumente mit ausreichender Empfindlichkeit für die schwache astronomische Infrarotstrahlung bereitzustellen. Die ersten erfolgreichen Infrarotbeobachtungen an Objekten au­ ßerhalb des Sonnensystems wurden erst in den 60er Jahren des vergangen Jahrhunderts durchgeführt (z.B. Neugebauer, Martz, & Leighton, 1965). Inzwischen hat sich die instrumentelle Situa­ tion zwar erheblich verbessert, doch ist die Erhöhung der Emp­ findlichkeit und auch die Erhöhung der Zahl strahlungsemp­ findlicher Pixel in astronomischen Detektoren auch weiterhin 3 4 5 Die Grenze des inneren Sonnensystems liegt bei der Heliopause in einer Entfernung von ~ 100 AE. Die Astronomische Einheit (AE) wird durch den Abstand Erde-Sonne = 149,6 · 109 m definiert (vgl. Anm. 14 in Krabbe, 2010). Es ist inzwischen aber z.B. möglich, mit Raumsonden interstellaren Staub einzufangen. E ist die Energie, h die Planck Konstante, die Frequenz der elek­ tromagnetischen Strahlung. 65 ALFRED KRABBE ein großes Thema. So arbeiten astronomische Heterodynemp­ fänger im fernen Infraroten noch immer mit nur einem (!) Pixel. Optische Fotokameras weisen dagegen leicht > 107 Pixel auf. Der infrarote Spektralbereich hat etwa 10-mal so viele Farben und Informationen wie der sichtbare Spektralbereich. Deshalb haben die Astronomen ihn in vier Unterbereiche aufgeteilt: Na­ hes Infrarot (NIR) 0.9 – 3 µm, Mittleres Infrarot (MIR) 3 – 30 µm, Fernes Infrarot (FIR) 30 – 300 µm, Submillimeter (Sub-mm) 300 µm – 1 mm.6 Angegeben ist dabei jeweils der Wellenlängen­ bereich. Der Himmel über uns strahlt vor allem im infraroten Spek­ tralbereich und bietet deshalb ein reiches astronomisches For­ schungsfeld. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass das Weltall im Mittel kalt ist und von der kosmischen MikrowellenHintergrundstrahlung mit einer Temperatur von etwa 3 Kelvin dominiert wird. Auch die Dunkelheit des Himmels bei Nacht ist ein Hinweis auf die niedrige Temperatur des Weltalls. Zwar stahlt die Sonne und auch die Sterne emittieren als heiße Körper sichtbare und auch kurzwellige ultraviolette Strahlung. Doch die Sterne sind räumlich nur kleine Gebilde und trotz ihrer großen Zahl dominieren sie die Gesamtmasse des Weltalls nicht, son­ dern sind eher die „Highlights“. Im infraroten Spektralbereich spielt dagegen vor allem die Physik und Chemie der Moleküle und der Stäube eine große Rol­ le. Die großen Räume zwischen den Sternen sind häufig mit rie­ sigen Molekül- und Staubwolken besetzt, in deren Inneren sich komplexe chemische und physikalische Prozesse abspielen. Die­ se werden durch die hochenergetische und allgegenwärtige kos­ mische Strahlung und auch durch die Wechselwirkung dieser Wolken mit der Strahlung und dem Wind der sie umgebenden Sternen initiiert und unterhalten. Als Beispiel sei die Bildung neuer Sterne genannt, die tief im Inneren von komprimierten Molekülwolken beginnt. Die spektralen Signaturen dieser che­ 6 Die Grenzen zwischen den Bereichen sind nicht scharf, sondern va­ riieren in der Literatur etwas. 66 SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM mischen Vorgänge sind extrem wichtig für unser Verständnis der Sternbildung; sie sind jedoch nur im infraroten Spektralbereich zu beobachten (Abb. 1+2). Ähnliches gilt auch für die physikali­ schen und chemischen Prozessen bei der Planetenentstehung. Die Koexistenz von Staub und chemischen Molekülen in die­ sen Wolken ist noch aus einem weiteren Grund bedeutsam. Der im Mittel submikrometer-feine Staub verwehrt den Einblick in diese Wolken, weil er verhindert, dass sichtbare Strahlung die Wolke verlässt oder durchdringt. Nur Infrarotstrahlung mit einer deutlich größeren Wellenlänge als der mittlere Durchmesser der Staubteilchen kann uns aus dem Inneren dieser Wolken Infor­ mationen liefern, weil diese Strahlung nicht mehr gestreut und nur minimal absorbiert wird. Auch wenn hier bislang nur die Chemie und Physik der Mole­ külwolken genannt wurden, gibt es viele weitere astronomische Forschungsprojekte, die nur im infraroten Spektralbereich durchgeführt werden können. Als Beispiele seien noch die Um­ gebung des Schwarzen Loches im Zentrum unserer Milchstraße und Massenbewegungen nahe der Zentren anderer Galaxien ge­ nannt. 2. Warum SOFIA? Eine der Komplikationen bei der praktischen Infrarotastronomie stellt die Erdatmosphäre dar. Während sie im sichtbaren Spek­ tralbereich sehr transparent ist, jedoch durch ihre innere Turbu­ lenz Bildunschärfe verursacht, ist es in weiten Bereichen des in­ fraroten Spektralbereiches gerade umgekehrt. Die Teleskope könnten beugungsbegrenzt mit maximaler Schärfe abbilden, je­ doch ist die Atmosphäre bis auf wenige Wellenlängen fast voll­ ständig undurchsichtig. Dies ist in Abb. 1 für einen astronomi­ schen Standort in 2000 m Höhe illustriert. Der Grund für diese Absorptionen ist das reichliche Vorkom­ men von Wasser in unserer Atmosphäre. Die vielen und zudem druckverbreiterten Wasserabsorptionslinien durchziehen den 67 ALFRED KRABBE Abb. 1: Die wellenlängenabhängige Transmission der Erdatmosphäre im infraroten Spektralbereich zeigt erst ab etwa 2000 m Höhe einige „Fenster“ im nahen und mittleren Infraroten. Dennoch ist der größte Teil des Spektralbereichs vom Erdboden aus nicht zugänglich. Abb. 2: Die Transmission der Erdatmosphäre im infraroten Spektral­ bereich steigt dramatisch mit der Höhe an. Ab etwa 11 km, der Tropo ­ pause, sinkt die Restwassersäule auf nur noch einige µm, so dass die mittlere Transmission auf ≥ 80% ansteigt. 68 SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM Infrarotbereich wie einen Wald. Sie stehen so dicht, dass zwischen ihnen kein Durchschauen möglich ist. Glücklicherweise ist die Skalenhöhe des Wasserdampfes in der Atmosphäre mit etwa 2 km (Ulich, 1980) sehr viel kleiner als die des Luftdrucks, die etwa 8 km7 beträgt. Deshalb können sich die Astronomen für die Randbereiche des infraroten Spektrums mit hochgelegenen Standorten behelfen. Folgerichtig werden in 5600 m Höhe 8 und in der trockenen Antarktis (z.B. Tosti et al., 2006) inzwischen In­ frarot-Teleskope geplant und errichtet. Am geschicktesten wäre jedoch ein Beobachtungsstandort im Weltraum frei von aller Wasserabsorption. Vorbilder dafür sind das Hubble Space Telescope und sein designierter Nachfolger das James Webb Space Telescope. Jedoch erzielt man bereits in 12 km Höhe eine solch gute Transmission von etwa ≥ 80 % über den ge­ samten infraroten Spektralbereich (Abb. 2), so dass die Nachteile eines Satelliten in vielen Anwendungsfällen seine Vorteile über­ wiegen. Eine flugzeug-getragene Beobachtungsplattform trägt im Vergleich mit einem Satelliten ein größeres Teleskop für das glei­ che Budget, ist wissenschaftlich flexibler einsetzbar, kann mit mehr Instrumenten bestückt werden, erlaubt sehr viel leichter die Beobachtung transienter Ereignisse (z.B. Finsternisse, Bede­ ckungen, Kometen), kann stetig verbessert werden, hat eine Le­ bensdauer von 20 Jahren, ist betriebssicher und servicefreund­ lich, kann als Testumgebung für neue Technologien genutzt werden, bevor diese in Satelliten eingesetzt werden und dient schließlich dem Training und der Ausbildung für den wissen­ schaftlichen Nachwuchs. Die größere wissenschaftliche Flexibilität zeigt sich vor allem daran, dass Flüssighelium gekühlte Infrarot-Satelliten gewissen Einschränkungen unterliegen. Sie dürfen wegen des Kühlmittel­ verlustes keine hellen Objekte (wie die inneren und die großen Planeten) beobachten und auch keine Objekte in Sonnennähe 7 8 Siehe barometrische Höhenformel. http://www.ccatobservatory.org 69 ALFRED KRABBE (wie Kometen und andere Objekte in der Nähe ihres Perihels 9). Weiterhin können von einem Flugzeug aus sogar Sonnenbeob­ achtung mithilfe eines Sonnenfilters durchgeführt werden. Schließlich unterliegen Flugzeuge wegen ihrer Manövrierbarkeit keiner Bahneinschränkung wie Satelliten. Die klaren Vorteile des Satellitenorbit sind dagegen das vollständige Fehlen jeglicher störender Atmosphäre und die höhere Empfindlichkeit der Be­ obachtungen. Gerard KUIPER war 1965 der erste Wissenschaftler, der sich an die Benutzung von Flugzeugen für infrarote astronomische Beobachtungen herantraute. Er baute ein 30cm-Teleskop in einen NASA Learjet 24, ein kleines Businessflugzeug, ein und konnte damit etwa eine Stunde lang in 13 km Höhe beobachten. Der Nachfolger war das mit 91 cm bereits deutlich größere NASA Kuiper-Airborne-Observatory (KAO), das eine Lockheed C-141 als Plattform benutzte und zwischen 1975 und 1995 sehr erfolg­ reich Beobachtungsflüge durchführte. Bei diesen Beobachtungs­ flügen waren deutsche Wissenschaftler zunächst gastweise, spä­ ter jedoch regelmäßig und mit eigenen Instrumenten dabei. Der Erfolg des KAO ermutigte die NASA und das DLR, mit SOFIA den nächsten Schritt zu gehen und ein 2,7 m-Teleskop auf eine Boeing 747 bringen, um auf diese Weise ein echtes Observatori­ um für internationale astronomische Forschung zu betreiben. 3. Das Observatorium Kurz vor Weihnachten 1996 unterzeichneten NASA und DLR of­ fiziell ein Memorandum of Understanding (MoU) zu SOFIA. Darin vereinbarten sie eine 80/20 Kollaboration mit Deutsch­ land als 20% Partner. Deutschland verpflichtete sich darin, das Teleskop, 20% der Betriebsmannschaft und 20% der Betriebs­ kosten des Observatoriums beizustellen. Dafür erhält Deutsch­ land 20% der Beobachtungszeit während der geplanten Lebens­ dauer des Projektes von 20 Jahren. Das DLR beauftragte 1997 ein 9 Der sonnennächste Punkt einer Bahn. 70 SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM Konsortium der Firmen MT-Mechatronik (Mainz) und Kay­ ser-Threde (München) mit der Entwicklung und dem Bau des Teleskops und 2004 dann die Universität Stuttgart mit der Orga­ nisation und Gestaltung des deutschen Anteils zum Betrieb des SOFIA Observatoriums durch das Deutsche SOFIA Institut. Die­ ses Institut befindet sich seit kurzem im Raumfahrtzentrum Ba­ den-Württemberg in Stuttgart. SOFIA beruht auf einer Boeing 747SP, einer verkürzten Form des bekannten 747 „Jumbo Jet“, die jedoch auf Grund der Modifi­ kation eine erheblich größere Reichweite erzielt und auch eine Gipfelhöhe von 14 km erreichen kann. Das gebraucht gekaufte Flugzeug hatte zuvor bereits über etwa 20 Jahre lang als Clipper Lindbergh bei der PanAm und bei United Airlines Dienst getan, bevor es für SOFIA völlig umgebaut und danach erneut auf die­ sen passenden Namen getauft wurde. Mit SOFIA wurde luft­ fahrttechnisch Neuland beschritten. Noch nie zuvor ist ein Großraumflugzeug so stark umgebaut und modifiziert worden. Abb. 3 zeigt eine schematische Darstellung des Flugzeugs. Am auffälligsten ist das große Tor hinter den Tragflächen. Es be­ deckt eine Öffnung von etwa 4 m x 6 m und ist damit so groß wie zwei Garagentore. Es hat die Form eines Zylindersegmentes und bedeckt den Teleskopraum. Mit diesen Ausmaßen ist die Te­ leskopöffnung die größte fliegende Rumpföffnung in der Luft­ fahrtgeschichte. Das Teleskop (Abb. 4) ist ein klassisches Cassegrain System mit Primär- und Sekundärspiegel, bei dem das Licht jedoch durch einen zusätzlichen Tertiärspiegel in den Nasmyth Fokus 10 umgelenkt wird. Die Lagerung ist eine azimutale Montierung, bei der die Lagerung in eine Tragwand im Flugzeug eingebaut wurde. Die Tragwand dient darüber hinaus als Druckschott und stellt auch die Temperaturgrenze dar: Während im Teleskop­ raum während der Beobachtungen die Außenluft frei zirkuliert, ist der vordere Teil des Flugzeugs, die Kabine mit dem Kontroll­ 10 Die beiden Nasmythfokusse liegen auf der horizontale Achse des Te­ leskops. Bei SOFIA wird jedoch nur eine Fokusposition benutzt. 71 ALFRED KRABBE deck, angenehm temperiert. Das Herzstück der Teleskopmontie­ rung bildet eine Ölfilm-geschmierte sphärische Lagerkugel mit einem Durchmesser von 1,2 m und einer Oberflächengenauig­ keit im Bereich weniger Mikrometer. Abb. 3: Schematische Darstellung des SOFIA Observatoriums. Der Nasmythfokus ragt mit den Gegengewichten und einem Teil des Antriebs und dem Hauptteil der Versorgungsleitungen in die Flugzeugkabine und auch das wissenschaftliche Instrument wird dort montiert. Vom Kontrolldeck aus werden das wissenschaft­ liche Instrument, das Teleskop, das Tor und weitere Geräte ge­ steuert, sobald das Observatorium vom Piloten im Cockpit frei­ gegeben worden ist. Vorn im Flugzeug sind einige Sitze für mitfliegende Personen aus dem Bereich Bildung- und Öffent­ lichkeitsarbeit reserviert (siehe Kap. 6). Schwere Hilfsgeräte wie Ölpumpen, Wasserkühlung und Vakuumpumpen sind im vorde­ ren Unterdeck untergebracht. 72 SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM Abb. 4: Aufbau des SOFIA Teleskops. M3-1 und M3-2 sind die beiden Tertiärspiegel. Der obere dichroitische Spiegel reflektiert Infrarotstrah­ lung und etwa ein Drittel der sichtbaren Strahlung. Der untere Voll­ spiegel reflektiert die von M3-1 durchgelassene sichtbare Strahlung. Hinter dem Teleskopraum ist die Teleskopklimatechnik instal­ liert. Bevor das Observatorium startet, wird das Teleskop bereits durch Hineinblasen von flüssigem Stickstoff auf etwa -40° C ab­ gekühlt, damit in Flughöhe sofort mit den Beobachtungen be­ gonnen werden kann. Nach Abschluss der Beobachtungen wird das Teleskop vor dem Sinkflug durch trockene Luft (Taupunkt etwa -70 °C) wieder aufgewärmt, damit sich kein Kondenswasser absetzt, was der Optik, Mechanik und der Elektrik schadet. In der oberen Etage im Bereich der früheren 1. Klasse befin­ den sich Messgeräte, mit denen das Verhalten des Flugzeugs auf­ gezeichnet wird. SOFIA ist ein Unikat und wird daher genau überwacht. Auf derselben Ebene befindet sich auch der Wasser­ dampfmonitor, mit dem der Wasserdampfgehalt der Restatmo­ sphäre über dem Flugzeug verfolgt wird. Diese Information ist für die Kalibrierung der Beobachtungsdaten essentiell. 73 ALFRED KRABBE Das Teleskop wird im Betrieb von den besten verfügbaren faseroptischen Gyroskopen inertial stabilisiert. Die Gyroskope wiederum werden durch bis zu 3 Nachführkameras laufend ge­ stützt. Zwei der Kameras sitzen auf dem Frontring, die dritte Ka­ mera sieht den sichtbaren Anteil des vom Teleskop gelieferten Bildes (Abb. 4). Dazu ist der Tertiärspiegel M3-1 so ausgeführt, dass er das infrarote Licht reflektiert, das sichtbare Licht jedoch transmittiert. Dies Licht wird dann von einem zweiten Tertiär­ spiegel M3-2 unterhalb des infraroten Lichtstrahls durch das Nasmythrohr geführt und auf die Fokalebenenkamera gelenkt. Die Bilder 5 bis 7 zeigen Teilansichten des Observatoriums von innen und von außen. Abb. 5: Blick in den vorderen Teil des Kontrolldecks. Die Wendeltreppe zum oberen Deck und zum Cockpit ist nahezu unverändert, die Sitz­ reihen haben dagegen Konsolen (im Bild vorn rechts) und Steuerrech­ nern und Energieversorgung (im Bild hinten links hinter den Feuerlö­ schern) Platz gemacht. Auch die Decke wurde stark verändert. 74 SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM Abb. 6: Das Teleskop bei geöffnetem Teleskopraum. Der Hauptspiegel reflektiert den blauen Taghimmel. Darüber ist mit 3 Streben der Se­ kundärspiegel montiert. Der Tertiärturm ragt durch eine zentrale Boh­ rung des Hauptspiegels. Auf dem Frontring ist eine der beiden Kame­ ras zu sehen. Die Tragstruktur des Teleskops besteht durchgängig aus Kohlefaser und erscheint deshalb dunkel. Von unten schiebt sich die flexible Tür ins Bild, mit der die freie Öffnung so klein wie möglich ge­ halten wird. Abb. 7: Das Tele­ skop bei nächtli­ chen Testbeobach­ tungen auf dem Flugfeld. Der Tele­ skopraum ist er­ hellt und hebt die Teleskopstruktur deutlich ab. 75 ALFRED KRABBE SOFIAs Heimatflughafen ist die NASA Dryden Aircraft Operati­ ons Facility (DAOF) des NASA Dryden Flight Reseach Centers (DFRC) in Palmdale Kalifornien, etwa 1 Autostunde nördlich von Los Angeles. Dort finden auch alle flugzeugbezogenen Arbeiten statt. Das wissenschaftliche Zentrum von SOFIA ist traditionell auf dem Gelände des NASA Ames Research Center in Moffett Abb. 8: SOFIA bei einem Testflug mit geöffneter Tür. Das Teleskop war bei diesem Flug zum Schutz gegen Sonnenstrahlen abgedeckt. 4. Erste Beobachtungen Nach dem Abschluss der Umbaumaßnahmen begann im No­ vember 2009 mit den Testflügen ein spannendes Jahr für SOFIA. Gleich im Dezember wurde zum ersten Mal die Teleskoptür ge­ öffnet und das Flugverhalten des Observatoriums untersucht. Es stellte sich heraus, dass sich SOFIA bei geöffneter Tür extrem gutmütig verhält und keine gefährlichen Turbulenzen durch die 76 SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM Öffnung erzeugt werden. Die Abb. 8 entstand während dieser Zeit. Bei Tagflügen war der Primärspiegel des Teleskops abge­ deckt, denn Sonnenstrahlen auf dem Teleskop wären wegen Ih­ rer Bündelung durch die Optik extrem gefährlich für das Flug­ zeug. Im April 2010 wurde das Teleskop bei offenem Tor zum ersten Mal erfolgreich inertial stabilisiert. 4 Wochen später wurde am 25./26. Mai 2010 zum ersten Mal ein Nachtflug süd-westlich von Los Angeles über dem Pazifik durchgeführt. Dieser erste und so­ gleich erfolgreiche astronomische Beobachtungsflug von SOFIA war ein sehr emotionales Erlebnis für alle Beteiligten, vor allem für diejenigen, die während der 14 Jahre zwischen den Projektbe­ ginn und dem „First Light“ diesen Augenblick durch alle Höhen und Tiefen im Projektverlauf herbeigesehnt hatten. Abb. 9 zeigt das erste SOFIA Infrarotbild von Jupiter mit einigen der Galilei­ schen Monde. Abb. 9: Das erste astronomische Bild vom 26. Mai 2010 mit SOFIA zeigt Jupiter und einige seiner hellsten Monde in einer Kompositaufnahme bei 5,4, 24 und 37 µm Wellenlänge in einer Falschfarbendarstellung. Im Dezember 2010 erfolgte der erste wissenschaftliche Flug mit SOFIA11 und im April 2011 die ersten wissenschaftlichen Beob­ achtungen mit einem deutschen Instrument. Dies war der Be­ ginn für ein erstes wissenschaftliches Beobachtungsprogramm 11 Die daraus resultierende erste wissenschaftliche Veröffentlichung mit SOFIA Beobachtungen findet man bei Meech et al., 2011. 77 ALFRED KRABBE mit dem Namen „Early Science“ im Jahre 2011. Das Projekt wollte zum frühest möglichen Zeitpunkt die wissenschaftliche Qualität von SOFIA demonstrieren und die wissenschaftliche Gemein­ schaft in USA und Deutschland mit einbeziehen. Dabei wurden Risiken bewusst in Kauf genommen, denn weder das Teleskop noch die wissenschaftlichen Instrumente waren zu dem Zeit­ punkt wirklich ausgereift. Zur Vorbereitung dieses Wissen­ schaftsprogramms wurden kurzfristig in USA und in Deutsch­ land Aufrufe zur Einsendung von Beobachtungsanträgen her­ ausgegeben und ein Reer-Review, ein Begutachtungsverfahren wie in der Astronomie üblich, eingerichtet. SOFIA bestand diese Feuerprobe mit Bravour, wobei der persönliche Einsatz vieler Einzelner weit über die reguläre Arbeitszeit hinaus den Erfolg si­ cherstellte. Für SOFIA wurden in der ersten Generation sieben wissen­ schaftliche Instrumente entwickelt (Tabelle 1). Es sind 4 spektral breit- und schmalbandige Kameras, die zusammen den gesam­ ten optischen und infraroten Spektralbereich bis 300 µm abde­ cken: HIPO (0,3 – 1,1 µm), FLITECAM (1,0 – 5,5 µm), FORCAST (5,6 – 38 µm) und HAWC (40 – 300 µm). Von diesen stehen die ersten drei bereits zur Verfügung, der erste Einsatz von HAWC ist für 2014 geplant. Darüber hinaus wurden für die erste Instrumentengeneration von SOFIA 3 Spektrometer für die Spektralbereiche mittleres und fernes Infrarot (MIR und FIR) entwickelt: EXES (5 – 29 µm, spektrale Auflösung 3·103 - 105), FIFI-LS (42 – 210 µm, spektrale Auflösung 1·103 – 3·103) und GREAT (62 – 240 µm, spektrale Auf ­ lösung 104 - 108). Von diesen Instrumenten steht GREAT bereits zur Verfügung, die übrigen beiden folgen Anfang 2014. Bei GREAT handelt es sich um einen Heterodyn-Empfänger, wie er auch in Radios Verwendung findet. Deshalb ist die spektrale Auflösung nicht vom Instrument vorgegeben, sondern orientiert sich an den jeweiligen wissenschaftlichen Aufgaben. Sowohl FLITECAM wie auch FORCAST besitzen zuschaltbare Gitterprismen, sogenannte Grisms, die auch für (jedoch spalt­ 78 SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM lose) Spektroskopie mit einer Auflösung von etwa 2000 benutzt werden können. Tabelle 1: Instrumente der ersten Generation für SOFIA 5. Erste Wissenschaftliche Ergebnisse Aus den 30 Beobachtungsflügen im Rahmen des „Early Science“Programms wurden 2011 so viele exzellente Beobachtungsdaten gewonnen, dass inzwischen bereits mehr als 30 Publikationen in referierten Zeitschriften veröffentlicht wurden.12 Da die Darstel­ lung der Ergebnisse den Rahmen dieses Beitrags bei weitem übersteigt, sollen hier nur wenige Beispiele exemplarisch und kurz dargestellt werden. 12 Special Edition von Astronomy & Astrophysics 2012, vol. 542, 22 Art. L1 – L22; Special Collection von Astrophysical Journal 2012, vol. 749, 8 Art. L17 – L24. 79 ALFRED KRABBE 5.1 Plutobedeckung mit HIPO Pluto gehört zur Klasse der Zwergplaneten in unserm Sonnen­ system und wird von Charon und noch zwei weiteren jedoch kleinen Monden13 Nix und Hydra umkreist. Mit einem Durch­ messer von etwa 2400 km ist Pluto nur knapp halb so groß wie Merkur, hat jedoch eine dünne Stickstoffatmosphäre mit der Temperatur von 50 Kelvin und einer Höhe von etwa 1000 km. Der Atmosphärendruck beträgt am Boden etwa 1 hPa, was nur 1/100000 des irdischen Luftdrucks ist. Pluto bewegt sich auf sei­ ner stark elliptischen Bahn zur Zeit von der Sonne fort, so dass Modellrechungen davon ausgehen, dass die Atmosphäre des Plu­ to demnächst ganz ausfrieren könnte. Die Überprüfung dieser Hypothese und die Erforschung der Plutoatmosphäre gelingt am besten mit Hilfe einer Sternbedeckung. Dabei bewegt sich die Erde mit einer Geschwindigkeit von ca. 24 km/s durch den Schatten, den Pluto mit einem weit entfern­ ten Stern wirft, der zufällig in der passenden Richtung steht. Solche beobachtbaren Sternbedeckungen mit Pluto kommen alle paar Jahre vor. Bei einem Schattendurchmesser von der Grö­ ße des Plutodurchmessers ist jedoch erstens die Wahrscheinlich­ keit gering, dass eine professionelle Sternwarte gerade ideal auf der Zentrallinie der Sternenverfinsterung liegt und zweitens dauert das ganze Ereignis auch nur ca. 100 Sekunden, wie man leicht nachrechnen kann. SOFIA ist wegen seiner Mobilität die ideale Plattform für solche Beobachtungen, denn es kann se­ kundengenau auf die Zentrallinie der Verfinsterung manövriert werden. Allerdings ist dabei zu beachten, dass sich der Schatten etwa 100 mal schneller bewegt als ein Flugzeug. Außerdem muss Pluto während dieses Ereignisses bei Nacht so weit über dem Horizont stehen, dass er vom SOFIA-Teleskop im Elevationsbe­ reich zwischen 23° und 58° erfasst werden kann. 13 Im Juni 2011 wurden mit dem Hubble Space Telescope noch zwei weitere sehr kleine Pluto Monde entdeckt. 80 SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM Abb. 10: Plutos Schattenwurf auf den pazifischen Ozean während der Sternbedeckung vom 23. Juni 2011. Die Größe des Plutoschattens ist durch den grauen Kreis markiert, seine Bewegungsrichtung durch den gelben Pfeil angezeigt. SOFIAs Flugroute folgt der roten Linie. Zum Zeitpunkt der Bedeckung flog SOFIA etwa senkrecht zur Schatten­ bahn. Diese Route ergibt sich aus der Position von Pluto am Himmel. Er stand zur Zeit der Bedeckung senkrecht über dem eingezeichneten Fußpunkt (Dunham, Wolf et al., 2012). Am 23. Juni 2011 bot sich diese Gelegenheit über dem Südpazifik. Es wurde ein entsprechender Beobachtungsflug mit dem HIPO Instrument vorbereitet. HIPO hat auch einen schnellen Kamera­ modus, der im sichtbaren Spektralbereich etwa 400 Bildern/Se­ kunde aufnehmen kann. Weiterhin war geschickterweise eine optische Testkamera mit ähnlicher Datenrate am Ort der Fokal­ kamera für Teleskoptests installiert. Auf diese Weise konnte so­ 81 ALFRED KRABBE wohl das vom Tertiärspiegel reflektierte sichtbare Licht, wie auch das transmittierte Licht benutzt werden. Diese Beobach­ tung benutzte nicht die Infrarotstrahlung sondern sichtbares Licht. SOFIA spielte bei dieser Beobachtung seine weltweite Mo­ bilität als weitere Stärke aus (Abb. 10). Parallel zum SOFIA wurde Pluto von zwei Bodenteleskopen beobachtet. Dadurch war es möglich die Bahn des Pluto sehr ge­ nau zu bestimmen und SOFIA möglichst genau während der Verfinsterung auf die Zentrallinie des Schattens zu dirigieren. Die Beobachtungskampagne verlief so erfolgreich, dass die Zen­ trallinie zur richtigen Zeit innerhalb von 100 km Abstand getrof­ fen wurde. Die Qualität der Messungen ist deutlich besser als alle bisherigen Versuche vom Boden. Leider können die Ergeb­ nisse hier aus urheberrechtlichen Gründen nicht abgebildet wer­ den, da die Daten noch nicht offiziell publiziert sind (Dunham, Wolf et al., 2012). Es zeigt sich jedoch bereits, dass die Atmo­ sphäre des Pluto noch nicht ausgefroren ist. Für SOFIA war diese Beobachtung wegen der hohen Komplexität und des sehr schmalen Zeit- und Ortsfensters eine frühe Reifeprüfung, die es mit Bravour bestanden hat. 5.2 Das galaktische Zentrum mit FORCAST Das 8000 pc entfernte14 Zentrum unserer Milchstraße können wir im sichtbaren Licht nicht beobachten, weil entlang der Sichtlinie dicke Staub- und Gaswolken liegen, die das ausge­ sandte Licht absorbieren. Aus früheren Beobachtungen im NIR und MIR vom Boden aus wissen wir von dem zentralen Stern­ haufen und dem Schwarzen Loch mit etwa 4 Millionen Sonnen­ massen (Ghez et al., 2008, Gillessen et al., 2009). Weiterhin ist die Existenz von vielen jungen Sternen im Zentralbereich ein Rätsel (Eisenhauer et al., 2005). Sternbildung im Zentralbereich erfordert zuallererst einen gewissen Massefluss in das Zentral­ 14 1 pc = 1 parsec = 1 Parallaxensekunde = 3,26 Lichtjahre (vgl. Anm. 12 in Krabbe, 2010). 82 SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM gebiet hinein. Mit dem Kuiper Airborne Observatory (KAO) wurde bereits 1982 ein molekularer Thorus um das Zentralgebiet entdeckt (Becklin, Gatley, & Werner, 1982). Unklar ist bislang, ob dieser Thorus genügend Material bereitstellen kann um eine Episode der Sternentstehung im Zentralgebiet zu initiieren. Mit SOFIA galt es nun, den Thorus im FIR zunächst einmal mit viel besserer Winkelauflösung als bislang möglich zu ver­ messen und hinsichtlich seiner Morphologie, der Temperatur­ verteilung und anderen Kenngrößen zu charakterisieren. Dazu wurde das Instrument FORCAST benutzt und die Region bei drei Wellenlängen: 19 µm, 31 µm und 39 µm abgebildet. Die drei erhaltenen Aufnahmen wurden zu einer Falschfarbenaufnahme so kombiniert, dass die Farbe blau dem kurzwelligen Kanal ent­ sprach und rot dem langwelligen. Der mittlere Kanal erhielt die Farbe grün. Das Ergebnis ist in Abb. 11 in zwei verschiedenen Darstellungen gezeigt. Im Hintergrund erkennt man den Ring, der durch eine Struk­ tur im Vordergrund teilweise überstrahlt wird. Bei der hellen Struktur im Vordergrund, die eher wie ein liegendes „Y“ aussieht, handelt es sich um Gasströme an deren Kreuzungspunkt sich das Zentrum unserer Milchstraße mit dem Schwarzen Loch befin­ det. Diese Gasströme scheinen eine physikalische Verbindung zu dem Ring zu besitzen. Der Ring selbst ist ein fast perfekter Kreis, dessen Ebene um 72° gegenüber der Himmelsebene geneigt ist. Er hat einen Radius von 1,5 pc und ist damit mehr als doppelt so groß wie der Abstand der Sonne vom dem ihr nächsten Stern (Proxima Centauri). Die Dicke des Ringes ist nur etwa 1/10 seines Durchmessers, so dass man besser von einer Scheibe spricht. Während die blaue Emission eher von der Innenseite des Ringes zu kommen scheint, ist es mit der roten Emission eher umge­ kehrt; sie betont mehr den Außenrand. Die zentralsymmetrische Verteilung der Farben spiegelt eine entsprechende Temperatur­ verteilung wider. Daraus folgt, dass der Ring von innen geheizt wird und keine eigene dominante Energiequelle besitzt. Abb. 11 ist das schärfste und klarste Bild, das wir bislang von dieser 83 ALFRED KRABBE Scheibe haben. Weitere Betrachtungen müssen der Veröffentli­ chung vorbehalten bleiben, die in Vorbereitung ist (Herter, Mor­ ris et al., 2012). Abb. 11: Die ferninfrarot Emission der zirkumgalaktischen Scheibe im Zentrum unserer Milchstraße, wie sie mit FORCAST beobachtet wurde (Herter, Morris et al., 2012). Die beiden Darstellungen unterscheiden sich nur durch die Helligkeitsdarstellung, um die unterschiedlichen Emissionsgebiete herauszuarbeiten. Erläuterungen im Text. 5.3 Sternentstehung in M17 SW mit GREAT Wie bereits erwähnt, findet Sternentstehung tief in Inneren von Molekül- und Staubwolken statt und ist in der Regel nicht im sichtbaren Spektralbereich beobachtbar. Messier15 17 Süd-West (M17 SW) ist ein Gebiet mit gerade entstandenen jungen Sternen und einer benachbarten Wolke molekularen Gases. Die Masse dieser Wolke entspricht etwa 104 Sonnenmassen und die Wolke wechselwirkt mit dem Sternenwind und der Strahlung der neu­ en Sterne. Durch die räumliche Nähe zwischen jungen Sternen 15 Der französische Astronom erstellte den nach ihm benannten Kata­ log nebelhafter Objekte. 84 SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM und Molekülwolke entsteht in den oberflächennahen Zonen der den jungen Sternen zugewandten Seite der Molekülwolke eine Wechselwirkungszone, die einer Chemiefabrik gleicht. Diese Zone ist ein energetisch offenes System und in ihr laufen eine große Zahl physikalischer und chemischer Prozesse ab. Die Art der Vorgänge und der Zwischenprodukte hängt dabei sehr deut­ lich davon ab, wie weit jede Schicht von der Oberfläche der Mo­ lekülwolke entfernt ist: oberflächennahe Bereiche sind heiß und dissoziiert, tiefere Schichten sind nur warm und reaktiv. Man nennt diese Zone photonendominierte Region und seine Unter­ suchung stellt ein Hauptarbeitsgebiet des GREAT Spektrometers (Abb. 12) dar. Abb. 12: Das GREAT Instrument betriebsbereit am SOFIA Tele­ skopflansch. Dies Bild zeigt die Kabinenseite des Teleskops. Die blauen Balanciergewichte umgeben den Teleskopflansch wie Kreissegmente. 85 ALFRED KRABBE In der Abb. 13 ist diese Wechselwirkungsregion in einer NIR Auf­ nahme zu sehen. Die heißen Sterne leuchten von links die Mole­ külwolke an, deren Oberfläche als Reaktion hell erstrahlt. Hinter der Oberfläche beginnt der verborgenen Teil der Molekülwolke, von der wir nur Infrarotstrahlung empfangen. Mit dem GREAT Instrument wurde die Emission zweier Spezies in dieser Wech­ selwirkungsregion kartiert: Kohlenmonoxid (CO) bei einem Übergang von 1,5 THz entsprechend einer Wellenlänge von 200 µm und einfach ionisierter Kohlenstoff CII bei einem Übergang von 1,9 THz entsprechend einer Wellenlänge von 159 µm 16. Die eckige Klammer […] verweist darauf, dass die spezielle Emission quantenmechanisch verboten ist da sie auf einem Feinstruktur­ übergang beruht. In dem Bild ist leicht zu sehen, dass die räumliche Verteilung der beiden Emissionen deutlich voneinander verschieden ist. Es zeigt sich, dass das CO Molekül tiefer im Inneren der Molekül­ wolke existiert, während der ionisierte Kohlenstoff etwas näher an deren Oberfläche entsteht. Eine genaue Analyse der Daten er­ gibt jedoch noch weitergehende Informationen: Die Molekül­ wolke liegt nicht als massives Gebilde vor, sondern sie hat eine hierarchische Substruktur mit einer sehr großen inneren Ober­ fläche. Diese Erkenntnis ist für die Modellierung der Wolke und ihrer chemischen Entwicklung von großer Bedeutung (PérezBeaupuits et al., 2012). Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass jede der Emis­ sionskarten mit nur einem Detektor aufgenommen wurde. Die­ ser wurde während der Beobachtung mäanderförmig über das Gebiet bewegt. Später wurden die Daten mit Rechnerhilfe wie­ der zu einem Bild zusammengesetzt. Da SOFIA mehr als ein Dutzend innerer Koordinatensysteme hat und die Beobachtun­ gen mehrfach unterbrochen werden mussten, ist dies Ergebnis zu dem frühen Zeitpunkt des Teleskopsbetriebs auch beobach­ tungstechnisch eine Meisterleistung. 16 Neutraler Kohlenstoff wird entsprechend als CI bezeichnet, wobei „I“ eine römische 1 darstellt. 86 SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM Abb. 13: Das Sternentstehungsgebiet Messier 17 SW wurde in den bei­ den spektralen Übergängen von CO (1,5 THz) und [CII] (1,9 THz) mit dem GREAT Instrument kartiert (Pérez-Beaupuits et al., 2012). Diese Karten sind die beiden Teilbilder rechts. Die Lage dieser Teilbilder in M17 SW ist auf dem großen Bild links durch den roten Rahmen gezeigt. Das große Bild dient der Orientierung und ist eine NIR Aufnahme mit dem Spitzer Space Telescope. Die beiden Einsätze auf dem großen Bild zeigen die spektrale und räumliche Verschiedenheit beider Übergänge. Weitere Einzelheiten im Text. 6. Bildung und Öffentlichkeit Von Beginn an war die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit so­ wohl in den USA wie auch in Deutschland fester Bestandteil des SOFIA Projektes. Beide Länder arbeiten unabhängig voneinan­ der, kooperieren jedoch bei Gelegenheit. Während das Öffent­ lichkeitsprogramm das Ziel hat, die breite Öffentlichkeit in Deutschland durch die Nutzung verschiedenster Kanäle und Medien mit SOFIA und seinen Ergebnissen bekannt zu machen, zielt die Bildungsarbeit auf die Integration von SOFIA in ein bundesweit agierendes Partnerschulprogramm zur Erzielung ei­ ner nachhaltigen Wirkung bei Schülern im wissenschaft­ 87 ALFRED KRABBE lich-technischen Unterricht. SOFIA hat mittlerweile 36 Partner­ schulen in allen Bundesländern und arbeitet eng mit dem Haus der Astronomie in Heidelberg zusammen. Im SOFIA Flugzeug sind mehrere Sitzplätze für mitfliegende Lehrer reserviert. Das DSI plant, künftig etwa 8 Lehrer pro Jahr durch Mitflüge so nah wie möglich an die astronomische For­ schung heranzuführen. Dazu wird eine intensive Betreuung und Schulung der Lehrer durchgeführt. Die ersten zwei Lehrer sind bereits 2011 mitgeflogen und ihre Erfahrungen werden zur Zeit ausgewertet. 7. Zusammenfassung SOFIA hat sich nach einer langen Entwicklungszeit nun endgül­ tig in der deutschen und amerikanischen Sternwartenszene eta­ bliert. Im Frühjahr 2012 wurden die letzten Restarbeiten erledigt, so dass im Herbst 2012 der planmäßige Beobachtungsbetrieb mit diesem außergewöhnlichsten Observatorium in der Astronomie­ landschaft aufgenommen werden kann. Ich danke T. Herter und T. Dunham für die Überlassung von Beobachtungsergebnissen vor deren Veröffentlichung und T. Keilig für die kritische Durchsicht des Manuskriptes. Das Bild­ material wurde von NASA, DLR, USRA, DSI und vom Autor zur Verfügung gestellt. SOFIA wird weiterhin gemeinsam betrieben durch die Universities Space Research Association, Inc. unter dem NASA-Vertrag NAS2-97001 und durch das Deutsche SOFIA Institut an der Universität Stuttgart unter dem DLR-Raumfahrt­ management Vertrag 50 OK 0901. SOFIA wird im Auftrag des DLR- Raumfahrtmanagements mit Mitteln des Bundesministeri­ ums für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages durchgeführt. 88 SOFIA – EIN FLIEGENDES INFRAROTOBSERVATORIUM Quellenangaben Becklin, E.E./Gatley, I./Werner, M., 1982: Far-infrared observations of Sagittarius A - The luminosity and dust density in the central parsec of the Galaxy, Astrophysical Journal, vol. 258, S. 135. Dunham, E./Wolf, J. et al., 2012: in Vorbereitung. Eisenhauer, F. et al., 2005: SINFONI in the Galactic Center: Young Stars and Infrared Flares in the Central Light-Month, Astrophysical Jour­ nal, vol.628, S. 246. Ghez, A.M. et al., 2008: Measuring Distance and Properties of the Mil­ ky Way's Central Supermassive Black Hole with Stellar Orbits, Astro­ physical Journal, vol. 689, S. 1044. Gillessen, S. et al., 2009: Monitoring Stellar Orbits Around the Massive Black Hole in the Galactic Center, Astrophysical Journal, vol. 692, S. 1075. Herter, T./Morris M. et al., 2012: Astrophysical Journal, in Vorbereitung. Krabbe, A., 2010: Exoplaneten – Die Suche nach der zweiten Erde, in: Christian Ammer (Hg.), Orientierung durch Wissen, Hannover, S. 118-140; http://www.uek-online.de/Tagungsband_P10_Krabbe.pdf. Meech, K.J. et 196 al., 2011: EPOXI: Comet 103P/Hartley 2 Observations from a Worldwide Campaign, Astrophysical Journal, vol. 734, Art. L1. Neugebauer, G./Martz, D. E./Leighton, R.B., 1965: Observations of Ex­ tremely Cool Stars, Astrophysical Journal, vol. 142, S. 399-401. Pérez-Beaupuits, J.P. et al., 2012: The ionized and hot gas in M17 SW. SOFIA/ GREAT THz observations of [C II] and 12CO J = 13-12, Astro­ nomy & Astrophysics, vol. 542, Art. L13. Tosti, G. et al., 2006: The International Robotic Antarctic Infrared Te­ lescope (IRAIT), in Proceedings of SPIE, vol. 6267, S. 62671H. Ulich, B.L., 1980: Improved correction for millimeter-wavelength atmo­ spheric attenuation, Astrophysical Letters, vol. 21, S. 21-28. 89