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Islam und Grundgesetz: Das Wagnis der Religionsfreiheit ­ Politik ­ FAZ
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Islam und Grundgesetz
Das Wagnis der Religionsfreiheit
Das Grundgesetz schützt den Islam. Es kommt aber immer darauf
an, wie er hier gelebt wird.
04.05.2016, von REINHARD MÜLLER
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Veröffentlicht: 04.05.2016, 06:22 Uhr
twas zu heftig war die europäische Kritik an Viktor Orbáns Äußerung, Europa sei ein christlicher Club. Natürlich ist
dieser Kontinent christlich geprägt. Der freiheitlich­säkulare Verfassungsstaat ist ohne Christentum so nicht denkbar.
Das gilt gerade für Deutschland, für das Land der Reformation und für dessen Grundgesetz. Die christlichen Kirchen haben
bisher faktisch eine Sonderstellung. Und die Präambel der Verfassung hebt an mit den Worten: „Im Bewusstsein seiner
Verantwortung vor Gott und den Menschen...“
Autor: Reinhard Müller, In der
politischen Redaktion verantwortlich
für „Zeitgeschehen“ und für „Staat und
Recht“.
Folgen:
Aber was folgt daraus? Wohl hatten die Väter und Mütter des Grundgesetzes
einen christlichen Gott im Sinn. Doch hatten sie noch vieles andere aus ihrer Zeit
im Sinn – und haben gerade nicht eine christliche Gottesordnung aufgestellt. Die
Präambel ist vielmehr ein Hinweis auf die Fehlbarkeit des Menschen, eine
Mahnung gegen absolute Staatsgewalt.
Die Freiheitsrechte sprechen hier eine deutliche Sprache – von der Meinungs­ bis zur Religionsfreiheit. Ihre Sprengkraft ist
immens. Es ist eben kein Integrationsprogramm, denn jedermann darf für eine andere Ordnung eintreten, wenn niemand
gehalten ist, die der Verfassung zugrunde liegenden Wertsetzungen zu teilen. Das Grundgesetz erzwingt keine Werteloyalität
– wie will das ein freiheitlicher Staat auch versuchen? Die Verfassung schützt nämlich auch Meinungen, die auf eine
grundlegende Änderung der politischen Umstände zielen, unabhängig davon, ob sie im Rahmen der grundgesetzlichen
Ordnung überhaupt durchsetzbar sind.
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Und die Religionen? Hier macht das
Grundgesetz keine Vorgaben. Anders
übrigens als den Parteien. Deren
innere Ordnung muss demokratischen
Grundsätzen entsprechen, sie müssen
über ihre Mittel öffentlich
Rechenschaft ablegen – und sie
können verboten werden, wenn sie
darauf ausgehen, die freiheitliche
demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen.
Das alles gilt für Religionsgemeinschaften nicht – kein Wunder: Das ist eben eine andere Welt. Auch die christlichen
Religionen sind keine Demokratie­Vereine, in denen die Grundrechte stets voll zur Geltung kommen. In der katholischen
Kirche sind Frauen von bestimmten Ämtern ausgeschlossen. Das Grundgesetz schützt alle Handlungen, die von der eigenen
Religion (Weltanschauung, Gewissen) verlangt werden. Das kann auch ein Satanskult sein, darunter kann auch der Genuss
von Rauschgift fallen.
Die Verfassung fragt schlicht nicht nach der Art der Religion, sondern schützt sie. Es gibt nur eine Schranke: die des
Grundgesetzes. Wo also religiös motivierte Handlungen an die Grundrechte anderer oder an Werte von Verfassungsrang
stoßen, da muss abgewogen werden. So ist eben das betäubungslose Schächten grundsätzlich verboten – eine Ausnahme gibt
es nur im Fall von zwingenden Vorschriften der eigenen Religionsgemeinschaft. Klar ist: Das staatliche Recht geht vor. Das
„Kirchenasyl“ gibt ebenso wenig ein Aufenthaltsrecht, wie die Scharia eine Rechtfertigung für einen „Ehrenmord“ sein kann.
In der Auseinandersetzung mit „dem“ Islam ist deshalb die entscheidende Frage, um welchen Islam mit welchen Ansprüchen
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es sich handelt. Der Islam als blutig durchgesetzte Staatsreligion oder als Terrorideologie, die keinen anderen Glauben
zulässt und Abtrünnige drakonisch bestraft, hat in Deutschland sicherlich keinen Platz. Für den Staat bedeutet das: Seine
Institutionen müssen genau(er) hinschauen, wer ins Land kommt, von wem eine Gefahr ausgeht. Wenn in bestimmten
Moscheen zum Terror aufgerufen wird, müssen diese beobachtet werden. Religiöse Vereine und „Glaubensgemeinschaften“
müssen verfolgt und verboten werden, deren Ziel auf die gewaltsame Abschaffung der freiheitlichen demokratischen
Grundordnung gerichtet ist.
Doch bei allen Schwierigkeiten und Parallelgesellschaften: Die Integration und Einhegung zahlreicher Glaubensrichtungen
ist in Deutschland mit seinen vier Millionen Muslimen, davon etwa zwei Millionen mit deutscher Staatsangehörigkeit, bisher
nicht schlecht gelungen. Keine Frage auch, dass Muslime zu Deutschland gehören. Der Satz „Der Islam gehört zu
Deutschland“, für den die Bundeskanzlerin noch Anfang des vergangenen Jahres aus der eigenen Fraktionsführung
entschiedenen Widerspruch zu spüren bekam, muss einstweilen als Aufforderung zu gemeinsamen Anstrengungen
verstanden werden. Das richtet sich an den islamischen Religionsunterricht und an die islamische Theologie an
Universitäten. Einige muslimische Organisationen sind auf Länderebene schon Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Das Ziel ist ein anderer Islam, als er heute oft sein Gesicht zeigt. Das ist gewiss ein Wagnis, das Wachsamkeit erfordert. Aber
Freiheit ist stets ein Wagnis, Freiheit in Selbstverantwortung auch ein christliches Wagnis. Diese Freiheit und ihre Grenzen
zu schützen ist Aufgabe des Staates. Für Zwang und Gewalt ist das Grundgesetz nicht offen. Aber letztlich entscheidet jeder
darüber mit, was davon bleibt und wie das Land sich ändert.
Quelle: F.A.Z. Themen zu diesem Beitrag: Zur Homepage
Deutschland | Religionsfreiheit | Viktor Orbán | Grundgesetz | Islam | Alle Themen
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