ZAHLENTHEORIE JÖRN STEUDING — WÜRZBURG, KURZSKRIPT SOMMERSEMESTER 2013 Zur Notation: Wir schreiben f (x) = O(g(x)) und f (x) ≪ g(x) bei x → x0 , wenn lim supx→x0 |f (x)|/g(x) < ∞; ist dieser lim sup gleich null, so notieren wir dies als f (x) = o(g(x)). Mit ♯M wird die Kardinalität einer Menge M bezeichnet. Alle auftretenden Logarithmen log sind natürlich, also zur Basis e = exp(1) = 2, 71828 . . .. Kleine lateinische Buchstaben stehen mit Ausnahme von x (meist) für ganze Zahlen, x sowie griechische Buchstaben hingegen (meist) für reelle Zahlen und große lateinische Buchstaben für Variable. Zugrundeliegende Literatur: • A. Baker, A Comprehensive Introduction to the Theory of Numbers, Cambridge 2012 • S.I. Borewicz, I.R. Šafarevič, Zahlentheorie, Birkhäuser 1966 • J.W.S. Cassels, An Introduction to the Geometry of Numbers, Springer 1959 • J.P.G.L. Dirichlet, Vorlesungen über Zahlentheorie, 2. Auflage 1871, herausgegeben von R. Dedekind; online erhältlich unter http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/ • G.H. Hardy, E.M. Wright, An Introduction to the Theory of Numbers, Clarendon Press 1938, 6. Aufl. 2008 • L.K. Hua, Introduction to Number Theory, Springer 1982 • M. Koecher, A. Krieg, Elliptische Funktionen und Modulformen, Springer, 2. Auflage 2007 • H. Opolka, W. Scharlau, Von Fermat bis Minkowski. Eine Vorlesung über Zahlentheorie und ihre Entwicklung, Springer 1980 • J. Steuding, Diophantine Analysis, CRC-Press/Chapman-Hall 2005 • A. Weil, Number Theory: An Approach Through History from Hammurapi to Legendre, Birkhäuser 2006 • J. Wolfart, Einführung in die Zahlentheorie und Algebra, Vieweg, 2. Auflage 2011 • D. Zagier, Zetafunktionen und Quadratische Körper, Springer 1981 Inhaltsverzeichnis 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. Gitterpunkte zählen! Faltung arithmetischer Funktionen Der Minkowskische Gitterpunktsatz Ungleichungen mit Linearformen Minima positiv definiter quadratischer Formen Äquivalenz binärer quadratischer Formen Reduktionstheorie Das Jacobi- und das Kronecker-Symbol Automorphe und Totale Darstellungsanzahl Die analytische Klassenzahlformel Quadratische Zahlkörper Euklidische und faktorielle Ganzheitsringe Zerlegung von Primzahlen Ideale, Primideale und gebrochene Ideale Die Idealklassengruppe Die Dedekindsche Zetafunktion Ein Tauber-Satz und die Verteilung der Primideale 1 2 4 5 8 9 11 13 15 16 18 20 21 23 25 28 30 32 2 ZAHLENTHEORIE Diese Vorlesung ist eine Fortsetzung der Einführung in die Zahlentheorie. Die zentralen Themen bilden Gitterpunkte, quadratische Formen und Primzahlen. Hierzu studieren wir Mittelwerte arithmetischer Funktionen, untersuchen die Arithmetik von Zahlkörpern und beweisen insbesondere den Primzahlsatz; schließlich gehen wir auch noch kurz auf Modulformen ein. Wir beginnen jedoch mit der Geometrie der Zahlen, einem Gebiet, welches Minkowski in den 1890ern ins Leben gerufen hat und diverse Anwendungen auf diophantische Fragestellungen hat, aber auch für die Arithmetik von quadratischen Formen und Zahlkörpern relevant ist. Ursprünge geometrischer Betrachtungen in der Zahlentheorie finden sich jedoch bereits bei klassischen Problemstellungen (wie etwa der Pellschen Gleichung, die nach Gitterpunkten auf Hyperbeln fragt bzw. pythagoräische Tripel, welche mit den rationalen Punkten auf dem Einheitskreis korrespondieren). 1. Gitterpunkte zählen! Eine einfache Frage: Wie viele ganzzahlige Gitterpunkte liegen in einem Kreis? Handelt es sich um den Kreis vom Radius x > 0 mit Mittelpunkt 0 = (0, 0) in der euklidischen Ebene, so zählt r(n) := ♯{(a, b) ∈ Z2 : a2 + b2 = n} √ für n ∈ N0 einerseits eben die Gitterpunkte (a, b) ∈ Z2 , die einen Abstand n vom Ursprung 0 haben, andererseits auch die Anzahl der Darstellungen von n als Summe zweier Quadrate ganzer Zahlen; dies schlägt eine Brücke zwischen Geometrie und Zahlentheorie. Nach einem Satz von Fermat gilt r(p) > 0 für alle Primzahlen p ≡ 1 mod 4; z.B. gilt 5 = 22 + 12 . Im Wesentlichen ist jede solche Darstellung (bis auf die offensichtlichen Symmetrien) eindeutig, was auf r(p) = 4 für diese Primzahlen führt. Hingegen ist r(p) = 0 für alle Primzahlen p ≡ 3 mod 4. Dieses recht unterschiedliche Werteverhalten lässt sich durch eine Mittelwertbildung besser verstehen: Für x ≥ 0 sei X R(x) := ♯{(a, b) ∈ Z2 : a2 + b2 ≤ x} = r(n). 0≤n≤x Diese Anzahl von Gitterpunkten lässt sich durch die Fläche des Kreises approximieren (vermöge eindeutiger Zuordnung eines achesenparallelen Quadrates der Kantenlänge eins mit Mittelpunkt in einem jeden solchen Gitterpunkt); also R(x) ∼ πx. Mit ein wenig elementarer Geometrie lässt sich dies präzisieren: Abbildung 1. Das Kreisproblem illustriert an einer Torte zum diesjährigen π-day am 3/14. Satz 1 (Gauß, 1801). R(x) = πx + O(x1/2 ). ZAHLENTHEORIE 3 Der Mittelwert von r(n) bei n → ∞ ist also gleich der Irrationalzahl π (womit ein verschwindender Fehlerterm unmöglich ist).∗ Das so genannte Kreisproblem fragt nach dem bestmöglichen Fehlerterm. Die zur Zeit beste obere Schranke ist R(x) − πx ≪ x131/416+ǫ ,† während andererseits ein Fehlerterm x1/4 (log x)1/4 (log log x)1/8 unmöglich ist.‡ Höherdimensionale Analoga sind leichter zu handhaben: Bezeichnet rk (n) die Anzahl der Darstellungen von n als Summe von k Quadraten, so gilt k lim x x→∞ − k2 π2 rk (n) = , k Γ( 2 + 1) n≤x X wobei die rechte Seite das Volumen der k-dimensionalen Einheitskugel des Rk ist;§ k für k ≥ 5 ist der bestmögliche Fehlerterm O(x 2 −1 ), wie Walfisz (1924) zeigte.¶ Ersetzt man im eindimensionalen Fall die Kreislinie durch eine beliebige einfach geschlossene, rektifizierbare Kurve der Länge ℓ mit einem (beschränkten) Inneren der Fläche a, so gilt nach einem Resultat von Jarnik |a − R| < ℓ für die Anzahl R der umschlossenen Gitterpunkte.k Ein verwandtes Problem beschäftigt sich P mit Gitterpunkten unterhalb einer Hyperbel. Die Teilerfunktion n 7→ d(n) := d|n 1 zählt die positiven Teiler von n ∈ N. Auch diese arithmetische Funktion oszilliert stark: d(p) = 2 besteht genau für prime p, während d(m!) mit wachsendem m beliebig groß wird. Hier ergibt sich mit der ’Hyperbel-Methode’∗∗ ein Wachstum ähnlich der divergenten harmonischen Reihe: Satz 2 (Dirichlet, 1849). X d(n) = x log x + (2γ − 1)x + O(x1/2 ). n≤x P Hierbei ist γ := limN →∞ ( n≤N n1 − log N ) = 0, 577 . . . die Euler–Mascheroni– Konstante und es gilt die asymptotische Formel X 1 = log x + γ + O(x−1 ), m m≤x wie sich mit Abelscher Teilsummation zeigt: Für stetig differenzierbare f gilt Z x X X X αm f ′ (u) du. αm f (m) = αm f (x) − m≤x m≤x 1 m≤u Voronoı̈ (1903) erzielte eine explizite Darstellung des Fehlerterms in Dirichlets asymptotischer Formel. Nach der bestmöglichen Abschätzung des Fehlerterms fragt das Teilerproblem; es bestehen hierbei ganz ähnliche Abschätzungen wie beim Kreisproblem. Vermutlich ist jeweils ein Exponent 14 im Wesentlichen bestmöglich. ∗ Durch Abzählen der Gitterpunkte in immer größeren Kreisen berechnete Gauß Dezimalstellen von π; eine verwandte Idee verwenden Monte Carlo-Methoden. † M.N. Huxley, Exponential Sums and Lattice Points III. Proc. London Math. Soc. 87 (2003), 591-609; tatsächlich wird hier sogar noch xǫ durch (log x)18 637/8320 präzisiert! ‡ K. Soundararajan, Omega results for the divisor and the circle problem, Int. Math. Res. Not. 36 (2003), 1987-1998 § welche übrigens im Gegensatz zum k-dimensionalen Einheitswürfel ein mit k → ∞ gegen null konvergierendes Volumen besitzen(!), wie man mit Hilfe der Stirlingschen Formel zeigt. ¶ siehe F. Fricker, Einführung in die Gitterpunktlehre, Birkhäuser 1982 k siehe Hua, Seite 123 ∗∗ engl.: ’hyperbola method’ 4 ZAHLENTHEORIE Übung: i) Es gilt stets r(n) = r(2n) und die Mittelwerte von r(n) für gerade bzw. ungerade n sind gleich. ii) Der Mittelwert von d(n) ist log n bei wachsendem n. Tatsächlich weicht d(n) für viele n davon deutlich ab. Es gelten log log n , lim inf log d(n) = log 2 = lim sup log d(n) n→∞ log n n→∞ womit die so genannte Minimal- und Maximalordnung von d(n) also null bzw. 2log n/ log log n betragen.†† P Übungsaufgaben: a) Berechne den Mittelwert von n 7→ σ(n) := d|n d; geben Sie eine möglichst gute Abschätzung des Fehlerterms an. b) Finde α ∈ R, so dass P n≤x (αd(n) − log n) minimal ist. c) Wie viele ganzzahlige Gitterpunkte sind vom Ursprung aus sichtbar? Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: verbesserte Fehlerabschätzungen beim Teilerproblem, der Satz von Jarnik, der Satz von Erdös-Fuchs, Maximal- und Minimalordnung arithmetischer Funktionen. 2. Faltung arithmetischer Funktionen Die Möbiussche µ-Funktion ist definiert durch µ(1) = 1 und µ(n) = 0 für quadratbehaftete n sowie µ(n) = (−1)m , falls n ein Produkt von m verschiedenen Primzahlen ist. Damit ist µ multiplikativ und es gilt X +1 falls n = 1, ǫ(n) := µ(d) = 0 sonst. d|n Die Faltung∗ arithmetischer Funktionen f, g : N → C ist erklärt durch X (f ∗ g)(n) := f (d)g(n/d); d|n zusammen mit der durch Superposition erklärten Addition ist so die Menge der arithmetischen Funktionen ein kommutativer Ring mit Einselement ǫ. Die Faltung korrespondiert dabei mit der Multiplikation der assoziierten erzeugenden (formalen) Dirichlet-Reihen: X X X f (m)m−s × g(d)d−s = (f ∗ g)(n)n−s . m≥1 n≥1 d≥1 Satz 3 (Möbius Umkehrung, 1832). Es ist genau dann g = f ∗1, wenn f = µ∗g. Zum Beispiel bestehen die Identitäten ǫ = µ ∗ 1 sowie d = 1 ∗ 1 und für die Eulersche ϕ-Funktion ϕ = µ ∗ id bzw. id = ϕ ∗ 1. Entsprechend lassen sich viele relevante Dirichlet-Reihen mit Hilfe der Riemannschen Zetafunktion ausdrücken; beispielsweise: Y X ζ(s)−1 = (1 − p−s ) = µ(n)n−s (Re s > 1). p sowie ∞ X n=1 †† ∗ d(n)n−s = ζ(s)2 (Re s > 1), n≥1 ∞ X n=1 ϕ(n)n−s = ζ(s − 1) ζ(s) (Re s > 2). Insofern können auf Hyperbeln bd = n erstaunlich viele ganzzahlige Punkte (b, d) liegen! engl. convolution ZAHLENTHEORIE 5 Statt der Frage nach der Anzahl der Gitterpunkten in einem Kreis können wir auch nach der Anzahl der vom Ursprung sichtbaren Gitterpunkte fragen: In diesem Fall müssen die Koordinaten des betreffenden Gitterpunktes (a, b) ∈ Z2 teilerfremd sein. Diese arithmetische Obstruktion führt auf die ϕ-Funktion und in Kombination 2 mit der Eulerschen Formel ζ(2) = π6 ergibt sich Satz 4 (Mertens, 1874). X ϕ(n) = 3 2 x π2 + O(x log x). n≤x Damit ist die Wahrscheinlichkeit,† dass zwei natürliche Zahlen teilerfremd sind, gleich π62 = 0, 6079 . . .. Satz 5 (Gegenbauer, 1885). X µ(n)2 = 6 x π2 + O(x1/2 ); n≤x insbesondere ist die Dichte der quadratfreien Zahlen in N gleich 6 . π2 Der Beweis basiert auf dem Ein- und Ausschlussprinzip der Kombinatorik sowie der Beobachtung, dass µ(n)2 = 1 genau für quadratfreie n gilt. Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: Mittelwerte multiplikativer arithmetischer Funktionen; die Sätze von Wintner, Wirsing und Halász. 3. Der Minkowskische Gitterpunktsatz Im Folgenden sei stets n ≥ 2. Eine Menge C ⊂ Rn heißt konvex, falls [x, y] := {ℓx + (1 − ℓ)y : 0 ≤ ℓ ≤ 1} ⊂ C für je zwei beliebige x, y ∈ C, wenn also das zwei beliebige Punkte verbindende Liniensegment ganz in der Menge enthalten ist. Eine beschränkte konvexe Menge besitzt stets ein wohldefiniertes endliches Volumen vol(C).∗ Eine konvexe Menge C, die nicht in einer Hyperebene enthalten ist, heißt ein konvexer Körper. Eine Menge C wird symmetrisch genannt, wenn C = −C, also mit x ∈ C stets auch −x ∈ C gilt. Satz 6 (Minkowskischer Gitterpunktsatz, 1889/91). Sei C ⊂ Rn ein symmetrischer konvexer Körper mit einem Volumen vol(C) > 2n . Dann enthält C mindestens einen von 0 verschiedenen Gitterpunkt z. Der Beweis nach Mordell basiert auf der Ausschöpfung des konvexen Körpers durch immer kleinere Quader ähnlich der Approximation von Integralen durch immer feinere Riemann-Summen.† Bislang haben wir den Begriff Gitter synonym für die Menge Zn verwendet. Allgemein verstehen wir unter einem Gitter Λ in einem euklidischen Raum V eine diskrete additive Untergruppe von V , deren Erzeugnis ganz V ist. Im Rn lässt sich mit ein wenig linearer Algebra ein solches Gitter stets darstellen als (1) Λ = {m1 z1 + . . . + mn zn : mj ∈ Z} =: z1 Z + . . . + zn Z mit gewissen in Rn linear unabhängigen z1 , . . . , zn . Beispielsweise ist die Menge der ganzen Gaußschen Zahlen Z[i] = {a + ib : a, b ∈ Z} ein Gitter (aber auch ein † im Sinne eines Laplace-Experimentes wie eine approximierende Ausschöpfung von C durch Quader zeigt; auch im Falle n = 2 verwenden wir die Notation vol für die Fläche. † Einen alternativen Ansatz liefern die Arbeiten von Blichfeldt; siehe Cassels’ Monographie Introduction to the Geometry of Numbers. ∗ 6 ZAHLENTHEORIE Abbildung 2. Statt im Kreisproblem den Radius wachsen zu lassen, kann auch der Abstand zwischen den Gitterpunkten verringert werden – das Verhältnis zwischen Gitterpunktanzahl und Fläche der Zellen ist asymptotisch gleich der Kreisfläche. Entdeckte Mordell so seinen Beweis des Gitterpunktsatzes? Ring bzw. ein Ideal) und mit der Interpretation von C als R-Vektorraum entspricht diesem Z2 in der euklidischen Ebene R2 . Der Fundamentalbereich von Λ ist definiert durch F = {λ1 z1 + . . . + λn zn : 0 ≤ λj < 1}}; die Determinante des Gitters ist gegeben durch die n × n-Determinante det(Λ) = | det(z1 , . . . , zn )| und entspricht dem Volumen von F (welches 6= 0 ist auf Grund der linearen Unabhängigkeit der Spaltenvektoren zj ), ist also unabhängig von den nicht-eindeutig bestimmten erzeugenden Vektoren zj in (1). Gauß’ Behandlung der Frage nach der Anzahl der Punkte mit ganzzahligen Koordinaten in einem gegebenen Kreis entnehmen wir unmittelbar folgende Verallgemeinerung auf beliebige Gitter: Die Anzahl der Gitterpunkte z ∈ Λ in einer n-dimensionalen Kugel B ist asymptotisch gleich dem Quotienten des Volumens von B und dem Volumen des Fundamentalbereichs F. Minkowski fragte, unter welchen Umständen eine Menge einen Gitterpunkt notwendig enthalten muss.‡ Die bijektive lineare Abbildung x1 z11 . . . z1n x1 y1 z1j .. . .. .. =: .. mit z = .. . 7→ .. . . j . . xn zn1 . . . znn xn yn zjn bildet das Standardgitter Zn auf Λ ab; zusätzlich werden (symmetrische) konvexe Körper des x-Raumes in ebensolche im y-Raum abgebildet. Dabei gilt mit Hilfe der Transformationsformel Z Z Z Z . . . f (x1 , , . . . , xn ) dx1 . . . dxn = det(Λ) . . . f (y1 , , . . . , yn ) dy1 . . . dyn mit integrierbaren Funktionen f . Entsprechend ergibt sich Satz 7 (Minkowskischer Gitterpunktsatz, allgemeine Version). Es sei Λ ⊂ Rn ein Gitter und C ⊂ Rn ein symmetrischer konvexer Körper mit einem Volumen vol(C) > 2n det(Λ). Dann enthält C mindestens einen vom Ursprung 0 verschiedenen Gitterpunkt z ∈ Λ. Gilt hingegen vol(C) ≥ 2n det(Λ), so folgt mit einem Stetigkeitsargument die Existenz eines von 0 verschiedenen Gitterpunktes in C oder auf seinem Rand. ‡ Seine Monographie Geometrie der Zahlen, Teubner 1896/1910, ist immernoch ein lesenswerter Klassiker; leichter zugänglich ist sicherlich Cassels’ Monographie. ZAHLENTHEORIE 7 Mit dem Minkowskischen Gitterpunktsatz wird das geometrische Konzept der Konvexität arithmetischen Fragestellungen nutzbar gemacht; folgende Anwendungen auf Summen von Quadraten gehen auf Davenport zurück: Satz 8 (Zweiquadratesatz von Fermat, ≤ 1640§). Jede Primzahl p ≡ 1 mod 4 lässt sich darstellen als Summe zweier Quadrate ganzer Zahlen. Beispielsweise gilt 30 449 = 1002 + 1432 . Für den Beweis betrachtet man das Gitter Λ = ( 1q )Z + ( 0p )Z ⊂ R2 mit q 2 ≡ −1 mod p (welches nach dem ersten Ergänzungsgesetz erfüllbar ist). Satz 9 (Vierquadratesatz von Lagrange, 1772). Jede natürliche Zahl besitzt eine Darstellung als Summe von vier Quadraten. Ein Beweis basiert auf der Normengleichung für Quaternionen und einer Anwendung des Minkowskischen Gitterpunktsatzes auf das durch das System linearer Kongruenzen X3 ≡ aX1 + bX2 , X4 ≡ bX1 − aX2 mod p definierte Gitter mit der erfüllbaren Nebenbedingung a2 + b2 + 1 ≡ 0 mod p.¶ Übung: iii) Ganzzahlige Linearkombinationen von über R linear abhängigen Vektoren bilden keine diskrete Menge. iv) Eine Menge Ω ⊂ Rn heißt packbar, wenn (x + Ω) ∩ (y + Ω) = ∅ für verschiedene x, y ∈ Zn gilt; der Satz von Blichfeldt besagt: Ist Ω Lebesgue-meßbar und packbar, dann gilt vol(Ω) ≤ 1. Dies liefert einen alternativen Beweis des Minkowskischen Gitterpunktsatzes. v) Der erstaunliche Satz von Pick besagt: Ist Π ⊂ R2 ein konvexes Polygon mit Eckpunkten in Z2 und nicht-leerem Inneren, dann gilt ♯(Π ∩ Z2 ) = vol(Π) + 21 ♯(∂Π ∩ Z2 ) + 1, wobei ∂Π für den Rand von Π steht. Höherdimensionale Analoga liefern die Ehrhart-Polynome. Abbildung 3. Ein nicht-konvexes Polygon der Fläche 13 12 . Übungsaufgaben: d) Gebe einen vollständigen Beweis des Vierquadratesatzes von Lagrange mit Hilfe des Minkowskischen Gitterpunktsatzes. e) Sei C eine abgeschlossene Kreisscheibe vom Radius r > 0 mit Mittelpunkt im Ursprung und auf jedem ganzzahligen Gitterpunkt (a, b) 6= 0 der euklidischen Ebene innerhalb C sei mittig ein hoher Baum vom Radius ρ gepflanzt. Für welche Verhältnisse von r und ρ ist es unmöglich vom Ursprung heraus aus dem Wald hinaus zu schauen? f) Die dichteste π = 0, 906 . . . des Kreisgitterpackung ist nach Lagrange hexagonal und bedeckt 2√ 3 R2 , während die dichteste Kugelgitterpackung nach Gauß flächenzentriert-kubisch π ist mit einem Bedeckungsanteil von 3√ = 0, 74 . . . des R3 .k 2 § Fermats Beweis ist nicht erhalten; den ersten überlieferten Beweis erbrachte Euler 1749. Details etwa in Cassels, Steuding oder Wolfart k Beide sind sogar unter allen Kreis- bzw. Kugelpackungen optimal, wie sogar mathematisch ungebildete Bienen und Orangenverkäufer wissen... ¶ 8 ZAHLENTHEORIE Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: Ehrhart-Polynome, sukzessive Minima und der zweite Gitterpunktsatz von Minkowski. 4. Ungleichungen mit Linearformen Der Minkowskische Gitterpunktsatz liefert einen alternativen Zugang zu Fragestellungen der Theorie diophantischer Approximationen: Beispielsweise folgt der klassische Dirichletsche Approximationssatz aus einer Anwendung auf den durch 1 die Ungleichungen |x| ≤ Q + 21 , |yα − x| < Q definierten Quader im R2 : Insbesondere existieren zu einer gegebenen Irrationalzahl α unendlich viele rationale pq mit p α − < 1 (2) q q2 und R \ Q ist dadurch charakterisiert. Dies lässt sich folgendermaßen verallgemeinern: Eine homogene Linearform Yj in den Variablen X1 , . . . , Xn mit reellen Koeffizienten αij ist gegeben durch Yj (X) = Yj (X1 , . . . , Xn ) = αj1 X1 + . . . + αjn Xn . Unter der Annahme, dass die den Linearformen zugeordnete Determinante det(αjk ) nicht verschwindet, bilden die von ganzen Zahlen x1 , . . . , xn herrührenden Tupel (Y1 (x1 , . . . , xn ), . . . , Yn (x1 , . . . , xn )) ein Gitter Λ ⊂ Rn mit det(Λ) = | det(αjk )| und Anwenden des Minkowskischen Gitterpunktsatzes auf den durch die Ungleichungen |Y1 (X)| ≤ λ1 . . . , |Yn (X)| ≤ λn definierten symmetrisch konvexen Körper C und der Gitterpunktsatz liefert die Existenz ganzer Zahlen x1 , . . . , xn , nicht alle null, für die sämtliche Linearformen klein werden. Im Falle verschwindender Determinante ist C unbeschränkt und eine entsprechende Abschätzung gilt trivialerweise: Satz 10 (Minkowskischer Linearformensatz, 1896). Seien Linearformen Y1 , . . . , Yn gegeben. Für λ1 · . . . · λn ≥ | det(αjk )| existiert x ∈ Zn \ {0}, so dass |Yj (x)| ≤ λj für j = 1, . . . , n. Dies lässt sich auf Linearformen mit komplexen Koeffizienten αjk ausdehnen. Hierfür bildet man Paare konjugiert komplexer Linearformen Yk , Yk+1 und ordnet diesen folgendermaßen reelle Paare zu: Yk = √1 (Yk 2 + Yk+1 ) und Yk+1 = √1 (Yk 2i − Yk+1 ) (ähnlich den Darstellungen von cos und sin durch die Exponentialfunktion). Satz 11 (Minkowskischer Linearformensatz, komplexe Version). Gegeben s Paare von Linearformen Y1 , Y2 , . . . , Y2s−1 , Y2s mit jeweils komplex konjugierten Koeffizienten αij und weitere r = n − 2s Linearformen Y2s+1 , . . . , Yn mit reellen Koeffizienten. Dann existieren ganze Zahlen x1 , . . . , xn , nicht alle null, so dass s 1 für j = 1, . . . , n. |Yj (x1 , . . . , xn )| ≤ π2 n | det(αjk )| n Einer Beobachtung von Hurwitz folgend kann man hier (wiederum mittels einem Stetigkeitsargument) alle bis auf ein Relationszeichen ’≤’ durch strikte ’<’ austauschen. In vielen Zahlkörpern sind die Ganzheitsringe nicht-euklidisch (ein Thema, welches wir später noch vertiefen werden); damit steht kein euklidischer Algorithmus zur Verfügung mit Hilfe dessen ein vernünftiger Kettenbruchalgorithmus implementiert werden könnte. Hier liefert der vorangegangene Minkowskische Linearformensatz einen alternativen Zugang: ZAHLENTHEORIE 9 √ Satz 12 (Gintner, 1936). √Sei m ∈ N. Dann existieren zu beliebigem α ∈ C\Q(i m) unendlich viele p, q ∈ Z[i m] mit √ α − p < 6m 1 . q π |q|2 √ √ Im Falle m 6=≡ 3 mod 4 ist Z[i m] der Ganzheitsring des Zahlkörpers Q(i m); im Falle m ≡ 3 mod 4 liefert eine Beweisvariante eine √analoge Ungleichung für den 6m 1 ∗ . Insofern existieren entsprechenden Ganzheitsring als rechte Seite sogar 2π |q|2 also Analoga zu den Abschätzungen des Dirichletschen Approximationssatzes (2) in ebendiesen quadratischen Zahlkörpern. Weitere Anwendungen des komplexen Linearformensatzes sind in der Algebraischen Zahlentheorie relevant: sie leisten den Existenznachweis von ganzen Idealen mit kleiner Norm in beliebigen Idealklassen, den Beweis, dass es neben Q keinen Zahlkörper mit Diskriminante eins gibt,† und einen kurzen Beweis des Dirichletschen Einheitensatzes.‡ Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: Verallgemeinerungen des inhomogenen Kroneckerschen Approximationssatzes, Anwendungen beim mathematischen Billard; Abschätzungen der Gitterkonstanten; das subspace theorem von Schmidt. Interessant sind auch Anwendungen der Geometrie der Zahlen und der Theorie der Gitter auf Fragestellungen der Kodierungstheorie und der Kryptographie (wie etwa das Auffinden eines kürzesten Gittervektors); diese lassen wir hier genauso aus wie auch die spektakulären Untersuchungen von Hales, welche die Keplersche Vermutung zur dichtesten Kugelpackung im Dreidimensionalen (mit Hilfe massiven Computereinstazes) bestätigen.§ Der Minkowskische Gitterpunktsatz erlaubte mit dem Fermatschen Zweiquadratesatz Aussagen über die Darstellbarkeit natürlicher Zahlen durch quadratische Formen wie etwa X 2 + Y 2 . Solche Quadratischen Formen wollen wir nun hinsichtlich ihrer arithmetischen Eigenschaften eingehend untersuchen; unsere Methoden entstammen dabei der linearen Algebra und der elementaren Zahlentheorie. Die Theorie der quadratischen Formen wurde im Wesentlichen durch Lagrange in seinen Recherches d’arithmétique von 1773 und Gauß in seinen Disquisitionae Arithmeticae von 1801 begründet; zuvor trugen Fermat, Euler und Legendre wichtige Teilergebnisse bei.¶ 5. Minima positiv definiter quadratischer Formen Eine quadratische Form Q in den Variablen X1 , . . . , Xn ist ein homogenes Polynom der Form X Q = Q(X1 , . . . , Xn ) = αij Xi Xj 1≤i,j≤n ∗ H. Gintner, Ueber Kettenbruchentwicklung und über die Approximation von komplexen Zahlen, Diss. Wien, 1936 † hier zeigte Hermite, dass zu jeder natürlichen Zahl d nur endlich viele Zahlkörper mit Diskriminante d existieren ‡ siehe Borewicz & Šafarevič § T. Hales, Dense sphere packings. A blueprint for formal proofs, Cambridge University Press 2012; auch lesenswert: G.G. Szpiro, Die Kepler Vermutung, Springer 2011 ¶ Die Darstellung bei Dirchlet ist bereits sehr zugänglich und lesenswert! 10 ZAHLENTHEORIE mit Koeffizienten aij in einem Ring; in unserem Fall sei αij stets reell. Mit Hilfe der aus den Koeffizienten gebildeten Matrix Q = (αij ) gilt X1 Q(X) = Xt Q X mit X = ... ; Xn hierbei dürfen wir noch αij = αji vorraussetzen, womit Q also symmetrisch ist. Eine quadratische Form Q heißt positiv definit, falls Q = Q(x) nur positive Werte für x 6= 0 annimmt; nimmt sie hingegen nur negative Werte an, so heißt sie negativ definit und ansonsten indefinit. Das Hurwitz-Kriterium liefert eine Charakterisierung positiv definiter Formen als eben jene, bei denen die zugehörige symmetrische Matrix Q nur positive Eigenwerte besitzt. Die Determinante (auch Diskriminante) einer quadratischen Form Q ist definiert durch ∆ = det Q; sie ist positiv im Falle einer positiv definiten quadratischen Form. Mittels Hauptachsentransformation lässt sich jede positiv definite quadratische Form Q darstellen als Q = Y12 +. . .+Yn2 , wobei die Yj homogene Linearformen in X1 , . . . , Xn sind. 3 2 1 -6 -4 -2 2 4 6 -1 -2 -3 Abbildung 4. Ein Beispiel für den Minkowskischen Gitterpunktsatz: Die Ellipsen Ec : 2X 2 + 10XY + 13Y 2 = c mit c = 1, 2 und Gitterpunkte überführt E2 √ √ (x, y) 6= 0. Hauptachsentransformation in (15 − 221)X 2 + (15 + 221)Y 2 < 4, woraus vol(E2 ) = 2π > 22 und die Existenz von Gitterpunkten (x, y) 6= 0 folgt, welche notwendig auf E1 liegen. Eine zentrale Frage der Zahlentheorie ist, welche Zahlen durch eine gegebene quadratische Form darstellt werden und, falls also die quadratische Gleichung Q(X) = n bei gegebenem n lösbar ist, welcher Gestalt die Lösungen x ∈ Zn sind. Mit dem Vierquadratesatz von Lagrange hatten wir mit X12 +X22 +X32 +X42 bereits eine so genannte universelle quadratische Form kennen gelernt, welche sämtliche nicht-negativen ganzen Zahlen darstellt; die spannende Frage nach allen solchen Formen geht auf Ramanujan zurück,∗ doch diese werden wir hier nicht weiter erörtern. ∗ und wir verweisen auf den Übersichtsartikel J.H. Conway, Universal quadratic forms and the Fifteen Theorem, in: Quadratic forms and their applications, Proceedings of the conference, University College Dublin, Ireland, July 5-9, 1999, E. Bayer-Fluckiger (ed.) et al., Providence, RI: American Mathematical Society (AMS). Contemp. Math. 272, 23-26 (2000) ZAHLENTHEORIE 11 Im Folgenden wollen wir die Minima positiv definiter quadratischer Formen untersuchen. Der Gitterpunktsatz zeigt Satz 13 (Minkowski, 1891). Sei Q eine positiv definite quadratische Form in den Unbekannten X1 , . . . , Xn mit Determinante ∆, dann existieren ganze Zahlen x1 , . . . , xn , nicht alle null, so dass 2 1 Q(x1 , . . . , xn ) ≤ π4 Γ( n2 + 1) n ∆ n . Die Hermite-Konstante γn ist definiert als das Infimum, für die 0 6= x = 1 (x1 , . . . , xn ) ∈ Zn mit Q(x) ≤√γn ∆ n existiert. Nur wenige Werte von γn sind √ 8 2 √ bekannt: γ2 = 3 (s.u.), γ3 = 2, γ4 = 2, γ24 = 4 (dank dem Leech-Gitter). Im Allgemeinen sind nur Abschätzungen bekannt: Hermite bewies per Induktion bereits γn ≤ ( 43 )(n−1)/2 . Mit der Stirlingschen Formel† folgt γn ≤ (1 + o(1)) 2n πe . Mit erheblich größerem Aufwand gilt nach Blichfeldt n γn < (1 + o(1)) . πe Indefinite Formen sind wesentlich schwieriger zu behandeln. Beispielsweise korrespondieren die Darstellungen der Null durch die Form X 2 + Y 2 − Z 2 mit den pythagoräischen Tripeln. Margulis bewies, dass jede nicht-degenerierte quadratische Form Q in n ≥ 3 Veränderlichen, welche nicht ein Vielfaches einer rationalen Form ist, ein dichtes Bild Q(Zn ) in R besitzt; der Beweis erfolgt mit Ergodentheorie. Diese Aussage ist eine tiefliegende Erweiterung des Kroneckerschen Satzes, dass Iterationen der Abbildung x 7→ x + α mod 1 für irrationales α ein dichtes Bild im Einheitsintervall liefern. Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: Abschätzungen der Hermite-Konstanten ternärer Formen. Der Satz von Legendre besagt: Sind a, b, c ∈ Z verschieden und abc quadratfrei, dann hat die Gleichung aX 2 + bY 2 + cZ 2 = 0 genau dann nicht triviale Lösungen in Z, wenn a, b, c nicht alle positiv oder nicht alle negativ sind und −bc, −ac, −ab jeweilsquadratische Reste modulo a, b bzw. c sind. Dieser Satz ist ein Beispiel eines so genannten Lokal-Global-Prinzips, welches das Motto vertritt: mit Hilfe arithmetischer Information in den lokalen Erweiterungen von Q (etwa den p-adischen Zahlen) arithmetische Information in der globalen Erweiterung zu erlangen! 6. Äquivalenz binärer quadratischer Formen Im Folgenden beschäftigen wir uns mit binären quadratischen Formen‡ derr Gestalt§ (a, b, c) = aX 2 + bXY + cY 2 mit teilerfremden a, b, c ∈ Z;¶ alternativ schreiben wir diese ebenso X a b/2 t Q(X) = X QX mit Q = , X= . b/2 c Y √ Γ(x + 1) = x! ∼ 2πx(x/e)x bei x → ∞ ‡ und werden oft nur von Formen sprechen § Sowohl bei Gauß als auch bei Dirichlet finden wir stattdessen aX 2 + 2bXY + cY 2 , jedoch führt dies zu keinen wesentlichen Unterschieden. ¶ Die Einschränkung auf teilerfremde Koeffizienten ist ebenfalls unwesentlich. † 12 ZAHLENTHEORIE Die Größe D := D(Q) := b2 − 4ac (= −4 det Q) heißt Diskriminante von Q = (a, b, c).k O.B.d.A. sei stets a > 0.∗∗ Satz 14. Ist D ein Quadrat, so lässt sich Q in ein Produkt zweier rationaler Linearformen faktorisieren: √ −b + D 2 2 mit ζ = ζ(a,b,c) := . (3) aX + bXY + cY = a(X − ζY )(X − ζY ) 2a Ist D < 0, so ist Q positiv definit (d.h. Q(x, y) > 0 für 0 6= (x, y) ∈ Z2 ); für D > 0 hingegen ist Q indefinit (und nimmt also positive als auch negative Werte an). Im Folgenden nehmen wir stets an, dass D kein Quadrat ist. Es ist entweder D ≡ 0 mod 4 oder D ≡ 1 mod 4 und jedes solche D 6= 0 wird eine Fundamentaldiskriminante genannt. Ein bekanntes Beispiel ist die quadratische Form X 2 − dY 2 mit ganzzahligem d und Diskriminante D = 4d. Für d < 0 ist diese Form positiv definit; für d ≥ 1 hingegen indefinit. Fragen wir nach den ganzzahligen Werten, die diese Form darstellt, so suchen wir ganzzahlige Gitterpunkte auf einer Ellipse (d < 0) bzw. auf einer Hyperbel (d ≥ 1). Im ersten Fall gibt es bestenfalls endlich viele Lösungen, während im zweiten Fall für Nicht-Quadrate d die Theorie der Pellschen Gleichung unendlich viele Gitterpunkte bereitstellt. Zwei Formen Q(X) = Xt QX und Q̃(X) = Xt Q̃X heißen äquivalent, wenn Q̃ = t A QA mit einer Matrix A ∈ SL2 (Z) — also gehen äquivalente Formen durch gewisse Basiswechsel auseinander hervor!. Hierbei ist SL2 (Z) die Gruppe aller 2×2Matrizen mit ganzzahligen Einträgen und Determinante eins;†† speziell mit α β A= ∈ Z2×2 und αδ − βγ = 1 γ δ ist dann mit Q̃(X, Y ) = AX 2 + BXY + CY 2 = Q(αX + βY, γX + δY ) A = aα2 + bαγ + cγ 2 ( = Q(α, γ)), B = 2aαβ + b(αδ + βγ) + 2cγδ, C = aβ 2 + bβδ + cδ2 ( = Q(β, δ)). Wir notieren die Äquivalenz zweier Formen (a, b, c) und (A, B, C) in Zeichen durch (a, b, c) ∼ (A, B, C); hierbei gilt offensichtlich D = b2 − 4ac = B 2 − 4AC. Satz 15. i) Die Äquivalenz ∼ von Formen ist eine Äquivalenzrelation und zu einer Fundamentaldiskriminante D existiert stets mindestens eine Äquivalenzklasse, repräsentiert durch die so genannte Hauptform bzw. X 2 − 14 DY 2 , falls X 2 + XY − 14 (D − 1)Y 2 , D ≡ 0 mod 4, falls ii) Äquivalente Formen stellen dieselben Zahlen dar. D ≡ 1 mod 4. Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: der Satz von Hasse-Minkowski. k ein kleiner Unterschied zum vorangegangenen Paragraphen Im Falle a = 0 kann (a, b, c) faktorisiert werden und im Falle a < 0 betrachten wir statt Q die Form −Q. †† special linear group ∗∗ ZAHLENTHEORIE 13 7. Reduktionstheorie Satz 16 (Lagrange, 1767). Zu gegebener Fundamentaldiskriminante D enthält jede Äquivalenzklasse mindestens eine Form (a, b, c), deren Koeffizienten den folgenden Ungleichungen genügen: |b| ≤ |a| ≤ |c| und D = b2 − 4ac. Insbesondere existieren also stets nur endlich viele Klassen äquivalenter Formen. Wir bezeichnen mit der Klassenzahl h(D) die Anzahl der Äquivalenzklassen von Formen mit Diskriminante D. Es gilt also Korollar 17. Die Klassenzahl h(D) ist endlich. Ist D keine Fundamentaldiskriminante, so gilt h(D) = 0.√Für Fundamentaldiskriminanten zeigt der Beweis hingegen 1 ≤ h(D) ≤ 2+3 3 |D|. Die Abbildung D 7→ h(D) verhält sich sehr unregelmäßig; im weiteren Verlauf der Vorlesung werden wir wichtige Eigenschaften der Klassenzahl aufdecken! Für positiv definite Formen ergibt sich genauer: Satz 18 (Gauß, 1801). Gegeben (A, B, C) mit D < 0 existiert ein (a, b, c) ∼ (A, B, C) mit (4) −a < b ≤ a < c oder 0 ≤ b ≤ a = c; dieses Form (a, b, c) heißt reduziert und ist eindeutig. Insbesondere ist die Klassenzahl h(D) gleich der Anzahl der a, b, c ∈ Z, welche D = b2 − 4ac und (4) erfüllen. Beispiele negativer Fundamentaldiskriminanten, Angabe der zugehörigen reduzierten Formen und der Klassenzahl: • D = −3: (1, 1, 1), und h(−3) = 1 • D = −4: (1, 0, 1), und h(−4) = 1 • D = −7: (1, 1, 2), und h(−7) = 1 • D = −8: (1, 0, 2), und h(−8) = 1 • D = −15: (1, 1, 4), (2, 1, 2), und h(−15) = 2 Der Satz über die Minima quadratischer Formen liefert für binäre Formen die Hermite-Konstante γ2 ≤ π4 . Dies lässt sich nun etwas verbessern. Korollar 19. Zu jeder positiv definiten binären quadratischen Form Q = (a, b, c) existieren ganze Zahlen x, y, nicht beide null, so dass r b2 2 ac − ; Q(x, y) ≤ √ 4 3 hierbei besteht Gleichheit genau für alle zur Form m(1, 1, 1) äquivalenten Formen mit einem geeigneten m ∈ N. Insbesondere ist γ2 = √23 . Eine zahlentheoretische Anwendung: Nach dem ersten Ergänzungsgesetz existiert zu einer Primzahl p ≡ 1 mod 4 eine natürliche Zahl n < p2 mit n2 + 1 ≡ 2 0 mod p; damit stellt die Form (p, 2n, n p+1 ) die Primzahl p dar und hat Diskriminante D = −4, ist also äquivalent zu (1, 0, 1), womit p auch durch X 2 + Y 2 dargestellt wird. Dies ist ein weiterer Beweis des Fermatschen Zweiquadratesatzes. Ganz ähnlich zeigen sich weitere Darstellungssätze:∗ Korollar 20 (Euler). Jede Primzahl p ≡ 1, 3 mod 8 besitzt eine Darstellung p = x2 + 2y 2 ; jede Primzahl p ≡ 1 mod 3 besitzt eine Darstellung p = x2 + 3y 2 . ∗ die bei Euler noch mittels Fermats descente infinie bewiesen wurden 14 ZAHLENTHEORIE Bei der obigen Reduktion haben wir wesentlich ausgenutzt, dass die Formen positiv definit sind. Im Falle indefiniter Formen mit reellen Koeffizienten besteht folgender alternativer Ansatz zur Reduktion von Lagrange: Zwei Zahlen ζ, ξ ∈ R heißen äquivalent, wenn αζ + β α β mit A = ∈ Z2×2 und αδ − βγ = ±1. ξ = Aζ := γ δ γζ + δ Hier ist A eine so genannte unimodulare Transformation. Offensichtlich sind alle rationalen Zahlen äquivalent. Wir folgen Eulers Idee zur Lösung der Pellschen Gleichung und betrachten die Faktorisierung (3): √ −b + D 2 2 mit ζ = ζ(a,b,c) = ; aX + bXY + cY = a(X − ζY )(X − ζY ) 2a hierbei heißt ζ die positive Wurzel der quadratischen Form.† Satz 21 (Gauß, 1801). Sei D eine Fundamentaldiskriminante. Sind zwei Formen äquivalent, sei also Q = (a, b, c) ∼ (A, B, C) = Q̃, d.h. α β 2 2 AX + BXY + CY = Q(αX + βY, γX + δY ) mit ∈ SL2 (Z), γ δ dann sind auch die zugehörigen positiven Wurzeln äquivalent; in diesem Fall gilt δζ − β δ −β . ζ(A,B,C) = ζ(a,b,c) =: −γ α −γζ + α Die Umkehrung gilt hinsichtlich uneigentlicher Äquivalenz. Im indefiniten Fall (D > 0) sind die Wurzeln reelle quadratische Irrationalzahlen, welche eine letztlich periodische Kettenbruchentwicklung besitzen; mit deren Hilfe lässt sich eine reduzierte Form als diejenige definieren, welche zu der entsprechenden Wurzel mit einer reinperiodischen Kettenbruchentwicklung gehört. Im positiv definiten Fall hingegen liegen die Wurzeln in der oberen Halbebene und die Reduktionstheorie erklärt sich über die Modulgruppe. Übung: vi) Die Form (17, 26, 10) stellt alle natürlichen Zahlen dar. vii) Es gelten h(−15) = 2 und h(5) = 1. viii) Der Satz von Serret (1878) besagt: zwei reelle Zahlen sind genau dann äquivalent, wenn ihre Kettenbruchentwicklung schließlich identisch sind. Für rationale Zahlen bedeutet dies die abbrechende Kettenbruchentwicklung. Im irrationalen Fall kann damit über die Äquivalenz √ von Formen entschieden werden: Beispielsweise gehört zu der Wurzel ζ = 21 ( 5 − 1) = [0, 1] die Form (1, 1, −1) und sämtliche Formen mit Diskriminante D = 5 sind zu dieser äquivalent: h(5) = 1.‡ Übungsaufgaben: g) Gilt ax2 + bxy + cy 2 = m mit teilerfremden a, b, c und x, y, dann ist die Diskriminante D = b2 − 4ac ein quadratischer Rest modulo m. h) Allgemeiner kann man Transformationen mittels A ∈ Z2×2 mit det A = −1 zusätzlich zulassen; diese werden in der Literatur uneigentlich äquivalent genannt. Induziert dies eine Äquivalenzrelation? i) (a, b, c) ∼ (A, B, C) ist äquivalent zu (a, −b, c) ∼ (A, −B, C). j) Zeige folgenden Approximationssatz von Hurwitz: Ist ξ quadratisch irrational mit aξ 2 +bξ +c = 0, wobei a, b, c ∈ Z nicht allesamt verschwinden und a > 0, dann existieren unendlich viele xy ∈ Q mit |ξ − xy | < Cy1 2 für † auf Grund ihrer Lage in der oberen Halbebene im Falle D < 0 bzw. auf der positiven reellen Achse für D > 0. ‡ Lagrange entwickelte wesentliche Teile der Theorie der Kettenbrüche für sein Studium binärer Formen; hierbei entstanden insbesondere seine Beiträge zur Lösung der Pellschen Gleichung. ZAHLENTHEORIE 15 √ √ jede Konstante C ≤ b2 − 4ac, aber nur endlich viele im Falle C > b2 − 4ac. k) Sei Q = (a, b, c) indefinit, dann gilt γ2 (Q) ≤ √25 mit Gleichheit genau dann, wenn Q ∼ m(1, 1, −1) für ein m ∈ N. ℓ) Berechne die Klassenzahlen zu D = −4, −20. m) Beweise den Eulerschen Darstellungssatz für Primzahlen p ≡ 1 mod 3. Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: Zusammenhang zwischen reduzierten Formen und reduzierten Zahlen (im Sinne des Satzes von Galois), das MarkoffSpektrum und die Markoff-Hurwitz–Gleichung. 8. Das Jacobi- und das Kronecker-Symbol werden sich als ein wichtiges Werkzeug für die weiteren Untersuchungen quadratischer Formen herausstellen. Das Jacobi-Symbol ist für n ∈ Z und ungerade m ∈ N definiert als Produkt von Legendre-Symbolen: n Y n ν(m;p) Y := für m = pν(m;p) ; m p p p|m hierbei ist das Produkt über die Primteiler p von m erhoben und jeder Faktor ist das zugehörige Legendre-Symbol in der entsprechenden Potenz der Primfaktorzerlegung von m. Für ungerade und teilerfremde m, n ∈ N zeigt sich leicht n m m−1 n−1 = (−1) 2 · 2 , n m m−1 m2 −1 −1 2 2 = (−1) = (−1) 8 und m m in völliger Analogie zum quadratischen Reziprozitätsgesetz für das LegendreSymbol und seinen beiden Ergänzungsgesetzen. Im Folgenden sei nun stets m ∈ N und D eine Fundamentaldiskriminante (also ≡ 0, 1 mod 4 und kein Quadrat). Das Legendre-Symbol verallgemeinernd sei zunächst D (D 2 ) = +1 falls D ≡ 1 mod 8, bzw. = −1 falls D ≡ 5 mod 8, und ( 2 ) = 0 sonst. Dann ist das Kronecker-Symbol definiert durch Y Y D ν(m;p) D für m = pν(m;p) , := m p p p|m wobei das Produkt wiederum über die Primteiler p von m erhoben ist und jeder Faktor entsprechend der Vielfachheit der Primfaktorzerlegung von m kommt.§ Es D D ) = 0, wenn m und D nicht teilerfremd sind. Damit ist m 7→ ( m ) gilt genau dann ( m streng multiplikativ und es gilt Satz 22 (Quadratisches Reziprozitätsgesetz). Für teilerfremde m und D gilt ( m ) falls D ≡ 1 mod 2, ( |D| D m−1 n−1 = m 2 ν m ) (−1) 2 · 2 ( |n| (m ) falls D = 2ν n, n ≡ 1 mod 2. 15−1 2 2 − 2 ( 15 Beispielsweise gilt somit ( −4 15 ) = ( 15 ) (−1) 1 ) = −1 (was man aber auch leicht über das Reziprozitätsgesetz für das Legendre-Symbol berechnen kann). Der Beweis des quadratischen Reziprozitätsgesetzes für das Kronecker-Symbol lässt sich auf selbiges für (das Jacobi- bzw.) das Legendre-Symbol zurückführen. D ) =: χD (m) ist Korollar 23. Das Kronecker-Symbol χD : Z → {0, ±1}, m 7→ ( m ein reeller Charakter modulo |D|. § Im Falle eines ungeraden m ist dies identisch mit dem Jacobi-Symbol. 16 ZAHLENTHEORIE Ähnlich dem Legendre-Symbol liegt dem Kronecker-Symbol also ein Homomorphismus der primen Restklassengruppe (Z/|D|Z)∗ nach Z∗ = {±1} zugrunde. Mit seiner Hilfe lässt sich die Anzahl der Lösungen gewisser quadratischer Kongruenzen auch zu Nichtprimzahlmoduln berechnen: Satz 24. Seien k ∈ N und D teilerfremd. Dann gilt für die Anzahl N (D mod 4k) der Lösungen der Kongruenz X 2 ≡ D mod 4k X N (D mod 4k) = 2 χD (ℓ). ℓ|k ℓ quadratfrei Beispielsweise besitzt die Kongruenz X 2 ≡ 5 mod 24 also 2(χ5 (1)+χ5 (2)+χ5 (3)+ χ5 (6)) = 2(1 − 1 − 1 + 1) = 0 Lösungen. Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: Anwendungen (des Jacobi-Symbols) im Solovay-Strassen Primzahltest in der Kryptographie, Höhere Reziprozitätsgesetze. 9. Automorphe und Totale Darstellungsanzahl Gegeben eine quadratische Form Q = (a, b, c) mit teilerfremden Koeffizienten, heißt jede Matrix A ∈ Z2×2 mit Q = At QA und det A = 1 ein Automorphismus und die Menge UQ aller Automorphismen einer Form Q bildet eine Untergruppe der SL2 (Z). Stets sind ±E ∈ UQ ; in der Regel existieren aber mehr Automorphismen. Satz 25. Sei Q = (a, b, c) eine quadratische Form mit teilerfremden Koeffizienten und Diskriminante D. Dann ist 1 (x − by) −cy 2 φ : (x, y) 7→ 1 ay 2 (x + by) eine Bijektion zwischen den ganzzahligen Lösungen (x, y) der Pellschen Gleichung X 2 −DY 2 = 4 und der Automorphismengruppe UQ . Ferner ist φ ein Isomorphismus von Gruppen bzgl. der Komposition (x1 , y1 ) ⊕ (x2 , y2 ) := 12 (x1 x2 + Dy1 y2 , x1 y2 + x2 y1 ). Für D < 0 ist UQ endlich von Ordnung 2 4 ω := ♯UQ = 6 falls D < −4, falls D = −4, falls D = −3. Andernfalls, wenn D > 0, ist UQ eine unendliche zyklische Gruppe, erzeugt von der Minimallösung der Pellschen Gleichung. Im Folgenden sei D < 0 eine Fundamentaldiskriminante und Q = (a, b, c) eine Form mit D = b2 −4ac (und teilerfremden Koeffizienten a, b, c). Zu n ∈ N bezeichne rD (n; Q) := ♯{(x, y) ∈ Z2 : Q(x, y) = n, ggT(x, y) = 1} die Anzahl der primitiven Darstellungen von n durch Q; diese Größe ist endlich auf Grund der positiven Definitheit von Q. Ferner sei h(D) rD (n) = X rD (n; Qj ) j=1 die totale Darstellungsanzahl von n, wobei Q1 , . . . Qh(D) Repräsentanten der h(D) verschiedenen Klassen quadratischer Formen mit Diskriminante D seien. ZAHLENTHEORIE Hinter dem Gruppengesetz ⊕ des Satzes steht folgende geometrische Konstruktion: Gegeben zwei Punkte P1 = (x1 , y1 ) und P2 = (x2 , y2 ) auf einem Kegelschnitt X 2 − Dy 2 = 4, ist die Summe P1 ⊕ P2 der beiden Punkte der weitere Schnittpunkt der Parallelen durch (2, 0) zur Sekante durch P1 und P2 . (Man vergleiche dies mit dem Gruppengesetz auf elliptischen Kurven!) Mit etwas Aufwand lässt sich zeigen, dass auf einem über Q definierten Kegelschnitt stets unendlich viele rationale Punkte liegen. 17 Abbildung 5. Das Gruppengesetz im Falle eines Kreises (D = 4). Satz 26. Für zu D teilerfremde n gilt rD (n) = ω X D ℓ ℓ|n . Als unmittelbare Anwendung zeigt sich im Falle D = −4 auf Grund von h(−4) = 1 für die Anzahl der Darstellungen von n als Summe von zwei Quadraten die Formel X r−4 (n) = 4 χ−4 (ℓ). ℓ|n Mit Hilfe der dem Kronecker-Symbol χD (n) = ( D n ) zugeordneten, in Re s > 0 konvergenten Dirichletschen L-Funktion X Y L(s, χD ) = χD (n)n−s = (1 − χD (p)p−s )−1 n≥1 p (wobei das Euler-Produkt über alle Primzahlen p erhoben ist) ergibt sich Satz 27. Für den Mittelwert der totalen Darstellungsanzahl gilt X 1 ϕ(−D) lim rD (n) = ω L(1, χD ). N →∞ N −D n≤N ggT(n,D)=1 Hierbei ist ϕ(−D) −D die Dichte der n ∈ N, die teilerfremd zu D sind. Übung: ix) Man bestimme sämtliche Charaktere χ mod 5 und untersuche die zugehörigen Dirichletschen L-Reihen L(s, χ) auf Konvergenz.∗ Übungsaufgaben: n) Man beweise: Eine natürliche Zahl n lässt sich genau dann durch eine quadratische Form Q(x, y) mit teilerfremden x, y darstellen, wenn Q ∼ (n, z, m) mit gewissen m, z ∈ Z gilt. o) Für die Anzahl der n ≤ x, die teilerfremd zu einem gegebenen d ∈ N sind, gilt X ϕ(d) x + O(1). 1= d n≤x ggT(n,d)=1 ∗ ggf. ist ein Blick in die Einführung in die Zahlentheorie http://www.mathematik.uni-wuerzburg.de/∼steuding/zahl2013.htm)! angebracht (siehe 18 ZAHLENTHEORIE p) Beweise folgenden Satz von Pichler: Stellen zwei quadratische Formen gleicher Diskriminante dieselbe Primzahl dar, so sind sie äquivalent oder uneigentlich äquivalent. q) Gegeben eine in Re s > σc konvergente Dirichlet-Reihe A(s) = P −s n≥1 an n , wobei σc ∈ R. Man beweise die Existenz einer nullstellenfreien Halbebene Re s > σ0 für A(s) und gebe eine explizite Schranke für σ0 an! Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: Satz von Siegel über ganzzahlige Punkte auf kubischen Kurven, Jacobis Thetafunktionen und explizite Darstellungsanzahlen. 10. Die analytische Klassenzahlformel Der Mittelwert von rD (n) lässt sich mit einem geometrischen Argument alternativ wie folgt berechnen: Gegeben eine quadratische Form Q = (a, b, c) mit Diskriminate D, gilt ♯{(x, y) ∈ (Z/|D|Z)2 : ggT(Q(x, y), D) = 1} = −Dϕ(−D). Damit ergibt sich für die Darstellungsanzahl von n bzgl. Q Satz 28. Mit den üblichen Voraussetzungen gilt für D < 0 X 2π ϕ(−D) 1 rD (n; Q) = √ . lim N →∞ N −D −D n≤N ggT(n,D)=1 ϕ(−D) Hierbei ist der Grenzwert von Q unabhängig. Also folgt rD (n) = h(D) √2π −D −D und durch Kombination beider Darstellung des Grenzwertes ergibt sich Satz 29 (Analytische Klassenzahlformel, Dirichlet 1839). Sei D < 0 eine Fundamentaldiskriminante. Dann gilt ω√ h(D) = −DL(1, χD ). 2π Zur Historie: In der Zeit 1837/39 verfasste Dirichlet seine Recherches sur diverses applications de l’analyse infinitésimale à la théorie des nombres, welche den Beginn der analytischen Zahlentheorie markiert; mit den Charakteren enthält diese Arbeit ein wichtiges Werkzeug zur Untersuchung arithmetischer Progressionen. Dirichlet bewies u.a. die Existenz unendlich vieler Primzahlen in einer jeden primen Restklasse und – als Hilfsmittel! – die analytische Klassenzahlformel.∗ Da für die Klassenzahl stets h(D) ≥ 1 gilt, liefert seine Formel einen Beweis für das Nichtverschwinden von L(s, χ) in s = 1. Die Klassenzahlformel erlaubt die explizite Berechnung von Klassenzahlen: Beispielsweise folgt h(−4) = 1 aus der Leibnizschen Formel π 1 1 1 + − ± ... = 3 5 7 4 für den Nicht-Hauptcharakter χ mod 4. Etwas aufwendiger zeigt sich Z 1 1 + x + x3 − x6 + x7 − x10 − x12 − x13 L(1, χ−15 ) = dx = 1, 622 . . . 1 − x15 0 L(1, χ−4 ) = 1 − √ und also h(−15) = π15 L(1, χ−15 ) = 2. Bei der weiteren Vereinfachung der Klassenzahlformel hilft eine explizite Formel für die einem Kronecker-Symbol zugeordnete ∗ basierend auf von Jacobi 1832 untersuchten Spezialfällen ZAHLENTHEORIE 19 Gaußsche Summe X τ (χD ) := a (D a ) exp(2πi |D| ) = a mod |D| X n mod |D| † Für beliebige q ∈ N gilt √ (1 + i) q √ X 2 q τ := exp(2πi nq ) = 0 √ n mod q i q Satz 30 (Gauß,1805). 2 n exp(2πi |D| ). falls falls falls falls q q q q ≡ 0 mod ≡ 1 mod ≡ 2 mod ≡ 3 mod 4, 4, 4, 4. Damit gelingt nun Satz 31. Für eine Fundamentaldiskriminante D < 0 gilt X X D D ω π a a bzw. h(D) = − . L(1, χD ) = − 3 a 2|D| a |D| 2 1≤a<|D| 1≤a<|D| Beispielsweise berechnet sich so leicht h(−23) = − 2 (1+ 2+ 3+ 4− 5+ 6− 7+ 8+ 9− 10 − 11 + 12 + 13∓ . . . − 21− 22) = 3. 23 Im indefiniten Fall D > 0 gelten analog die Formeln X D 1 L(1, χD ) = − √ log sin aπ D a D a mod D und 1 h(D) = − log ǫ √ X a mod D D a log sin aπ D, wobei ǫ = 21 (x0 + y0 D) > 1 die Minimallösung der Pellschen Gleichung X 2 − DY 2 = 4 ist. In seinen Disquisitiones schrieb Gauß ”Ferner scheint die Reihe der Determinanten, denen dieselbe gegebene Klasseneinteilung (...) entspricht, stets abzubrechen (...) Die strengen Beweise dieser Bemerkungen aber scheinen sehr schwierig zu sein.” Damit sollte mit wachsendem −D die Klassenzahl h(D) beliebig groß werden; währenddessen sollen unendlich viele positive Fundamentaldiskriminanten D mit h(D) = 1 existieren. Der Fall negativer Fundamentaldiskriminanten wurde tatsächlich durch Hecke, Deuring und Heilbronn (um 1934) mit analytischen Methoden bewiesen; der Fall positiver D ist noch offen. Übung: x) Es sei an eine beschränkte Folge komplexer Zahlen und A(s) := P −s die zugeordnete Dirichlet-Reihe. Man zeige, dass diese Reihe in der n≥1 an n † Am 30. August 1805 schrieb Gauß in sein Tagebuch: ”Demonstrate theorematis venustissimi supra 1801 Mai commemorati, quam per 4 annos et ultra omni contentione quaesiveramus, tandem perfecimus.” 20 ZAHLENTHEORIE Halbebene Re s > 1 absolut konvergiert und dort eine analytische Funktion definiert. Speziel für Dirichletsche L-Reihen L(s, χ) mit einem nicht von einem Hauptcharakter induzuierten Charakter χ mod q beweise man die analytische Fortsetzung Z ∞ X X X χ(n) u−s−1 du L(s, χ) = χ(n)n−s − χ(n)N −s + s n≤N = X N n≤N χ(n)n−s + O N −σ 1 + n≤N |s| σ n≤u für s = σ + it, σ ≥ σ0 > 0 für Re s > 0. xi) Für einen primitiven Charakter χ mod q gilt X 1 χ(a) exp(2πi an χ(n) = q ); τ (χ) a mod q hierbei heißt ein Charakter χ mod q primitiv, wenn er nicht q ′ -periodisch für ein q ′ < q ist. Übungsaufgaben: r) Man berechne die Klassenzahlen h(−47) und h(47) mit Hilfe der analytischen Klassenzahlformel und überprüfe die Ergebnisse mit der Reduktionstheorie. s) P Man zeige, dass mit der für 0 < α ∈ R definierten Hurwitz Zetafunktion ζ(s, α) := m≥0 (m + α)−s gilt X χ(a)ζ(s, aq ). L(s, χ) = q −s 1≤a≤q P Es sei F (s, α) := Hurwitzsche Formel n≥1 exp(2πiαn)n ζ(1 − s, α) = −s . Beweise für 0 < α ≤ 1, Re s > 1 die Γ(s) )F (s, α) + exp( πis )F (s, −α) exp(− πis 2 2 s (2π) und zeige ferner, dass diese für α 6= 1 auch in der Halbebene Re s > 0 gültig ist.‡ Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: Elliptische Kurven und das Gaußsche Klassenzahlproblem der Bestimmung aller D < 0 mit h(D) = 1, der Fall indefiniter Formen. Nun untersuchen wir Dedekind folgend die Arithmetik algebraischer Zahlkörper. Exemplarisch untersuchen wir dabei quadratische Erweiterungen des rationalen Zahlkörpers. Dabei wird die Theorie der quadratischen Formen eine wesentliche Rolle spielen; die Klassenzahl erweist sich hierbei als Maß für die Zerlegbarkeit in Primelemente. 11. Quadratische Zahlkörper Ein Oberkörper K von Q heißt quadratischer Zahlkörper, wenn K als QVektorraum die Dimension zwei besitzt. Satz 32. K ist genau dann ein quadratischer Zahlkörper, wenn es eine ganze quadratfreie Zahl d gibt, so dass √ √ √ K = Q( d) := Q + Q d := {a + b d : a, b ∈ Q}; verschiedene quadratfreie d führen auf verschiedene quadratische Zahlörper. ‡ Hinweis: Ein Blick in T.M. Apostol, Introduction to Analytic Number Theory, Springer 1976, mag helfen. ZAHLENTHEORIE 21 √ Ein quadratischer √ Zahlkörper Q( d) heißt reell-quadratisch, falls d positiv ist; andernfalls ist Q( d) imaginär-quadratisch. Die Konjugation √ √ α = a + b d 7→ α′ := a − b d ist √der einzige nicht-triviale Q-Automorphismus des quadratischen√Zahlkörpers Q( d). Mit dessen Hilfe definieren sich Spur und Norm zu α = a + b d durch S(α) := α + α′ = 2a bzw. N(α) := αα′ = a2 − db2 ; √ die Spur ist additiv und die Norm ist multiplikativ. Man beachte: Für α ∈ Q( d) 2 ist α2 − S(α)α + N(α) = 0 und √ X − S(α)X + N(α) ist für irrationale α das Minimalpolynom. Ein α ∈ Q( d) heißt ganz (bzw. ganzalgebraisch), wenn Spur und Norm von α ganze Zahlen sind; mit α ist stets auch sein Konjugiertes α′ ganz. √ Satz 33. Die Menge Od der ganzen Zahlen in Q( d) ist ein kommutativer Ring, √ der so genannte Ganzheitsring von Q( d), und ist gegeben durch mit Od = Z + Zϑ := a + bϑ : a, b ∈ Z} (= Z[ϑ]) 1 + 2 (1 √ √ falls d ≡ 1 mod 4, d falls d ≡ 2, 3 mod 4. √ Beispielsweise ist Z[i] mit der imaginären Einheit i = −1 der Ganzheitsring des Gaußschen Zahlkörpers Q(i). Die Eisensteinschen Zahlen a+bρ mit einer primitiven √ 1 2πi dritten Einheitswurzel ρ (etwa exp( 3 ) = 2 (−1 + −3)) bilden den Ganzheitsring Z[ρ] zum quadratischen Zahlkörper Q(ρ). Hier gilt für die Norm ϑ= d) N(a + bρ) = a2 − ab + b2 . Die Norm in einem Ganzheitsring ist tatsächlich eine binäre quadratische Form. Der Ganzheitsring eines imaginär-quadratischen Zahlkörpers besitzt zudem die Struktur eines Gitters. 12. Euklidische und faktorielle Ganzheitsringe Ein kommutativer Ring R mit Einselement∗ heißt Integritätsbereich, wenn R keine Nullteiler besitzt, also r · s = 0 nur mit r = 0 oder s = 0 bestehen kann. Sowohl Z als auch die Ganzheitsringe Od quadratischer Zahlkörper sind Integritätsbereiche. Gegeben zwei Elemente α, β in einem Integritätsbereich R, sagen wir α teilt β, in Zeichen α | β, falls β = αγ für ein γ ∈ R. Jeder Teiler von 1 heißt Einheit und die Menge aller Einheiten bildet eine multiplikative Gruppe, die Einheitengruppe R∗ = {ǫ ∈ R : ǫ | 1}. Zwei Elemente α, β ∈ R heißen assoziiert, falls β = ǫα mit einer Einheit ǫ. Die Rechenregeln zur Teilbarkeit übertragen sich unmittelbar von Z auf Integritätsbereiche R. Gilt in einem Ganzheitsring β = αγ, so gilt für die zurgeordneten Normen N(β) = N(α)N(γ). Speziell für β = 1 ergeben sich die Einheiten ǫ in Od vermöge N(ǫ) = ±1. Entsprechend sind die Einheiten ǫ charakterisiert durch √ 1 mit a2 − db2 = ±4 falls d ≡ 1 mod 4, (a + b√ d) 2 ǫ= a+b d mit a2 − db2 = ±1 falls d ≡ 2, 3 mod 4, mit jeweils a, b ∈ Z. Satz 34. Die Einheitengruppe des Ganzheitsringes Od eines imaginärquadratischen Zahlkörpers (d < 0) besteht aus ∗ es ist also insbesondere 0 6= 1 ∈ R und R = 6 {0} 22 ZAHLENTHEORIE • ±1, ±i für d = −1 (also O−1 = Z[i]); • ±1, ±ρ, ±ρ2 mit ρ = exp( 2πi 3 ) für d = −3 (also O−3 = Z[ρ]); • ±1 für d < −3. Die Einheitengruppe Od∗ reell-quadratischer Zahlkörper (d > 0) ist eine unendliche zyklische Gruppe erzeugt von der Fundamentallösung der Pellschen Gleichung X 2 − dY 2 = 1 bzw. 4 je nach d ≡ 2, 3 mod 4 oder d ≡ 1 mod 4. √ Beispielsweise gilt O2∗ ∼ = { 12 (3 + 2 2)m : m ∈√Z}. Die Fundamentallösung findet sich mittels der Kettenbruchentwicklung von d. Sei R ein Integritätsbereich, dann heißt 0 6= π ∈ R \ R∗ prim, falls für alle α, β ∈ R aus π | αβ stets π | α oder π | β folgt. Hingegen heißt π irreduzibel, wenn aus π = αβ für α, β ∈ R notwendig ein Faktor Faktor α oder β eine Einheit ist (π also assoziiert zu β oder α ist); andernfalls nennt man π reduzibel. In Z fallen die Begriffe prim und irreduzibel zusammen (dank dem Lemma von Euklid). In einem beliebigen Integritätsbereich ist dies nicht so: Dedekinds berühmtes Beispiel zeigt √ in O−5 = Z[ −5] √ √ 2 · 3 = (1 + −5) · (1 − −5) und beide Darstellungen von 6 bestehen aus irreduziblen, aber nicht primen Faktoren. Ein Integritätsbereich, in dem jedes von null verschiedene Element in ein Produkt von primen Elementen zerlegt werden kann, heißt faktoriell und jedes solche Produkt nennt √ man eine Primfaktorzerlegung. So ist also Z ein faktorieller Ring, nicht aber Z[ −5]. Satz 35. Jedes prime Element π in einem Integritätsbereich R ist irreduzibel. Ist R darüberhinaus faktoriell, so ist jedes irreduzible π auch prim und die Primfaktorzerlegung ist eindeutig.† Das Analogon zur (eindeutigen) Primfaktorzerlegung Z (bzw. Q) ist also in Ganzehitsringen (bzw. Zahlkörpern) i.A. nicht gültig. Wie entscheidet man, ob ein gegebener Ring faktoriell ist? √ Der Ganzheitsring Od eines quadratischen Zahlkörpers Q( d) heißt normeuklidisch, wenn zu α, β ∈ Od mit β 6= 0 stets κ, ρ ∈ Od existieren, so dass α = κβ + ρ mit ρ = 0 oder |N(ρ)| < |N(β)|. Dies liefert eine Variante des euklidischen Algorithmus und erlaubt insbesondere die Definition eines größten √ gemeinsamen Teilers. Äquivalent zu obiger Definition ist die Existenz eines γ ∈ Q( d) zu gegebenem κ ∈ Od mit der Eigenschaft |N(γ − κ)| < 1. Der Nachweis der Normeuklidizität reduziert sich damit auf das Auffinden eines nahen Gitterpunktes. Satz 36 (Dickson, 1927). Der Ganzheitsring Od eines imaginär-quadratischen Zahlkörpers (d < 0) ist genau dann normeuklidisch, wenn d = −1, −2, −3, −7, −11. Der Beweis benutzt die vorliegende Gitterstruktur imaginar-quadratischer Ganzheitsringe aus; bei reell-quadratischen Zahlkörpern liegt diese Struktur nicht vor und der Nachweis von Normeuklidizität erweist sich als wesentlich schwieriger. Hier † bis auf Assoziiertheit und die Reihenfolge der Faktoren ZAHLENTHEORIE 23 √ √ ein kurzes Argument für Q( 3): Gegeben γ = x + y 3, wähle man ganze Zahlen a und b, die einen Abstand von x bzw. y von höchstens 12 besitzen, dann ist √ κ = a + b d ∈ O3 mit |N (γ − κ)| = |(x − a)2 − 3(y − b)2 | < 1, und also ist O3 normeuklidisch. Mit√wesentlich mehr Aufwand kann man zeigen, dass im Falle reell-quadratischer Q( d) (also d > 0) ist der Ganzheitsring genau in den Fällen d = 2, 3, 5, 6, 7, 11, 13, 17, 19, 21, 29, 33, 37, 41, 57, und 73 normeuklidisch, was Perron zuerst (korrekt) bewies. Ferner gibt es quadratische Zahlkörper, √ wie etwa Q( 69) nach Clark 1994, die euklidisch, aber nicht normeuklidisch sind; hier existiert eine von der Norm verschiedene Funktion N : Od → N0 mit der gewünschten Reduktionseigenschaft.‡ Satz 37. Ist Od normeuklidisch, dann auch faktoriell; insbesondere ist Od faktoriell für d = −1, −2, −3, −7, −11. Die Umkehrung gilt nicht: Beispielsweise ist Od im imaginär-quadratischen Fall über die im vorletzten Satz angegebenen Werte hinaus genau für d = −19, −43, −67, −163 faktoriell; diese alte Vermutung von Gauß wurde 1967 durch Baker und (unabhgängig) Stark bewiesen. Im reell-quadratischen Fall werden unendlich viele faktorielle Ganzheitsringe Od erwartet. Übung: xi) Die Menge Q aller algebraischen Zahlen bildet einen Körper und Od = √ Q ∩ Q( d). xii) Die einzigen ganzzahligen Lösungen der Gleichung Y 2 = X 3 − 2 sind x = 3, y = ±5 (wie bereits Bachet, Fermat und Euler wußten). Übungsaufgaben: t) Man beweise, dass für einen Ganzheitsring Od stets die Darstel√ lung Od = Z[ϑ] mit ϑ = 12 (D + D) gilt und denke sich ferner über Dedekind hinausgehende Beispiele uneindeutiger Faktorisierungen in irreduzible Elemente √ aus. u) Man beweise: Es gibt nur endlich viele reell-quadratische Zahlkörper Q( d) mit d ≡ 2 oder 3 mod √ 4 und euklidischem Ganzheitsring. v) Beweise, dass der Ganzeheitsring zu Q( 5) normeuklidisch ist. w) Man zeige, dass der Ganzheitsring zu √ dass im Falle Q( 14) faktoriell, aber nicht normeuklidisch ist. x) Man beweise, √ d < 0 und d ≡ 1 mod 4 der maximale Abstand eines κ ∈ Q( d) zu einer nahesten 1 (−d + 2 − d1 ) beträgt. ganzen Zahl γ die Norm N(γ − κ) gleich 16 Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: Euklidische Ganzheitsringe reellquadratischer Zahlkörper; (Euklidische und faktorielle) Ganzheitsringe von Kreisteilungskörpern und ihre Arithmetik. 13. Zerlegung von Primzahlen Jeder Ganzheitsring enthält die ganzen rationalen Zahlen: Z = Od ∩ Q, und also insbesondere auch die Primzahlen. Wie verhalten sich diese unzerlegbaren Elemente von Z in der größeren Menge Od ? Ein wichtiges Werkzeug zur Untersuchung dieser Fragestellung liefert die Norm und der folgende √ Satz 38. Sei Od der Ganzheitsring von Q( d) Dann gibt es zu jedem Primelement π ∈ Od genau eine rationale Primzahl p mit π | p und insbesondere gilt N (π) = ±p oder = ±p2 . Entsprechend zerlegt sich eine rationale Primzahl p auf genau eine der folgenden Arten und Weisen: ‡ D.A. Clark, A quadratic field which is euclidean but not norm-euclidean, Manuscripta Math. 83 (1994), 327-330 24 ZAHLENTHEORIE • p bleibt prim in Od ; • p ist in Od nicht prim, aber irreduzibel; • p ist in Od reduzibel. Hierbei tritt der zweite Fall nur dann ein, wenn Od nicht faktoriell ist, was wir aber im Folgenden ausschließen wollen! Im dritten Fall gilt p = ππ ′ mit Primelementen π, π ′ ∈ Od , die zueinander assoziiert oder auch nicht assoziiert sein können. Wir sagen • p ist träge, falls p auch in Od prim ist; • p ist zerlegt, falls p = ππ ′ (= ±N (π)) für zwei nicht assoziierte, algebraisch konjugierte Primelemente π, π ′ ∈ Od ; • p ist verzweigt, p = ǫπ 2 für eine Einheit ǫ und ein Primelement π ∈ Od . Der jeweilige Zerlegungstyp lässt sich mit Hilfe des Legendre-Symbols bestimmen. Hierzu √ definieren wir noch die Diskriminante D eines quadratischen Zahlkörpers Q( d) als 4d falls d ≡ 2, 3 mod 4, D= d falls d ≡ 1 mod 4. Man beachte, dass diese Unterteilung √ den unterschiedlichen Erscheinungsformen √ der Ganzheitsringen entspricht und Q( D) = Q( d) gilt. Satz 39 (Zerlegungsgesetz für Primzahlen, Euler, Gauß). Sei Od faktoriell und p eine ungerade Primzahl. Dann gelten +1, zerlegt D verzweigt 0, p ist ⇐⇒ = p träge −1, sowie zerlegt verzweigt 2 ist träge ⇐⇒ 1 mod 8, 0 mod 2, D≡ 5 mod 8. Abbildung 6. Die ersten Gaußschen Primzahlen (mit kleiner Norm) ZAHLENTHEORIE 25 Der Satz erlaubt einige interessante Anwendungen. Beispielsweise ist der Ganzheitsring Z[i] des Gaußschen Zahlkörpers Q(i) faktoriell und es gelten • 2 = −i(1 + i)2 ist verzweigt (D = 4d = −4); • alle rationalen Primzahlen p ≡ 3 mod 4 sind träge (also prim); • alle rationalen Primzahlen p ≡ 1 mod 4 sind zerlegt (also Produkt zweier konjugierter primer Elemente a ± ib). Aus der letzten Beobachtung resultiert unter Bildung der Norm ein weiterer Beweis des Zweiquadratesatzes von Fermat: N (a + ib) = a2 + b2 = p für alle Primzahlen p ≡ 1 mod 4. √ Übung: xiii) Z[ 3] ist faktoriell; trotzdem bestehen die Faktorisierungen 2 · 11 = √ √ (5 + 3)(5 − 3). xiv) Der Lucas-Lehmer-Test testet folgendermaßen, ob eine Zahl der Form Mq = 2q − 1 prim ist: Die Folge der sn sei rekursiv definiert durch s1 = 4 und sn+1 = s2n − 2 mod Mq . Es ist genau dann Mq prim, wenn sq−1 ≡ 0 mod Mq gilt. Dies wird zum Auffinden großer Primzahlen benutzt. Übungsaufgaben: y) Wie zerlegen sich die rationalen Primzahlen in Od für d = −3 bzw. d = −11? z) Euler beobachtete, dass das Polynom X 2 + X + 41 für x = 0, 1, . . . , 39 nur Primzahlen als Werte liefert. Aus der Eigenschaft, dass O−163 faktoriell ist, folgere man P41 (x) ist prim für x = 0, 1, . . . , 39 sowie ( −163 p ) = −1 für alle Primzahlen p < 41. Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: Der Satz von Rabinowitsch besagt Für eine Primzahl q und Pq := X 2 + X + q sind äquivalent: i) q = 2, 3, 5, 11, 17, 41; ii) Pq (x) ist prim für x = 0, 1, . . . , q − 2; iii) O1−4q ist faktoriell. 14. Ideale, Primideale und gebrochene Ideale Sei R ein kommutativer Integritätsring mit Einselement; im Folgenden√werden wir meistens einen Ganzheitsring Od eines quadratischen Zahlkörpers Q( d) vorliegen haben (was oftmals die Situation vereinfacht). Ein Ideal a ist eine additive Untergruppe von R, die bzgl. der Multiplikation mit Ringelementen abgeschlossen ist. Ein Ideal a heißt Hauptideal, wenn ein α ∈ R existiert, so dass a = (α) := αR gilt. Summe und Produkt von Idealen a, b sind erklärt durch a + b := {α + β : α ∈ a, β ∈ b} sowie ab := X j αj βj : αj ∈ a, βj ∈ b , wobei nur endliche Summen zugelassen sind; offensichtlich sind Summe und Produkt von Idealen selbst wieder Ideale. Offensichtlich gelten stets die Inklusionen ab ⊂ a ∩ b ⊂ a ⊂ a + b. Die Summe von Hauptidealen (α1 ) + . . . + (αm ) wird oft als (α1 , . . . , αm ) notiert. Tatsächlich ist jedes Ideal in Od eine Summe endlich vieler Hauptideale (als endlich erzeugte abelsche Untergruppe von Od ); in allgemeinen Ringen R ist dies nicht unbedingt der Fall. Satz 40. Ist R euklidisch, dann ist jedes Ideal in R ein Hauptideal und also R ein Hauptidealring; die Umkehrung gilt i.A. nicht. 26 ZAHLENTHEORIE Beispielsweise ist Od faktoriell, aber nicht euklidisch für d = −163 und d = 14. Eine Erweiterung des Kongruenzkalküls erlaubt modulare Arithmetik bzgl. eines Ideales. Gegeben ein Ideal a, definieren wir für α, β ∈ Od α ≡ β mod a : ⇐⇒ α − β ∈ a. Es gelten hiermit die üblichen Rechenregeln. Die Restklassen notieren wir mit Od /a und diese Struktur ist ein Ring, der so genannte Restklassenring modulo a (in Verallgemeinerung der Restklassenringe modulo einer natürlichen Zahl). Beispielsweise gilt im Ring der ganzen Gaußschen Zahlen für das Ideal (1 + i) = {a + ib ∈ Z[i] : a ≡ b mod 2} Z[i]/(1 + i) = {0 + (1 + i), 1 + (1 + i)} ∼ = Z/2Z. Weil nämlich Q(i) imaginär-quadratisch ist, kann man sowohl Z[i] = Z + iZ als auch (1+ i) = (1+ i)Z + (1− i)Z =: Λ als Gitter in C auffassen und Repräsentanten des Restklassenrings modulo (1 + i) finden sich über die ganzen Gaußschen Zahlen in einem Fundamentalparallelogramm von Λ. Zwei Ideale a, b heißen teilerfremd, wenn a + b = (1) = Od gilt; in diesem Fall ist ab = a ∩ b und noch allgemeiner besteht ein Analogon des chinesischen Restsatzes: Gegeben αj ∈ Od und paarweise teilerfremde aj , ist das System von linearen Kongruenzen X ≡ αj mod aj für j = 1, . . . , n eindeutig lösbar modulo a1 · . . . · an . Satz 41. Jede aufsteigende Kette a1 ⊂ a2 ⊂ . . . von Idealen in Od wird stationär, d.h., es gibt ein m mit aj = am für alle j ≥ m. In der Sprache der Ringtheorie ist somit Od noethersch.∗ Ein Ideal p in R heißt Primideal (oder kurz prim), wenn p 6= R und aus αβ ∈ p stets α ∈ p oder β ∈ p folgt. Stets ist das Nullideal (0) ein Primideal. Ferner ist das Hauptideal (π) genau dann ein Primideal, wenn π ein Primelement in R ist. Insbesondere in Ganzheistringen Od existiert zu einem Primideal p 6= (0) stets eine Primzahl p mit der Eigenschaft p ∩ Z = p Z. Ein Ideal m 6= R heißt maximal, wenn aus m ⊂ a stets a = m oder a = R folgt. Offensichtlich ist in dem noetherschen Ring Od jedes Ideal in einem maximalen Ideal enthalten und darüber hinaus besteht Satz 42. Jedes maximale Ideal in Od ist prim und insbesondere ist jedes Ideal in einem Primideal enthalten. Umgekehrt ist jedes Primideal p 6= (0) maximal. Es ist wünschenswert, in Ganzheitsringen auch den Quotienten von Idealen bilden √ zu können. Hierzu heißt eine Teilmenge a des zugrundeliegenden Körpers Q( d) ein gebrochenes Ideal, wenn ein 0 6= α ∈ Od existiert, so dass αa := {αa : a ∈ a} ein Ideal in Od ist; hierbei lässt sich stets mit ±N(α) statt α sogar eine natürliche Zahl mit dieser Eigenschaft finden. Beispielsweise gilt √ √ √ √ (3, 1 + −5)−1 := 31 (3, 1 − −5) = (1, 31 (1 − −5)) in Q( −5); √ hierbei ist das Produkt dieses Ideals mit (3,√ 1+ −5) gleich dem Ganzheitsring O−5 . Genauso verhält es sich mit den zu α ∈ Q( d) gebildeten gebrochenen Hauptidealen (α) = αOd . Tatsächlich kann man gebrochene Ideale hinsichtlich der Addition ∗ nach Emmy Noether, 1882-1935 ZAHLENTHEORIE 27 und Multiplikation wie Ideale behandeln. Im nächsten Paragrapghen werden wir für ein beliebiges Ideal a 6= (0) zeigen, dass √ (5) a · a−1 = (1) = Od mit a−1 := {β ∈ Q( d) : βa ⊂ Od } und a−1 ist hierbei ein gebrochenes Ideal, bestehend aus den Körperelementen β, die im Produkt mit a im Ganzheitsring zu liegen kommen. Insofern stehen uns nun auch die Inversen von Idealen zur Verfügung! Die Ideale in Od nennen wir von nun an ganz. Ein ganzes Ideal teilt ein anderes ganzes Ideal b, wenn ein ganzes Ideal c existiert, so dass b = ac, in Zeichen: a | b. Offensichtlich gilt genau dann a | b, wenn b ⊂ a. Zusammenfassend lassen sich folgende Korrespondenzen zwischen der Idealtheorie und der Arithmetik ganzer bzw. rationaler Zahlen aufstellen: ganze Ideale gebrochene Ideale Inklusion Summe Durchschnitt ←→ ←→ ←→ ←→ ←→ ganze Zahlen rationale Zahlen Teilbarkeit ggT kgV, und das Produkt bedeutet in beiden Welten dasselbe. Nun können wir endlich die Früchte unserer Begriffsbildung und Voruntersuchungen einfahren und das Analogon zum Fundamentalsatz der Arithmetik formulieren: Satz 43 (Eindeutige Primidealzerlegung, Dedekind). Jedes von (0) und (1) verschiedene Ideal a besitzt eine (bis auf die Reihenfolge der Faktoren) eindeutige Zerlegung in ein Produkt von Primidealen a = p1 · . . . · pm . Der Beweis ähnelt der entsprechenden Aussage für den Ring der ganzen Zahlen Z; technisches Hilfsmittel sind die gebrochenen Ideale und insbesondere (5). In der Sprache der Algebra findet man (etwas) allgemeiner: In jedem Dedekind-Ring besteht eine eindeutige Primidealzerlegung! Hierbei wird ein ganzalgebraisch abgeschlossener,† noetherscher Ring R, in dem jedes Primideal maximal ist, als Dedekindring bezeichnet. Wir illustrieren dieses Analogon zur eindeutigen Primfaktorisierung im Ring der ganzen √ Zahlen Z mit Dedekinds Beispiel: Im nicht-faktoriellen Ganzheitsring O−5 = Z[ −5] bestehen verschiedene Zerlegungen in irreduzible Elemente, wie etwa √ √ 2 · 3 = (1 + −5) · (1 − −5). √ √ Dies schreibt sich mit Hilfe√der Primideale p1 = (2, 1 + −5) = (2, 1 − −5), p2 = √ (3, 1 + −5), p3 = (3, 1 − −5) wegen (2) = p21 usw. als p21 · p2 p3 = p1 p2 · p1 p3 und die Uneindeutigkeit ist aufgehoben!‡ Der Begriff des Ideals geht auf Dedekind (um 1871) und zuvor (um 1847) Ernst Eduard Kummer zurück; letzt Genannter untersuchte die Fermatsche Gleichung X p + Y p = Z p mit einer ungeraden Primzahl p und, ausgehend von der Existenz einer nicht trivialen Lösung x, y, z ∈ Z † wenn also aus P (α/β) = 0 mit α/β aus dem Quotientenkörper von R und normiertem P ∈ R[X] bereits α/β ∈ R folgt. √ √ √ √ ‡ Übrigens gilt in Q( −5, 2) die merkwürdige Gleichung (2, 1 + −5)2 = (2) = ( 2)2 . 28 ZAHLENTHEORIE faktorisierte er die entsprechende Gleichung gemäß p p p z =x +y = p Y (x + yζpj ) mit ζp := exp( 2πi p ) j=1 einer primitiven p-ten Einheitswurzel. Unglücklicherweise sind die zu betrachtenden Ringe Z[ζp ] (zwar Ganzheitsringe der Kreisteilungskörper, jedoch) i.A. nicht faktoriell! Dies veranlasste Kummer so genannte ideale Zahlen einzuführen, die diesen Mißstand beheben. Die von Dedekinds später eingeführten Ideale leisten selbiges und mehr. √ √ √ Übung: xv) In Z[−5] gilt (7, 3 ± −5)(3 ∓ −5) = (7)(2, 1 ∓ −5). xvi) Zu jedem Ideal a 6= (0) in Od gibt es von (0) verschiedene Primideale p1 , . . . , pn , so dass p1 · . . . · pn ⊂ a. Übungsaufgaben: ß) Zeige: In Z ist jedes Ideal ein Hauptideal und es gelten die Identitäten (a)(b) = (ab) sowie (a) + (b) = (ggT(a, b)) für beliebige a, b ∈ Z. ä) In √ Z[ −41] gilt √ √ 42 = 2 · 3 · 7 = (1 + −41) · (1 − −41). √ Zeigen Sie, dass p = (2, 1 + −41) ein Primideal ist und überdies (42) ⊂ p2 gilt. Wie hängt dies mit den beiden Faktorisierungen von 42 zusammen? Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: Allgemeine Idealtheorie in Dedekindringen und Anwendungen in Kreisteilungskörpern 15. Die Idealklassengruppe Ideale lassen sich miteinander multiplizieren. Die Ausdehnung des Idealbegriffs von ganzen auf gebrochene Ideale liefert dabei sehr viel Struktur: Satz 44. Die Menge der von (0) verschiedenen gebrochenen Ideale in Od bildet eine multiplikative Gruppe; das Inverse eines gebrochenen Ideals a 6= (0) ist gegeben durch √ a−1 := {β ∈ Q( d) : βa ⊂ Od }. Der Beweis des Satzes beruht im Wesentlichen auf dem Nachweis von (5) und erklärt die dort verwendete Notation. Wir definieren die Norm eines ganzen Ideals a 6= (0) als die Ordnung der Restklassengruppe modulo a, also: Na = ♯Od /a, sowie N(0) = 0. Satz 45. Für Ideale a, b ⊂ Od gelten • Na < ∞; • die Norm von Idealen ist streng multiplikativ: N(ab) = N(a)N(b). Ist die Norm eines Ideals p prim, also Np = p für eine Primzahl, dann ist p ein Primideal. Mit dem Zerlegungsgesetz sind Hauptideale (p) in Od mit primem p somit entweder Primideale oder Produkt zweier Primideale. Zu einem gebrochenen Ideal a ist a′ := {α′ : α ∈ a} ein weiteres gebrochenes Ideal, welches genau dann ganz ist, wenn a ganz ist. Dann gilt aa′ = (Na) und die Norm des von α ∈ Od erzeugten Hauptideals ist gleich dem Betrag der Norm von α (als Zahl in Od ). ZAHLENTHEORIE 29 √ Es bezeichne nun Id die Menge aller gebrochenen Ideale in Q( d) und Hd die Teilmenge aller gebrochenen Hauptideale. Auf der Menge Id der von (0) verschiedenen gebrochenen Ideale definiert a∼b a−1 b ∈ Hd ⇐⇒ eine Äquivalenzrelation. Satz 46. Die Menge Id / ∼ der Äquivalenzklassen bildet mit der Multiplikation gebrochener Ideale eine Gruppe, die so genannte Idealklassengruppe, und diese wird mit Cld bezeichnet. Damit ist die Idealklassengruppe die Faktorgruppe Cld = Id /Hd und es besteht folgende exakte Sequenz§ √ 1 → Od∗ → Q( d)∗ ∼ = Hd → Id → Cld → 1. Die Idealklassengruppe spiegelt also die Ausdehnungsgröße und die Einheitengruppe den Verlust beim Übergang von den Zahlen zu den Idealen wieder! Satz 47. Für einen quadratischen Zahlkörper sind äquivalent: • Od ist faktoriell; • Od ist ein Hauptidealring; • Cld = {1} ist trivial, d.h. ♯Cl d = 1. Tatsächlich gelten i.A. die Inklusionen folgender Mengen von Ringen: euklidische Ringe ⊂ Hauptidealringe ⊂ faktorielle Ringe ⊂ Integritätsringe. Man beachte, dass wir normeuklidische Ganzheitsringe Od bereits als faktoriell erkannt hatten! In unseren speziellen Situation liefern die Ganzheitsringe Od mit d = −163, −19 Beispiele für das Vorliegen echter Inklusionen.¶ Eine naheliegende Frage ist hier: Wie groß ist die Idealklassengruppe? Die Ordnung von Cld heißt Klassenzahl und wird mit h(d) = ♯Cl d notiert. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Größe um dieselbe Klassenzahl wie bei den quadratischen Formen. Dies erklärt sich durch die Vorschrift zwischen den Mengen der Formen bzw. Idealen gleicher Diskriminante √ F := {(a, b, c) : D = b2 − 4ac} → Id , (a, b, c) 7→ a = aZ + 21 (b − D)Z bzw. deren Umkehrung. Einen alternativen Zugang√bietet wiederum die Minkow√ d) vermöge α = a + b d 7→ skische Gitterpunkttheorie. Hierzu bettet man Q ( p (a, b |d|) in den R2 ein und erhält als Bild p eines ganzen Ideals a 6= (0) ein Gitter im R2 mit Fundamentalmaschenvolumen 12 |D|Na. Anwenden des Gitterpunktsatzes liefert dann Satz 48. In jeder Idealklasse von Cld existiert ein Element a mit Norm p Na ≤ |D| und zu jedem n ∈ N existieren höchstens endlich viele Ideale a ⊂ Od mit Na = n; insbesondere ist die Klassenzahl endlich: h(d) < ∞. § d..h. in den hintereinandergeschalteten Abbildungen . . . → A → B → C → . . . gilt jeweils Bild(A → B) = Kern(B → C). ¶ Der Polynomring Z[X] liefert ein einfaches Beispiel eines faktoriellen Ringes, der kein Hauptidealring ist. 30 ZAHLENTHEORIE Beispielsweise ist D = −20 für O−5 und die Primideale p mit Norm ≤ 20 < 4, 5 ergeben sich aus den √ Primidealteilern von √ (2) und (3). Nach√dem Zerlegungsgesetz sind dies p1 = (2, 1+ −5), p2 = (3, 1+ 5) und p3 = (3, 1− −5) = p′2 . Hierbei ist keines der pj ein Hauptideal und es gilt p1 ∼ p2 ∼ p3 , so dass also h(−5) = 2. Ferner √ ist ah(d) stets ein Hauptideal und beispielsweise gilt hier etwa (2, 1 + −5)2 = (2). Es wird vermutet, dass es unendlich viele reell-quadratische Zahlkörper mit ein√ deutiger Primfaktorzerlegung gibt. So kennt man 142 Körper Q( d) im Bereich 2 ≤ d ≤ 500, die Klassenzahl eins haben. Übung: xvii) Z[β] ist genau dann eine endlich erzeugte abelsche Gruppe bzgl. der Addition, wenn β eine ganze algebraische Zahl ist. xviii) Es gilt h(−6) = 2. Übungsaufgaben: ö) Bestimme die Klassenzahl h(−23) mit Hilfe der Primideale kleiner Norm. Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: Minkowski-Theorie in algebraischen Zahlkörpern. 16. Die Dedekindsche Zetafunktion Sei K ein Zahlkörper, dann ist die zugehörige Dedekindsche Zetafunktion definiert durch X Y ζK (s) = Na−s = (1 − Np−s )−1 für Re s > 1; a6=0 p die Identiät zwischen dem Euler-Produkt und der Dirichlet-Reihe ist eine analytische Version der eindeutigen Primidealzerlegung. Für K = Q ergibt√sich die Riemannsche Zetafunktion. Im Falle quadratischer Zahlkörper K = Q( d) folgt mit der Zerlegung der rationalen Primzahlen p in Primideale vermöge • p ist träge: (p) = p für ein Primideal p mit Np = p2 ; • p ist zerlegt: (p) = pp′ mit zwei nicht assoziierten Primidealen p, p′ und Np = Np′ = p; • p ist verzweigt: (p) = p2 für ein Primideal p mit Norm Np = p, eine Faktorisierung der Dedekindschen Zetafunktion in alte Bekannte: Y ζQ(√d) (s) = (1 − Np−s )−1 p Y = (1 − p−s )−1 · p|D Y (1 − p−s )−2 · )=+1 p:( D p Y (1 − p−2s )−1 p:( D )=−1 p = ζ(s)L(s, χD ) n mit dem Kronecker-Symbol n 7→ χD (n) = ( D ). Andererseits lässt sich die Dedekindsche Zetafunktion auch in eine Dirichlet-Reihe entwickeln: Bezeichnet ad (n) die Anzahl aller ganzen Ideale a mit Na = n, so folgt X X ζQ(√d) (s) = Na−s = ad (n)n−s a6=0 n1 mit ad (n) = (1 ∗ χD )(n) = X b|n χD (b) ZAHLENTHEORIE 31 auf Grund der obigen Faktorisierung als Faltung der jeweiligen Koeffizientenfunktionen.∗ Im Falle des Gaußschen Zahlkörpers Q(i) ergibt sich ζQ(i) (s) = ζ(s)L(s, χ−4 ) mit dem Nicht-Hauptcharakter χ−4 = χ mod 4 (also χ(n) = 0 für gerade n und χ(n) = ±1 je nachdem, ob n ≡ ±1 mod 4). In Anbetracht des Zerlegungsgesetzes sind die ganzen Ideale in Z[i] von der Form a = (a + ib) mit Norm Na = a2 + b2 und es folgt Korollar 49. Eine natürliche Zahl n ist genau dann als Summe von zwei Quadraten darstellbar, wenn alle Proimfaktoren p ≡ 3 mod 4 von n mit einem geraden Exponenten in der Primfaktorzerlegung von n auftreten; für die Anzahl r(n) der Darstellungen gilt X r(n) = 4 χ−4 (b). b|n Ferner ist r(n) = 4 Y (v+1)· p|n p≡1 mod 4 Y w 1 2 (1+(−1) ) mit n = 2u Y p|n p≡1 mod 4 q|n q≡3 mod 4 pv · Y qw q|n q≡3 mod 4 der von n. Der Zusammenhang zum Kreisproblem P P eindeutigen Primfaktorzerlegung π a r(n) ∼ πx liefert hier n≤x −1 (n) ∼ 4 x für die Anzahl der ganzen Ideale n≤x a = (a + ib) mit Norm Na ≤ x. Dabei gilt auf Grund des einfachen Pols der Riemannschen Zetafunktion in s = 1 mit Residuum 1 und der Regularität von L(s, χd ) in s = 1 für das Residuum der Dedekindschen Zetafunktion ζQ(i) (s) 1 1 π + ∓ ... = . s→1 3 5 4 Dieser Zusammenhang besteht allgemeiner: Mit Hilfe der analytischen Klassenzahl ergibt sich √ Satz 50. Für imaginär-quadratische Zahlkörper Q( d) gilt lim (s − 1)ζQ(i) (s) = L(1, χ−4 ) = 1 − lim (s − 1)ζQ(√d) (s) = L(1, χD ) = s→1 2πh(D) p . ω |D| √ Beispielsweise zeigt sich so für Q( −3) mit h(−3) = 1 π 1 1 1 1 lim (s − 1)ζQ(√−3) (s) = L(1, χ−3 ) = 1 − + − + ∓ . . . = √ . s→1 2 4 5 7 3 3 Wesentlich allgemeiner zeigten Dedekind und Weber für beliebige algebraische Zahlkörper K vom Grad n über Q lim (s − 1)ζK (s) = s→1 2r1 (2π)r2 RK hK p , ω |D| wobei r1 für die Anzahl der reellen Einbettungen und r2 für die Anzahl der Paare konjugiert komplexer Einbettungen von Q in K steht,† RK der Regulator und hK die Klassenzahl. Ferner gilt für die Anzahl der ganzen Ideale mit Norm ≤ x (6) ∗ ♯{a : ganz mit Na ≤ x} ∼ 2r1 (2π)r2 RK hK p x. ω |D| Tatsächlich beruht der Beweis von L(1, χ) 6= 0 beim Dirichletschen Primzahlsatz auf dieser Beobachtung! † Somit ist n = r1 + 2r2 und im Falle quadratischer Zahlkörper ist entweder (r1 , r2 ) = (2, 0) oder = (0, 1) je nachdem, ob K reell oder imaginär ist. 32 ZAHLENTHEORIE Uns interessiert im Folgenden jedoch die Verteilung der Primideale bzw. der Primzahlen... Übungsaufgaben: ü) Welche n ∈ N besitzen eine Darstellung der Form n = x2 − xy + y 2 und was lässt sich über die Anzahl der Darstellungen aussagen? Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: Der Satz von Dedekind-Weber in voller Allgemeinheit; Dedekindsche Zetafunktion zu Kreisteilungskörpern; arithmetische Äquivalenz: Es gibt verschiedene Zahlkörper (beispielsweise Q((−3)1/8 ) und Q((−48)1/8 )) mit identischer Dedekindscher Zetafunktion. 17. Ein Tauber-Satz und die Verteilung der Primideale Erstaunlicherweise treten Primideale in Zahlkörpern mit einer im Wesentlichen vom Körper unabhängigen Frequenz auf:∗ Satz 51 (Primidealsatz, Landau 1903). Sei K ein Zahlkörper. Bezeichnet πK (x) die Anzahl der Primideale p mit Norm N(p) ≤ x, dann gilt bei x → ∞ x πK (x) ∼ . log x Im Falle K = Q ist dies der Primzahlsatz, der zuerst von Hadamard und (unabhängig) de la Vallée-Poussin 1896 bewiesen wurde; der Zahlkörperfall wurde einhergehend mit einer Vereinfaxchung der Beweisführung von Landau bewiesen. Der Spezialfall des Gaußschen Zahlkörpers Q(i) offenbart, dass die Primzahlen in den primen Restklassen ±1 mod 4 gleichverteilt sind (was auch bereits aus dem Dirichletschen Primzahlsatz folgt). Der Beweis erfolgt mit Satz 52 (Satz von Wiener–Ikehara, 1932/31). Sei A(x) eine nicht-negative monoton wachsende Funktion auf x ∈ [0, ∞) und das Integral Z ∞ A(x) exp(−sx) dx f (s) = 0 konvergiere für Re s > 1 und f (s) besitze eine analytische Fortsetzung nach Re (s) ≥ 1 bis auf einen einfachen Pol mit Residuum 1. Dann gilt lim A(x) exp(−x) = 1. x→∞ P P∞ n Abel bewies ∞ n=0 a(n)x → 1 bei x → 1− unter der Annahme n=0 a(n) = 1. 1897 gelang Tauber die Umkehrung unter der Voraussetzung na(n) = o(1) bei n → ∞. Der Tauber-Satz von Wiener-Ikehara liefert P −s eine Dirichlet-Reihe mit nicht-negativen Korollar 53. Sei F (s) = ∞ n=1 a(n)n Koeffizienten, welche für Re s > 1 absolut konvergiert. Angenommen, F (s) besitzt eine meromorphe Fortsetzung nach Re s ≥ 1 mit höchstens der Ausnahme eines einfachen Pols in s = 1 mit Residuum r ≥ 0. Dann gilt X a(n) ∼ rx. n≤x Anwendung auf die logarithmische Ableitung von ζK (s) liefert den Primidealsatz; hierbei ist das Nichtverschwinden von ζK (s) auf der vertikalen Geraden s = 1 + iR wesentlich. ∗ Das Auftreten der Ideale hingegen hängt von einer Vielzahl von Körperdaten ab. ZAHLENTHEORIE 33 Übung: xix) Für die n-te Primzahl (der Größe nach geordnet) gilt pn ∼ n log n. xx) Es gilt X1 ∼ log log x; p p hieraus ergibt sich auch log log n als Mittelwert der Anzahl ω(n) der Primfaktoren von n. xxi) Es gilt (6) Mögliche Themen in der AG Zahlentheorie: Beweis des Primzahlsatzes mit Fehlerterm, Funktionalgleichung der Riemannschen Zetafunktion, Zusammenhang zwischen der Riemannschen Vermutung und dem Fehlerterm im Primzahlsatz (vermöge der expliziten Formel); Epsteinsche Zetafunktionen zu quadratischen Formen. Lösungshinweise für die Übungsaufgaben: P a) Berechne den Mittelwert von n 7→ σ(n) := d|n d; geben Sie eine möglichst gute Abschätzung des Fehlerterms an. Mit den Methoden aus der Übung gewinnt man X π2 2 σ(n) = x + O(x log x); 12 n≤x siehe auch Hardy & Wright, §18.3. P b) Finde α ∈ R, so dass n≤x (αd(n) − log n) minimal ist. Mit Hilfe von Teilsummation berechnet sich Z x X du ∼ x log x, log n = x log x − n≤x 1 weshalb mit Blick auf den Mittelwert von d(n) also α = 1 zu wählen ist. c) Wie viele ganzzahlige Gitterpunkte sind vom Ursprung aus sichtbar? Hierzu berechne man ♯{(a, b) ∈ Z2 : a2 + b2 ≤ x, ggT(a, b) = 1} bei x → ∞. Es ergibt sich asymptotisch π6 x. Hierbei ist die ggT-Bedingung am besten mit der Formel für die summatorische Funktion von µ(n) aufzulösen. d) Gebe einen vollständigen Beweis des Vierquadratesatzes von Lagrange mit Hilfe des Minkowskischen Gitterpunktsatzes. Siehe etwa Steuding, §8.4. e) Sei C eine abgeschlossene Kreisscheibe vom Radius r > 0 mit Mittelpunkt im Ursprung und auf jedem ganzzahligen Gitterpunkt (a, b) 6= 0 der euklidischen Ebene innerhalb C sei mittig ein hoher Baum vom Radius ρ gepflanzt. Für welche Verhältnisse von r und ρ ist es unmöglich vom Ursprung heraus aus dem Wald hinaus zu schauen? Ist der Radius des Kreises 13 und der Baumdurchmesser 0, 26 kann man beispielsweise nicht aus dem Wald hinaus gucken. Mehr Details etwa in J. Matoušek, Lectures on Discrete Geometry, Springer, 2002. f) Die dichteste Kreisgitterpackung ist nach Lagrange hexagonal und bedeckt = 0, 906 . . . des R2 , während die dichteste Kugelgitterpackung nach Gauß π flächenzentriert-kubisch ist mit einem Bedeckungsanteil von 3√ = 0, 74 . . . des 2 π √ 2 3 R3 . Siehe Leppmaier, Kugelpackungen, Vieweg 1997, Kapitel 1. g) Gilt ax2 + bxy + cy 2 = m mit teilerfremden a, b, c und x, y, dann ist die Diskriminante D = b2 − 4ac ein quadratischer Rest modulo m. Hierzu bildet man 0 ≡ 4am = 4a(ax2 + bxy + cy 2 ) = (2ax + by)2 − Dy 2 . Mit der Teilerfremdheit folgt, dass D ein zu m teilerfremdes Quadrat ist. 34 ZAHLENTHEORIE h) Allgemeiner kann man Transformationen mittels A ∈ Z2×2 mit det A = −1 zusätzlich zulassen; diese werden in der Literatur uneigentlich äquivalent genannt. Induziert dies eine Äquivalenzrelation? Ja; Nachweis durch Nachrechnen. i) (a, b, c) ∼ (A, B, C) ist äquivalent zu (a, −b, c) ∼ (A, −B, C). Siehe Hua, §12.2. j) Zeige folgenden Approximationssatz von Hurwitz: Ist ξ quadratisch irrational mit aξ 2 + bξ + c = 0, wobei a, b, c ∈ Z nicht allesamt verschwinden und a > 0, dann existieren unendlich viele xy ∈ Q mit |ξ − xy | < Cy1 2 für jede Konstante √ √ C ≤ b2 − 4ac, aber nur endlich viele im Falle C > b2 − 4ac. Siehe Steuding, §2.9. k) Sei Q = (a, b, c) indefinit, dann gilt γ2 (Q) ≤ √25 mit Gleichheit genau dann, wenn Q ∼ m(1, 1, −1) für ein m ∈ N. Siehe hierzu Cassels oder das Skript von Clark, erhältlich unter http://www.math.uga.edu/∼pete/expositions2012.html ℓ) Berechne die Klassenzahlen zu D = −4, −20. Wiederum Hua, §12.2. m) Beweise den Eulerschen Darstellungssatz für Primzahlen p ≡ 1 mod 3. Siehe etwa Scharlau & Opolka, §9. n) Man beweise: Eine natürliche Zahl n lässt sich genau dann durch eine quadratische Form Q(x, y) mit teilerfremden x, y darstellen, wenn Q ∼ (n, z, m) mit gewissen m, z ∈ Z gilt. Die eine Implikation ist trivial; die andere erfolgt mit dem Satz von Bézout. o) Für die Anzahl der n ≤ x, die teilerfremd zu einem gegebenen d ∈ N sind, gilt X ϕ(d) x + O(1). 1= d n≤x ggT(n,d)=1 P Hierzu benutzt man, dass d|m µ(d) gleich 1 ist für m = 1 und null sonst; damit P P ist die zu berechnende Summe gleich x b|d µ(b)/b+ O( b|d 1 und die Behauptung P folgt mittels der Formel b|d µ(b)/b = ϕ(d)/d. p) Beweise folgenden Satz von Pichler: Stellen zwei quadratische Formen gleicher Diskriminante dieselbe Primzahl p dar, so sind sie äquivalent oder uneigentlich äquivalent. Angenommen, (p, bj , cj ) für j = 1, 2 sind die beiden Formen mit jeweils −p < bj ≤ p und D = b2j − 4pcj . Ist p ungerade und gilt p | D, so folgt bj = 0 oder bj = p je nachdem ob D gerade oder ungerade ist. Gilt p 6| D, ist b21 −b22 ≡ 0 mod 4p bzw. b1 ± b2 ≡ 0 mod 2p mit |bj | < p. Also gilt b1 = ±b2 und in beiden Fällen folgt c1 = c2 und die Behauptung. Der Fall p = 2 geht ähnlich. P q) Gegeben eine in Re s > σc konvergente Dirichlet-Reihe A(s) = n≥1 an n−s , wobei σc ∈ R. Man beweise die Existenz einer nullstellenfreien Halbebene Re s > σ0 für A(s) und gebe eine explizite Schranke für σ0 an! Hierzu konsultiere man etwa T.M. Apostol, Introduction to Analytic Number Theory, Springer 1976. r) Man berechne die Klassenzahlen h(−47) und h(47) mit Hilfe der analytischen Klassenzahlformel und überprüfe die Ergebnisse mit der Reduktionstheorie. Jeweils durch Nachrechnen! ZAHLENTHEORIE 35 s) Man P zeige, dass mit der für 0 < α ∈ R definierten Hurwitz Zetafunktion ζ(s, α) := m≥0 (m + α)−s gilt X χ(a)ζ(s, aq ). L(s, χ) = q −s 1≤a≤q P Es sei F (s, α) := Hurwitzsche Formel n≥1 exp(2πiαn)n−s . Beweise für 0 < α ≤ 1, Re s > 1 die Γ(s) )F (s, α) + exp( πis )F (s, −α) exp(− πis 2 2 s (2π) und zeige ferner, dass diese für α 6= 1 auch in der Halbebene Re s > 0 gültig ist. Wiederum mag ein Blick in Apostol, Introduction to Analytic Number Theory, helfen. ζ(1 − s, α) = t) Man beweise, dass √ für einen Ganzheitsring Od stets die Darstellung Od = Z[ϑ] mit ϑ = 21 (D + D) gilt und denke sich ferner über Dedekind hinausgehende Beispiele uneindeutiger in irreduzible Elemente aus. Im Falle d ≡ √ √ Faktorisierungen 2, 3 mod 4 ist 12 (D + D) = 2d + d, während dies im Falle d ≡ 1 mod 4 gleich √ √ 1 1 d) ist. Ein weiteres Beispiel ist etwa 2 · 3 = 21 (1 − −23) · 21 (1 + (d − 1) + (1 + 2 2 √ −23). √ u) Man beweise: Es gibt nur endlich viele reell-quadratische Zahlkörper Q( d) mit d ≡ 2 oder 3 mod 4 und euklidischem Ganzheitsring. Siehe etwa Hardy & Wright, §14.9. √ v) Beweise, dass der Ganzheitsring zu Q( 5) normeuklidisch ist. Im Wesentlichen wie im Beispiel O3 . √ w) Man zeige, dass der Ganzheitsring zu Q ( 14) faktoriell, aber nicht nor√ meuklidisch ist. Es ist O14 = Z[√14]. Wäre dieser Ganzheitsring norm-euklidisch, müsste für eine ganze Zahl a + b 14 mittels der Normbedingung |(a − 21 )2 − 14(b − 1 2 2 2 ) | < 1 gelten. Nach Multiplikation mit 4 entsteht so (2a − 1) ≡ 3 mod 14, was nicht lösbar ist. x) Man beweise, dass im Falle d < 0 und d ≡ 1 mod 4 der maximale Abstand √ eines κ ∈ Q( d) zu einer nahesten ganzen Zahl γ die Norm N(γ − κ) gleich 1 1 16 (−d + 2 − d ) beträgt. Rechnen und Elementargeometrie. y) Wie zerlegen sich die rationalen Primzahlen in Od für d = −3 bzw. d = −11? Hierzu bemühe man das Zerlegungsgesetz. z) Euler beobachtete, dass das Polynom X 2 + X + 41 für x = 0, 1, . . . , 39 nur Primzahlen als Werte liefert. Aus der Eigenschaft, dass O−163 faktoriell ist, folgere man P41 (x) ist prim für x = 0, 1, . . . , 39 sowie ( −163 p ) = −1 für alle Primzahlen 2 2 p < 41. Wäre z = x +x+41 < 41 nicht prim, besäße z einen Primteiler p < 41 und dieser wäre ein quadratischer Rest modulo 163. Nun wäre p in O−163 unzerlegbar (da die Norm stets ≥ 41 (1 + 163) = 41 ist), jedoch enthalten die Faktoren von √ √ z = 21 ((2x + 1) + −163) · 12 ((2x + 1) − −163) dieses p aber nicht, im Widerspruch zu h(−163) = 1. ß) Zeige: In Z ist jedes Ideal ein Hauptideal und es gelten die Identitäten (a)(b) = (ab) sowie (a) + (b) = (ggT(a, b)) für beliebige a, b ∈ Z. Nachrechnen (und elementare Zahlentheorie)! √ ä) In Z[ −41] gilt √ √ 42 = 2 · 3 · 7 = (1 + −41) · (1 − −41). 36 ZAHLENTHEORIE √ Zeigen Sie, dass p = (2, 1 + −41) ein Primideal ist und überdies (42) ⊂ p2 gilt. Wie hängt dies mit den beiden Faktorisierungen von 42 zusammen? Es ist p ∩ Z = 2Z und √ p maximal, also insbesondere prim. Ähnlich wie in Dedekinds −5] besteht hier eine eindeutige Primidealzerlegung mit p | (2) Beispiel für Z [ √ und (1 + −41). ü) Welche n ∈ N besitzen eine Darstellung der Form n = x2 − xy + y 2 und was lässt sich über die Anzahl der Darstellungen aussagen? Im Ring der ganzen √ Eisensteinschen Zahlen Z[ϑ] mit ϑ = 21 (1 + −3) gilt N(x + yϑ) = x2 − xy + y 2 und die Primzahlen p ≡ 1 mod 6 erlauben eine solche Darstellung, nicht jedoch die Primzahlen p ≡ 5 mod 6. Nun ergibt sich aus der eindeutigen Primfaktorzerlegung und der Multiplikativität der Norm ein Kriterium, welche n sich darstellen lassen (entsprechend dem Fall der ganzen Gaußschen Zahlen).