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LaboReport
Juli 2012
Hepatitis E
Virus-Hepatitis mit zunehmender Bedeutung
in Deutschland
Das Hepatitis E-Virus (HEV) ist ein unbehülltes RNA-Virus,
das erst in den 1980er Jahren entdeckt wurde. Es ist
vornehmlich in tropischen Regionen verbreitet und wird
fäkal-oral, insbesondere über kontaminiertes Trinkwasser,
übertragen. In Deutschland und anderen Industrieländern
wurde die Hepatitis E daher bis vor einigen Jahren primär
als reiseassoziierte Infektionskrankheit betrachtet.
In den letzten Jahren wurde jedoch eine Zunahme von
autochthonen HEV-Infektionen, d. h. Infektionen bei Patienten ohne Reiseanamnese, in Deutschland und anderen
Industrieländern beobachtet. Neue Daten zum Vorkommen
von HEV in Wild- und Hausschweinen legen nahe, dass
sich die Hepatitis E von einer Reiseerkrankung zu einer
lebensmittel-bedingten Zoonose gewandelt hat.
Struktur und Verbreitung des Hepatitis E-Virus
Das HEV kommt in mindestens 4 Genotypen vor. In den
Endemiegebieten der Tropen und Subtropen werden Infektionen am häufigsten durch den Genotyp 1 (in Asien, Afrika
und Südamerika) verursacht, seltener durch den Genotyp 2
(in Mexiko und einigen Ländern Afrikas) und den Genotyp 4
(in Asien). Diese Genotypen sind auch für reiseassoziierte
Fälle in Industrieländern verantwortlich. In Deutschland und
Europa treten zunehmend autochthone Fälle durch den HEV
Genotyp 3 auf.
Während die Genotypen 1 und 2 nur beim Menschen vorkommen, werden die Genotypen 3 und 4 auch bei Tieren
gefunden. Insbesondere der Genotyp 3 ist weltweit insbesondere in Schweine­populationen, sowohl bei Haus- als
auch bei Wildschweinen, verbreitet.
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Klinik und Verlauf der Hepatitis E
Die Hepatitis E manifestiert sich ähnlich wie eine Hepatitis A.
Nach einer Inkubationszeit von 2-8 Wochen tritt ein Ikterus auf, der mit Fieber und Müdigkeit einhergeht. Weitere
Symptome umfassen Juckreiz und eine Hepatomegalie. Die
Erkrankung ist in der Regel selbstlimitierend. Die hohe
Seroprävalenzrate auch in Industrieländern lässt darauf
schließen, dass ein großer Teil der Infektionen mit HEV
asymptomatisch verläuft.
Fulminante Verläufe sind selten und treten vor allem bei
Patienten mit vorbestehender Leberschädigung, zum Beispiel alkohol-toxischer oder chronischer Lebererkrankung,
sowie bei Schwangeren auf. Hier sind Letalitätsraten bis zu
20 % beschrieben.
Bei etwa 5 % der Patienten mit einer Hepatitis E sind neurologische Komplikationen beschrieben, die sich u. a. als
Polyradikulitis, Guillain-Barré-Syndrom, Neuritis oder Enzephalitis manifestieren können.
Während man bis vor einiger Zeit noch davon ausging,
dass es keine chronischen Verläufe der Hepatitis E gibt,
sind in den letzten Jahren auch chronische Infektionen
beschrieben worden. Diese treten vor allem bei Organtransplantierten auf. Bei diesen Patienten wurde über eine Rate
chronischer Infektionen von bis zu 60 % berichtet.
Untersuchungen zur Prävalenz von HEV bei Patienten mit
der Diagnose einer Medikamenten-assoziierten Leberschädigung (Drug-induced liver injury, DILI) zeigten überraschend, dass bei 13 % dieser Patienten eine Hepatitis E
anstelle einer DILI vorliegt. Im Vergleich zu Patienten mit
DILI sind Hepatitis E-Patienten häufiger männlich, haben
niedrigere Bilirubin- und höhere Transaminasen-Werte (GPT
und GPT/AP-Ratio).
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Hepatitis E in Entwicklungsländern
Hepatitis E in Industrieländern
In den Endemiegebieten der Tropen und Subtropen ist das
HEV sowohl für sporadische Fälle als auch für große Ausbrüche an Hepatitis E verantwortlich. Seroprävalenz­raten
von 15 – 60 % in ende­mischen Regionen spiegeln die weite
Verbreitung von HEV wider. Sporadische Fälle von Hepatitis
E treten vor allem bei 15-35-Jährigen mit einer Bevorzugung
von Männern (Verhältnis Männer zu Frauen bis 3:1) auf.
Infektionen mit HEV in Industrieländern wurden früher
hauptsächlich als Einzelfälle bei Reise­
rück­
kehrern aus
Endemiegebieten beobachtet. Seit Einführung des Infektionsschutzgesetzes wird in Deutschland, wie auch in
anderen europäischen Ländern, ein deutlicher Anstieg der
gemeldeten Hepatitis E-Fälle verzeichnet (Abbildung 1). Dabei
ist insbesondere die Rate autochthoner Fälle angestiegen
und überwiegt inzwischen weit den Anteil reiseassoziierter
Fälle. Im Vergleich zu Hepatitis E-Fällen in Entwicklungsländern betrifft die Hepatitis E in Industrieländern vornehmlich
ältere, männliche Patienten (mittleres Alter 54-65 Jahre,
74-87 % Männer). Chronischer Alkoholkonsum stellt einen
Risikofaktor für eine klinisch manifeste Hepatitis E dar.
Die erste retrospektiv gesicherte Epidemie fand 1955/1956
in Delhi statt und umfasste 29.300 Fälle. Weitere Ausbrüche
in Indien und China betrafen 79.000 bzw. 119.000 Fälle. Die
Übertragung des Virus erfolgt vor allem über kontaminiertes
Trinkwasser, wobei Ausbrüche insbesondere nach starken
Regenzeiten auftreten. Wie die großen Ausbrüche von
Hepatitis E nahelegen, scheint das HEV sehr stabil außerhalb menschlicher und tierischer Wirte zu sein.
Die Mehrzahl der Infektionen verläuft jedoch vermutlich
asymptomatisch, da die Prävalenz von HEV-IgG-Antikörpern
weit höher ist als die Zahl gemeldeter Fälle von Hepatitis E.
Bei Blutspendern in Frankreich wurden Seroprävalenzen
von 33 % (bei 18-27-Jährigen) bis zu 70 % (bei 58-60-Jährigen) gefunden, in Südwest-England lag die Seroprävalenz
bei Blutspendern bei 16 % bzw. 25 % bei über 60-Jährigen.
220
200
180
160
Fälle
140
120
100
80
60
40
20
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
0
Jahr
Abbildung 1: Gemeldete Fälle von Hepatitis E in Deutschland von 2001 bis 2011
Quelle: Robert Koch-Institut: SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 03.07.2012
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Hepatitis E als Schweine-assoziierte Zoonose
Diagnostik
Während reiseassoziierte Fälle primär durch die HEV Genotypen 1, 2 oder 4 verursacht werden, werden autochthone
Fälle in Deutschland und anderen europäischen Ländern
vor allem durch HEV Genotyp 3 hervorgerufen.
Wie bei anderen viralen Hepatitisformen erfolgt der Nachweis einer Hepatitis E primär serologisch. Bei einer akuten
Hepatitis E sind IgM-Antikörper (AK) und IgG-AK gegen HEV
in der Regel bereits bei Auftreten der klinischen Symptome
im Serum nachweisbar. HEV-IgM-AK persistieren etwa 4-6
Monate, IgG-AK bleiben meist über mehr als 10 Jahre nachweisbar. Ein isolierter Nachweis von HEV-IgG-AK spricht
somit für eine länger zurückliegende - symptomatische oder
asymptomatische - Infektion.
HEV Genotyp 3 ist in Schweinebeständen weltweit verbreitet, wobei die infizierten Schweine in der Regel nicht erkranken. Innerhalb der Schweinebestände erfolgt die HEV-Übertragung fäkal-oral, Schweinekot und –mist enthalten große
Virusmengen. HEV Genotyp 3 wurde in Schweinen und
Schweinefleischprodukten in europäischen Ländern nachgewiesen. Beispielsweise waren in einer Studie 7 % kommerziell getesteter Schweinelebern in den Niederlanden
HEV-RNA-positiv. Auch in Wild­schweinen in Deutschland
wurde HEV-RNA in 5 % der untersuchten Tiere detektiert.
Fall-Kontroll-Studien des Robert-Koch-Instituts haben Risikofaktoren für eine autochthone Hepatitis E in Deutschland
eruiert. Hierzu zählen:
Informationen zum labordiagnostischen Nachweis von
Hepatitis E
Parameter
Hepatitis E-AK IgM
Hepatitis E-AK IgG
Methode
Rekombinanter Immunoblot
Verzehr von Innereien
Untersuchungsmaterial 0,5 ml Serum
Verzehr von Wildschweinprodukten
Ansatz
Möglicherweise kommt auch dem Verzehr von nicht ausreichend gegartem Schweinefleisch eine Bedeutung als
Infektionsquelle zu. Für eine Infektion mit HEV müssen aber
anscheinend zwei relativ seltene Ereignisse zusammentreffen: (1) eine ausreichend hohe Kontamination des Fleisches
mit HEV und (2) ein zu kurzer Gar- oder Bratvorgang, der das
HEV nicht abtötet.
Montag bis Freitag
Ein direkter Virusnachweis kann mittels Bestimmung der
HEV-RNA im EDTA-Blut oder Stuhl erfolgen. HEV-RNA ist
etwa 2 Wochen vor bis zu 1 Woche nach Auftreten des
Ikterus nachweisbar und erreicht höchste Konzentrationen
im Blut zum Zeitpunkt der höchsten Transaminasen-Werte.
Im Stuhl wird HEV-RNA ebenfalls bereits einige Tage vor
Auftreten des Ikterus ausgeschieden und bleibt dort etwa
2 Wochen länger nachweisbar als im Blut.
Indikationen für die HEV-RNA-Bestimmung umfassen den
Nachweis einer akuten Hepatitis E vor Nachweis HEV-spezifischer Antikörper im Serum, den Nachweis einer chronischen Hepatitis E (Dauer > 6 Monate) sowie die Bestimmung
des HEV-Genotyps. Die Bestimmung der HEV-RNA ist jedoch
keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung und
daher nicht gemäß EBM abrechenbar.
Der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der
Tod an einer akuten Virushepatitis, somit auch einer
Hepatitis E, sind nach § 6 Infektionsschutzgesetz (IfSG),
der labordiagnostische Nachweis von HEV ist nach § 7
IfSG meldepflichtig. Daher kann die Ausnahmekennziffer 32006 berücksichtigt werden.
Indikationen für eine Hepatitis E-Diagnostik
Patienten mit akuter Hepatitis
nach Ausschluss von Hepatitis A, B und C
auch bei Patienten ohne Reiseanamnese
Risikofaktoren: Verzehr von Wildschwein und Innereien, Metzger etc.
Patienten mit chronischer Hepatitis nach Ausschluss von Hepatitis B und C
nach Organtransplantation
Patienten mit Verdacht auf eine
Medikamenten-assoziierte
Leberschädigung
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Therapie und Prophylaxe
Für die akute Hepatitis E wird keine spezifische antivirale
Therapie empfohlen.
Bei chronischer Hepatitis E sollte eine Therapie erwogen
werden, wenn die Immunsuppression nicht reduzierbar ist.
Einzelfälle wurden mit PEG-Interferon therapiert, wobei eine
anhaltende Unterdrückung der Virusreplikation (sustained
virological response) bei einzelnen Patienten nach 3-12-monatiger Therapie beobachtet wurde. Auch unter Therapie mit
Ribavirin wurde eine Suppression der Virusreplikation gefunden. Insgesamt liegen jedoch noch keine validierten Daten
zur Therapie der chronischen Hepatitis E vor. Patienten mit
chronischer Hepatitis E sollten daher in einem Zentrum mit
spezieller Erfahrung in der Hepatitis-Therapie betreut werden.
Literatur
1. Dalton HR, Fellows HJ, Stableforth W, Joseph M, Thurairajah PH, Warshow U, Hazeldine S, Remnarace R, Ijaz
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8. Teo CG: Much meat, much malady: Changing perceptions of the epidemiology of hepatitis E. Clin Microbiol
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9. Teshale EH, Hu DJ, Holmberg SC: The two faces of Hepatitis E Virus. Clin Infect Dis, 2010, 51: 328-334.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Prof. Dr. med. Nele Wellinghausen
Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und
Infektionsepidemiologie
Fachärztin für Laboratoriumsmedizin
Telefon (0 75 1) 502-220
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