Störung des Sozialverhaltens Kinderpsychiatrische Fortbildung Dr. Thomas Trabi, LSF Graz 22.3.2011 Fortbildung SOS Kinderdorf ‐ Inhalt • • • • • • • • • • • Störung? Aggression? Diagnostische Kriterien Epidemiologie Symptomentwicklung Ätiologie Temperament Psychosoziale Risikofaktoren Diagnose und Differentialdiagnosen Behandlung und Prävention Verlauf und Prognose Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie Unterbrechen, Meinungen und Diskussion erwünscht! 2 Normalität? Definition – Diagnose als Konstrukt Störung? Historischer Kontext Gesellschaftlicher Kontext Wirtschaftliche Interessen Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 3 Aggression Arterhaltung, Schutz des eigenen Lebens Verteidigung des Lebens, der Art, der Angehörigen Brechen sozialer Regeln Ziviler Ungehorsam, Widerstand gegen geltende Regeln Widerstand gegen Ungerechtigkeit, Umsetzen eigener Bedürfnisse Selbstbehauptung, natürliche Aggression Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 4 Wann sprechen wir von einer Störung? Oppositionelles, aggressives, antisoziales Verhalten In vielen (fast allen) Lebensfeldern Ungünstiger Einfluss auf weitere Entwicklung Über längere Zeit vorhanden Nicht mit funktionierendem Sozialleben vereinbar In allen Gesellschaftssystemen abgelehnt und sanktioniert Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 5 Hauptmerkmale • Verhalten wiederholt sich • Grundlegende Rechte anderer werden verletzt • Verletzung altersadäquater, sozialer Normen Nach DSM‐IV: • Aggression gegen Menschen oder Tiere mit Bedrohung, körperlicher oder seelischer Verletzung, Raub, Grausamkeit oder Zwang zu sexuellen Handlungen • Vorsätzliche Zerstörung von Eigentum, Brandstiftung • Betrug oder Diebstahl, Lügen • Schwere Verstöße gegen elterliche Verbote, Wegbleiben über Nacht, Schule schwänzen Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 6 Nach DSM‐IV‐TR wird unterschieden: Beginn vor dem 10. Lebensjahr • Erheblich schlechtere Prognose Beginn in der Adoleszenz • Bessere Prognose • DD: normale pubertäre Entwicklung Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 7 Unterschied: Straftat, die nach gängigem Recht verfolgt wird Verstoß gegen „natürliches“ Recht des Zusammenlebens Wird von Legislative und Exekutive definiert Wird von Gesellschaft als Abweichen von der Norm definiert Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 8 Diagnose nach ICD‐10 (F91): • F91.0 Auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des SV: Probleme beschränkt auf primäres soziales Umfeld. • F91.1 Störung des SV bei fehlenden sozialen Bindungen: neben den Kriterien der Störung des SV auch erhebliche Beeinträchtigung der sozialen Beziehungen zu Gleichaltrigen und Erwachsenen • F91.2 Störung des SV bei vorhandenen sozialen Bindungen: Das Kind ist gut in Peer‐Group integriert und übt das dissoziale Verhalten in dieser Peer‐Group aus. • F91.3 Störung des SV mit oppositionell‐aufsässigem Verhalten: aufsässiger Ungehorsam und feindseliges Verhalten. Regeln werden gezielt missachtet. Meist niedrige Frustrationstoleranz, Wutausbrüche kennzeichnen Affektregulation • F91.8 Sonstige Störung des Sozialverhaltens • F91.9 Nicht näher bezeichnete Störung des Sozialverhaltens Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 9 Diagnose nach DSM‐IV: • 313.81: Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem Verhalten: milde Form dissozialen Verhaltens • 312.8: Störung des Sozialverhaltens: gravierendes dissoziales Verhalten. DD: early starters, late starters; Übergänge der milden in die gravierende Form. Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 10 Diagnostische Kriterien nach DSM‐IV: • A: Repetitives und anhaltendes Verhaltensmuster, Verletzung grundlegender Rechte und Normen, Auftreten von 3 Kriterien in den letzten 12 Monaten, eines davon in den letzten 6 Monaten: – Aggressives Verhalten gegen Menschen oder Tiere • • • • • • • – Zerstörung von Eigentum • • – Brach in Wohnungen, Autos oder Gebäude ein Lügt, um sich Vorteile zu verschaffen oder Pflichten zu entgehen Stahl Gegenstände von erheblichem Wert ohne Konfrontation mit dem Opfer Schwere Regelverstöße: • • • • Vorsätzliche Brandstiftung Vorsätzliche Zerstörung von fremden Eigentum Betrug oder Diebstahl • • • – Bedroht andere, schüchtert ein Beginnt Schlägereien Benutzt Waffen, die potentiell schwer schädigen können War grausam zu Menschen Quälte Tiere Hat Opfer bestohlen Zwang andere zu sexuellen Handlungen Bleibt vor dem 13. LJ trotz Verbot über Nacht weg Lief mindestens zweimal über Nacht von zuhause weg oder einmal für längere Zeit B: Die Störung verursacht erhebliche Probleme (sozial, beruflich oder schulisch) C: Bei Personen über 18 Jahren, die nicht die Kriterien einer antisozialen Persönlichkeit erfüllen: – – Typus mit Beginn in der Kindheit (vor dem 10. LJ) Typus mit Beginn in der Adoleszenz (keines der typischen Kriterien vor dem 10. LJ) Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 11 Epidemiologie I Nichtaggressives dissoziales Verhalten Körperliche Gewalt Körperverletzungen als Straftat Häufigkeit Kindheit Jugend Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie Adoleszenz 12 Epidemiologie II • • • • • • Unterschiedliche Zahlen je nach Methode Offene Aggression gegen Menschen oder Dinge bei 6‐13% d. Jugendlichen Prävalenz von Störung des SV nach DSM‐IV: bis zu 11,9% (Median 2%) Störung mit oppositionellem Trotzverhalten: 0,3‐22,5% Gipfel im frühen Jugendalter Deutliche Geschlechterdifferenz: bei Burschen wesentlich häufiger Bei Mädchen vorwiegend nichtaggressive Formen Einmal eine kriminelle Handlung begangen Kein kriminelle Handlung Aggressiv‐dissoziales Verhalten • 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 4‐11 Jahre 11‐18 Jahre 13 Symptomentwicklung ☻Verstoß gegen soziale Regeln bei fast allen Menschen ☻Oppositionelles Verhalten: Missachtung natürlicher Regeln, Überschreiten von Körper‐ und Intimgrenzen und Rechtsräumen ☻Erschwert eigene Entwicklung durch Gefährden einer – auch vorher schon unsicheren – Bindung ☻Beziehung(swunsch) ist wesentlich für den Aufbau moralischer Ordnung ☻Erfahren liebevoller Zuwendung Æ Einhalten sozialer Regeln, um Beziehung nicht zu gefährden (Stilwell 1997) ☻Gewissen Æ Integration von Selbstentfaltung und Beziehung Æ prosoziale Entscheidungsgrundlage für handelndes Selbst (Resch 1999) ☻Offenes antisoziales Verhalten: Bezugspersonen werden direkt Betroffene, schwere Anforderung an die Eltern ☻Verdecktes antisoziales Verhalten: oft lange verborgen, bei Entdecken abrupter Vertrauensbruch und Störung der Eltern‐Kind‐Beziehung Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 14 Aggressives Verhalten • 48% der vorgestellten Patienten in der Kinder‐ und Jugendpsychiatrie • Oft als Ausdruck einer anderen Störung • Reaktives aggressives Verhalten: Antwort auf Frustration, Verteidigung • Instrumentelles aggressives Verhalten: kontrolliert, zielgerichtet, Schädigung des Opfers im Vordergrund • Komorbide Störungen sind die Regel! Æ ADHS, Depressionen, Angststörungen, Teilleistungsstörungen • Bei Jugendlichen: oft Alkohol‐ und Drogenmissbrauch • Zusammenhang mit Trauma: überdurchschnittlich hohe Belastung mit posttraumatischem Stress bei inhaftierten Jugendlichen (USA, Russland) Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 15 Dissoziales Verhalten als Risikoverhalten (Moffitt 1993) • Earls starter: ab Vorschulalter, aggressiv oppositionell und delinquent, Tendenz zur Verschlechterung, Persistenz bis ins Erwachsenenalter. 5‐10% der männlichen Jugendlichen • Late starter: beginnt in Jugend, oppositionelles und delinquentes Verhalten ab Pubertät, episodischer Charakter, Remission bis Erwachsenenalter. 25% der männlichen Jugendlichen Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 16 Ätiologie I • Biologische Faktoren: neuronale Plastizität, Erfahrungsspuren der bisherigen Geschichte Æ Funktion neuronaler Netzwerke • Deutliche Variation in genetischen Studien! • Passive Kovariation: Eltern mit antisozialem Verhalten bieten ungünstige Entwicklungs‐ bedingungen für Kinder. • Aktive Kovariation: Antisoziales Verhalten der Kinder Æ negative Reaktionen der Umwelt Æ Beeinträchtigen eigenes Milieu. • Molekulargenetik: Zusammenhang von Mutationen des 5‐HAT‐Gens und des D4‐ Rezeptors Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 17 Ätiologie II • Chronische Deprivation: Störung der Aufmerksamkeit und Konzentration, keine Auswirkung auf aggressives Verhalten! • Direkte Gewalt gegen das Kind Voraussetzung für aggressives Verhalten (Patterson 2000). • Negative, misshandelnde elterliche „Disziplinierung“ ist Voraussetzung für SVV. • Manche Jugendliche trotz schwieriger Bedingungen resilient: höherer IQ, weniger Neugierde, bessere Impulskontrolle, keine Kontakte zu delinquenten Peers. Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 18 Ätiologie III • Neuroanatomie: vermehrte Aggression bei Patienten mit Temporallappenepilepsie, Läsionen im Bereich der Amygdalae, Störung des behavioralen Inhibitionssystems (orbito‐frontaler Kortex und Amygdalae) • Störung im präfrontalen Kortex: verminderte Aktivität des autonomen NS und verminderte Empfindlichkeit gegen Konditionierung. Æ Fast alle Patienten mit SVV haben völlig unauffällige MR‐Befunde! Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 19 Ätiologie IV • Neuroendokrinologie: Männer reagieren aggressiver als Frauen (fast bei allen Spezies) • Hohe Assoziation von Aggression und Sexualverhalten • Zusammenhang von Testosteron und Aggression bei Tieren und erwachsenen Menschen Æ uneinheitliche Befunde bei Jugendlichen • Assoziation von erniedrigtem Cortisol und Aggression Æ verminderte Stressempfindlichkeit? • Ausgleich des niedrigen Cortisol: macht schlechtes Gefühl Æ Sensation seeking zur Erhöhung des Stress‐Levels und des Cortisol‐Spiegels. Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 20 Ätiologie V • Neurochemie: verminderte Serotonin‐ Funktion mit Aggression assoziiert, v.a. mit impulsiv‐aggressivem Verhalten • Serotonin ist Neurotransmitter des behavioralen Inhibitionssystems • Genetische Ursache vs. Plastizität? • Vermindertes Serotonin als Antwort auf wiederholte Traumatisierung? Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 21 Temperament, Persönlichkeit und expansive Störung • • • • • • Temperament: physiologischen und konstitutionellen Merkmale der Persönlichkeit Temperamentsmerkmale: genetisch verankert, modifizierbar durch Erfahrung, Unterschiede in Aktivität, Reaktivität und motorischem Verhalten (Resch 2001) Lack of control: geringe Impulskontrolle, antisoziales Verhalten: ev. frühe Manifestation einer SVV? Antisoziale Neigungen: Temperamentsmerkmale und Umwelteinflüsse Charakteristika bei SVV: Mangel an Empathie, vermindertes Schuldempfinden, verstärkte Ich‐ Bezogenheit, mangelndes affektives Mitschwingen Bei Patienten mit SVV: Defizite in den Exekutivfunktionen (Willensbildung, Planen, zielorientiertes Handeln, Resistenz gegen Ablenkung, Problemlösen, Konzepte entwickeln, Flexibilität und Veränderung von Routinen, Erhalt einer Zielorientierung und Selbstaufmerksamkeit auch unter Stress) Î Defizite der Selbstregulation? Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 22 Psychosoziale Risikofaktoren • Persönlichkeit der Eltern (Depression, Erregbarkeit, emotionale Distanz) • Psychiatrische Erkrankung der Eltern • Delinquenz der Eltern, Disharmonie mit offen ausgetragenen Konflikten und aggressivem Verhalten • Wiederholter Wechsel der Bezugspersonen • Misshandlung • Niedriger sozialer Status • Allein erziehende Elternteile • Soziale Isolation der Familie Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 23 Erziehungsverhalten der Eltern • Zu viele oder zu wenige soziale Regeln • Keine Konsequenz in der Einhaltung der Regeln • Dulden oder verstärken sozial störendes oder aggressives Verhalten • Sind oft selbst Modell für aggressives Verhalten • Vernachlässigung: mangelnde Kontrolle und Interesse • Erteilen von Aufgaben Æ Widerstand Æ Zurücknehmen der Aufgabe: Kind kann durch Widerstand den Aufgaben entkommen • Zusammenhang mit Misshandlung in der frühen Kindheit • Peer‐Group: Delinquenz, v.a. bei late starters als Risikofaktor • Unsicher‐vermeidender Bindungsstil als Risiko für expansive Störungen Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 24 Zuweisung: Aggression, Impulsdurchbrüche, Störung des Sozialverhaltens 2010 (n=197) • • • • • • • • • • • • • • • F07.1 postenzephalitisches Syndrom (1) F10.0 Akute Alkoholintoxikation (1) F15.2 Abhängigkeitssyndrom Stimulantien (6) F20.0 Paranoide Schizophrenie (11) F22.0 Wahnhafte Störung (2) F23.2 Akute wahnhafte schizophrene Störung (1) F25.8 sonstige schizoaffektive Störung (1) F31.1 Bipolare affektive Störung, gegenwärtig manisch (4) F32.1 Mittelgradige depressive Episode (4) F38.1 Rezidivierende affektive Störung (1) F40.1 soziale Phobie (3) F41.0 Panikstörung (2) F41.1 Generalisierte Angststörung (4) F42.2 Zwangshandlungen und Zwangsgedanken, gemischt (2) F43.0 akute Belastungsreaktion (4) • • • • • • • • F43.1 Posttraumatische Belastungsstörung (17) F43.2 Anpassungsstörung (3) F60.0 Paranoide Persönlichkeitsstörung (1) F60.1 Schizoide Persönlichkeitsstörung (1) F60.3 Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (5) F90.0 ADHS (32) F90.1 Hyperkinetische St. des Sozialverhaltens (17) F91 Störung des Sozialverhaltens (54) – – – – – • • • F91.0 auf den familiären Rahmen beschränkt (19) F91.1 mit fehlenden sozialen Bindungen (9) F91.2 mit vorhandenen sozialen Bindungen (14) F91.3 mit oppositionell‐aufsässigem Verhalten (8) F91.8 sonstige SVV (4) F93.3 Emotionale Störung der Kindheit mit Geschwisterrivalität (2) F94.1 Reaktive Bindungsstörung (11) F94.2 Bindungsstörung mit Enthemmung (7) Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 25 Diagnose und Differentialdiagnose • • • • • • • • • • Anamnese und Fremdanamnese (Eltern, Bezugspersonen, Lehrer, Erzieher, …) Status psychicus Neurologische und internistische Untersuchung (Misshandlung, Suchtmittelmissbrauch, neurologische Schäden?) EEG, Drogenscreening, Blutalkohol Entwicklungsanamnese mit Interaktionsaspekten Häufigkeit, Frequenz und Erstmanifestation des Verhaltens Situative Varianten des Verhaltens? Interaktionelle Aspekte des Verhaltens (bei wem? Bei wem nicht? Bei wem stärker?) Konsequenzen des Verhaltens (Gruppe, Familie, Gesetz) Einfluss auf Schule und Leistung Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 26 Ergänzende Diagnostik • Schule: – – – – • Niveau von Lesen, Sprache und Rechnen Aufmerksamkeit, Arbeitshaltung, Aktivität, Impulskontrolle Akzeptanz von Lehrern und Autorität Beziehung zu anderen Kindern Psychologische Untersuchung: – Intelligenzdiagnostik – Neuropsychologische Diagnostik bei Hinweisen aus der Basisdiagnostik – Sprachuntersuchung – Persönlichkeitsdiagnostik • • Körperliche und neurologische Untersuchung Familiendiagnostik: – Bei Indikation – Bei Kindern mit Migrationshintergrund (Problematik mit Hintergrund kultureller Unterschiede) Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 27 Komorbidität • Bei ca. 50% der Kinder mit SVV auch komorbide Störungen • Oft hyperkinetische Syndrome • Enge Assoziation zu emotionalen Störungen • Hohes Risiko für Schulverweigerung, Drogenmissbrauch • DD: organische Psychosyndrome, PTSD, Bindungsstörungen, atypischer Autismus, Zwangserkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, Delinquenz im Rahmen anderer Erkrankungen Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 28 Behandlung der SVV • Ziel: Verbesserung des entwicklungsbeeinträchtigenden Verhaltens! – Abwenden von Delinquenz – Ermöglichen einer existenzsichernden sozialen Integration • • • • • Kind/Jugendlichenorientiert Familienzentriert Peer‐group orientiert Kommunale Maßnahmen Lebensumfeldnahe Jugendhilfemaßnahmen Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 29 Medikamentöse Therapie • Zur Behandlung komorbider Störungen (ADHS, Depression) • Erfolgreiche Therapie komorbider Störungen reduziert Symptome der SVV • Ev. direkter günstiger Einfluss von Amphetamin auf SVV? • Direkter Effekt von SSRI auf Aggression? • Derzeit kein Medikament, dass direkt Aggressionen beeinflusst! • Bei schweren aggressiven Symptomen: atypische Neuroleptika (beste Datenlage für Risperidon™) Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 30 Psychotherapie bei SVV • Zentrale Säule der Therapie! • • • Früher Beginn = ungünstige Prognose Æ früher Beginn der Interventionen! Soziale Wahrnehmung und Kognition Verbesserung sozialer Problemlösung – Einzel‐ und Gruppentherapie • Beeinflussung innerpsychischer Ursachen dissozialen Verhaltens • Beziehung zum Therapeuten ist primäres therapeutisches Instrument! • Bestätigung durch Gleichaltrige als Wirkfaktor • Familientherapie und Elterntraining als familienzentrierte Interventionen • Jugendwohlfahrtsmaßnahmen: Fremdunterbringung, Bewährungshilfe, Erziehungshilfe, … Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 31 Verlauf / Prognose • Multifaktorielle Genese • Langzeitstudien: 3 Verläufe – Früher Beginn, persistierender Verlauf, schlechte Prognose – Später Beginn (Pubertät), günstiger Verlauf – Früher Beginn des antisozialen Verhalten, günstiger Verlauf • Jungen mit stabilen Verhaltensstörungen Æ vermehrt kognitive, sprachliche und motorische Defizite • Komorbide Aufmerksamkeitsstörung erhöht Risiko für persistenten Verlauf • Frühes Erkennen der Hochrisikogruppe mit persistentem, antisozialen Verhalten Æ Risiko der Entwicklung einer antisozialen Persönlichkeit Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 32 Letzen Endes steht hinter der Aggression oft große Traurigkeit und der Wunsch nach Beziehung! Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit! Dr. Thomas Trabi, LSF Graz, Abteilung für Kinder‐ und Jugendpsychiatrie 33