Hodenkrebs – Ein Tabuthema? Eine Broschüre für Angehörige und Patienten Dipl.-Psych. Elke Freudenberg St. Elisabeth Krankenhaus Neuwied 2003 1 Vorwort Die vorliegende Broschüre entstand im Rahmen eines Praxisorientierten Seminars und in Zusammenarbeit mit dem Forschungsprojekt „Psychologie der Krankheitsbewältigung“ (Projektleitung: Frau Prof. Dr. S.-H. Filipp) an der Universität Trier im Fachbereich Psychologie. Es wurde der Versuch unternommen, sowohl den Angehörigen als auch den Patienten eine Hilfestellung bei der Verarbeitung der Krankheit – insbesondere der psychischen Seite – zu geben. Verständlicherweise kann eine solche Broschüre nicht auf alle Fragen eine Antwort bieten. Sollten Sie weitere Informationen und Hilfen benötigen, so wenden Sie sich an den behandelnden Arzt, an Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen, die Sie in jeder größeren Stadt finden. Selbstverständlich können Sie sich auch an die Soldatentumorhilfe Koblenz e. V. wenden. Wir helfen Ihnen im Rahmen unserer Möglichkeiten gerne weiter. Bei der vorliegenden Fassung handelt es sich bereits um die vierte Auflage. Die ersten beiden Auflagen wurden mit Hilfe von Fragen, Anregungen, Kritikpunkten und Verbesserungsvorschlägen der Leser erweitert und optimiert. Vor allem bei der jetzt vorliegenden vierten Auflage sind im medizinischen Teil Änderungen und Verbesserungen vorgenommen worden. Die Wissenschaft entwickelt sich laufend weiter, so dass Nachbesserungen in kürzeren Abständen immer wieder notwendig sind. Schreiben Sie uns, wenn Sie etwas vermissen, ausführlicher haben wollen oder etwas kritisieren wollen. Wir sind für jede Anregung dankbar. Wir danken den vielen Kollegen, die uns während der Entwicklung dieser Broschüre unterstützt haben. Als weitere federführende Mitarbeiter seien namentlich genannt: Oberstarzt a. D. Dr. med. H. v. Vietsch, Höhr-Grenzhausen Oberstarzt Dr. med. W. Derschum, Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Dr. med. R. Oermann, Trier Die StudentInnen M. Hildebrandt, A. Sassenrath, P. Hank, G. Skopidis, A. Reisser, U. Fischer, S. Maier, W. Plihal und M. Witt haben bei der Erstellung der Broschüre engagiert und interessiert mitgearbeitet. 2 INHALTSVERZEICHNIS Seite Warum eine Broschüre über Hodenkrebs?........................................................................... 4 Was ist Hodenkrebs?............................................................................................................ 4 Wie macht sich Hodenkrebs bemerkbar?............................................................................. 5 Wie kann der Arzt feststellen, ob es ein gut- oder bösartiger Tumor ist?............................ 6 Warum ist die Behandlung nach der Hodenoperation noch nicht abgeschlossen?.............. 7 Wie wird nach der ersten Operation weiterbehandelt?......................................................... 9 Wie wird nach der Lymphknotenentfernung weiterbehandelt?............................................ 11 Was ist Chemotherapie?........................................................................................................ 11 Was ist Strahlentherapie?...................................................................................................... 14 Was bedeutet Tumornachsorge?............................................................................................ 15 Welche Prognose gibt es bei Hodenkrebs?............................................................................ 16 Wie kann ich mit der Krankheit leben lernen?...................................................................... 16 Welchen Einfluss hat die Krankheit auf das Befinden und Verhalten des Patienten?.......... 17 Was kann ich selbst als Patient tun?...................................................................................... 18 Was bedeutet die Krankheit für die Angehörigen?................................................................ 20 Warum ist gerade mein Angehöriger betroffen?.................................................................... 21 Wie verhalte ich mich dem Patienten gegenüber?.................................................................. 21 Was kann ich als Angehöriger für mich selbst tun?................................................................ 22 Welche Auswirkungen zeigen sich auf meine Partnerschaft und Sexualität?......................... 23 Was kommt nach dem Krankenhausaufenthalt?...................................................................... 25 Welche Rehabilitationsmaßnahmen gibt es?............................................................................25 An wen kann ich mich wenden, wenn ich Fragen habe?..........................................................27 3 Warum eine Broschüre über Hodenkrebs? Hodenkrebs gehört zu jenen Krebsformen, von denen die meisten Menschen vorher noch nie etwas gehört haben. Eine Broschüre erscheint uns daher zum einen notwendig, um Betroffenen und ihren Angehörigen Informationen über diese Erkrankung und ihre Folgen zu geben. Zum anderen wirken sich gerade bei einer Tumorerkrankung im Genitalbereich die beiden Tabuthemen „Krebs“ und „Sexualität“ nachteilig auf ein offenes Gespräch aus. Hemmungen und Schamgefühle verhindern, dass sich Patienten und Angehörige offen miteinander über die Krankheit austauschen. Es ist jedoch wichtig, dass Patienten, Angehörige und der behandelnde Arzt über alle im Zusammenhang mit der Krankheit auftretenden Probleme offen miteinander sprechen. Nur dadurch kann das Vertrauensverhältnis untereinander aufgebaut werden, das den Gefühlen der Ohnmacht entgegenwirkt und zur gegenseitigen Unterstützung führt. Diese Broschüre soll daher nicht nur medizinische Informationen vermitteln, sondern auch aufzeigen, welche Folgen sich im Zuge einer Hodenkrebserkrankung für den Umgang miteinander ergeben können und wie möglichen Problemen im Familienleben und in der Partnerschaft entgegengewirkt werden kann. Wir empfehlen daher, dass sich Patienten und Angehörige gemeinsam diese Informationsschrift durchlesen und miteinander darüber sprechen. Selbstverständlich kann keine Broschüre Ratschläge im Sinne von „Rezepten“ geben. Die Situation jedes einzelnen Patienten und jeder einzelnen Familie lässt sich immer nur in wenigen Punkten mit der Situation Anderer vergleichen. Sie selbst kennen Ihren Partner und Ihre Familie am besten. Daher können Sie sicher einige der Informationen und Empfehlungen in diesem Heft auf Ihre persönliche Lebenssituation übertragen und für sich nutzen. Was ist Hodenkrebs? Hodenkrebs ist eine bösartige Geschwulst, meistens eines, selten auch beider Hoden. Das Wachstum des Tumors beginnt zunächst in einem der Hoden, er kann den Nebenhoden miterfassen und dann auch auf den Samenstrang übergreifen. Ohne Behandlung führt dieser Krebs zum Tode. Der Hodenkrebs ist eine relativ seltene Erkrankung. Es handelt sich jedoch um einen der häufigsten Tumoren in der Altersgruppe der 20- bis40jährigen Männer. Pro Jahr 4 tritt bei etwa drei bis sieben von 100 000 Männern ein Hodentumor auf. Hodenkrebs wird heute im Frühstadium fast immer geheilt, und selbst in fortgeschrittenen Stadien Besteht eine gute Heilungschance. Die Behandlungserfolge bei Hodentumoren sind seit einigen Jahren so beeindruckend, dass sich heute die Frage stellt: „ Mit wie wenig Therapie erziele ich den größtmöglichen Erfolg?“ Das heißt, es wird der in Abhängigkeit von der Situation kleinstmögliche operative Eingriff durchgeführt, die geringstmögliche Chemotherapie verabreicht und unter Einsatz der geringstmöglichen Strahlendosis bestrahlt. Dies bedeutet aber nicht, dass eine Behandlung überhaupt nicht mehr notwendig ist, denn wie bereits oben erwähnt, ohne Behandlung führt der Hodentumor unweigerlich zum Tode. Dies sehen wir auch daran, dass eben nicht 100 % aller Hodentumorpatienten geheilt werden können. Über 90 Prozent der erkrankten Männer werden wieder gesund und können ihrer Arbeit wieder nachgehen. Wie macht sich Hodenkrebs bemerkbar? Die Symptome des Hodenkrebs bleiben für längere Zeit unauffällig. Gelegentlich ist ein Schweregefühl im betroffenen Hoden zu bemerken, selten Schmerzen. Oft weist eine Nebenhodenentzündung auf einen Tumor hin. Erster Hinweis auf einen Hodentumor ist in den meisten Fällen eine einseitige schmerzlose Anschwellung oder Verhärtung eines Hodens oder auch eine Ansammlung von wässriger Flüssigkeit um den Hoden, eine sogenannte Hydrozele. Manchmal kann auch ein Anschwellen einer oder beider Brüste Hinweis auf einen Hodentumor sein. Vielleicht ist Ihnen oder Ihrem erkrankten Partner die eine oder andere körperliche Veränderung vor der Diagnosestellung aufgefallen; aber selbst wenn der Tumor eher zufällig entdeckt wurde, so ist das nicht weiter verwunderlich. Die meisten Hodentumoren werden auf Grund anderer Beschwerden (z. B. vermeintlicher Leisten- oder Wasserbruch) oder im Rahmen einer Routineuntersuchung erkannt. 5 Bei kaum einem anderen Organ ist ein Tumor so leicht fühlbar. Durch regelmäßiges Abtasten der Hoden kann ein Mann ein gutes Gespür dafür entwickeln, ob alles in Ordnung ist oder ob es Veränderungen gibt, die ärztlich überprüft werden sollten. Daher sollte jeder Mann es zur Routine werden lassen, seine Hoden bzw. den verbliebenen Hoden regelmäßig zu untersuchen! Am besten kann man sich untersuchen, wenn der Hodensack schlaff und weich ist, also bei warmen Temperaturen wie z. B. unter der Dusche oder in der Badewanne. Dazu wird der rechte Hoden mit der rechten Hand gehalten und mit den Fingern der linken Hand rundherum abgetastet, auch zum Körper hin nach oben. Das gleiche geschieht mit dem linken Hoden: in die Hand nehmen – mit den rechten Fingern befühlen. Sobald sich beim Abtasten schmerzlose Verhärtungen, Schmerzen oder Schwellungen bemerkbar machen, muss umgehend der Arzt aufgesucht werden. Wie kann der Arzt feststellen, ob es ein gut- oder bösartiger Tumor ist? Die nachfolgende Beschreibung der Untersuchung und Behandlung des Hodentumors stellt die derzeit übliche Vorgehensweise dar. In diesem Rahmen können unwesentliche Abweichungen auftreten. Wenn eine Veränderung am Hoden bemerkt wird, kann der Arzt häufig bereits aufgrund einer sorgfältigen Tastuntersuchung, gegebenenfalls kombiniert mit einer einfachen Durchleuchtung, entscheiden, ob Tumorverdacht besteht oder nicht. Entscheidende Hinweise gibt auch die schmerzlose und ungefährliche Ultraschalluntersuchung des Hodensack-Inhalts. Die hierbei gewonnenen Bilder ermöglichen Rückschlüsse auf Art und Ursache der Hodenveränderung. Besteht Verdacht auf einen Hodentumor, wird man immer auch Blut abnehmen, da Hodentumoren zu einem sehr frühen Zeitpunkt bestimmte Stoffe ins Blut abgeben können, die mit Hilfe verschiedener Bestimmungsmethoden nachweisbar sind. Allerdings findet man diese vom Tumor produzierten Substanzen – die sogenannten Tumormarker – nicht in jedem Fall von Hodenkrebs. Wenn die Untersuchungsergebnisse für das Vorliegen eines Hodentumors sprechen, muss eine operative Freilegung des Hodens folgen. Der betroffene Hoden wird von der Leiste aus freigelegt. Dann wird eine Gewebeprobe entnommen, die noch während der Operation mikroskopisch untersucht wird, um zu entscheiden, ob es sich um einen bösartigen Tumor 6 handelt. Ist das der Fall, werden der erkrankte Hoden, Nebenhoden und Samenstrang sofort entfernt. Zusätzlich wird aus dem anderen Hoden eine Gewebeprobe entnommen und diese ebenfalls mikroskopisch auf das Vorhandensein von Tumorzellen untersucht. Bei Patienten mit nur einem Hoden kann ggf. eine organerhaltende Entfernung des Tumors erfolgen, wenn der Tumor nicht zu groß ist und die Chance besteht, dass der verbleibende Anteil des Hodengewebes noch ausreichend viel männliches Geschlechtshormon bilden kann. Sowohl die Gewebeprobenentnahme aus dem anderen Hoden als auch die organerhaltende Hodentumorentfernung werden nicht an allen Kliniken durchgeführt. Warum ist die Behandlung nach der Hodenoperation noch nicht abgeschlossen? Nach der Operation sind weitere Untersuchungen notwendig, weil alle bösartigen Tumoren Tochtergeschwülste, sogenannte Metastasen, bilden können. Beim Hodentumor erfolgt der Absiedlungsweg, die „Metastasenstraße“, vom Hoden aus über die Lymphwege zu den Lymphknoten, die sich entlang der Bauchschlagader (Aorta) im hinteren Bauchraum befinden. Von dort aus können Absiedlungen in den Brustraum und in die Halslymphknoten erfolgen. Selten gelangen beim Hodentumor bösartige Zellen in die Blutbahn. Dann finden sich Tochtergeschwülste in den Lungen, der Leber und in anderen Organen. Um feststellen zu können, ob sich bereits Tochtergeschwülste im Körper befinden, werden die nachfolgenden Untersuchungen durchgeführt: 1. Röntgenuntersuchung der Lunge Hiermit werden Metastasen in der Lunge erkannt bzw. ausgeschlossen 2. Ultraschalluntersuchung des Bauchraums Bei dieser Untersuchung werden neben den Lymphknoten im hinteren Bauchbereich auch die Bauchorgane wie Leber und Milz sowie die Nieren und Harnwege überprüft. 3. Computertomographie (CT) Um bestimmte Organe des Körpers auf Computertomogrammen voneinander abgrenzen zu Können, muss man bei dieser Untersuchung Kontrastmittel trinken (Darstellung des Magens und des Darms) und in die Vene spritzen (Darstellung der Nieren und der Harnleiter). Der Arzt erkennt so vergrößerte Lymphknoten oder Veränderungen an anderen Organen. 7 4. Kernspintomographie (Magnetresonanztomographie, MRT) Diese Untersuchung verläuft ähnlich wie die Computertomographie und wird bei besonderen Fragestellungen benötigt. 5. Lymphographie Dieses Verfahren dient zur Beurteilung von Lage, Größe und Struktur der Lymphbahnen und Lymphknoten. Hierzu wird ein Kontrastmittel in ein Lymphgefäß des rechten und des linken Fußrückens eingespritzt. Es wandert über die Lymphgefäße der Beine in den hinteren Bauchraum, wo es in den Lymphknoten gespeichert wird. Dieses Verfahren erfordert sehr viel Geduld vom Patienten. Am ersten Untersuchungstag dauern das Einfüllen des Kontrastmittels und die ersten Beobachtungen ca. vier Stunden. Danach müssen Sie als Patient 24 Stunden liegen. Am Tag darauf müssen noch einmal Röntgenaufnahmen angefertigt werden, um die Speicherung des Kontrastmittels beurteilen zu können. Diese Untersuchung wird heute nur noch bei speziellen Fragestellungen angewendet. 6. Röntgenuntersuchung der Nieren Mit dieser Untersuchung werden Form und Lage der Nieren, der Harnleiter und der Harnblase festgestellt. Dazu wird ein Kontrastmittel in die Vene gespritzt. Auch diese Untersuchung ist nur noch selten erforderlich. 7. PositronenEmissionsTomographie (PET) Bei besonderen Fragestellungen kann auch mit dieser in der Nuklearmedizinischen Abteilung unter Einsatz von niedrig dosierten Radioisotopen durchgeführten Untersuchung nach verborgenen Metastasen gesucht werden. 8. Blutuntersuchungen Während des stationären Aufenthaltes wird Ihnen mehrmals Blut aus einer Vene abgenommen, um unter anderem die sog. Tumormarker vor, während und nach der Behandlung bestimmen zu können. Daraus lassen sich wichtige Erkenntnisse über den Krankheitsverlauf ableiten. Nachdem diese Untersuchungen abgeschlossen sind, kann sich der Arzt ein Bild über die wahrscheinliche Ausbreitung des Tumors machen. Er wird das Ergebnis der Untersuchungen mit Ihnen besprechen. Wie wird nach der ersten Operation weiterbehandelt? 8 Art und Umfang der Weiterbehandlung hängen vom Typ und vom Ausbreitungsstadium des Tumors ab. Allgemein wird unterschieden zwischen strahlenempfindlichen und nichtstrahlenempfindlichen Tumoren. Daneben gibt es noch Mischformen, die jedoch hier außer acht gelassen werden können, da sie immer wie nicht-strahlenempfindliche Tumoren behandelt werden. 1. Die Behandlung des strahlenempfindlichen Tumors (Seminom) Der strahlenempfindliche Tumor kann durch Behandlung unter Zuhilfenahme moderner Strahlenquellen geheilt werden (siehe Kapitel „Was ist Strahlentherapie?“). Als Alternative hierzu wurde bei Seminomen ohne nachweisbare Metastasen eine Chemotherapie etabliert, bei der ein Medikament etwa 14 Tage nach der Hodenoperation in die Vene gegeben wird. Man nennt dies auch „Single-Shot-Chemotherapie. (siehe hierzu auch Kapitel„Was ist Chemotherapie?) Mit der Bestrahlung oder der „Single-Shot-Chemotherapie“ ist die Behandlung in den meisten Fällen abgeschlossen. Das Risiko einer erneuten Tumoraktivität ist sehr gering, jedoch muss man sich auf jeden Fall regelmäßigen Kontrolluntersuchungen unterziehen (s. Nachsorge). 2. Die Behandlung des nicht-strahlenempfindlichen Tumors (Nicht-Seminom) Der nicht-strahlenempfindliche Tumor erfordert in der Regel eine weitere Operation, die sogenannte retroperitoneale Lymphadenektomie. Leider lassen sich mit den oben beschriebenen Untersuchungen kleinste Metastasen nicht nachweisen bzw. ausschließen. Letzte Sicherheit bei den nicht-strahlenempfindlichen Tumoren kann nur gewonnen werden, indem bei einer Operation gewonnenes Gewebe mikroskopisch untersucht wird. Das bedeutet, dass eine operative Entfernung eines Teils der Lymphknoten im hinteren Bauchraum vorgenommen werden muss, da sich dort Metastasen des Hodentumors befinden können. Dazu wird die Bauchhöhle vom Ende des Brustbeins bis zum Schambein geöffnet. Sodann werden die erreichbaren Lymphbahnen und Lymphknoten entfernt und noch während der Operation unter dem Mikroskop untersucht. Finden sich keine oder nur eine Lymphknotenmetastase, so genügt es, die Lymphknoten nur auf einer Seite, nämlich der Seite des Hodentumors, zu entfernen. Werden jedoch größere und mehrere Metastasen festgestellt, so müssen alle im hinteren Bauchraum erreichbaren Lymphknoten herausgenommen werden. Das bedeutet aber keinen Nachteil, da noch genügend andere Lymphknoten und Lymphbahnen im vorderen Bauchraum vorhanden sind. 9 Bei der Operation können Nerven beeinträchtigt werden, die dafür verantwortlich sind, dass der Samen beim Orgasmus aus der Harnröhre geschleudert wird (Ejakulation). Nach der Operation kann es zum Ausbleiben der Ejakulation kommen und somit zur Zeugungsunfähigkeit. Zwar bleiben in diesem Fall die Potenz, also die Versteifungsfähigkeit des Gliedes und auch das Gefühlsleben und die Orgasmusfähigkeit, erhalten, jedoch wird die Samenflüssigkeit nicht mehr aus der Harnröhre ausgestoßen. Nach einseitiger Lymphknotenentfernung ist in rund 20 Prozent der Fälle mit dem Verlust der Ejakulationsfähigkeit zu rechnen. Nach der vollständigen Entfernung der Lymphknoten muss in rund 80 Prozent der Fälle mit dem Verlust der Ejakulationsfähigkeit gerechnet werden. Sollte als Folge der Lymphknotenoperation ein Ejakulationsverlust auftreten, dann kann immer noch versucht werden, mit einem aus der Harnblase gewonnenen Ejakulat (Samen) oder mit einer im Rahmen einer kleinen Operation aus dem noch vorhandenen Hoden gewonnenen Samenprobe eine künstliche Befruchtung zu erzielen, wenn nicht bereits vor der Operation zu diesem Zweck ein Samendepot in einer Samen bank eingefroren worden ist. Des weiteren können nach dem Eingriff Komplikationen auftreten, wie sie auch bei anderen Operationen vorkommen. Hierzu gehören Entzündungen, Blutung, Verletzung des Harnleiters, vorübergehende Darmlähmung und Narbenbruch, die aber eher selten beobachtet werden und – wenn es doch geschieht – gut behandelbar sind. In einigen Kliniken wird seit einiger Zeit dem Patienten angeboten, falls nur ein gut abgrenzbarer Lymphknoten im Bauchbereich befallen ist, lediglich diesen einen Knoten in einer vergleichsweise kleinen Operation zu entfernen, ggf. auch mikrochirurgisch im Rahmen einer Laparoskopie (Bauchspiegelung). Bislang gibt es jedoch über das verbleibende Risiko des Patienten, dass dabei evtl. vorhandene weitere winzige Absiedelungen in anderen Lymphknoten übersehen werden, keine gesicherten Erkenntnisse. Wir bitten um Ihr Verständnis, wenn wir uns daher zu dieser Variante keine Beurteilung erlauben. Bitte informieren Sie sich bei Ihrem behandelnden Urologen. In dem Aufklärungsgespräch vor einer Operation erläutert Ihnen der Arzt das gewählte Vorgehen, alle gegebenenfalls auftretenden organischen Beeinträchtigungen und deren Folgen. Sie sollten diese Gelegenheit nutzen, um alle Fragen zu stellen, die Sie in diesem Zusammenhang beschäftigen. Sehr hilfreich wäre es, wenn zu diesem Gespräch Ihre Bezugsperson (Ehefrau, Freundin, Eltern usw.) hinzugezogen werden könnten, da diese oft mit ihren Fragen sehr positiv zur besseren Information beitragen können und ihre eigene Information aus erster Hand ohne Missverständnisse erfahren. 10 Wie wird nach der Lymphknotenentfernung weiterbehandelt? Wenn keine Metastasen gefunden worden sind, ist die Behandlung abgeschlossen, d. h. dass Sie sich von nun an nur noch den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen im Rahmen der Tumornachsorge unterziehen müssen (s. Nachsorge). Wenn aber Metastasen gefunden wurden, so ist eine Nachbehandlung in Form einer Chemotherapie unumgänglich, um ein Wiederauftreten der Erkrankung nach Möglichkeit zu verhindern und eventuell noch vorhandene (kleinste) Metastasen zu bekämpfen. Was ist Chemotherapie? Wann wird Chemotherapie eingesetzt? Die Chemotherapie wird vor allem bei nicht-strahlenempfindlichen Hodentumoren (NichtSeminomen) in der Regel im Anschluss an die große Bauchoperation angewendet, falls Lymphknotenmetastasen entfernt werden mussten. Patienten, die zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits Fernmetastasen in der Lunge, der Leber oder anderen Organen haben, erhalten – nachdem der Tumor des Hodens tumorbefallene Hoden entfernt wurde zunächst eine chemotherapeutische Behandlung. Durch diese Therapie verschwinden in der Regel die Fernmetastasen, die oben beschriebene Entfernung der Lymphknoten (retroperitoneale Lymphadenektomie) schließt sich dann an , da eine erneute Absiedlung von Tumorzellen über die Lymphbahn verhindert werden muss. Eine Chemotherapie ist auch erforderlich bei Seminomen mit Fernmetastasen, z. B. in beiden Lungen oder anderen Organen. 11 Wie lange dauert die Chemotherapie? Die Dauer hängt vom Ausmaß der Tumorabsiedlungen in den Lymphknoten bzw. in den anderen Körperorganen ab. Hier muss von Fall zu Fall entschieden werden. In der Regel werden die Medikamente in zwei oder mehr Zyklen verabreicht. Ein Zyklus dauert eine Woche. Zwischen den Zyklen werden zwei- bis dreiwöchige Pausen eingelegt, in denen sich der Patient zu Hause erholen kann. Bei bestimmten Nicht-Seminomen, bei denen die Untersuchungen keinen Anhalt für das Vorliegen von Lymphknoten- oder Fernmetastasen ergeben hat und bei denen auch sonst keine besonderen Risikofaktoren vorliegen, kann die operative Entfernung der Lymphknoten ggf. durch einen Zyklus Chemotherapie ersetzt werden. Wie werden die Medikamente verabreicht? Die Verabreichung der Medikamente in Tabletten- oder Tropfenform kann nicht realisiert werden, da die Medikamente vor Ort, also bei in den Tumorzellen, in hoher Konzentration wirken sollen. Deswegen werden sie über eine Vene in den Blutkreislauf eingeführt. Dazu ist es oft notwendig, dass ein Katheter in eine zentrale Vene gelegt wird. Dies geschieht meistens über eine Schlüsselbein- oder Halsvene, in Ausnahmen auch über eine Armvene. Welche Wirkung haben die Medikamente? Die Wirkungsweise der Chemotherapie beruht auf dem Einsatz von Medikamenten, welche die Vermehrung von Krebszellen blockieren sollen. Dabei werden auch gesunde Zellen angegriffen, was zu bestimmten Nebenwirkungen führen kann. Als besonders wirkungsvoll haben sich Kombinationen verschiedener Medikamente erwiesen. Dieses Vorgehen wird auch als Polychemotherapie bezeichnet. Gerade bei Hodenkrebs ist die Chemotherapie in Kombination mit der Operation der Lymphknoten sehr erfolgreich. Über 90 Prozent der Patienten können dadurch geheilt werden. Welche Nebenwirkungen können auftreten? Da die Chemotherapie nicht krebsspezifisch wirkt, sondern alle sich schnell teilenden Gewebe Zellen (zu denen insbesondere die Tumorzellen gehören) angreift, kann es zu unterschiedlichen Nebenwirkungen kommen. Im Gegensatz zu den Tumorzellen sind aber die gesunden Körperzellen erholungsfähig, so dass die Folgen dieser Nebenwirkungen nach der Beendigung der Therapie schnell überwunden werden können. 12 Die auffälligste Nebenwirkung ist der Haarausfall. Nach Abschluss der Behandlung kommt die Behaarung innerhalb von ungefähr vier Monaten komplett zurück. Für den Patienten besteht die Möglichkeit, für diese Zeit eine Perücke anfertigen zu lassen, deren Kosten von der Krankenkasse getragen werden. Weitere Nebenwirkungen treten hauptsächlich während eines Zyklus selbst auf. Diese sind in erster Linie Störungen im Magen-Darm-Trakt, allgemeine körperliche Schwäche, Störung der Blutbildung, Appetitlosigkeit und Übelkeit, eventuell auch Fieber. Hierdurch können wiederum Müdigkeit, Nervosität, leichte Erregbarkeit und depressive Stimmungen auftreten. Nach Abschluss des jeweiligen Zyklus besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko, da durch eine vorübergehende Knochenmarksschädigung das Immunsystem beeinträchtigt wird. Zur Behandlung der Übelkeit und der Knochenmarksschädigung stehen mittlerweile sehr wirkungsvolle Medikamente zur Verfügung, so dass diese Nebenwirkungen keine entscheidende Rolle mehr spielen. Viele Hodenkrebspatienten erleben die Chemotherapie wegen der genannten Nebenwirkungen als sehr beeinträchtigend. Um diese Belastungen ertragen zu können, ist es hilfreich, sich die sehr guten Heilungschancen aufgrund dieser Therapie vor Augen zu halten und sich immer wieder zu sagen, dass nach Beendigung der Chemotherapie die Beschwerden und Beeinträchtigungen wieder abklingen werden. Welchen Einfluss haben die Medikamente auf die Samenbildung des gesunden Hodens? Da die Medikamente auf alle Zellen des Körpers wirken, wirken sie auch auf die samenproduzierenden Zellen des verbliebenen Hodens. Das heißt, Sie sind in dieser Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit unfruchtbar. Der Hoden regeneriert sich aber nach einer gewissen Zeit. Da Störungen im Erbgut nicht ausgeschlossen werden können, ist es ratsam, bis ca. zwei Jahre nach dem Ende der Behandlung keine Kinder zu zeugen. Für diesen Zeitraum ist es daher notwendig, eine sichere Verhütungsmethode zu wählen. Können auch Langzeitwirkungen auftreten? Eine Schwächung des Immunsystems kann über die Behandlung hinaus fortbestehen; damit ist eine größere Anfälligkeit für Infektionen verbunden. In seltenen Fällen kann die Chemotherapie ihrerseits als Spätfolge eine Krebserkrankung verursachen. Deswegen sollten Sie, auch lange über die Nachsorgephase hinaus, regelmäßig Krebsvorsorgeuntersuchungen durchführen lassen. 13 Was ist Strahlentherapie? Wann wird Strahlentherapie eingesetzt? Diese Behandlungsform kommt nur dann in Frage, wenn es sich um einen strahlenempfindlichen Tumor handelt (Seminom), mit oder ohne Lymphknotenmetastasen, wenn keine Single-Shot-Chemotherapie durchgeführt wurde (s. o.). Wie lange dauert die Strahlentherapie? Bei Seminomen wird die Bestrahlungsbehandlung über einen Zeitraum von ca. vier Wochen durchgeführt. Was wird bestrahlt? Bei Seminomen wird das Gebiet an der Bauchhinterwand beiderseits der Bauchschlagader bestrahlt. Hierdurch soll die Entwicklung von Metastasen verhindert werden. In diesem Gebiet bereits vorhandene Metastasen werden in der Regel durch die Strahlentherapie völlig zerstört. Sollten bei der Gewebeprobe aus dem anderen Hoden Tumorzellen nachgewiesen werden, dann kann es notwendig werden, dass dieser Hoden bestrahlt werden muss. Ihr Urologe wird ausführlich mit Ihnen darüber reden. Der Resthoden nach organerhaltender Tumorentfernung muss in jedem Fall nachbestrahlt werden. Wie wirkt die Strahlentherapie? Bei dieser Therapieform werden Krebszellen mittels radioaktiver Strahlen geschädigt oder vernichtet. Um eine Schädigung der umliegenden gesunden Zellen weitgehend zu vermeiden, wird die Bestrahlung örtlich begrenzt. Das Bestrahlungsgebiet wird mittels eines Farbstiftes auf dem Körper genauestens markiert und die nicht zu bestrahlenden Anteile des Körpers durch eine Bleiabdeckung geschützt. Welche Nebenwirkungen hat di Strahlentherapie? Während der Strahlentherapie können vorübergehend Störungen im Magen-Darm-Trakt, körperliche Schwäche, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit, eine erhöhte Infektionsanfälligkeit und Haarausfall, besonders an der Haut der bestrahlten Gebiete auftreten. Ferner können bei der Bestrahlung entzündliche Reaktionen der Harnblase und der 14 Haut sowie Kurzatmigkeit beobachtet werden. Diese Nebenwirkungen sind durch Medikamente zu beherrschen und klingen mit dem Ende der Therapie ab. Bei der Bestrahlung wird zwar der Resthoden durch eine Bleikammer geschützt, jedoch sind auch hier Schädigungen des Erbgutes nicht auszuschließen. Es ist also ratsam, den Wunsch nach Kindern bis zwei Jahre nach Ende der Behandlung aufzuschieben. Für diesen Zeitraum empfiehlt sich ebenfalls die Anwendung einer sicheren Verhütungsmethode. Sollte der verbliebene Hoden oder Resthoden bestrahlt werden müssen, dann wird dadurch die Samenbildung endgültig unterbunden , das heißt, es besteht auf Dauer Zeugungsunfähigkeit. Das ist nicht zu verwechseln mit Impotenz. Die Hormonbildung bleibt auf jeden Fall erhalten, so dass der sexuelle Appetit weiterhin besteht, ebenso die Erektionsfähigkeit und damit die Möglichkeit, Geschlechtsverkehr einschließlich Orgasmus zu haben. Es sind lediglich im Samenerguss keine Spermien mehr vorhanden. Was bedeutet Tumornachsorge? Nur durch regelmäßige Nachuntersuchungen kann ein mit geringer Wahrscheinlichkeit erneutes Auftreten der Krankheit oder eine Tumorerkrankung des zweiten Hodens schon frühzeitig entdeckt und geheilt werden. Die Nachsorge wird zunächst für einen Zeitraum von fünf Jahren empfohlen und beinhaltet eine körperliche Untersuchung durch den Arzt, des weiteren Blutuntersuchungen, Röntgen, Sonographie und Computertomographie. Im Allgemeinen finden die Nachsorgeuntersuchungen in ersten Jahr monatlich oder zweimonatlich statt, ab dem zweiten Jahr vierteljährlich bis halbjährlich und nach dem fünften Jahr jährlich. Die Röntgenuntersuchungen werden in der Regel nach dem ersten Nachsorgejahr seltener durchgeführt. Ihnen wird ein entsprechender Nachsorgeplan ausgehändigt, der von Klinik zu Klinik variieren kann. Darüber hinaus sollten Sie den verbliebenen Hoden regelmäßig selbst betasten, um mögliche Veränderungen rechtzeitig zu erkennen. Es besteht auch später noch das Risiko, dass auch der zweite Hoden an einem Tumor erkrankt. 15 Welche Prognose gibt es für Hodenkrebs? Die Prognose für Hodenkrebspatienten fällt im Allgemeinen mit bis zu 97% sehr günstig aus. Selbst im fortgeschrittenen Stadium betragen die Heilungschancen noch über 70 Prozent. Treten innerhalb von fünf Jahren nach der Behandlung kein weiterer Tumor oder Metastasen auf, so gilt der Hodenkrebs als geheilt! Es ist jedoch auch für die Zukunft wichtig, Krebsvorsorgeuntersuchungen weiterhin regelmäßig durchführen zu lassen, da, wie weiter oben ausgeführt, ein gewisses, wenn auch geringes Risiko besteht, erneut an einem Hodentumor oder an einem anderen bösartigen Tumor zu erkranken. Wie kann ich mit der Krankheit leben lernen? Wie entsteht Hodenkrebs? Um mit einer Krebserkrankung leben zu lernen, ist es für die meisten Betroffenen und ihre Angehörigen wichtig zu erfahren, ob es eine oder mehrere Ursachen für die Erkrankung gibt. Wie bei vielen Krebsarten ist jedoch auch beim Hodentumor die Entstehung noch nicht endgültig geklärt. Fest steht bislang, dass es bestimmte Risikogruppen gibt, die mit größerer Wahrscheinlichkeit von dieser Krankheit betroffen werden. Dazu gehören Männer, bei denen Hodenhochstand vorliegt bzw. im Kindesalter vorgelegen hat. Weiterhin sind solche Männer gefährdet, denen ein Hoden nach einer Verletzung, Entzündung oder Verdrehung geschrumpft ist. Die Ursachen für die Entwicklung eines Hodentumors sind jedoch auch bei diesen Risikogruppen bisher nicht ausreichend nachgewiesen. Welchen Einfluss hat die Krankheit auf das Befinden und Verhalten des Patienten? Durch die Krankheit nimmt der Patient seine Umwelt häufig anders wahr als ein Gesunder, d. h. seine Denkweise, Gefühle und Empfindungen können sich verändern. Der Kranke verliert vorübergehend einen Teil seiner Selbständigkeit. Er wird aus seinem Alltag herausgerissen, 16 kann gewohnte Tätigkeiten nicht mehr ausüben und muss weitgehend passiv die ärztlichen Maßnahmen über sich ergehen lassen. Er fühlt sich hilflos, abhängig und seiner Umwelt ausgeliefert. Viele Patienten erleben die Krankheit als eine Zeit der Schwäche und des Versagens. Dadurch kann das Selbstbewusstsein beeinträchtigt sein. Sie als Angehöriger sollten dies wissen, denn Sie können ihm in dieser Situation helfen. Geben Sie ihm weiterhin das Gefühl, für Sie und die Familie wichtig zu sein, und schließen Sie den Patienten nicht aus Ihrem Alltagsleben aus. Durch die nebenwirkungsreichen Therapien können sich häufig Probleme im Umgang miteinander ergeben. Sehr oft empfinden sich Patienten während der Chemotherapie als abstoßend auf Grund der körperlichen Beschwerden und des Haarverlustes. Aber gerade zu diesen Zeiten der körperlichen Schwäche ist das Bedürfnis nach körperlicher Nähe und Wärme durch die Partnerin oder die Familie besonders ausgeprägt. Die wenigsten Patienten wagen es jedoch, dies zu sagen. Aus vermeintlicher Rücksichtnahme auf die Partnerin oder die Angehörigen – so, wie sie im Moment aussehen, wollen sie sich ihnen nicht zumuten – kapseln sie sich ab, insbesondere, wenn im fortgeschrittenen Stadium oder durch chirurgische Eingriffe Narben am Körper auftreten. Daraufhin ziehen sich ihrerseits häufig die Angehörigen auch zurück, da sie diesen Rückzug u. U. als Wunsch nach Schonung verstehen, wodurch eine Distanz zwischen Patienten und Familie entstehen kann. Angehörige können sich die ungewohnten Verhaltensweisen und plötzlich auftretende Stimmungsschwankungen nicht erklären. Sie verstehen das meist fälschlicherweise als Ablehnung ihrer Person durch den Patienten. Diese Verhaltensweisen und Stimmungsschwankungen sind jedoch meist auf die Krankheit oder die Behandlung, auf Unsicherheiten und Hemmungen des Patienten zurückzuführen. Als Angehöriger sollten Sie dies berücksichtigen, um Missverständnissen vorbeugen zu können und sich nicht so schnell entmutigen zu lassen. Für den Patienten bedeutet der Krebs und der Kampf gegen den Krebs eine erhebliche körperliche und seelische Anstrengung. Was kann ich selbst als Patient tun? Möglichkeiten der Selbsthilfe bei Krebserkrankungen Selbsthilfemöglichkeiten zum Thema Krebs umfassen zwei Bereiche, die auf den ersten Blick nicht sehr viel miteinander zu tun zu haben scheinen. Auf der einen Seite stehen Angebote, 17 die Ihnen den Umgang und das Leben mit der Krankheit erleichtern sollen. Zum anderen gibt es Methoden, die das Ziel haben, den natürlichen Selbstheilungsprozess des Körpers zu unterstützen. Praktisch können diese beiden Bereiche jedoch nicht völlig voneinander getrennt gesehen werden, da es in beiden Fällen um Ihre Einstellung zur Krankheit und zum Heilungsprozess und die damit verbundenen Gedanken und Gefühle geht. Informieren Sie sich Unklarheiten im Zusammenhang mit der Erkrankung können Angst verursachen. Wenn Sie hinsichtlich Ihrer Diagnose oder der therapeutischen Möglichkeiten im Unklaren sind, kann Ihnen ein gutes Sachwissen dazu verhelfen, gegen die damit zusammenhängenden Ängste ein Gegengewicht zu setzen .Ängste in Verbindung mit Informationsmangel verleiten dazu, sich an selbstgestrickte Hypothesen über mögliche Krankheitsursachen zu klammern und über den weiteren Verlauf Vermutungen anzustellen, die möglicherweise völlig unbegründet sind. Scheuen Sie sich nicht, Ihrem Arzt die nötigen Fragen zu stellen. Jede Frage wird Ihnen beantwortet werden. Und denken Sie daran: Nur Fragen, die nicht gestellt werden, sind dumm! Patiententreffs und Gesprächsgruppen In diesen Treffen finden Sie die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen über die Krankheit und alles, was damit zusammenhängt, auszutauschen. Oft sind in diesen Gruppen auch ehemalige Patienten, deren Erkrankung jahrelang zurückliegt, die Ihnen von ihren Erfahrungen berichten und Ihnen dadurch Mut machen können. Sie haben hier die Chance, sich offen mit Anderen über das Thema „Krebs“ auszutauschen, ohne Rücksichten auf die Belastungsfähigkeit Ihres Gegenübers nehmen zu müssen, wie Sie das vielleicht im Umgang mit Ihren Angehörigen, Freunden oder Kollegen befürchten. Meist steht in diesen Gruppen auch ein Psychologe, Seelsorger oder Sozialarbeiter für besondere Fragen zur Verfügung. Tagebuch Vielleicht haben Sie den Wunsch, Ihre Erfahrungen mit der Krankheit oder der Therapie, Ihre Gefühle und Gedanken auch in schriftlicher Form auszudrücken. Das Schreiben eines Tagebuches ist für viele Patienten eine aktive Möglichkeit, ihre neue Lebenssituation innerlich zu bewältigen. Mit dem Aufschreiben wird manchmal die Belastung schon etwas geringer. So kann Schreiben zum Ventil werden für Dinge, die Sie nicht aussprechen wollen oder können. 18 Entspannung Wenn Sie während der Therapie oder in der Zeit danach das Bedürfnis nach Ruhe und Erholung verspüren, nehmen Sie sich die Zeit dafür und machen Sie auch Ihren Angehörigen klar, dass Sie diese Zeit brauchen. Ein regelmäßiges Entspannungstraining ist eine der Möglichkeiten, Ihrem Körper die Ruhe zu gönnen, die er im Moment braucht. Ein Mitarbeiter des psychosozialen Dienstes im Krankenhaus kann Ihnen eine Anleitung geben, in vielen Kurkliniken werden ebenfalls solche Angebote gemacht. Auch an Volkshochschulen können Sie Kurse in Autogenem Training, Yoga oder progressiver Muskelentspannung belegen. Selbstheilungs- und Visualisierungstechniken Verschiedene Forscher haben in den letzten Jahren einen Zusammenhang zwischen dem Immunsystem und psychischen Faktoren nachweisen können. Nach Auffassung dieser Wissenschaftler ist das Immunsystem die wichtigste Barriere, durch die sich der Körper vor Krebszellen schützt. Es wird angenommen, dass diese Abwehr Tumorzellen zerstören kann, bevor sie in der Lage sind, sich im Körper auszubreiten. Umfangreiche Untersuchungen haben ergeben, dass die natürliche Funktionsfähigkeit des Immunsystems deutlich von der jeweiligen inneren Gefühlslage beeinflusst wird, sowohl im negativen als auch im positiven Sinn. Lang andauernder psychischer Stress, das extreme Unterdrücken von Emotionen, wie Gefühle der Hilflosigkeit und Verzweiflung, schwächen die körpereigene Immunabwehr. Innere Gelassenheit und eine positive Einstellung zum eigenen Körper und zum Heilungsprozess hingegen haben einen kräftigenden und regenerierenden Einfluss auf das Immunsystem. An diesem Punkt setzen die sog. Visualisierungstechniken an. Grundlage hierfür ist zunächst auch das Erlernen körperlicher Entspannung, beispielsweise durch Elemente des Autogenen Trainings. In entspanntem Zustand werden Sie dann auf eine Art innere Bilderreise durch Ihren eigenen Körper geführt und stellen sich beispielsweise Ihre weißen Blutkörperchen vor, wie diese dabei sind, vorhandene Tumorreste restlos aufzufressen. Sollten Sie an dieser Methode Interesse haben, so finden Sie auch hierfür vielleicht ein Angebot von Mitarbeitern Ihres Krankenhauses oder Ihrer Kurklinik oder Sie lesen das Buch „Wieder gesund werden“ von Carl O. Simonton und Stephanie Matthews-Simonton, dem auch eine Cassette mit gesprochenen Anleitungen zu diesen Übungen beiliegt. Wir möchten jedoch betonen, dass die Visualisierungstechnik nicht als Ersatz für eine medizinische Therapie gedacht ist, sondern sie soll den Behandlungs- und Heilungsprozess auf der psychischen Ebene begleiten und unterstützen. 19 Was bedeutet die Krankheit für die Angehörigen? Auch für Sie als Angehörigen stellt der Krankenhausaufenthalt des Partners eine einschneidende Veränderung dar. Sie stehen vor der Aufgabe, Ihre eigene durch die neue Situation entstandene Verunsicherung überwinden zu wollen. Gleichzeitig möchten Sie dem Patienten bei der Bewältigung seiner Probleme helfen. Sie als gesunde Partnerin müssen sich über Ihre Gefühle, die die Krankheit bei Ihnen auslöst, klar werden. Durch die krankheitsbedingte Einschränkung in Ihrem Leben, z. B. durch häufige Krankenhausbesuche, durch Übernahme von Pflichten und Aufgaben, können möglicherweise Verzweiflung und auch zornige Gefühle gegenüber dem Kranken aufkommen, der diese Situation „verursacht“ hat. Aus solchen Gefühlen und Gedanken können wiederum Schuldgefühle entstehen, weil Sie sich gehen lassen und gegenüber dem Patienten ungerecht urteilen. Wenn Sie solche Verwirrungen bei sich bemerken, dann halten sie einen Moment inne und machen Sie sich klar, dass dies völlig normale Reaktionen in Ihrer Situation sind. Sie können besser damit umgehen, wenn sie sich zugestehen, auch ganz erheblich belastet zu sein und sich dementsprechend hin und wieder ein wenig Ruhe und Erholung gönnen. Hinzu kommen häufig Ängste vor dem Umgang mit dem Patienten. Was können Sie ihm zumuten, ohne ihn unnötig zusätzlich zu belasten? Fragen sie ihn danach und sprechen sie offen über Ihre Unsicherheiten! Eine weitere Angst, die besonders im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung auftritt, ist die Befürchtung, den Kranken zu verlieren. Für viele Menschen bedeutet Krebs etwas Unheimliches und wird mit dem Tod gleichgesetzt. Gerade bei Hodenkrebs sind solche Befürchtungen jedoch unbegründet, da selbst im fortgeschrittenen Stadium sehr gute Heilungschancen erreicht werden. Wenn sie von solchen Ängsten heimgesucht werden, dann versuchen sie, offen mit Ihrem Partner darüber zu sprechen. Eine Aussprache ist oft hilfreicher als eine Verheimlichung oder ein Herunterspielen der Befürchtungen, die ja möglicherweise auch den Patienten quälen. Warum ist gerade mein Angehöriger betroffen? Sicher haben auch Sie sich schon gefragt, warum gerade Ihr Angehöriger von dieser Krankheit betroffen ist. Je nachdem, wie sie diese Frage für sich beantworten, können sich bestimmte Folgen für Ihr Verhalten dem Patienten gegenüber ergeben. 20 Möglich wäre z. B., dass Sie glauben, selbst einen Teil zur Krankheitsentstehung beigetragen zu haben. Diese Annahmen können die Beziehung zu dem Patienten zusätzlich belasten, etwa durch Schuldgefühle oder auch Wiedergutmachungsversuche. Unter Umständen werden Sie sich eher kühl und abweisend verhalten, wenn sie dem Kranken selbst die Schuld zuschreiben, z. B. weil er Ihrer Meinung nach zu enge Hosen bevorzugte, mangelnde Körperhygiene betrieb, wechselnde Sexualpartner hatte usw.. Wenn Sie bis hierhin die Broschüre aufmerksam gelesen haben, dann wissen Sie inzwischen, dass solche Annahmen haltlos sind. Veränderungen oder Schädigungen, die die Entstehung eines Hodentumors begünstigen oder verursachen können, sind bisher nicht bekannt. Auch sogenanntes Fehlverhalten kommt als Auslöser für einen Hodentumor nicht in Frage. Sie sollten sich daher immer vor Augen halten, dass weder Sie noch der Patient die Erkrankung verschuldet haben! Daher sollten Sie bemüht sein, sich Ihre Erklärungsversuche und die damit verbundenen Gefühle bewusst zu machen und diese, z. B. durch Rücksprache mit dem behandelnden Arzt, zu überprüfen. Nur wenn sie ausreichend informiert sind, können Sie ohne Vorurteile auf den Patienten zugehen und ihm die erforderliche Hilfe geben. Für den Patienten ist gerade in der ersten Zeit seiner Erkrankung Zuwendung, Zuspruch und Offenheit Ihrerseits besonders wichtig und notwendig. Wenden sie sich nicht von ihm ab! Auch vor Körperkontakt brauchen Sie sich nicht zu fürchten – Krebs ist nicht ansteckend! Wie verhalte ich mich dem Patienten gegenüber? Da jede Krankheit zu einer Einschränkung oder zum Verlust der Handlungsmöglichkeiten des Patienten führt, sind auch Sie als Angehöriger davon betroffen. Befindet sich Ihr Partner oder Angehöriger im Krankenhaus, so muss er sich in dieser für ihn neuen Situation erst einmal zurechtfinden. Hinzu kommen die Belastungen durch die Diagnose und die therapeutischen Eingriffe, durch die sich das Verhalten des Partners verändern kann, so dass häufig auch Schwierigkeiten im Umgang miteinander auftreten können. Durch regelmäßige Besuche im Krankenhaus, aufmerksames Zuhören und Geduld dem Kranken gegenüber können Sie dazu beitragen, seine Spannungen zu lösen und das seelische Gleichgewicht wiederherzustellen, das durch die Krankheit oder eine ungünstige Diagnose verloren gegangen ist. 21 Die Krankenbesuche haben Einfluss auf das Befinden des Patienten. Je nachdem, wie gespannt oder entspannt die Atmosphäre des Besuches war, desto beunruhigter oder ruhiger wird der Patient sein, nachdem Sie ihn verlassen haben. Sie sollten daher aufmerksam auf seine Bedürfnisse oder Stimmungen achten und versuchen, durch Ihr Verhalten einfühlsam darauf einzugehen. Überfürsorge und übertriebenes Mitleid erleben die meisten Patienten als unangenehm und wenig hilfreich. Statt dessen sollte der Patient ermutigt werden, an seinen eigenen Fähigkeiten, die schwierige Situation zu bewältigen, zu arbeiten. Versuchen Sie, sein angegriffenes Selbstbewusstsein zu stärken, indem Sie ihm deutlich zeigen, dass Sie an eine Heilung glauben und ihm vertrauen, dass er die Situation meistern wird. Halten Sie Kontakt zu seinem Arzt, um den Patienten besser verstehen zu können. Was kann ich als Angehöriger für mich selbst tun? Die Krankheit bedeutet nicht nur einen Einschnitt in das Leben des Kranken, sondern kann auch im Leben der Angehörigen erhebliche Veränderungen bewirken. Der Umgang mit dem Kranken sowie die oft veränderten Lebensbedingungen erfordern von Ihnen als Angehörigem häufig große Anstrengungen. Vielleicht treten bei Ihnen manchmal Gefühle der Hilf- und Ratlosigkeit auf oder Sie glauben, dass die ganze Situation Ihnen über den Kopf wächst. Solche Gedanken und Gefühle sind ganz natürlich in dieser Situation, denn niemand ist in der Lage, für längere Zeit so viel Hilfe geben zu können. Auch Sie als Angehöriger haben ein Anrecht auf Unterstützung und Beistand. Suchen Sie sich Menschen, denen Sie vertrauen und mit denen Sie über Ihre Situation sprechen können. Es nützt dem Kranken wenig, wenn Sie sich selbst überfordern. Vergessen Sie daher nicht, dass auch Sie Entspannung benötigen, denn letztlich wird Ihr Wohlbefinden auch wieder dem Kranken zugute kommen. Welche Auswirkungen zeigen sich auf meine Partnerschaft und Sexualität? Mit Hilfe der heutigen schonenden Operationstechniken ist es immer möglich, die Potenz des Mannes zu erhalten, d. h. die Erektionsfähigkeit des Penis und die Orgasmusfähigkeit bleiben bestehen. Durch die Metastasenbehandlung kann jedoch das sexuelle Interesse vorübergehend 22 abnehmen. Viele Patienten brauchen erst einmal etwas Zeit und Unterstützung, um mit dem Gedanken an eine Krebserkrankung und die veränderten Lebensumstände zurechtzukommen. Obwohl die Potenz erhalten bleibt, kann durch die Operation die Zeugungsfähigkeit verloren gehen. Darauf wurde bereits in dem Absatz über die Behandlung der nichtstrahlenempfindlichen Tumoren eingegangen. Falls Unsicherheit darüber besteht, ob die Zeugungsfähigkeit vorhanden ist, dann ist es sinnvoll, sie ein Jahr nach Behandlungsende im Rahmen einer Nachsorgeuntersuchung zu überprüfen. Der Arzt kann Sie darüber informieren, ob und wie Sie im Fall einer späteren Zeugungsunfähigkeit mit Hilfe moderner medizinischer Maßnahmen (z. B. durch medikamentöse Behandlung oder künstliche Befruchtung), eventuell auch im Rahmen einer Adoption, Ihren Kinderwunsch erfüllen können. Sollte grundsätzlich Wert auf eigene Kinder gelegt werden, dann ist folgendes Verfahren ratsam: Wenn die Diagnose „Hodentumor“ feststeht (nach der ersten Operation), dann sollte die Samenqualität überprüft werden und gegebenenfalls vor weiteren Behandlungsmaßnahmen die Möglichkeit einer Speicherung des Samens in einer Samenbank genutzt werden. Welche psychischen Auswirkungen können sich zeigen? Gerade im Bereich der Sexualität spielen nicht nur organische Faktoren eine Rolle, sondern vor allem auch psychische Faktoren. Erziehung und Medien vermitteln in unserer heutigen Gesellschaft das Bild vom leistungsfähigen und aktiven Mann. Diese Forderungen schließen auch den sexuellen Bereich ein. Insbesondere junge Männer definieren ihr Selbstbild u. a. dadurch, wie aktiv und erfolgreich ihr Sexualleben ist. Sie werden durch die Diagnose „Hodenkrebs“ verunsichert und wissen nicht so recht, welche Folgen sich für ihr Sexualleben ergeben können. Durch Unsicherheit und Angst vor möglichem Versagen kann es zu einer seelisch bedingten Impotenz kommen. Der Mann sorgt sich darum, ob er für seine Partnerin noch attraktiv ist, möglicherweise fühlt er sich auch durch die Operation entstellt. Befürchtet der Patient Schwierigkeiten im Sexualleben, so kann es passieren, dass er sich verkrampft oder gehemmt verhält und die befürchteten Schwierigkeiten gerade dadurch auch tatsächlich auftreten, obwohl organisch eigentlich keine Störung vorliegt. Die Angst und das seelisch bedingte „Versagen“ führen dazu, dass das Selbstbewusstsein und die Selbstachtung des Patienten beeinträchtigt werden und der Patient sich zurückzieht. Auch wenn der kranke Partner sich 23 abweisend verhält, sollte die Partnerin versuchen, offen immer wieder auf ihn einzugehen und sich nicht entmutigen zu lassen, wenn Schwierigkeiten auftreten. In solchen Situationen ist es sinnvoll, sich darauf zu besinnen, dass Sexualität nicht nur eine Frage der Potenz ist, sondern auch Zärtlichkeit und körperlichen Kontakt beinhaltet. Schon kleinere Fortschritte bei Körperkontakt, Zärtlichkeit und sexuellem Erleben können als angenehm vom Patienten empfunden werden und seinen Selbstwert nach und nach wieder aufbauen, so dass sich Spannungen lösen und Befürchtungen reduziert werden. Ist es sinnvoll, Probleme bezüglich der Sexualität anzusprechen? Insbesondere bei einer Tumorerkrankung im Genitalbereich ist es ratsam, in der Partnerschaft offen über die Ängste und Probleme hinsichtlich der Sexualität zu sprechen. Dabei sollten die Sorgen des Partners nicht als Nebensächlichkeiten heruntergespielt werden, da er sich sonst unverstanden fühlt und sich zurückzieht. Ein offenes Gespräch wird erleichtert, wenn die Partnerin bereits von Anfang an in die Aufklärung über die Krankheit sowie die notwendigen Behandlungsschritte einbezogen wird. Gerade im Bereich der Sexualität bestehen oft Hemmungen, diesbezügliche Schwierigkeiten anzusprechen, die durch das Vorliegen einer Krebserkrankung noch verstärkt werden können. Sie sollten daher bedenken, dass ein offenes Gespräch mit der Partnerin oder ein Beratungsgespräch Erleichterung und Klarheit verschaffen kann und Lösungen gemeinsam gefunden werden können. Welche vor- und Nachteile hat eine Hodenprothese? Seit einigen Jahren besteht die Möglichkeit, eine Hodenprothese einzusetzen. Für den einen mag bei dieser Entscheidung die sexuelle Attraktivität, für den anderen die Furcht vor Entblößung in der Sauna oder beim Mannschaftssport eine Rolle spielen. Mit der Implantation einer Prothese können Probleme wie Entzündung oder Abstoßung vom eigenen Gewebe auftreten. Letzteres fällt aber zunehmend weniger ins Gewicht ,da verbesserte Materialien eingesetzt werden. Näheres kann Ihnen der Arzt mitteilen. Die Befragung der Patienten in einem Hodentumorzentrum hat ergeben, dass Patienten, die sich gegen die Prothese entschieden haben, mit ihrer Entscheidung ebenso zufrieden leben, wie solche, die sich für die Prothese entschieden haben. Was kommt nach dem Krankenhausaufenthalt? Schon während des Aufenthaltes im Krankenhaus bzw. nach Abschluss der Erstbehandlung (Operation, Strahlen-, Chemotherapie) stellen sich für den Patienten und die Angehörigen vielfältige Fragen: Wie wird es nach dem Krankenhaus weitergehen? Ist meine 24 Berufsfähigkeit eingeschränkt? Welche Hilfen kann ich in Anspruch nehmen und an wen kann ich mich wenden, um weitere kompetente Ratschläge zu bekommen? Der wichtigste Hinweis, den wir an dieser Stelle geben möchten, ist der: Versuchen Sie, alle Fragen mit Hilfe von anderen Personen zu klären. Die Anderen können zunächst Angehörige, Freunde und Bekannte sein, die Ihnen sicher in vielen Fällen mit Rat und Tat zur Seite stehen können. Auch der Sie behandelnde Arzt wird Ihnen viele Fragen beantworten können. Sie sollten aber auch daran denken, dass es für die unterschiedlichen Fragen Fachleute als Ansprechpartner gibt. In den meisten Krankenhäusern ist ein Sozialdienst eingerichtet. Die dort tätigen Sozialarbeiter können Ihnen bei versorgungstechnischen, versicherungsrechtlichen und sozialen Fragen Unterstützung bieten bzw. Sie an entsprechende Institutionen weitervermitteln. Beim Sozialdienst können Sie sich also beispielsweise hinsichtlich Schwerbehindertenausweis, Nachsorgekuren und anderen Rehabilitationsmaßnahmen beraten lassen. In einigen Krankenhäusern sind auch Diplompsychologen tätig, die als Ansprechpartner für die Patienten und Angehörigen zur Verfügung stehen. Eine Krebserkrankung und ihre Folgen bedeuten fast immer einen Einschnitt in das bisherige Leben, woraus sich Überlegungen bezüglich der weiteren Lebensplanung und -.führung ergeben. In vielen Fällen wird daher ein Gespräch mit einem geschulten Fachmann/Fachfrau weiterhelfen, um Unsicherheiten klären zu können und Alternativen aufzuzeigen. Er/Sie wird Ihnen auch Informationen über Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen geben können Welche Rehabilitationsmaßnahmen gibt es? Eine umfassende Betrachtung aller Möglichkeiten im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen würde den Umfang dieser Broschüre sprengen. Daher werden an dieser Stelle nur zwei wichtige Möglichkeiten erläutert: Die Nachsorgekur und der Schwerbehindertenausweis. Eine Nachsorgekur direkt im Anschluss an die Krankenhausbehandlung oder bis zu zwei Wochen nach Therapieende kann sehr hilfreich sein, um die Krankheit und ihre Folgen besser bewältigen zu können und um Ihnen das notwendige Vertrauen in die Leistungsfähigkeit Ihres Körpers zurückzugeben. Anschlussheilbehandlung) haben, Wenn sollten Sie Sie Interesse an Ihren Arzt einer darauf Nachgsorgekur (= ansprechen. Die Antragsformulare erhalten Sie bei Ihrer Krankenkasse oder Ihrem Rentenversicherungsträger. Dort werden die ausgefüllten Anträge mit beigefügtem ärztlichem Befundbericht wieder 25 eingereicht. Die Mitarbeiter der Krankenkasse sind Ihnen sicher gerne bei der Beantwortung noch offener Fragen behilflich, auch der Sozialdienst des Krankenhauses kann Unterstützung leisten. Beim Sozialdienst können Sie sich auch erkundigen, ob für Sie ein Schwerbehindertenausweis sinnvoll und nützlich ist. Der Schwerbehindertenausweis gilt als Nachweis bei Inanspruchnahme von Schutzmaßnahmen im Arbeitsleben; dazu gehören z. B. der erweiterte Kündigungsschutz und einige Tage Zusatzurlaub. Außerdem gilt die Bescheinigung als Nachweis für steuerliche Vergünstigungen; Auskunft erteilt das Finanzamt. Beim Arbeits- und Sozialamt können Sie erfahren, ob Sie aufgrund des Schwerbehindertenausweises Ansprüche auf rehabilitationsunterstützende Hilfen haben. Um den Schwerbehindertenausweis zu erhalten, müssen Sie bei Ihrem zuständigen Amt für soziale Angelegenheiten einen Antrag auf Feststellung einer Behinderung stellen. Dieses Amt stellt dann die Schwerbehindertengesetzes Bescheinigung über die Behinderung im Sinne des und über den Grad der Behinderung (GdB) aus. Der Schwerbehindertenausweis wird zunächst zeitlich begrenzt (meist für zwei Jahre) ausgestellt, danach muss ein Wiederholungsantrag erfolgen, falls dann noch eine messbare Behinderung vorliegt. .Häufig werden Sie bei der Beantragung von Rehabilitationsmaßnahmen mit einer Verwaltungsbürokratie konfrontiert, die Ihnen vielleicht unzumutbar erscheint. Gerade bei diesen Anträgen ist eine kompetente Beratung eine große Hilfe, damit Sie über Ihre Rechte und die Ihnen zustehenden Leistungen umfassend informiert sind. Lassen Sie sich daher nicht entmutigen, schließlich geht es um Ihr eigenes Wohlergehen. Zuletzt soll an dieser Stelle darauf verwiesen werden, dass Sie im Anhang eine Adressenliste verschiedener Institutionen finden, an die Sie sich wenden können, um weitere Informationen zu erhalten. An wen kann ich mich wenden, wenn ich Fragen habe? Deutsche Krebshilfe e. V. Thomas-Mann-Str. 40 53111 Bonn 0228/657081 26 Deutsche Krebsgesellschaft e. V. Hufelandstr. 55 45147 Essen 0201/770012001 Arbeitsgemeinschaft deutscher Tumorzentren e. V. Westdeutsches Tumorzentrum Uni Essen Hufelandstr. 55 45147 Essen 0201/7991 – 2637/3114 Geschäftsstelle der deutschen Krebsgesellschaft Tumorzentrum Rhein-Main Theodor-Stern.Kai 7 60596 Frankfurt/Main 069/63015744 Beratungsstelle der Arbeiterwohlfahrt für Krebskranke und Angehörige Bagelstr. 113 40479 Düsseldorf 0211/445396 Kontakt- und Beratungsstelle nach Krebs e. V. Camillo-Sitte-Platz 3 45136 Essen 0201/265656 Krebsinformationsdienst Heidelberg Deutsches Krebsforschungszentrum Im Neuenheimer Feld 280 69120 Heidelberg 06221/410121 27 Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Gesamtverband e. V. Heinrich- Hoffmann-Straße 3 60528 Frankfurt/Mai069/6706-223 Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V. Oppelner Straße 130 53119 Bonn 0228/6685-204 Deutscher Caritas-Verband Karlstraße 4 79104 Freiburg i. Br. 0761/ 200-351 Rat in beruflichen Fragen erhalten Sie beim Vertrauensmann/-frau der Schwerbehinderten, beim Betriebs- und Personalrat in Betrieben und Behörden. Wenn sich durch Ihre Krankheit Schwierigkeiten in Ihrer Partnerbeziehung oder in der Familie ergeben haben, können Sie sich auch an eine örtliche Ehe- und Familienberatungsstelle wenden. Die Anschriften finden Sie im Telefonbuch, und zwar unter dem Namen des Trägers, der Kirchen oder der Stadt- bzw. der Gemeindeverwaltung. In manchen Städten haben auch die Gesundheitsämter Beratungsstellen für Krebskranke eingerichtet. Für Soldaten und Patienten der Bundeswehrkrankenhäuser Hamburg, Ulm, Berlin, Leipzig und Koblenz sowie für ihre Angehörigen besteht die Möglichkeit, bei der Soldatentumorhilfe Koblenz e. V. der Soldatentumorhilfe Hamburg e. V., der Soldatentumor- und Unfallhilfe Berlin – Leipzig e. V. und der Soldatentumor- und Unfallhilfe Ulm e. V. Informationen und Beratung zu erhalten. Diese Vereine wurden gegründet, um Tumorpatienten und ihren Familien mit medizinischem und psychosozialem Rat sowie finanziellen Hilfen zur Seite zu stehen. 28 Wenn Sie nähere Informationen brauchen, wenden Sie sich an folgende Adressen: Soldatentumorhilfe Koblenz e. V. Rübenacher Str. 170 56972 Koblenz 0261/22778 Soldatentumorhilfe Hamburg e. V. Lesserstr. 180 22049 Hamburg 040/6957075 Soldatentumor- und Unfallhilfe Ulm e. V. Oberer Eselsberg 40 89081 Ulm 0731/1712104 Soldatentumor- und Unfallhilfe Berlin – Leipzig e. V. c/o Ev. Soldatenseelsorge Pfr. Michael Weeke Julius-Leber-Kaserne Kurt-Schumacher-Damm 41 13405 Berlin o3o/4981-0 Wir danken allen, die dabei geholfen haben, die Broschüre in der vorliegenden Fassung zu entwickeln und zu erarbeiten. Ganz besonders möchten wir den Patienten und Angehörigen danken, die uns den Bewertungsbogen, versehen mit Anregungen, Ergänzungswünschen und Kritiken, zurückgeschickt haben. Wir haben uns bemüht, diese Hinweise und Vorschläge in die vierte Auflage der Broschüre zu übernehmen. 29 Wir sind auch weiterhin daran interessiert, Rückmeldungen und Anregungen zu der vorliegenden Fassung zu erhalten. Daher würden wir uns freuen, wenn Sie uns eine Nachricht an folgende Adresse zukommen lassen: Dipl.-Psych. Elke Freudenberg St. Elisabeth-Krankenhaus Friedrich-Ebert-Straße 59 56564 Neuwied 30