Iran Info 33_2.PMD

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Nr. 33 September 2007
Das Mausoleum von Imam Reza
Information
IRAN
Nr. 33
Arisman
Die Naturgeographie
des Irans
Die kulturellen
Beziehungen zwischen
dem KHM und Persien
Jesus und Muhammad - Retter der
Menschheit
Gerechtigkeit aus der
Sicht des Korans
DIE SELDSCHUKENDYNASTIE
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Nr. 33
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inhalt
Inhalt
Dialog der Zivilisationen
4....... Editorial
5....... Nachrichten
23 .... Rückblick und Ausblick;über die
Iranistik
kulturellen Beziehungen zwischen dem
Kunsthistorischen Museum und Persien;
8 ........Arisman - das erste metallurgische
Zentrum der Welt
Prof. Dr. Wilfried Seipel
24..... Jesus und Muhammad - Retter der
Menschheit auch in der heutigen Zeit!
27.....Gerechtigkeit aus der Sicht des Korans
Tourismus
und des Propheten Muhammads (as)
11..... Die Naturgeographie des Irans
17..... Das Mausoleum von Imam Reza,
Geschichte
Maschhad, 3. Teil
31.......Die Seldschukendynastie
Hinweis: (s. a. s.) bedeutet „Friede sei mit ihm und seinen Nachkommen“ und (a. s.) bedeutet
„Friede sei mit ihm“.
Umschlag: Allahverdichan-Kuppelgewölbe beim Eingang des Haram in Maschhad
Umschlagsinnenseite: Innenansicht eines Eingangs zum Haram
Hintere Umschlagsinnenseite: Insel Kisch, Sabalanberge
Hintere Umschlagsseite: Sanddünen in der Nähe von Kaschan
Impressum
Zeitschrift für Kultur, Kunst und Geschichte
Heft 33, 16. Jahrgang, September 2007
Herausgeber:
Redaktion:
Kulturabteilung der Botschaft der Islamischen Republik Iran in Österreich
Mohammad Keiarishi, Hassan Djavaher, Ali Mohammadi und
Mitarbeiter
Redaktionsanschrift:
Schottenfeldgasse 8, 1070 Wien
Tel.:
523 12 44
Fax:
523 12 44/35
eMail:
[email protected]
Homepage:
http://vienna.icro.ir
Abonnement:
Die Zeitschrift wird Interessenten kostenlos zugeschickt.
Alle Rechte vorbehalten.
Namentlich gezeichnete Beiträge müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.
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Nr. 33
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editorial
Editorial
Im Namen Gottes, der bei der Schreibfeder und dem, was aus ihr fließt, schwört.
Wieder haben wir die Gelegenheit, verehrte Leserinnen und Leser, Sie zu begrüßen und Ihnen für
Ihre Aufmerksamkeit, Ihr Interesse und Ihre Zuneigung zur „Iran Information“ zu danken. Wie die
Freunde der iranischen Kunst und Kultur wissen, befinden wir uns im Jahr der 800. Wiederkehr der
Geburt von Dschalala-d-Din Muhammad Balchi, dem berühmten persischsprachigen Dichter und
Denker, auch Maulana oder Maulawi genannt, der im Westen als Rumi bekannt ist. Die UNICEF hat
2007 nach ihm benannt und festgestellt, dass er ein großer Philosoph und Autor von mystischen
islamischen Gedichten war. Er konnte Menschen verschiedener religiöser Überzeugungen mit seiner
Botschaft einer universellen Menschlichkeit erreichen. Dschalala-d-Din Maulawi muss man zu den
seltenen außergewöhnlichen Persönlichkeiten der Geschichte der Menschheit zählen.
Die Schriften von Maulawi gehören zu den Meisterwerken der persischen Literatur und ihre Wichtigkeit
liegt darin, dass sie für die orientierungslose Menschheit in der heutigen Zeit eine Botschaft der
Freiheit und Menschlichkeit enthalten. Eines seiner Werke, der Masnawi Ma‘nawi, kann als ein
mystisches Epos bezeichnet werden. Es ist ein Schatz voll von Liebe, spirituellen Gefühlen, poetischen
und literarischen Geheimnissen, Eloquenz und gleichzeitig doch ganz einfach. Der Masnawi ist wie
eine schwimmende und glänzende Perle. Er ist nicht nur ein Licht am Himmel der persischen Literatur,
sondern erhellt wie eine Sonne die ganze Welt. Das Buch Masnawi Ma’nawi wurde bis jetzt vom
Persischen in zig Sprachen übersetzt.
Nach der Aussage von Coleman Barks, einem bekannten amerikanischen Schriftsteller und Übersetzer,
der den Masnawi Ma’nawi von Persisch auf Englisch übersetzt hat, ist dieses Buch die Antwort auf
die geistigen und spirituellen Bedürfnisse der Amerikaner. Deshalb lieben und schätzen sie dieses
Werk. Wie die Statistiken zeigen, wurden in den letzten zehn Jahren die Gedichte von Maulana mehr
als alle anderen in den USA verkauft, allein in einem Jahr über 500 000 Exemplare. Barks sagte
weiter, dass die Gedichte eine Brücke zwischen den Muslimen und den Amerikanern seien: „Wir
Amerikaner haben nicht genug Kenntnisse über die islamische Welt. Deswegen können wir den
Schönheitssinn und die Tiefe der Gedichte von Maulawi nicht verstehen. Wenn Maulawi in seinem
Gedicht die Frage stellt, ‚woher komme ich und wozu lebe ich‘, dann stellt er damit mit den Leuten
eine Verbindung her, die starke spirituelle Gefühle haben.“ Maulawi schafft eine Brücke zwischen
den Menschen im Westen und den Muslimen. Viele stimmen mit der Aussage von Hanns Meinke,
einem deutschen Dichter, überein, der sagt, dass die Gedichte von Rumi das einzige Hoffnungsfenster
sind, das in der schwarzen und finsteren Welt für die Menschheit offen ist. Die Botschaft von Maulana
ebnet ohne Vorbedingungen den Weg zu Frieden, Freundschaft und Liebe.
In einer der letzten Nummern war ein Abonnementformular beigelegt, mit dem wir unsere Leser auch
nach ihrem Interesse für verschiedene Themenbereiche befragten. Das Ergebnis war folgendermaßen
(in Klammer steht die Anzahl der Nennungen): 1. Geschichte (77) 2. Orientalistik/Iranistik (69) 3.
Kunst (68) 4. Tourismus (68) 5. Nachrichten (65) 6. Natur (65) 7. Religionen im Iran (61) 8. Der
(schiitische) Islam (59) 9. Dialog der Zivilisationen (51) 10. Persönlichkeiten (48) 11. Sonstige (10)
Wir werden versuchen Ihre Wünsche in Zukunft noch besser zu berücksichtigen. Als eine Auswirkung
dieser Ergebnisse umfasst der Artikel über Geschichte diesmal eine Seite mehr. Wir danken allen
Lesern, die sich an der Befragung beteiligt haben, sehr herzlich!
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Wir möchten Sie auch wieder einladen an den Kursen für persische Sprache und Kunst teilzunehmen,
die ab Oktober in der Kulturabteilung stattfinden.
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nachrichten
Nachrichten
iraner im ausland
Minu Tizabi – eine Vierzehnjährige absolvierte das Abitur mit der Note 1
Wie zahlreiche deutsche Medien berichteten, absolvierte Minu Dietlinde Tizabi aus Birkenfeld bei Pforzheim
ihr Abitur heuer mit nur vierzehn Jahren. Ihr Vater Djamshid Tizabi stammt aus dem Iran und war für das
Studium nach Deutschland gekommen. Er förderte sie bereits als Kleinkind, nachdem die Mutter einen
Monat nach der Geburt verstorben war. Das Mädchen konnte bereits mit drei Jahren lesen und ihr Vater
schenkte ihr ein Kinderlexikon. Mit sechs Jahren kam sie nach einem Intelligenztest gleich in die dritte
Klasse. Obwohl sie um einige Jahre jünger war als ihre Klassenkollegen, hatte sie nie Probleme mit ihren
Mitschülern und Lehrern. Sie sieht sich selbst nicht als besonders schlau. In ihrer Freizeit spielt sie Tischtennis,
fotografiert und liest Bücher in Englisch und Deutsch. Sie verfasst selbst Abenteuergeschichten und arbeitet
an einem Buch über Hochbegabung. Da sie die Zusammenhänge des Lebens interessieren, möchte sie jetzt
Medizin studieren.
archäologie
Die älteste Animation der Welt
Sie wurde 1983 durch einen italienischen Archäologen in Schahre-Suchte in einem 5000 Jahre alten Grab
gefunden: Auf einer Schale wurden eine Ziege und ein Baum mehrmals dargestellt. Durch archäologische
Forschungen stellte man fest, dass die fünf Wiederholungen verschiedene Momente zeigen, bei denen sich
das Tier zum Baum bewegt und von seinen Blättern frisst. Daher wurde dieses Tongefäß von den Archäologen
die erste Animation der Welt genannt. Nach den Aussagen von Sarlak, dem Leiter der prähistorischen
Abteilung des Nationalmuseums in Teheran, zeigen die Bilder – wenn man genau beobachtet - wie die
Ziege ängstlich auf der Flucht ist.
Entdeckung eines 5000 Jahre alten künstlichen Auges
Ein italienisch-iranisches Archäologenteam, das seit einigen Jahren in Sistano-Belutschistan arbeitet,
entdeckte vor einiger Zeit in Schahre-Suchte (engl. Schreibweise shahr-e sukhte) die Überreste der Leiche
einer Frau, die vor 5000 Jahren lebte, die zu überraschenden Ergebnissen führte. Lorenzo Costantini, der
Leiter der Gruppe, der seit 30 Jahren in diesem Gebiet Ausgrabungen durchführt, sagte, dass diese Frau 2530 Jahre alt und 1,80 m groß war. Sie hatte auf der linken Seite ein vergoldetes, künstliches Auge. Sonst ist
der Körper unversehrt. Es wurde festgestellt, dass das künstliche Auge nicht erst nach dem Tod der Frau
eingesetzt wurde, da an der Hinterseite der Augenmuschel helle Spuren festgestellt werden konnten, die
vom langen Kontakt mit dem vergoldetenAuge stammen. Diese Entdeckung ist ein weiterer Beweis für das
handwerkliche Können in Schahre-Suchte in der damaligen Zeit. Die Ruinen dieser Stadt liegen in der
Nähe der Stadt Zabol. Dort wurden in den letzten Jahrzehnten reichhaltige archäologische Funde gemacht,
die aus vier verschiedenen Schichten stammen, deren unterste bis zu 5000 Jahre alt ist.
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Wiedergeburt von Rostam
Im iranischen Nationalheldenepos Schahname von Ferdousi spielen die Helden Rostam und sein Sohn
Sohrab eine bedeutende Rolle. Ein iranischer Regisseur in England, Said Ghahhari, hat deren Geschichte in
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nachrichten
einem fünfzig Minuten langen Animationsfilm dargestellt. Die Musik dazu komponierte ein italienischer
Komponist. Der Film wurde aus Kostengründen in Bollywood produziert. Der Film kann im Internet bestellt
werden. (www.dreamor.com)
wissenschaft
Buchpräsentation der Faksimileausgabe von Chatm al-Ghara’ib
In der österreichischen Nationalbibliothek gibt es zahlreiche arabische, persische und türkische Handschriften.
Die früheren Erwerbungen wurden von Gustav Flügel von 1865-1867 katalogisiert. Erst 1970 wurden die
arabischen und später auch die türkischen Neuanschaffungen getrennt erfasst. Für die persischen Exemplare
wurde der iranische Altmeister der Handschriftenkunde Prof. Iraj Afshar auf Initiative der damaligen
Kommission für Iranistik nach Wien eingeladen. Im Jahre 2003 wurde sein Katalog der Erwerbungen ab
1867 der Öffentlichkeit vorgelegt.
Dabei wurde auch ein sensationeller Fund identifiziert: Eine Handschrift des Werkes „Chatm ul-ghara’ib“,
das als „Tuhfat al-´iraqain“ des klassischen persischen Dichters Khaqani-ye Shirvani (ca. 1126-1199) bekannt
ist. Die vorliegende Abschrift ist auf 1196 datiert und könnte noch vom Dichter selbst gesehen worden sein!
Ihr Wert ist unschätzbar, denn der älteste bisher bekannte Fund des Werkes ist um etwa zweihundert Jahre
jünger. Der Dichter Khaqani ist einer der frühen Klassiker der iranischen Dichtung und beschreibt in diesem
Werk seine Pilgerfahrt nach Mekka und die Rückkehr.
In Koproduktion der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und des Teheraner Verlages Miras-e
Maktoob“ wurde eine Faksimileausgabe der Handschrift veröffentlicht und im Jänner in Wien vom Institut
für Iranistik vorgestellt.Auch im Iran wurde das Werk in Anwesenheit von Prof. Bert Fragner der Öffentlichkeit
präsentiert.
Islam-Enzyklopädie auf Deutsch
Die erste Enzyklopädie des Islam auf Deutsch wurde von Yavus Özoguz im Internet eingerichtet. Dieses
Projekt dient dazu, um sachliche und wissenschaftlich abgesicherte Informationen über den Islam zur
Verfügung zu stellen und so Vorurteilen, Gerüchten und Missverständnissen vorzubeugen. Nach jahrelanger
Arbeit von Dr. Yavus Özoguz wurde diese Enzyklopädie erstellt. Der erste Teil ist unter der Adresse http://
eslam.de veröffentlicht worden. Das Vokabular ist aus tausenden religiösen Wörtern ausgewählt worden.
Islamische Architektur zeigt hohe Entwicklung der Geometrie
In der Zeitschrift Science wurden erstaunliche Ergebnisse von der
Anwendung der Mathematik in der islamischen Architektur
veröffentlicht. Die neuesten Untersuchungen in diesem Bereich
unter anderem über die Imam-Moschee in Isfahan und die Kuppel
von Maraghe in der Provinz Ostaserbaidschan im Iran zeigen, dass
die Mathematik in diesem Gebiet wesentlich fortgeschrittener war,
als man bisher annahm. Peter J. Lu von der Universität Harvard,
der diese Ergebnisse veröffentlichte, sagte. „Die erstaunlichen
geometrischen Figuren auf den Fliesen in den islamischen
Gebäuden zeigen, dass die Konstrukteure den Europäern
fünfhundert Jahre voraus waren. Die Muster sind so verwirrend,
dass man sie bis vor zwanzig oder dreißig Jahren nicht verstehen
konnte.“ Peter J. Lu und Paul J. Steinhardt sagten, dass besonders
die Entwürfe und vorhandenen Figuren am Eingang der ImamMoschee in Isfahan (1453) die besten Beispiele für die fortgeschrittene angewandte Mathematik in der
islamischen Kunst und Architektur seien, die man präsentieren kann. Im Jahre 1974 wurde von Penrose,
einem englischen Mathematiker, erstmals eine solche Methode zur Herstellung von aperiodischen KachelMustern (Penrose Parkettierung) vorgeschlagen.
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nachrichten
Iran in der Nano-Technologie an erster Stelle in der islamischen Welt, weltweit auf Platz 32
Der Direktor für das Humankapital im Komitee der Nano-Technologie sagte, dass der Iran in der NanoTechnologie unter den islamischen Ländern an erster Stelle stehe. Said Sarkar sagte bei der siebenten
Konferenz für Medizin-Physik in Ahwaz am 14. Februar: „Weltweit steht der Iran in der Nano-Technologie
auf dem 32. Platz. Die Zahl iranischer Artikel in angesehenen internationalen Zeitschriften betrug 2006
250 Titel. Wenn dieser Trend anhält, wird der Iran auf Platz 24 oder 25 aufsteigen, da der Fortschritt in
einigen Ländern ausgeblieben ist.“
Unterzeichnung eines iranisch-österreichischenAbkommens über eine Spezialsoftware für die Museen
im Iran
Die iranische Organisation für das Kulturerbe, die für alle historischen Denkmäler, archäologischen
Angelegenheiten und Museen im Iran verantwortlich ist, und das österreichische Forschungszentrum
Joanneum Research unterzeichneten einen Vertrag für eine Software für die iranischen Museen. Demnach
soll die Datenbanklösung IMDAS-Pro, die als ein Standard in vielen Museen in Europa verwendet wird,
für den Iran adaptiert werden. Der erste Abschnitt des gemeinsamen Projektes dauert 4 bis 6 Monate und
die eigentliche Herstellung der Software voraussichtlich 15 Monate. Diese soll überdies auch für den
Einsatz in arabischen Ländern geeignet sein.
dialog der zivilisationen
Maulana-Gedenkzeremonie bei der UNO und Druck einer Marke in den
USA
Zum 800. Geburtstag von Maulana Dschalalu-d-Din Muhammad Balchi fand
bei den Vereinten Nationen am 26. Juni 2007 eine Gedenkfeier statt und in den
USA wurde eine Briefmarke dazu gedruckt. Darauf befindet sich ein Bild des
Dichters von Meister Behzad, einem großen iranischen Maler. Daneben steht
auf Englisch und Persisch das Gedicht „Im Herzen einig zu sein ist besser
als mit der Zunge (allein)“.
Die Gedenkzeremonie bei den Vereinten Nationen wurde durch
Afghanistan, die Türkei und den Iran gemeinsam veranstaltet und bestand
aus einem wissenschaftlichen und einem kulturellen Teil. UNGeneralsekretär Ban Ki-moon sagte bei der Zeremonie, dass Rumi Prinzipien wie Toleranz, Verständnis
und Mitgefühl gelehrt hätte. Zur Überwindung der steigenden Intoleranz und interkulturellen Spannungen
müsste man, wie Maulana lehrte, die anderen als Menschen und Gottes Geschöpfe lieben. Bei einer
Podiumsdiskussion sprachen bekannte Wissenschaftler über die Persönlichkeit und die Mystik von Maulana.
Ein Gedicht wurde in Persisch und Englisch vorgetragen und ein Sema-Tanz durch Derwische vorgeführt.
ausstellung
In Japan wurde Tachte Dschamschid aus Eis nachgebildet
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Zum ersten Mal wurde ein Teil der Achaimenidenpaläste von Persepolis (Tachte Dschamschid) neben
anderen Sehenswürdigkeiten aus aller Welt mit Eis und Schnee beim Sapporo Schnee Festival nachgebildet.
Muhammad Reza Kargar, der Direktor des iranischen Nationalmuseums, der zur Eröffnung der dritten
Ausstellung über die altiranische Kultur nach Sapporo gereist war, stellte fest, dass der Zeitpunkt dafür
sehr gut sei, da zur gleichen Zeit das Sapporo Schnee Festival stattfände, bei dem Millionen Besucher
kämen.
Heuer fand die Veranstaltung zum 58. Mal Anfang Februar statt. Dabei werden hunderte Schneestatuen
und Eisskulpturen gezeigt.
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iranistik
ARISMAN – DAS ERSTE
METALLURGISCHE ZENTRUM DER WELT
„Welcome to Arisman, the first metallurgical
center of the world.“ So steht es auf dem
Heldenfriedhof des Dorfes Arisman, 35 km östlich
der Stadt Natanz. Im Jahr 1996 entdeckte der
Dorfschullehrer von Arisman und Hobbygeologe,
Davoud Hasanalian, als er wieder einmal die weite
Ebene am Fuße des Karkas-Gebirge) der Karkas
Gipfel mit 3956m liegt am westlichen Rand von
Natanz) durchstreifte, Scherben, die mit
schwarzen Linien kunstvoll verziert waren. Diese
Scherben waren es, die die Welt auf Arisman
aufmerksam werden ließen. Hunderttausende
bedecken eine Fläche von über 200 000
Quadratmetern.
Dieser Fund lockte die Archäologen in diese
Region, da es sich nicht nur um einfache Scherben
handelte: Aufgrund von ebenfals dort gefundener
Schlacke, die älter als 5000 Jahre sein dürfte,
vermutete man die Überreste eines
Verhüttungsvorgangs. Doch Arisman schien so
fernab der bekannten Metropolen seiner Zeit zu
liegen, in einer kahlen, unwirtlichen Landschaft.
Wasser fließt nur spärlich von den Bergen in die
im Sommer glühende Ebene.
Ein Jahr nach dem rätselhaften Fund von Arisman
fand in Teheran ein internationales Symposium
zur Archäometallurgie West- und Zentralasiens
statt. Das riesige weitgehend unerforschte Gebiet
zwischen den uralten Hochkulturen in
Mesopotamien und am Indus veranlasste trotzdem
Professor Hermann Parzinger, vom deutschen
Archäologischen Institut (DAI), einen der besten
Archäologen Deutschlands, daran teilzunehmen.
Trotz der bürokratischen Schwierigkeiten ein
internationales Projekt in Iran durchzuführen,
gelang es schließlich den Archäologen Parzinger,
Naser Chegini und Rasool Vatandoust die
Erlaubnis für ein Forschungsprojekt zu
bekommen.
Der Iran ist reich an Bodenschätzen und Kupfer
ist beinahe im Überfluss in den kargen
Gebirgszügen zu finden. Den Archäologen war
es bis jetzt noch nicht gelungen herauszufinden,
wo die Massenproduktion von Kupfer begann. Die
ersten Hochkulturen, nämlich die in Ägypten, in
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Metallurgischer Ofen,Sialk IV-Periode
Mesopotamien und am Indus, verwendeten Kupfer
und Kupferlegierungen bereits sehr früh für viele
Gebrauchsgegenstände. Doch in all diesen
Regionen birgt der Boden kein Kupfererz.
Deswegen musste für das Arisman-Projekt ein
hochkarätiges Team von Spezialisten her, deren
Fachwissen weit über die reine Archäologie
hinausreichte. Neben Hermann Parzinger und
Naser Chegini arbeiteten noch der Geologe und
Mineraloge Morteza Momenzadeh, der
Montanarchäologe Thomas Stöllner und Gerd
Weisgeber daran. Rasool Vatandoust ist leitender
Mitarbeiter der iranischen Kulturbehörde. Dem
Fingerabdruck des alten Kupfers hingegen war
Ernst Pernicka auf der Spur. Er ist der Vertreter
des Zweigs der Archäologie, der hauptsächlich
mit naturwissenschaftlichen Methoden arbeitet.
So begann die gemeinsame deutsch-iranische
Forschungsarbeit.
Die Erforschung eines prähistorischen
Fundplatzes von der Bedeutung Arismans wirft
sehr komplexe Fragen auf. Die Archäologen
mussten sich zuerst in so ein Gebiet einfühlen,
um den Lebenslauf des Kupfers kennenzulernen.
Erst wird das Kupfer – die Erzausgüsse sind im
Gebirge sichtbar – als bunter Stein, als Malachit
betrachtet. Man hämmert und bohrt ihn,
besonders oft werden Perlen daraus gemacht.
Dann beginnt man, den Stein zu erhitzen, damit
er besser formbar ist. Wieder wird gehämmert,
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Der Tepe Sialk bei Kashan ist ein künstlicher
Hügel, der sich 20 Meter hoch über eine
fruchtbare Ebene erhebt. In den Dreißigerjahren
grub dort der Franzose Roman Girshman und
stieß auf vier verschiedene Siedlungsschichten,
die er von unten nach oben, von alt nach jung
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Töpferofen, Sialk III-Periode
iranistik
doch von Metallurgie kann man hier noch nicht
sprechen. Der Entwicklungssprung vollzieht sich,
als der Mensch schließlich erkennt, dass er das
Erz wirklich schmelzen und das so entstandene
Kupfer bei entsprechend hohen Temperaturen
über 1000 °C in Formen gießen kann, die dann
im erkalteten Zustand eine relativ große Härte
aufweisen. Und irgendwann führt dann der
experimentelle Weg zur Massenproduktion des
begehrten Metalls.
Neben den Ausgrabungsarbeiten lernten die
deutschen Archäologen viel über die Kultur des
unbekannten Irans. Nach mehreren Wochen
Arbeit können die Arisman-Ausgräber im Großen
und Ganzen zwei Keramikarten unterscheiden.
Da sind die älteren, gelbbraunen Sialk IIIKeramiken aus dem späten fünften und frühen
vierten vorchristlichen Jahrtausend, kunstvoll
geformte Gefäße mit wunderschönen Ornamenten
und kunstvollen Tierdarstellungen.
Die Scherben der zweiten Gruppe, Sialk IV,
stammen vom Ende des vierten Jahrtausends, sind
rötlich und weitaus weniger kunstfertig gearbeitet.
Hier steht die Funktionalität der Gefäße im
Vordergrund und ist ein Beweis, dass das
Töpferhandwerk zur Industrie wird. So markiert
der Übergang von Sialk III nach Sialk IV in
Arisman den Wandel von einer Ackerbau- zu einer
Industriegesellschaft.
Keramik der Sialk IV-Periode
Sialk I - IV nannte. Die von ihm bestimmte
Keramik ist heute noch das wichtigste Hilfsmittel
zur Datierung von Funden im Kulturkreis des
Tepe Sialk.
Man fand 34 Hochofen aus der Bronzezeit und
stellte fest, dass damals durch natürliche und
technische Hilfe Kupfer, als wertvolles
Handelsgut, bei einer Temperatur von 1083°
geschmolzen wurde. Daneben wurden auch
Gussformen für Barren gefunden. Ein eindeutiger
Beleg für industrielle Fertigung und
Kupferverarbeitung in sehr früher Zeit sind auch
die Tiegel, in denen das geschmolzene Kupfer
aus den Öfen aufgefangen wurde.
Die Geophysiker Jörg Fassbinder und Helmut
Becker untersuchten mit ihren CäsiumMagnetometern die gesamte Siedlungsfläche von
Arisman. Mit ihrem selbstgebauten Gerät
konnten sie einen unterirdischen „Stadtplan“ von
diesem Hochland erstellen. Die Grundrisse
deuten auf äußerst flüchtig erstellte Nutzbauten,
wie Werkstätten und Hütten, hin.
Die Männer des deutsch-iranischen
Archäologieprojekts sind auch den alten
Bergwerken in der Gegend Veshnoveh auf der
Spur, welches nur 100 Kilometer Luftlinie von
Arisman entfernt liegt. Dort in den Gruben und
Stollen, die anscheinend seit der Zeit der
Ausbeutung vor ein paar tausend Jahren nicht
mehr betreten worden waren, lagen die durch den
Abbau gewonnenen Platten mit Vererzung noch
an Ort und Stelle, ebenso schimmerten die grünen
Kupferadern. Die Archäologen bargen auch
Gefäße in großer Anzahl, viele waren sehr viel
jünger als die für den Bergbau wahrscheinliche
Zeit. Der Bergbau musste für die Menschen
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iranistik
damals sehr bedeutend gewesen sein, sonst hätten
sie sich nicht den Strapazen unterzogen, in dieser
öden und abgeschiedenen Gegend in den Berg
einzufahren. Außerdem konnte man sehen, dass
die wichtigsten Lagerstätten mit dem reinsten Erz
ausgebeutet worden waren. Der Kupferabbau in
der Gegend von Veshnoveh wurde mit großer
Sicherheit über mehrere Jahrhunderte betrieben
und möglicherweise lieferte er das Kupfererz für
Arisman.
Auch eine andere Region könnte ein Lieferant des
Kupfererzes für Arisman sein und zwar Nakhlak.
Hier untersuchte der gebürtige Österreicher Ernst
Pernicke, Professor für Archäometrie, die Gebirge
mit einem hochmodernen Massenspektrometer. Er
verglich den chemischen Fingerabdruck des Erzes,
der Schlacke und des Kupfergegenstandes und
konnte wesentliche Hinweise über ihre Herkunft
erhalten.
Bemalte Keramik der Sialk III-Periode
Nachdem die Archäologen bei den Ausgrabungen
ein Tongefäß aus der Spät-Uruk-Zeit fanden, war
das ein eindeutiger Beweis für kulturelle
Beziehungen zum Zweistromland. Es gab also
Handelswege zwischen dem Iranischen Hochland
und den anderen Hochkulturen.
Um diese Handelswege des Kupfers festzustellen,
erkunden die Archäologen auch den NamakSalzsee und die umliegenden Karawansereien.
Dort finden sie jede Menge Keramik aus
verschiedenen Epochen. Der wichtigste Fund ist
ein 6000 Jahre altes Werkzeug, welches ein Indiz
dafür ist, dass der Karawanenweg schon in der
Zeit des Tepe Sialk bekannt war, und ebenso von
den Kupferleuten von Arisman.
Ein neben der Siedlung verlaufender
ausgetrockneter Bach, ist ein Beleg dafür, dass es
damals sicher nicht so aussah wie heute. Wasser
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war für die Werkstätten, den Menschen und die
Tiere unerlässlich. AuchWälder wird es gegeben
haben, denn die Energiequelle für die Gewinnung
des Kupfererzes war Holz.
Arisman war der Kupferlieferant für die
Hochkulturen in Mesopotamien und sogar bis hin
zum weiten Indus. Sicher ist, dass Arisman, das
„Ruhrgebiet der Bronzezeit“, Kupfererz zu
Kupfer verhüttete und dass es Werkstätten zur
Weiterverarbeitung des Rohmaterials zu
Schmuck, Waffen und Geräten gab. Sicher ist,
dass damals eine staatliche Organisation dahinter
steckte, ein mächtiges Reich, von dem die
Archäologen bis heute nichts wissen, nicht einmal
seinen Namen kennen. Eine wichtige
Voraussetzung für eine Hochkultur ist
archäologisch bereits nachgewiesen: die Schrift.
Das Hochland von Iran musste eine wichtige
Rohstoffquelle für die Mesopotamische
Hochkultur gewesen sein. Möglicherweise
entstanden die babylonischen Statuen und viele
andere Schätze aus den Museen der Welt aus dem
Kupfer des iranischen Hochlandes.
Die Forschung, ob im iranischen Hochland mit
seiner alten Industriesiedlung Arisman wirklich
der erste Schmelztiegel der Menschheit glühte,
steht aber erst am Anfang. Den Archäologen
stehen noch mindestens 10 bis 20 Jahre intensive
Arbeit bevor. Doch die vorläufigen Ergebnisse
waren so spektakulär und vielversprechend, dass
es die Mühe wert war. Am Ende könnte die
Entdeckung einer bisher gänzlich unbekannten
Hochkultur stehen, die der Menschheit Kupfer
und Bronze schenkte und die einen bedeutenden
Wendepunkt der Geschichte der Menschheit
markierte.
Aufstieg und Untergang der namenlosen
Kupferleute sind zurzeit die wohl spannendsten
Kapitel der Weltarchäologie. Vor diesem
Hintergrund ist es Aufbruch und Chance zugleich,
dass deutsche und iranische Wissenschaftler
partnerschaftlich an der Entschlüsselung dieses
großen Rätsels der Menschheit zusammenarbeiten. Bis dahin jedoch wirdArisman von
vielen Professoren aus Teheran und sogar aus
Deutschland bereist, um diese Region zu
bewundern.
Die Bilder in diesem Artikel sind von der
Internetseite des Deutschen Archäologischen Instituts:
http://www.dainst.org/index_558_de.html
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tourismus
Die Naturgeographie des
Irans
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tourismus
Mit einer Fläche von 1.623.780 km² ist der Iran
das siebzehngrößte Land der Welt. Er liegt
zwischen dem Kaspischen Meer mit einer
gemäßigten Temperatur und den warmen
Gewässern des Persischen Golfs und des Golfs
von Oman. Der Großteil des Landes wird durch
das Hochland von Iran gebildet. Es gibt
ausgedehnte Wälder, Berge, Seen, Wüsten und
Steppen. Das Klima in den verschiedenen
Landesteilen ist sehr differenziert: In den
Gebieten am Persischen Golf erreicht die Luft
eine Temperatur von 52°C und im Nordwesten
sinkt sie bis auf Minus 40°C. Die Meereshöhe
am Rand des Kaspischen Meers beträgt -25 m
und die höchste Erhebung ist der Damavand mit
5671 m.
erstreckt sich vom Nordwesten des Landes und
reicht über die nördlichen Landesteile bis zu den
Gebirgen in Afghanistan und Zentralasien. Diese
zwei Gebirgsketten teilen den Iran topographisch
in vier Teile: 1. Die Küstengebiete am Kaspischen
Meer, die durch den Elburs vom Zentraliran
getrennt werden. 2. Chusestan und die
Wüstengebiete an der Küste vom Persischen Golf
und Meer von Oman. 3. Die Gebirgsregionen,
die zu den beiden Ketten gehören. 4. Die zentrale
Hochebene mit den beiden großen Wüsten
Daschte-Kavir und Kavire-Lut mit ihren
Salzseen.
Allgemeine Morphologie
Das iranische Hochland reicht vom Osten der
Türkei und Aserbaidschans über Teile des Iraks,
den Iran bis nach Zentralasien, Afghanistan und
Pakistan. Man nimmt heute an, dass es ein Teil
des südlichen Großkontinents Gondwana war,
sich dann davon vor ungefähr 150 Millionen
Jahren trennte und nach zig Millionen Jahren im
Tethysmeer an die südliche Seite des
eurasiatischen Kontinents stieß. Durch die
Das iranische Hochplateu ist ein Teil des
alpidischen Gürtels der sich von den Alpen bis
zum Himalaja erstreckt. Im Iran verzweigt er sich
in die Elburs- und Zagrosgebirgskette. Der
Zagros, das südliche Randgebirge reicht an die
Küste des Persischen Golfes, und erreicht im
Südosten den Makran in Pakistan. Der Elburs
Die geologische Geschichte des iranischen
Hochlands
Vorige Seite: Evansee, Alamut, Qaswin
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Firuskuh, Masanderan
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tourismus
Dena-Gipfel, Semiron
Annäherung Afrikas sowie Indiens und den
gegenseitigen Druck der Platten kam es zur
Auffaltung der Kettengebirge Alpen, Elburs,
Himalaja und Hindukusch. Die jüngsten
Bewegungen führten dazu, dass sich die arabische
Halbinsel von Afrika trennte, wodurch das Rote
Meer entstand, und sich Richtung Norden an das
iranische Hochland annäherte. Der dadurch
entstandene Druck führte zur Entstehung des
jüngsten Kettengebirges, des Zagros.
Berge
Im Gegensatz zur weit verbreiteten Vorstellung,
dass der Iran ein wüstenhaftes Land ist, gehören
55% des Landes zu Gebirgen. Die restlichen 45%
sind Täler, (Salz-)Wüsten, Seen und
Steppengebiete. Die Gebirge umfassen vier Teile:
Die nördliche Kette, der Elburs, mit einer Länge
von 950km, hat eine Fläche von 51 500 km², das
sind 3% des Landes. Sie beginnt im Westen in
der Provinz Ardebil, geht südlich am Kaspischen
Meer vorbei und schließt im Osten an die Berge
in Nordchorasan an. Die wichtigsten Gipfel sind
der Damavand (5671 m), Alamkuh (4850 m) und
Sabalan (4811 m).
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Die westliche und südwestliche Bergkette, das
Zagrosgebirge, reicht von Westaserbaidschan über
Kurdestan, Hamedan, Kermanschah, Ilam, und
Lorestan bis zur nördlichen Seite der Straße von
Hormos. Dort schließt sie an die östlichen Gebirge
an. Diese Bergkette ist 1400 km lang und 100 bis
300 km breit. Sie bedeckt eine Fläche von 323
000 km², das sind 20% der Landesfläche. Der
höchste Gipfel ist der Dena (4 409 m).
Als Zentralgebirge wird jene Gebirgskette
bezeichnet, die von Ostaserbaidschan bis zu den
Bergen in Sistano-Belutschistan parallel zum
Zagros weiter östlich verläuft. Ihre Länge ist 1460
km und die Breite durchschnittlich 80 km. Sie
bedeckt eine Fläche von 143 000 km², 9% des
Irans. Die höchste Erhebung ist Kuhe-Hesar (4
465 m). Der Teil davon, der sich von Qum in
südöstlicher Richtung bis zur Grenze der Provinz
Lorestan erstreckt, wird auch als Kuhrud-Gebirge
bezeichnet. Bei der Stadt Kerman teilt es sich in
zwei Gebirgszüge.
Die östlichen Berge erstrecken sich von
Nordchorasan bis Sistano-Belutschistan, sind aber
nicht durchgehend. Darüber hinaus gibt es im
ganzen Land noch andere Berge, z. B. jene, die
die Wüste Lut von Daschte-Kavir trennen. Deren
höchste Erhebung ist der Nayband (3009 m).
Nr. 33
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tourismus
Eine der Öffnungen des Taftan-Vulkans im Frühjahr, Chasch
Vulkane
Der Damavand, 80 km nördlich von Teheran, ist
der bekannteste Vulkan des Irans, der aber
inzwischen - mit Ausnahme von kleinen
Ausbrüchen - erloschen ist und der vor etwa 10
000 Jahren im Holozän entstand. In seinem Krater
befindet sich ein See mit einem Durchmesser von
300 m. An seiner südöstlichen Seite sind
Kalkschichten aus der Jurazeit bis zu einer Höhe
von 3 500 m sichtbar.
Der Taftan (4110 m) liegt südöstlich von Sahedan
im Südosten des Landes. Noch immer steigt aus
seinem Inneren weißer Rauch auf, der noch aus
einer Entfernung von 100 km gesehen werden
kann. Der Basman (3 503 m) befindet sich
ebenfalls im Südosten des Landes. Er besteht vor
allem aus Basalten. Der Krater hat einen
Durchmesser von 500 m. In seiner Nähe befinden
sich Thermalquellen mit einer Wassertemperatur
von 36°C, die zeigen, dass der Vulkan noch
teilweise tätig ist.
Der Sahand liegt 40 km südlich von Tabris und
ist mit den kleinen Vulkanen nordöstlich des
Urumijesees, denen in Armenien und dem Gebirge
des Ararat in Verbindung. Aus den Gesteinen am
14
Krater kann man schließen, dass der Vulkan 12
bis 14 Millionen Jahre alt ist. Der Sabalan liegt
östlich von Tabris. An seiner Südseite befinden
sich
mehrere
Thermalquellen
mit
schwefelhaltigem, 40°C warmem Wasser.
Gletscher
Im Iran gibt es keine alten Gletscher. Nur beim
Alamkuh auf einer Höhe von 3400m und im
Krater des Sabalan, sowie beim Sahand auf einer
Höhe von 3300 m bis 3400 m gibt es dauerhaft
Eis.
Höhlen
Es wird geschätzt, dass es im Iran ungefähr 1200
kleine und große Höhlen gibt. Die längste ist
Ghouri-Ghal’e mit 3140m. Sie liegt 88 km von
Kermanschah entfernt und ist auch die längste
Höhle mit Wasser in Asien. Danach kommen
Katle-Chur in Sandschan (2200 m) und Peru
(1300 m) bei Kermanschah. Die geräumigste
Höhle liegt in Firuskuh östlich von Teheran und
heißt Rudafschan. Die Länge der Eingangshalle
beträgt 168 m, die Breite 94 m und die Höhe bis
zu 40 m. Sie wurde unter Beteiligung des Vereins
für Höhlenkunde von Obersteier von 2003-2005
vermessen.
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Information N
Die Wüsten
Ein großer Teil des Landes umfasst Wüstengebiete,
in denen es auch Pflanzen und Tieren gibt, und
auch Menschen leben dort. Die Hauptregionen
werden in Daschte-Kavir und Kavire-Lut
unterteilt. Die Wüste Lut liegt im südöstlichen Teil
des Landes mit 80 000 km² (nach anderen Angaben
166 000 km²) In diesem Gebiet gibt es nur einen
Fluss, der das ganze Jahr Wasser führt: Rude-Schur
(der „salzige Fluss“) in Birdschand. Manche
Forscher sagen, dass Kavire-Schahdad in dieser
Wüste die heißeste Region der Erde ist, obwohl
die Temperatur in den
Nächten bis auf -15°C fallen
kann!
Daschte-Kavir, die auch
Kavire-Namak (d. h.
Salzwüste) genannt wird,
liegt an der südlichen Seite
des Elbursgebirges und
erstreckt sich von Chorasan
im Osten bis nach Sistan im
Süden und Qum, Kaschan
und Jazd im Westen. Die
Länge von Osten nach
Westen beträgt 600 km und
die Breite von Norden nach
Süden 100-300 km.
Das Küstengebiet
Die Region am Kaspischen
Meer umfasst einen schmalen
Streifen von etwa 20 km
Breite mit einer Länge von
ungefähr 600 km, der von
Astara im Nordwesten
anfängt
und
beim
Gorganfluss im Osten endet.
Dieses Gebiet hat die
niedrigste Seehöhe des Irans
und
ist
in
landwirtschaftlicher Hinsicht
sehr bedeutend.
Die Küstengebiete am
Persischen Golf und Meer
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von Oman haben eine Länge von 2530 km und
reichen von der Mündung des Arwandflusses bis
zum Minabfluss und von dort bis zur
pakistanischen Grenze. Die Luftfeuchtigkeit ist
dort sehr hoch und die Temperatur erreicht im
Sommer in Chusestan bis zu 50°C!
Unterirdische und oberirdische Gewässer
Schon seit dem Altertum vor 5000 Jahren wurden
wegen der geringen oberirdischen Vorkommen
die unterirdischen Wasservorräte im Iran mit der
Hilfe von Brunnen und Qanaten (siehe Iran Info
27, September 2003) nutzbar gemacht. Wie
bereits bei den Vulkanen erwähnt, gibt es
zahlreiche Thermalquellen, deren bekannteste,
außer den oben genannten, die von Mahallat, die
Ali Sadr-Grotte, Hamedan
Nr. 33
15
tourismus
Die Ali Sadr-Grotte in Hamedan, die mit Booten
befahren werden kann, ist sehr bekannt und viele
Touristen besuchen sie jedes Jahr.
tourismus
von Ganu, 30km nördlich von Bandar Abbas, und
die Schwefelquellen von Ramsar im Nordiran sind.
Die Flüsse im Iran werden in fünf Gruppen
eingeteilt: Die Flüsse, die in das Kaspische Meer
münden, wie der Aras, der Sefidrud, Heras und
der Atrak. In den Persischen Golf und das Meer
von Oman münden Karun, Karche, Sarbas und
andere. Die dritte Gruppe fließt in den Urumijesee:
Zarinehrud, Siminehrud und Talchehrud. Im
Zentrum des Irans gibt es weitere Flüsse, die
teilweise nur zu bestimmten Jahreszeiten Wasser
führen: Sajanderud, Qumrud, Kor und Halilrud.
Die letzte Gruppe ist im Osten des Irans: Hirmand,
Kaschfrud und Harirrud.
Die Seen im Iran: Das Kaspische Meer liegt
nördlich des Irans. Der Urumijesee (6 000 km²,
durchschnittlicheTiefe 6m, Salzgehalt 220-280g/
l) befindet sich in Westaserbaidschan. Darjatsche
Namak(2 400 km²) in Daschte-Kavir wird im
Sommer wegen der Verdunstung von einer dicken
Salzschicht bedeckt. House-Soltan (330 km²) liegt
ebenfalls in der Nähe von Qum. Der Hamounsee
(1 800 km², mittlere Tiefe 5m) befindet sich im
Osten in Sistan. Der Dschasmuriansee (3 300
km²) liegt im Süden der Provinz Kerman. Kleiner,
aber ebenso bekannt, sind der Parischan-, der
Moharlou-, der Sariwar- und der Bachtegansee.
Iran grenzt im Süden an den Persischen Golf und
den Golf von Oman. Die wichtigsten Inseln dort
sind Chark, Kisch, Qeschm, Siri und Lawan.
(Siehe Iran Info 29, März 2005)
Das Klima im Iran
Der Iran liegt im Bereich des trockenen und des
gemäßigten Klimas. Im trockenen (ariden)
Klima, das in zwei Drittel, v. a. im zentralen und
östlichen Teil, des Landes herrscht, ist die
Verdunstung höher als der Niederschlag. Die
Fläche mit gemäßigtem Klima beträgt ungefähr
400 000 km² und umfasst Aserbaidschan,
Kurdestan, Kermanschah, die Südküste des
Kaspischen Meers und Teile des Zagrosgebirges.
Sajanderud
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Das Mausoleum von
Imam Reza (a. s.)
Maschhad, 3. Teil
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In der vorletzten Nummer (Iran Information Nr.
31) beschrieben wir die Provinz Chorasan, die
Stadt Maschhad und ihre Geschichte, die Museen
der Stadt und einige Sehenswürdigkeiten. In der
letzten Nummer (Iran Information Nr. 32) gingen
wir genauer auf den heiligen Bezirk von Imam
Reza, den Gebäudekomplex um das Grab des
Imams, ein. Im folgenden Artikel sollen nun die
Person des Imams, das eigentliche Grabmal, die
Astane Quds-Stiftung und einige andere
Persönlichkeiten beschrieben werden, die dort
begraben wurden.
Der achte Imam
Imam Reza war der achte schiitische Imam aus
der Familie des Propheten Muhammad. Er wurde
am 29. Dezember des Jahres 765 in Medina im
heutigen Saudi Arabien geboren. Es war die
Regierungszeit von Harun ar-Raschid, der in
Bagdad residierte, der ein Unterdrücker der
Schiiten war und viele von ihnen umbringen lies.
Am Ende seines Lebens gab es viele Unruhen
besonders in Chorasan, für deren
Niederschlagung der Kalif dorthin reiste und
schließlich starb er auch dort. Sein Sohn Ma’mun
bestieg den Thron nachdem er seinen Bruder
umgebracht hatte. Da der Imam beim Volk sehr
beliebt war, lud er ihn ein, um ihn als seinen
Nachfolger zu präsentieren und damit einem
Volksaufstand vorzubeugen.
Das Volk von Chorasan begrüßte den Imam mit
großer Begeisterung. Als der Kalif bemerkte, dass
dessen Anhängerschaft sich von Tag zu Tag
vergrößerte, bekam er Angst. Er lud den beliebten
Führer schließlich zu einem Festmahl und tötete
ihn mit vergiftetenTrauben. Imam Reza starb am
letzten Tag des arabischen Monats Safar, dem 9.
September des Jahres 818 und wurde an einem
Ort begraben, den man später Maschhad ur-Ridha,
Ort des Martyriums von Reza, nannte. An dieser
Stelle entwickelte sich im Lauf der Zeit eine
Großstadt, die heute mehr als 1 Million
Einwohner hat.
Da der Imam bei den Schiiten als Nachfolger des
Propheten besonders große Verehrung genießt,
besuchen sie sein Grabmal, wenn es ihnen
möglich ist. Auch viele Schwerkranke pilgern
dorthin, in der Hoffnung Heilung zu finden. Es
gibt zahlreiche Berichte von Genesungen bei
Vorige Seite: Der Eingang zum Grabmal
18
Fällen, in denen die Ärzte bereits die Hoffnung
aufgegeben hatten. Durch die Spenden der Pilger
konnte das Grab bis heute zu einem großen
Komplex erweitert werden. Die Organisation
Astane Quds Razawi, die den Komplex verwaltet,
führt vielfältige soziale Aktivitäten und
Bildungstätigkeiten durch.
Ein kurzer Überblick über die Geschichte des
Mausoleums (Haram)
Der Imam wurde von Ma’mun, der ihn umbringen
lies, beim Grabmal seines Vaters Harun arRaschid begraben. Im Jahre 997 lies Sabuktakin,
ein Herrscher der Qaznawidendynastie, das
Grabmal zerstören und verbot die Pilgerfahrten.
Später lies Beihaqi, ein bekannter
Geschichtsschreiber, das Grabmal renovieren. Im
Jahre 1010 lies Sultan Mahmud Qasnawi Mauern
errichten und schuf somit die Grundlage für den
weiteren Ausbau des Haram. 1153 wurde das
Grab nochmals beim Angriff der kriegerischen
Qazhaq aus Zentralasien zerstört.
Im Jahre 1117 wurde von Sultan Sandschar
Saldschuqi zum ersten Mal eine Kuppel über dem
Grab erbaut. 1162 lies Prinzessin Tschatrkan das
Innere des Gebäudes mit sechs- und achteckigen
Fliesen verzieren, was aus einer Inschrift
hervorgeht.
1221 griff der Sohn von Dschingis Chan an und
zerstörte das Grabmal, das erst im Jahre 1334 von
Sultan Muhammad Chodabande Ultschaito
wiedererrichtet wurde.
Im Jahre 1418 wurde die erste Freitagsmoschee,
die Goharschadmoschee, neben dem Haram
errichtet. 1506 wurde mit der Unterstützung des
Gouverneurs der Stadt, Amir Ali Schirnawai, der
erste vergoldete Iwan gebaut.
Zur Zeit der Safawiden, die die erste schiitische
Herrscherdynastie im ganzen Iran waren, wurde
der Haram stark erweitert. Der Höhepunkt war
in der Zeit von Schah Tahmasp: Er lies die Kuppel
vergolden. Allerdings wurde das Gold bei einem
Angriff der Usbeken unter Abdul-Mumin Chan
gestohlen, was die Safawiden nicht verhindern
konnten, da ihre Hauptstadt weiter westlich war:
Sie befand sich unter Tahmasp in Qazwin und
wurde unter Schah Abbas nach Isfahan verlegt.
Dieser lies im Jahre 1601 das Gebäude
wiedererrichten. Ali Reza Safawi, ein bekannter
Maler, schuf einzigartige, verzierte Inschriften.
Unter den nachfolgenden Dynastien der
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umfasst heute eine Fläche von ca. 300000m² für
die gottesdienstlichen, kulturellen und sozialen
Aktivitäten und wird laufend ergänzt. In der Zeit
der Islamischen Republik wurde die über dem
Grab befindliche Einfassung komplett erneuert,
versilbert und vergoldet.
Die Geschichte der Einfassungen des heiligen
Schreins, der „Sarih“
Bis heute gab es fünf verschiedene Sarih, deren
Errichtung jeweils durch Schäden am älteren
notwendig wurde. Über dem Grab wurde aus
Steinen eine sarkophargartige Einfassung
errichtet, wodurch dessen Position besser
erkennbar wird. Bei besonderen Persönlichkeiten
wird als Ehrenbezeugung und zum Schutz des
Heiligtums darum ein kleiner Raum aus verzierten
Gittern mit einer Decke errichtet.
Der älteste Sarih war aus Holzstäben, die mit
vergoldeten oder versilberten metallischen
Bändern verbunden wurden. Er wurde im Jahre
1550 unter Schah Tahmasp Safawi erbaut. Im
Alte Ansicht vom Haram
Nr. 33
19
tourismus
Afschariten, Zands, Qadscharen und Pahlawis
wurden die Gebäude um einige Höfe erweitert
und noch reichhaltiger verziert. Der Afscharite
Nader Schah(1730-47), der aus Chorasan
stammte, machte Maschhad für kurze Zeit zu
seiner Hauptstadt.
Zur Zeit des ersten Weltkriegs wurde der
Komplex beim Angriff der russischen Truppen
stark beschädigt. Im Jahre 1928 wurden
Grünflächen um den Haram angelegt, ein
Museum, ein Konferenzraum und eine Bibliothek
erbaut. Seit der Islamischen Revolution wurde der
Komplex stark erweitert und erhielt seine heutige
Gestalt mit zahlreichen neuen Höfen. In den
letzten zwanzig Jahren wurden umfangreiche
Bemühungen für die Verbesserung der Nutzung,
der von den Gläubigen gestifteten Gründe,
Immobilien, finanziellen Mitteln und sonstigen
Güter, wie Teppichen und Gold, unternommen:
Es wurden die Gebäude erweitert, die sanitären
Einrichtungen und die öffentlichen Speisesäle
verbessert, eine Klinik und eine theologische
Universität gegründet. Der gesamte Komplex
tourismus
Jahre 1893 wurde er entfernt.
Der zweite Sarih aus Stahl wurde 1747 im Auftrag
eines Enkels von Nader Schah errichtet. Er hatte
keine Decke und die umgebenden Gitter mit ihren
Fenstern wurden mit ungefähr 2000 Smaragden
und Rubinen verziert.
In der Zeit von Fath Ali Schah Qadschar wurde
ein einfacher Sarih aus Stahl mit eine Länge von
4 m, einer Breite von 3 m und eine Höhe von 2 m
um den bestehenden herum gebaut.
Die vierte, vergoldete und versilberte, Einfassung
wurde im Jahre 1959 an Stelle der dritten errichtet.
Sie hatte 4 m Länge, 3 m Breite und 3,9 m Höhe.
Der fünfte Sarih wurde 1993 vom bekannten
iranischen Künstler Prof. Farschtschian
entworfen. Die Anfertigung erfolgte durch Prof.
Chodadadzadeh Isfahani und seine Mitarbeiter. Er
hat ein Gewicht von
12 Tonnen, wurde mit
Gold und Silber
beschichtet und ist 4,8
m lang, 3,7 m breit
und 4 m hoch. Er
wurde
mit
verschiedenen
Quranversen und
besonderen iranischen
Mustern verziert.
Nur bei wenigen
Anlässen
dürfen
ausgewählte
Persönlichkeiten in
diesen Sarih eintreten,
z. B. für dessen
Reinigung, was eine
große Ehre ist. Es ist
auch üblich, dass
Pilger durch die Gitter
Geld stecken, wenn
sie um die Fürsprache
des Imams bei Gott für
die Erfüllung ihrer
Wünsche bitten.
sichtbare und auffälligste Zeichen des
Mausoleums des Imams ist die vergoldete
Kuppel. Im Jahre 1117 wurde vom Seldschuken
Sultan Sandschar zum ersten Mal eine Kuppel
über dem Grab erbaut.
Heute gibt es eine zweite, die zur Zeit von Schah
Abbas II. über der ersten errichtet und als
Sonnenkuppel bekannt wurde. Die Höhe vom
Boden bis zur Spitze beträgt 31 m. Auf den
umgebenden Gebäuden gibt es acht Minarette,
zwei davon sind vergoldet.
Gräber bekannter Gelehrter beim Mausoleum
Scheich Bahai
Scheich Bahai wurde im Jahre 1529 im Libanon
Die Geschichte der
Kuppel über dem
Grab
Das am weitesten
Der heilige Sarih
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tourismus
Minarett und Teil der Fliesendekoration des Portals
geboren. In der Zeit von Schah Abbas kam er in
den Iran und wurde bei Hof zu einer bedeutenden
Persönlichkeit. Er war Richter, Philosoph und
befasste sich mit den islamischen Wissenschaften.
Als Dichter hinterließ er 380 Verse. Darüber
hinaus war er ein Mathematiker und plante das
bekannte, nach ihm benannte, Bad in Isfahan.
Dessen Besonderheit bestand darin, dass es durch
eine kleine Flamme das ganze Jahr über gewärmt
wurde. Diese wurde durch Gase, die aus den
Abwasserkanälen der Stadt stammten, gespeist,
was in der damaligen Zeit eine einmalige Methode
war. Er verstarb im Jahre 1621 in Isfahan und
wurde entsprechend seines testamentarischen
Willens in Maschhad bestattet.
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Scheich Hurr Ameli
Er wurde im Jahre 1624 in Dschabal Amel im
Libanon geboren. Später ging er nach Syrien, wo
er bis zu seinem vierzigsten Lebensjahr weilte.
Nach einer Hadsch begab er sich nach Chorasan,
wo er auch blieb. Der Grund dafür war
möglicherweise die Unterstützung für Schiiten
im safawidischen Iran zur Zeit von Schah Abbas
II. Er verfasste viele Bücher, aber sein
bedeutendstesWerk ist „Wasail usch-schi’i“, das
dreißig Bände umfasst und an dem er zwanzig
Jahre arbeite. Es ist eine umfangreiche Sammlung
von Überlieferungen und bis heute ein
Standardreferenzwerk der schiitischen
Theologen. Er war auch ein Mathematiker und
Dichter und verfasste ungefähr 20000 Verse. Er
verstarb im Jahre 1693.
Scheich Tabarsi
Auch er war einer von den bedeutendsten
islamischen Gelehrten und wurde in der Nähe von
Maschhad im Jahre 1077 in der Zeit der
Seldschuken geboren. Sein bekanntestes Werk ist
die Quraninterpretation Madschama’ul-bajan, an
deren Fertigstellung er sechs Jahre arbeitete. Er
war auch ein bedeutender Mathematiker
Nr. 33
21
tourismus
besonders in der
Algebra. Im Jahre 1991
wurde im Zuge von
Straßenerweiterungen
sein gesamtes Grab in
den Riswan-Garten
verlegt.
Die Einrichtungen und
Aktivitäten
der
„Astane
Quds
Razawi“-Stiftung
Diese Stiftung wurde
gegründet, um das
Bargeld, Gold, die
Grundstücke und andere
wertvolle Dinge, die
dem Imam gespendet
wurden, optimal zu
nutzen. Viele iranische
Sportler schenken ihre
Medaillen
von
internationalen
Wettbewerben an diese
Organisation.
Mit
diesem „Vermögen von
Imam Reza“ werden
Aktivitäten im gesundheitlichen, kulturellen,
industriellen, landwirtschaftlichen und religiösen
Bereich durchgeführt. Dadurch erhielten tausende
LeuteArbeit und außerdem werden unentgeltliche
Sozialleistungen, z. B. im Gesundheitsbereich,
durchgeführt. So wurden Kliniken und Spitäler
in verschiedenen Städten gegründet, in denen pro
Jahr mehr als 500 000 Patienten großteils
unentgeltlich betreut werden. Auch nach dem IrakIran-Krieg beteiligte sich die Stiftung am
Wiederaufbau in den südlichen Landesteilen und
ebenso nach den Erdbebenkatastrophen in Tabas
und Bam.
Die Stiftung gründete drei Zuckerwerke, mehrere
Anlagen für die Natursteinverarbeitung, Teppichund Textilfabriken, technische Beratungsfirmen,
mehrere Großbäckereien sowie andere Betriebe
der Lebensmittelindustrie und investierte auch in
andere Projekte und Beteiligungen. Der Zuwachs
im Umfang der Tätigkeiten betrug seit der
Revolution 1979 ca. 500%. Außerdem wurden im
ganzen Iran ungefähr 40 öffentliche Bibliotheken
22
Eine Werkstatt für handgeknüpfte Teppiche
der Astane Quds
gegründet. In der Provinz Chorasan und den
Erdbebengebieten konnten mehr als 100 Schulen
aufgebaut werden und mehr als 500 Grundstücke
wurden dem Bildungsministerium für weitere
Neubauten gratis zur Verfügung gestellt. Wie
bereits in der letzten Nummer (Iran Information
32) erwähnt, werden täglich einige tausend
Gratisportionen Essen bei einem Restaurant beim
Haram ausgegeben. Über die Museen, die von
der Stiftung im Haramkomplex betreut werden,
berichteten wir in Iran Info 31.
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Unter folgenden Internetadressen gibt es
Informationen in englischer und persischer
Sprache sowie Bilder über den Haram und
Maschhad:
www.imamreza.net
www.aqrazavi.org
Nr. 33
Über die kulturellen Beziehungen zwischen dem Kunsthistorischen
Museum und Persien
von Hofrat Prof. Dr. Wilfried Seipel
Die kulturellen Beziehungen zwischen Österreich und dem Iran hatten im Jahre
2001 seinen besonderen Höhepunkt erreicht. Nach einem Besuch des
österreichischen Bundespräsidenten Dr. Thomas Klestil im Jahr 2000 und
mehreren Verhandlungsgesprächen des Generaldirektors des Kunsthistorischen
Museums in Teheran, konnte am 21. November 2000 eine Ausstellung über
„7000 Jahre Persische Kunst“ mit Meisterwerken aus dem iranischen
Nationalmuseum in Teheran eröffnet werden. Ganz abgesehen davon, dass es
seit vielen Jahrzehnten die erste kunstgeschichtlich, archäologisch bedeutsame
Ausstellung Persiens im Ausland gewesen ist, die allein in Österreich von über
200.000 Besuchern gesehen wurde, so sollte die Ausstellung in den darauf
folgenden Jahren gleichsam eine Europareise absolvieren, die sie in weitere 7
bedeutende Städte führen sollte. Nach Wien wurden die Meisterwerke der
iranischen Vergangenheit in Rom, Bonn, Gent, Basel, Valencia, Sevilla, Zaragoza
und schließlich aus in Lissabon gezeigt und von weit über 1 Million Besuchern bewundert. Erst im Herbst 2005
waren alle Objekte wieder sicher im Nationalmuseum in Teheran gelandet und sollten von nun an wieder die
Besucher dieses Museums erfreuen. Die im Zusammenhang mit dieser archäologischen Ausstellung, deren
zeitlicher Rahmen von der Vorgeschichte bis ins 10. Jahrhundert reichte, geplante Fortsetzung bis in die islamische
Zeit, ist zwar bis jetzt noch nicht realisiert, sollte aber nicht in Vergessenheit geraten. Von Seiten des
Kunsthistorischen Museums besteht nach wie vor die Bereitschaft, in Zusammenarbeit mit den Kollegen in
Persien, dieses auch in einer schriftlichen Vereinbarung mit den verantwortlichen Stellen in Teheran festgehaltene
Projekt umzusetzen. Ein dafür vorgesehenes und in Aussicht gestelltes wissenschaftliches Konzept konnte
allerdings bis jetzt noch nicht erarbeitet werden. Die Beziehungen zu Persien auf kultureller Ebene würden es
jedenfalls verdienen, in der vor einigen Jahren begonnenen intensiven Form weitergeführt zu werden, um auf
diese Weise auf die großartigen Leistungen des Iran auf kunstgeschichtlichen und historischen Gebiet
hinzuweisen. Von österreichischer Seite besteht jedenfalls die Bereitschaft, die kulturellen Aktivitäten in Teheran
zu unterstützen, sei es in Form von Ausstellungen, Ausstellungsbeteiligungen oder in der Beratung bei
museumsspezifischen Sachfragen. Die augenblickliche politische Diskussion um den Stellenwert Persiens im
internationalen Staatengeflecht sollte vielleicht stärker
auch kulturelle Beziehungen nutzen, um einseitige
Sichtweisen zu vermeiden. Der von einem österreichischen Architektenteam gewonnene Wettbewerb für
die Neueinrichtung eines besucherfreundlichen
Eingangsbereichs in Persepolis sollte auch in diesem
Zusammenhang erwähnt werden, da gerade diese so
bedeutende Kulturstätte des Iran ein faszinierender
Austragungsort kultureller Beziehungen sein könnte. So
ist es mir ein ganz besonderes Anliegen, vor allem auch
auf Grund der positiven Erfahrungen im Umgang mit den
kulturellen Institutionen in der Vergangenheit, auch in
Zukunft die Bereitschaft beider Seiten die kulturellen
Beziehungen zu verstärken wieder aufzunehmen und in
neuen Projekten umzusetzen.
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Wir danken Hofrat Prof. Dr. Seipel für diesen Beitrag!
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dialog der zivilisationen
Rückblick und Ausblick
dialog der zivilisationen
Jesus und Muhammad – Retter der
Menschheit auch in der heutigen Zeit!
Bericht von einer interreligiösen Veranstaltung
Am 10. November 2006 lud die Kulturvertretung
der Islamischen Republik Iran in Kooperation mit
dem Islamischen Bildungs- und Kulturzentrum
IBIKUZ Vertreter und Gelehrte verschiedener
Religionen und Konfessionen ein, um der
Verantwortung der Muslime in Europa
nachzukommen und einen weiteren Anstoß zum
Dialog der Zivilisationen zu geben. Das Thema
der Referate und der anschließenden
Podiumsdiskussion war die Rolle von Jesus und
Muhammad als Retter für die Menschheit auch
in der heutigen Zeit. Die dabei ausgetauschten
Gedanken sollen als Basis für einen weiteren
Dialog und ein fruchtbares Zusammenwirken der
religiösen Kräfte in Österreich dienen.
Die Veranstaltung mit einem Publikum von über
100 Besuchern begann mit der Rezitation des
Koran und dem Vortrag einer deutschen
Übersetzung.
Der Obmann des IBIKUZ, Mag. Muhammad
Lanzl, leitete den mittlerweile traditionsreichen
Diskussionsabend in Anlehnung an die
habsburgerische Diplomatie und Heiratspolitik
mit folgendem Spruch ein: „Mögen andere
aufeinander losgehen, sich die Köpfe einschlagen
und sogar Kriege führen, du glückliches
Österreich setze auf den Dialog, lade zum
Gespräch ein.“ Allerdings wies Mag. Lanzl auch
darauf hin, dass der Dialog drei Bedingungen
aufweisen sollte: Nämlich Orientierung an der
Vernunft, Ehrlichkeit und Unerschrockenheit
gegenüber den Mächtigen der Welt, wer immer
diese zu unterschiedlichen Zeiten auch sein
mögen.
Es folgten die Begrüßungsworte des
Kulturattachés der Botschaft der Islamischen
Republik Iran, Mohammad Reza Nezamdoust, in
persischer Sprache, die in deutscher Übersetzung
vorgetragen wurde. Dabei warf Hr. Nezamdoust
etliche Fragen über den Wert von Gerechtigkeit
und göttlichen Offenbarungen in der heutigen
Zeit auf. Er wies mit einem Zitat des Koranverses
3: 64 darauf hin, dass es die gemeinsame Pflicht
24
aller abrahamitischen Religionen sei, die mehr als
die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen,
miteinander in Dialog zu treten, um die
gemeinsamen Werte zu beschützen. Sie müssten
den geschichtlichen Staub von ihnen entfernen,
auch auf die Gefahr hin, dass sie als rückschrittlich
oder fundamentalistisch bezeichnet würden, damit
die Welt nicht länger zu sehen müsste, wenn im
Namen der Menschenrechte Bomben abgeworfen
würden.
Das erste Referat wurde von dem iranischen
Gelehrten Hodschatulislam Reza Ramezani,
dem Leiter des Imam Ali Zentrums in Wien, in
persischer Sprache vorgetragen. Eine deutsche
Übersetzung seines Vortrages wurde verteilt und
konnte von dem Publikum mitgelesen werden.
(Eine gekürzte Version davon finden Sie im
Anschluss an diesen Artikel.) Hodschatulislam
Ramezani hob vor allem die Bedeutung der
Gerechtigkeit als Basis und Fundament der ganzen
Existenz und Schöpfung hervor und definierte
diesen oftmals missbrauchten Begriff im
islamischen Sinne.
Sein Hauptargument war, dass Freiheit, Frieden,
Menschenwürde, Entfaltung, Barmherzigkeit und
Liebe als Grundsätze und gleichzeitig als
Konsequenzen von Gerechtigkeit im
prophetischen Sinne zu verstehen sind. Gott hat
die Welt auf der Basis von Gerechtigkeit und dem
rechten Maße erschaffen und zahlreiche Propheten
entsandt, um die Grundsätze dieser Gerechtigkeit
zu lehren und in der Gesellschaft
wiederherzustellen, nachdem sich die Menschen
ihrer selbst beraubt haben, indem sie der
Unmäßigkeit und Selbstsucht gefolgt sind. Nur
durch Gerechtigkeit erhält alles seinen
rechtmäßigen Platz, Sinn und seine wahre
Existenz. Jedes lebende Geschöpf strebt seine ihm
eigeneVollkommenheit an und diese kann nur auf
Basis von Gerechtigkeit erreicht werden. Jedes
geschaffene Wesen und Ding ist mit besonderen
Rechten ausgestattet, nur wenn diese respektiert
und geschützt werden, kann Harmonie entstehen
Nr. 33
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dialog der zivilisationen
Von links nach rechts: Msgr. Petrus Bsteh, Hodschatolislam Reza Ramezani, Mag. Erwin
Neumann, Mag. Amir Zaidan
als Vorrausetzung für die Entfaltung aller
Geschöpfe.Aus diesem Grund stellt Gerechtigkeit
aus der Sicht des Propheten Muhammads (sas)
die Richtlinie aller individuellen, spirituellen,
sowie gesellschaftlichen Angelegenheiten dar.
Gerechtigkeit sollte als Richtlinie für alle
Bereiche des menschlichen Lebens dienen sowohl
im körperlichen, geistigen und seelischen wie
auch im politischen und wirtschaftlichen Sinn.
Bedingungen für diese Gerechtigkeit stellen die
Grundsätze der gesellschaftlichen und geistigen
Freiheit des Menschen, Brüderlichkeit,
Gleichheit, Barmherzigkeit und Liebe dar.
Nach den prophetischen Anweisungen muss die
Basis der Gerechtigkeit also auf allen Ebenen
geschaffen werden, damit Niemandem Unrecht
widerfährt und die menschliche Gesellschaft ihre
vollen Rechte beanspruchen kann. Diese
Anweisungen der Propheten Gottes beinhalten
zweiAspekte: Einerseits die Einhaltung göttlicher
Gesetze und andererseits den verpflichtenden
Kampf gegen jede Form von Unrecht.
Sowohl Muhammad als auch Jesus (der Friede
sei mit ihnen) führten diesen Kampf, lehrten ihre
Anhänger sich bedingungslos für die Entrechteten
und Unterdrückten ihrer Zeit einzusetzen und
gegen die Mächtigen und die Unterdrücker
aufzulehnen.
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Der nächste Vortragende war Msgr. Petrus
Bsteh, der Leiter der Kontaktstelle für
Weltreligionen (KWR) und Vertreter des
katholischen Christentums.
Msgr. Bsteh rückte die allesverzeihende Liebe
Gottes in das Zentrum seines Vortrages. Diese
vermag nur, wenn sie aufrichtig erfahren wird,
die Menschheit zu transformieren.
Msgr. Bsteh nahm in seinem Vortrag in Bezug
auf die Gerechtigkeit in der Gesellschaft und die
göttlichen Gesetze eine andere Position als sein
Vorredner ein. Er verortete einen Unterschied
zwischen Glaubens- und Gesetzesgemeinschaft
und empfand einen säkularen Staat, der die
Menschenrechte unabhängig von göttlichen
Offenbarungen schützen solle, als bessere Basis
für die freie Religionsausübung und die
Verwirklichung der prophetischen Botschaften
als einen theokratischen Gottesstaat.
Die Gesetze und Rechte Gottes sind im
historischen Wandel auf eine entsprechende
Übersetzung und Interpretation angewiesen, die
gemäß der Vielfalt der Menschen unterschiedlich
erfolgen kann und stellen in ihrer wörtlichen
Überlieferung keine geeignete Basis für eine
demokratische Ordnung dar. Eine vereinfachte
Weltordnung bzw. ein gleichgeschaltetes
Weltethos schaffen Missverständnisse, die für
manche Ideologen Vorteile und für andere
Menschen Nachteile bringen. Das wäre eine
Nr. 33
25
dialog der zivilisationen
Entstellung der Heilsordnung Gottes, die der
umfassenden Größe des Schöpfers nicht gerecht
werden kann.
Msgr. Bsteh sah die Hauptaufgabe von Jesus, als
von Gott berufenem Verkünder, darin, die
Menschheit über Ursprung, Ordnung und Ziel der
Schöpfung aufzuklären. Das Herzstück seiner
Botschaft ist aber die Liebe und Barmherzigkeit
Gottes nicht die Gerechtigkeit und Strafe. Diese
Liebe wird durch Jesus verkörpert und drückt sich
so radikal aus, dass der Mensch sogar seine Feinde
lieben soll.
Msgr. Bsteh betonte also vor allem die
Notwendigkeit des Respekts vor der Vielfalt und
die allen Propheten innewohnende Botschaft
radikaler Liebe. Abschließend rief er dazu auf,
dass die großen monotheistischen Religionen die
Macht ihrer Propheten nie wieder gegeneinander
richten mögen, sondern sich gemeinsam in den
Dienst der Welt von heute stellen sollten.
Danach erhielt Mag. Amir Zaidan, Direktor der
Religionspädagogischen Akademie in Wien
(IRPA), das Wort. Als zentrale Botschaft des
Propheten Muhammad (sas) betonte er vor allem
denAspekt der Freiheit und des respektvollen und
geschwisterlichen Umganges aller Menschen
untereinander.
Muhammad wurde nicht entsandt außer als Gnade
für alle Geschöpfe. Und er wurde gesandt, um die
moralischen Werte und das Verhalten der
Menschen zu vervollkommnen.
Wir sollten begreifen, dass alle Menschen
Geschwister sind und wir sollten für andere nur
das wünschen, was wir für uns selbst wünschen,
anstatt uns gegenseitig zu richten.
Da Islam alleinige Hingabe an den Schöpfer der
Welten bedeutet, ist die Konsequenz daraus
Freiheit zu erlangen, sich aus der Dienerschaft der
Geschöpfe, aus deren Abhängigkeit oder
Erpressungsversuchen zu befreien. Aber nur wer
diese Hingabe verinnerlicht hat, wird frei. Diese
Verinnerlichung bedeutet „Iman“ (Glaube), aber
dieser Glaube im islamischen Sinn hat als Basis
Wissen, Meinungsfreiheit und sogar
Religionsfreiheit, die dem Islam inhärent ist. Amir
Zaidan zitierte den Propheten des Islam, dass die
beste Art von Dschihad ein wahres Wort gegen
einen ungerechten Herrscher sei. Der Wert der
Freiheit im Islam ist so hoch, dass nach der
26
Eroberung Mekkas Muhammad sogar den
schlimmsten Feinden die Freiheit schenkte und
sie auch nicht zwang die Religion anzunehmen.
Mag. Zaidan betonte, dass die Muslime heute
leider vielfach dem Vorbild des Propheten nicht
folgen würden, dass aber seine Botschaft ein
Angebot an alle Menschen sei und er nur gesandt
worden wäre, um sie von der Knechtschaft anderer
Menschen zu befreien.
Anschließend referierte Mag. Erwin Neumann,
Pfarrer der Gustav-Adolf-Kirche, als Vertreter der
evangelischen Konfession des Christentums über
seine Sicht der Rolle der großen Propheten für
die heutige Zeit.
Neumann sah in der Angst des Menschen und in
einer Atmosphäre
der
andauernden
Unterdrückung das größte Hindernis für die
Verwirklichung der Botschaft Jesu. Denn wenn
die Menschen durch Angst leben und nicht durch
die Liebe und die Aufrichtigkeit Befreiung
erfahren haben, sind sie mit den Geboten der
Fremden- und Nächstenliebe hoffnungslos
überfordert. Mag. Neumann sieht in der
Vergesetzlichung der Evangelien durch die
verstaatlichte römische Kirche eine erneute
Unterdrückung der Menschen und nicht die von
Jesus versprochene Erlösung durch die
grenzenlose Liebe Gottes. Indem sich die
römischen Imperatoren als Vollstrecker der
Gesetze Gottes aufspielten, ging die Wahrheit
Gottes, die sich nur durch Liebe offenbart,
zunehmend verloren und die Menschen wurden
abhängig von religiösen Institutionen, die wie
schon in der Zeit vor Jesus Unterdrückung und
Macht ausübten, anstatt die Menschheit zu
befreien und ihre Rechte und Freiheit zu schützen.
Pfarrer Neumann sieht in der Botschaft
Muhammads eine Reformbewegung der einen
Religion Gottes, die wichtige verloren gegangene
Wahrheiten der Botschaft Jesu wiederherstellen
sollte, und somit auch den Christen von heute eine
Möglichkeit gibt, sich neu auf das Wesentliche
der Botschaft von Jesus von Nazareth zu besinnen.
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Information N
Im Anschluss an die Vorträge folgte eine
Podiumsdiskussion, bei der das Publikum die
Möglichkeit erhielt, sich aktiv in den Dialog
einzubringen. Abschließend gab es bei einem
multikulturellen Buffet weitere persönliche und
vertiefende Gespräche.
Nr. 33
von Hodschatulislam Reza Ramezani
Gerechtigkeit ist wohl einer der schönsten
Begriffe, die der Mensch kennt und verwendet.
Zugleich ist diesem Begriff aber auch wie keinem
anderen Unrecht widerfahren, denn alle
Menschen sprechen von Gerechtigkeit, doch bei
deren Verwirklichung scheint es, als ob eine
Gruppe sich dem Kampf gegen die Gerechtigkeit
gewidmet hätte. Aus diesem Grund war die
Verwirklichung von Gerechtigkeit, Frieden und
Freundschaft unter den Menschen auch die
wichtigste gesellschaftliche Aufgabe der
Propheten. Zu diesen Propheten zählen unter
anderem die großen Propheten Moses, Jesus und
Muhammad (Friede sei mit ihnen allen!).
Der heilige Koran, als heilige Schrift der Muslime
und als ewiges Wunder des heiligen Propheten,
führt die Gerechtigkeit als eine der wichtigsten
Angelegenheiten der menschlichen Gesellschaft
an. Der heilige Koran verwendet für die
Gerechtigkeit die beiden Begriffe „Adl“ und
„Qist“.
Diese beiden Begriffe finden dabei in
verschiedenen Bedeutungen Verwendung. Diese
umfassen:
1. Gesetzliche Gerechtigkeit
2. Gerechte Aufteilung
3. Gerechter Teil
4. Anstand
5. Maßhalten
6. Ausgewogenheit
7. Einer Sache gerecht zu werden
8. Gleichen Teil gewähren
9. Recht
10. Wahrheit
11. Aufrichtigkeit
12. Einen Mittelweg halten
13. Mitte
14. Absicht
15. Die Welt
16. Gerechtigkeit walten lassen
17. Einer der Namen Gottes
Als Definition der Gerechtigkeit finden wir unter
anderem folgende Erläuterung: „Die
Gerechtigkeit ist das, was in der Ansicht der
Menschen von Beständigkeit und Wahrheit ist.“
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Gerechtigkeit kann als „Aufrichtigkeit“,
„Beständigkeit“ und „gerader Weg“ gedeutet
werden.
Das Bestreben nach Gerechtigkeit entspringt der
inneren Veranlagung des Menschen, basiert aber
gleichzeitig auch auf seiner Vernunft und gibt
dem menschlichen Dasein erst seine wahre
Bedeutung.
Die Gerechtigkeit ist eine Gunst, durch welche
die menschliche Gesellschaft, wenn sie davon
Gebrauch macht, Beständigkeit, Gleichstellung,
Ausgewogenheit und Freiheit erreicht. Wenn die
Gesellschaft davon aber keinen Gebrauch macht,
machen sich Ungleichheit, Ungerechtigkeit,
Verdorbenheit, Unfrieden und Feindschaft breit.
Das Errichten von Gerechtigkeit, Frieden und
Freundschaft stellt einen der wichtigsten
gesellschaftlichen Aufträge der göttlichen
Propheten dar. Aus diesem Grund heißt es im
heiligen Koran: „Wahrlich, wir haben unsere
Gesandten mit den klaren Beweisen gesandt und
mit ihnen die Schrift und die Waage (die
Richtlinie) herabkommen lassen, damit die
Menschen für Gerechtigkeit sorgen würden…“
(Surah Al-Hadid (57), Vers 25)
Somit stellt die Verwirklichung der Gerechtigkeit
sowohl in der menschlichen Gesellschaft als auch
in den Menschen selbst eines der höchsten Ziele
der göttlichen Religionen dar.
Gerechtigkeit umfasst alle Bereiche des
menschlichen Lebens vom Denken und der Moral
bis hin zur Kultur, Wirtschaft, Politik und der
Gesellschaft.
Wir finden im heiligen Koran nicht nur zahlreiche
Beispiele für die Bedeutung und den Wert von
Gerechtigkeit in verschiedensten Bereichen des
menschlichen Lebens, sondern der heilige Koran
gibt auch konkrete Anweisungen dazu, wie die
Gerechtigkeit in die Tat umgesetzt werden kann.
Es handelt sich bei den Aussagen des heiligen
Korans also nicht nur um Aussagen, in denen die
Gerechtigkeit gelobt und gutgeheißen wird,
sondern jeder Einzelne ist dazu aufgerufen, zur
Verwirklichung der Gerechtigkeit in ihrer wahren
Bedeutung und in den verschiedenen Bereichen
beizutragen.
Nr. 33
dialog der zivilisationen
GERECHTIGKEIT AUS DER SICHT DES KORANS
UND DES PROPHETEN MOHAMMAD (S. A. S.)
27
dialog der zivilisationen
28
Die Gerechtigkeit aus der Sicht des Propheten
Muhammad (sas)
Wir sind der Überzeugung, dass der heilige
Prophet (sas) die Gerechtigkeit in Person ist.
Gemäß seiner Ansicht stellt die Gerechtigkeit das
Fundament der Existenz dar, indem die Schöpfung
der Himmel und der Erde auf ihrer Basis
stattgefunden hat. In einer Aussage von
Muhammad heißt es dazu: Durch die
Gerechtigkeit bestehen die Himmel und die Erde.
(Al-Faiz Al-Kaschani, Muhsin; Tafsir Al-Safi. B.
5, S. 107)
Gemäß dieser Aussage stellt die Gerechtigkeit die
Basis zur Schöpfung aller Existenz dar. Durch die
Gerechtigkeit bekommt alles Sinn und Existenz.
Jedes lebende Geschöpf ist auf der Basis der
Gerechtigkeit erschaffen und strebt daher seine
ihm eigene Vollkommenheit an. Auf der Basis der
Gerechtigkeit leitet Gott alle Dinge im
existenziellen Bereich seinen ihm eigenen Weg.
So heißt es im heiligen Koran: [Gott ist es,] der
geschaffen und wohl geformt hat, und der ein Maß
gesetzt und rechtgeleitet hat. (Surah Al-A’la (87),
Vers 2-3)
Aus diesem Grund nennt der heilige Prophet (sas)
die Gerechtigkeit als Richtlinie Gottes auf Erden
und ihre Einhaltung als Faktor zur Errettung der
Menschen: Die Gerechtigkeit ist die Richtlinie
Gottes auf Erden. Wer sie akzeptiert, den leitet Er
[oder auch sie, die Gerechtigkeit]ins Paradies,
und wer sie nicht akzeptiert, den leitet Er [oder
auch sie, die Gerechtigkeit] ins Feuer. (AlMuhaddis An-Nuriy, Mustadrak-ul-Wasa’il, B. 11,
S. 318)
Aus diesem Grund stellt die Gerechtigkeit aus der
Sicht des heiligen Propheten (sas) die Richtlinie
aller individuellen sowie gesellschaftlichen
Angelegenheiten dar. Sie ist Richtlinie für alles
Materielle, Geistige, Körperliche, Psychische,
Politische, Wirtschaftliche… Sie muss sich in den
Gefühlen, den Gedanken, in den Aussagen, im
Handeln, im Benehmen der Menschen
widerspiegeln. Der Mensch und auch die
Gesellschaft müssen gerecht empfinden, gerecht
denken, gerecht sprechen, sich gerecht
verhalten… Kurz gesagt, die Gerechtigkeit muss
in allen Angelegenheiten des menschlichen
Lebens regieren. Aus diesem Grund sagt Gott:
„…und wenn ihr zwischen den Menschen richtet,
dass ihr in Gerechtigkeit richtet…“ (Surah AnNisa’ (4), Vers 58)
Aus diesem Grund sind die Menschen dazu
verpflichtet, sich die Gerechtigkeit unter allen
geistigen sowie körperlichen Zuständen zur
Richtlinie zu machen, sie in allen Bereichen des
menschlichen Lebens zu befolgen und keinen
Augenblick von ihr abzugehen.
Die Grundsätze der Gerechtigkeit aus der
Sicht des heiligen Propheten (sas)
Aus verschiedenen Aussagen des Propheten
Muhammad (sas) lassen sich Grundsätze
erkennen, die zur Verwirklichung der
Gerechtigkeit notwendig sind. In diesem
Abschnitt gehen wir auf einige dieser Grundsätze
ein.
1. Gleichheit und Gleichstellung aller
Menschen in ihrer Schöpfung und Existenz
Der heilige Prophet (sas) weist darauf hin, dass
alle Menschen, gleich von welcher Rasse sie sind,
im Ursprung ihrer Schöpfung gleichgestellt sind
und sich nicht unterscheiden. Die Menschen
unterscheiden sich also durch nichts außer durch
die Gottesfurcht. Auf diese Tatsache weist der
heilige Prophet (sas) in der Abschiedswallfahrt
kurz vor seinem Tod hin, indem er sagt: „Ihr
Leute! Euer Herr ist einer und euer Stammvater
ist einer. Ihr alle seid alle von Adam und Adam
ist aus Erde. Der edelste von euch ist der
Gottesfürchtigste von euch. Es gibt keine
Auszeichnung für die Araber vor den
Nichtarabern, außer durch die Gottesfurcht.“
(Al-Harati, Abu Muhammad Hassan Ibn Ali;
Tuhaf-ul-Uqul. S. 33)
In einer anderen Überlieferung sagt der heilige
Prophet (sas): „Die Menschen sind [einander]
gleich wie die Zähne des Kammes“ (AschScheich As-Saduq, Muhammad ibn-u Ali AlQommi, man la yahdhuru-hu-l-Faqih, B. 4, S.
379)
Aus diesem Grund sind alle Menschen aus der
Sicht der Religion in ihrer Verbindung zu Gott
als seine Diener gleichgestellt, da alle Seine
Geschöpfe sind. In einer weiteren Überlieferung
des heiligen Propheten (sas) heißt es: „Die
Geschöpfe sind alle die ‚Angehörigen’ Gottes,
der beliebteste bei Gott ist also der, der seinen
Angehörigen am meisten nützt.“ (Al-Hurr AlAmeli, Muhammad ibn Al-Hassan, Wasa’il-uschSchi’ah, B. 16, S. 344)
Nr. 33
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und sie gegeneinander aufzustacheln. Die
Menschen aber müssen sich in jeder Situation
dessen bewusst sein, dass sie zueinander Brüder
und füreinander verantwortlich sind. Der heilige
Prophet (sas) sagt in diesem Zusammenhang:
„Hilf deinem Bruder, ob er Unrecht tut oder ihm
Unrecht widerfährt. Wenn er Unrecht tut, dann
halt ihn davon ab, Unrecht zu tun. Wenn ihm
Unrecht widerfährt, dann unterstütze ihn.“ (Nahjul-Fasahah; S. 265-266, Überlieferung Nr. 561)
2. Der Grundsatz der Freiheit
Ein weiterer Grundsatz der Gerechtigkeit ist die
Freiheit. Ein großartiges Geschenk, das allen
Menschen zuteil geworden ist. Alle Menschen
haben also das Recht, bei der Veränderung bzw.
Bestimmung ihres Schicksaals mitzuwirken. Hier
darf den Menschen nichts aufgezwungen werden.
Kein Mensch darf seiner Freiheit beraubt und als
Sklave eines anderen betrachtet werden. Der
heilige Prophet (sas) weist in einer sehr schönen
Aussage auf den Grundsatz der Freiheit hin. Er
weist darauf hin, dass niemand auf dem Weg zu
seiner Vollkommenheit durch innerliche oder
äußerliche Hindernisse eingeschränkt bzw.
behindert werden darf, sondern er muss gegen
diese Hindernisse ankämpfen, damit er in den
Genuss der gesellschaftlichen und geistigen
Freiheit gelangt.
3. Brüderlichkeit unter den Menschen
Ein weiterer Grundsatz der Gerechtigkeit ist die
Brüderlichkeit der Menschen untereinander. Da
die Menschen alle von einer unendlichen,
existenzgebenden Quelle abhängen, muss
zwischen ihnen eine göttliche Verbindung
herrschen. Die Menschen müssen sich dieser
nahen Verbindung zueinander bewusst sein. Die
Menschen müssen darauf achten, dass auf dem
Weg zur Vollkommenheit Frieden und Ruhe
vorherrschen. Sie müssen gegen jene, die andere
am Erreichen der Vollkommenheit behindern,
ankämpfen, weil diese versuchen diese göttliche
Verbindung zu stören. Sie dürfen nicht erlauben,
dass Frieden und Freundschaft aus der Beziehung
der Menschen untereinander verschwindet.
Natürlich gibt es leider eine Gruppe von
selbstherrlichen Regenten, die aufgrund ihres
ausbeuterischen Machtstrebens fortwährend
versucht unter den Menschen Zwietracht zu stiften
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4. Die Menschen beachten, um sie bemüht sein
und das Augenmerk auf die Allgemeinheit
legen
Eine weitere Grundlage der Gerechtigkeit ist es,
um die anderen bemüht zu sein. Der Mensch muss
danach streben, dieses Empfinden in sich zum
Leben zu erwecken. Das spiegelt sich darin
wieder, dass der Mensch das, was er für sich selbst
will, auch für die anderen möchte und dass er das,
was er für sich selbst nicht will, auch für die
anderen nicht will.
Wenn sich alle Menschen dieses Grundsatzes
bewusst sind, wird sicherlich kein Problem mehr
die Gesellschaft bedrohen. Unter diesem Umstand
werden die Menschen niemals gegeneinander
Intrigen schmieden, ja nicht einmal daran denken,
Intrigen zu schmieden. Dass einige Menschen
sich dazu verleiten lassen, Intrigen gegen andere
auszuhecken, liegt daran, dass sie sich von der
Bahn der Gerechtigkeit und Menschlichkeit
entfernt haben. Dabei kann es natürlich sein, dass
einige Personen zwar mit dem Mund nach
Gerechtigkeit rufen, sich aber kein bisschen für
deren Verwirklichung einsetzen. Der heilige
Prophet (sas), als Erretter der Menschheit, sagt
in diesem Zusammenhang: „Der gerechteste
Mensch ist jener, der für die Menschen das will,
was er für sich selbst will, und der für die
Menschen das meidet, was er für sich selbst
meidet.“ (Madschlisi, Muhammad Baqir; Biharul-Anwar, B. 77, S. 114)
5. Barmherzigkeit und Liebe zu den Menschen
Ein weiterer Grundsatz der Gerechtigkeit, auf den
der heilige Prophet (sas) mit Nachdruck
hingewiesen hat, ist die Barmherzigkeit und Liebe
zu den Menschen sowie das wohltätige Verhalten
den Wohltätern und Nichtwohltätern gegenüber.
Nr. 33
29
dialog der zivilisationen
Natürlich unterliegt der Glaube gewissen Kriterien.
Jeder Mensch besitzt gewisse Fähigkeiten und
Grenzen. Wer nun von seinen Fähigkeiten, zu
glauben bzw. gottesfürchtig zu sein, Gebrauch
macht, der empfindet die Anwesenheit Gottes viel
stärker als jemand, der davon keinen Gebrauch
macht.
Es kann und darf also niemand behaupten, dass
er aufgrund seiner Rasse besser sei als die anderen.
dialog der zivilisationen
Das stellt sogar nach dem Glauben an Gott die
Basis der Vernunft dar. (Nahj-ul-Fasahah; S. 496497, Überlieferung Nr. 1636) Dabei sind die
schlechtesten Menschen jene, die gegen die
Menschen Feindschaft hegen. (Nahj-ul-Fasahah;
S. 535, Überlieferung Nr. 1796)
Zusammenfassung
Kurz gesagt, die Respektierung von
Gerechtigkeit,
Frieden und Freundschaft unter den Menschen
sind ernsthafte Anweisungen des heiligen
Propheten (sas). In verschiedenen Ansprachen
wies er auf diese Punkte hin und betonte, dass
die menschliche Gesellschaft ohne Gerechtigkeit
ihre wirklichen Rechte nicht erreichen kann. Die
Basis der Gerechtigkeit muss also auf allen
Ebenen geschaffen werden, damit niemandem
Unrecht widerfährt. Dabei geht der heilige
Prophet (sas) soweit, dass er sogar jene, die
jemanden, der Unrecht tut, in seinem Unrecht
unterstützen oder auch nur das, was er gegen die
Gerechtigkeit unternimmt, unterstützen oder
darüber schweigen, als Übeltäter bezeichnet. Der
heilige Prophet (sas) weist alle Regenten an, den
Menschen niemals Unrecht zu tun. Die Regenten
sollen sogar in ihren Aussagen nichts weiter als
die Wahrheit sprechen und ihre Versprechen
einhalten.
(Al-Harati, Abu Muhammad Hassan Ibn Ali;
Tuhaf-ul-Uqul. S. 56)
Die Gerechtigkeit bedeutet beim heiligen
Propheten (sas), dass jedes Ding an jenen Ort
gelang, der ihm gebührt. Wir sind dazu
aufgerufen, die Menschen als gleichwertig bzw.
gleichgestellt zu betrachten und uns in keinem
Maß besser als die anderen zu betrachten. Diese
Ansicht muss zu unserer inneren Überzeugung
werden, damit wir darauf basierend in unserem
persönlichen wie gesellschaftlichen Benehmen
für die anderen das wollen, was wir auch für uns
selber wollen und für sie das meiden, was wir
auch für uns meiden.
Gemäß unserer Überzeugung hat Jesus (sas) zur
Verwirklichung der Gerechtigkeit sowohl die
Menschheit zu diesem Grundrecht aufgerufen als
auch jene, die gegen Gerechtigkeit gestanden sind
und den Menschen Unrecht zugefügt haben,
30
bekämpft. Mit Sicherheit ist jene Ansicht, die
einige wenige Personen Jesus zuschrieben, dass
er sich nicht besonders gegen das Unrecht
eingesetzt habe, falsch. Aus diesem Grund setzen
sich sicherlich auch die Anhänger Jesus und die
Führer des Christentums so wie wir Muslime für
die Verwirklichung der Gerechtigkeit ein. Auch
sie verurteilen wie wir Muslime jegliches Unrecht
und Unterdrückung und treten dem entgegen. In
der heutigen Welt sind gläubige Menschen, ob
Christen oder Muslime, aufgerufen, sich gegen
Unrecht und Unterdrückung unschuldiger
Menschen zu stellen, sie zu verurteilen und den
Unterdrückten zu Hilfe zu eilen. Dass
Gerechtigkeit zu unserem Grundprinzip gemacht
werden soll, ist für jeden logisch denkenden
Menschen zu begreifen und bedarf sicherlich
keiner hochtrabenden Argumentation. Auf dieser
Grundlage kann Frieden und Freundschaft
basierend auf Gerechtigkeit unter den
Gesellschaften der Welt zu neuem Leben erweckt
werden. Frieden zu schaffen und ihn zu erhalten
kann sicherlich nicht mit Schweigen gegenüber
Unrecht und Unterdrückung einhergehen. In der
heutigen Welt ist es mehr als zu jeder anderen
Zeit notwendig, die Menschen, besonders die
unterdrückten Völker der Welt, auf ihre
Grundrechte aufmerksam zu machen, damit sie
bei der Bestimmung und Veränderung ihres
eigenen Schicksals mitwirken und durch das
Abhalten freier Wahlen die Verwaltung der
Angelegenheiten ihres Landes geeigneten,
zuverlässigen und verantwortungsbewussten
Personen übertragen.
Gebe Gott, dass die menschlichen Gesellschaften
versuchen, sich an das Benehmen und Verhalten
der göttlichen Propheten, wie Noah, Abraham,
Moses, Jesus und Muhammad (Friede sei mit
ihnen allen!) anzunähern, damit die
Voraussetzung zur Verwirklichung von
Gerechtigkeit, Gleichheit und Freundschaft in
ihren wahren Bedeutungen geschaffen werden
kann. Gebe Allah, dass die gesamte Menschheit
in den Genuss der Gerechtigkeit und ihrer
Wirkungen gelangt, Unrecht und Unterdrückung
in der ganzen Welt ausgemerzt werden und alle
Völker ihre Grundrechte erlangen.
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geschichte
Die Seldschukendynastie im Iran
Die Seldschuken regierten im Iran vom Jahre
1039 (430hq) bis 1194 (590hq). Diese Dynastie
wurde durch die Turkmenen Togrol Beig und
seinen Bruder Tschogri Beig nach dem Sieg über
Masud, den letzten Ghasnawiden, gegründet. Die
Seldschukenarmee bestand vor allem aus
Turkmenen und Angehörigen der Turkvölkern,
ihre Beamten waren aber mehrheitlich Perser. Die
turkmenischen Seldschuken waren schon seit
mehreren Generationen Muslime. Trotz ihrer
Beziehungen mit der Herrschaft der Samaniden
und Ghaznawiden erhielten sie ihren
ursprünglichen Charakter eines
wilden Hirtenvolkes, die
Raubzüge in benachbarte
Städte
und
Länder
unternahmen. Nach 50 Jahren
der Regierung von Togrol in
Chorasan eroberten seine
Nachfolger die Gebiete vom
Dscheihun in Zentralasien bis
zum Euphrat im Irak, Syrien
und Anatolien und schufen
damit 400 Jahre nach den
Sassaniden ein ebenso großes
Reich. Sie verbreiteten ihr Erbe
und die iranische Kultur in
diesem Gebiet.
Bagdad und dessen Umgebung beschränkt und sie
waren nur für den religionsrechtlichen Bereich
verantwortlich.
Nach der Festigung der Macht in Chorasan
eroberte Togrol Gorgan und Tabarestan und griff
dann andere Teile im nördlichen Iran an, bis er
im Jahre 1054 (446 hq) auch Aserbaidschan
eroberte. Im Jahre 1056 (448 hq) nahm er Bagdad
ein, besiegte Malik Rahim Deilami, vor dem der
Kalif geflüchtet war und brachte diesen in Ehren
1060 (452 hq) zurück. Er heiratete außerdem
Gegenüber
den
Abassidenkalifen, die dem
Namen nach die Herrscher
waren, zeigten sie sich
unterwürfig, solange sie ihre
Bestätigung benötigten, doch
als sie genug Macht hatten,
führten sie sogar Kriege gegen
sie. Ihr Verhalten war ein
Mittelweg zwischen dem der
Bujiden, die die Kalifen
verachteten,
und
den
Saminiden und Ghaznawiden,
die den Herrschern in Bagdad
vollständig gehorsam waren.
Zumeist war die Herrschaft der
Abassiden
in
der
Seldschukenzeit aber auf
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Togrol-Turm, Rey
Nr. 33
31
geschichte
Karadsch tötete er ihn und
vergrößerte dann mit der
Unterstützung
seines
iranischen Beraters und
Wezirs Chadsche Nezam ulMulk sein Reich. Dieser war
bereits unter Alb Arslan der
Gouverneur von Chorasan
gewesen. Nachdem Malek
Schah den Thron bestieg,
kontrollierte Nezam ulMulk, d. h. der „Ordner des
Staates“, den Herrscher und
die Verwaltung. Er ist eine
der
bedeutendsten
Persönlichkeiten
der
iranischen Geschichte.
(siehe auch unten)
seine Tochter und wurde zum Sultan ernannt. Er
starb 1063 (455 hq) im Alter von 75 Jahren in der
Stadt Rey. Nach ihm gelangte der Sohn seines
Bruders Alb Arslan an die Regierung. Er schlug
Aufstände nieder und zog gegen Georgien und
Armenien. Im Jahre 1071 (463 hq) besiegte er den
byzantinischen Herrscher Romanus Diogenes IV.
und nahm ihn gefangen. 1073 (465 hq) überquerte
Alb Arsalan den Dscheihun-Fluss (Amu Darja) in
Zentralasien mit 200 000 Reitern um Samarkand
anzugreifen. Doch er wurde unterwegs in einer
Festung von Jusuf Kutwal ermordet und ebenso
wie sein Vater in Marw in Turkmenistan begraben.
Malek Schah eroberte
Syrien von den Fatimiden
und verheiratete seine
Tochter in Bagdad mit dem
Kalifen Al-Muqtadi im
Jahre 1087 (480 hq). Auf
Einladung islamischer
Rechtsgelehrter
in
Samarkand zog er nach
Zentralasien und eroberte
die Stadt. Er bestrafte den
Gouverneur der Stadt, der
die Bauern unterdrückt hatte
und verpflichtete ihn, deren Rechte zu
respektieren. Malek selbst war der Jagd und den
Vergnügungen zugeneigt, während das Land
wurde durch Nezam ul-Mulk regiert wurde. Der
Herrscher reiste im Land umher, um sich selbst
ein Bild von den Zuständen zu machen und lies
Festungen und Brücken bauen. Er liebte die
persische Poesie und verfasste auch selbst einige
Gedichte.Am Ende seiner Herrschaft war er über
die große Macht von Nezam ul-Mulk beunruhigt
und als dieser auf dem Weg von Isfahan nach
Bagdad im Jahre 1092 (485 hq) wahrscheinlich
von einem Assassinen getötet wurde, bedauerte
er es nicht. Er selbst starb kurze Zeit darauf,
nachdem er bei der Jagd erkrankte.
Nach ihm wurde sein Sohn Malek Schah gekrönt.
Am Beginn seiner Herrschaft war er mit dem
Widerstand seines Onkels, der Gouverneur von
Kerman war, konfrontiert. In einem Krieg bei
Nach ihm wurde sein Sohn Barkijarog zum
Herrscher. Zu Beginn kämpfte dieser mit seinem
Onkel Tutusch, den er in einer Schlacht bei Rey
besiegte und umbrachte 1095 (488 hq). Barkijarog
Dschame‘ Moschee Isfahan
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Nr. 33
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Information N
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Sandschar war mit verschiedenen Aufständen
konfrontiert, so kam es im Jahre 1153 (548 hq)
zur Erhebung der Ghazen, die später die CharasmSchahian-Dynastie begründeten. Der Sultan erlitt
eine Niederlage und geriet für die Dauer von drei
Jahren in Gefangenschaft. In dieser Zeit regierten
sie in seinem Namen und ganz Chorasan wurde
von ihnen mit Raub und Mord überzogen. Nach
seiner Freilassung kehrte er nach Marv auf den
Thron zurück, aber nach kurzer Zeit starb er im
Jahre 1157 (552 hq) an den Auswirkungen seiner
Depressionen.
geschichte
verdankt seine Macht seiner Klugheit und der
Unterstützung der Söhne von Nezam ul-Mulk.
Doch es kam zu Streit mit einigen von ihnen,
weshalb einer der Söhne Muajad ul-Mulk wegen
seiner Unzufriedenheit zum Bruder von
Barkijarog Muhammad überlief und diesen
gegen ihn aufstachelte. Zwischen den beiden
Geschwistern kam es innerhalb von drei Jahren
zu fünf Kriegen. Doch schließlich schlossen sie
1103 (496 hq) einen Friedensvertrag, in dem das
Seldschukenreich geteilt wurde. Darin wurde
bestimmt, dass Aserbaidschan, Aran und
Armenien unter die Regierung von Muhammad
kamen und Irak, Isfahan und der Norden von
Persien unter die Herrschaft von Barkijarog.
Doch schon nach zwölf Jahren seiner Regierung
starb er 27-jährig 1105 (498 hq) an Tuberkulose.
Sein vierjähriger Sohn sollte sein Nachfolger
werden, doch Muhammad eroberte das ganze
Land und krönte sich im gleichen Jahre zum
Sultan. Er bestimmte seinen elfjährigen Bruder
Ahmad Sandschar, der die gleichen Eltern hatte,
zum Herrscher in Chorasan und schlug den
Aufstand der Assassaniden in Isfahan nieder.
Eine lange Belagerung ihrer Festung in Alamut
blieb jedoch erfolglos und wurde abgebrochen.
Am Ende seines Lebens griff Muhammad im
Jahre 1115 (509 hq) Syrien an und kämpfte
gegen die Kreuzfahrer, doch
er erlitt eine Niederlage und
zog sich nach Isfahan zurück.
1117 (511 hq) starb er im
Alter von 37 Jahren.
Nach ihm wurde sein Bruder
Sultan Ahmad Sandschar der
Seldschukenherrscher, aber
die Gebiete in Irak und
Aserbaidschan,
die
Muhammad gehört hatten,
erhielt sein Sohn Mahmud.
Dieser erhob sich zuerst
gegen seinen Onkel, doch
schließlich unterwarf er sich
ihm. Der Herrscher verzieh
ihm, bestimmte ihn zu seinem
Nachfolger und setzte ihn in
den Gebieten im Irak wieder
als Gouverneur ein. Ahmad
Nach ihm geriet Chorasan immer mehr unter den
Einfluss anderer Volksgruppen. Diese waren, wie
auch die Seldschuken ursprünglich, kriegerische
Reitervölker, die die zivilisierteren und reicheren
Städte in dem damaligen Land, zu dem Buchara,
Samarkand, Herat und Neischabur gehörten,
angriffen und unter ihre Kontrolle brachten. Die
Nachfahren von Muhammad, die als die
irakischen Seldschuken bezeichnet wurden,
konnten die verlorenen Gebiete in Chorasan auch
nicht wieder gewinnen. Die Generäle von Sultan
Sandschar bekriegten sich gegenseitig und der
Einfluss der Charasm-Schahian wurde immer
größer. Im Jahre 1194 (590 hq) wurde der letzte
Seldschukenherrscher, der den Namen Togrol trug,
Tschehel-dochteran-Turm,
Imamsadeh Dschafar,
Damghan
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geschichte
in einem Krieg mit Takesch Charasm-Schah,
getötet und damit endete ihre Dynastie in Iran.
Die Assassaniden
Die turkstämmigen Seldschuken waren Sunniten,
obwohl ein Teil der iranischen Bevölkerung
ismaelitische Schiiten waren. Eine Gruppe spaltete
sich unter der Führung von Hassan Sabbah ab,
die die Sunniten als Ungläubige ansah und einen
Kampf gegen die Seldschuken begann. Im Jahre
1090 (483 hq) errichteten sie nördlich von Qazwin
am Fuße des Elbursgebirges eine Burg, die heute
als Alamut-Bergfestung bekannt ist. Ihre
Herrschaft als eine lokale Dynastie dauerte 160
Jahre und sie ermordeten einige wichtige
Persönlichkeiten der damaligen Zeit. Sie
bezeichneten sich als Fadajin, d. h.
Selbstopfernde.
Bedeutende Persönlichkeiten in der Zeit der
Seldschuken
In der Regierungszeit dieser Dynastie gab es zwei
wichtige Persönlichkeiten, die eine entscheidende
Rolle für das Aufblühen von Kunst und
Wissenschaft spielten. Der erste war der
Großwezir von Malek-Schah, Nezam ul-Mulk,
und der andere Imam Muhammad al-Ghazzali. In
dieser Zeit entwickelten sich die persische und
arabische Literatur sehr stark. Besonders bekannt
unter den persischsprachigen Dichtern dieser Zeit
ist Omar Chajjam, aber auch Anwari, Sanai,
Nezami und auch al-Ghazzali sind bedeutend.
Omar Chajjam war nicht nur ein Dichter sondern
auch ein Astronom und Mathematiker. Seine
Bücher wurden ins Englische, Französische und
Deutsche übersetzt. Die Gedichte dieses Gelehrten
waren in England im 19. Jahrhundert nach der
Bibel das meistverkaufte Buch. Georg Sarton
widmete in seiner „Einführung in die Geschichte
der Wissenschaft“ alle 50 Jahre einem
bedeutenden Forscher und die zweite Hälfte des
11. Jahrhunderts benannte er nach ihm. Chajjam
war einer der größten Mathematiker des
Mittelalters. Er löste Gleichungen ersten, zweiten
und dritten Grades. Er verfasste ein Buch
„Algebra“, bekannt wurde auch sein Werk
„Probleme der Mathematik“. Nach der Eroberung
Persiens durch die Araber wurde der islamische
Mondkalender verwendet. Malek Schah
beauftragte den Gelehrten einen islamischen
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Sonnenkalender zu berechnen. Er wird seither im
Iran verwendet und das neue Jahr fängt mit dem
Frühlingsbeginn, Nouruz, an.
Chadsche Nezam ul-Mulk, der der islamischen
Rechtsschule der Schafiiten angehörte, wurde im
Jahre 1018 (408 hq) bei Tus in der Nähe von
Maschhad geboren. Er gründete in verschiedenen
großen Städten wie Bagdad, Basra, Neischabur,
Balch, Isfahan und Herat Schulen und große
Bibliotheken, die nach ihm benannt wurden. In
ihnen wurden die islamischen Wissenschaften
unterrichtet, die damals unter der Bevölkerung
sehr beliebt waren. Die berühmtesten Schulen
befanden sich in Neischabur und besonders in
Bagdad, wo 6000 Schüler unterrichtet wurden,
die auch dort lebten. Die Finanzierung erfolgte
durch eine Stiftung, die über Badehäuser, Bazare
und Geschäfte verfügte. Nezam ul-Mulk verfasste
auch einen berühmten Ratgeber für Herrscher
über Politik, das Siasatnameh. Er wurde im Alter
von 77 Jahren ermordet, sein Grab befindet sich
in Isfahan im Ahmadabadviertel, wo auch acht
Seldschukenkönige begraben wurden.
Imam Muhammad Ghazzali, wurde im Jahre 1058
(450 hq) oder 1059 (451 hq) ebenfalls in Tus
geboren. Er war auch ein Schafiite und ein großer
islamischerTheologe und Philosoph. Im Alter von
28 Jahren wurde er bereits zum Professor. Er
beherrschte die verschiedenen Wissenschaften
seiner Zeit und unterrichtete in der Nezamije in
Neischabur. Danach lebte er in Bagdad. In Syrien
machte er im Altern von 39 Jahren eine geistige
Revolution durch: Soziale Unterdrückung und die
Ungerechtigkeit der Herrscher waren die Gründe,
dass er sich von der Gesellschaft zurückzog und
dem Sufismus zu wand. Er spendete sein
Vermögen den Bedürftigen und reiste auch nach
Jerusalem und Ägypten, um die Gräber heiliger
Persönlichkeiten zu besuchen. Er verfasste
zahlreiche Bücher. Später kehrte er nach Tus
zurück, wo er 1111 (505 hq) im Alter von 55
Jahren starb.
Die Zeit der Seldschuken war eine Periode des
Aufblühens des islamischen Sufismus. Unter den
bekanntesten Meistern der damaligen Zeit waren
außer al-Ghazzali Chadsche AbdullahAnsari, und
Abu Said Abul-Chair. Wegen ihrer teilweise
extremenAnsichten wurden einige Sufis von den
Muftis der damaligen Zeit zum Tode verurteilt.
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