Abstract - GI-Oncology 2017

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Genetik, Screening und Behandlung von erblichen GI Tumorsyndromen. Chemoprävention, Endoskopie, prophylaktische Chirurgie
und gezielte Therapien.
Dr. med. Karsten Schulmann
Klinikum Arnsberg, St. Johannes-Hospital, Klinik für Innere Medizin
Hereditäre Tumordispositions-Syndrome des Gastrointestinaltraktes
Die Bedeutung der Erkennung eines hereditären Tumordispositions-Syndroms ist
sowohl für den betroffenen Patienten selbst als auch für die Familienangehörigen
von grundlegender Bedeutung. Mit der Ausnahme der multiplen adenomatösen
Polyposis (MAP; s.u.) handelt es sich um autosomal dominant vererbbare
Erkrankungen. Dies bedeutet, dass erstgradige Verwandte (Kinder, Geschwister und
Eltern) mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% ebenfalls Anlageträger für diese
Tumordisposition sind. Sie werden deshalb auch als "Risikopersonen" bezeichnet.
Durch
die
Aufdeckung
erkrankungen
ist
es
der
genetischen
heute
in
den
Grundlagen
betroffenen
erblicher
Familien
Darmkrebsmöglich,
mit
molekulargenetischen Methoden festzustellen, ob ein Angehöriger die Tumordisposition geerbt hat, noch bevor sich Krankheitssymptome entwickeln. Dadurch
kann die engmaschige Tumorvorsorge auf die tatsächlichen Anlageträger beschränkt
werden. Risikopersonen, die die Tumordisposition nicht geerbt haben, tragen im
Vergleich zur Allgemeinbevölkerung kein erhöhtes Krebsrisiko.
Im
aktuellen
Vortrag
soll
auf
Früherkennungsmöglichkeiten,
Optionen
der
Chemoprävention, prophylaktische Chirurgie und Besonderheiten der Therapie
fokussiert werden.
Hereditäre Darmkrebs-Syndrome
Die häufigsten hereditären Tumordispositions-Syndrome des Gastrointestinal (GI)Traktes beziehen in erster Linie bösartige Erkrankungen des Dickdarmes mit ein.
Das kolorektale Karzinom (KRK) stellt mit etwa 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr
die zweithäufigste Tumorentität in Deutschland dar. Etwa 2-5% aller KRK entstehen
auf dem Boden einer im engeren Sinne erblichen Krebsdisposition. Die häufigste
Form des hereditären KRK ist das HNPCC-Syndrom. Seltener ist die Familiäre
Adenomatöse Polyposis (FAP), wobei HNPCC etwa 5mal häufiger als FAP ist. Sehr
1
selten sind dagegen die hamartomatösen Polyposis-Syndrome (Peutz-JeghersSyndrom und Familiäre Juvenile Polyposis), die ebenfalls mit einem erhöhten Risiko
für KRK einhergehen. Vor wenigen Jahren wurde eine autosomal rezessiv erbliche
multiple adenomatöse Polyposis (MAP) identifiziert. MAP kommt häufig als
Differentialdiagnose zu HNPCC und der attenuierten Form der FAP in Betracht.
Einen Überblick gibt Tabelle 1. Neben einem erhöhten Risiko für KRK besteht bei
fast allen Krankheitsbildern ein zusätzlich erhöhtes Risiko extrakolonischer
Neoplasien.
Lynch-Syndrom (Hereditäres nicht-polypöses kolorektales Karzinom; HNPCC)
Einführung:
Das
Lynch-Syndrom
ist
eine
autosomal
dominant
vererbte
Tumordisposition mit hoher Penetranz (bis 80%), die für 2-5% aller KRK
verantwortlich ist. Charakteristisch ist das frühe Auftreten von überwiegend
rechtsseitig lokalisierten kolorektalen Karzinomen, das Auftreten von syn- und
metachronen
kolorektalen
Karzinomen
sowie
von
Karzinomen
anderer
Organlokalisationen. Die Diagnose kann klinisch gestellt werden, wenn in der Familie
des Patienten die so genannten Amsterdam-I- oder -II-Kriterien erfüllt sind. In
populationsbasierten Studien erfüllt die Mehrzahl der Lynch-Syndrom-Patienten nicht
die Amsterdam-Kriterien. Der Personenkreis, bei dem möglicherweise ein LynchSyndrom vorliegen könnte, wird durch die "revidierten Bethesda-Kriterien" definiert.
Ursache des Lynch-Syndrom ist eine Keimbahnmutation in einem der MismatchReparatur (MMR)-Gene (MSH2, MLH1, MSH6, PMS2, EPCAM).
Tumorrisiko: Mutationsträger haben ein Risiko von bis zu 40-70% ein KRK zu
entwickeln. Das Endometriumkarzinomrisiko wird mit 20-60% angegeben. Zusätzlich
ist das Risiko für Karzinome des Ovar (6-13%), des Magens (2-7%), der ableitenden
Harnwege (6-10%) und des Dünndarmes (4-12%) erhöht. Pankreaskarzinome oder
biliäre Karzinome treten mit einem Lebenszeitrisiko von etwa 4% auf. Selten treten
Hauttumoren (Muir-Torre-Syndrom), Hirntumoren (Turcot-Syndrom) auf. Neuerdings
werden leicht erhöhte Erkrankungsrisiken für Prostata- und Mammakarzinome
beschrieben.
Früherkennung: Aufgrund eines im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung häufig
jüngeren Erkrankungsalters sollte ab 25 Jahren jährlich eine Koloskopie und bei
Frauen eine gynäkologische Untersuchung inklusive transvaginalem Ultraschall
durchgeführt werden. Ab dem 35. Lebensjahr werden darüber hinaus eine
2
regelmäßige
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie
(ÖGD)
und
eine
jährliche
Endometriumbiopsie empfohlen. Mehrere Studien belegen die mögliche Senkung der
Inzidenz und Mortalität für das HNPCC-assoziierte KRK durch regelmäßige
Koloskopien.
Die
Früherkennungskoloskopie
führt
zu
einer
günstigeren
Stadienverteilung der Tumoren und damit verbunden zu einer besseren Prognose
der Patienten. Jedoch werden bei dreijährigen Koloskopien Intervallkarzinome
beobachtet, so dass derzeit jährliche Koloskopien empfohlen werden. Die Daten zu
Früherkennungsuntersuchungen bzgl. der extrakolonischen Tumoren erlauben
bisher keine abschließende Einschätzung ihrer Effektivität.
Prophylaktische Chirurgie: Aufgrund des hohen Endometriumkarzinomrisikos ist
mit der Patientin bei abgeschlossener Familienplanung oder postmenopausalem
Status die prophylaktische Hysterektomie (ggf. auch bilaterale Adenektomie) als
Alternative zur gynäkologischen Vorsorge zu diskutieren. Der Eingriff sollte nur bei
gesicherter Anlage (pathogene Mutation oder positive HNPCC-Tumoranamnese mit
Nachweis
einer
hochgradigen
Mikrosatelliteninstabilität)
erfolgen.
Eine
rein
prophylaktische Kolektomie ohne Karzinomnachweis soll nicht erfolgen. Eine
erweiterte Resektion (z.B. subtotale Kolektomie) sollte bei Karzinomnachweis nicht
regelhaft erfolgen, kann aber als individuelle Entscheidung bei ausgewählten
Patienten indiziert sein.
Chemoprävention: Eine medikamentöse Prävention sollte nicht durchgeführt
werden. Zur Chemoprävention beim Lynch-Syndrom liegen bisher nur Daten einer
prospektiv randomisierten Studie vor. Die CAPP2-Studie hat in einem 2x2-Design
den Einsatz von 600 mg Acetylsalicylsäure und von nicht resorbierbarer Stärke
geprüft. Die primäre Analyse der definierten Endpunkte ergab keinen Nachweis eines
signifikanten Effektes von ASS. Nach einem längeren Follow-up von 55,7 Monaten
fand sich für die Subgruppe von Patienten, die 600 mg ASS für mindestens 2 Jahre
eingenommen hatten eine signifikante Senkung der Inzidenz kolorektaler Karzinome
(HR 0,41, p=0,02) sowie eine nicht signifikante Senkung von anderen LynchSyndrom-assoziierten Karzinomen (HR 0,47, p=0,07). Die untersuchte ASS Dosis
erscheint mit 600 mg hoch, mit entsprechend zu befürchtender erhöhter
Nebenwirkungsrate. Die Effektivität niedrigerer ASS-Dosen ist derzeit für LynchSyndrom-Patienten nicht geklärt und soll in einer Nachfolgestudie (CAPP-3)
untersucht werden. Es sollte angestrebt werden, möglichst viele Patienten in diese
Studie einzuschließen. Bis die Ergebnisse dieser Studie vorliegen, sollte keine
3
allgemeine medikamentöse Prävention mit ASS bei Patienten mit Lynch-Syndrom
erfolgen.
Therapie: Patienten mit einem MMR-defizienten KRK, wie es für Lynch-syndromassoziierte Tumoren typisch ist, weisen eine bessere Prognose als KRK mit intaktem
MMR-System auf. Patienten im Stadium IIA scheinen nicht von einer adjuvanten 5FU-basierten Chemotherapie zu profitieren. Im Stadium III sollte analog zu
sporadischen KRK eine adjuvante Kombinationschemotherapie (FOLFOX oder
XELOX) erfolgen.
Familiäre Adenomatöse Polyposis (FAP)
Die FAP ist eine autosomal dominant vererbte Erkrankung, die für weniger als 0.5%
aller KRK verantwortlich ist. Die Diagnose einer klassischen FAP kann gestellt
werden, wenn im Kolorektum mehr als 100 Adenome auftreten. Bei familiär
bekannter FAP ist die Diagnose auch zu stellen, wenn bei jüngeren Patienten
weniger als 100 Polypen vorliegen. Ursächlich ist eine Keimbahnmutation des APCGens.
Tumorrisiko
und
FAP-assoziierte
Läsionen:
Das
KRK-Risiko
bei
nicht
behandelten FAP-Patienten beträgt praktisch 100%. Zusätzlich entwickeln 70-90%
aller FAP-Patienten multiple, oft flache Adenome des oberen GI-Traktes (Magen,
Duodenum, Papilla Vateri). Drüsenkörperzysten des Magens werden bei 40% der
Patienten gefunden; diese sind jedoch nicht mit einem erhöhten Karzinomrisiko
verbunden. Magenadenome werden in 5-10% der Patienten diagnostiziert. Das
Risiko für Magenkarzinome ist statistisch nicht erhöht, wohingegen Duodenal- und
Papillenkarzinome die Haupttodesursache bei kolektomierten FAP-Patienten sind.
Der Schweregrad der Polyposis des oberen GI-Traktes wird durch die SpigelmanKlassifikation beschrieben. Das Risiko für ein Karzinom des oberen GI-Traktes ist im
Spigelman-Stadium IV deutlich erhöht. Von erheblicher Morbidität sind Desmoide,
die in 10-20% aller FAP-Patienten auftreten. Desmoide sind semimaligne, lokal
infiltrativ wachsende Tumoren, die vor allem intraabdominell in der Mesenterialwurzel
auftreten und durch das lokale aggressive Wachstum und eine hohe Rezidivneigung
oft schwierig zu behandeln sind. Nach prophylaktischer Kolektomie stellen Desmoide
und Karzinome des oberen GI-Traktes die häufigsten krankheitsassoziierten
Todesursachen bei FAP dar. Weiterhin werden Zahn-/Kieferanomalien, Osteome
(meist mandibulär) und Epidermoidzysten beobachtet. Sehr selten (Risiko <1%)
4
kommt es zu Hepatoblastomen und Medulloblastomen, die sich dann aber bereits im
frühen Kindesalter manifestieren. Auch das Risiko für Schilddrüsenkarzinome ist
gegenüber der Normalbevölkerung erhöht. Schilddrüsenkarzinome treten vor allem
bei weiblichen Anlageträgern zwischen dem 15. und bis zum 50. Lebensjahr auf.
Früherkennung: Wenn der Mutationsstatus unklar ist oder die familiär bekannte
Mutation nachgewiesen werden konnte, ist ab dem 10.-12. LJ jährlich eine
Rektosigmoidoskopie durchzuführen. Bei erstmaligem Nachweis von Adenomen ist
nachfolgend
mindestens
Erstuntersuchung
des
jährlich
oberen
eine
Koloskopie
GI-Traktes
ist
durchzuführen.
spätestens
bis
zum
30.
Eine
LJ
durchzuführen. Bei unauffälligem Befund wird ein Intervall von drei Jahren
empfohlen. Bei Nachweis von Adenomen ist das Intervall in Abhängigkeit vom
Schweregrad
auf
1-2
Jahre
zu
verkürzen.
Ab
dem
15.
LJ
kann
eine
Schilddrüsensonographie erwogen werden.
Therapie:
Therapie
der
Wahl
ist
die
prophylaktische,
kontinenzerhaltende
Proktokolektomie mit restaurativer ileo-pouch-analer Anastomose (IPAA). Bei
Patienten mit fehlendem oder nur leichtem Rektumbefall kann eine subtotale
Kolektomie mit Ileorektostomie eine sinnvolle Alternative sein. Der Zeitpunkt für eine
Operation richtet sich nach dem individuellen Befall und ist meist zwischen dem 18.
bis 25. Lebensjahr erforderlich. Nach subtotaler Kolektomie mit Belassen eines
Rektumstumpfes ist das Rektumkarzinomrisiko erhöht. Daher wird meist bereits
primär eine Proktokolektomie durchgeführt. Eine Chemoprävention wird nicht
allgemein empfohlen.
Die Behandlung einer Polyposis des oberen GI-Traktes ist komplex und die optimale
Vorgehensweise ist unklar. Bei schwergradigem Befall ist eine pankreaserhaltende
Duodenektomie
oder
auch
eine
partielle
Pankreatoduodenektomie
indiziert.
Symptomatische Desmoide sollten initial mit Sulindac und Tamoxifen behandelt
werden.
Attenuierte FAP (AFAP)
Etwa 10% der FAP-Patienten weisen einen abgeschwächten Polypenbefall auf.
Typischerweise treten 10-100 Adenome im Dickdarm auf, allerdings können ältere
Patienten mehr als 100 Adenome aufweisen. Die Adenome treten vor allem im
rechten Hemikolon auf. Die Erkrankung wird meist nach dem 45. Lebensjahr
diagnostiziert. Das KRK-Risiko wird auf etwa 80% geschätzt. Keimbahnmutationen
5
des APC-Gens lassen sich in 20-30% aller Patienten mit AFAP nachweisen.
Extrakolonische Manifestationen können wie bei der klassischen FAP auftreten.
Daher sind weitere Untersuchungen wie bei der FAP durchzuführen. Eine Kolektomie
ist nur bei endoskopisch nicht beherrschbarer Polyposis durchzuführen.
MYH-assoziierte Polyposis (MAP)
Die MYH-assoziierte Polyposis (MAP) ist eine autosomal rezessiv vererbte
Erkrankung, die durch das Auftreten multipler kolorektaler Adenome und Karzinom
charakterisiert ist. Die Differentialdiagnose zur AFAP ist oft schwierig. Die
Familienanamnese ist häufig unauffällig. Die Erkrankung wird meist nach dem 45.
Lebensjahr diagnostiziert. Meist liegen zwischen 10 und 100 Adenome vor, einige
Patienten weisen jedoch mehr als 100 Adenome auf. Bei bis zu 20% der Patienten
wurde auch eine Duodenalpolyposis beschrieben. Eine Indikation zur MYH-Testung
besteht bei Nachweis von mehr als 10 Adenomen. Eine MYH-Testung erfolgt derzeit
meist bei einer FAP oder AFAP ohne Nachweis einer APC-Keimbahnmutation. In 1020% der Patienten mit fehlendem Nachweis einer APC-Mutation und in etwa 2% aller
KRK-Patienten mit Erstdiagnose vor dem 50. LJ
können biallelische MYH-
Mutationen nachgewiesen werden.
Früherkennung: Für biallelische Mutationsträger wird ab dem 18.-20. LJ eine
jährliche Koloskopie empfohlen. Ab dem 25.-30. LJ wird wie bei FAP eine ÖGD
empfohlen.
Prophylaktische Chirurgie: Eine Kolektomie sollte nur bei endoskopisch nicht
beherrschbarer Polyposis erfolgen.
Chemoprävention: Zur Chemoprävention gibt es keine Daten.
Peutz-Jeghers-Syndrom
Kennzeichnend für das seltene autosomal-dominant vererbte Krankheitsbild ist das
Auftreten
von
Pigmentflecken
charakteristischen
auf
Lippen-
Polypen
und
des
Gastrointestinaltraktes
Wangenschleimhaut.
Ursächlich
und
sind
Keimbahnmutationen im STK11-Gen. Die Diagnose kann klinisch gestellt werden
bei:
•
Zwei oder mehr Peutz-Jeghers-(PJ)-Polypen oder
•
1 oder mehr PJ-Polypen und mukokutane Pigmentationen oder
•
1 oder mehr PJ-Polypen und positive Familienanamnese.
6
Die Polypen entwickeln sich am häufigsten im Dünndarm, daneben aber auch im
Magen und Dickdarm. Die Dünndarmpolypen können zur Invagination mit
kolikartigen Schmerzen bis hin zum akuten Abdomen aufgrund eines Ileus führen.
Daneben besteht häufig eine chronische Blutungsanämie. Die Symptomatik
manifestiert sich meist bereits in der ersten und zweiten Lebensdekade.
Tumorrisiko: Peutz-Jeghers-Patienten haben ein deutlich erhöhtes Karzinomrisiko.
Bis zum 70. LJ entwickeln 80-90% der Patienten einen bösartigen Tumor. Im
Vordergrund stehen vor allem ab dem 40. LJ Karzinome des GI-Traktes und der
Mamma (Lebenszeitrisiko für Mammakarzinome 50%, Kolonkarzinome 40%,
Pankreaskarzinome 10%). Weiterhin treten Dünndarm- und Magenkarzinome,
seltener auch hepatobiliäre Tumoren auf. Das Risiko für gynäkologische Tumoren
liegt bei 15-20%.
Früherkennung: Früherkennungsprogramme sind aufgrund der Seltenheit nicht
Evidenz-basiert. Eine Empfehlung der John-Hopkins-Universität findet sich in den
Key-Slides. Das optimale Verfahren für die Dünndarmdiagnostik ist derzeit noch
unklar. An vielen Zentren wird primär eine Kapselendoskopie und MR-SellinkUntersuchung durchgeführt. Bei Auffälligkeiten besteht dann, je nach Lokalisation,
die Notwendigkeit einer Push-Enteroskopie oder Doppel-Ballon-Enteroskopie (DBE).
Die früher häufig erforderliche intraoperative Endoskopie ist durch die Einführung der
DBE deutlich seltener erforderlich. Ab dem 8.-10. Lebensjahr sollte eine ÖGD
erfolgen. Ab dem 18. LJ sollte eine jährliche gynäkologische Vorsorge und
Koloskopie
und ab dem 25. LJ eine jährliche Pankreas- und Brustkrebsfrüh-
erkennung erfolgen. Hier erscheint eine Endosonographie und CA19-9-Bestimmung
sowie eine Mamma-Sonographie oder -MRT sinnvoll. Die Betreuung von PeutzJeghers-Patienten sollte aufgrund der Seltenheit der Erkrankung in Zusammenarbeit
mit einem erfahrenen Zentrum erfolgen.
Prophylaktische Chirurgie: Eine prophylaktische bilaterale Mastektomie kann
analog den Familien mit BRCA-Mutationen mit Patienten diskutiert werden. Eine
prophylaktische Kolektomie der Gastrektomie kann bei endoskopisch nicht
beherrschbarer Polyposis indiziert sein.
Chemoprävention: In Tiermodellen und Einzelfallbeschreibungen sind COX2- und
mTOR-Inhibitoren erfolgversprechend. Belastbare klinische Studien liegen bisher
nicht vor.
7
Familiäre Juvenile Polyposis
Die Juvenile Polyposis kann klinisch diagnostiziert werden, wenn
•
mindestens fünf juvenile Polypen bei einem Patienten vorliegen oder
•
extrakolonische juvenile Polypen vorliegen oder
•
ein Polyp bei positiver Familienanamnese vorliegt.
Klinisch
stehen
bei
den
Patienten
eine
chronische
Blutungsanämie
und
Hypoproteinämie sowie eine damit verbundene Entwicklungsverzögerung im
Vordergrund.
Bzgl.
des
Alters
bei
Erstdiagnose
besteht
eine
breite
Schwankungsbreite vom Neugeborenalter bis ins mittlere bis hohe Erwachsenenalter
hinein. Ursächlich sind Keimbahnmutationen im SMAD4- und BMPR1A-Gen.
Tumorrisiko: Patienten mit Familiärer Juveniler Polyposis haben ein Risiko von 2060%, bis zu ihrem 60. Lebensjahr an einem Kolonkarzinom zu erkranken. KRK
werden im Mittel im Alter von 34 Jahren diagnostiziert. Zusätzlich besteht
wahrscheinlich ein erhöhtes Risiko für Magen- und Duodenalkarzinome. Das
Vorsorgeprogramm sollte risikoadaptiert anhand der in der Familie aufgetretenen
Erkrankungen und deren klinischen Erscheinungsbild erarbeitet werden. Die
Betreuung von Patienten mit Juveniler Polyposis sollte aufgrund der Seltenheit der
Erkrankung in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Zentrum erfolgen.
Prophylaktische Chirurgie: Eine prophylaktische Kolektomie der Gastrektomie
kann bei endoskopisch nicht beherrschbarer Polyposis indiziert sein.
Chemoprävention: Zur Chemoprävention gibt es keine Daten.
Hereditäres Magenkarzinom
Charakteristika: In Deutschland erkranken jährlich etwa 19.500 Menschen an einem
Magenkarzinom. Etwa 5-10% aller Magenkarzinome treten familiär auf. Hier sind in
erster Linie die familiären Darmkrebs-Syndrome zu nennen. Sowohl bei HNPCC, als
auch
bei
FAP,
Peutz-Jeghers-Syndrom
und
Juveniler
Polyposis
können
Magenkarzinome auftreten. Davon abzugrenzen ist das seltene hereditäre diffuse
Magenkarzinom (Hereditary Diffuse Gastric Cancer; HDGC). Charakteristisch für
HDGC ist das multifokale Auftreten von Magenkarzinomen vom diffusen Typ nach
Lauren. Ursächlich sind Keimbahnmuationen im CDH1-Gen. Diagnosekriterien sind
durch die
International Collaborative Group on Hereditary Gastric Cancer 2010
revidiert worden:
8
•
2 Magenkarzinome, davon mind. 1 diffuses Magenkarzinom vor dem 50.LJ
•
3 histologisch gesicherte diffuse Magenkarzinome in FDR bei Verwandten 1°
oder 2°, unabhängig vom Alter
•
Diffuses Magenkarzinom vor dem 40. LJ
•
Eigenanamnese oder Familienanamnese eines diffusen Magenkarzinoms und
eines lobulären Mammakarzinoms, davon mind. 1 vor dem 50. LJ
Tumorrisiko: Das Lebenszeitrisiko für E-Cadherin-Mutationsträger, bis zum 70.
Lebensjahr ein diffuses Magenkarzinom (Siegelringzellkarzinom) zu entwickeln, wird
auf 80% geschätzt. Das mittlere Erkrankungsalter beträgt 40 Jahre. Weiterhin ist das
Risiko für lobuläre Mammakarzinome auf 40% erhöht. Das Risiko für ein
fortgeschrittenes Magenkarzinom vor dem 20. LJ liegt bei unter 1% und bei 4% bis
zum 30. LJ.
Früherkennung, Prophylaktische Gastrektomie: Eine Vorsorgegastroskopie ist die
einzige mögliche Vorsorgeuntersuchung. Sie wird ab dem 15. Lebensjahr empfohlen.
Der Nutzen einer engmaschigen gastroskopischen Vorsorge hinsichtlich einer
Reduzierung der Morbidität und Mortalität ist bisher jedoch nicht belegt. Bei allen
Patienten, die im Rahmen einer prophylaktischen Gastrektomie operiert wurden
fanden sich im Resektat multiple T1-Tumorfoci. Eine prophylaktische Gastrektomie
ist daher für gesicherte CDH1-Anlageträger ab dem 20. Lebensjahr zu diskutieren.
Eine Betreuung dieser Patienten sollte in erfahrenen Zentren erfolgen.
Chemoprävention: Zur Chemoprävention gibt es keine Daten.
Familiäres Pankreaskarzinom
Ein erhöhtes Pankreaskarzinomrisiko wird bei einer Reihe von hereditären
Syndromen beobachtet, bei denen das Pankreaskarzinom nicht zu den führenden
Merkmalen gehört. Davon abzugrenzen ist das familiäre Pankreaskarzinom (FPC).
Ein FPC liegt vor, wenn in einer Familie bei zwei oder mehr Verwandten ersten
Grades ein histologisch gesichertes Pankreaskarzinom vorliegt und eines der o.g.
Syndrome nicht vorliegt. Das mittlere FPC-Erkrankungsalter unterscheidet sich - im
Gegensatz zu den meisten anderen erblichen Tumoren - nicht signifikant vom Alter
der sporadischen Fälle. Eine prospektive Studie aus Deutschland konnte zeigen,
dass zwischen 1-3% aller Pankreaskarzinompatienten die FPC-Kriterien erfüllen. In
der Mehrzahl der Fälle liegt ein autosomal-dominanter Erbgang vor. Die Penetranz
ist variabel. Bei Rauchern aus Familien mit FPC ist das Erkrankungsrisiko etwa 29
3fach erhöht und das Alter bei Erstdiagnose ist etwa 10 Jahre früher als bei
Nichtrauchern. Bisher konnte für das FPC kein Gen identifiziert werden, das die
Mehrzahl der Erkrankungen erklärt. In 6-17% bzw. 1-3% aller FPC-Familien lassen
sich BRCA2- bzw. PALB2-Keimbahnmutationen nachweisen.
Tumorrisiko: In einer prospektiv durchgeführten Studie fand sich für Verwandte
ersten Grades von PC-Patienten aus Familien, bei denen zwei Angehörige an PC
erkrankt waren, ein 18-fach und für Familien mit drei und mehr PC-Patienten ein 57fach erhöhtes relatives Risiko
Früherkennung: Die Effektivität von Früherkennungsuntersuchungen ist bisher nicht
belegt. Die wenigen publizierten Fallserien wurden aus spezialisierten Zentren
berichtet. Die größte Sensitivität der Einzelverfahren hatte der EUS. Der Nutzen
eines Früherkennungsprogrammes ist hinsichtlich einer Reduktion der Mortalität
bisher nicht belegt. Problematisch ist die möglicherweise hohe InterobserverVariabilität der endosonographischen Beurteilung des Pankreas bei HochRisikopatienten. Die einzige gesicherte Empfehlung für Risikopersonen ist der
Verzicht auf Nikotin.
Eine prophylaktische Pankreatektomie ist gegenwärtig nicht zu empfehlen.
Chemoprävention: Zur Chemoprävention gibt es keine Daten.
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