Abstracts 6. Jahrestagung Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. ����������������� ����������������� Manie und Depression Die soziale Dimension bipolarer Störungen gemeinsam mit Klinikum Nürnberg Bipolar Selbsthilfe Netzwerk e.V. Tagungsvorsitz Dr. Dr. Günter Niklewski Prof. Dr. Peter Bräunig 15. – 16. September 2006 Nürnberg, Georg-Simon-Ohm- Fachhochschule 2 DGBS e.V. Jahrestagung 2006 Inhalt Inhalt (Bei Redaktionsschluss vorliegende Abstracts) Physikalische Therapien FREITAG, 15.09. Satelliten Symposium S2 Update Valproat in der Behandlung bipolar affektiver Störungen. Ergebnisse einer Konferenz 10 Eröffnungsreferat Die soziale Dimension bipolarer Erkrankungen Wissenschaftliches Symposium DGBS e.V. Arbeitskreis Junge Wissenschaftler Neues aus der Forschung 3 Kombinationstherapie, Sicherheit und Verträglichkeit 10 3 Satelliten Symposium S3 Bipolare Störungen – Neue Aspekte aus Forschung und Therapie Einfluss der Schilddrüse auf die Entstehung und den Verlauf bipolarer Erkrankungen 3 Die Bedeutung infektiöser Erreger für neuropsychologische Störungen bei bipolaren Patienten 4 Lebensqualität bipolarer Patienten 4 Wissenschaftliches Symposium Psychologisch orientierte Forschung bei bipolaren Störungen Verlauf neuropsychologischer Leistungen bei Patienten mit affektiven Störungen 5 5 Welche Rolle spielt Stress bei bipolaren Störungen? 5 Stellenwert von Psychotherapie bei bipolaren Störungen Wissenschaftliches Symposium Die Altersdimension bipolarer Störungen Alterstypische Besonderheiten bipolarer Störungen im Kindes- und Jugendalter 10 5 6 6 Wissenschaftliches Symposium Streitgespräch zur psychiatrischen Diagnostik 6 Depression, Angst, Bipolar-II-Störung 6 Temperament, Persönlichkeit und Borderline Störung 7 Satelliten-Symposium S1 Behandlung akuter Krankheitsphasen bei bipolaren affektiven Störungen 7 Die psychotische Manie 7 Diagnostik und moderne Therapie der bipolaren Depression 8 SAMSTAG, 16.09. Wissenschaftliches Symposium Medikamentöse Therapiestrategien auf dem Prüfstand 9 Antidepressiva 9 Stimmungsstabilisierer 9 14 Neue Aspekte in der Therapie bipolarer Störungen Workshop 1 Einführung in die kognitive Verhaltenstherapie bei bipolaren Störungen 11 Workshop 3 Spezifische Gruppendynamik in Selbsthilfegruppen 12 Workshop 4 Wie gehe ich mit Psychopharmaka um? 12 Workshop 5 Paarbeziehungen und bipolare Störungen 13 Workshop 6 Grundfragen von Angehörigen. Habe ich ein Recht auf ein eigenes Leben? Wer stützt mich, dass ich bleiben kann? 13 Workshop 7 Bipolar und gesund zugleich 14 Workshop 8 Integrierte Versorgung. Erste Kooperationserfahrungen zwischen Klinik, Praxis und Selbsthilfe 15 Workshop 9 Psychotherapie vs. Pharmakotherapie 15 Workshop 10 Bipolare Notfälle. Schwer zu behandelnde Patientengruppen 16 Workshop 11 Alternative Therapien bei bipolaren Störungen 17 Workshop 12 Hyperaktivität vs. Manische Erkrankungsformen bei Kindern und Jugendlichen 17 Workshop 13 Wie fördere ich die Krankheitseinsicht eines bipolar Erkrankten? Wie erkläre ich die Erkrankung Außenstehenden? 17 Vortrag Suizid in der Literatur 18 Vorsitzende, Referenten und Moderatoren 19 DGBS e.V. Jahrestagung 2006 Freitag, 15.09. 9:00 – 10:00 Uhr Freitag, 10:30 – 12:00 Uhr Eröffnungsreferat Wissenschaftliches Symposium Die soziale Dimension bipolarer Erkrankungen DGBS e.V. Arbeitskreis Junge Wissenschaftler Vorsitz: G. Niklewski Neues aus der Forschung 3 Vorsitz: M. Bauer, D. van Calker J. Angst, A. Gamma, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich Bipolare Erkrankungen (BP) wurden allzulange nicht speziell diagnostiziert, erforscht und behandelt. Obwohl die BP bereits 1851 durch Falret als Krankheit konzipiert worden waren, vereinigte Kraepelin 1898 diese unglücklicherweise wieder mit der Depression zum „manisch-depressiven Irresein“ mit vergleichsweise guter Prognose. In der Folge begann die neuere internationale Forschung erst wieder 1966 und ist seither zunehmend in den Brennpunkt des Interesses gerückt. Heute werden bipolare Störungen in vielen Fällen erst nach 810 jähriger Erkrankung diagnostiziert, entsprechend weniger sachgemäss und mit deutlich höheren Kosten behandelt (McCombs 2006). Die globale subjektive und soziale Belastung durch die bipolare Krankheit ist viel schwerer als durch reine Depressionen, obwohl die WHO aufgrund überholter epidemiologischer Informationen die Gesamtbelastung (Burden) durch Depressionen im Jahre 2001 noch höher eingeschätzt hatte (2001-68130). Die epidemiologischen Untersuchungen der letzen 25 Jahre zeigten ursprünglich sehr niedrige Prävalenzraten (0.5-2%), diese werden neuerdings auf mindestens 5-6% revidiert, wobei longitudinale Untersuchungen eine bedeutende Rolle spielen. Diese berichten übereinstimmend über sehr hohe Prävalenzen von „major depressive episodes“ (18-24%), wobei aber die Erkennungsrate des bipolaren Anteils, abhängig von den diagnostischen Kriterien, zwischen 10, 20 und 50% schwankt; die Kriterien der diagnostischen Manuale für Hypomanie sind zu wenig sensitiv und Erweiterungen sind vorgeschlagen (Vieta et al.). Bipolare Störungen sind im Vergleich zu reinen Depressionen viel komplexer und in ihren sozialen Auswirkungen viel schwerer: früherer Erkrankungsbeginn als bei Depressionen (in der Mehrzahl zwischen dem 11. und 19. Altersjahr), doppelt so hohe Phasenhäufigkeit (d.h. kürzere Intervalle), viele Residualsymptome in den Intervallen, stärkere Chronifizierungsrate, höhere Suizidversuchsraten, mehr psychotische Symptome, anhaltende Aktivität der Störung i.d.R. bis ins hohe Alter, höhere Mortalität wegen Komorbidität mit Diabetes, cardio- und cerebro-vaskulären Erkrankungen, sowie eine Verkürzung der Lebensdauer um ca. 10 Jahre. Die Komorbidität mit anderen psychischen Störungen ist beträchtlich und beeinträchtigend: generalisierte Angsterkrankungen, Panik, Essstörungen, Zwangsstörungen und Substanzabusus (vor allem Alkoholabusus). Die Mortalität wird durch den Alkoholabusus gesteigert. Das körperliche und psychische Wohlbefinden wie auch die Lebensqualität sind beeinträchtigt. Ferner sind Scheidungsrate und Delinquenz erhöht. Wichtig ist, dass auch die milderen unterschwelligen bipolaren Störungen (Prävalenz ca. 9%) in vielen Aspekten die gleichen Folgen haben wie die schwereren Störungen. Einleitung Die Förderung der Forschung auf dem Gebiet der bipolaren Störungen zählt zu den zentralen Anliegen der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. (DGBS e.V.). Um diesem Ziel näher zu kommen, wurde im November 2005 der „DGBS Arbeitskreis Junge Wissenschaftler“ gegründet. Der Arbeitskreis strebt neben der Förderung jüngerer Wissenschaftler insbesondere eine intensivere Vernetzung der verschiedenen deutschen Forschungsaktivitäten und -gruppen an, um eine effizientere Ausnutzung der Kapazitäten im Bereich bipolarer Störungen zu ermöglichen. In diesem Symposium stellen Mitglieder des Arbeitskreises ihre Forschungsprojekte vor. Einfluss der Schilddrüse auf die Entstehung und den Verlauf bipolarer Erkrankungen Th. Stamm, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Campus Mitte (CCM) Dass es eine bedeutende Schnittmenge von Symptomen von Schilddrüsen- und affektiven Erkrankungen gibt, ist seit über hundert Jahren bekannt. Erst seit ca. 40 Jahren werden Schilddrüsenhormone jedoch auch systematisch bei der Behandlung von affektiven Erkrankungen erforscht. Symptome wie Interessenverlust, motorische und psychische Verlangsamung, gedrückte Stimmung, Konzentrationsverlust, Obstipation und Lethargie sind gemeinsame Symptome sowohl einer Schilddrüsenunterfunktion wie auch der Depression. Zudem scheint vor allem bei komplizierten Verläufen der bipolaren Erkrankung (Rapid Cycling) überzufällig häufig eine (subklinische) Hypothyreose vorhanden zu sein. Das in der inneren Medizin am häufigsten zum Ausgleich von Schilddrüsenunterfunktionen eingesetzte Hormon L-Thyroxin ist dabei aktuell Gegenstand unserer Forschung. In vielen offenen Studien konnte es seine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit bei der Depressions-, aber auch phasenprophylaktischen Behandlung zeigen. Allerdings gibt es bisher keine doppelblinde, placebokontrollierte Studie, die einen wissenschaftlichen Beweis dafür liefern könnte. Diese Lücke schließen wir zur Zeit durch eine seit 2004 laufende, von der Stanley-Foundation geförderte Studie zur Wirksamkeit von L-Thyroxin in der Behandlung der bipolaren Depression, die an mehreren Zentren in 4 DGBS e.V. Jahrestagung 2006 Deutschland und den USA durchgeführt wird. Neben diesem klinischen Aspekt interessieren wir uns in der psychiatrischen Klinik der Charité auch für die zugrunde liegenden Mechanismen der Schilddrüsenhormonwirkung. Zum einen führen wir, mit dem Einverständnis unserer Patienten, dazu genetische Untersuchungen durch, die nach Mutationen im Schilddrüsenhormonrezeptor fahnden. Außerdem wollen wir durch elektrophysiologische Untersuchungen (akustisch evozierte Potentiale: eine Form des EEG´s) und durch bildgebende Verfahren wie PositronenEmissionstomographie (PET) und Magnetresonanztomogr aphie/spektroskopie (MRT/MRS) Veränderungen im Gehirn durch die Hormonbehandlung erfassen. In Kooperation mit Prof. Vennström aus Stockholm untersuchen wir außerdem genetisch veränderte Mäuse (mTRα1knock-in), die durch eine Veränderung im Schilddrüsenhormonrezeptor deutlich ängstlich und verhaltensauffällig wurden. Literatur Bauer M, Berghofer A, Bschor T, Baumgartner A, Kiesslinger U, Hellweg R, Adli M, Baethge C, Muller-Oerlinghausen B. Supraphysiological doses of L-thyroxine in the maintenance treatment of prophylaxis-resistant affective disorders. Neuropsychopharmacology. 2002 Oct;27(4):620-8 Bauer M, Whybrow PC. Thyroid hormone, neural tissue and mood modulation. World J Biol Psychiatry. 2001 Apr;2(2):59-69 Bauer M, London ED, Rasgon N, Berman SM, Frye MA, Altshuler LL, Mandelkern MA, Bramen J, Voytek B, Woods R, Mazziotta JC, Whybrow PC. Supraphysiological doses of levothyroxine alter regional cerebral metabolism and improve mood in bipolar depression. Mol Psychiatry. 2005 May;10(5): 456-69. Die Bedeutung infektiöser Erreger für neuropsychologische Störungen bei bipolaren Patienten S. I. Gerber¹, G. Valerius², L. O. Schaerer¹, N. C. Biedermann¹, S. Dittmann³, H. Grunze³ und J. M. Langosch¹ ¹Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Freiburg, ²Zentralinstitut für seelische Gesundheit Mannheim, ³LudwigMaximilians-Universität München Hintergrund: Infektiöse Erreger wie Herpes Simplex Virus Typ 1 und 2 (HSV-1, -2), Zytomegalievirus, Toxoplasma gondii, Bornavirus und Retroviren gewinnen für die Pathogenese psychiatrischer Erkrankungen zunehmend an Bedeutung (Yolken et al. 1995, Leweke et al. 2004). In den USA wurde bereits bei schizophrenen und bipolaren Patienten ein Zusammenhang von verminderter kognitiver Leistungsfähigkeit und HSV-1 nachgewiesen (Dickerson et al. 2003, 2004). Ziel unserer Studie war es, den Antikörper-Status in Hinblick auf die kognitive Funktion bei bipolaren Patienten mit den Daten gesunder Kontrollprobanden sowie unter demographischen Gesichtspunkten zu vergleichen. Methode: Die Studie umfasste Blutabnahmen zur Antikörperanalyse, klinische Interviews (PANNS, HAMD-21, YMRS), eine kognitive Testbatterie (Repeatable Battery for the Assessment of Neuropsychological Status, Trail Making Test TMT, Letter Number Sequencing Test LNST und HA- WIE-R-Untertest Allgemeines Wissen) und zwei Tests zur Erfassung von Lebensqualität und sozialer Funktionsfähigkeit (Social Adjustment Scale SAS und Lancashire Quality of Life Profile LQLP). Die Ergebnisse wurden mit der Prävalenz der Antikörper verglichen und auf psychopharmakologische Effekte überprüft. Ergebnisse: Wir untersuchten 30 Patienten sowie 20 Kontrollpersonen. Bei allen getesteten kognitiven Funktionen (Sofort-Gedächtnis, Figurales Gedächtnis, Sprache, Aufmerksamkeit, Langzeit-Gedächtnis, TMT, LNST und HAWIE-R) bestehen signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Dies ist mit gravierenden Einbußen von Lebensqualität und sozioökonomischem Status verbunden. Dabei waren verminderte Leistungen im Kurzzeitgedächtnis, in der Sprache und bei der Aufmerksamkeit sowie im LNST und im HAWIE-R mit HSV-1 assoziiert. Die Seroprävalenzraten beider Gruppen unterschieden sich nicht. Schlussfolgerung: Die kognitive Leistungsfähigkeit der bipolaren Patienten ist signifikant vermindert und bedingt eine geringere Lebensqualität. Dies ist für die Teilbereiche Sprache, Aufmerksamkeit und Kurzzeitgedächtnis mit HSV1 assoziiert. Ein Einfluss von Stimmung und Medikation auf die Testergebnisse besteht größtenteils nicht. Eine antivirale Therapie könnte eine mögliche Konsequenz dieser Erkenntnisse sein, um sowohl das Auftreten als auch das Fortschreiten kognitiver Defizite bei bipolaren Patienten zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern und die soziale Integration sowie die Lebensqualität dieser Menschen entscheidend zu erhöhen. Die Entwicklung eines Impfstoffes gegen HSV-1 stellt eine weitere Hoffnung dar, die Lebenssituation bipolarer Patienten zu verbessern. Literatur: § Dickerson F, Boronow JJ, Stallings C, Origoni A, Cole S, Krivogorsky B and Yolken: Infection with herpes simlex virus type 1 is associated with cognitive deficits in bipolar disorder. Biol Psychiatry 2004; 55:588-593. § Leweke FM, Gerth CW, Koethe D, Klosterkotter J, Ruslanova I, Krivogorsky B, Torrey EF, Yolken RH: Antibodies to infectious agents in individuals with recent onset schizophrenia. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2004 Feb; 254(1):4-8. § Yolken RH, Torrey EF. Viruses, schizophrenia, and bipolar disorder. Clin Microbiol Rev. 1995 Jan; 8(1):131-45. Lebensqualität bipolarer Patienten J. M. Langosch1*, T. Drieling1, L. O. Schaerer1, N. C. Biedermann1, S. Gerber1, R. M. Post2 ¹Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Freiburg, 2Biological Psychiatry Branch, NIMH, Bethesda, MD, USA Zielsetzung: Bipolare Patienten und gesunde Kontrollpersonen wurden in Bezug auf soziale Funktionsfähigkeit mittels des „Life functioning questionnaire (LFQ)” untersucht. Methode: 32 ambulante bipolare Patienten wurden bei einer Eingangsuntersuchung und sechs Monate später untersucht. Die Ergebnisse wurden mit 32 gesunden Kontrollpersonen verglichen. Neben dem LFQ wurden depressive und manische Symptome erfasst. Der LFQ untersucht interpersonelle und instrumentelle Fähigkeiten. Ergebnisse: Deutliche interpersonelle Probleme berichte- DGBS e.V. Jahrestagung 2006 ten 47 % der Patienten, 39 % von ihnen hatten Schwierigkeiten bei der Berufstätigkeit oder bei der Bewältigung des Haushalts. Diese Ergebnisse bestätigten sich bei der zweiten Messung nach sechs Monaten. Die bipolaren Patienten unterschieden sich signifikant von den Kontrollpersonen in jeder untersuchten Kategorie. Beeinträchtigungen der sozialen Funktionsfähigkeit waren eindeutig depressiver Restsymptomatik zuzuordnen. Diskussion: Die bipolare Erkrankung war in unserer Stichprobe mit einer deutlichen Beinträchtigung der instrumentellen und interpersonellen Leistungsfähigkeit verbunden. Sogar nach Remission akuter Krankheitssymptome war die globale Funktionsfähigkeit etwas niedriger als bei den Kontrollpersonen. Besondere Aufmerksamkeit sollte auf eine vollständige Remission depressiver Symptome gelegt werden. Freitag, 13:00 – 14:00 Uhr 5 untersuchten kognitiven Funktionen feststellbar. Allerdings wiesen wieder die bipolaren Patienten im manischen Zustand die schlechteste Leistung (insb. bei den exekutiven Funktionen) auf. Die hier vorgestellte Untersuchung weist auf spezifische neuropsychologische Defizite bei Patienten mit affektiven Störungen hin, wobei sich neuropsychologische Defizite deutlich langsamer zurück bilden als die affektive Symptomatik. Bei bipolaren Patienten im manischen Zustand sind diese auch noch längerfristig objektivierbar. Welche Rolle spielt Stress bei bipolaren Störungen? Th. D. Meyer, Psychologisches Institut, Eberhardt Karls Universität Tübingen S. Gauggel1, S. Gruber1, K. Rathgeber2, P. Bräunig2 Neben pharmakologischen Behandlungsstrategien werden psychosoziale Interventionen im Kontext bipolarer Störungen zunehmend befürwortet und empirische Arbeiten unterstreichen deren Effektivität. Lange Zeit dominierten rein biologische Theorien, d.h. die bipolar affektiven Störungen seien primär „endogen“ und somit ausschließlich durch biologische Prozesse getriggert. Psychologische Faktoren wie z.B. Stress als potentielle Trigger für manische oder depressive Episoden wurden lange Zeit nicht untersucht. Ihre Rolle wurde als weitgehend unbedeutend eingeschätzt. Erst seit Ende der 80iger Jahre wird dies systematischer erforscht. Fragen, die sich hierbei oft stellen, sind, ob es spezifische Belastungen bzw. Stressoren gibt, die depressive und manische Zustände auslösen? Oder stimmt es, dass der Einfluss von Stress im Lauf der Erkrankung abnimmt und biologische Prozesse im Sinne eines ‚Kindling’ den Verlauf zunehmend bestimmen? Es soll versucht werden, auf solche Fragen Antworten zu geben und aufzuzeigen, wo Defizite in unserem Wissen bestehen und in welche Richtung die Forschung gehen kann, um mehr über das Entstehen affektiver Episoden im Rahmen bipolarer Störungen zu erfahren. Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen, 2Vivantes Humboldt-Klinikum Berlin-Reinickendorf Stellenwert von Psychotherapie bei bipolaren Störungen Wissenschaftliches Symposium Psychologisch orientierte Forschung bei bipolaren Störungen Vorsitz: Th. D. Meyer Verlauf neuropsychologischer Leistungen bei Patienten mit affektiven Störungen 1 In dem Vortrag werden die Ergebnisse einer Verlaufsuntersuchung mit Patienten mit einer affektiven Störung berichtet. Ziel der Studie war es, die Veränderungen kognitiver Funktionen (Gedächtnis, Aufmerksamkeit, exekutive Funktionen) vom Zeitpunkt der Entlassung aus der stationären Behandlung bis etwa acht Wochen nach der Entlassung zu dokumentieren. Zu diesem Zweck wurden 32 Patienten mit einer depressiven Episode, 18 bipolare Patienten im manischen Zustand und 22 bipolare Patienten im depressiven Zustand mit einer Reihe neuropsychologischer Testverfahren untersucht. Die drei Gruppen unterschieden sich zum Entlassungszeitraum in ihren kognitiven Leistungen. Bipolare Patienten im manischen Zustand zeigten dabei die schlechteste Leistung, vor allem in der Aufmerksamkeit, obwohl sich die Symptomatik über den stationären Aufenthalt deutlich zurückgebildet hatte. Bei der Follow-up-Untersuchung war bei allen drei Gruppen eine deutliche Verbesserung in den M. Hautzinger, Psychologisches Institut, Eberhardt Karls Universität Tübingen Bipolare Störungen sind eine rezidivierende psychische Störung, auf deren Verlauf neben krankheitsimmanenten und medikamentösen Faktoren, vor allem soziale und berufliche Belastungen, Stress, Lebensrhythmus, SchlafWach Rhythmus, Problembewältigung, Drogenkonsum, Krankheitsverständnis und Medikamentencompliance Einfluss nehmen. Diese Einflussfaktoren haben mit Wissen, Selbstwahrnehmung, Selbsteinschätzung, Verhalten und Verhaltenskontrolle zu tun. Sie stellen somit psychologische Einflussgrößen dar, die durch psychologische Interventionen beeinflussbar sind. Entsprechend ist die Rolle der Psychotherapie bei bipolaren Störungen eine, die auf das Krankheitswissen, das Krankheitsverständnis, die Einstel- 6 DGBS e.V. Jahrestagung 2006 lungen und Verarbeitungsprozesse, das Problemlöse- und Bewältigungsverhalten, die Selbstkontrolle, das SchalfWach Verhalten und die Alltagsgestaltung Einfluss nehmen will. Wesentliche Elemente dieser Interventionen sind daher Psychoedukation, Symptomwahrnehmung, Erkennen von Zusammenhängen von Reizen (Belastungen, Schlaf usw.) mit Symptomveränderungen, Wahrnehmen und Verändern von Risikofaktoren, Veränderung von Verhalten, Aufbau von Problemlöseverhalten, Aufbau von hilfreichem Bewältigungsverhalten und Selbstkontrolle, Veränderung von Einstellungen und Erklärungsmustern, Verbesserung der sozialen und interaktionellen Fertigkeiten, Stabilisierung und Normalisierung sozialer bzw. schlaf-wach Rhythmen, Bewältigung zwischenmenschlicher Konflikte. Es liegen inzwischen erste Psychotherapiekonzepte dazu vor, die auch empirisch evaluiert sind. Der Vortrag wird auf die Bedeutung und den Stellenwert von Psychotherapie bei manisch-depressiven Störungen eingehen und zeigen, dass durch Psychotherapie der Krankheitsverlauf günstig beeinflusst, die Hospitalisierungsraten gesenkt und die Rückfallhäufigkeit reduziert werden kann. Freitag, 15.09. 14:40 – 16:10 Uhr Wissenschaftliches Symposium Die Altersdimension bipolarer Störungen Vorsitz: G. Niklewski, J. Kornhuber Alterstypische Besonderheiten bipolarer Störungen im Kindesund Jugendalter H. Braun-Scharm, Virngrund-Klinik, Ellwangen Das Kindes- und Jugendalter ist die Altersspanne mit dem größten Entwicklungstempo. Auch qualitativ sind in diesem Altersbereich wesentliche Änderungen zu beobachten, wie z.B. die biologische Pubertät als Vorraussetzung des Erwachsenwerdens. Entwicklungspsychopathologie bzw. Entwicklungspsychiatrie sind zwei Begriffe, mit denen das Zusammentreffen von normalem Entwicklungs- und Reifeprozess und Krankheitsprozess als interferierende Prozesse beschrieben wird. Auch bipolare Störungen erhalten eine alterstypische Prägung dadurch, dass sie durch die gleichzeitig stattfindenden pubertären und postpubertären Prozesse des Jugendalters beeinflusst werden (biologische, psychosexuelle und soziale Formen des Wachsens, Entwicklung von Selbständigkeit, Autonomie und Selbstreflexion. Beginnende Loslösung von der Herkunftsfamilie und Neuorientierung in Form alternativer Beziehungsmöglichkeiten). Eine in anderen Altersgruppen nicht existente Differentialdiagnose ist deshalb die Unterscheidung von bipolaren Störungen als pathologischen Prozessen von pubertären Affektschwankungen als physiologischen Prozessen. Bipolare Störungen des Jugendalters gelten als Frühformen/ Frühmanifestationen bipolarer Störungen, in denen alle klassischen Symptome vorkommen, allerdings mit einer alterstypischen Gewichtung: Besonders häufig, bzw. besonders ausgeprägt im Jugendalter sind folgende Ausformungen bipolaren Störungen: ● Rapidcycling (4 Episoden/ Jahr) ● Ultra rapidcycling (4 Episoden/ Monat) ● Ultradiancycling (täglich/ mehrfach wechselnde Schwankungen) ● Mixedstates als Mischung von manischen, hypomanen und depressiven Symptomen oder der als Mischung von Persönlichkeits- und Temperamentszügen(„stürmisches Temperament“) und bipolaren Symptomen. ● Ein weiteres alterstypisches Problem ist der zum Teil exzessive Gebrauch illegaler Drogen (Cannabis, Kokain, etc.), seltener dagegen von Alkohol. Da nahezu alle bipolaren Jugendlichen schulpflichtig sind, ergibt sich bei schwerwiegendem Verlauf häufig eine ungünstige Auswirkung auf die Schulkarriere mit einer beeinträchtigenden Auswirkung auf die Ausbildungschancen. Eine positive Beeinflussung dieser Problematik ist in Einzelfällen nur durch geeignete stationäre Stettings möglich: Therapeutische Wohngruppen mit angegliederter Schule. Literaturangabe: Herpertz-Dahlmann et all, Entwicklungspsychiatrie, Schattauer-Verlag Stuttgart, 2003. Freitag, 15.09. 16:40 – 18:10 Uhr Wissenschaftliches Symposium Streitgespräch zur psychiatrischen Diagnostik Vorsitz: J. Angst, P. Bräunig Depression, Angst, Bipolar-IIStörung J. Angst, A. Gamma Psychiatrische Universitätsklinik Zürich Die Stigmatisierung von psychiatrisch Erkrankten ist weltweit ein ungelöstes Problem. Sie gründet primär auf einer dichotomen Unterscheidung zwischen krank und gesund. Dieses vereinfachende dichotome Denken in Gegensätzen wird den natürlichen Gegebenheiten keineswegs gerecht, obwohl es evolutiv sinnvoll ist, um Entscheidungen zu treffen. Das epidemiologische Problem «was ist ein Fall» ist deshalb bis heute ungelöst weil unlösbar, und die Krankheitsdefinitionen ändern sich fortlaufend. Statt einzig in kategorialen diagnostischen Kategorien zu denken, kann man leicht einen drei-dimensionalen Raum mit den Achsen Depression, Angst und Hypomanie modellieren. In diesem Raum nimmt jeder Mensch eine bestimmte durchschnittliche Position ein, d.h. jeder Mensch hat eine DGBS e.V. Jahrestagung 2006 7 gewisse Depressivität, Ängstlichkeit und Hypomanie. Diese Position, d.h. sein Befinden variiert während des Lebens ständig innerhalb eines gewissen Bereiches. Wie Blutdruck und Blutzucker kann man diese drei affektiven Dimensionen quantitativ erfassen, und es gibt analog auch fliessende Übergänge zwischen niedrigen und pathologischen Werten. Das dringend nötige Bewusstsein, dass wir alle mehr ähnlich als verschieden sind, und jeder von uns für kürzere oder längere Dauer auf einer Dimension pathologische Werte erreichen kann, entlarvt die einfache Trennung von gesund und krank als unwissenschaftlich und führt die Stigmatisierung auf Ignoranz zurück. Ein Mensch, der nicht zeitweise depressiv (nach einem schweren Verlust), ängstlich (in einer bedrohlichen Situation) oder euphorisch (im Zustand der Verliebtheit) sein kann, hat ein affektives Defizit. Im Säuglingsalter entwickelt sich biologisch zuerst die Angstreaktion, in der Kindheit die Depressivität und Euphorie; eine eigentliche Hypomanie (Bipolarität) wird vermehrt in der Vorpubertät oder noch später beobachtet. Nach diesem Modell bestünde auch eine grosse intraindividualle Variabilität innerhalb der drei Dimensionen, welche affektive Krankheitskonzepte charakterisieren. Ein Mensch mit pathologischen Werten auf den Dimensionen Hypomanie und Depression wäre vorübergehend bipolar, und die Störung wäre in diesem Fall vielleicht eine komorbide, wie schon Kleist vorgeschlagen hatte. Während den Phasen weisen bipolare Menschen oft hohe Scores auf allen drei Dimensionen auf, Depressive hingegen sind im Schnitt weniger ängstlich und schon gar nicht hypomanisch. Die Vernachlässigung einer der drei Dimensionen in der Diagnostik ist ein Problem, welches artefiziell zur Komorbidität führt: eine bipolare Störung mit Panik wird als Kombination zweier Erkrankungen verstanden, ist aber vielleicht nur die Folge eines zwei- statt drei-dimensionalen Verständnisses unserer Affektivität. Das vorgeschlagene Modell ist naturgemäss nicht auf drei Dimensionen beschränkt. Die aus praktischen Gründen nötigen kategorialen diagnostischen Untergruppen können mühelos in dieses Model integriert werden; dieses demonstriert aber die Künstlichkeit in der Grenzziehung – kein Wunder, dass die Definitionen in den diagnostischen Manualen ständig weiter entwickelt werden müssen. sönlichkeitsstörungen zu erfassen, ist strittig. Die momentanen Temperamentskonzepte sind vielfältig und widersprüchlich, die Operationalisierung von Persönlichkeitsstörungen in DSM-IV und ICD-10 ist problematisch. • Es gibt eine große Überlappung zwischen affektiven Symptomen und Persönlichkeitszügen bzw. Symptomen einer Persönlichkeitsstörung. Entsprechende Interferenzen können nur erfasst werden, wenn der Längsschnitt gesehen wird. • Die Wechselwirkung zwischen Persönlichkeit und affektiver Störung ist bekanntermaßen problematisch. Gibt es eine „prämorbide” Persönlichkeit oder ist die Persönlichkeit Folge einer Erkrankung? Temperament, Persönlichkeit und Borderline Störung Die psychotische Manie Wenn es auch bis heute schwierig ist, Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit, Temperament und bipolarer Störung mit ausreichender Evidenz zu belegen, so spricht die ärztliche Erfahrung spezialisierter Ambulanzen und Therapieeinrichtungen eine andere Sprache: Viele Menschen mit bipolaren Störungen haben ein besonderes Temperament bzw. eine besondere Persönlichkeit. Diese Besonderheiten in ein Behandlungskonzept zu integrieren, ist wesentlich: Hier können Ressourcen entdeckt, entwickelt und genutzt werden, es können aber auch dysfunktionale Persönlichkeitszüge zum Tragen kommen. Eine erfolgreiche Therapie bipolarer Störungen vermag aber ggf. auf den Bereich der Persönlichkeit stabilisierend wirken. In der Behandlung bipolarer Störungen berücksichtigen wir zu wenig die subjektiven Konzepte bipolarer Störungen. Der Bereich Persönlichkeit und Temperament vermag hier ein Zugangsweg sein. Freitag, 15.09. 18:20 – 19:20 Uhr Satelliten-Symposium S1 Behandlung akuter Krankheitsphasen bei bipolaren affektiven Störungen P. Brieger, Bezirkskrankenhaus Kempten und Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, S. Krüger, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden Der Zusammenhang zwischen Persönlichkeit, Temperament und bipolaren Störungen wird seit der Antike beschrieben. Erinnert sei an die Diskussion um die Kreativität von Menschen mit bipolaren Störungen und an die zahlreichen Künstler(patho)biographien, in denen bipolare Störungen beschrieben oder gemutmaßt werden. Aber auch Temperamentsauffälligkeiten und Persönlichkeitsstörungen wurden bei Menschen mit bipolaren Störungen gehäuft beschrieben, bis hin zu der Überlegung, ob ein Teil von Borderline Persönlichkeitsstörungen nicht einem breiten bipolaren Spektrum zuzuordnen sein könnte. Dabei gibt es aber zahlreiche methodische Probleme: • Die Validität der meisten Wege, Temperament oder Per- Einzelne psychotische Symptome kommen bei bis zu 60% aller Patienten mit akuten Manien vor, schwere, stimmungsinkongruente bei bis zu 20%. Auf dem Höhepunkt der Symptomausprägung ist es bei diesen schweren psychotischen Manien häufig so, dass sie als ‚akute Psychose’ imponieren und die eigentliche manische Symptomatik in den Hintergrund tritt. Hier besteht ein hohes Risiko der Fehldiagnose ‚Schizophrenie’, insbesondere wenn man für die Diagnose ein zu enges Zeitfenster wählt. Psychotische Merkmale treten eher selten bei euphorischen Manien auf, sondern finden sich häufiger bei manisch-depressiven Mischzuständen. Studien belegen, dass die funktionale Wiederherstellung nach Erstmanifestation einer Manie mit psychotischen 8 DGBS e.V. Jahrestagung 2006 Merkmalen nach 2 Jahren lediglich 38% beträgt. Siebenundachtzig Prozent aller Patienten mit psychotischen Manien erhalten ein typisches Neuroleptikum. Bipolare Patienten haben aber ein hohes Risiko, EPS und Tardivdyskinesien zu entwickeln, so dass der Einsatz typischer Neuroleptika restriktiv gehandhabt werden sollte. Klassische Stimmungsstabilisierer wie Lithium und die Antikonvulsiva haben zwar eine eingeschränkte Wirksamkeit auf die psychotischen Symptome, allerdings wird Valproinsäure in den meisten offiziellen Leitlinien als Mittel der ersten Wahl bei psychotischer Manie und manisch-depressiven Mischzuständen genannt. Unter den Atypika sind Quetiapin, Risperidon und Olanzapin zur akuten Maniebehandlung zugelassen, wobei der Vorteil des Quetiapin darin zu sehen ist, dass es auch in hohen Dosen nicht zu EPS führt. Lithium ist bei psychotischer Manie eher nicht geeignet und ist in den offiziellen Leitlinien somit Mittel der 2. Wahl. Diagnostik und moderne Therapie der bipolaren Depression T. Bschor, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Jüdisches Krankenhaus Berlin Die Behandlung der bipolaren Depression ist wissenschaftlich schlechter abgesichert als die der unipolaren Depression. Häufig werden Therapiestrategien per Analogieschluss von der unipolaren auf die bipolare Depression übertragen. Dabei weisen bipolare Depressionen einige therapeutisch bedeutsame Besonderheiten auf. Die Wichtigste ist das Risiko einer Manie-Induktion durch eine Antidepressiva-Medikation, wobei das Risiko bei trizyklischen Antidepressiva vermutlich höher ist als bei SSRIs. Eine Antidepressiva-Medikation sollte nur bei paralleler Gabe eines Stimmungsstabilisierers mit potenter antimanischer Wirksamkeit erfolgen, wodurch das Risiko des Umschlagens der Depression in eine Manie gesenkt werden kann. Hierfür geeignete Stimmungsstabilisierer sind Lithium, Valproinsäure und vermutlich verschiedene atypische Neuroleptika. Alternativ zu einer AntidepressivaStimmungsstabilisierer-Kombination kann eine leichte bis mittelgradige bipolare depressive Episode auch mit einem antidepressiv wirksamen Stimmungsstabilisierer in Monotherapie behandelt werden. Ist die depressive Episode unter einem Stimmungsstabilisierer aufgetreten (so genannte Durchbruchsepisode), so sollte bei bislang guter Verträglichkeit zunächst eine Anhebung des Serumspiegels in den oberen therapeutischen Bereich erwogen werden. Zur Vermeidung und Überwindung von Therapieresistenz sollte wie bei einer unipolaren Depression nach einem Therapiealgorithmus (Stufenplan) behandelt werden. Weitere Schritte eines Therapiealgorithmus für bipolare Depressionen sind Lithiumaugmentation, Wechsel auf ein Antidepressivum aus einer anderen Wirkklasse bei Fortführung des Stimmungsstabilisierers, Addition eines weiteren Stimmungsstabilisierers, L-Thyroxin-Hochdosis-Augmentation und Elektrokrampftherapie (EKT). Die Wirksamkeit der EKT ist auch für bipolare Depressionen gut belegt. In der Erhaltungstherapie muss das Risiko eines frühen depressiven Rezidivs nach raschem Absetzen des Antidepressivums mit dem Risiko einer Manieinduktion bei längerer Fortführung des Antidepressivums individuell abgewogen werden. Literatur Bschor T, Bauer M (2005) Bipolare Depressionen. In: Bauer M, Berghöfer A, Adli M (Hrsg.) Akute und therapieresistente Depressionen. 2. Aufl., Springer, Berlin u. a., S. 329-343 DGBS e.V. Jahrestagung 2006 Samstag, 16.09. 8:00 – 9:30 Uhr Wissenschaftliches Symposium Medikamentöse Strategien auf dem Prüfstand Vorsitz: H. Grunze, S. Krüger Einführung H. Grunze, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ludwig-Maximilians-Universität, München, S. Krüger, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden Die Anzahl der medikamentösen Behandlungsoptionen hat in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen. Insbesondere wurde die antimanische Wirksamkeit von atypischen Antipsychotika in großen kontrollierten Studien weiterverfolgt. Erst in jüngster Zeit rücken auch die Behandlung der bipolaren Depression und die Langzeitbehandlung zunehmend in den Fokus des Interesses. Hier scheinen sowohl einige atypische Antipsychotika wie beispielsweise Quetiapin bei bipolarer Depression als auch z. B. das neue Antiepileptikum Lamotrigin für die Langzeitbehandlung bipolarer Störungen neue wichtige Alternativen darzustellen. Aber auch neuere Antidepressiva wie beispielsweise Agomelantin werden z. Zt. gezielt für ihre Wirksamkeit bei bipolarer Depression untersucht. Gerade bei der bipolaren Depression könnten auch physikalische Therapien wie z. B. TMS oder Vagusnerv-Stimulation zukünftig eine Rolle spielen. In diesem Symposium soll ein Überblick gegeben werden, wie alte und neue Therapiestrategien in ihrer Wertigkeit einzuordnen sind und zukünftige Trends der Entwicklung neuer Therapiealternativen aussehen könnten. Antidepressiva J. Deckert, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Julius- MaximiliansUniversität Würzburg Antidepressiva wurden und werden im Rahmen der Bipolaren Affektiven Störung primär zur Behandlung depressiver Episoden eingesetzt. Ein bei Monotherapie mit Antidepressiva häufig beobachtes klinisches Phänomen ist das Umschlagen der depressiven in eine manische Episode („switch“) mit entsprechend kompliziertem und langem Krankheitsverlauf. Das Risiko für ein solches Umschlagen ist möglicherweise bei trizyklischen Antidepressiva grösser als bei den neueren selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern. 9 Aufgrund dieser auch in Studien nachvollziehbaren klinischen Beobachtung ist es in den letzten 5 Jahren zu einem Paradigmenwechsel dahingehend gekommen, dass einheitlich eine Monotherapie depressiver Episoden im Rahmen der bipolaren affektiven Störung mit Antidepressiva nicht mehr empfohlen wird. Im Gegensatz zur Therapie unipolarer Depressionen wird eine Behandlung depressiver Episoden im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung in der Regel in Kombination mit einem Stimmungsstabilisierer empfohlen. Entsprechende Empfehlungen wurden zB von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (2000), von der American Psychiatric Association (2002) und der British Association for Psychopharmacology (2003) ausgesprochen. Kontrovers diskutiert wird dabei jedoch, ob eine depressive Episode primär mit einem Stimmungsstabilisierer (DGPPN 2000 und APA 2002) oder primär mit einem Antidepressivum in Kombination mit einem Stimmungsstabilisierer oder einem Antipsychotikum (BAP 2003) behandelt werden sollte. Eine evidenz-basierte Cochrane-Analyse zur Frage der primären Therapie einer depressiven Episode im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung mit Antidepressiva liegt bisher allerdings nicht vor. Im Referat soll daher eine kurze Übersicht über die aktuelle Studienlage zu dieser Frage gegeben und ein pragmatisches und differenziertes Vorgehen anhand von Fallbeispielen zur Diskussion gestellt werden. Ein solches auf einer begrenzten Studienlage und klinischer Erfahrung beruhendes Vorgehen muss allerdings sobald als möglich durch ein evidenz-basiertes Vorgehen auf der Grundlage kontrollierter und randomisierter Studien ersetzt werden, hier besteht offensichtlich noch ein erheblicher Forschungsbedarf. Literatur DGPPN, Leitlinien Affektive Erkrankungen, 2000 APA, Practice Guideline for the treatment of patients with bipolar disorder, 2002 BAP, Evidence-based guidelines for treating bipolar disorder, 2003 Jürgen Deckert, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Würzburg, Füchsleinstrasse 15, 97080 Würzburg Stimmungsstabilisierer M. Bauer, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité-Mitte (CCM) Stimmungsstabilisierer In diesem Beitrag werden die verschiedenen Stimmungsstabilisierer, die zur Rezidivprophylaxe bipolarer Störungen zum Einsatz kommen, kritisch bewertet und ihre Differentialindikation herausgearbeitet. Die beste Datenlage für die Rezidivprophylaxe bipolarer Erkrankungen liegt noch immer für Lithium vor. Dies schlägt sich auch in den Empfehlungen einer Vielzahl nationaler und internationaler Leitlinien zur Behandlung bipolarer Störungen nieder, die Lithium als „Goldstandard“ für die Rezidivprophylaxe empfehlen. Seine Wirksamkeit in der Verhütung manischer Rezidive kann als nachgewiesen, in der Prophylaxe depressiver Rezidive als sehr gut belegt gelten. Unter allen in der Rezidivprophylaxe eingesetzten Substanzen liegen ausschließlich für Lithium Daten über einen eigenständigen suizidpräventiven Effekt vor. Es gilt nach wie vor als Mittel der Wahl für klassische Bipolar I Erkrankungen ohne stimmungsinkongruente psychotische Symptome und 10 DGBS e.V. Jahrestagung 2006 psychiatrische Komorbidität. Relativ gut belegt ist die Wirksamkeit von Carbamazepin in der Verhinderung affektiver Episoden. Während es allerdings bei klassischen Verläufen weniger gut wirksam ist als Lithium, gibt es besonders bei atypischen, sog. BipolarSpektrum-Erkrankungen und schizoaffektiven Störungen Hinweise für den erfolgreichen Einsatz. Der breite Einsatz von Valproat, insbesondere in Nordamerika, in der Rezidivprophylaxe muss derzeit noch als empirisch angesehen werden. Denn es gibt bislang keinen Beleg für seine Wirksamkeit aus einer doppelblinden, placebo-kontrollierten Studie. Patienten mit Rapid-Cycling und gemischten Episoden scheinen besonders von Valproat zu profitieren. Aufgrund seines weitverbreiteten Einsatzes wurde die Substanz kürzlich auch in Deutschland zur Langzeit-Behandlung bipolarer Erkrankungen zugelassen und unterliegt in dieser Indikation nicht mehr dem sog. Off-Label-Use. Zugelassen sind neuerdings Lamotrigin und Olanzapin. Wichtigste Indikation von Lamotrigin ist die Verhinderung depressiver Episoden. Olanzapin ist aktuell noch das einzige Antipsychotikum, das in Deutschland zur Rezidivprophylaxe bipolarer Erkrankungen zugelassen ist, sofern der behandelte Patient während der akuten Manie gut auf Olanzapin angesprochen hat. Literatur Bauer M, Grof P, Müller-Oerlinghausen (Eds.). Lithium in Neuropsychiatry – The Comprehensive Guide. Informa Healthcare, London, 2006 Bowden CL, Calabrese JR, et al.; for the Divalproex Maintenance Study Group. A randomized, placebo-controlled 12-month trial of divalproex and lithium in treatment of outpatients with bipolar I disorder. Arch Gen Psychiatry 2000;57:481-489 Goldsmith DR, Wagstaff AJ, Ibbotson T et al. Lamotrigine. A review of its use in bipolar disorder. Drugs 2003;63:2029-2050 Goodwin FK, Fireman B, Simon GE et al. Suicide risk in bipolar disorder during treatment with lithium and divalproex. JAMA 2003;290:1467-1473 Hartong EG et al. Prophylactic efficacy of lithium versus carbamazepine in treatment-naive bipolar patients. J Clin Psychiatry 2003;64:144-151 Müller-Oerlinghausen B, Berghöfer A, Bauer M. Bipolar disorder. Lancet 2002;359:241-247 Tohen M et al. Olanzapine versus lithium in the maintenance treatment of bipolar disorder: a 12-month, randomized, double-blind, controlled clinical trial. Am J Psychiatry 2005;162:1281-1290 Physikalische Therapien Th. C. Baghai, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ludwig-Maximilians-Universität, München Trotz beträchtlicher Erweiterung der pharmakotherapeutischen Möglichkeiten in der Behandlung bipolarer Störungen und trotz Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse bezüglich der guten Wirksamkeit psychotherapeutischer Verfahren, kann auch heute auf ein bereits vor 67 Jahren entwickeltes Therapieverfahren noch nicht verzichtet werden. Eine Wirklatenz von meist mehreren Wochen sowie eine nicht unbeträchtliche Quote an behandlungsresistenten Depressionen stellen auch heute noch ernstzunehmende Probleme dar. Die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) ist ein nichtpharmakologisches biologisches Behandlungsverfahren, dessen ausgezeichnete Wirksamkeit vor allem bei depressiven Störungsbildern, aber auch bei Manien in einer Vielzahl an Untersuchungen gut belegt werden konnte. Dies gilt nicht nur für Akutbehandlungen, die EKT kann auch im Rahmen einer Erhaltungstherapie zur Rezidivprophylaxe eingesetzt werden. Zudem sind Sicherheit und Verträglichkeit der Behandlung durch umfangreiche Modifikationen der Stimulationstechnik, sowie durch die umfassenden Fortschritte der Anästhesiologie stetig verbessert worden. Somit konnten in den letzten Jahren viele Kontraindikationen weitgehend relativiert werden, sodass heute auch Patienten mit erhöhten somatischen Risiken eine sichere Behandlung angeboten werden kann. Neueste Forschungsergebnisse führten zwar neben einem besseren Verständnis möglicher Wirkmechanismen der EKT zu einer sicheren und gut verträglichen Behandlung, konnten jedoch das eigentliche Wirkprinzip der Behandlung immer noch nicht vollständig klären. Trotzdem darf diese wirksame Therapieoption vor allem jenen schwer kranken Patienten, die durch andere Behandlungsformen, wie z.B. eine intensive kombinierte Pharmako- und Psychotherapie, keine ausreichende Besserung erfahren haben, nicht vorenthalten werden. Die EKT ist immer noch eine wichtige Therapieoption vor allem zur Behandlung pharmakotherapieresistenter Krankheitsbilder. Andere nichtpharmakologische Behandlungen wie z.B. die transkranielle Magnetstimulation, die Magnetkonvulsionstherapie, sowie die Vagusnervstimulation befinden sich noch im Entwicklungsstadium. Umfassende Aufklärung in Krankenhäusern, aber auch die zunehmend sachlichere Aufklärung in öffentlichen Medien könnten zu einer Entstigmatisierung von psychiatrischen Erkrankungen und speziellen Therapieformen, wie beispielsweise der EKT, beitragen. Dies sollte dazu führen, dass bekanntermaßen hochwirksame Therapieverfahren wie die EKT fester Bestandteil des Therapieangebots werden und nicht, wie auch heute z.T. noch üblich, vielen Patienten vorenthalten werden. Samstag, 16.09. 11:00 – 12:30 Uhr Satelliten Symposium S 2 Update - Valproat in der Behandlung bipolar affektiver Störungen. Ergebnisse einer Konferenz Kombinationstherapie, Sicherheit und Verträglichkeit H. Grunze, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ludwig-Maximilians-Universität, München Kombinationstherapien stellen bei bipolaren Patienten die Regel, nicht die Ausnahme dar (Grunze et al., 2005). Dabei können Kombinationstherapien sowohl zur Wirkungsverstärkung eingesetzt werden, z.B. wenn eine einzelne Substanz alleine hinreichende Wirksamkeit zeigt, oder sie ergeben sich zwangsläufig, wenn die zur Manie- bzw. Depressionsbehandlung gewählte Substanz über keine hinreichend gesicherte langfristige phasenprophylaktische Wirksamkeit verfügt und daher mit einem Stimmungsstabilisierer kombiniert wird. DGBS e.V. Jahrestagung 2006 Valproat stellt ein wirksames und leicht zu handhabendes Kombinationsmedikament dar. Abgesehen von der Kombination mit anderen Antiepileptika (Lamotrigin, Carbamazepin) sind Interaktionen mit anderen Psychopharmaka nicht vorhanden bzw. nur in einem klinisch nicht relevanten Ausmaß vorhanden. Nebenwirkungen in der Kombinationstherapie sind daher als additiv und nicht als sich gegenseitig potenzierend anzusehen. Zahlreiche Studien konnten beispielsweise zeigen, dass in der Maniebehandlung die Kombination von einem Antipsychotikum mit Valproat vorteilhafter als die jeweilige Monotherapie ist (Lin et al., 2006; Müller-Oerlinghausen et al., 2000). Für die Akutbehandlung bipolarer Depressionen hingegen kommt Valproat in erster Linie als gleichzeitige Langzeitprophylaxe bzw. als Schutz gegen einen Switch in die Manie zum Einsatz. Ergebnisse jüngerer Untersuchungen lassen allerdings vermuten, dass bei Patienten, die in der Depression ausgeprägte Züge von Ängstlichkeit, Aggressivität, Irritabilität und Dsyphorie zeigen, von der zusätzlichen Gabe von Valproat zu einem Antidepressivum profitieren können. In der Langzeittherapie sind Kombinationen von Valproat z. B. mit Lithium häufig, wenn ein hinreichender prophylaktischer Schutz durch eine Medikation allein nicht erzielt werden konnte (Solomon et al., 1998). Sowohl in Mono- als auch in Kombinationstherapie ist das Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil von Valproat als sehr gut zu werten, sofern die bekannten absoluten und relativen Kontraindikationen (wie beispielsweise Schwangerschaft) beachtet werden. Literatur 1. Grunze,H., Forsthoff,A. & Born,C. (2005): Polypharmazie in der Behandlung psychischer Erkrankungen. Messer,T. & Schmauss,M. (eds.), pp. 81-102 (Springer, Wien-New York, 2. Lin D, Mok H, Yatham LN. (2006): Polytherapy in bipolar disorder. CNS. Drugs. 20, 29-42 3. Müller-Oerlinghausen B, Retzow A, Henn F, Giedke H, Walden J. (2000): Valproate as an adjunct to neuroleptic medication for the treatment of acute episodes of mania. A prospective, randomized, double- blind, placebo-controlled multicenter study. J Clin. Psychopharmacol 20, 195-203 4. Solomon DA, Keitner GI, Ryan CE, Miller IW. (1998): Lithium plus valproate as maintenance polypharmacy for patients with bipolar I disorder: a review. J Clin. Psychopharmacol 18, 38-49 Samstag 16.09., 11:00 – 12:30 Uhr Workshop 1 Einführung in die kognitive Verhaltenstherapie bei bipolaren Störungen Moderation: Th D. Meyer, B. Bernhard Sowohl in der universitären als auch in der psychotherapeutischen Ausbildung ist die Behandlung unipolarer Depressionen von großer Relevanz. Anders sieht es aus, wenn es um den Umgang mit bipolaren Patienten geht. Viele Psychologen und Psychotherapeuten stehen dieser Diagnose erstmal oft hilflos gegenüber. Ziel dieses Workshops soll es sein, den Teilnehmern Einblick in die Behandlung dieser Patienten und deren Spezifika aufzuzeigen. Dies beginnt bereits mit dem Erkennen hypomaner und manischer Symptome bei Patienten, die sich in der Praxis meistens wegen akuter Depressionen vorstellen. Was ist zu beachten? Welche Hinweise gibt es für Bipolarität? Anschließend sollen 11 wichtige Behandlungsbausteine der kognitiv-verhaltenstherapeutisch orientierten Rezidivprophylaxe wie „Erkennen von Frühwarnzeichen“, „Aufbau von Tagesstruktur“ und die „Kognitive Umstrukturierung von dysfunktionalen Gedanken“ vorgestellt und erpobt werden. Auf die empirische Evidenz wir im Workshop aus Zeitgründen nicht im Detail eingegangen, aber etliche Studien liegen inzwische vor. Zum Beispiel Colom und Mitarbeiter (2003) zeigen in ihrer Studie die Effektivität von psychoedukativer Gruppentherapie. Zwei Jahre nach der Behandlung zeigt sich bei den Patienten aus der Therapiegruppe eine längere Dauer bis zu einem Rückfall, eine kürzere Aufenthaltsdauer in der Klinik und eine bessere Medikamentencompliance bei den Lithiumpatienten. Scott und Mitarbeiter (2001) zeigen in ihrer Psychotherapiestudie zur Effektivität kognitiver Verhaltenstherapie im Einzelsetting eine Verbesserung im allgemeinen Funktionsniveau und eine Reduktion von depressiven Symptomen. Lam und Mitarbeiter (2003) konnten an einer größeren Stichprobe noch weitere Effekte darstellen, u..a deutlich weniger Episoden, weniger Krankenhausaufenthalte, ein höheres soziales Funktionsniveau und die Medikamenteneinnahme. Erste Ergebnisse aus München von 62 bipolaren Patienten in Gruppentherapie belegen die klinische Umsetzbarkeit dieses Ansatzes. Nach der Teilnahme an dieser Intervention stuften fast alle Patienten diese Gruppe als empfehlenswert, informativ und hilfreich ein. Sie erlebten insbesondere die Erfahrung als entlastend, dass andere Ähnliches erlebt hatten, und profitierten von dem Austausch hilfreicher Strategien. Die Auswertung des Wissensfragebogens zeigte eine signifikante Zunahme des Wissens über die Erkrankung. Teil 1: • Differenzierung Unipolar und Bipolar a. Symptomatik und Epidemiologie b. Differentialdiagnostik & die potentiellen Fallstricke c. Möglichkeiten des Screenings • Übung: Fallarbeit zu verschiedenen bipolaren Störungsbildern Teil 2: • Psychoedukative Therapie in der stationären Gruppe o Erklärungsmodelle o Medikamentöse Behandlung und Nebenwirkungen o Symptome und Bewältigungsmöglichkeiten der Depression o Symptome und Bewältigungsmöglichkeiten der Manie o Vorbeugen vor Rückfällen, Erhöhen der Belastbarkeit • Kognitive Verhaltenstherapie im ambulanten Einzelsetting o Motivation und Psychoedukation o Selbstbeobachtung und Warnsignale o Aktivitätsniveau und Kognitionen o Problemlösen, interpersonelles Verhalten und Notfallplan o Besonderheiten im Umgang mit manischen Patienten im ambulanten Setting • Fragen und Diskussion • Übung: Kleingruppenarbeit mit schwierigen Situationen • Rückmeldung Literatur Meyer, T.D. (2005). Manisch-depressiv? Was Betroffene und Angehörige wissen sollten? Weinheim: Beltz. Meyer, T.D. & Hautzinger, M. (2004). Manisch-depressive Störungen. Kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsmanual. Weinheim: Beltz PVU. Schaub, A., Bernhard. B. & Gauck, L. (2004). Kognitiv-psychoedukative Therapie bei bipolaren Erkrankungen. Ein Therapiemanual. Göttingen: Hogrefe. 12 DGBS e.V. Jahrestagung 2006 Samstag, 16.09. 11:00 – 12:30 Uhr Workshop 3 Spezifische Gruppendynamik in Selbsthilfegruppen Moderation: J. Fürhoff, B. Jarusch, R. Geislinger In allen Gruppen ist das Prinzip der Gruppendynamik wirksam, auch in Selbsthilfegruppen. Niemals werden alle Teilnehmer einer Gruppe gleich stark an der Gruppe und ihrem Funktionieren interessiert oder in gleichem Maße für Leitungsfunktionen geeignet sein. Immer werden sich einige Personen mehr im Mittelpunkt der Gruppe befinden, andere mehr am Rande. Da sich die „Hierarchie“ einer Gruppe gewissermaßen auf natürlichem Wege herausbildet, da selten institutionelle Rahmenbedingungen vorhanden sind, ergeben sich auch ganz spezifische dynamische Aspekte. Wir werden oder können über folgende Punkte diskutieren: 1. Die Gruppenleitung • “Heimliche/r” Leiter/in • Informelle/r Leiter/in • Formelle/r Leiter/in • Leitungsteam - Aufteilung der Aufgaben • Konkurrenz unter mehreren Leiter/innen Stichpunkte: Dominanz und Abgeben der Verantwortung; Spannungen durch Überforderung; Kompetenzzuwachs in der Rolle; Wechsel in der Gruppenleitung; Überschneidung von Gruppenleitung und privaten Kontakten; der positive Aspekt gegenseitiger Hilfe kann sich in Belastung und Stress umkehren; in der Gruppenleiter-Supervision ist Abgrenzung das häufigste Thema. 2. Berater/innen in den Gruppen Stichpunkte: Belastungen und Überforderungen in der beratenden Rolle, werden mit hohen Erwartungen konfrontiert; eigene Betroffenheit wird oft nicht akzeptiert; Berater/innen sind im „24-Stunden-Einsatz“; wir haben hier ein symmetrische Beratungssituation im Gegensatz zur hierarchischen Situation Arzt/Patient z.B.; gute Vertrauensbasis für Anfragende, birgt aber Gefahren in sich 3. Kontakt zum professionellen System Durch Kooperation mit dem professionellen System kann die Dynamik einer Selbsthilfegruppe stark beeinflusst werden; die Gruppe kann sich leicht spalten, wenn keine Einigung zustande kommt. Kooperation mit dem professionellen System kann hilfreich für die Gruppe sein, kann aber auch zur Instrumentali-sierung führen 4. Das „Helfersyndrom“ und das „Burnout-Syndrom“ ……findet man nicht nur im professionellen System. Das Helfersyndrom wurde erstmals 1977 von Wolfgang Schmidbauer beschrieben und ist ein Modell seelischer Probleme in Helferberufen. Helfersyndrom bedeutet, dass der/die Helfende im Über-Ich ein Ideal verinnerlicht hat, dass man nur dann gut sei, wenn man Anderen, Schwächeren, Kranken Hilfe anbieten kann. Bei überstarker Ausprägung des Helfersyndroms kann es zu Problemen kommen; das Wohlergehen des/der Klient/in wird so weit über die eigene Befindlichkeit gestellt, dass es zu Depression, Erschöpfung und dem Bournout-Syndrom kommen kann. Bournout bedeutet gestresst sein, mit verminderter Leistungsfähigkeit, erschöpft und eben ausgebrannt. Verschlimmerung oder Ausbruch körperlicher oder psychischer Probleme kann hinzukommen. Ist die Leitung instabil und ausgebrannt, ist das schlecht für die Gruppen – häufig sind die Leiter/innen Vorbild für den Umgang mit der Krankheit und für Lebensqualität trotz dieser Krankheit. Falls die Zeit ausreicht, ist es möglich, ein von einer/m Teilnehmer/in vorgestelltes gruppenspezifisches Problem gemeinsam zu bearbeiten. Samstag, 16.09. 11:00 – 12:30 Uhr Workshop 4 Wie gehe ich mit Psychopharmaka um? Moderation: C. D. Burkhardt-Neumann, Th. Barth, H. Kruber Der Umgang mit Medikamenten hat immer auch eine soziale Dimension. Allen Beteiligten wird eine bestimmte Form des Vertrauens abverlangt. Beim Gebrauch von Psychopharmaka scheint dies erschwert zu sein, denn besonders hier machen sich Vorurteile und Fehlinformationen bemerkbar. Wie könnte es für alle einfacher werden? Ärzte, aber auch andere Berufsgruppen, Angehörige und Betroffene sind eingeladen, ihre besonderen Erfahrungen und Sichtweisen mitzuteilen und die der anderen zu erfahren. Wer geht wie mit Psychopharmaka um? Welche Bedeutung haben die Medikamente .....für mich als Patient? Notwendiges Übel, Vorbeugungsmaßnahme, chemische Stütze des seelischen Gleichgewichts? .....für mich als Arzt? Zentrum meiner beruflichen Identität? Basisversorgung als Voraussetzung einer umfassenden Behandlung? ..... für mich als Angehörige? Anlass zu Beunruhigung schaden sie?, was machen sie aus meinem Angehörigen? Beruhigungsmaßnahme für mich? Welche Einstellung, welchen Umgang wünscht sich wer von wem? Dr. med. Carola Burkhardt-Neumann Fachärztin für Psychiatrie www.Krisenweg. de DGBS e.V. Jahrestagung 2006 Samstag, 16.09. 11:00 – 12:30 Uhr Workshop 5 Paarbeziehung und bipolare Störung: Was macht die besonderen Beziehungskomponenten aus? Moderation: K. Rathgeber, D. Eppler, R. Freitag Bipolare Störungen wirken sich auf die verschiedensten Lebensbereiche aus (Beruf, Haushalt, Kindererziehung, Finanzen, Freizeit, Soziale Beziehungen etc.) und verändern dadurch nicht nur das Leben der erkrankten Personen selbst, sondern auch das ihrer Angehörigen und insbesondere das ihrer Partner. Die meisten Partner fahren – bildhaft gesprochen – im „Karussell der Gefühle“ mit, ohne einen Führerschein dafür zu haben. Sie wollen Sicherheit geben und stehen dem nächsten Looping selbst oft hilflos gegenüber. Besondere Belastungen erfahren die Partnerschaften in akuten depressiven oder manischen Krankheitsphasen, welche zudem sehr unterschiedliche Anforderungen stellen. Mit chronischen Belastungen haben die Partnerschaften aber auch dauerhaft zu kämpfen. Dabei geht es keineswegs nur um „objektive Belastungen“ wie beispielsweise finanzielle Einbußen, Fremdaggressionen gegenüber dem Partner in einer manischen Episode oder Trennung, sondern immer auch um „subjektive Belastungen“ wie Stress, Überforderung, Ärger über neue Rollenverteilungen, Unzufriedenheit mit veränderter Lebensplanung (z.B. Kinderwunsch?), Schuldgefühle oder generelle Verminderung der Lebensqualität. Der Workshop bietet eine Plattform für eine offene Diskussion zwischen Betroffenen, Angehörigen/Partnern und Professionellen, in dem wir die Erfahrungen mit diesen Belastungen und mit entsprechenden Bewältigungsstrategien austauschen können. Folgende oder ähnliche Fragestellungen können bearbeitet werden: Ø Welche Verhaltens- und Kommunikationsweisen des erkrankten Partners haben sich als hilfreich erwiesen? Ø Welche Verhaltens- und Kommunikationsweisen des nicht erkrankten Partners haben sich als hilfreich erwiesen? Ø Umgang im Konflikt zwischen „Hüter der Frühwarnzeichen” und „Zerstörer normaler Gefühle und unbeschwerten Zusammenseins” Ø Verhandeln einer neuen Rollenverteilung (z.B. Finanzen, Aufgabenteilung)? Ø Entwickeln neuer Lebensformen (z.B. räumliche Trennung, Alltagsstrukturierung)? Ø Wie wirken sich die verschiedenen Krankheitsphasen auf die sexuellen Bedürfnisse aus – und welchen Umgang können Paare damit finden? Ø Wie können Paare mit einem bipolar erkrankten Partner mit einem bestehenden Kinderwunsch umgehen? Ø Welche Rolle spielt die Krankheit für die alltägliche Konfliktlösung? 13 Ø Gibt es noch eine Beziehung (mit normalen Beziehungsproblemen) ohne den dritten Partner „Bipolare Störung” am Tisch? Ø Welche externen Hilfen gibt es für Angehörige/Partner? Ø Welche besonderen Bewältigungsstrategien erfordern besondere Formen der bipolaren Störung (z.B. Rapid Cycling)? Samstag, 16.09. 11:00 – 12:30 Uhr Workshop 6 Grundfragen von Angehörigen. Habe ich ein Recht auf ein eigenes Leben? Wer stützt mich, dass ich bleiben kann? Moderation: K.- H. Möhrmann, P. Wagner Psychische Erkrankungen verändern nicht nur die Lebenssituation der unmittelbar Betroffenen, sondern auch die ihrer Angehörigen grundlegend. Obwohl die Betroffenen leiden, weigern sie sich häufig, eine Behandlung zu akzeptieren, oder es fehlt sogar jegliche Krankheitseinsicht. Daher leiden die Angehörigen manchmal mehr als der Betroffene selbst. Angehörige fragen sich zudem häufig, ob und inwieweit sie selbst schuld oder mitschuldig am Ausbruch und Verlauf der Erkrankung sind und fühlen sich für den Kranken verantwortlich. Nicht selten treten zusätzlich Schamgefühle auf, zumal psychische Krankheiten immer noch stigmatisiert werden. Dies kann zum sozialen Rückzug der Betroffenen, aber auch zur Ausgrenzung durch andere und damit zum Zerbrechen sozialer Kontakte und zur Vereinsamung von Betroffenen und Angehörigen führen. Letztlich kann die Belastung für Angehörige so groß werden, dass sie selbst Unterstützung und Hilfe benötigen. Was sollten Sie daher als Angehörige/r tun beziehungsweise, was sollten Sie vermeiden, um Ihr eigenes psychisches Wohlbefinden und Gleichgewicht zu bewahren? Angehörige sollten versuchen, mögliche Schuldgefühle abzubauen. „Schuld“ ist ein Begriff, der in der Psychiatrie nicht mehr verwendet wird, da man heute um die Komplexität der Entstehung psychischer Erkrankungen weiß. Kritische Lebensumstände können zwar den Ausbruch einer Krankheitsepisode begünstigen, sie stellen jedoch nicht deren alleinige Ursache dar. Zudem gehören Krisen und menschliches Fehlverhalten zum alltäglichen Leben. Jeder versucht üblicherweise, in einer Krise aus der momentanen Situation aus seiner Sicht das Beste zu machen. Durch Informationen über die Erkrankung können irrationale Schuldgefühle abgebaut werden. Psychoedukation durch Fachleute, aber auch durch Selbsthilfegruppen kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten und darüber hinaus Anregungen geben, wie Betroffene und Angehörige lernen können, bestmöglichst mit der Erkrankung umzugehen. Beispielsweise kann es vorteilhaft sein, in guten Zeiten einen „Vertrag“ zwischen Betroffenem und Angehörigem darüber abzuschließen, was der Angehörige beim Herannahen einer Krise tun darf bzw. tun soll, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Sich über die Krankheit zu informieren, liegt daher sowohl im eigenen 14 DGBS e.V. Jahrestagung 2006 als auch im Interesse der Betroffenen. Es hilft darüber hinaus, die Krankheit zu akzeptieren – als Voraussetzung jeder Behandlung und Bewältigung - sowie übertriebene Ängste und Sorgen abzubauen. Aufklärung über die Erkrankung ist auch der beste Weg, um einer Stigmatisierung psychischer Krankheit und diesbezüglichen Vorurteilen in der Gesellschaft entgegen zu wirken. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, das eigene Wohlergehen als Angehöriger nicht zu vernachlässigen. Machen Sie sich beispielsweise jeden Tag selbst eine Freude – und planen Sie diese bewusst in Ihren Alltag ein. Nur, wenn es Ihnen als Angehörigen gut geht, können Sie auch etwas für andere tun. Bewahren Sie sich als Angehörige zudem ihre berechtigten Ansprüche auf eine eigene Lebensplanung und persönliche Freiräume. Achten Sie dabei auf ihre Bedürfnisse und setzen Sie bei Bedarf auch Grenzen! Der Betroffene wird nicht gesünder, wenn Sie – unter Zurückstellung Ihrer eigenen Bedürfnisse – immer all seinen Wünschen nachgeben! Zudem bleibt der Betroffene trotz seiner Erkrankung ein eigenverantwortlicher Mensch, der seinen Beitrag zur Gesundung leisten muss. Entlastend wirkt sich auch ein Hilfenetz von Menschen aus, denen Betroffene und Angehörige vertrauen und die lebenspraktische oder emotionale Unterstützung anbieten können. Ein Austausch mit anderen Betroffenen in einer Selbsthilfegruppe kann hier sehr entlastend und hilfreich wirken. Scheuen Sie sich als Angehöriger auch nicht, selbst fachliche Hilfe aufzusuchen, wenn Sie merken, dass Sie an Ihre persönlichen Grenzen kommen. Und - geben Sie die Hoffnung nicht auf: Bipolare Störungen sind heute gut behandelbar – sowohl Betroffene als auch Angehörige können lernen, mit der Erkrankung zu leben und sie zu meistern, wenn sie sich aktiv damit auseinander setzen! Samstag, 16.09. 11:00 – 12:30 Uhr Workshop 7 Bipolar und gesund zugleich Moderation: Th. Bock, Oliver V. Was ist zu lernen von Menschen, die weitgehend ohne Behandlung bipolar leben, die sich selbst behandeln und damit mehr oder weniger gut zurecht kommen? Was ist zu lernen von den Angehörigen? Was befähigt sie, was schreckt sie an einer Behandlung? Wie können wir – mit ihrer Hilfe – die Behandlung attraktiver machen, so dass sie mehr nutzt und weniger schadet? Nach Angaben der DGBS leben in Deutschland mindestens zwei Millionen Menschen mit einer bipolaren Störung, von denen mindestens 50% ohne Diagnose und daher auch ohne Behandlung leben. Das bedeutet: Über eine Million bzw. ein bis zwei Prozent aller Menschen in Deutschland leben unerkannt mit einer bipolaren Störung. Obwohl diese Betroffenen statistisch also in jeder U-Bahn zu finden sind, wissen wir sehr wenig über sie: - Was haben sie für Bewältigungs-Strategien? - Fühlen sie sich krank und hilfsbedürftig? - Warum gehen sie nicht zum Arzt? - Wie kommen sie im Privatleben und Beruf zurecht? - Welche Erklärungen finden sie für ihre Eigenheiten? Naturgemäß tauchen Betroffene ohne Diagnose in keiner Statistik auf. Für Aufklärung oder Umfragen sind sie kaum erreichbar. In diesem Workshop unternehmen wir den Versuch, diesem Phänomen näher zu kommen. Dabei gehen wir von folgenden Annahmen aus: 1. Psychisch Erkrankte werden bei uns diskriminiert und benachteiligt. Daher gibt es eine große Hemmschwelle, sich zu offenbaren. Wer die eigenen Schwierigkeiten bewältigt hat, hält sie in der Regel geheim oder verdrängt sie. Für diese persönliche Entscheidung gibt es gute Gründe. 2. Es sind überwiegend solche bipolar Erkrankte bekannt, die durch größere Probleme auffällig wurden, außerdem wenige bipolare künstlerische Genies. Neben diesen Extremen gibt es anscheinend viele Betroffene, die äußerlich ein völlig normales Leben führen. 3. Das bipolare Krankheitsbild ist im Gegensatz zu anderen Krankheiten wie Krebs oder Diabetes weitgehend unbekannt bzw. es existieren veraltete Klischee-Vorstellungen von “manischer Depression”. Wer sich in diesen Klischeevorstellungen nicht wieder findet, hält sich möglicherweise nicht für krank. 4. Wer unerkannt bipolar lebt, muss ohne professionelle Hilfe auskommen. Das ist eine große Schwierigkeit. Auf der anderen Seite lebt ein unerkannt Betroffener auch ohne Negativprognose und ohne Diskriminierung. Daraus ergeben sich Chancen, die diagnostizierten Kranken verwehrt bleiben. 5. Viele unbehandelte Menschen mit bipolarer Störung haben auf individueller Basis oder mit Hilfe von Freunden gelernt, mit ihren Besonderheiten umzugehen. Diese „Behandlung” ist unprofessionell und unsystematisch und deshalb weitgehend Glückssache. Dennoch können solche Erfahrungen anderen Betroffenen wertvolle Hinweise geben. Auf dem Workshop berichtet ein Betroffener von den eigenen Krisen und ihrer Bewältigung, von erkrankten Familienangehörigen und von ärztlicher sowie nicht-ärztlicher Hilfe. Samstag, 16.09. 15:15 – 16:45 Uhr Satelliten Symposium S3 Bipolare Störungen – neue Aspekte aus Forschung und Therapie Vorsitz: G. Niklewski Neue Aspekte in der Therapie bipolarer Störungen H. Grunze, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ludwig-Maximilians-Universität, München Moderne Therapie bipolarer Störungen setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen, nämlich der medikamentösen Behandlung, der Psychotherapie und, wenn notwendig, der soziotherapeutischen Begleitung. Im Bereich der medikamentösen Therapie haben sich in DGBS e.V. Jahrestagung 2006 den letzten zehn Jahren wesentliche Fortschritte ergeben. Die antimanische Wirksamkeit der meisten atypischen Antipsychotika ist mittlerweile etabliert (Perlis et al., 2006); erste Studien bestätigen auch – insbesondere für Quetiapin (Calabrese et al., 2005) – antidepressive Effekte. Auch in der Langzeittherapie haben sich zur Lithium-Therapie neue Alternativen ergeben, u. a. das neue Antiepileptikum Lamotrigin und, als erstes der atypische Antipsychotika, Olanzapin. Mit der Zulassungen für die Langzeittherapie von weiteren atypischen Antipsychotika ist dabei in den nächsten Jahren zu rechnen. Bemerkenswert ist aber auch, dass beispielsweise Valproat, dessen antimanische Wirksamkeit seit langem etabliert ist, nun auch in Deutschland offiziell für Akut- und Langzeittherapie bipolarer Störungen zugelassen ist, und damit aus der Grauzone des Off-Label-Gebrauches verlassen hat. Im Bereich der Psychotherapie konnte in den letzten Jahren für verschiedene Interventionsverfahren aus dem Bereich der kognitiven Verhaltenstherapien, aber auch der Familientherapie der Wirksamkeitsnachweis bei bipolaren Störungen erbracht werden (Schaub et al., 2000). Für die klinische Praxis erscheint dabei besonders wichtig, dass auch die Psychoedukation als eine weniger aufwendige Gruppentherapieform deutlich rückfallprophylaktische Wirksamkeit zeigen konnte (Colom et al., 2003). Insgesamt sind somit in der Therapie von bipolaren Störungen sowohl im medikamentösen als auch im psychotherapeutischen Bereich in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gemacht worden; dennoch sind wir noch weit davon entfernt, jedem einzelnen Patienten in ausreichendem Maße helfen zu können, sodass die Bemühungen um weitere Fortschritte in der Behandlung bipolarer Störungen weiter forciert werden sollten. 1. Calabrese JR, Keck PE, Jr., Macfadden W, Minkwitz M, Ketter TA, Weisler RH, Cutler AJ, McCoy R, Wilson E, Mullen J. (2005): A Randomized, DoubleBlind, Placebo-Controlled Trial of Quetiapine in the Treatment of Bipolar I or II Depression. Am. J Psychiatry 162, 1351-1360 2. Colom F, Vieta E, Martinez-Aran A, Reinares M, Goikolea JM, Benabarre A, Torrent C, Comes M, Corbella B, Parramon G, Corominas J. (2003): A randomized trial on the efficacy of group psychoeducation in the prophylaxis of recurrences in bipolar patients whose disease is in remission. Arch. Gen. Psychiatry 60, 402-407 3. Perlis RH, Welge JA, Vornik LA, Hirschfeld RM, Keck PE, Jr. (2006): Atypical antipsychotics in the treatment of mania: a meta-analysis of randomized, placebo-controlled trials. J Clin Psychiatry. 67, 509-516 4. Schaub A and Goldmann U. (2000): Psychotherapie bei bipolaren Störungen. Behandlungsansätze und Stand der Forschung. psycho 26, 503-506 der Möglichkeit der kurzfristigen Krisenintervention, eine klar abgesprochene Behandlung zwischen Hausarzt, Facharzt und Psychotherapeut sowie die Einbeziehung des Betroffenen und seiner Angehörigen in die Behandlung im Sinne der trialogischen Struktur (1). Facharzt und Institutsambulanz im Krankenhaus (Stichwort: ambulantes Krankenhaus) stellen dabei die Kernversorgung mit unterschiedlichen Angeboten sicher (2). Die an der Behandlung bipolarer Störungen beteiligten Partner im Gesundheitswesen wie Facharzt, Hausarzt, niedergelassene Psychotherapeuten und Klinik kooperieren aufgrund der in Deutschland vorhandenen sektoralen Versorgung mit eigenständigen Budgets nur unzureichend. Zwischen niedrig frequenter ambulanter und teurer vollstationärer Behandlung klafft eine große Lücke. Der Gesetzgeber hat deshalb mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz 2004 über bisherige bürokratische Hemmnisse hinaus im Rahmen der integrierten Versorgung Vereinbarungen direkt zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern zur Entwicklung integrierter Behandlungsmodelle ermöglicht (3). Mit der Indikation Depression/affektive Störungen gibt es zur Zeit ca. 15 Projekte, wobei bei einem Teil der Projekte die bipolaren Störungen ausgeschlossen sind (4). In dem Workshop werden erste Kooperationserfahrungen zwischen Nervenarzt/Psychiater, Klinik und Selbsthilfe anhand laufender Integrationsmodelle vorgestellt (5). Die Vorteile, aber auch die besonderen Anforderungen und Probleme der integrierten Versorgung bipolarer Störungen werden aufgezeigt. Der Workshop soll dem wechselseitigen Austausch dienen: die bisherigen Erfahrungen von Professionellen, Betroffenen und Angehörigen sollen miteinander diskutiert werden, um Impulse für die Entwicklung einer speziellen integrierten Versorgung bipolarer Störungen zu setzen. Literatur (1) Unger HP (2005) Integrierte Versorgung Depression: Alle müssen an einem Strang ziehen In Balance, Zeitschrift der DGBS, August 2005: S 3 (2) Bock T (2006) Auf dem Weg zu einer integrierten Versorgung bipolarer Patienten: Mehr Sicherheit durch regionale Vernetzung In Balance, Zeitschrift der DGBS, März 2006: S 5 (3) Kunze H, Priebe S (2006) Integrierte Versorgung-Perspektiven für die Psychiatrie und Psychotherapie Psychiatrische Praxis 2006, Bd. 33: S 53-55 (4) www.dgppn.de: Verzeichnis von Verträgen im Bereich Psychiatrie, verantwortlich Frau Dr. Hauth ([email protected]) (5) Unger HP (2006) Integrierte Versorgung Depression, Nervenarzt 2006, 77: S 618-623 Samstag, 16.09. 15:15 – 16:45 Uhr Samstag, 16.09. 15:15 – 16:45 Uhr Workshop 8 Workshop 9 Integrierte Versorgung. Erste Kooperationserfahrungen zwischen Klinik, Praxis und Selbsthilfe Psychotherapie vs. Pharmakotherapie Moderation: H.-P. Unger, N. Mönter, R. Gielen, H. Giesler Die Behandlung und Begleitung von Menschen mit bipolarer Erkrankung und ihrer Familien stellt an ein medizinisch-rehabilitatives Versorgungssystem besondere Anforderungen. Entscheidend ist eine Behandlungskontinuität über Jahre mit 15 Moderation: F. Müller-Siecheneder, S. Thiergart, S. Scharnowski Zur Optimierung der Behandlung von Patienten mit bipolaren affektiven Störungen hat in den letzen Jahren ein großer Erkenntniszugewinn stattgefunden. So verfügen die mit der Behandlung betrauten Ärzte und Psychologen über Leitlinien und Therapieempfehlungen, die allgemein anerkannte Behandlungen ermöglichen. Psychosoziale, intrapsychische, biologische und primärper- 16 DGBS e.V. Jahrestagung 2006 sönliche Variablen spielen in der Behandlungsplanung eine große Rolle, aber auch die Erwartungen des Patienten sollen bestmöglich berücksichtigt werden. So besteht während einer depressiven Phase meistens Übereinkunft über die Notwendigkeit der Behandlung mit einem Antidepresivum und zumeist einem Mood Stabilizer, u.U. auch über den Einsatz von Antipsychotika. In jeder Krankheitspase ist das Switch-Risiko, das in seiner Ausprägung interindividuell varriiert, zu beachten. Zur Erhaltungstherapie nach Remission werden in der Regel die in der Akutphase wirksamen Medikamente fortgesetzt. Liegt diese allerdings schon eine längere Zeit zurück, sollte eine pharmakologische Rezidivprophylaxe geplant und gemeinsam mit dem Patienten besprochen werden, um eine höchstmögliche Compliance zu erreichen. Kontrollen der Plasmaspiegel sind dabei hilfreich zum Monitoring der geeigneten Dosierung. Neben Lithium und Antiepileptika spielen in letzter Zeit einige atypische Antipsychotika eine immer wichtigere Rolle. Zur Behandlung manischer Episoden gibt es eine Reihe wirksamer pharmakologischer Behandlunsmethoden. Hierbei ist es jedoch oft problematisch, den Bedürfnissen des Patienten zu entsprechen, da dieser einer effektiven Behandlung häufig ablehnend gegenübersteht. Um Behandlungen unter Druck und Zwang zu vermeiden, sollte versucht werden, einen möglichst verständnisvollen und vertrauensvollen gegenseitigen Umgang herzustellen. Psychotherapeutische Maßnahmen im engeren Sinn sind in dieser Krankheitsphase kaum möglich, jedoch sollte von einem multiprofessionellen Behandlungsteam unter Einbeziehung von Psychiatern und Psychotherapeuten, alles getan werden, um das Vertrauen des Patienten zu gewinnen. Eine verständnisvolle Grundhaltung unter individueller persönlicher Wertschätzung fördert die Compliance und Behandlungseinsicht. Da generell psychosoziale Faktoren eine große Bedeutung für das Auftreten und den Verlauf bipolarer Erkrankungen haben, ist es dringend notwendig, psychotherapeutische Verfahren im Einklang mit der Pharmakotherapie aufeinander abzustimmen. Eine Vermittlung von Kenntnissen über die Erkrankung und ihrer Behandlung und die Verbesserung der Krankheitsakzeptanz und der Medikamentencompliance sowie eine Unterstützung des Selbstmonitorings bezüglich Veränderungen hinsichtlich der individuellen Krankheitssymptome dient der rechtzeitigen Behandlung akuter Krankheitsphasen. Durch Aufbau von Fertigkeiten zum Umgang und zur Begrenzung von Stress, Bearbeitung interpersoneller Probleme und Verringerung dysfunktionaler familiärer Kommunikationsmuster können intraindividuelle Frühwarnsymptome rechtzeitig erkannt werden, eine geeignete Therapie veranlasst und Stabilität aufgebaut werden. An psychotherapeutischen Techniken haben sich zur Behandlung bipolarer Störungen psychoedukative, kognitiv-verhaltenstherapeutische und familienorientierte oder interpersonale Therapieansätze etablieren können. Zumeist ist es sinnvoll, Elemente aus allen geeigneten psychotherapeutischen Verfahren mit unterschiedlichem Schwerpunkt und in Abhängigkeit von der jeweiligen Akuität bzw. Krankheitsphase in einen Gesamtbehandlungsplan zu integrieren. Für Menschen mit bipolaren Störungen sieht der Alltag jedoch oft anders aus. Er ist gekennzeichnet von mehr oder weniger starken Stimmungsschwankungen und Krisen, in denen eine psychotherapeutische Unterstützung ebenso wichtig ist wie die medikamentöse Behandlung. Somit haben viele Betroffene zwei Ansprechpartner, einen Arzt (Psychiater) und einen Psychologen (Psychotherapeuten), die mit identischen Fragen oft unterschiedlich umgehen. Somit kann der Patient dann das Gefühl entwickeln, zwischen zwei Meinungen zu stehen und erlebt statt eines Miteinander von Psychiatrie und Psychotherapie eher Gegensätzlichkeiten. In diesem Workshop sollen Erfahrungen, Fragen und Lösungsansätze für dieses Dilemma im Trialog zwischen Behandlern, Betroffenen und Angehörigen thematisiert werden. Als Zielsetzung soll versucht werden, einen Konsens zu finden, in dem alle an der Behandlung bipolarer Erkrankungen Beteiligten ihre Rolle sowie ihre Möglichkeiten und Grenzen im therapeutischen Alltag definieren und wirksam einbringen können. Samstag, 16.09. 15:15 – 16:45 Uhr Workshop 10 Bipolare Notfälle. Schwer zu behandelnde Patientengruppen Moderation: M. Schäfer, A. Lösing, A. Kahlert Bipolare Störungen sind durch zumeist rasche Stimmungswechsel gekennzeichnet. Die Entwicklung von schweren depressiven oder manischen Episoden erlaubt auch geschulten Patienten oder Angehörigen nicht immer ein frühzeitiges bzw. rechtzeitiges Handeln. Im Rahmen schwerer depressiver oder manischer Episoden können betroffene Patienten die Einsicht in ihre Erkrankung und deren Behandlungsmöglichkeit verlieren, woraus für sie selber, aber vor allem auch für Angehörige und behandelnde Ärzte schwierige Situationen entstehen können. Akut auftretende Suizidgedanken, impulsive Handlungen, Gereiztheit oder auch selbstschädigende Handlungen (z.B. Geldausgaben) in der Manie sind akute Notsituationen, in denen ein komplexes Hilfesystem benötigt wird. In solchen Notfallsituationen kann ein enges und vertrauensvolles Arzt-Patientenverhältnis, die frühzeitige gemeinsame Erstellung von „Notfallplänen“ oder sogar das Hinterlegen einer Patientenverfügung sinnvoll sein. Beispiele hierfür werden genannt. Zu den Notfallplänen sollten Adressen von Vertrauenspersonen und Ärzten, ebenso wie ein Verhaltensplan oder ein Dosierungsschema für eine Notfallmedikation gehören. Klare Vorgehensweisen und Absprachen mit den Angehörigen können gerade das Management akut manischer Episoden erleichtern (z.B. Benachrichtigung des Arztes – Einschränkung möglicher Gefahrenpotenziale wie Autoschlüssel, Kreditkarte, Internetzugang, etc. – Kontrolle der Medikamenteneinnahme - Bereitstellung der Notfallmedikation). Angehörige können hierzu z.B. im Rahmen einer Psychoedukationsgruppe vorbereitet und geschult werden. Selbsthilfegruppen können für Betroffenen und Angehörige zusätzlichen Halt und Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch bieten. Wir wollen den Workshop dazu nutzen, aus Sicht der Betroffenen, Angehörigen und Ärzte Möglichkeiten und Grenzen zur optimierten Versorgung bipolarer Notfälle zu erarbeiten und gemeinsam zu diskutieren. Zum besseren Verständnis werden Definitionen für „schwer zu behandelnde Patientengruppen“ angeboten und verschiedene Krankheitsuntergruppen (Bipolar I Störungen, Bipolar II Störungen, Rapid- DGBS e.V. Jahrestagung 2006 Cycling, Ultra-Rapid Cycling) und spezifische Syndrome (Mischzustände, gereizte Manien, Dysphorien, psychotische Manien, wahnhafte Depressionen etc.), die besonders häufig mit Notfallsituationen verbunden sind, erläutert. Neben den Ursachen wird auf die gängigen akuten Handlungsmöglichkeiten eingegangen (ambulante, teilstationäre und stationäre Therapie – wann, wo, wie, ab wann geschlossen, Gesetzesgrundlagen für Betreuung und Psych-KG). Ein besonderer Fokus soll auf Präventions- und praktischen Handlungsmöglichkeiten (Frühinterventionen, Notfallpläne) gelegt werden. Samstag, 16.09. 15:15 – 16:45 Uhr Workshop 11 Alternative Therapien bei bipolaren Störungen 17 Jugend- und Erwachsenenalter 2. ADHS und bipolare Störungen sind komorbide Störungen, auch schon im Kindesalter 3. ADHS und bipolare Störungen treten familiär gehäuft auf, z.B. in Form von kindlicher ADS bei bipolarer Störung der Eltern. Phänomenologisch, klinisch und auch durch Fragebogen können manische bzw. hyperaktive Symptome schwer zu unterscheiden sein, obgleich sie in der Vergangenheit völlig verschiedenen Krankheitsbildern und Erklärungsmodellen zugeordnet worden sind. Die Beobachtung, dass ein Teil der ADHS-Kinder bei längerem Verlauf in andere psychiatrische Störungen des Erwachsenenalters einmündet, ist dagegen alt, wenn auch nicht vollständig aufgeklärt. In der Frage, ob ADHS-Symptome und bipolare Störungen wesensverwandte Störungen sind, scheiden sich die Geister und die gesamte Thematik hat vorläufig unverändert den Charakter einer Kontroverse. In Form eines Einzelbeispiels wollen wir uns der genannten Problematik annähern. Moderation: H. Ullrich, M. Selo, E. Klieser In epidemiologischen Studien zeigt sich, dass ca. 10% aller Klienten, die medizinische Hilfe in alternativen Angeboten suchen, dies aufgrund psychischer Erkrankungen machen. 80% dieser Inanspruchnahme findet aus Eigenmotivation des Klienten statt. Kommunikation zwischen dem Verordner alternativer Behandlungsverfahren und dem Verordner schulmedizinischer Behandlungsverfahren gibt es hier bei 5-20%, in 10-30% der Fälle existiert Kenntnis des Verordner der alternativen Behandlung über eine gleichzeitige schulmedizinische Behandlung. 1-5% der Klienten in alternativer Behandlung werden zu einem Schulmediziner geschickt. Der Workshop soll im Rahmen eines offenen Forums Interessierten und Betroffenen die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch und zur Diskussion von Themen rund um die alternativen Therapiemöglichkeiten bipolarer Erkrankungen bieten und versteht sich als offenes Forum. Die Moderatoren werden die Diskussion durch ihre Erfahrungen und Kenntnisse ergänzen. Die Themen selbst werden sich durch die Diskussion ergeben, Erfahrungen und Erkenntnisse über Behandlungsmethoden wie diätetische Maßnahmen, Akupunktur und Phytopharmakotherapie werden zur Diskussion kommen. Samstag, 16.09. 15:15 – 16:45 Uhr Workshop 12 Hyperaktivität vs. Manische Erkrankungsformen bei Kindern und Jugendlichen Moderation: H. Braun-Scharm, B. Unger Die in den letzten Jahren explodierende Literatur über fakultative Zusammenhänge zwischen ADHS und bipolaren Störungen lässt sich in folgenden Hypothesen zusammenfassen: 1. ADHS ist eine kindliche Vorstufe bipolarer Störungen im Samstag, 16.09. 15:15 – 16:45 Uhr Workshop 13 Wie fördere ich die Krankheitseinsicht eines bipolar Erkrankten? Wie erkläre ich die Erkrankung Außenstehenden? Moderation: R. Bonfert, M. Dobmeier Bipolare Störungen sind komplexe chronisch Erkrankungen. Sie treffen wie andere Erkrankungen viele Menschen plötzlich aus gesunden Phasen heraus. Dabei ist es oft schwierig für Professionelle die Krankheit zu erkennen und noch schwieriger für die Betroffenen selbst diese Symptome als Krankheit anzunehmen. Insbesondere im hypomanischen und manischen Teil der Krankheit besteht die fehlende Krankheitseinsicht als ein Symptom. Gehobene Stimmung, verbesserter Antrieb, Größenideen stehen der Krankheitseinsicht entgegen. Die Akzeptanz der Krankheit ist jedoch wesentlich um auch die Behandlung zu akzeptieren. Ohne Behandlung kommt es zu einer Verschlechterung der Erkrankung. Im Workshop soll aus der Sicht der Angehörigen wie auch der Behandler Wege aufgezeigt werden, wie man Krankheitseinsicht verbessern kann. Insbesondere wird auf die Antistigmatisierung der Erkrankung eingegangen werden, die ein wesentlicher Grund für das nicht-akzeptieren der Krankheit ist. Es werden Beispiele aus des Psychoedukationsprogramm aufgezeitgt. Gedanken einer Angehörigen: 1. Die Psychose in der Manie muss als Aufbegehren der Seele gesehen werden und nicht nur als Disbalance von Chemie im Kopf. Nach Abklingen der akuten Phasen muss man versuchen herauszufinden, wogegen sich die Seele auflehnte und wovon sie sich zu befreien versuchte. Wenn das der Betroffene nicht selbst schafft, muss er dies mit Hilfe von Psychotherapie versuchen. 18 DGBS e.V. Jahrestagung 2006 2. Das sofortige Unterdrücken der manischen Psychose ist ein Fehler, weil sie Krankheitsbild und Heilung zugleich ist. (Dieser Punkt ist meiner Tochter wichtig, da sie diese Erfahrung gemacht hat.) 3. Nach Abklingen der Krankheit sollten der Betroffene und die Angehörigen das seelische Erleben während der Psychose nicht als krank abtun, sondern versuchen, die Erfahrungen, die sie während der Psychose gemacht haben, in ihr „normales“ Leben zu integrieren. Deshalb ist es so wichtig, darüber öffentlich (mit Freunden, Bekannten, Nachbarn) zu reden und von dem Geschehen und den Erfahrungen zu berichten. 4. In der Verhaltenstherapie wird die Frage nach der „ manischen Aussage“ während des psychotischen Geschehens vernachlässigt. Es geht nicht nur darum, wieder im Alltag funktionieren zu können, sondern in erster Linie darum, das Erleben während der Psychose verstehen zu lernen. Dies gilt sowohl für den bipolar Erkrankten, als auch für seine Angehörigen. Nur wer versteht, woran seine Seele leidet, hat die Chance zur Überwindung dieses Leidens. Literatur Kurz-Psychoedukation bei bipolaren Ströungen = PEB; Erfurth, Dobmeier, Zechendorf, Thieme; Berlin 2005 Samstag, 16.09. 17:05 – 17:35 Uhr Suizid in der Literatur B. Goldmann, Internationales Künstlerhaus Villa Concordia, Bamberg Selbstmord – ein bedrückendes, ein schreckliches Thema auch in der Literatur. Selbstmord vermittelt Einsamkeit und Verzweiflung. Der berühmteste Selbstmord des 18. Jahrunderts, Goethes Werther, hat viele Nachfolger gefunden. Hans Erich Nossack verfaßte zu diesem Thema gar den „Bericht über eine Epedemie“. So ist der Selbstmord immer wieder Gegenstand der Betrachtung in Gedichten, Prosa und Drama beispielsweise bei Amery, Hermann Hesse, Hans Bender oder Hans Henny Jahnn. Die unterschiedliche Herangehensweise und Bearbeitung des Themas bei ausgewählten Autoren zeigt wie vielfältig das Thema behandelt werden kann. DGBS e.V. Jahrestagung 2006 Vorsitzende, Referenten und Moderatoren Angst, J. 3, 6 Baghai, Th. C. 10 Barth, Th. 12 Bauer, M. 3, 9 Bernhard, B. 11 Biedermann, N. C. 4 Bock, Th. 14 Bonfert, R. 17 Braun-Scharm, H. 6, 17 Bräunig, P. 5, 6 Brieger, P. 7 Bschor, T. 8 Burkhardt-Neumann, C. D. 12 Calker, D. v. 3 Deckert, J. 9 Dittmann, S. 4 Dobmeier, M. 17 Drieling, T. 4 Eppler, D. 13 Freitag, R. 13 Fürhoff, J. 12 Gamma, A. 3 Gauggel, S. 5 Geislinger, R. 12 Gerber, S. 4 Gielen, R. 15 Giesler, H. 15 Goldmann, B. 18 Gruber, S. 5 Grunze, H. 4, 9, 10, 14 Hautzinger, M. 5 Jarusch, B. 12 Kahlert, A. 16 Klieser, E. 17 Kornhuber, J. 6 Kruber, H. 12 Krüger, S. 7, 9 Langosch, J. M. 4 Lösing, A. 16 Meyer, Th. D. 5, 11 Möhrmann, K.-H. 13 Mönter, N. 15 Müller-Siecheneder, F. 15 Niklewski, G. 3, 6, 14 Oliver V. 14 Post, R. M. 4 Rathgeber, K. 5, 13 Schaerer, L. O. 4 Schäfer, M. 16 Scharnowski, S. 15 Selo, M. 17 Stamm, Th. 3 Thiergart, S. 15 Ullrich, H. 17 Unger, B. 17 Unger, H.-P. 15 Valerius, G. 4 Wagner, P. 13 19 Drei Betroffene und eine Angehörige berichten in dieser Doku-Collage vom Rausch des Höhenflugs und dem Sog in den Abgrund der Depression. Sie schildern, wie es sie heraustreibt aus den Normen ihres Berufes und die Tragfähigkeit ihrer Beziehungen überspannt. Sie erzählen vom Pendeln zwischen berauschtem Größenwahn und bohrendem Hass auf sich selbst, vom labilen Gleichgewicht in den Beziehungen zu Familienangehörigen und Freunden und vom langsamen Weg zurück in den Alltag. Der Film ist entstanden im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. Der Film: DIE POLE DES SATURN Bipolar – Leben zwischen Manie und Depression Doku-Collage von Nicole Plinz und Oliver Hermann DVD, Laufzeit: 57 min., 19.90 Euro Die Bücher: Psychiatrie-Verlag • Bonn www.psychiatrie-verlag.de • mail: [email protected] Bipolare Störungen Manie und Depression verstehen und behandeln Thomas Bock Achterbahn der Gefühle Mit Manie und Depression leben lernen »Den Leser erwartet ein einfühlsames Konzept, mit Manie und Depression angemessen umzugehen. Kein verordneter Ansatz mit Handlungsanweisungen, wie die professionelle Psychoedukation es meist bietet. Das ist etwas Besonderes, weil die Beiden die Theorie aus der gelebten Praxis entwickeln – nicht umgekehrt..« Reinhard Gielen, Eppendorfer Dieser Ratgeber hilft Betroffenen, Ordnung in die Wahrnehmung eigener Stimmungsschwankungen zu bringen, und zeigt anhand von Fallbeispielen verschiedene Verläufe sowie die dahinterstehenden Konflikte und Lösungsmöglichkeiten. Das Buch ist auch hilfreich für Angehörige, das Leben zwischen den Extremen gelassener zu nehmen. Thomas Bock, Andreas Koesler ISBN 3-88414-373-5, 184 Seiten, 12.90 Euro ISBN 3-88414-392-1, 250 Seiten, 24.90 Euro Ilka Scheidgen Arne Petersen Meine Freundin Johanna Ein Leben mit Manie und Depression Affenstall. Auf Station ISBN 3-99414-341-7 272 Seiten, 13.90 Euro »Ilka Scheidgen ist ein Roman gelungen, der aufklärt, ohne zu verurteilen. Erinnert, ohne zu beschönigen. Es wäre viel, wenn dadurch Fernstehenden wie Betroffenen ein Zugang zu dem ermöglicht werden könnte, was Johanna leiden macht.« Stefan Meetschen, Die Tagespost ISBN 3-88414-340-9, 240 Seiten, 12.90 Euro »Wie der psychiatrieerfahrene Autor Arne Petersen den Stationsalltag beschreibt ist von einem absurden Humor.« Psychologie heute »Kurzweilig und amüsant geschriebenes Buch, dass völlig neue Einblicke in die Gedankenwelt eines Manisch-Depressiven bietet.« Michael Freitag, Eppendorfer