Dr. Roger Waldmann 1 Insektizider Pflanzenschutz im Weinbau Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Abteilung „Pflanzenschutzmittel“, Dr. Roger Waldmann Zuständigkeiten im Pflanzenschutz Für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gelten in der Europäischen Union einheitliche Regeln. In Deutschland ist für die Zulassung das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zuständig. Es arbeitet dabei mit drei Bewertungsbehörden zusammen: Das Bundesinstitut für Risikobewertung bewertet die Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier und die Analysenmethoden zum Nachweis möglicher Rückstände. Das Julius Kühn-Institut prüft die Wirksamkeit, die Pflanzenverträglichkeit, den Einfluss auf die Nachhaltigkeit und Nutzen sowie mögliche Auswirkungen auf Honigbienen. Das Umweltbundesamt beurteilt das Mittel im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf den Naturhaushalt. Im BVL werden die chemischen und physikalischen Eigenschaften des beantragten Produkts bewertet und die Analysenmethoden zum Nachweis des Wirkstoffs im Produkt und von Verunreinigungen geprüft. Das BVL steuert auch das Zulassungsverfahren, übernimmt die Vertretung nach außen und ist verantwortlich für das Risikomanagement, also für Zulassungsentscheidungen und administrative Maßnahmen. Grundlage für die Managemententscheidungen des BVL sind die Berichte der drei beteiligten Bewertungsbehörden. Ziel ist es, einen ausreichenden Schutz für Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse zu erreichen, ohne die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu beeinträchtigen. Mit der Zulassung trifft das BVL eine Reihe von Maßnahmen, um etwaige Risiken zu vermindern: Es legt fest, für welche Zwecke und in welcher Art und Weise das Mittel angewendet werden darf, schreibt Sicherheitshinweise für die Verpackung vor, bestimmt Wartezeiten zwischen letzter Anwendung und Ernte, und kann Auflagen und Anwendungsbestimmungen festsetzen, beispielsweise Mindestabstände zu Gewässern. Außerdem entscheidet das BVL, ob die Anwendung des Mittels auch im Haus- und Kleingartenbereich zulässig ist. Zusammenarbeit in der EU Zur Harmonisierung des Verbraucher- und Umweltschutzes in der EU gehört eine gemeinschaftliche Prüfung der Wirkstoffe, die in Pflanzenschutzmitteln eingesetzt werden sollen. Zulässig sind nur Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln, die dieses Gemeinschaftsverfahren durchlaufen haben und in eine Positivliste aufgenommen wurden. Die Europäische Kommission, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit und die Mitgliedstaaten arbeiten hierbei zusammen. Dabei wird für jeden Wirkstoff, der entweder neu auf den Markt kommt oder zur turnusmäßigen Überprüfung ansteht, ein Bericht erstattender Mitgliedstaat bestimmt, der die Unterlagen, die von der Industrie einzureichen sind, nach harmonisierten Vorgaben auswertet und in einem umfangreichen Bewertungsbericht die Eigenschaften des Wirkstoffs und seine Risiken darstellt. Dieser Bericht wird anschließend von den anderen Mitgliedstaaten in einem intensiven „peer review“ überprüft. Dazu gehören auch regelmäßige internationale Expertentreffen, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit organisiert werden. Ebenfalls in einem europäischen Gemeinschaftsverfahren erfolgt die Festsetzung von Rückstandshöchstgehalten. Rückstandshöchstgehalte sind maximal erlaubte Konzentrationen in 68. Weinbautage 2015 2 Dr. Roger Waldmann Lebensmitteln und Futtermitteln, die für jeden Wirkstoff und aufgeschlüsselt nach Produkten festgelegt werden. Bei der Wirkstoffbewertung und zur Festsetzung von Rückstandshöchstgehalten koordiniert das BVL die Mitarbeit Deutschlands, nimmt an Beratungen in den Gremien der EU teil und setzt die Entscheidungen um. Über diese beiden Programme hinaus sieht die Pflanzenschutzmittel-Verordnung der EU ab 2011 eine stärkere Arbeitsteilung auch bei der Zulassung der Pflanzenschutzmittel vor. Das BVL wird deshalb noch intensiver mit den Partnerbehörden der Mitgliedstaaten zusammenarbeiten. Regelverfahren und gegenseitige Anerkennung Pflanzenschutzmittel werden gemäß Verordnung (EU) Nr. 1107/2009 innerhalb einen Jahres mit einer maximal 6 monatigen Überarbeitungsfrist zonal bewertet und zugelassen. In Europa wurden drei Zonen gebildet, innerhalb derer die nationalen Behörden arbeitsteilig kooperieren. In der Praxis soll dann ein Mitgliedsstaat federführend entscheiden, ob ein neues Pflanzenschutzmittel zugelassen werden kann. Im Idealfall erkennen die anderen Mitglieder derselben Zone die Bewertung des sog. Berichterstattenden Mitgliedsstaates (ZRMS) in einem vereinfachten Verfahren an und lassen das Pflanzenschutzmittel in ihrem Land ebenfalls zu. Ist eine Zulassung nach der o. g. Verordnung erteilt worden, kann diese auch auf Antrag von einem anderen Mitgliedstaat übernommen werden. Neben dem Zulassungsinhaber können auch mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten befasste amtliche oder wissenschaftliche Stellen oder landwirtschaftliche Berufsorganisationen diesen Antrag stellen. Schließung von Indikationslücken Für Kulturen, die nur in geringem Umfang angebaut werden, beispielsweise Kräuter und viele Gemüsearten, gibt es häufig keine zugelassenen Pflanzenschutzmittel, weil die herstellenden Firmen aus wirtschaftlichen Gründen auf entsprechende Anträge verzichten. Um dennoch den Anbau solcher Kulturen in Deutschland zu ermöglichen, kann das BVL nach dem Pflanzenschutzgesetz die Anwendung von Mitteln, die für andere Kulturen zugelassen sind, in solchen Indikationslücken auf Antrag Dritter genehmigen auf Antrag Dritter den Geltungsbereich zugelassener Mittel auf solche Indikationslücken ausweiten. In Hinsicht auf den Gesundheitsschutz und Umweltschutz gelten dabei dieselben Standards wie im Zulassungsverfahren. Ausnahmegenehmigungen bei akuten Pflanzenschutzproblemen Wenn eine unvorhersehbare Gefahr für Kulturpflanzen auftritt, die mit anderen Maßnahmen nicht abwendbar ist, kann das BVL kurzfristig für diesen Zweck den Vertrieb und die Anwendung nicht zugelassener Pflanzenschutzmitteln für einen Zeitraum von maximal 120 Tagen genehmigen. Auch hier gelten die gleichen Sicherheitsstandards für den Verbraucherschutz und Umweltschutz wie im Zulassungsverfahren. Pflanzenstärkungsmittel und Zusatzstoffe Pflanzenstärkungsmittel sind unter anderem Stoffe, die die Widerstandskraft der Gesunderhaltung von Pflanzen dienen, aber keine Pflanzenschutzmittel sind. Zusatzstoffe werden Pflanzenschutzmitteln zugesetzt, um zum Beispiel die Benetzung der Blattfläche zu verbessern. Zusatzstoffe und Pflanzenstärkungsmittel dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie in einer Liste vom BVL aufgeführt sind. Voraussetzung dafür ist, dass die Produkte keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt haben. Auch in diesen Ver68. Weinbautage 2015 3 Dr. Roger Waldmann fahren arbeitet das BVL mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung, dem Julius KühnInstitut und dem Umweltbundesamt zusammen. Informationen über Pflanzenschutzmittel In seinem Internetangebot (www.BVL.Bund.de) informiert das BVL über zugelassene Pflanzenschutzmittel und aktuelle Meldungen aus der Zulassung. Aktuelle Zulassungssituation bei Insektiziden im Weinbau Die Anzahl an zugelassenen Insektiziden im Weinbau ist für einzelne Schadinsekten vergleichsweise umfangreich und hilft somit durch einen regelmäßigen Wechsel Resistenzbildungen zu vermeiden. Wie auch in anderen Einsatzgebieten bestehen aber auch hier Lücken, wenn lediglich ein zugelassenes Mittel zur Bekämpfung bestimmter Schadorganismen zur Verfügung steht. Hier sind weitere Anstrengungen nötig, um die Mittelpalette auszuweiten und möglichen Resistenzbildungen vorzubeugen. Abb. 1: Zugelassene Insektizide im Weinbau (Stand: 12.12.2014) Schadinsekt Bekreuzter Traubenwickler Drosophila-Arten Einbindiger Traubenwickler Pflanzenschutzmittel SpinTor, CORAGEN, Piretro verde, Isonet LE, Dipel ES, RAK 1+2 M, Mimic, XenTari, STEWARD, Runner SpinTor SpinTor, CORAGEN, Piretro verde, Isonet LE, Dipel ES, RAK 1+2 M, Mimic, XenTari, STEWARD, Runner, RAK 1 Neu Gemeiner Ohrwurm SpinTor, STEWARD Maikäfer NeemAzal-T/S Obstbaumspinnmilbe Reblaus MASAI Rebstock-Kräuselmilbe Rhombenspanner Micula Schildlaus-Arten Confidor WG 72 Spinnmilben Confidor WG 70, NeemAzal-T/S, Karate Zeon SpinTor, Mimic, STEWARD Kiron, MASAI, Promanal Neu Austriebsspritzmittel, Envidor, Para Sommer, Micula, Apollo, Ordoval Springwurm SpinTor, Mimic, STEWARD Thripse SpinTor, Confidor WG 70 Zikaden Kiron, STEWARD Kirschessigfliege Zurzeit ist die Zulassungssituation zur Bekämpfung der Kirschessigfliege nicht ausreichend. Es gibt lediglich eine Zulassung gemäß Art. 51 der Verordnung (EU) Nr. 1107/2009 (Lückenindikation) für das Pflanzenschutzmittel SpinTor mit dem Wirkstoff Spinosad zur zweimaligen Behandlung von Weinreben gegen Drosophila-Arten. Darüber hinaus wurde für das Mittel „Piretro verde“ mit dem Wirkstoff Pyrethrine für den Zeitraum 05.09. bis 29.12.2014 eine „Notfallzulassung“ erteilt. Auch für das kommende Jahr rechnet das BVL mit derartigen Anträgen. Weitere Fragen? Dr. Roger Waldmann, Tel. 0 531/299-3549, [email protected] 68. Weinbautage 2015