18.05.2009__Hilfreiche Gesprächsführung bei

Werbung
ZOLLERNALB KLINIKUM gGmbH
Innerbetriebliche Fortbildung (IBF) der Zollernalb-Klinikum gGmbH
Fortbildungs-Skript
Thema:
„Der Diagnoseschock:
Hilfreiche Kommunikation mit Patient/innen“
Termin:
Mo., 18.5.2009
14.15 -15.45 Uhr
Haus Balingen
Referentin:
Dipl.-Psych. Dorothea Olivos-Blomberg, Reutlingen
Psychoonkologische Betreuung am Brustzentrum,
Klinik Albstadt
Inhalt:
Ausarbeitung der Referentin und
Abschrift der Gruppenarbeit
Zusammenstellung: Sonka Buchholz (IBF), 22.05.2009
- Hinweis: Begriffe mit hochgestellten Ziffern werden im Glossar erläutert -
Dokumentbezeichnung: IBF-Programmseite_Ingtranetlink
Freigabe
erstellt von :
Sonka Buchholz
Sonka Buchholz
Seite: 1/1
erstellt am
Version
1.1
11.11.2007
11.11.2007
Einführung in das Veranstaltungsthema
Die Sprache ist das wichtigste Medium in der Beziehung zwischen Patient/in und Pflegekraft bzw. Arzt. Aber es
ist in der Kommunikation weniger das (viele) Sprechen, sondern vor allem das „Zuhören-Können“, das dazu beiträgt, dass die Patienten Vertrauen in die Behandlung und die Behandelnden fasst. Dies gilt gerade dann, wenn
Patient/innen am Ende einer Diagnostik-Prozedur in einem Aufklärungsgespräch mit „schlechten Nachrichten“
und „ungewissen Aussichten“ konfrontiert werden. Diese Mitteilungen setzen bei den Betroffenen sehr individuelle
psychische Reaktionsmechanismen in Gang, die von aggressiver Abwehr bis zu depressiven Rückzug reichen.
Häufig beeinträchtigt das die Kommunikation mit den betreuenden Fachkräften (Pflegekräfte, Ärzte) erheblich.
Wenn diese jedoch bereit sind, mit einer offenen und akzeptierenden Grundhaltung hinter der Sachaussage einer
Patienten-Mitteilung auch den mitklingenden Appell und die emotionale Selbstoffenbarung wahrzunehmen, dann
ist eine gute Grundlage geschaffen dafür, dass der/die Betroffene sich angenommen fühlt und einen ersten eigenen Weg der Krisenbewältigung finden kann.
Mit dieser Veranstaltung soll die bisherigen Veranstaltungen zum Thema „Gesprächsführung mit Patienten in
kritischen Krankheitsphasen: Das Konzept des Aktiven Zuhörens“ fortgeführt werden.
Gliederung der Fortbildung
I.
Die Diagnosestellung als situativer Auslöser einer krisenhaften Erlebnisreaktion
ICD-10
F.43.0: „Akute Belastungsreaktion“
F. 43.1: „Posttraumatische Belastungsstörung“
Korrelate aus der Gehirnforschung
II.
Gruppenarbeit: „Wie möchten Sie die Diagnose gestellt bekommen?
- Wie würden Sie es als gut erachten?
- Wie geht es auf keinen Fall?
III. Die Macht der Sprache:
- Frühe Indoktrinationen (Transaktionsanalyse)
- Sprache kann heilen / zerstören
Rolle der ÄrztInnen und des Pflegepersonals im Krankenhaus aus Sicht der Patient/innen
Die Reaktionen der PatientInnen auf die „harte“ Art der Diagnosestellung
IV. Ihre möglichen Reaktionen als Pflegekraft
- passives Zuhören
- aktives Zuhören
V.
Rollenspiel
I.
Die Diagnosestellung als situativer Auslöser einer krisenhaften Erlebnisreaktion1
F 43.0: Die akute Belastungsreaktion
„Eine vorübergehende Störung von beträchtlichem Schweregrad, die sich bei einem psychisch nicht manifest
gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche körperliche oder seelische Belastung entwickelt und
im allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingt. Das auslösende Ereignis kann ein überwältigendes
traumatisches Erlebnis mit einer ernsthaften Bedrohung für die Sicherheit oder körperliche Unversehrtheit des
Patienten oder einer geliebten Person (Personen) sein (z.B. Naturkatastrophe, Unfall, Krieg, Verbrechen, Vergewaltigung) oder eine ungewöhnliche plötzliche und bedrohliche Veränderung der sozialen Stellung und/oder des
Beziehungsnetzes des Betroffenen wie etwa Verluste durch mehrere Todesfälle, einen Brand oder ähnliches. [...]
2
2
Die individuelle Vulnerabilität und die zur Verfügung stehenden Bewältigungsmechanismen (Coping-Strategien)
spielen beim Auftreten und beim Schweregrad der akuten Belastungsreaktion eine Rolle. [...]
Die Symptome sind sehr verschieden, doch typischerweise beginnen sie mit einer Art von „Betäubung“, einer
gewissen Bewußtseinseinengung und eingeschränkter Aufmerksamkeit, einer Unfähigkeit, Reize zu verarbeiten
und Desorientiertheit. Diesem Zustand kann ein weiteres Sichzurückziehen aus der Umweltsituation folgen oder
aber ein Unruhezustand und Überaktivität wie Fluchtreaktion. Meist folgt der „Betäubung“ ein gemischtes und
wechselndes Bild mit Depression, Angst, Ärger, Verzweiflung. Meist treten vegetative Zeichen panischer Angst
wie Tachycardie, Schwitzen und Erröten auf.
Die Symptome erscheinen innerhalb von Minuten nach dem belastenden Ereignis und gehen innerhalb von zwei
oder drei Tagen, oft innerhalb von Stunden zurück.
Es kann eine teilweise oder vollständige Amnesie für diese Episode vorliegen.
Ähnliche Begriffe:
- akute Krisenreaktion
- Combat fatigue
- Krisenzustand
- psychischer Schock“
F 43.1: Posttraumatische Belastungsstörung
Diese entsteht als verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes (kurz oder langanhaltend), die bei fast jedem eine
tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.
Hierzu gehören eine durch Naturereignisse oder von Menschen verursachte Katastrophe, eine Kampfhandlung,
ein schwerer Unfall oder die Tatsache, Zeuge eines gewaltsamen Todes anderer oder selbst Opfer von Folterung,
Terrorismus, Vergewaltigung oder eines anderen Verbrechens zu sein.
Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, sog. „flash backs“) oder in Träumen, vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit, Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umge3
bung gegenüber, Anhedonie sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Üblicherweise findet sich Furcht vor und Vermeidung von Stichworten, die den Leidenden
an das ursprüngliche Trauma erinnern können.
Selten kommt es zu dramatischen akuten Ausbrüchen von Angst, Panik oder Aggression, ausgelöst durch plötzliche Erinnerung und/oder Wiederholung des Traumas und der ursprünglichen Reaktion darauf.
Gewöhnlich tritt ein Zustand vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlaflosigkeit auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen
assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. [...]
4
Die Störung folgt dem Trauma mit einer Latenz , die Wochen bis Monate dauern kann. Bei wenigen Patienten
nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen verlauf und geht dann in eine dauerhafte Persönlichkeitsveränderung über.“
Korrelate aus der Gehirnforschung
Das Gehirn ist bei einer Krise instabil und sehr vulnerabel. Vergleichbares passiert in der Pubertät. Das Gehirn
braucht Zeit, um sich wieder zu konsolidieren.
These:
Die Mitteilung einer schwerwiegenden Diagnose löst bei den betroffenen Patienten einen psychischen Krisenzustand aus.
II.
Gruppenarbeit: „Wie möchten Sie die Diagnose gestellt bekommen?
3
Ergebnis der Gruppenarbeit: „Wie würden Sie es als gut erachten?“
Gruppe 1:
Gruppe 2:
- in ruhigem Ton, ruhige Umgebung
- einfühlsam
- unter vier Augen
- persönlich
- kein Zeitdruck
- Rückzugsmöglichkeiten
- durch kompetente, verständnisvolle Person
- viel Zeit
- Angebot für Zweitgespräch
- individuelle Wünsche für das Gespräch berücksichtigen
Gruppe 3:
Gruppe 4:
- Vertrauensperson
- Information über anstehende Untersuchungen und evtl. negatives Ergebnis
- geschützte Atmosphäre
- Ehrlichkeit (einfühlsam)
- Angehörige / Freunde bei Gespräch dabei
- Zeit für Gespräch
in intimer Atmosphäre
- Ehrlichkeit
- einfühlsam
- Therapiemöglichkeiten aufzählen
- psychologische Betreuung
Ergebnis der Gruppenarbeit: „ Wie geht es auf keinen Fall?“
Gruppe 1:
Gruppe 2:
- nicht nebensächlich
- nicht telefonisch
- Überbringer = Ansprechperson
- nicht von „oben herab“,
auf gleicher Ebene
- keine Überforderung
- ohne Beisein von fremden Menschen
- Zeitdruck
- telefonisch oder schriftlich (per Post)
- über Dritte
nicht vor der Nacht
Gruppe 3:
Gruppe 4:
- unter fremden Zuhörern
- Zeitdruck
„Knallhart“ (Holzhammer-Methode)
- Gebrauch von mediz. Fremdwörtern
- verbleibende Lebenszeit
- zu viele / fremde Mithörer
- unter Zeitdruck
falsche Prognose
- zu viele medizinische Ansprechpartner
III.
Die Macht der Sprache
4
5
Aus der Transaktionsanalyse (BERNE) sind die Weisungen und Zuschreibungen bekannt, die einen Menschen
das Leben lang beeinflussen können:
Nonverbale Ebene:
Ablehnung, Vernachlässigung, Schlagen, Lächerlichmachen etc.
Verbale Ebene:
negative Persönlichkeitsbewertungen wie:
- „Du bist dumm!“
- „Du landest mal in der Gosse!“
- „Aus Dir wird nie etwas!“
- „Sei nicht ...!“
- „Ach Gott, der ist ja wirklich nicht kräftig!“
- „Du schaffst es nie!“
6
Diese verinnerlichten Botschaften können zu einem sog. „Skript“ führen, in dem der Mensch sich sein Leben lang
bewegt. So kann die Antreiber-Botschaft „Streng Dich an!“, „Gib’ immer dein Bestes!“ zu Bluthochdruck, einem
Ulcus und Herzinfarkt führen.
Speziell für unseren Fall einer akuten Krise, ausgelöst durch eine medizinische Diagnose:
Sprache kann heilen oder zerstören.
Rolle der ÄrztInnen und des Pflegepersonals im Krankenhaus aus der Sicht der PatientInnen
Unbewußt werden die Personen, mit denen die PatientInnen im Krankenhaus Kontakt haben, wie die Familie
angesehen. Von der Familie erwartet man Hilfe, emotionale Unterstützung.
Inzwischen ist bekannt, dass eine gute und vertrauensvolle Beziehung zu den ÄrztInnen und dem Pflegepersonal
sich positiv auf den Heilungsprozeß auswirken kann. Sie ist ein sehr wichtiger Parameter – auch in der Psychotherapie.
Die Reaktion der PatientIn auf die „harte“ Art der Diagnose-Übermittlung
Mögliche Reaktionsweisen:
- s. „Akute Belastungsreaktion“
- es kann zu einer Art Betäubung, dissoziativem Stupor oder Panikattacken kommen
- somatische Reaktionen wie Schmerzen, Erbrechen, Übelkeit
- oder emotionale Reaktionen (Angst, Depression)
IV. Ihre möglichen Reaktionen als Pflegekraft
1. Passives Zuhören:
“Erzählen Sie mal!“, „Ja, hmm ..“
2. Aktives Zuhören:
7
- Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte
- einfühlendes Verstehen
- Empathie
- Spiegeln
- Validieren: Wie klingt mein Gegenüber, was schwingt gefühlsmäßig mit?
- Konzentration auf die Gefühle des Gesprächspartners, v.a. auf die aktuell erlebten („Hier-und-jetzt“-) Gefühle
- Gefühle möglichst direkt ansprechen
- eigene Formulierungen möglichst konkret und kurz
- Berücksichtigung, dass eigene Verbalisierungen immer nur Hypothesen oder Annährungen an das Gefühl des
Gesprächspartners sein können!
5
V. Rollenspiel
4 Beobachtungsgruppen:
1. verbal / Pflegepersonal
2. Körpersprache / Pflegepersonal
3. verbal / Patient/in
4. Körpersprache / Pflegepersonal
Glossar von Fachausdrücken
1 Erlebnisreaktion
In der Klinischen Psychologie und Psychiatrie wird unter einer „Reaktion“ die psychologische „Antwort“ auf ein
belastendes äußeres Ereignis verstanden, die sich vor allem im gefühlsmäßigen Erleben und Gefühlsausdruck
des Betroffenen äußert (d.h. im „affektiven“ Verhalten) äußert. Eine in erster Linie rationale Erfassung und Verarbeitung einer Situation wird nicht zu den Erlebnisreaktionen gerechnet.
Dabei steht die Art der Reaktion in einem für Außenstehende unmittelbar nachvollziehbaren sinnvollen Zusammenhang mit der Art und Schwere des vorangehenden belastenden Ereignisses („Trauer über..“, „Reue wegen
..“, „Furcht vor ...“, „Wut über ..“). Die betroffene Person erleidet einen Verlust des psychischen Gleichgewichtes
mit einer kurzdauernden Dekompensation der gewohnten Verarbeitungsmöglichkeiten.
2 Vulnerabilität
“Verwundbarkeit“, „Verletzbarkeit“, Anfälligkeit für die Entwicklung psychischer Störungen
3 Anhedonie
eingeschränkte oder aufgehobene Fähigkeit zur Empfindung von Freude, Lust, Vergnügen. Freud- oder Lustlosigkeit ist ein häufiges Symptom bei zahlreichen psychischen Störungen, v.a. depressiven Syndromen.
4. Latenz
zeitliche Verzögerung
5. Transaktionsanalyse
Ein der Psychoanalyse entlehntes psychotherapeutisches Verfahren und Persönlichkeitsmodell, entwickelt vom
Kanadier Eric Berne. In der Transaktionsanalyse wird jeweils eine Äußerung und/oder ein körpersprachliches
Verhalten einer Person A und die direkte Reaktion von Person B darauf als eine „Transaktion“ bezeichnet, sie
stellt die kleinste Kommunikationseinheit dar.
Nach Wikipedia: „Mit Spielen werden in der Transaktionsanalyse komplexe Transaktionen beschrieben, die
immer wiederkehrende Muster aufweisen und zum Schluss meist mit unguten Gefühlen ausgehen – im Gegensatz zu dem, was üblicherweise unter Spiel verstanden wird. Spiele dienen in der Regel dazu, die eigene Lebensposition und das Bild, welches wir von anderen bzw. uns selbst haben, zu bestätigen. Ein typisches Spiel
wird z. B. aus der Opferposition heraus begonnen z. B. mit dem „Ruf nach Hilfe“. Beteiligte können in dieses Spiel
einsteigen und Vorschläge zur Lösung anbieten („Warum machst du nicht …?“). Das Opfer hält aber seine Position aufrecht, indem es die Vorschläge abwertet („Ja, aber …“). Die Überzeugung „Ich bin hilflos“ wird durch dieses
Spiel aufrechterhalten und bestätigt. Das Dramadreieck von Stephen Karpman hilft bei der Klärung solch unproduktiver Kommunikationsabläufe.“
6 Skript [nach Wikipedia]
“Ein Skript im Sinne der Transaktionsanalyse ist ein Drehbuch, ein Lebensplan oder ein unbewusstes Programm,
nach dem ein Individuum lebt. Die bevorzugten Transaktionen und psychologischen Spiele einer Person sind
Ausdruck ihrer Skripten. Diese enthalten persönliche Haltungen, Wertmaßstäbe und Aussagen über das Selbstwertgefühl. Sie bestimmen die Möglichkeiten der Person, sich zu entfalten und Konflikte zu bewältigen. Durch die
Analyse der Skripten können diese bewusst gemacht und unter Umständen verändert werden. Zu den Bestand-
6
teilen des Skriptes gehören sowohl offene als auch subtile Indoktrinationen durch die Eltern. Markante
Transaktionen (Botschaften) sind "Werde nicht erwachsen" oder auch "Sei ein Versager". Die Handlungsanweisungen erfolgen durch Vormachen, direktes oder nonverbales Anleiten, oder über Lebensregeln. Es entstehen
Lieblingsgefühle. So kann Traurigkeit zu einem Lieblingsgefühl werden, wenn das Kind immer dann "gestreichelt"
wird, wenn es traurig ist.“
7. Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte
Gesprächstechnik aus der Klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie:
In den Antworten, die man dem Gesprächspartner gibt, greift man seine Gefühle auf und umschreibt sie mit eigenen Worten. Eine Vorstufe zur Verbalisierung emotionaler Inhalte ist das sog. Paraphrasieren: Man wiederholt
das Gesagte, indem man es mit eigenen Worten umschreibt. Dadurch wird deutlich gemacht, dass man gedanklich den Ausführungen folgt. Die Verbalisierung emotionaler Inhalte geht über das Paraphrasieren hinaus: Man
greift gezielt die Gefühle auf, die in den Äußerungen des Gesprächspartners enthalten sind oder die man in ihnen
vermutet.
7
Herunterladen