VWL_Einfuehrung 2012 Kap 08-18

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Einführung in die
Wirtschaftswissenschaften –
Volkswirtschaftslehre
Teil II (Kap. 8 -18)
Dr. Horst Baier
Universität Osnabrück
04.05.2012
Dr. Horst Baier
Seite 1
Agenda
1. Was ist Volkswirtschaftslehre?
2. Wie hat sich die Volkswirtschaftslehre entwickelt?
3. Märkte und Arbeitsteilung als Basis unseres Wohlstandes
4. Angebot, Nachfrage und Marktgleichgewicht
5. Nachfrage und Konsumverhalten
6. Angebot und Produktionsentscheidungen
7. Unvollständiger Wettbewerb: die Welt von Monopolen und Kartellen
Dr. Horst Baier
Seite 2
8.
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
9.
Theoretische Grundlagen der Makroökonomie
10.
Konsum und Investition
11.
Der Geldmarkt
12.
Der Arbeitsmarkt
13.
Funktion des Staates für eine funktionierende Volkswirtschaft
14.
Wettbewerbspolitik
15.
Konjunktur- und Wachstumspolitik
16.
Inflation, Geldpolitik und Funktion von Notenbanken
17.
Wirtschaftspolitik in der offenen Volkswirtschaft
18.
Volkwirtschaftslehre jenseits des 19. Jahrhunderts
Dr. Horst Baier
Seite 3
8. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung verfolgt das Ziel, das Wirtschaftsgeschehen einer Volkswirtschaft für einen zurückliegenden und daher
abgeschlossenen Zeitraum quantitativ möglichst umfassend zu beschreiben
 Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erfasst die Summe der Güter und
Dienstleistungen, die in den Grenzen eines Landes (oder einer
Verwaltungseinheit) in einem bestimmten Zeitraum, in der Regel in einem
Jahr, herge-stellt bzw. gekauft werden. Aufgrund dieser Bezugsebene
spricht man bei seiner Erhebung vom Inlandsprinzip.
 Die dabei von den Inländern (Inländer = ständige Bewohner einer
Verwaltungseinheit) erzielten Bruttoprimäreinkommen werden mit dem
Bruttonationaleinkommen (BNE), dem früheren Bruttosozialprodukt
gemessen.
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Dr. Horst Baier
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Bruttoinlandsprodukt 2007 nach Bundesländern
Pro Kopf wurde im Jahr 2007 ein 27.310 € BIP von erzeugt. Allerdings differieren die Werte
sehr stark zwischen den Bundesländern. Da aber auch die Erwerbsbeteiligung in den
Ländern sehr unterschiedlich ist, muss die Pro-Kopf-Betrachtung durch eine Berechnung des
BIP pro Erwerbstätigen (Produktivität) ergänzt werden.
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
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BIP pro Kopf im weltweiten
Vergleich
Das absolute BIP pro Kopf gibt
kein vollständiges Bild über den
Lebensstandard in einem Land ab.
Folgende Faktoren sind noch zu
berücksichtigen:
 Einkommensverteilung
 hohe Wertschöpfung in
Sektoren mit geringer
Beschäftigung
 hohe Vermögenseinkünfte
durch Ausländer
 hohe Exporte im Energiebereich
 Lebenshaltungskosten
 Belastung durch Steuer- und
Sozialsysteme
 Staatliche Leistungen
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Dr. Horst Baier
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Big-Mac-Index
Bei der von The Economist erhobenen Studie
werden die Preise für einen Big Mac in
unterschiedlichen Ländern in der inländischen
Währung erhoben und werden durch die
Umrechnung zu dem zu der Zeit herrschenden
Wechselkurs in US-Dollar vergleichbar
gemacht. Basis der Überlegung ist die
Kaufkraftparitätentheorie. Sie geht davon aus,
dass ein homogenes Gut in zwei verschiedenen
Ländern keine Preisunterschiede aufweist,
solange ein vollkommener Markt vorliegt.
Der Index ist ein Indikator für die
Inlandskaufkraft einer Volkswirtschaft und zeigt
aber auch den Einfluss von über- oder
unterbewerteten Wechselkursen.
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Dr. Horst Baier
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Wege zur Ermittlung der Wirtschaftsleistung
(1) In der Entstehungsrechnung werden die Leistungen der Wirtschaftsbereiche zusammengefasst. Um Mehrfachzählungen, die durch die
Weiterverarbeitung von Gütern eines Unternehmens durch ein anderes
entstehen würden, wird die Summe dieser Leistungen (Produktionswert)
um die wechselseitigen und importierten Vorleistungen (Eigenverbrauch
einer Volkswirtschaft) vermindert, was zur Bruttowertschöpfung führt.
(2) Die Verwendungsrechnung gibt Aufschluss, welchem Zweck die als BIP
hergestellten Güter und Leistungen zugeführt werden, ob sie
beispielsweise konsumiert oder investiert werden. Hinzu kommen der
Staatsverbrauch und der Außenbeitrag (Exporte minus Importe). Die
Importe werden zwar verbraucht, nicht aber von der betrachteten
Volkswirtschaft erzeugt und somit heraus gerechnet.
(3) Werden die Güter und Leistungen verkauft, entstehen Einkommen, das
Bruttonationaleinkommen. Hier wechselt allerdings die Bezugsgrundlage
vom Inland zu den Inländern, welche diese Einkommen beziehen. Diese
Bruttoprimäreinkommen setzen sich Einkommen aus unselbständiger
Arbeit, Einkommen aus Unternehmertätigkeit, Kapitalerträgen und
Abschreibungen zusammen.
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Dr. Horst Baier
Seite 8
Entstehungsrechnung
Hier wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von der Produktionsseite
dargestellt. Zentrale Größe bildet dabei die Bruttowertschöpfung. Diese ermittelt
sich aus der Summe sämtlicher Produktionen abzüglich Vorleistungen. Die
Tabelle zeigt die Bruttowertschöpfung nach Sektoren für Deutschland im Jahr
2007.
Produktionswert
4.454,57 Mrd. €
− Vorleistungen
2.282,39 Mrd. €
= Bruttowertschöpfung
2.172,18 Mrd. €
+ Gütersteuern abzügl.
Gütersubventionen
251,62 Mrd. €
= Bruttoinlandsprodukt
2.423,8 Mrd. €
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
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Verwendungsrechnung
Bei der Verwendungsseite erfolgt die Berechnung anhand der Nachfrageseite.
Dabei wird die Verwendung für Waren und Dienstleistungen bestimmt. Die
folgende Tabelle zeigt links die Komponenten der Verwendungsrechnung, die
Werte auf der rechten Seite entsprechen deren Größe im nationalen BIP
Deutschlands 2007.
Private Konsumausgaben
1.374,4 Mrd. €
+ Konsumausgaben des Staates
436,1 Mrd. €
+ Bruttoinvestitionen
442,5 Mrd. €
+ Exporte
1.133,0 Mrd. €
= letzte Verwendung
3.386,0 Mrd. €
− Importe
− 962,19 Mrd. €
+ Außenbeitrag (Exp.−Imp.)
= Bruttoinlandsprodukt
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
2.423,85 Mrd. € = Bruttoinlandsprodukt
Dr. Horst Baier
170,8 Mrd. €
2.423,85 Mrd. €
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Verwendungsrechnung des BIP
BIP
Investitionen
Netto-Exporte
Y = C + I + G + NX
privater Konsum
Ausgaben der öff. Hand
Zunahme von Lagerbeständen wird ebenfalls als Investition betrachtet.
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
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Wichtige Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung –
Verwendung des Inlandsproduktes
Quelle: Sachverständigenrat
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
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Verteilungsrechnung
Hier wird das BIP anhand des entstandenen Einkommens gemessen. Die
Aufteilung erfolgt anhand des Volkseinkommens. Diese Tabelle zeigt auf der
linken Seite die Komponenten der Verteilungsrechnung und rechts die
dazugehörigen Daten aus dem Jahr 2007.
Arbeitnehmerentgelt
+ Unternehmens- und
Vermögenseinkommen
= Volkseinkommen
1.181,0 Mrd. €
643,2 Mrd. €
1.824,2 Mrd. €
+ Produktions- und Importabgaben an
den Staat abzüglich Subventionen
277,0 Mrd. €
+ Abschreibungen
345,2 Mrd. €
= Bruttonationaleinkommen
− Saldo der Primäreinkommen aus der
übrigen Welt
= Bruttoinlandsprodukt
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Verteilung des
Volkseinkommens
2446,4 Mrd. €
Unternehmens/Vermögenseinkommen
35%
Arbeitnehmerentgelt
65%
22,6 Mrd. €
2.423,8 Mrd. €
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Seite 13
Vom Bruttoinlandsprodukt zum verfügbaren Einkommen
Das BIP gibt Aufschluss über
die Entwicklung der
Produktion. Wichtig ist
außerdem die Frage nach
den Konsummöglichkeiten
einer Volkswirtschaft. Dazu
sind Informationen über das
verfügbare Einkommen
erforderlich. Das Problem
eines geeigneten Maßes für
den Lebensstandard löst das
Nettonationaleinkommen am
treffendsten.
Dieses Beispiel verdeutlicht
das schrittweise Vorgehen,
mit Daten des Jahres 2007.
Bruttoinlandsprodukt
+ Einkommen aus der übrigen Welt (von Inländern im
Ausland erzielte Einnahmen)
− Einkommen an die übrige Welt (von Ausländern im
Inland erzielte Einnahmen)
2.422,90 Mrd. €
= Bruttonationaleinkommen
2.464,19 Mrd. €
− Abschreibungen
= Nettonationaleinkommen
− indirekte Steuern und Importabgaben (z. B.
Umsatzsteuer)
+ Unternehmenssubventionen
= Volkseinkommen
− direkte Steuern (z. B. Einkommensteuer)
− Sozialbeiträge
+ Transfereinkommen (z. B. Bafög)
= verfügbares Einkommen
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
239,29 Mrd. €
198,00 Mrd. €
358,75 Mrd. €
2.105,44 Mrd. €
305,46 Mrd. €
27,09 Mrd. €
1.827,07 Mrd. €
7,54 Mrd. €
399,87 Mrd. €
653,74 Mrd. €
2.073,40 Mrd. €
Seite 14
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 2007
Das BIP pro Kopf wird wie folgt
berechnet:
BIP pro Kopf = BIP / Anzahl der
Einwohner
Im Jahr 2007 lagen 16 der 20
Staaten mit dem weltweit niedrigsten
BIP pro Kopf in Afrika. Afrika ist auch
der Kontinent mit dem niedrigsten
BIP pro Kopf – es betrug im Jahr
2007 lediglich 1.400 US-Dollar pro
Jahr.
Staat
Welt
ökonomisch entwickelte
Staaten
38.067
sich ökonomisch
entwickelnde Staaten
2.688
102.145
Luxemburg
01.
Schweiz
06.
54.936
Vereinigte Staaten
12.
44.594
Osterreich
14.
44.387
Deutschland
18.
39.979
Japan
22.
34.348
Burundi
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Rang BIP pro Kopf in $
8.302
(höchstes BIP pro Kopf)
119
(niedrigstes BIP pro
Kopf)
Seite 15
Die Zahlungsbilanz
 Leistungsbilanz (mit fünf Teilbilanzen):





die Handelsbilanz erfasst die Ein- und Ausfuhr von Waren.
Sie ist die größte Teilbilanz der Zahlungsbilanz
die Dienstleistungsbilanz bildet alle Transaktionen ab,
die sich aus dem Reiseverkehr, Transporten, Finanzdienstleistungen und Patenten/Lizenzen ergeben
Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen (Kapitalerträge Ausland und
Einkommen aus unselbstständiger Arbeit)
Bilanz der laufenden Übertragungen (z.B. 18,6 Mrd. € an EU in 2011)
einmalige Vermögensübertragungen
 Bilanz des Kapitalverkehrs





Bilanz der Direktinvestitionen (Beteiligung von Ausländern an inländischen
Unternehmen und umgekehrt)
Bilanz der Wertpapieranlagen, Käufe und Verkäufe Wertpapiere
Grenzüberschreitende Transaktionen mit Derivaten
direkte Kredite durch Banken, Staat, Unternehmen und Privatpersonen
ausgewiesen werden auch die Netto-Auslandsaktiva der Notenbank (z.B.
Währungsreserven)
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Seite 16
Beispielzahlen für die Leistungsbilanz
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
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Seite 17
Kapitalbilanz Deutschland
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Dr. Horst Baier
Seite 18
Leistungsbilanzsalden im Vergleich
(grün=hohe Überschüsse, rot = Defizite)
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Dr. Horst Baier
Seite 19
Langfristige Entwicklung des Bruttosozialproduktes in
Deutschland
2009: Finanzkrise – 5 %
Wirtschaftswunder Konjunktureinbruch 1. Ölkrise 1973, 2.
1967 (Abschluss
Krise nach 1979
Wiederaufbau)
Wiedervereinigungsboom
Chinaboom,
Lohnzurückhaltung
Beispiele für externe Ereignisse und ihre Wirkung auf das Wachstum
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Dr. Horst Baier
Seite 20
Konjunkturindikatoren für Deutschland aus 2009
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Dr. Horst Baier
Seite 21
Alternative Ansätze zur Messung des „Wohlstandes“
 Bruttonationalglück (BNG) ist der Versuch, den Lebensstandard in breit
gestreuter, humanistischer und psychologischer Weise zu definieren und
somit dem herkömmlichen Bruttonationaleinkommen, einem
ausschließlich durch Geldflüsse bestimmten Maß, einen ganzheitlicheren
Bezugsrahmen gegenüberzustellen.
Der Ausdruck wurde 1979 von dem König von Bhutan geprägt. Dort ist
das Glück zum Staatsziel erhoben worden. Die schwer messbaren Säulen
des BNG sind:
 die Förderung einer sozial gerechten
Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung,
 Bewahrung und Förderung kultureller Werte,
 Schutz der Umwelt und
 gute Regierungs- und Verwaltungsstrukturen.
 Happy Planet Index (HPI) ist ein Index, der ein Maß für die ökologische
Effizienz der Erzeugung von Zufriedenheit zu bilden versucht. Dazu
werden Werte für Lebenszufriedenheit, Lebenserwartung und
Ökologischen Fußabdruck kombiniert.
Kapitel 8: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
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Seite 22
9. Theoretische Grundlagen der Makroökonomie
 Die Makroökonomie versucht, die wesentlichen Bestimmungsgründe, die
internationalen Unterschiede und die zeitliche Entwicklung
makroökonomischer (gesamtwirtschaftlicher) Schlüsselvariablen, wie zum
Beispiel gesamtwirtschaftliche Produktion von Gütern und
Dienstleistungen, Gesamteinkommen, Arbeitslosigkeit, Inflation und
Zahlungsbilanz, zu erklären.
 Mittelpunkt makroökonomischer Theorien ist schließlich die Frage nach
der Rolle des Staates im gesamtwirtschaftlichen Kontext; aus den
Theorien werden Empfehlungen an die Wirtschaftspolitik abgeleitet.
Regierungen versuchen, die Größen, die auf Grund der ex-postBetrachtung als maßgeblich erscheinen, zu ändern.
 Im wesentlichen werden vier Märkte betrachtet:
den gesamtwirtschaftlichen Gütermarkt
den gesamtwirtschaftlichen Geldmarkt
den gesamtwirtschaftlichen Arbeitsmarkt
den gesamtwirtschaftlichen Wertpapiermarkt
Kapitel 9: Theoretische Grundlagen der Makroökonomie
Dr. Horst Baier
Seite 23
Makroökonomik versus Mikroökonomik

unterschiedliche Perspektive
 Mikro: Märkte einzelner Güter, individuelle Entscheidungen,
methodologischer Individualismus
 Makro: Volkswirtschaft als Ganzes (Gütermarkt, Geldmarkt …)

Gleichgewicht
 Mikro: Angebot und Nachfrage sind i.d.R. im Gleichgewicht
 Makro: Ungleichgewichte (Arbeitslosigkeit, Rezession …) sind an der
Tagesordnung

Abhängigkeiten im Modell
 Mikro: die meisten Parameter sind exogen
 Makro: die meisten Parameter sind endogen

Aufgabe des Staates
 Mikro: Allokation, Distribution
 Makro: Stabilisierung, Distribution
 Mittelpunkt makroökonomischer Theorien ist schließlich die Frage nach der
Rolle des Staates im gesamtwirtschaftlichen Kontext; aus den Theorien
werden Empfehlungen an die Wirtschaftspolitik abgeleitet.
Kapitel 9: Theoretische Grundlagen der Makroökonomie
Dr. Horst Baier
Seite 24
Reale und nominale Größen

reale Größen
 inflationsbereinigt
 vergleichbar, weil der physische Gegenwert (Güter und Dienstleistungen)
der gleiche ist

nominale Größen
 abhängig vom jeweils aktuellen Wert des Geldes (Preisniveau)
 wenn bei allen Geldwerten (Preise, Löhne …) eine Null drangehängt wird,
ändert sich real nichts


Geld ist letztlich ein Stück Papier mit dem Versprechen, es in Güter und
Dienstleistungen eintauschen zu können
Makroökonomik beschäftigt sich mit beiden Größen, Mikroökonomik
fast nur mit realen Größen
Kapitel 9: Theoretische Grundlagen der Makroökonomie
Dr. Horst Baier
Seite 25
Denkschule der Neoklassik und des Monetarismus
Allgemeine
Zuordnung





Basishypothesen
 Stabilität der Wirtschaft („Selbstheilungskräfte“)
 der Arbeitsmarkt bestimmt die Höhe der Beschäftigung und des BIP
 diskretionäre, antizyklische Wirtschaftspolitik ist nicht notwendig (möglich)
Verhaltenshypothesen






Konsum ist abhängig vom permanenten Einkommen
Sparen ist auch zinsabhängig
Investitionen sind hoch zinselastisch („crowding-out-Effekt“ bedeutsam)
Ausgleich von Ersparnis und Investitionen auf dem Kapitalmarkt
Zins bildet sich am Kapitalmarkt
Arbeitsnachfrage hängt von Reallohn ab
Wirtschaftspolitische
Konsequenzen





Verbesserung der Angebotsbedingungen
potentialorientierte Geldpolitik
produktivitätsorientierte Lohnpolitik
Haushaltskonsolidierung und jährlicher Budgetausgleich
Deregulierung staatlichen Einflusses und Flexibilisierung Arbeitsmarkt
angebotsorientiert
langfristige Sichtweise dominiert
liberale Staatsauffassung
mehr Ordnungs- als Prozesspolitik
Dominanz der Geldpolitik vor der Fiskalpolitik (Monetarismus)
Kapitel 9: Theoretische Grundlagen der Makroökonomie
Dr. Horst Baier
Seite 26
Denkschule des Keynesianismus
Allgemeine
Zuordnung





Basishypothesen
 Instabilität der Wirtschaft
 die Güternachfrage bestimmt die Höhe der Beschäftigung und des BIP
 diskretionäre, antizyklische Wirtschaftspolitik ist notwendig und möglich
Verhaltenshypothesen







Wirtschaftspolitische
Konsequenzen
 Zielkonflikt zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation
 diskretionäre, antizyklische Wirtschaftspolitik („Deficit Spending“)
 zyklischer Budgetausgleich
nachfrageorientiert
kurzfristige Sichtweise dominiert
interventionistische Staatsauffassung
Ordnungs- und Prozesspolitik
Dominanz der Fiskalpolitik vor der Geldpolitik (Fiskalismus)
Konsum ist abhängig vom laufenden Einkommen
Sparen ist einkommensunabhängig
Investitionen sind wenig zinselastisch („Investitionsfalle“)
Stimmungslagen können Investitionen beeinflussen („animal spirits“)
Zins bildet sich am Geldmarkt
Geldnachfrage auch zu Spekulationszwecken („Liquiditätsfalle“)
Arbeitsnachfrage nur bedingt reallohnabhängig
Kapitel 9: Theoretische Grundlagen der Makroökonomie
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Seite 27
Gesamtwirtschaftliche Nachfrage und Angebot
 Gesamtwirtschaftliche Nachfrage
(GN) wird aus der
Verwendungsrechnung des BIP
abgeleitet:
Y = C + I + G + NX
 die Kurve GN weist die
Gütermengen aus, die Haushalte,
Unternehmen, der Staat und das
Ausland bei unterschiedlichem
Preisniveau kaufen wollen.
 das gesamtwirtschaftliche
Angebot (in kurz- und langfristiger
Betrachtung), sind die Mengen,
die von Unternehmen bei dem
Preisniveau hergestellt werden.
 der Schnittpunkt entspricht dem
realen BIP bei Vollbeschäftigung
Kapitel 9: Theoretische Grundlagen der Makroökonomie
Preis
Gesamtwirts.
Angebot (langfristig)
Gesamtwirts.
Angebot (kurzfristig)
Gesamtwirts.
Nachfrage
BIP
BIP bei
Vollbeschäftigung
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Seite 28
Gründe für die negative Steigung der gesamtwirtschaftlichen
Nachfrage
 Keynes-Zinssatzeffekt
Preisniveau sinkt  weniger Ausgaben für Güter  Kauf von Wertpapieren 
steigende Kurse  sinkende Zinsen  Anstieg der Investitionen (bei
Zinsabhängigkeit)  reale BIP steigt
 Pigou-Vermögenseffekt
Preisniveau sinkt  Konsumenten fühlen sich wohlhabender  höhere Ausgaben
 höhere nachgefragte Gütermenge  höheres BIP
 Mundell-Fleming-Wechselkurseffekt
Preisniveau sinkt  Abwertung der Inlandswährung auf dem Devisenmarkt wegen
geringerer Nachfrage nach ausländischer Währung (mehr Kapitalanlagen im
Ausland)  Zunahme der Exporte da die heimischen Güter für das Ausland billiger
werden  Importe gehen zurück  Außenbeitrag steigt  BIP steigt
In speziellen Fällen versagen die dargestellten Mechanismen, z.B. wenn die
Wirtschaftssubjekte das Geld in der Spekulationskasse halten, weil sie einen Kursverfall
erwarten (Liquiditätsfalle) oder wenn Investitionen nicht auf Zinssenkungen reagieren
(Investitionsfalle).
Kapitel 9: Theoretische Grundlagen der Makroökonomie
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Seite 29
Saysches Theorem
 Say: „Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage selbst.“
 Diese Sicht wurde von den Neoklassikern später auch auf
Aspekte wie relative Preise und Arbeitslosigkeit übertragen.
Jean Baptiste Say
Ein erhöhtes geplantes Güterangebot generiere daher auto(1767-1832)
matisch eine entsprechend höhere geplante Nachfrage. Ein unzureichendes Nachfrageniveau kann daher – von kurzfristigen Schwankungen
abgesehen – gesamtwirtschaftlich gar nicht existieren. Demnach könne es auch
keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit geben, solange der Staat nicht eingreift.
 Eine partielle Überproduktion sei zwar möglich, der eine Unterproduktion an
anderer Stelle entspreche. Solch ein Ungleichgewicht sei aber nur temporär und
werde durch den Preismechanismus beseitigt.
 Geld wird nicht gehortet, sondern immer für Güter ausgegeben
 Kritik von Keynes:
 trotz niedriger Zinsen kann es bei geringen Gewinnerwartungen ein
Gleichgewicht mit Unterbeschäftigung geben (Liquiditäts- und Investitionsfalle).
 es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen Sparen und Investieren
 es kann Situationen geben, wo die Sparer nicht bereit sind, ihr Geld dem
Kapitalmarkt zur Verfügung zu stellen. Dann gibt es kein Gleichgewicht auf dem
Kapitel 9: Theoretische Grundlagen der Makroökonomie
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Güter-Geldmarktmodell
 Bei diesem Modell werden nun die beiden Teilmärkte Gütermarkt und
Geldmarkt verbunden.
 Aus der Ableitung des Schnittpunkts der beiden Kurven ergibt sich das ISLM-Modell. Dieses Modell basiert auf dem makroökonomischen
Fixpreismodell von John Richard Hicks.
 Durch die Zusammensetzung von Geld- und Gütermarkt legt das IS-LMModell die Gleichgewichtswerte des Zinssatzes und des
Volkseinkommens fest. Es eignet sich zur kurzfristigen Untersuchung der
Globalsteuerung.
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Seite 31
Die IS-Funktion
 Die IS-Funktion stellt die Menge
aller Kombinationen von
Zinssatz und Volkseinkommen
dar, bei denen ein Gleichgewicht
auf dem Gütermarkt besteht.
 Annahme: Gleichgewicht auf
dem Gütermarkt in einer
geschlossenen Volkswirtschaft
mit ausgeglichenem
Staatsbudget : die Investitionen
und das private Sparen werden
gleichgesetzt :
I (i) = S (Y)
 (I= Investition, i= Zinssatz, S=
Sparen, Y= Einkommen)
 Das Sparen ist positiv vom
Einkommen abhängig
 Investitionen sind negativ vom
Zins abhängig, jedoch ist die
Investitionsmenge auch von den
erwarteten Erträgen abhängig.
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Die LM-Funktion
(„L“ steht für „liquidity preference“, „M“ für "money supply“)
 Die LM-Funktion besagt, dass sich der
Zins im Gleichgewicht so einstellen muss,
dass bei gegebenen Einkommen die
Menge an Geld nachgefragt wird, die der
Höhe des gegebenen, zinsunabhängigen
Geldangebotes M entspricht
 Die LM-Kurve ist der Ausdruck des
Gleichgewichtes auf dem Geld- und
Finanzmärkten. Sie beschreibt alle
möglichen Kombinationen von Zins i und
Volkseinkommen Y, bei dem sich der
Geldmarkt im Gleichgewicht befindet. Die
LM-Kurve („Geldnachfrage-gleichGeldangebot-Kurve“) stellt demzufolge
alle Kombinationen aus Einkommen und
Zins dar, bei denen es ein Gleichgewicht
aus Geldnachfrage und Geldangebot auf
dem Geldmarkt gibt.
Kapitel 9: Theoretische Grundlagen der Makroökonomie
1. Ein Sinken oder Steigen des Nominaleinkommens
bei gegebener Geldmenge führt zu einem Sinken
bzw. Ansteigen des Zinssatzes.
2. Die Abnahme oder Zunahme des Geldangebotes
bewirkt ein Steigen bzw. Sinken des
Gleichgewichtszinssatzes.
D
(M gleich Geldnachfrage, MS gleich Geldangebot)
Dr. Horst Baier
Seite 33
Das IS-LM-Modell
 Das IS-LM-Modell beschreibt das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht, das durch die
Kombination der Gleichgewichts-Modelle zum
realen Sektor (IS-Kurve, Gütermarkt) sowie zum
monetären Sektor (LM-Kurve, Geldmarkt)
entsteht.
 Eine Rechtsverschiebung der IS-Kurve entspricht
einer expansiven Fiskalpolitik (Ausweitung der
Staatsnachfrage), die der LM-Kurve einer
expansiven Geldpolitik.
 Für eine praktische Anwendung ist jedoch die
Steigung der beiden Kurven (und damit das
Investitions- und Geldnachfrageverhaltens) von
entscheidender Bedeutung. Die Wirkungen der
Politiken werden dadurch vergrößert bzw.
vermindert. Ist zum Beispiel die Investitionsgüternachfrage (und damit die IS-Kurve) eher
zinsunelastisch und die Geldnachfrage eher
zinselastisch (Keynesianische Annahme) , erzielt
eine expansive Fiskalpolitik größte Wirkung.
Kapitel 9: Theoretische Grundlagen der Makroökonomie
Dr. Horst Baier
Seite 34
Wirkungsketten des IS-LM-Modells
 Wenn der Staat auf dem Gütermarkt selbst als Nachfrager auftaucht, dann
verschiebt sich die IS-Kurve nach rechts. Je nach Lage der LM-Kurve
kann dies eine Steigerung des Volkseinkommens Y bedeuten. Diese Art
von expansiver Fiskalpolitik kann über deficit spending initiiert werden.
 Halten die Haushalte vermehrt Spekulationskasse (das ist die
Geldhaltung, um bei günstigem Zins und Wertpapierkurs auf diese
zurückgreifen zu können), dann wirkt das deficit spending wie eine
Initialzündung der Wirtschaft. Das ist damit begründet, dass der
Multiplikator (in diesem Fall der Staatsausgabenmultiplikator) in Gang
gesetzt wird.
 Die Wirkungsweise des Multiplikators ist simpel: Erhöht sich die Nachfrage
(in diesem Fall vom Staat) auf dem Gütermarkt, dann steigt natürlich auch
die Produktion. Wenn die Produktion steigt, dann benötigen die
Unternehmer mehr Arbeitnehmer. Diese bekommen ein Gehalt, das sie
teilweise konsumieren (abhängig von der marginalen Konsumneigung).
Der dadurch zusätzliche Konsum initiiert eine weitere Ausweitung der
Produktion, was bedeutet, dass wiederum erneut Arbeitskräfte benötigt
werden, die ihrerseits wieder ein zu konsumierendes Gehalt beziehen.
Kapitel 9: Theoretische Grundlagen der Makroökonomie
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Beispiel: Restriktive Fiskalpolitik
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Beispiel: Expansive Fiskalpolitik
Kapitel 9: Theoretische Grundlagen der Makroökonomie
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Seite 37
Kritik am IS-LM-Modell
 Es ist fraglich, ob staatliche Nachfragepolitik tatsächlich zu mehr Wirtschaftswachstum und einer Senkung der Arbeitslosigkeit führt. Dieser Effekt wird
schwächer ausfallen, wenn Teile des zusätzlichen Einkommens von den
Haushalten gespart werden, oder wenn Güter konsumiert werden, durch die kaum
neue Arbeitsplätze entstehen.
 Ein politökonomisches Problem resultiert, sofern die Bereitschaft zum Sparen in
Boomzeiten zu gering ausfällt, weil sich diese nicht politisch vermitteln lässt. In
diesem Fall führt das Modell in der Praxis häufig zu stetig wachsender
Staatsverschuldung.
 Milton Friedman kritisierte, nach seiner Theorie des sogenannten Time lags, dass
so viel Zeit zwischen dem Rückgang des Konsums und dem Wirken der staatlichen
Nachfrageprogramme vergehe, dass sich die Konjunktur meist schon von alleine
erholt hat und sich in einer Boomphase befindet. Durch den zusätzlichen
staatlichen Konsum werde die Konjunktur überhitzt und es kommt zur Inflation.
 Eine grundsätzlichere Kritik an den Modellannahmen wurde in den letzten Jahren
von John Taylor und David Romer formuliert. Diese beiden Ökonomen stellen
heraus, dass für Investoren die Realzinsen und nicht die nominalen Zinsen relevant
sind. Auch die Annahme einer Geldmengenfixierung durch die Zentralbank ist
wirklichkeitsfern.
Kapitel 9: Theoretische Grundlagen der Makroökonomie
Dr. Horst Baier
Seite 38
10. Konsum und Investitionen (Gütermarkt)
Der Gütermarkt umfasst in der
Makroökonomie alle Märkte, auf
denen Waren und Dienstleistungen
gehandelt werden. Auf ihm
kommen das aggregierte Angebot
und die aggregierte Nachfrage
einer Volkswirtschaft zusammen.
Der Gütermarkt beinhaltet somit
sowohl den Konsum als auch die
Investitionen. Bei der grafischen
Betrachtung des Gütermarktgleichgewichts trifft man auf die ISFunktion. Diese stellt die Fülle aller
Zusammenstellungen von Zinssatz
und Volkseinkommen dar, bei
denen ein Gleichgewicht besteht.
Die Güternachfrage berechnet sich wie
folgt:
GN = C + I + G +X – IM
(C=Konsum, I=Investitionen, G=Staatsausgaben, X=Exporte,
IM=Importe)
Kapitel 10: Konsum und Investitionen (Gütermarkt)
Dr. Horst Baier
Seite 39
Gleichgewicht auf dem Gütermarkt
 In der keynesianischen Theorie wird davon ausgegangen, dass alle
verwendeten makroökonomischen Größen geplante Größen, d.h. die
Konsum- und Investitionswünsche der Wirtschaftssubjekte, darstellen. Da
es sich bei der keynesianischen Theorie um eine Gleichgewichtsanalyse
handelt, versteht man unter einem Gütermarktgleichgewicht die ex-ante
Gleichheit von Güterangebot und Güternachfrage.
 Ein Gütermarktgleichgewicht liegt dann vor, wenn die geplante
gesamtwirtschaftliche Güternachfrage mit dem geplanten
gesamtwirtschaftlichen Güterangebot übereinstimmt,
oder auch:
YS = YD
 Diese angenommene Übereinstimmung von Güterangebot und –
nachfrage ist hierbei keineswegs eine Selbstverständlichkeit: In einer
dezentral organisierten Marktwirtschaft findet die Produktionsplanung von
Tausenden von Unternehmen und die Nachfrageplanung von Millionen
von Haushalten und anderen Wirtschaftssubjekten statt.
Kapitel 10: Konsum und Investitionen (Gütermarkt)
Dr. Horst Baier
Seite 40
Keynesianische Konsumhypothese
 Für das Konsumverhalten eines privaten Haushalts wird in der
keynesianischen Theorie eine so genannte Konsumhypothese
unterstellt. Eine Konsumhypothese stellt eine Verhaltensannahme über die Determinanten des Konsums eines
privaten Haushalts dar.
 Der Konsum eines Haushalts setzt sich
zusammen aus dem autonomen Konsum
Caut und dem einkommensabhängigen
Konsum. Der autonome Konsum stellt quasi das
Existenzminimum eines Haushalts dar.
 Der einkommensabhängige Konsum bemisst
sich hingegen als ein Anteil c des verfügbaren
Einkommens Yv, das den Haushalten zur
Deckung ihrer Bedürfnisse zur Verfügung steht.
Verfügbares Einkommen Yv und
Annahmegemäß steigt dieser einkommensmarginale Konsumneigung führen
abhängige Konsum mit zunehmendem
zum privatem Konsumverhalten CHH:
Einkommen an.
CHH = Caut + c • Yv
Kapitel 10: Konsum und Investitionen (Gütermarkt)
Dr. Horst Baier
Seite 41
Investitionshypothese
 Neben der Nachfrage nach Konsumgütern ist für eine Ermittlung der
Gesamtnachfrage auf dem Gütermarkt weiterhin die Nachfrage nach
Investitionsgütern I von Interesse. Hierbei erfolgt, wie bereits bei der
Ermittlung der Konsumgüternachfrage, wieder eine Beschränkung auf den
privaten Bereich. Da aus dem verfügbaren Einkommen Yv zudem bereits
die Nettoproduktionsabgaben und die Abschreibungen herausgenommen
sind, ist nur die Ermittlung der privaten Nettoinvestitionsgüternachfrage
Intpr von Interesse.
 Die private Investitionshypothese weist
folgenden Verlauf auf: Intpr = rO– g • r
 Investoren verfügen über Eigenkapital und
können es wie folgt anlegen:
 Sie können ihr Eigenkapital in ihr eigenes
Unternehmen investieren. Der Ertrag, den sie
dann erhalten, entspricht dem internen Zinsfuß
i des Unternehmens oder des Projektes.
 Sie können ihr Eigenkapital aber auch am
Kapitalmarkt anlegen. Der Ertrag, den sie bei dieser
Alternative erhalten, entspricht dem Kapitalmarktzins r.
Kapitel 10: Konsum und Investitionen (Gütermarkt)
Dr. Horst Baier
Seite 42
11. Der Geldmarkt
Unter einem Geldmarkt ist ein Ort zu verstehen, auf welchem alle geldlichen
Transaktionen stattfinden. Dabei werden Einnahmen und Ausgaben saldiert
und in einer bestimmten Geldhaltung niedergeschlagen. Um die gewünschte
Nachfrage zu ermitteln muss man zwei Sichtweisen aufgreifen. Zum einen
ergibt sich diese aus dem Bedürfnis nach sofortiger Abwicklung laufender
Transaktionen. Diese sogenannte Transaktionskasse verhält sich
proportional zum Einkommen. Je höher das Einkommen ist umso mehr
Transaktionen können getätigt werden. Zweitens ist trotz positiver, aber
niedriger Zinsen eine Geldhaltung aus dem Vermögensmotiv sinnvoll, wenn
steigende Zinsen zu erwarten sind. Mit der zu erwartenden Zinssteigerung ist
nämlich auch mit Kursverlusten bei Wertpapieren zu rechnen. Die daraus
abgeleitete Spekulationskasse steigt also mit sinkendem Zins.
Schlussfolgernd wird das Geldangebot durch die Kreditvergabe bzw. die
Wertpapierkäufe der Notenbank bestimmt. Dies ist mittels der LM-Funktion
grafisch abbildbar. Bei gegebener Geldmenge verläuft die
Geldmarktgleichgewichtskurve LM mit positiver Steigung im ZinsEinkommens-Koordinatensystem.
Kapitel 11: Der Geldmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 43
Keynesianischer Geldmarkt: Grundlagen der Geldtheorie
 Geld ist kein Einkommen und Einkommen ist kein Geld!
Geld stellt eine Bestandsgröße, d.h. ein Vermögensaktivum dar.
Einkommen ist demgegenüber eine Stromgröße. Einkommen verkörpert
den Anspruch auf eine bestimmte Menge der in einer Periode in einer
Volkswirtschaft produzierten Güter. Originär hat es mit Geld daher nichts
zu tun! Die Verwechslung von Einkommen und Geld entsteht meist erst
dadurch, dass Einkommen in Form von Geld ausgezahlt wird.
 Geld hat keinen Eigenwert!
Geld erhält seinen Wert erst durch die Güter, die man damit erwerben
kann. Ist es mit dem Geld nicht möglich Güter, zu kaufen, so ist es
gänzlich wertlos!
 Was Geld ist, kann auf verschiedene Art und Weise abgegrenzt werden.
Die verbreitetesten Abgrenzungen sind:



die funktionale Abgrenzung,
die juristische Abgrenzung und
die operationale Abgrenzung.
Kapitel 11: Der Geldmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 44
Geldmengendefinition (operationale Abgrenzung)
Kapitel 11: Der Geldmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 45
Quantitätstheorie von Keynes
 Wie für Güter und Dienstleistungen gibt es auch für Geld einen Markt.
Anbieter auf diesem Markt sind die im Bankensektor agierenden
Institutionen, die Nachfrager sind die Nicht-Banken. Die fundamentale
geldtheoretische Beziehung wird durch die Quantitätsgleichung
ausgedrückt. Sie lautet:
MxV=PxY
(M = Geldmenge, V = Geldumlaufgeschwindigkeit, P = Preisniveau und Y = reale
Wertschöpfung bezeichnet. Geldumlaufgeschwindigkeit: V = (P x Y)/M)
 Je höher demnach Preisniveau oder reale Wertschöpfung und je geringer
die Geldmenge, desto höher ist die Geldumlaufgeschwindigkeit. Für die
verschiedenen Geldmengenkonzepte M1, M2 und M3 auch
unterschiedliche Geldumlaufgeschwindigkeiten existieren.
 In der Theorie von Keynes wird Geld von den Wirtschaftssubjekten aus
zwei unterschiedlichen Motiven gehalten:
 dem Transaktionsmotiv: Zur Durchführung der alltäglichen Transaktionen. Dieser
Zweck der Geldhaltung wurde auch von den Klassikern anerkannt.
 dem Spekulationsmotiv: Zur Durchführung von Investitionen zu „günstigen“
Zeitpunkten. Diesen Geldhaltungszweck lehnten die Vertreter der Klassik ab.
Kapitel 11: Der Geldmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 46
Kontrolle über die Geldbasis:
Voraussetzung für eine effiziente Geldpolitik
 Banken sind bei der Kreditvergabe auf die Bereitstellung von
Zentralbankgeld angewiesen
 die Zentralbank hat ein Monopol über die Emission von Banknoten
 in den meisten Fällen entsteht die Geldbasis durch Kredite der Notenbank
an die Geschäftsbanken
 die makroökonomische Kontrolle durch die Notenbank beruht auf
folgenden Zusammenhängen:
 wenn die Banken zusätzliche Kredite vergeben wollen, benötigen sie
zusätzliche Geldbasis
 die Notenbank ist der einzige Anbieter der Geldbasis
 die Geldbasis wird durch Refinanzierungskredite
an die Geschäftsbanken bereit gestellt
 durch die Konditionen kann die Notenbank die
Kreditvergabe der Banken an die Nichtbanken
steuern.
Kapitel 11: Der Geldmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 47
Entwicklung der Zinsen
a) Unternehmensanleihen = Zinsen für Anleihen von Unternehmen mit höchster (AAA) bzw. mittlerer (BBB) Bonität und
einer Restlaufzeit von 10 Jahren. Staatsanleihen = Zinsen für Anleihen von Ländern des Euroraums mit höchster Bonität
(AAA) bzw. Krisenländern und einer Restlaufzeit von 10 Jahren; BIP-gewichtete Durchschnitte.
Eonia = Euro OverNight Index Average: ist der Zinssatz, zu dem auf dem Interbankenmarkt im Euro-Währungsgebiet
unbesicherte Ausleihungen in Euro von einem Tag auf den nächsten gewährt werden.
Euribor = Euro InterBank Offered Rate (EURIBOR): ist der Zinssatz für Termingelder in Euro im Interbankengeschäft.
Kapitel 11: Der Geldmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 48
12. Arbeitsmarkt
Definition:
 Auf dem Arbeitsmarkt wird Arbeitskraft in Zeiteinheiten und
Qualifikationen nachgefragt, angeboten und getauscht. Menschen
„vermieten“ ihre Arbeitskraft zur Verrichtung produktiver Tätigkeiten
an Arbeitgeber, unter deren Anleitung sie Güter oder Dienstleistungen
„produzieren“.
 Im Standardmodell der neoklassischen Theorie wird der
Arbeitsmarkt wie auf einem Gütermarkt durch steigende
Angebotskurven und fallende Nachfragekurven gekennzeichnet.
Arbeitslosigkeit kann bei völlig flexiblen Löhnen, Homogenität des
Faktors Arbeit und völliger Transparenz hier nicht entstehen.
 In der Humankapitaltheorie wird der Einfluss der Bildung auf die
Gesamtwirtschaft und die Arbeitsproduktivität dargestellt.
 es wird zwischen erstem Arbeitsmarkt (führt den betriebswirtschaftlich
begründeten Bedarf zusammen) und zweitem Arbeitsmarkt (staatlich
gefördert) unterschieden.
Kapitel 12: Der Arbeitsmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 49
Arbeitsmarktgleichgewicht im Neoklassischen Modell
w (€)
Angebot
w*
Nachfrage
Arbeitsstunden
 Je höher die Löhne sind, desto stärker ist das Angebot bzw. der Anreiz zum
Angebot von Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt.
 Bei steigenden Löhnen (w) sinkt die Nachfrage nach Arbeitsstunden und
gleichzeitig steigt der Anreiz zur Substitution des Produktionsfaktors Arbeit
durch höheren Kapitaleinsatz.
Kapitel 12: Der Arbeitsmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 50
Arbeitsmarkt: Besonderheiten












Faktormarkt
kein Markt für Arbeitsleistungen, diese werden in Form von Werkverträgen
geschlossen. Der Arbeitsvertrag ist ein Vertrag sui generis (einzigartig in
seinen Bedingungen)
ein Tag hat nur 24 Stunden
asymmetrische Information (Arbeitsbedingungen, Arbeitsleistung)
heterogener Produktionsfaktor
Arbeitsverhältnisse sind auf Dauer angelegt
umfangreiche rechtliche Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer
Arbeitseinkommen ist Existenzgrundlage
Arbeit bedeutet Selbstachtung
Arbeiter sind gleichzeitig Konsumenten (makroökonomische Betrachtung)
Tarifautonomie
die Vertragspartei Arbeitgeber verfügt meist über mehrere Arbeitsplätze
Kapitel 12: Der Arbeitsmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 51
Der Wert der Arbeit



Für den Produzenten: Produktionsfaktor
Für den Konsumenten und Anbieter von Arbeitskraft:
Einkommen/Konsum
Für den Menschen: Herausforderung, Anerkennung, Lebensinhalt
(neben Freizeit!)
 Lebenszufriedenheit fällt dramatisch bei Verlust der Arbeit
 69% der Arbeitnehmer würden auch ohne finanzielle Notwendigkeit
weiterhin arbeiten
Kapitel 12: Der Arbeitsmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 52
Verteilung und Gerechtigkeit






Markt beruht auf Tauschverhältnissen
Leistung wird tendenziell belohnt
Entscheidend sind Angebot und Nachfrage meiner Fähigkeiten
 ein guter Fußballer kann Millionen verdienen
 ein guter Pianist muss sich meist mit viel weniger zufrieden
geben
Lohn: Anzahl Nachfrager × durchschnittliche Zahlungsbereitschaft
für die Arbeitsleistung dieser Person (orientiert sich an der
Produktivität)
Leute mit Begabungen von geringem Marktwert haben das
Nachsehen
Der Markt ist verteilungsblind
Seite 53
Arten von Arbeitslosigkeit




Friktionelle Arbeitslosigkeit (entsteht beim Übergang von einer
Stelle zur anderen, auch bei Vollbeschäftigung unvermeidlich)
Saisonale Arbeitslosigkeit (entsteht durch Klimabedingungen z.B. im
Winter am Bau oder in der Landwirtschaft oder bei
Nachfrageschwankungen)
Konjunkturelle Arbeitslosigkeit (Entlassung von Arbeitskräfte bei
schlechter Auftragslage und Einstellung in Wachstumsphasen)
Strukturelle Arbeitslosigkeit durch:
 Technologische Entwicklungen (z.B. durch zunehmende Automatisierung
oder technische Innovationen)
 Sektorale Arbeitslosigkeit (z.B. Textilindustrie, Stahl, Schiffbau,
Unterhaltungselektronik)
 Institutionelle aufgrund arbeits- und sozialrechtlicher Regelungen
 Regionale Arbeitslosigkeit wegen eingeschränkter Mobilität
 fehlende Arbeitsfähigkeit durch Bildung, Gesundheit, Persönlichkeit…
Kapitel 12: Der Arbeitsmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 54
Nachfrage nach Arbeit
w (€)


Unternehmen fragen Arbeit nach
Nachfrage = Grenzprodukt hängt ab von





Nachfrage nach dem Gut
Verkaufspreis des Gutes
Verkaufspreise anderer Güter
Produktionstechnologie
Mengen (und Preise) anderer
Produktionsfaktoren
 …
Arbeitsstunden
Kapitel 12: Der Arbeitsmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 55
Angebot an Arbeit
w
12h
 Der Tag hat nur 24
Stunden
 Freizeit vs. Konsum
(Einkommen)
• Freizeit + Arbeitszeit =
24h
 Stundenlohn =
Opportunitätskosten der
Freizeit
 Arbeitszeit ist in der
Realität nur begrenzt
wählbar
Freizeit
Rahmenbedingungen
8h
h
(F)
h
(L)
€10,00 5,5
6,5
€6,66 5,8
6,2
€3,33 6,8
5,2
4h
w=10
w=3,33
w=6,66
Konsum
(Einkommen)
Kapitel 12: Der Arbeitsmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 56
Angebotskurven
ansteigende Angebotskurve
w (€)
z-förmige Angebotskurve
w (€)
w3
10
10
w2
5
5
w1
Reservationslohn
4h
Kapitel 12: Der Arbeitsmarkt
8h
12h
Arbeitsstunden
Dr. Horst Baier
4h
8h
12h
Arbeitsstunden
Seite 57
Mikroökonomische (klassische) Arbeitslosigkeit
Klassische Sichtweise:
 Arbeitslosigkeit ist eine
Störung des
Preismechanismus, die
dieser normalerweise
zum einem Ausgleich an
Angebot und Nachfrage
führt
 Ursachen hierfür sind
Tarifverträge mit Löhnen
über dem
Gleichgewichtslohn oder
staatliche Mindestlöhne
w (€)
Angebot
wT
w*
Nachfrage
Arbeitslosigkeit
Arbeitsstunden
Seite 58
Arbeitslosigkeit durch technologischen
Wandel
2011
1970
Kapitel 12: Der Arbeitsmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 59
Arbeitslosigkeit und Qualifikation
Quelle: IAB-Aktuell 10.02.2011 http://doku.iab.de/grauepap/2011/quali_alo-quoten_1975-2009.pdf
Kapitel 12: Der Arbeitsmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 60
Makroökonomische (keynesianische) Arbeitslosigkeit
 Makroökonomische Arbeitslosigkeit hat mit der Nachfrage nach
Gütern und Dienstleistungen insgesamt zu tun
 Nachfrage = Einkommen – Sparen (+ Netto-Exporte)
 Wenn alle weniger nachfragen, steigt die Arbeitslosigkeit
 wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage das Problem ist, sind
Lohnsenkungen keine Lösung
 im Fall eines Unterbeschäftigungsgleichgewichtes („deflatorischen
Lücke“, Nachfrage ist zu gering, um die Kapazitäten auszulasten) gibt
es keinen eingebauten Stabilisierungsmechanismus, um zur
Vollbeschäftigung zu gelangen
 bei einer Reallohnerhöhung kann die Output-Lücke geschlossen
werden und die Arbeitslosigkeit wird abgebaut (Kaufkrafttheorie der
Löhne), da die Arbeitnehmerhaushalte eine höhere Konsumneigung
als Arbeitgeber haben und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage steigt
 Arbeitgeber argumentieren das Gegenteil: Löhne müssen gesenkt
werden.
Kapitel 12: Der Arbeitsmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 61
Probleme bei der Kaufkrafttheorie des Lohnes
 Es ist schwierig, zwischen einer keynesianischen und einer klassischen
Arbeitslosigkeit zu unterscheiden. Liegt keine keynesianische
Arbeitslosigkeit vor, verschärft eine Reallohnerhöhung die Situation
 unklar sind die Effekte einer aggressiven Lohnpolitik auf die Investitionen.
Wenn die Investitionsneigung der Unternehmen zurückgeht, vermindert
sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage mit der Folge steigender
Arbeitslosigkeit
 steigende Lohnkosten können den Druck auf Rationalisierung erhöhen
und dadurch eine technologisch bedingte Arbeitslosigkeit verstärken
 problematisch ist die Irreversibilität einer nachfragebedingten
Lohnerhöhung. Sollte die deflatorische Lücke wieder zurückgehen,
müssten die Löhne wieder sinken, was kaum realistisch ist.
 in einer offenen Volkswirtschaft sind die Folgen für die internationale
Wettbewerbsfähigkeit (bei starrem Wechselkurs im Euroraum) und die
Rückwirkungen auf die Zinspolitik der EZB in Rechnung zu stellen.
Kapitel 12: Der Arbeitsmarkt
Dr. Horst Baier
Seite 62
13. Funktion des Staates für eine funktionierende
Volkswirtschaft
Fundamentalfunktion
(Rechtsordnung, Sicherheit,
Geld)
Allokationsfunktion
(Korrektur von Marktversagen,
Wettbewerbspolitik,
Umweltpolitik)
Staat
Distributionsfunktion
(Steuer-, Sozial- , Arbeitsmarktund Bildungspolitik)
Stabilisierungsfunktion
(Geld- und Fiskalpolitik)
nach dem Finanzwissenschaftler Richard A. Musgrave (191 – 2007)
Kapitel 13: Funktion des Staates für eine funktionierende Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 63
Kreislauf einer offenen Volkswirtschaft mit Staat
Nettoinvestitionen
Güterkäufe
Subventionen
Sparen Staat
Staat
Faktoreinkommen
direkte Steuern
indirekte Steuern
direkte
Steuern
Faktor-/Transfereinkommen
Faktoreinkommen
Unternehmen
Private
Haushalte
Privater Verbrauch
Nettoinvestition
Import
Sparen
Haushalte
Export
Sparen Staat
Ausland
Exportüberschuss
Vermögensveränderung
Nettoinvestitionen
Kapitel 13: Funktion des Staates für eine funktionierende Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 64
Unterschiedliche Staatsmodelle
Staatsquote = Staatsausgaben / Bruttoinlandsprodukt 2007 im Vergleich
Kapitel 13: Funktion des Staates für eine funktionierende Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 65
Distributionsfunktion - Mittel


ungleiche Besteuerung (z.B. progressive Einkommensteuer,
Steuerbefreiungen)
soziale Sicherungssysteme




direkte Einkommentransfers







Arbeitslosenversicherung
„Hartz IV“ (ALG II)
Krankenversicherung
Kindergeld
Bafög
Eingliederungshilfe
Grundsicherung
Elterngeld
Eigenheimzulage….
Subventionen





Technologieförderung
regenerative Energien
Landwirtschaft
Beihilfen und Zuschüsse
Städtebauförderung….
Kapitel 13: Funktion des Staates für eine funktionierende Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 66
Allokationsfunktion






Staat muss dafür sorgen, dass Wettbewerb erhalten bleibt
(„Wettbewerbspolitik“)
Da viele Menschen nicht ausreichend für Alter und Krankheit vorsorgen
würden, muss Staat ein System der soziale Sicherung organisieren
(Gesetzliche Krankenversicherung, Gesetzliche Rentenversicherung,
Soziale Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung)
Menschen mit geringen Einkommen wären nicht in der Lage, ausreichend in
die Bildung ihrer Kinder zu investieren („Bildungspolitik“)
Da der Markt keine Rücksicht auf die Umwelt nimmt, muss der Staat für
Umweltpolitik sorgen
Bereitstellung von öffentlichen Gütern (Deiche, Landesverteidigung,
Straßen, Straßenbeleuchtung, Grünanlagen)
Instrumente zur:
 Steuern (Ökosteuer)
 Subventionen (Riester-Rente)
 öffentliche Ausgaben
Kapitel 13: Funktion des Staates für eine funktionierende Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 67
Stabilisierungsfunktion



Die Selbstheilungskräfte des Systems Marktwirtschaft stoßen immer wieder
an Grenzen:
Es kann zu ein Phasen mit rückläufiger Wirtschaftsentwicklung und
steigender Arbeitslosigkeit kommen („Rezession“)
Es kann zu einer Überhitzung der Wirtschaft mit hoher Inflation („Boom“)
kommen
Rolle des Staates:
 Notenbank sorgt für Preisstabilität und damit meist auch für Stabilisierung der
Wirtschaft
 Fiskalpolitik sorgt für Politik der Nachfragesteuerung („demand management“)
 Wechselkurspolitik unterstützt ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht
 Arbeitsmarktpolitik
 Steuerpolitik zur Förderung von Investitionen und zur Schaffung wirtschaftlicher
Anreize
Kapitel 13: Funktion des Staates für eine funktionierende Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 68
Kritik an Staatseingriffen
 Ökonomen raten von Staatseingriffen ab
 Staatsversagen
 Informationsproblem: Marktsignale sind verlässlicher als Expertenwissen
 kurzfristiges Eigennutzdenken in der Politik/Bürokratie
 Politiker optimieren ihren persönlichen Nutzen, haben ein Problem mit der
Informationsverarbeitung, geraten in den Einfluss von Lobbies und
Wählerinteressen und sind an kurzfristigen Lösungen interessiert
 Anreize für Lobbying und Erlangen von Subventionen etc.
 hohe Staatsausgaben erfordern hohe Steuern  geringerer
Leistungsanreiz, Effizienzverluste
 „slippery slope“: Staatseingriffe können außer Kontrolle geraten
Kapitel 13: Funktion des Staates für eine funktionierende Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 69
Beispiel für kontraproduktiven Staatseingriff: der Kobra-Effekt
 Der Kobra-Effekt beschreibt das Phänomen, dass
Maßnahmen, die getroffen werden, um ein bestimmtes
Problem zu lösen, dieses auch verschärfen können.
Er wurde durch das gleichnamige Buch Horst Sieberts
bekannt, in dem die Folgen falscher Anreize für die
Wirtschaft dargestellt wurden.
 Die Bezeichnung geht auf ein historisches Ereignis in Indien
zurück: Ein britischer Gouverneur wollte einer Kobraplage
Einhalt gebieten, indem er ein Kopfgeld auf jedes erlegte
Exemplar aussetzte. Scheinbar funktionierte das Konzept zunächst gut:
Immer mehr tote Schlangen wurden abgeliefert. Jedoch wurde deren
Anzahl nicht gemindert, da die Bevölkerung dazu überging, Kobras zu
züchten und zu töten, um weiterhin von der Prämie zu profitieren.
 Als das Kopfgeld nach einem gewissen Zeitraum wieder aufgehoben
wurde, ließen die Züchter die Tiere frei, da sie keine Verwendung mehr für
sie hatten - dadurch hatte sich dank (indirekter) staatlicher Förderung die
Zahl der Kobras vervielfacht.
Seite 70
Interventionsspirale nach einem Staatseingriff : die Ölflecktheorie
 Beispiel Wohnungsmieten: werden, beispielsweise als Maßnahme der
Sozialpolitik, Höchstpreise für den Mietzins festgelegt (Ersteingriff), sinkt
kurzfristig der Preis für vermieteten Wohnraum relativ zu anderen Gütern.
Nach der Ölflecktheorie vermindert dies den Anreiz für potenzielle
Vermieter, Wohnraum zu vermieten; weiterhin sänke der Anreiz, neue
Häuser zu bauen oder bereits vermietete Häuser zu renovieren.
Mittelfristig verknappe sich dadurch der Wohnraum. Das Ziel der
Regierung, billigen Wohnraum zu schaffen, würde verfehlt.
 Gemäß der Ölflecktheorie wird nun der Staat erneut eingreifen und durch
Subventionen die Produktion von Wohnraum erhöhen. Außerdem sei der
Wohnraum nun gegebenenfalls so knapp, dass er verteilt werden müsse;
dies geschähe beispielsweise durch Rationierung über den Staat − was
die Korruption begünstige. Werden Wohnungen weiterhin privat vermittelt,
würden die potenziellen Mieter illegal mehr bezahlen, um den Vermieter
zu überzeugen, da Mieten nicht mehr als Marktpreise fungieren. Die
Signalfunktion des Preises als Indikator für Knappheit ginge verloren.
Andere Faktoren wie illegale Geldzahlungen, Aussehen, Gefälligkeiten,
Freundschaften, religiöse Anschauung etc. spielten eine stärkere Rolle.
Kapitel 13: Funktion des Staates für eine funktionierende Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 71
Erfolgsmodell ?: gelenkter Kapitalismus am Beispiel Chinas
Kennzeichen:
 langfristige Entwicklungspläne für die wirtschaftliche
Entwicklung
 personelle Verflechtung Staat und Wirtschaft
 Definition von Schlüsseltechnologien und Branchen für
das Wachstum
 Bereitstellung von günstigem Kapital durch staatliche
Banken
 Exportförderung durch unterbewertete Währung
 Investitionen in Infrastruktur durch den Staat
 hohe Forschungsanteil am Bruttoinlandsprodukt
 langjähriger Aufbau von internationalen Champions durch
Verlustübernahmen
 eingeschränkte Investitions- und Kapitalfreiheit
 Zwang zur Kooperation mit einheimischen Unternehmen
 Wertschöpfung vor Ort
Kapitel 13: Funktion des Staates für eine funktionierende Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 72
Ökonomische Implikationen und Aufgaben von Steuern
 Eine Steuer vermindert die Wohlfahrt von Käufern und Verkäufern,
 Der Verlust an Produzenten- und Konsumentenrente wird durch die
Verwendung des Steueraufkommens nicht kompensiert,
 Der Nettowohlfahrtsverlust entsteht, weil durch die Steuer der Preis
verzerrt wird, so dass weniger produziert und konsumiert wird,
 Wie groß der Nettowohlfahrtsverlust ist, hängt von der Preiselastizität des
Angebots und der Nachfrage ab.
Kapitel 13: Funktion des Staates für eine funktionierende Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 73
Verzerrungseffekt einer Steuer
Die Einführung einer Steuer (t) hat
folgenden Effekt:
Anbieter und Nachfrager sehen sich
unterschiedlichen Preisen gegenüber,
denn den Anbieter interessiert nur, was er
netto (ohne Steuer = p1) bekommt, den
Nachfrager interessiert nur, was er brutto
(inklusive Steuer = p1 + t) zahlen muss.
Damit kommt es durch die Steuer auch zu
einem Mengeneffekt. Die abgesetzte
Menge geht im Vergleich zum
Gleichgewicht ohne Steuern zurück auf
x1. ZL ist die Zusatzlast einer Steuer.
Konsumentenrente (KR) und Produzentenrente (PR) werden kleiner, da beiden
einen Teil der Last tragen müssen (es sei
denn .
Aber: der Staat gibt die Steuern wieder
aus uns schafft dadurch Wohlstand.
Kapitel 13: Funktion des Staates für eine funktionierende Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 74
Anteil einzelner Steuerarten 2008
Kapitel 13: Funktion des Staates für eine funktionierende Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 75
Steuerquoten im internationalen Vergleich 2010
22,9
Deutschland
20,2
Griechenland
28,3
UK
22,9
Schweiz
26,2
Kanada
27,5
Österreich
15,9
Japan
29,4
Italien
22,3
Irland
34,4
Schweden
33,0
Norwegen
17,6
USA
0
10
Kapitel 13: Funktion des Staates für eine funktionierende Volkswirtschaft
20
30
Dr. Horst Baier
40
Seite 76
Der Staat darf nicht überfordert werden: die Pleitenhitparade
5
Griechenland
Österreich
Argentinien
Frankreich
Mexiko
Deutschland (ab 1618)
Brasilien
Chile
Costa Rica
Ecuador
Venezuela
Spanien
7
7
8
8
8
8
9
9
9
10
13
0
5
10
15
Länder mit den meisten Teil- oder Komplettzahlungsausfällen seit Staatengründung bis 2006 (Deutschland z.B.
1918, 1923, 1945)
Kapitel 13: Funktion des Staates für eine funktionierende Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 77
14. Wettbewerbspolitik
Funktionen des Wettbewerbs:
 Kontrollfunktion (Verhinderung dauerhafter wirtschaftlicher Macht):
Monopole u. Oligopole verlieren ihre Vormachtstellung (z.B. IBM). Das
funktioniert nicht immer (Staatskontrolle notwendig)
 Allokationsfunktion:
Produktionsfaktoren werden in die Sektoren gelenkt, in denen Bedarf
vorhanden (überdurchschnittlicher Gewinn)
 Effizienz- und Sanktionsfunktion:
Nur die Unternehmen können am Markt bestehen, die in der Lage sind
ihre Durchschnittskosten unterhalb des Marktpreises zu halten durch
stetige Produktivitätssteigerungen
 Innovationsfunktion:
Unternehmen versuchen mit neuen Produkten und Verfahren Renten zu
erlangen.
 Verteilungsfunktion:
Gleichgewichtige Verteilung auf Faktormärkten.
Kapitel 14: Wettbewerbspolitik
Dr. Horst Baier
Seite 78
Ziele und Instrumente der Wettbewerbspolitik
Ziel:
Das Hauptziel der Wettbewerbspolitik besteht darin, volkswirtschaftlich oder
sozial schädliche Auswirkungen von unlauterem oder wettbewerbsbeschränkenden Verhalten zu verhindern.
Instrumente:
 Verbot von Kartellen
 Fusionskontrolle
 Verbot wettbewerbsbeschädigender Verhaltensweisen
(Missbrauchsaufsicht)
 Staatliche Beihilfen
 Liberalisierung
 Öffentliche Auftragsvergabe (in Deutschland)
 Verbot der Diskriminierung oder Behinderung anderer Unternehmen durch
marktbeherrschende Unternehmen (§20 GWG)
 Verbot der Preisbindung der "zweiten Hand„
Kapitel 14: Wettbewerbspolitik
Dr. Horst Baier
Seite 79
Gefahren von Konzentrationsprozessen
 Verlust der Wettbewerbsfunktion
 Verringerung wesentlicher Anreizfunktionen des Wettbewerbs, z.B. Verfahrensund Produktinnovationen, ständige Effizienzsteigerungen.
 Verlangsamung der Forschungs- und Entwicklungsbemühungen sowie der
Effizienzsteigerungen, u.a. weil das Management zur Nachlässigkeit neigt und
die Verwaltungszentralen überdimensioniert ausgebaut werden.
 Reduzierte Produktion:
 Monopole können ihr Angebot senken, ohne Marktanteile zu verlieren.
 höhere Preise = Ausschöpfung der Zahlungsbereitschaft der Konsumenten.
 Gefahr, dass Monopole und Kartelle weniger produzieren als Unternehmen, die
einer vollständigen Konkurrenz unterliegen
 Arbeitsplatzabbau
 Zusammenschlüsse führen meist zu Personalabbau
 Politisch-Ökonomische Risiken
 unkontrollierte wirtschaftliche Macht gefährdet Demokratie
 hoher Aufwand für Lobbying zum Erhalt einer marktbeherrschenden Stellung ist
volkswirtschaftliche Ressourcenverschwendung
Kapitel 14: Wettbewerbspolitik
Dr. Horst Baier
Seite 80
Ursachen von Konzentrationsprozessen
 Lerneffekte durch Produktionsausweitungen (Produktivitätsfortschritte,
bessere Anlagennutzung, höhere Flexibilität)
 Diversifikationsvorteil (‘economies of scope‘, Mehrfachnutzung von
Strukturen)
 Ersparnis Transaktions- und Komplexitätskosten (durch Eingliederung von
vor- und nachgelagerten Produktions- und Handelsstufen)
 Staatliche Wirtschaftspolitik (z.B. Subventionen und Bürgschaften).
 Finanzierungsvorteile (Kreditkonditionen, Quer- und Innenfinanzierung)
 Wettbewerbsverhinderung durch Zusammenschluss
 Marktzutrittsvorteile, Investieren ohne sofortigen Gewinnzwang
 Fähigkeit internationalen Wettbewerb
 Attraktivität für gute Arbeitnehmer durch vielfältige Entwicklungschancen
 Neuerungsfähigkeit (F&E-Abteilungen)
 Kenntnis der staatlichen Rahmenbedingungen
Kapitel 14: Wettbewerbspolitik
Dr. Horst Baier
Seite 81
Fazit für die Wettbewerbspolitik
 der Wettbewerb nimmt in einer Gemischtwirtschaft wichtige Funktionen
wahr
 Tendenz zu Konzentrationsprozessen ist latent vorhanden und birgt
erhebliche ökonomische und politische Gefahren (sollte nicht dauerhaft
aufrecht erhalten werden)
 in der Vergangenheit haben Monopole ihre Position auch durch
Marktkräfte verloren, aber in anderen Fällen konnten erst politischrechtliche Maßnahmen eine Verfestigung von Kartellen und
Monopolstellungen verhindern
 das GWB wirkt nur eingeschränkt, da Zusammenschlüsse kaum untersagt
und Kartelle selten aufgedeckt werden (entweder Ausnahme oder
Nachweis nicht möglich)
 es stellt sich die Frage, ob die Nationalstaaten im Zeitalter der
Globalisierung überhaupt noch das Machtpotenzial haben, um die weiter
zunehmenden Konzentrationsprozesse zu stoppen und den
Machtmissbrauch zu verhindern (Ziel: international gültiger
Ordnungsrahmen)
Kapitel 14: Wettbewerbspolitik
Dr. Horst Baier
Seite 82
15. Konjunktur- und Wachstumspolitik
 Unter dem Begriff "Konjunktur- und Wachstumspolitik" werden alle
Maßnahmen und Einrichtungen zusammengefasst, die den Zweck verfolgen,
die Konjunktur zu stabilisieren und das wirtschaftliche Wachstum zu fördern.
 Unter dem Begriff Konjunktur versteht man periodische Schwankungen in
gesamtwirtschaftlichen Größen wie Sozialprodukt, Preisniveau und
Beschäftigung und zwar als Bewegungen um das gesamtwirtschaftliche
Gleichgewicht
 wirtschaftliches Wachstum wird definiert als die Wachstumsrate des realen
Bruttoinlandsproduktes pro Kopf der Bevölkerung
 Wirtschaftswachstum entsteht aus dem Zusammenwirken von
Arbeitsvolumen und Arbeitsproduktivität
 wichtigste Ursache für Veränderungen der Arbeitsproduktivität sind
Investitionen, durch die der Kapitalstock einer Volkswirtschaft erhöht wird
 Wachstum wird auch durch das Humankapital, d.h. die Qualität der
eingesetzten Arbeitskräfte beeinflusst
 das Sozialkapital, d.h. die informellen und formellen Spielregeln einer
Gesellschaft, haben ebenfalls eine bedeutende Rolle
Kapitel 15: Konjunktur- und Wachstumspolitik
Dr. Horst Baier
Seite 83
Wirtschaftswachstum als Ziel der Wirtschaftspolitik:
Das magische Viereck der Makroökonomie
stetiges und
angemessenes
Wirtschaftswachstum
hoher
Beschäftigungsstand
Zielgrößen
stabiles Preisniveau
außenwirtschaftliches
Gleichgewicht
Verankert im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967, Initiative des
Wirtschafts- und Finanzministers Karl Schiller (1911-1994)
Kapitel 15: Konjunktur- und Wachstumspolitik
Dr. Horst Baier
Seite 84
Der Misery - Index
Quelle: Bofinger, S. 287: einfache Addition der Inflationsrate und der Arbeitslosenrate. Durch die Politik der Notenbank
konnte die Inflation stabil gehalten werden.
Kapitel 15: Konjunktur- und Wachstumspolitik
Dr. Horst Baier
Seite 85
Bedeutung des technischen Fortschritts
 Das langfristige Wirtschaftswachstum und der
Wohlstand wird durch den technischen Fortschritt
bestimmt
 hohe Arbeitslosigkeit bedeutet einen erheblichen
Effizienzverlust für eine Volkswirtschaft
 Ungleichverteilung von Chancen und Einkommen
mindert die Wachstumschancen
 in den letzten 100 Jahren kam es im Durchschnitt in den Industrieländern zu
einer Verdoppelung der Einkommen alle 25 Jahre
 der damit einhergehende Effizienzgewinn überwiegt den Effizienzverlust
durch Arbeitslosigkeit bei Weitem
 Verteilungskonflikte lassen sich in einer wachsenden Volkswirtschaft
weitaus leichter lösen
 durch Investitionen (und Innovationen) besteht ein eindeutiger
Zusammenhang zwischen Wachstum und Konjunktur
 in der Rezession wird weniger investiert mit negativen Auswirkungen auf die
die langfristigen Wachstumsaussichten
Kapitel 15: Konjunktur- und Wachstumspolitik
Dr. Horst Baier
Seite 86
Stilisierter Verlauf des Konjunkturzyklus
Die Schwankungen der Konjunktur folgen gewissen (mehr oder weniger) regelmäßigen Bewegungen
(=Zyklen). Diese Konjunkturzyklen lassen sich anhand einer wellenförmig verlaufenden Kurve um den
langfristigen Wachstumstrend veranschaulichen (rote Linie).
Kapitel 15: Konjunktur- und Wachstumspolitik
Dr. Horst Baier
Seite 87
Unterscheidung von Konjunkturzyklen
Drei unterschiedliche Konjunkturzyklen:
 die Kondratieff-Wellen (circa 50- 60 Jahre)  neue Schlüsseltechnologien
 die Juglar-Wellen (circa 8-9 Jahre)  Innovationen von Unternehmen
 die Kitchin-Wellen (circa 2-3 Jahre)  Lagerveränderungen
Thesen Schumpeters:
 Innovationen lösen Juglarund Kondratieff-Zyklen aus.
 eine Innovation alimentiert
mehrere Juglarzyklen.
 die Stoßkraft des Aufschwunges
wird immer schwächer
 Kitchin-Wellen entstehen
durch Lagerdispositionen
Kondratieff-Zyklen
Kapitel 15: Konjunktur- und Wachstumspolitik
Dr. Horst Baier
Seite 88
Veränderung in der Konjunkturpolitik
 Vor Weltwirtschaftskrise keine Konjunkturpolitik i. e. S.
 Bekämpfung nur bereits eingetretener Krisen,
 Überragende Bedeutung der Diskontsatzpolitik
 Arbeitslosenunterstützungen und Notstandsarbeiten
 Wandel während der Weltwirtschaftskrise:

Deflationspolitik von Brüning und Hoover

Expansionspolitik von Roosevelt und Drittes Reich

Mindestreservepolitik

staatliche Fiskalpolitik
Kraft durch Freude - Auto
 Stabilitätspolitik in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg:
 neues geldpolitisches Instrument: Offenmarktpolitik
 keynesianische Fiskalpolitik auch zur Inflationsbekämpfung
 Einführung konzertierte Aktion
 Zwang zu internationaler Kooperation (z.B. Wachstumsprogramme)
 Euro-Einführung
Kapitel 15: Konjunktur- und Wachstumspolitik
Dr. Horst Baier
Seite 89
Generelle wachstumsfördernde Maßnahmen













Öffnung der nationalen Märkte
Deregulierung und Entbürokratisierung
verstetigte und voraussehbare Wirtschaftspolitik
Wettbewerbs- und Patentrecht setzt Anreize für Innovationen
Bevölkerungspolitik
Gesundheit und Ernährung erhöhen die Produktivität
stabilitätsorientierte Geldpolitik
Rückführung der Staatsquote
Vereinfachung und wachstumsfördernde Ausgestaltung des
Steuersystems
Investitionen in Bildung
Förderung von Technologie
Bereitstellung von Infrastruktur
verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen, effiziente öffentliche
Verwaltung und Gerichtsbarkeit
Kapitel 15: Konjunktur- und Wachstumspolitik
Dr. Horst Baier
Seite 90
16. Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken
 Als Geldpolitik (auch: Geldmarktpolitik) bezeichnet man
zusammenfassend alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die eine
Zentralbank ergreift, um ihre Ziele zu verwirklichen. Im engeren Sinn ist
eine Verknappung der Geldmenge eine kontraktive/restriktive Geldpolitik;
eine Ausdehnung der Geldmenge eine expansive Geldpolitik.
 Notenbanken nehmen auf die Geldversorgung und die Zinsen und damit auf
die Finanzierungsbedingungen in der Volkswirtschaft Einfluss. Dabei nutzen
sie Zwischenziele in Bezug auf die Geldmenge, die Zinsen, die
Inflationsrate selbst, bisweilen auch auf den Wechselkurs.
 Geldmengensteuerung: wächst die Wirtschaft z. B. mit einer
durchschnittlichen Rate von 3 % und hält die Notenbank eine Inflationsrate
von 2 % für akzeptabel (oder unvermeidbar), muss die Geldmenge
langfristig mit einer Rate von 5 % ausgeweitet werden. Das hindert
einerseits die Wirtschaft nicht am Wachsen, lässt andererseits keine
unakzeptabel hohe Inflation entstehen.
 Viele Notenbanken setzen sich ein Inflationsziel (oft 2 % +) und variieren
das Zinsniveau
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 91
Liquidität und Solvenz: die Rolle des Geldes



Geld als Zahlungsmittel bedeutet Liquidität
 Zweck: Ermöglichen von Transaktionen
 Zahlungsmittel sind fast immer auf das „offizielle“ Geld
(Zentralbankgeld) beschränkt (Bargeld und Giralgeld sind
gleichwertig)
 Zahlungsmittel können zum Preis von Zinsen geliehen/
verliehen werden  Zinsen sind der Preis von Liquidität bzw.
die Opportunitätskosten der Bargeldhaltung
 Verleihen und Leihen bedeuten intertemporalen Handel:
gegenwärtigen Konsum gegen zukünftigen Konsum
Geld als Wertaufbewahrungsmittel / Vermögen bedeutet Solvenz
 Vermögen ist nicht auf Geld beschränkt  illiquides
Vermögen (Immobilien, Wertpapiere, Gold, Kunst etc.)
 Solvenz/Vermögen schließt auch zukünftige Einkommensmöglichkeiten ein
Geld als Recheneinheit dient als Wertmaßstab
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 92
Geldmenge und Zinsen
i = Zinssatz
Geldmarkt
3%
D = Nachfrage nach
Liquidität für Transaktionen
Ma
M = Geldmange
Ceteris paribus sind Zinsen und Geldmenge zwei Seiten der selben
Medaille.
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 93
Wie erfolgt eine Geldschöpfung?





Herr Müller kauft ein Auto für € 20.000
Bank A leiht ihm 20.000 €
Autohändler zahlt 20.000 € bei Bank B ein
Bank B verleiht 18.000 € davon an anderen Autokäufer (20.000 € bleiben auf
Girokonto des Autohändlers) und hinterlegt 2.000 € als Guthaben (Reserve)
bei der Zentralbank
…
Guthaben
Bankkunde
Kredite
(Buchgeld)
Herr Müller
20.000
Autohändler
Frau Meyer
20.000
18.000
Autohändler
… (je 10% weniger)
Summe
18.000
…
…
200.000
200.000
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 94
Woher bekommt die Bank das Geld?


Bank muss einen neuen Kredit finanzieren
(Annahme: die Bank hat kein Geld „übrig“)
 durch einen Kredit bei anderen Banken
 durch neue Einlagen von anderen Kunden
 durch einen Kredit bei der Zentralbank – nur in diesem Fall findet
„neue“ Geldschöpfung statt
einen Teil des neuen Geldes wollen Privathaushalte und
Unternehmen als Liquidität halten (Banken müssen einen Teil bei der
ZB als Reserve halten)
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 95
Beispiel für Geldschöpfung
Fallbeispiel:
das gesamte Buchgeld
wird wieder als Einlage
bei einer Bank angelegt. Bei Bargeldentnahmen ist die Geldschöpfung geringer.
Der Geldschöpfungsmultiplikator ist in den
Beispiel (1/0,1) =
Kehrwert des
Reservesatzes.
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 96
Die Bedeutung der Inflation: Realwirtschaft und Geldwirtschaft

Realwirtschaft:
Produktion, Konsum, Investitionen, Arbeit

Geldwirtschaft:
Gewinne/Verluste, Einkommen
Beispiel für Inflationsauswirkungen:
 Durchschnitts-Stundenlohn eines Fabrikarbeiters (USA)


Inflation 1970 – 2007



Preisindex 1970: 0,388 ; Preisindex 2007: 2,073
Inflation = (2,073- 0,388)/0,388 = 434%
Stundenlohn 1970 in US$ von 2007 ($2007)


1970: $3,40 ; 2007: $17,41 ( nominales Wachstum = 412%)
3,40*(1+4,34) = 18,17
Wachstum des realen Stundenlohns

(17,41-18,17)/18,17 = -4,2% (gerundet)
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 97
Exkurs:
Auswirkungen der Hyperinflation nach dem ersten Weltkrieg
Außenwirtschaftlich sah das so aus:
Juli 1922
1 Dollar
493 Mark
Juli 1923
1 Dollar
353.412 Mark
Sep. 1923
1 Dollar
98.860.000 Mark
Nov. 1923
1 Dollar
4.200.000.000 Mark
Nach Kaufkraft ergab dies am
15. 11.1923 folgende Preise:
ein Liter
Milch
340 Milliarden
Mark
ein Kilo Brot
580 Milliarden
Mark
ein Kilo
Rindfleisch
2,6 Billionen Mark
Gründe für die damalige Inflation:
 Kriegsreparationen
 Geldmengenausweitung (Gelddruck) bei sinkender Güterproduktion und Löhnen
 Bedienung Kriegsanleihen
 geringe Einnahmen durch Konjunktureinbruch
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 98
Messung der Inflation
Das Statistische Bundesamt
erstellt monatlich einen
Preisindex
 repräsentativer
Warenkorb
(„Wägungsschema“)
 Wertangabe relativ
(„2005=100“)
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 99
Preisentwicklung in Deutschland
Quelle: http://www.destatis.de; dargestellt sind 8 von 12 Ausgabenkategorien
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 100
Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Inflation

Zusammenstellung des Warenkorbs
 wie viel wovon?

Änderungen
 Substitutionseffekt bei Änderung der relativen Preise (Dinge, die schneller
teurer werden, verlieren an Gewicht)
 neue Produkte (z.B. Navigationsgerät)
 neue Preismodelle (z.B. Flatrates bei Handys)
 Qualitätsverbesserung von Produkten (z.B. PC, Fahrzeuge)
 andere Lebensgewohnheiten
 technischer Fortschritt (z.B. Strom über PV-Anlagen)
 Substitutionsgüter (Gas für Öl, ÖPNV anstelle Auto)

Ungenauigkeit liegt in der Natur der Sache
 jeder Konsument hat eine persönliche Inflationsrate
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 101
Produktivitätsfortschritte dämpfen die Inflation


Produktivitätsfortschritte können bei bestimmten Gütern zu einer Verbilligung
führen (z.B. PCs, Internetzugang, die meisten Industriegüter)
viele Dienstleistungen haben allerdings kaum Potenzial für
Produktivitätsfortschritte (z.B. Friseur, Arzt, Maler, Restaurant …) und
verteuern sich deshalb überdurchschnittlich
Arbeitsproduktivität
je Erwerbstätigenstunde stieg um
34,8 % seit 1991.
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 102
Beispiel für die Entwicklung des Realeinkommens
1. Welches Einkommen ist real höher: € 2.500 im Jahre 2008 oder
€ 2.000 im Jahre 1998?
2. Wie groß ist der Unterschied ausgedrückt in Euro von 1998?
3. Um wie viel Prozent ist das Einkommen gestiegen?
4. Wie hoch war die Inflationsrate in diesem Zeitraum im
Durchschnitt?
Preisindex
Weitere Informationen gibt es bei www.destatis.de („Verbraucherpreise“).
zu 1) Inflation: 106,6/90,9 - 1 = 17,3%
€ 2.500 aus 2008 in € von 1998: € 2.500/1,173 = € 2.131,29
€ 2.000 aus 1998 in € von 2008: € 2.000*1,173 = € 2.346
(Reallohnsteigerung gleich Null)
zu 2) Unterschied in €: 2.131,29 – 2.000 = 131,29 € von 1998
zu 3) 131,29/2.000 = 6,56%
zu 4) Inflationsrate gemittelt: 1,173(1/10) = 1,0161  1,61%
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 103
Ursachen von (Anstieg von) Inflation





BIP entspricht der Kapazitätsgrenze der Volkswirtschaft
(„Überbeschäftigung“)
 geringe Arbeitslosigkeit, volle Auslastung der Fabriken …
hohe Lohnabschlüsse (schneller als Produktivitätszuwachs)
 sind i.d.R. Resultat von Überbeschäftigung, können aber auch ohne
Überbeschäftigung eintreten
Inflationserwartungen
 Anpassung von Preisen (insbes. Löhne, Zinsen) an erwartete Inflation
verursacht Inflation  selbsterfüllende Prophezeiung
exogene Preiseinflüsse
 importierte Inflation bei Erhöhung der Preise von Importgütern (bzw.
Abwertung der eigenen Währung)
 schlechte Ernte, Wetterauswirkungen, Rohstoffverknappung etc.
Notenbank erhöht die Geldmenge und senkt die Zinsen, aber die Wirkung
verläuft letztlich über die Güternachfrage und Lohnkosten, die den Ausschlag
dafür geben, dass die Unternehmen die Preise anheben
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 104
Teufelskreis der Inflation
Geldmenge

Löhne

Lohnforderungen
Nachfrage

Kosten


Preise

Rohstoffpreise

Lagerbestände

Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 105
Typische Manifestation von Inflation









Überbeschäftigung (geringe Arbeitslosigkeit)
Firmen zahlen höhere Löhne (u.a. für Wochenendarbeit,
Nachtschichten)  höhere Kosten
Arbeitnehmer/Kunden haben höheres verfügbares Einkommen und
kaufen mehr  Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage
Lagerbestände gehen zur Neige
Firmen erhöhen Preise  Inflation
Arbeitnehmer fordern höhere Löhne (Inflationsausgleich)
Abwertung der Währung
Kapitalanleger flüchten in Sachwerte
…
Lesenswert:
Erich M. Remarque: Roman über die
Inflationszeit 1923 und die praktischen
Auswirkungen in der Stadt
„Wiedenbrück“
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 106
Folgen der Inflation




theoretisch keine realen Auswirkungen auf Produktion und Beschäftigung
 Annahme: keine Geldillusion (d.h., es findet keine Verwechslung von
nominalen und realen Änderungen statt)
praktische Auswirkungen:
 weniger Preistransparenz
 aufwendiges Preismanagement („Speisekarten-Kosten“)
 aufwendige Bargeldhaltung wg. hoher Opportunitätskosten
 höhere reale Steuerbelastung im Fall einer progressiven Steuer („kalte
Progression“)
„importierte Inflation“: Verlust an Wohlstand
 z.B. höhere Rohstoffpreise
bei unerwarteter Inflation sind reale Preise (bzw. Erträge) von lang
laufenden Verträgen sind niedriger als erwartet
 unerwartete Inflation führt zu Umverteilung von Gläubigern zu
Schuldnern
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 107
Deflation



Deflation ist negative Inflation
 Preise fallen, Geld gewinnt an Wert
 Problem: Anschaffungen werden zurückgestellt
Teufelskreis von Deflation und Rezession
 Deflationserwartung  weniger Nachfrage  weniger
Investitionen  mehr Arbeitslosigkeit  niedrigere Löhne 
niedrigere Preise  …
besonderes Problem: nominale Zinsen können nicht unter 0% sinken
(weil Sparer dann fürs Sparen bezahlen müssten)
 Zentralbank kann kaum gegensteuern
 Staat kann gegensteuern durch Ausgabenprogramme, aber nur
zum Preis von höheren Staatsschulden
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 108
Die Noten- oder Zentralbank
 Europa: EZB (Europäische Zentralbank)
 Bundesbank ist Teil des ESCB (Europ. System of Central Banks)
 USA: „Fed“ (Federal Reserve)
 Teil des Staates, aber weitgehend unabhängig von der
Regierung (je nach Land unterschiedlich)
 bringt Geld in Umlauf
 legt den Leitzins fest und beeinflusst die Geldmenge
 Ziel: niedrige Inflation
(EZB: 2% oder leicht darunter);
Fed: niedrige Inflation, hohe
Beschäftigung und moderate Zinsen
 hat Aufsichtsfunktion
 ZB ist die „Bank der Banken“
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 109
Aufgaben der Europäischen Zentralbank
 Ziele
 "Das vorrangige Ziel des ESZB ist es, die Preisstabilität zu
gewährleisten".
 „Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich
ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der
Gemeinschaft, um zur Verwirklichung der in Artikel 2 festgelegten Ziele
der Gemeinschaft beizutragen.“ (Artikel 105 Absatz 1 des EG-Vertrags)
 Die Ziele der Union (Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union)
sind ein hohes Beschäftigungsniveau und ein beständiges,
nichtinflationäres Wachstum.
 Grundlegende Aufgaben
 Festlegung und Ausführung Geldpolitik (Artikel 105 Absatz 2 des
Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft)
 Durchführung von Devisengeschäften
 Halten und Verwalten der offiziellen Währungsreserven der
Mitgliedstaaten (Portfoliomanagement),
 Förderung des reibungslosen Funktionierens der Zahlungssysteme
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 110
Weitere Aufgaben der EZB
 Banknoten:
Die EZB hat das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Banknoten
innerhalb des Euroraums zu genehmigen.
 Statistik:
In Zusammenarbeit mit den nationalen Zentralbanken erhebt die EZB
entweder von nationalen Behörden oder direkt von den
Wirtschaftsakteuren die für die Erfüllung der Aufgaben notwendigen
statistischen Daten.
 Aufsicht über die Kreditinstitute und Stabilität des Finanzsystems:
Das Eurosystem trägt zur reibungslosen Durchführung der von den
zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute
und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen bei.
 Internationale und europäische Zusammenarbeit:
Zum Zwecke der Erfüllung der dem Eurosystem übertragenen Aufgaben
arbeitet die EZB sowohl innerhalb der EU als auch international mit den
zuständigen Organen, Einrichtungen und Foren zusammen.
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 111
Aufgaben der Deutschen Bundesbank
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 112
Zentralbank als Bank der Banken



Geschäftsbanken haben ein Konto bei der ZB
Überweisungen zwischen Geschäftsbanken sind
Saldoverschiebungen bei der ZB
ZB ist Kreditgeber der letzten Instanz
 verleiht in Krisensituationen unbegrenzt Geld zum aktuellen
Zinssatz an Geschäftsbanken, vorausgesetzt der Kreditnehmer
ist solvent
 Guthaben sind bei Insolvenz einer Bank durch staatliche und
freiwillige Einlagensicherung garantiert (ZB springt nicht ein)
Beispiel:
42 cm-Mörser „Dicke Bertha“ (Analogie von Draghi)
Anfang 2012 versorgte die EZB das Kreditgewerbe
mit 1029 Mrd. Euro billigem Geld zur Stützung der
Banken . Dies hat keine inflationären Effekte, da die
Banken die Liquidität kaum an die Realwirtschaft
weitergeben, sondern Staatsanleihen kaufen und
ihre Kapitalisierung verbessern (notwendig durch
Basel III und hohe Abschreibungen durch Eurokrise).
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 113
Steuerung der Geldmenge durch die Zentralbank

ZB vergibt befristete Kredite an Geschäftsbanken und verwaltet deren
Guthaben
 je mehr Kredite sie vergibt, um so mehr Geld kommt in Umlauf
 wenn die ZB mehr Geld verleihen will, als die Banken leihen wollen, muss
sie die Zinsen senken
 um die Geldmenge wieder zu reduzieren, erhöht sie die Zinsen  es
werden mehr alte Kredite zurückgezahlt als neue vergeben
 die ZB bekommt Zinsen für das verliehene Geld und zahlt Zinsen für das bei
ihr hinterlegte Guthaben  Überschuss

ZB kauft/verkauft Wertpapiere, Devisen, Gold …
 auch ein Kredit ist ein Vermögenswert (nämlich ein Guthaben bei einem
Schuldner), allerdings mit „Rückkaufpflicht“
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 114
Unabhängigkeit der Notenbanken und Inflaton
Adenauer kritisierte in seiner
Gürzenich-Rede 1956 eine vom
Zentralbankrat und Bundesbankpräsident Vocke beschlossene
Zinserhöhung (Schüttelreim
abgedruckt bei Bofinger, S. 293):
„Des Kanzlers Hand zum Stocke fuhr:
‚Verdammt ist dieser Vocke stur!‘
Ganz unbeirrt hielt Vocke stand,
der arg das mit dem Stocke fand.
Ich lobe mir des Vockes Stil,
der nie aufs Knie vorm Stocke fiel.“
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 115
Grenzen der Geldpolitik
 Die vielfältigen Ursachen inflationärer Prozesse bedingen, dass eine
stabilitätsorientierte Geldpolitik durch eine gleichgerichtete Wirtschafts-,
Finanz- und Lohnpolitik ergänzt wird.
 Eine besondere Verantwortung kommt den Tarifvertragsparteien bei ihrer
Lohnpolitik zu. Denn übermäßige Lohnsteigerungen können schnell zu
Preissteigerungen führen, wenn die Unternehmen diese höheren Lohnkosten
über ihre Produktpreise weitergeben.
 Eine stabilitätsorientierte Finanzpolitik ist für eine erfolgreiche Geldpolitik
von besonderer Bedeutung. Der Staat tätigt einen großen Teil der
gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Er kann zudem über seine Ausgaben- und
Steuerpolitik sowie Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst die Einkommen der
privaten Haushalte und Unternehmen unmittelbar beeinflussen.
 Die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte muss gewährleistet sein, da
anderenfalls die Befürchtung aufkommen kann, dass Druck auf die
Geldpolitik ausgeübt wird, damit diese eine höhere Inflation zulässt, um so
die Schulden des Staates zu entwerten.
Kapitel 16: Inflation, Geldpolitik und die Funktion von Notenbanken Dr. Horst Baier
Seite 116
17. Wirtschaftspolitik in der offenen Volkswirtschaft
 die inländische Konjunkturentwicklung wird sehr stark von der
Nachfragesituation im Ausland bestimmt
 die Exporte haben einen ähnlich starken makroökonomischen Effekt wie
die inländischen Investitionen
 durch die offenen Märkte kommt es zu einer Verknüpfung zwischen der
inländischen Preisentwicklung und der Inflationsrate im Ausland
 bei festen Wechselkursen kann sich ein Land mit hoher Inflation an ein
Land mit Geldwertstabilität anhängen und so eine niedrige Inflationsrate
importieren
 die Zinsdifferenzen zwischen zwei Ländern entsprechen der erwarteten
Veränderung des Wechselkurses zwischen ihren beiden Währungen
(Sonderfaktoren wie z.B. Bankgeheimnis hemmen den Mechanismus)
 Länder können sich für fixe oder flexible Wechselkurse entscheiden oder
ein sog. „managed floating“ als Zwischenlösung wählen
Kapitel 17: Wirtschaftspolitik in der offenen Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 117
Devisenmarkt
 auf dem Devisenmarkt wird inländische Währung
im Austausch gegen ausländische Währung
gehandelt
 wenn mehr exportiert als importiert wird, ergibt sich ein Nettokapitalabfluss
(das Land mit Exportüberschüssen erwirbt ausländische Währungen und
erhöht sein Bestand an ausländischen Aktiva)
 sind die Nettoexporte positiv, müssen ausländische Nachfrage ihre
Währung in Euro eintauschen und Euros auf dem Devisenmarkt
nachfragen
 der reale Wechselkurs bringt die Angebot und die Nachfrage auf dem
Devisenmarkt ins Gleichgewicht
 eine Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar bedeutet, dass die Güter
der Eurozone im Vergleich zu amerikanischen Gütern relativ gesehen
teurer werden
 im Ergebnis werden die Exporte der Länder der Eurozone in den
Dollarraum abnehmen und die Produktion in der Dollarzone wird
attraktiver.
Kapitel 17: Wirtschaftspolitik in der offenen Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 118
Schematische Darstellung des Devisenmarktes
 da der Nettokapitalabfluss nicht vom realen
Wechselkurs abhängt,
verläuft die Angebotskurve vertikal
 die Nachfrage resultiert
aus den Nettoexporten
 je niedriger der Wechselkurs, desto höher die
Nettoexporte und damit
die Menge an € die zur
Bezahlung nachgefragt
werden
 gemäß der Kaufkraftparitätentheorie reagiert
der internationale Handel
schnell auf Preisdifferenzen
Realer
Wechselkurs
Angebot an € (für
Nettokapitalabfluss)
gleichgewichtiger
realer
Wechselkurs
Kapitel 17: Wirtschaftspolitik in der offenen Volkswirtschaft
Nachfrage nach €
(aus Nettoexporten)
Gleichgewichtige
€-Menge
Dr. Horst Baier
Menge an € die in
Auslandswährung
getauscht werden
Seite 119
Verbindung zwischen Kreditmarkt und Devisenmarkt
 auf dem Kreditmarkt stammt das Angebot aus der gesamtwirtschaftlichen
Ersparnis, die Nachfrage resultiert aus den inländischen Investitionen und
dem Nettokapitalabfluss (Realzins erzeugt Gleichgewicht)
 auf dem Devisenmarkt werden die Angebotsseite durch den
Nettokapitalabfluss und die Nachfrageseite durch die Nettoexporte
bestimmt (Wechselkurs erzeugt Gleichgewicht)
 der Nettokapitalabfluss verbindet beide Märkte (will jemand etwas im
Ausland kaufen, wird dies über den Kreditmarkt finanziert/ möchte jemand
Aktiva im Ausland erwerben, muss er Euros für Fremdwährung anbieten)
 auf beiden Märkten werden simultan zwei relative Preise ermittelt – der
Realzins und der reale Wechselkurs
 Wirkungsbeispiel:
der Staat weitet sein Budgetdefizit aus  Angebot an Kreditmitteln wird verringert
 dies führt zur Erhöhung des Realzinses  das reduziert den Nettokapitalabfluss
 das verringert das Angebot an inländischer Währung  daraufhin stellt sich eine
Aufwertung der Inlandswährung ein (c.p.)
Kapitel 17: Wirtschaftspolitik in der offenen Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 120
Handelspolitik
 (Außen-)Handelspolitik sind staatliche Maßnahmen, die direkt auf die
Menge an Waren und Dienstleistungen zielen, die ein Land importiert oder
exportiert
 Rechtsgrundlagen: Vertrag über die europäische Union (AEU-Vertrag, Art.
206 und 207), vertragliche Verpflichtungen im Rahmen der WTO, wie z.B.
GATT-Vertrag (allgemeines Zoll- und Handelseinkommen, General
Agreement on Tariffs and Trade)
Maßnahmen:
 tarifäre Handelshemmnisse wie z.B. Zoll (Steuer auf importierte Güter)
 Ausfuhrförderungen (z.B. Subventionen europäischer Agrarmarkt)
 nicht-tarifäre Handelshemmnisse, z.B.:
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Einführung einer Importquote (mengenmäßige Begrenzung)
Pflicht zur Vorlage bestimmter Dokumente
Einhaltung technischer und anderer Standards
Zwang zur Produktion im Land
Zwang zu Joint-Ventures oder inländischen Zulieferern (Quotenregelung)
Ausfuhrbeschränkungen (z.B. militärische Güter, seltene Erden in China)
Kapitel 17: Wirtschaftspolitik in der offenen Volkswirtschaft
Dr. Horst Baier
Seite 121
18. Volkswirtschaftslehre jenseits des 19. Jahrhunderts
 Die klassische VWL der letzten beiden Jahrhunderte ist in eine Krise
geraten, da sie die Entwicklungen in der Wirtschaft nicht mehr abbildet und
erklärt (siehe auch Institute for New Economic Thinking). Die VWL-Modelle
müssen um drei Elemente ergänzt werden:
der Mensch mit seinen Fehlbarkeiten muss berücksichtigt werden und Eingang
in die makroökonomischen Modelle finden. Auf der Ebene der Mikroökonomie
haben Elementen der Verhaltensforschung schon Berücksichtigung gefunden
in der Klassik ist die Finanzwirtschaft ein Diener der Güterwirtschaft. Banken
versorgen Unternehmen mit Krediten und nehmen das Spargeld der
Konsumenten auf. Das mittlerweile dynamische Eigenleben des Finanzsektors
und die darauf hervorgehenden Einflüsse auf die Realwirtschaft müssen
abgebildet werden.
die Außenhandelstheorie des 19. Jahrhunderts hat nichts mehr mit der Realität
der Globalisierung zu tun. Der komplexe Warenaustausch und der heutige
Wettbewerb zwischen Volkswirtschaften bis hin zum Einfluss der Steuer- und
Sozialsysteme und Umweltgesetzgebung fehlt als Erklärungsansatz.
 Für die neuen Elemente ist viel empirische Forschung notwendig und auch
Vereinfachungen. Die Entwicklung der VWL geht in Richtung ökonomischer
Realität.
Seite 122
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