W i r t s c haf t Kommentar Von Thomas Mayer Bald vier Prozent Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, über die Gründe der zunehmenden Inflationsgefahr und die (wenigen) Möglichkeiten, gegen die wuchernde Geldentwertung vorzugehen E s gibt in der Volkswirtschaftslehre nur wenige allgemeingültige Sätze. Einer davon ist Milton Friedmans Aussage, dass Inflation letztlich immer und überall ein monetäres Phänomen ist. Gerade erleben wir einen erneuten Beweis dieses Satzes. Eine auf globaler Ebene zu lockere Geldpolitik treibt die Preise für Güter, Dienstleistungen, Rohstoffe und Vermögenswerte. Natürlich ist der Inflationsdruck in einer stark zerklüfteten Weltwirtschaft nicht überall gleich groß und sichtbar, aber überall wird er von der gleichen Kraft getrieben. In deren Zentrum steht die amerikanische Zentralbank (Fed), die sich der Absicherung gegen die Deflation verschrieben hat. Die große Finanzkrise von 2008/09 hat in den USA naturgemäß Pessimistisch Thomas Mayer glaubt nicht, dass die Notenbanken die Inflation wirksam bekämpfen können Erinnerungen an die Depression der frühen dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts geweckt. Die Fed setzt daher alles daran, Wachstum und Beschäftigung anzukurbeln und eine Wiederkehr der Deflation auszuschließen, auch um den Preis, dass das Risiko der Inflation steigt. Man kann darüber streiten, ob die sich aus diesem Vorgehen der Fed ergebende Geldpolitik für die USA selbst zu locker ist. Weitgehend unbestritten bleibt dagegen, dass die US-Geldpolitik für die schnell wachsenden Schwellenländer, die von der großen Finanzkrise nur indirekt betroffen waren, nicht taugt. Und doch importiert eine große Zahl dieser Länder diese Politik, indem sie sich gegen den aus der amerikanischen Geldpolitik resultierenden Druck zur Abwertung des US-Dollars wehrt. Die Folge davon sind höhere Inflation und schnell steigende Preise für reale Vermögenswerte, insbesondere Immobilien. Eine reale Aufwertung ihrer Währungen aber können die Schwellenländer durch die Begrenzung einer nominalen Aufwertung nicht verhindern. Die realen Wechselkurse steigen bei begrenzter nominaler Aufwertung durch höhere Inflation. Die steigende Inflation in den Schwellenländern kommt wie ein Bumerang in die Industrieländer zurück. Als Erstes ziehen die Weltmarktpreise für Rohstoffe und Nahrungsmittel an, mit entsprechender Wirkung auf die heimischen Preise dieser Produkte. Danach schafft die reale Abwertung der Währungen der Industrieländer, die durch schneller steigende Löhne in den Schwellenländern befördert wird, Raum für Lohnerhöhungen. Und schließlich werden höhere Preise für Rohstoffe und Löhne in die Endpreise für in den Industrieländern produzierte Güter und Dienstleistungen eingehen. 112 F ocus 6/2011 Foto: R. Klar I m Prinzip haben es die Notenbanken in der Hand, eine solche Spirale durch eine Straffung der Geldpolitik zu verhindern. Es gibt jedoch für die Notenbanken einen Konflikt zwischen der Wahrung der Preis- und der Finanzstabilität. Hier werden sich die Notenbanken in der Regel für Letztere entscheiden. Die globale Inflation dürfte daher von gegenwärtig etwas mehr als drei Prozent in den nächsten Jahren auf fünf Prozent steigen. Im Euro-Raum könnte die Inflation gegen drei Prozent, in Deutschland wegen des stärkeren Wachstums in Richtung vier Prozent gehen.