Leseprobe Entspannungstraining (IST) Studienheft Psychologische Grundlagen Autorinnen Dr. Claudia Robben Dr. Claudia Robben ist Diplom-Psychologin und Sportwissenschaftlerin. Für das ISTStudieninstitut ist sie seit vielen Jahren als Dozentin und Autorin in mehreren Fachbereichen tätig. Sylvia Besler, Diplom-Psychologin Auszug aus dem Studienheft 4. Motivation und Emotion Motivation und Emotion 4.1 Was ist Motivation? 4.2 Leistung, Macht und Anschluss als grundlegende Motive 4.3 MASLOWs Bedürfnishierarchie 4.4 Phasen motivierten Handelns und Willenshandlungen 4.5 Ursachenzuschreibungen 4.6 Kontrollprozesse: Der gute Wille 4.7 Emotion und Motivation 4.8 Motivierung Kapitel 4 4. © 01/2016 61 Leseprobe Entspannungstraining (IST) 2 3 4. Motivation und Emotion Lernorientierung Nach Bearbeitung dieses Kapitels sind Sie in der Lage, X Konzepte zur Beschreibung von Motivation zu kennen; X Wichtige soziale Motive wiederzugeben; X Ein Phasenmodell zielgerichteten Verhaltens zu erklären; X Methoden der Motivierung differenzierend zu betrachten. Praxisbeispiel Frau Lustlos hat sich auf Anraten ihres Hausarztes zum Fitnesstraining angemeldet. Ein bisschen Bewegung könne ihr nicht schaden, sagte er ihr, und außerdem solle sie an dem Rückentraining teilnehmen, wolle sie nicht frühzeitig mit Wirbelsäulenschmerzen konfrontiert werden. Frau Lustlos sieht ein, dass er recht hat: Das Training im Fitnessstudio würde ihr sicher gut tun. Trotzdem kann sie sich häufig nicht aufraffen. Schließlich bleibt sie ganz zu Hause und verpasst das Training. Nach ein paar Wochen meldet sie sich wieder ab. Fragt man nach den Gründen dafür, warum Frau Lustlos sich nicht zu einem regelmäßigen Besuch des Fitnessstudios entschließen kann, dann würde man an erster Stelle sicher mangelnde Motivation nennen. Was genau ist Motivation, und wo kommt sie her? Wir müssen verstehen, welche Variablen und Prozesse bei motiviertem Verhalten eine Rolle spielen, um angeben zu können, warum es Frau Lustlos an Motivation mangelt. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass Frau Lustlos weiß, wie sehr das Training für ihre körperliche Verfassung von Vorteil wäre, aber nicht im Einklang mit diesem Wissen handelt. Mangelndes Wissen allein kann also nicht der Grund dafür sein, nicht am Training teilzunehmen: Wissen ist nur eine, jedoch weniger wichtige Variable motivierten Verhaltens. Im Folgenden werden Sie die wichtigsten Determinanten motivationaler Prozesse und ein Phasenmodell motivierten Verhaltens kennenlernen. Sie werden Kontrollprozesse kennenlernen, die ein Festhalten an selbstgesetzten Zielen gegen Widerstände ermöglichen, und verstehen, dass Emotion und Motivation eng miteinander verknüpft sind. Abschließend werden Sie Methoden kennenlernen, wie man Menschen dazu motivieren kann, bestimmte Ziele anzustreben, z. B. regelmäßig etwas für ihre Gesundheit und Fitness zu tun. © 01/2016 62 Leseprobe Entspannungstraining (IST) 4 4. Motivation und Emotion 4.1 Was ist Motivation? Mit Motivation bezeichnen Menschen im alltäglichen Zusammenhang zumeist eine hohe Bereitschaft zur Leistung – etwa in der Schule, im Beruf oder im Sport. Hohe Motivation gilt dabei als überaus nützlich und wird positiv bewertet. Der psychologische Motivationsbegriff grenzt sich klar von dieser Alltagsdefinition ab. Er steht für einen allgemeinen Drang zu Aktivität, ob sie nun nützlich ist oder nicht, hat also keine positive Konnotation, sondern ist im Wesentlichen neutral. Hohe Motivation ist weder gut noch schlecht und enthält im psychologischen Sprachgebrauch keine Bewertung. Motivation (lat. movere=bewegen) ist der allgemeine Begriff für alle Prozesse, die der Initiierung, der Richtungsgebung und der Aufrechterhaltung physischer und psychischer Aktivität dienen. Alle Organismen bewegen sich auf bestimmte Reize zu und von anderen weg, je nach Ausprägung ihrer Vorlieben und Abneigungen (vgl. GERRIG 2015, S. 420). Definition Was veranlasst uns, so zu handeln, wie wir es tun? Warum surfen Sie bis spät in der Nacht im Internet anstatt zu schlafen? Warum essen Sie auf einer Party Knabbereien, obwohl Sie bereits satt sind? Was bringt Person A dazu, ein bestimmtes Ziel trotz großer Anstrengung hartnäckig zu verfolgen, während Person B die Dinge viel zu lange vor sich herschiebt? Bei dieser Art Fragen wird bereits deutlich, dass die Quellen von Motivation nicht allein in der Person selbst liegen, in inneren Trieben oder Motiven, sondern ebenso in bestimmten Anreizen der externen Umwelt. Motivation ergibt sich aus einer Wechselbeziehung von Person und Umwelt, von Motiven und Anreizen. Motive und Anreize Im Folgenden werden einige der in diesem Zusammenhang benutzten Begriffe näher erläutert (vgl. www.arbeitsblaetter.stangl-taller.at): Motive sind in der Psychologie angeborene psychophysische Dispositionen, die ihren Besitzer befähigen, bestimmte Gegenstände wahrzunehmen und durch die Wahrnehmung eine emotionale Erregung zu erleben, daraufhin in bestimmter Weise zu handeln oder wenigstens den Impuls zur Handlung zu verspüren. Motivation ist der Zustand des Motiviertseins. Er ergibt sich aus der Interaktion von Person und Umwelt. Emotionen spielen im Prozess der Motivierung, d. h. der Motivanregung, oft eine wichtige Rolle, denn Menschen wiederholen Handlungen, bei denen sie Lust empfunden haben und vermeiden solche, bei denen Unlust auftritt. © 01/2016 63 Leseprobe Entspannungstraining (IST) 5 4. Motivation und Emotion Kognitionen spielen insofern eine Rolle, da sie über wahrgenommene Realisierungschancen ebenfalls das Verhalten beeinflussen. Menschen lassen sich also nicht ausschließlich von Motiven leiten, sondern „rechnen“ fördernde und hemmende Umstände mit ein. Die Intensität eines Motivs in einem konkreten Einzelfall setzt sich also über eine Grundmotivation hinaus aus zwei weiteren Faktoren zusammen: Den Erfolgsaussichten und dem subjektiven Wert eines Ziels. Dieser Prozess wird weiter unten noch näher beschrieben. Wir sprechen also dann von Motivation, wenn ein Mensch oder ein anderes Lebewesen ein bestimmtes Ziel verfolgt und dabei Anstrengung investiert und Ausdauer zeigt. Zielgerichtetheit, Anstrengung und Ausdauer sind die wesentlichen Bestimmungsstücke von Motivation. Fehlt eines von ihnen, dann können wir auch nicht mehr von motiviertem Verhalten sprechen. Frau Lustlos z. B. hatte ein Ziel vor Augen – etwas für die Gesundheit zu tun –, verfolgte dieses Ziel aber nicht ausdauernd. Anstrengung und Ausdauer setzen dagegen meist schon ein Ziel voraus. Man kann sich schwerlich vorstellen, dass ein Mensch eine anstrengende Tätigkeit ausdauernd ausübt und dabei nicht irgendein Ziel verfolgt, und sei es nur, überschüssige Energie loszuwerden. Zielgerichtetheit Die wichtigste notwendige Voraussetzung für motiviertes Verhalten ist die Zielgerichtetheit. Menschen verfolgen Ziele, weil sie von den Zielen etwas erwarten. Ein Ziel kann darin bestehen, etwas Wünschenswertes zu erreichen oder etwas Unangenehmes zu vermeiden. Im ersten Fall spricht man von Aufsuchenmotivation, im zweiten von Meidenmotivation. Manchmal verschmelzen natürlich auch beide Formen der Motivation. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn man sich zum Fitnesstraining anmeldet: Man erwartet ja nicht nur den wünschenswerten Effekt, leistungsfähiger und vitaler zu werden (Aufsuchenmotivation), sondern auch körperlichen Beschwerden vorzubeugen (Meidenmotivation). Valenz Ziele haben nicht für alle Menschen die gleiche Bedeutung. Im Allgemeinen werden zwei Menschen das gleiche Ziel unterschiedlich bewerten. Für den einen ist der Erfolg im Beruf das wichtigste Ziel überhaupt, ein anderer kann diesem Ziel wenig oder gar nichts abgewinnen. Die subjektive Wichtigkeit oder Wünschbarkeit eines Zieles nennen wir dem Psychologen Kurt LEWIN (1938) folgend „Valenz“ dieses Zieles. Die Valenz soll dabei nicht beschreiben, für wie vernünftig oder rein rational wünschbar ein Ziel eingeschätzt wird. Sie hat eher eine gefühlsmäßige Qualität. Als Valenz bezeichnen wir die Stärke und Qualität der Emotionen, die eine Person als Konsequenz des Erreichens eines Zieles erwartet. Stellen Sie sich z. B. vor, Sie liegen an einem einsamen Strand in der warmen Sonne, hören keine Geräusche bis auf das leichte Rauschen der Wellen, sie haben keine Verpflichtungen und genießen den Augenblick. In den meisten Menschen ruft diese Vorstellung ein angenehmes Gefühl hervor. Sie erleben dieses angenehme Gefühl allein aufgrund der Vorstellung, nicht weil Sie sich wirklich an einem Strand befinden. Vorgestellte Situationen © 01/2016 64 Leseprobe Entspannungstraining (IST) 6 4. Motivation und Emotion oder Ziele haben also bereits emotionale Konsequenzen. Die Valenz eines Zieles wird eben durch diese vorweggenommenen Emotionen bestimmt. Warum wird die Valenz nicht über die Emotionen definiert, die bei Erreichen des gewünschten Zieles tatsächlich auftreten? Die Ursache liegt offenbar darin, dass manche Ziele in der Vorstellung viel attraktiver sind als in dem Moment, in dem sie verwirklicht werden. Diese Vorstellung veranlasst uns, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Oftmals entstehen Enttäuschungen, weil die Wirklichkeit nicht einlösen kann, was die Vorstellung verspricht. Im Allgemeinen wird eine Person umso hartnäckiger ein Ziel verfolgen, je größer die Valenz dieses Zieles für sie ist. Valenz ist jedoch nur eine der im Motivationsprozess wirksamen Variablen. Sie repräsentiert die Wünschbarkeit eines Zieles, nicht jedoch die Realisierbarkeit. Wünschbarkeit und Realisierbarkeit können im Einzelfall weit auseinander klaffen (vgl. KUHL 1983). Fast jeder Mensch findet die Vorstellung, fünf Sprachen fließend sprechen zu können, sehr reizvoll (dieses Ziel hat eine stark positive Valenz), aber kaum einer versucht tatsächlich, dieses Ziel auch zu erreichen. Die Erfolgschancen sind eben gering. Im Folgenden werden wir verschiedene Elemente der Realisierbarkeit kennenlernen: Erwartungen und Lösungswege. Realisierbarkeit Am besten verdeutlichen wir die einzelnen Variablen an einem Beispiel. Praxisbeispiel Herr Kaufmann sieht wie jeden Sonntag fern. Am liebsten sieht er die Sportschau. An diesem Tag läuft eine Reportage über den Ironman-Wettbewerb auf Hawaii. 3,9 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und einen Marathonlauf über 42,2 Kilometer müssen die Teilnehmer bewältigen. Herr Kaufmann ist beeindruckt von dem Kampfgeist und dem Durchhaltevermögen der Athleten. So gut trainiert möchte er auch gerne sein. Vielleicht könnte er auch noch einmal an einem solchen Wettbewerb teilnehmen, wenn er sich nur richtig vorbereiten könnte. © 01/2016 65 Leseprobe Entspannungstraining (IST) 7 Kapitel 6 6. Persönlichkeit 6. Persönlichkeit 6.1 Persönlichkeit: Typen und Dimensionen 6.2 Dimensionen der Intelligenz 6.3 Sport, Gesundheit und Persönlichkeit © 01/2016 116 Leseprobe Entspannungstraining (IST) 8 6. Persönlichkeit Lernorientierung Nach Bearbeitung dieses Kapitels sind Sie in der Lage, X wichtige Beschreibungsdimensionen der Persönlichkeit zu überblicken; X Intelligenz und die Fähigkeit, aus denen sie sich zusammensetzt zu erläuern; X den Zusammenhang von Sport, Gesundheit und Persönlichkeit herzustellen. Praxisbeispiel Frau Becker und Frau Meier betreiben seit einigen Jahren Aerobic und Fitnesstraining. Während der Kurse ist Frau Becker stets zu einem Schwätzchen mit den anderen Teilnehmerinnen aufgelegt, lächelt sie an und gibt einen Kommentar zum Training ab. Oft ist sie in Gespräche mit ihrem Trainer verwickelt und fragt ihn nach besseren Trainingsmöglichkeiten oder nach einer gesunden Ernährung. Frau Meier ist eher ruhig und hält sich lieber im Hintergrund. Sie trainiert regelmäßig, meist aber alleine. Ihr Trainer kann sich nicht daran erinnern, dass Frau Meier schon mal eine Frage zum Training gestellt hat. Überhaupt ist sie ihm wegen ihrer zurückhaltenden Art in der letzten Zeit wenig aufgefallen. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird unter einer „Persönlichkeit“ häufig eine Person mit besonderem Charisma oder einer besonderen sozialen Stellung bezeichnet. Persönlichkeit im psychologischen Sinne hat dagegen jeder! Bereits im Kapitel „Psychologie in Wissenschaft und Alltag“ haben wir als Gegenstand der Psychologie das „Verhalten und Erleben von Menschen“ festgehalten. Die allgemeine Psychologie sucht dabei nach allgemeinen Prinzipien, um das Verhalten und Erleben von Menschen zu beschreiben, zu erklären und vorherzusagen. Persönlichkeitspsychologie beschäftigt sich nun mit der Einzigartigkeit von Menschen, mit dem, was Menschen voneinander unterscheidet. Sie wird daher auch Differenzielle Psychologie genannt. QV Frau Becker und Frau Meier mögen gleichen Alters sein, gleiche Interessen haben, den gleichen Beruf ausüben und gleiche Hobbys haben. Trotzdem finden sich deutliche Unterschiede in der Art, wie sie ihre Interessen und Hobbys verfolgen und wie sie ihren Beruf ausüben. Frau Becker ist ein aufgeschlossener, kontaktbereiter, wenig ängstlicher Typ. Frau Meier wirkt dagegen zurückhaltend, in sich gekehrt, vielleicht auch etwas scheu. © 01/2016 117 Leseprobe Entspannungstraining (IST) 9 6. Persönlichkeit Psychologen definieren Persönlichkeit auf viele unterschiedliche Weise. Allen gemeinsam sind zwei grundlegende Konzepte: Einzigartigkeit und charakteristische Verhaltensmuster. Definition Wir „definieren Persönlichkeit als eine komplexe Menge von einzigartigen psychischen Eigenschaften, welche die für ein Individuum charakteristischen Verhaltensmuster in vielen Situationen und über einen längeren Zeitraum hinweg beeinflussen“ (GERRIG 2015, S. 506). Persönlichkeitstheorie In der Persönlichkeitspsychologie gibt es eine Reihe (oft konkurrierender) Theorien. Einige Theoretiker interessieren sich mehr für die Struktur der Persönlichkeit, andere dafür, wie diese Persönlichkeit entstanden ist und wie sie sich weiterentwickeln wird. Einige wiederum für das aktuelle Verhalten, andere für zugrunde liegende psychische Probleme. Eine gute Darstellung persönlichkeitstheoretischer Ansätze findet sich etwa bei GERRIG (2015, S. 504 ff.). Wir werden uns hier auf zwei wesentliche Konzepte beschränken: die Klassifikation von Menschen nach einer begrenzten Anzahl klar unterscheidbarer Typen sowie die Beschreibung von Menschen durch unterschiedliche Eigenschaften (Traits). Beiden gemeinsam ist, dass sie nach allgemeingültigen Merkmalen und Eigenschaften der Persönlichkeit suchen. Doch was ist damit gemeint? Allgemeingültige Persönlichkeitseigenschaften Von Persönlichkeitseigenschaften, sogenannten „Dispositionen“, wird gefordert, dass sie hinreichend stabil über die Zeit sind und sich zudem beständig in unterschiedlichsten Situationen zeigen. Wir würden „Geselligkeit“ nicht als eine für die Beschreibung der Persönlichkeit taugliche Eigenschaft ansehen, wenn wir beobachten könnten, dass sie sich bei verschiedenen Menschen tagtäglich ändern würde. Natürlich ist auch ein Merkmal wie die Geselligkeit Schwankungen unterworfen, aber wir können doch feststellen, dass einige Menschen im Mittel über größere Zeiträume geselliger sind als andere. Zudem erwarten wir, dass eine gesellige Person wie Frau Becker sich nicht nur im Fitnessstudio gesellig verhält, sondern auch, wenn sie ausgeht, einkauft, Freunde trifft usw. Andernfalls könnten wir annehmen, dass die Geselligkeit nur eine Reaktion auf die momentane Situation darstellt. Menschen unterscheiden sich darin, wie stark diese einzelnen Eigenschaften bei ihnen ausgeprägt sind. Die Summe der Ausprägungen einzelner Persönlichkeitseigenschaften wird Persönlichkeit genannt. In diesem Kapitel werden Sie neben solch grundlegenden Persönlichkeitseigenschaften wie Extraversion und Neurotizismus auch das populäre Konzept der Intelligenz kennenlernen. Obwohl eher im Leistungsbereich angesiedelt, erfasst auch die Intelligenz eine Dimension, in der sich Menschen recht stabil und konsistent unterscheiden. © 01/2016 118 Leseprobe Entspannungstraining (IST) 10 Studienheft Klassische Entspannungsmethoden Autorinnen Christian Mörsch Christian Mörsch ist Dipl. Sozialpsychologe, Entspannungspädagoge, M-A-P Trainer und Kursleiter für AT und RMR. Für das IST-Studieninstitut ist er seit vielen Jahren als Dozent und Autor tätig. Leseprobe Entspannungstraining (IST) Auszug aus dem Studienheft 2. Aktive Entspannungsformen Aktive Entspannungsformen 2.1 Sport 2.1.1 Bewegung als Baustein für ein gesundes Leben 2.1.2 Entspannung durch Sport 2.1.3 Bewusst und mit Freude bewegen 2.1.4 Vermeidbare Fehler 2.1.5 Wie man den inneren Schweinehund überwindet 2.2 Isometrische Übungen 2.2.1 Methode und Wirkung 2.2.2 Übungen und Durchführung 2.3 Progressive Muskelentspannung (PM) 2.3.1 Historische Entwicklung und Hauptprinzip 2.3.2 Das 16-Muskelgruppen-Verfahren nach BERNSTEIN/ BORKOVEC 2.3.3 Das 16-Muskelgruppen-Verfahren nach MUNDT/VERMAAT 2.3.4 Kürzere Verfahren 2.3.5 Exemplarischer Anleitungtext 2.3.6 Hinweise zum Kursaufbau 2.3.7 Anwendungsfelder und Kontraindikationen Kapitel 2 2. © 07/2015 25 Leseprobe Entspannungstraining (IST) 11 12 2. Aktive Entspannungsformen Lernorientierung Nach Bearbeitung dieses Kapitels sind Sie in der Lage, X Sportarten zu nennen, die neben der Stärkung der Muskulatur auch spannungsreduzierende Funktionen übernehmen können; X die Wirkung von isometrischen Übungen nachzuvollziehen; X die Progressive Muskelrelaxation als Mischform mit aktiven und passiven Komponenten umzusetzen; X Qi Gong und Tai Chi mit ihren entspannenden Bewegungsabläufen nachzuvollziehen; X Yoga mit Körperübungen (Asanas) und Atemübungen (Pranayama) zu überblicken; X die Bewegungsformen Pilates, Zilgrei und Feldenkrais mit ihren Besonderheiten für sich zu verinnerlichen und deren Methoden wiedergeben zu können. 2.1 Sport 2.1.1 Bewegung als Baustein für ein gesundes Leben Unsere moderne Lebensweise ist oftmals gekennzeichnet durch einen Mangel an körperlicher Aktivität. Viele Menschen haben heute sitzende Berufe, verbringen auch den Feierabend sitzend vor PC oder Fernseher und unsere Fußwege werden per Auto, Rolltreppe oder Fahrstuhl bewältigt. Sieht Ihr Tagesablauf auch so aus? Ein Mangel an Bewegung schädigt den Körper. Die Körpermuskulatur und auch die Darmmuskulatur werden nicht trainiert und sind dadurch schlaff und kraftlos. © 07/2015 28 Leseprobe Entspannungstraining (IST) 13 2. Aktive Entspannungsformen Vorteile von Bewegung sind dagegen u. a.: starke Muskulatur, Bänder und Sehnen – also weniger Beschwerden und Schmerzen; Schutz vor Osteoporose gut trainierte Atmung, Herz und Kreislauf – also bessere Sauerstoffversorgung, elastischere Gefäße, ökonomischeres Arbeiten des Systems angeregter Stoffwechsel – also bessere „Verbrennungsprozesse“ und besserer Abtransport von Stoffwechselendprodukten, Entlastung der Gewebe Ein Beispiel soll hier die Darmmuskulatur geben, die bei mangelnder Bewegung zu wenig gefordert wird und dabei ihre muskuläre Führung zunehmend verliert. Es kommt zu Verstopfung (Obstipation) und Druckgefühlen. Wer jedoch „verstopft“ ist, ist das nicht nur auf körperlicher Ebene. Wir fühlen uns plump, haben schlechte Laune und leiden an einer inneren „Vergiftung“. Stehen wir unter Stress und glauben wir, dass wir keine Zeit für Bewegung haben – vielleicht aufgrund von Termindruck, essen wir zwischendurch, nehmen uns keine Zeit z. B. morgens in Ruhe zur Toilette zu gehen, ignorieren wir den natürlichen Drang und schieben diese dringliche Angelegenheit immer wieder auf, trainieren den Darm auf „Verschieben“. Das Ergebnis ist eine unerwünschte Verstopfung. Durch Bewegungsübungen für den Bauch wird Druck auf den Bauchbereich ausgeübt, die Atmung wird vertieft und die inneren Organe werden durch das Zwerchfell massiert. Die Atmung aktiviert die Bauchmuskulatur und durch einen Wechsel von An- und Entspannung entkrampft sich der Darm, sodass er sich auch leichter von Blähungen befreien kann. Nehmen Sie sich also Zeit für Bewegung und gönnen Sie Ihrem Darm und Ihren Bauchmuskeln eine Übungseinheit: Übung 1: Legen Sie sich ausgestreckt auf den Rücken, heben Sie die Beine an und fahren Sie Fahrrad. Je kräftiger Sie strampeln, desto besser kommt Ihr Kreislauf in Schwung. Führen Sie die Übung drei Minuten durch. Ist das zu lange oder schaffen Sie es ohne Anstrengung? Hinweis Nehmen Sie sich nach jeder Übung etwas Zeit, um zu entspannen und nachzuspüren, wie sich Ihr Körper anfühlt. ! © 07/2015 29 Leseprobe Entspannungstraining (IST) 14 2. Aktive Entspannungsformen Übung 5: Setzen Sie sich wieder auf den Boden, strecken Sie die Beine aus und heben Sie sie wieder etwas vom Boden ab. Nun ziehen Sie die Beine an und strecken sie wieder, ohne den Boden zu berühren. Machen Sie nach fünfmal Anziehen und Strecken eine Pause und legen Sie die Beine ab. Entspannen Sie etwas. Und versuchen Sie noch zwei Sequenzen. Übung 6: Setzen Sie sich in die Hocke und bleiben Sie zwei oder drei Minuten so sitzen. Versuchen Sie dabei, Ihre Hacken soweit es Ihnen möglich ist auf den Boden zu bringen und das Gesäß soweit wie möglich in Richtung Boden. Versuchen Sie, sich zu entspannen. Hätten Sie‘s gewusst? Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass schon das Minimum von 20 Minuten Sport pro Woche positive Wirkungen auf Körper und Geist hat. Egal, ob Sie im Garten arbeiten, die Wohnung putzen oder sich im Sportverein bewegen. Allerdings stellte sich heraus, dass „reiner“ Sport effektiver ist als Arbeitsbewegungen. Bewegung senkt signifikant die Stressanfälligkeit, das Risiko für Angstgefühle und an Krebs, Demenz oder Depression zu erkranken. Treibt man mehr Sport, steigern sich die Effekte bis zu einer individuell unterschiedlichen Grenze, bei deren Überschreitung Sport zu einer Überanspruchung der Muskulatur und zu einer schädigenden Verschiebung der Work-Life-Balance führen kann. Denkanstoß Treiben Sie regelmäßig Sport? Wenn ja, prima! Wenn nein, dann entschließen Sie sich jetzt dazu, das zu ändern. Nehmen Sie das „Projekt Sport“ sehr ernst, jeden Arzttermin, jede Kur, jeden Urlaub würden Sie auch ernst nehmen. Setzen Sie sich eine „Deadline“, wann Sie mit einem sportlichen Training beginnen. Nehmen Sie eine Freundin oder einen Freund mit, das hilft. Machen Sie sich eine Notiz im Kalender, eine Weile nach eben diesem Termin, und überprüfen Sie, ob Sie tatsächlich angefangen haben, wie es Ihnen damit geht und ob noch etwas verändert werden sollte. © 07/2015 31 Leseprobe Entspannungstraining (IST) 15 Kapitel 3 3. Passive Entspannungsformen 3. Passive Entspannungsformen 3.1 Autogenes Training (AT) 3.1.1 Historische Entwicklung 3.1.2 Hauptprinzipien 3.1.3 Körperhaltung 3.1.4 Grundformen des Autogenen Trainings 3.1.5 Einsatz von eigenen Vorsatzformeln 3.1.6 Anwendungsfelder und Kontraindikationen 3.2 Fantasiereisen 3.2.1 Definition und Anwendung 3.2.2 Regeln für Fantasiereisen 3.2.3 Die drei Phasen der Fantasiereisen 3.2.4 Übungsbeispiel einer Fantasiereise 3.2.5 Entspannung mit Kindern 3.3 Biofeedbacktraining 3.3.1 Methode und historische Entwicklung 3.3.2 Feedbacksysteme 3.3.3 Anwendungsfelder und Kontraindikationen 3.4 Meditationen 3.4.1 Grundwissen über Meditation 3.4.2 Vipassana: Ein Beispiel für eine Achtsamkeitsmeditation © 07/2015 116 Leseprobe Entspannungstraining (IST) 16 3. Passive Entspannungsformen Lernorientierung Nach Bearbeitung dieses Kapitels sind Sie in der Lage, X das Autogene Training als typisch mentales Entspannungsverfahren anzuwenden mit der Option, über eigene Vorsatzformeln Ziele oder Verhaltensänderungen zu unterstützen; X Fantasiereisen mit ihren vielfältigen Einsatzmöglichkeiten anleiten zu können; X mit der Methode und den Einsatzmöglichkeiten des Biofeedbacktrainings umgehen zu können; X Meditationen in ihrer Vielfalt zu überblicken, die je nach Form auch mit Bewegung verknüpft sein können. 3.1 Autogenes Training (AT) 3.1.1 Historische Entwicklung Im europäischen Raum ist neben der Progressiven Muskelentspannung das Autogene Training (AT) das bekannteste Entspannungsverfahren. Seit Jahrzehnten findet es in Medizin, Psychotherapie, Prävention und Selbsthilfe ein breites Anwendungsfeld. Der Berliner Psychiater und Neurologe Johannes Heinrich SCHULTZ (1884–1970), selbst ein von Asthma geplagter Mensch, hat 1932 sein Standardwerk „Das Autogene Training“ veröffentlicht. Ausgangspunkt seiner Arbeit waren Empfindungen und Erfahrungen von Hypnosepatienten, die teilweise enthusiastisch von erlebter Ruhe und Entspannung, verbunden mit Wärme- und Schwereerlebnissen, berichteten. Nach wenigen Sitzungen waren die meisten Patienten in der Lage, sich eigenständig in einen hypnotischen Zustand zu versetzen, wenn sie die Anweisungen des Hypnotiseurs selbst wiederholten. Historische Entwicklung Im Selbstversuch und später mit Patienten erforschte J. H. SCHULTZ die Möglichkeiten dieser „Autohypnose“ systematisch und baute sie aus, indem er neben der Ruhetönung sowie den Wärme- und Schwereempfindungen weitere körperliche Vorgänge wie Herzschlag, Atmung, Sonnengeflecht (Oberbauch) und Stirnkühle einbezog. Auf diese körperlichen Bereiche konzentrierte J. H. SCHULTZ seine Standardformen und fasste sie zu seinem „Autogenen Training“ zusammen. In seiner heutigen Form ist das Autogene Training eine klinische Behandlungsform, eine therapiebegleitende und -unterstützende Form der Selbstkontrolle sowie insbesondere eine Methode zur Selbsthilfe in Prävention und Stressmanagement. © 07/2015 117 Leseprobe Entspannungstraining (IST) 17 3. Passive Entspannungsformen 3.1.2 Grundprinzip Hauptprinzipien Beim AT handelt es sich um eine konzentrative Methode, die Entspannung durch Autosuggestion herbeiführt. Entspannung entsteht durch die intensive Vorstellung von Ruhe – ähnlich wie etwa die intensive Vorstellung unserer Lieblingsspeise uns das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt (vgl. ADOLPHSEN 2014). Der Begriff „Training“ bringt zum Ausdruck, dass es sich um ein übendes Verfahren handelt, welches zwar von einem Fachmann vermittelt wird, aber nur dann zu den gewünschten positiven Effekten führt, wenn die Person diese Übungen über einen längeren Zeitraum regelmäßig selbst durchführt (vgl. VAITL/PETERMANN 2000, S. 207). Beim Autogenen Training erfolgt wie beim klassischen Konditionieren (vgl. FISCHER/WISWEDE 2009) die Kopplung von körperlichen Reaktionen an die entsprechenden signalgebenden Formeln, wodurch die erwünschte Reaktion immer schneller und zuverlässiger hervorgerufen werden kann. Das Phänomen der klassischen Konditionierung geht auf Iwan PAWLOW zurück. Wenn das Autogene Training in der Gruppe gelernt wird, kann man zudem von den Erfahrungen und Rückmeldungen des Kursleiters und anderer Kursteilnehmer profitieren. Passive Konzentration H.J. SCHULTZ erkannte schon früh, dass der Begriff des „Trainings“ jedoch auch die einer körperlichen Entspannung zuwiderlaufende Implikation enthält, der Übende müsse seine Aufmerksamkeit aktiv und zielgerichtet zu bestimmten Vorgängen hinwenden. Aus diesem Grunde betonte SCHULTZ die Notwendigkeit einer „passiven Konzentration“, d. h. eine gewissermaßen „schwebende“ Aufmerksamkeit, eine diffus-passive Wahrnehmung. Dieser Vorgang bzw. diese innere Haltung, die als notwendige Vorbedingung für die Effekte des Autogenen Trainings gilt, lässt sich wohl gut mit einem geflügelten Wort umschreiben: „Entspannung ist das, was übrig bleibt, wenn Du aufhörst, Spannung zu erzeugen.“ © 07/2015 118 Leseprobe Entspannungstraining (IST)