diplomarbeit_stefanhunziker Auswirkungen des Klimawandels auf die Gleichgewichts-Oberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung Stefan Hunziker Masterarbeit, 2010 Auswirkungen des Klimawandels auf die Gleichgewichts-Oberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung Masterarbeit ausgeführt an der Eawag, dem Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs Forschungsabteilung Oberflächengewässer Stefan Hunziker Lindenhofstrasse 40 8624 Grüt 044 932 26 12 [email protected] Betreuung durch Dr. Martin Schmid Eawag, Kastanienbaum Fakultätsvertretung durch Prof. Dr. Wilfried Häberli Geographisches Institut der Universität Zürich April 2010 Zusammenfassung Das heutige Klima unterliegt starken und rasch fortschreitenden Veränderungen. Diese Effekte sind mit grösster Wahrscheinlichkeit anthropogen verursacht. Seen reagieren sensitiv auf veränderte Klimaverhältnisse. Die primäre Reaktion ist die Erhöhung der Oberflächentemperatur. Dies hat Auswirkungen auf die physikalischen Verhältnisse im See wie auch auf die aquatischen Ökosysteme. Die Abschätzung zukünftiger Entwicklungen von Seen ist von grosser Bedeutung. Besonders bei Verwendung von Seewasser zur Trinkwasserversorgung ist die Wasserqualität von grösster Wichtigkeit. Durch langfristiges Wassermanagement und geeignete Massnahmen können die Folgen des Klimawandels abgedämpft werden. Primäres Ziel dieser Arbeit ist eine globale Übersicht der zu erwartenden Veränderungen der Oberflächentemperatur von Gleichgewichtstemperatur Seen zur im Hilfe Verlauf dieses genommen. Einer Jahrhunderts. Dafür Wasserfläche hat wurde die dann die Gleichgewichtstemperatur erreicht, wenn der Netto- Energiefluss durch die Wasser- LuftGrenzschicht null ist. Die effektive Oberflächentemperatur eines Sees entwickelt sich stets zur Gleichgewichtstemperatur hin. Über längere Zeitperioden kann die Oberflächentemperatur gut durch die Gleichgewichtstemperatur angenähert werden. Die Gleichgewichtstemperatur wird über eine Energiebilanzgleichung berechnet und ist abhängig von den fünf meteorologischen Faktoren Lufttemperatur, Dampfdruck, Windgeschwindigkeit, Bewölkung und solare Einstrahlung. Diese Klimadaten wurden von Simulationen sechs verschiedener Klimamodelle (Atmosphere-Ocean General Circulation Model, AOGCM) bezogen, welche im Rahmen des 4. Klimaberichtes von 2007 des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) berechnet wurden. Diese Klimadaten liegen in einer räumlichen Auflösung von 1.1°-4.0° Breite und 1.1°-5.0° Länge sowie einer zeitlichen Auflösung von Monaten vor. Die benötigten Daten wurden über die klimarelevanten Perioden von 30 Jahren für 1961-1990 und 2070-2099 gemittelt. Die Klimadaten für das zukünftige Klima beruhen auf dem Treibhausgas-Emissionsszenario SRES A1B. Die Daten für das Basisklima wurden anhand der beobachteten Konzentrationen von Treibhausgasen modelliert. Mit den Klimadaten wurde die Gleichgewichtstemperatur des zukünftigen wie auch des Basisklimas berechnet. Durch Subtraktion der beiden Gleichgewichtstemperaturen wurden die zu erwartenden Veränderungen der Gleichgewichtstemperatur ermittelt. Diese Gleichgewichtstemperatur-Anomalien wurden nicht für einen spezifischen See erstellt. Sie sollen stattdessen die Temperaturentwicklung aller potentiellen Seen aufzeigen. Seen können grundsätzlich überall dort auftreten, wo Landflächen sind. Die globale Gleichgewichtstemperatur-Anomalie über Landoberflächen beträgt gemittelt über alle Klimadatensätze der sechs verwendeten AOGCMs 2.39°C bei einer Spannbreite von 1.88-3.68°C. Die Unterschiede zwischen den Resultaten nehmen mit der Abnahme der untersuchten Skala stark zu. i Regionale Werte der Gleichgewichtstemperatur-Anomalie sind mit einer grösseren Unsicherheit verbunden als globale. Allerdings gibt es beträchtliche räumliche Unterschiede. Die Erhöhung der Gleichgewichtstemperatur in den Tropen erfolgt äusserst uniform. Auch die jahreszeitliche Entwicklung der Gleichgewichtstemperatur-Anomalie verläuft in tiefen Breiten konstant. Alle Klimamodelle liefern in den Tropen ähnliche Resultate. Die Resultate können als robust betrachtet werden. Mit steigender Breite hingegen nimmt die räumliche und zeitliche Variabilität stark zu und erreicht zwischen 45° und 75° Breite ihr Maximum. In dieser Region sind die Unsicherheiten sehr gross, die Verwendung von Klimadaten unterschiedlicher AOGCMs führt zu stark verschiedenen Resultaten. Allerdings gibt es auch in mittleren Breiten Gebiete, für welche einheitliche Entwicklungen der Gleichgewichtstemperatur berechnet werden. Insbesondere in Nord-Ost-Amerika wird eine ausserordentlich starke Erhöhung der Gleichgewichtstemperatur prognostiziert. In dieser Region wird eine starke Zunahme der Lufttemperatur wie auch des Dampfdrucks erwartet. Die Abhängigkeit der Gleichgewichtstemperatur von der Lufttemperatur nimmt mit steigender Breite zu. Generell scheint die Gleichgewichtstemperatur in hohen Breiten sensibler auf Klimatische Veränderungen zu reagieren als in tiefen Breiten. Es gibt verschieden Formeln, um die Wärmeflüsse durch die Wasser-Luft-Grenzschicht zu berechnen. Der Austausch einer einzelnen Wärmeformel verändert die Resultate nicht bedeutend. Der Einfluss der Klimadaten unterschiedlicher Klimamodelle ist von massiv grösserer Bedeutung. Aufgrund der starken Streuung der Resultate bei Verwendung von Klimadaten unterschiedlicher AOGCMs sind Untersuchungen anhand nur eines Klimamodelles wenig aussagekräftig. Es sollten möglichst viele Modelle berücksichtigt und die Resultate gemittelt werden. Die Resultate dieser Arbeit sind von der Güte der berücksichtigten Klimamodelle abhängig. Eine grosse Unsicherheit ist die künftige Entwicklung der Treibhausgasemissionen. Die Resultate dieser Arbeit sind nicht als Prognose zu verstehen. Stattdessen zeigen sich die wahrscheinlichen Folgen des Klimawandels auf die Oberflächentemperatur von Seen unter Annahme einer Entwicklung der Welt nach dem SRES A1B-Szenario. ii iii Inhalt 1 Einleitung ............................................................................................................................................. 1 1.1 Relevanz des Themas .................................................................................................................... 1 1.2 Ziele und Fragestellung ................................................................................................................. 2 1.3 Bisherige Arbeiten......................................................................................................................... 3 1.4 Auswirkungen eines veränderten Klimas auf Seen ....................................................................... 5 1.4.1 Temperatur und Stratifikation ................................................................................................ 5 1.4.2 Ökologie ................................................................................................................................. 6 1.4.3 Rückkoppelungen mit dem Klima.......................................................................................... 7 1.4.4 Räumliche Kohärenzen........................................................................................................... 7 1.4.5 Heutiger Stand und Massnahmen ........................................................................................... 7 2 Material und Methoden ........................................................................................................................ 9 2.1 Das Konzept der Gleichgewichtstemperatur ................................................................................. 9 2.1.1 Energieaustausch an der Wasser-Luft-Grenzschicht .............................................................. 9 2.1.2 Beziehung zwischen Wasser- und Gleichgewichtstemperatur ............................................. 10 2.2 Wärmeflüsse ................................................................................................................................ 13 2.2.1 Vertieftere Ausführungen zu einigen Wärmeflüssen ........................................................... 15 2.2.1.1 Solare Einstrahlung........................................................................................................ 15 2.2.1.2 Langwellige Einstrahlung.............................................................................................. 18 2.2.1.3 Latenter Wärmefluss...................................................................................................... 21 2.3 Klimafaktoren.............................................................................................................................. 23 2.3.1 Lufttemperatur...................................................................................................................... 23 2.3.2 Dampfdruck.......................................................................................................................... 23 2.3.3 Windgeschwindigkeit, Bewölkung und solare Einstrahlung................................................ 24 2.4 Statistik........................................................................................................................................ 25 2.5 Klimamodelle .............................................................................................................................. 27 2.5.1 Emissionsszenarien............................................................................................................... 27 2.5.2 Güte der Klimamodelle ........................................................................................................ 28 2.5.3 Verwendete Klimamodelle- und Faktoren............................................................................ 30 2.6 Arbeitsschritte.............................................................................................................................. 33 3 Resultate ............................................................................................................................................. 36 3.1 Globale Mittelwerte..................................................................................................................... 36 3.2 Räumliche Betrachtung ............................................................................................................... 38 3.3 Zeitliche Betrachtung .................................................................................................................. 43 3.4 Energieflüsse ............................................................................................................................... 46 iv 3.5 Einfluss einzelner Klimafaktoren................................................................................................ 49 3.5.1 Gleichgewichtstemperatur bei einem variablen Klimafaktor............................................... 49 3.5.2 Regressionen der Gleichgewichtstemperatur und der Klimafaktoren.................................. 52 3.6 Einfluss unterschiedlicher Wärmeflussformeln .......................................................................... 55 4 Diskussion .......................................................................................................................................... 58 4.1 Eignung des verwendeten Ansatzes ............................................................................................ 58 4.2 Einfluss der Grössenskalen ......................................................................................................... 58 4.3 Einfluss der Jahreszeit................................................................................................................. 59 4.4 Änderungen der Energieflüsse .................................................................................................... 60 4.5 Robustheit der Resultate.............................................................................................................. 61 4.6 Verhältnis Gleichgewichtstemperatur- Klimafaktor ................................................................... 62 5 Schlussfolgerungen und Ausblick...................................................................................................... 64 6 Quellen ............................................................................................................................................... 66 6.1 Literatur....................................................................................................................................... 66 6.2 Abbildungen................................................................................................................................ 70 Abbildungen Abb. 1. Energieflüsse durch die Wasser-Luft-Grenzschicht ................................................................... 9 Abb. 2. Darstellung der Beziehung zwischen Gleichgewichts- und Wassertemperatur ....................... 11 Abb. 3. Anteil diffuser Strahlung an gesamter solaren Einstrahlung.................................................... 16 Abb. 4. Albedo am Beispiel der CNRM-Basisklimatologie ................................................................. 18 Abb. 5. Vergleich verschiedener Formeln der atmosphärischen Emissivität........................................ 20 Abb. 6. Vergleich verschiedener Formeln der latenten Wärmeflüsse................................................... 22 Abb. 7. Schritte von der Treibhausgasemission bis zur Reaktion des Klimas ...................................... 29 Abb. 8. Höhenmodell der Klimamodelle INCM und MIROC ............................................................. 31 Abb. 9. Erwärmung unter verschiedenen Klimamodellen .................................................................... 32 Abb. 10. Flussdiagramm der wichtigsten Arbeitsschritte ..................................................................... 33 Abb. 11. Seeanteil der Klimamodell INMCM und MIROC ................................................................. 34 Abb. 12. Flächengewichtungsfaktor als Funktion der Breite................................................................ 35 Abb. 13. Boxplot der Gleichgewichtstemperatur-Anomalien aller Klimamodelle............................... 38 Abb. 14. Jährlich gemittelte Veränderung der Gleichgewichtstmperatur ............................................. 39 Abb. 15. Jährlich gemittelte Gleichgewichtstemperatur-Anomalie entlang der Breite ........................ 40 v Abb. 16. Boxplot der Gleichgewichtstemperatur-Anomalie innerhalb Breitengrad-Intervallen........... 42 Abb. 17. Anzahl Monate im Jahr mit Gleichgewichtstemperatur > °C................................................. 43 Abb. 18. Zeitliche Entwicklung der Gleichgewichtstemperatur-Anomalie ......................................... 45 Abb. 19. Absolute Energieflüsse in Breitengrad-Intervallen................................................................. 46 Abb. 20. Jährlich gemittelte Energieflussanomalien in Breitengrad-Intervallen................................... 48 Abb. 21. Gleichgewichtstemperatur-Anomalien unter dem Einfluss von nur einem Klimafaktor ....... 51 Abb. 22. Gleichgewichtstemperatur-Differen bei Verwendung von Standard- und Alternativformel.. 56 Abb. 23. Differenz der Gleichgewichtstemperatur-Anomalie bei Verwendung von Standard- und Alternativformen.................................................................................................................... 57 Abb. 24. Gleichgewichtstemperatur mit Standard- und Alternativformeln entlang der Breite ............. 57 Tabellen Tab. 1. Wichtigste Daten zu verwendeten Klimamodellen ................................................................... 30 Tab. 2. Jährlich gemittelte Gleichgewichtstemperatur-Anomalien über Land- und Seeflächen ........... 37 Tab. 3. Jährlich gemittelte Gleichgewichtstemperatur-Anomalien in Breitengrad-Intervallen............. 40 Tab. 4. Reaktion der Gleichgewichtstemperatur auf Veränderung von Klimafaktor ............................ 53 Tab. 5. Einfluss einzelner Klimafaktore auf Gleichgewichtstemperatur in Breitengrad-Intervallen .... 53 vi Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 1 Einleitung 1.1 Relevanz des Themas 1 Einleitung 1.1 Relevanz des Themas Das globale Klima unterliegt ausserordentlich starken und rasch fortschreitenden Veränderungen. Diese können gemessen und beobachtet werden. Die Ursachen dieses Klimawandels sind mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit anthropogen verursacht. Da sich das Klima in den kommenden Jahrzehnten weiter verändern wird, sind die dabei ablaufenden Prozesse sowie deren Auswirkungen Gegenstand diverser aktueller Forschungsfragen. Solche Arbeiten sind von grosser Wichtigkeit zur qualitativen wie auch quantitativen Abschätzung der Auswirkungen des Klimawandels. Sie dienen Politikern als Entscheidungsgrundlagen und erlauben die Ergreifung von Massnahmen, um den Folgen des Klimawandels entgegenzutreten. Eine solide Grundlage für weiterführende Untersuchungen der Auswirkungen des Klimawandels stellen die Berichte des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) dar. In diese Berichte fliessen die Arbeiten von Wissenschaftlern der unterschiedlichsten Fachgebiete und Länder mit ein. Der erste Bericht erschien 1990 und wurde seither rund alle 6 Jahre erneuert. Der aktuellste 4. Klimabericht wurde 2007 veröffentlicht, der nächste wird im Jahr 2014 erscheinen. Wie diverse andere Forschungsarbeiten stützt sich diese Masterarbeit auf Daten, welche im Rahmens des aktuellen Klimaberichtes des IPCC generiert wurden. Der Klimawandel hat vielschichtige Auswirkungen auf Seen. Gemäss MacKay et al. (2009) müssen für die Verlinkung von Klimaverhältnissen und aquatischen Ökosystemen die Auswirkungen des Klimawandels auf die physikalischen Verhältnisse verstanden werden. Als die direkteste Reaktion auf den Klimawandel werden Temperaturanpassungen in Flüssen und Seen erwartet (Whitehead et al., 2009). Diese primäre Reaktion wird in dieser Masterarbeit untersucht. Die meisten physikalischen Eigenschaften von Wasser wie auch die meisten biologischen Prozesse sind Funktionen der Temperatur (Bogan et al., 2003). Deshalb ist die Wassertemperatur einer der Hauptfaktoren in Studien zu Auswirkungen des globalen Klimawandels auf Süsswasser-Ökosysteme (Mohseni and Stefan). Die Wassertemperatur an der Seeoberfläche ist des Weiteren ein wichtiger Parameter für Mischungsprozesse, die Menge des gelösten Sauerstoffes (Goosef et al., 2005), chemische Prozesse (Vassilis and Gianniou, 2002; Goosef et al., 2005), die Fischpopulation (Whitehead et al., 2009), die Wachstumsrate und Mortalität aquatischer Flora und Fauna (Goosef et al., 2005) sowie die Toxizität von Schadstoffen (Fang und Stefan, 1999). Die Prognostizierung der Auswirkungen des Klimawandels auf Systeme der Natur ist von zentraler Bedeutung, damit nachhaltige Managementmethoden eingeführt werden können (Arnott et al., 2003). Die grösste Wichtigkeit kommt der Wassertemperatur und deren Einfluss auf die Wasserqualität aber dort zu, wo Seewasser zur 1 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 1 Einleitung 1.2 Ziele und Fragestellung Trinkwasserversorgung genutzt wird. Gemäss Whitehead et al. (2009) ist es an der Zeit, bei der Planung neuer Wasserversorgungs-, urbaner Drainage- und Aufbereitungssysteme den Klimawandel zu berücksichtigen und neue operative Abläufe zu prüfen. Der Klimawandel ist ein globales Phänomen und betrifft somit alle Seen weltweit. In dieser Arbeit werden meist alle Gebiete untersucht, in welchen potentiell ein See liegen könnte. Dies ist über den Landmassen der Fall. Die Arbeit untersucht demnach keine spezifischen Seen, sondern soll einer Abschätzung der globalen und grossregionalen Temperaturentwicklung von Seeoberflächen dienen und die Identifikation von besonders respektive weniger stark betroffenen Gebieten erlauben. Seen reagieren individuell auf klimatische Veränderungen (z.B. Bleckner, 2005). Dennoch ist bei direkt vom Klima abhängigen Faktoren eine relativ uniforme räumliche Entwicklung in Seen zu erwarten. Gemäss Arnott et al. (2003) werden Seen in einer Region ähnlichen Klimafluktuationen ausgesetzt, weshalb sich stark vom Klima abhängige limnologische Parameter über die Zeit ähnlich entwickeln. Arnott et al. (2003) erwähnen speziell die Oberflächenwassertemperatur, welche zur Synchronität über grosse Regionen neige. Auch Leavitt et al. (2009) erwähnen verschiedene Arbeiten, welche den Energietransfer über ausgedehnte geographische Flächen als relativ uniform beschreiben. Deshalb sei die saisonale und annuelle Variabilität in physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften von Seen synchron (besonders bei ähnlicher Morphometrie und Wärmekapazität). Bei den modellierten Gewässern in dieser Masterarbeit handelt es sich um potentielle und idealisierte Seen. Es werden keine spezifischen und lokalen Faktoren wie Zu- und Abflüsse, Mischungsprozesse, Abschattungseffekte usw. sowie nur eine stark vereinfachte Topographie verwendet. Es können demnach nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die Änderung der Oberflächentemperatur spezifischer Sees gezogen werden. Die Arbeit zeigt in erster Linie die vom Hintergrundklima abhängige Tendenz der Temperaturentwicklungen auf. 1.2 Ziele und Fragestellung Die Arbeit soll eine globale Abschätzung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Oberflächentemperaturen von Seen ermöglichen, die Anwendbarkeit des Ansatzes erläutern und die Resultate nach ihrer Robustheit beurteilen. Regionen und jahreszeitliche Perioden sollen ermittelt werden, in welchen die Oberflächentemperaturen besonders stark vom Klimawandel betroffen sind. Der Einfluss der Klimafaktoren auf die Wassertemperatur soll abgeschätzt und die dahinter stehenden Prozesse und Energieflüsse besprochen werden. Die Arbeit fokussiert sich auf die Untersuchung der Entwicklung der Oberflächentemperatur. Diese zieht ihrerseits eine grosse Menge an Folgereaktionen nach sich. Diese Folgereaktionen eines Gewässers auf Änderungen der Oberflächentemperatur werden in Kapitel 1.4 besprochen, danach aber 2 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 1 Einleitung 1.3 Bisherige Arbeiten nicht weiter behandelt. Die Arbeit beschränkt sich auf grossskalige Untersuchungen. Kleinskalige Gegebenheiten oder Klimabestandteile können dabei nicht berücksichtigt werden, auch wenn diese lokal von grosser Bedeutung sind. In dieser Arbeit wurde eine grosse Menge an Daten generiert. Diese erlauben vielseitige Analysen der veränderten Oberflächentemperaturen von Seen und des sich wandelnden Klimas. Es hätten also noch diverse weitere Aspekte untersucht werden können. Die wichtigsten Forschungsfragen wurden wie folgt formuliert: • Wie verändern sich die globalen Mittelwerte der Gleichgewichts-Oberflächentemperaturen von Seen zwischen den Zeitperioden 1961-1990 und 2070-2099? • Wie unterscheiden sich die Temperaturanomalien in räumlicher und zeitlicher Betrachtung? • Auf welche sich verändernden Klimafaktoren reagiert die Oberflächen-Gleichgewichtstemperatur besonders sensitiv? • Wie unterscheidet sich der Einfluss der Klimafaktoren räumlich? • Wie unterscheiden sich die Resultate bei Verwendung von Klimadaten unterschiedlicher Klimamodelle? • Wie unterscheiden sich die Resultate, wenn partiell unterschiedliche Formeln der Wärmeflüsse zur Berechnung der Gleichgewichtstemperatur angewandt werden? 1.3 Bisherige Arbeiten Die Masterarbeit orientiert sich an dem noch unvollständigen und unpublizierten Paper „Effect of a changing climate on the lake surface temperature: a global perspective and effects on a sensitive lake“ von Schmid et al. (2009). Darin werden globale Reaktionen von Seen auf ein verändertes Klima besprochen und mit Hilfe einer Energiebilanzgleichung Veränderungen der Energieflüsse und der Wassertemperatur untersucht. Es wird dabei von einem Gleichgewichtszustand der Energieflüsse ausgegangen, welcher sich bei einer bestimmten Oberflächentemperatur des Wasserkörpers (Gleichgewichtstemperatur) einstellt. Dieser Ansatz wird auch in dieser Masterarbeit angewendet. Im Vergleich zur Arbeit von Schmid et al. (2009) werden Klimadatensätze mehrerer Klimamodelle sowie unterschiedliche Formeln der Wärmeflüsse verwendet. Zudem werden diverse zusätzliche Aspekte untersucht. Die Abhängigkeit der Seewassertemperatur von Klimafaktoren und Klimawandel wurde in verschiedenen bisherigen Arbeiten untersucht. Dabei wurde mit unterschiedlichen Ansätzen gearbeitet. Einige Autoren verwendeten den in dieser Masterarbeit benutzten Ansatz und berechneten die allein von meteorologischen Parametern abhängige Gleichgewichtstemperatur (z.B. Livingstone 3 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 1 Einleitung 1.3 Bisherige Arbeiten and Imboden, 1989; Keijman, 1974). Fang and Stefan (1999) koppelten die Gleichgewichtstemperatur zusätzlich an ein See-Modell (MINLAKE96). Verschiedene Arbeiten untersuchen das Verhältnis zwischen Gleichgewichts- und Flusstemperatur und einige modellierten damit die Auswirkungen des Klimawandels (Mohseni and Stefan, 1999; Krajewsi et al., 1982; Goosef et al., 2005; Bogan et al., 2003). In einigen Studien werden in regionale Seen-Modelle nur wenige lokal relevante Klimafaktoren integriert (Croley II, 1990; Bleckner et al., 2002; Mortsch and Quinn, 1996; Fang and Stefan, 2009; Stefan et al., 1998). Verschiedentlich wurde die Oberflächentemperatur von Seen anhand empirischer Zusammenhänge zwischen Wasser- und Lufttemperatur ermittelt und unter Einbezug des erwarteten Lufttemperatur-Anstieges die zukünftige Entwicklung der Wassertemperatur berechnet (z.B. Trumpickas et al., 2009). Bei einigen Arbeiten wurden historische Reaktionen von Seen auf Lufttemperaturschwankungen benützt, um damit die Reaktion des Sees auf die zukünftigen Klimaschwankungen zu prognostizieren (Arnott et al., 2003; Verburga and Hecky, 2009). Der letztgenannte Ansatz, die Oberflächenwassertemperatur nur anhand des Klimaparameters Lufttemperatur zu bestimmen, wurde verschiedentlich als ungenügend kritisiert (Livingstone and Imboden, 1989; Edinger et al., 1968; Bogan et al., 2003; Goosef et al., 2005). Gemäss Livingstone und Imboden (1989) spielt die Lufttemperatur auf die Wassertemperatur des Aegerisees in der Schweiz eine untergeordnete Rolle. Eine reine Erhöhung der Lufttemperatur bewirkt einerseits durch konvektiven Wärmefluss eine Erhöhung der Gleichgewichtstemperatur, anderseits wird (unter Annahme konstanter Luftfeuchtigkeit) der Dampfdruck erniedrigt und somit der evaporative Wärmefluss vom Wasser in die Luft erhöht (Livingstone and Imboden, 1989). Diese beiden Prozesse gleichen sich grösstenteils gegenseitig aus (z.B. Edinger et al., 1968). Dem ist anzuführen, dass sich auch bei konstant bleibender Lufttemperatur andere für die Wassertemperatur relevante Klimafaktoren verändern können. Selbst wenn bei historischen Klimaschwankungen gute Korrelationen zwischen Wasser- und Lufttemperatur festgestellt wurden, kann nicht vorausgesetzt werden, dass die zukünftigen Veränderungen des Klimas dieselben Ausprägungen aufweisen. Die Resultate der vorhergehend erwähnten Arbeiten sind kaum mit den Resultaten dieser Masterarbeit vergleichbar. Die Studien, welche die zukünftigen Oberflächentemperaturen von Seen modellieren, haben meist einen starken lokalen Bezug. Für aquatische Seen-Modelle werden weitere Parameter wie Ein- und Ausfluss, Grösse und Tiefe des Sees, Trophiegrad usw. benötigt. Dies allerdings verunmöglicht eine grossskalige Betrachtung und den Vergleich von Grossregionen. Zudem unterscheiden sich die betrachteten Zeitperioden wie auch die verwendeten TreibhausgasEmissionsszenarien von jenen dieser Masterarbeit. Untersuchungen der zukünftigen Änderungen der Oberflächentemperatur von Seen in einer globalen Betrachtung wurden bis auf die Arbeit von Schmid et al. (2009) bisher nicht durchgeführt. 4 Auswirkungen des Klimawandels auf die Gleichgewichts1 Einleitung Oberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 1.4 Auswirkungen eines veränderten Klimas auf Seen 1.4 Auswirkungen eines veränderten Klimas auf Seen Das Klima hat einen umfassenden Einfluss auf Seen. Verschiedene Forschungsarbeiten zeigen, dass physikalische, chemische und biologische Eigenschaften von Seen rasch auf Veränderungen des Klimas reagieren (Adrian et al., 2009). Aufgrund dieser Klima-Sensitivität bilden Seen und einzelne See-Parameter gemäss verschiedenen Forschern geeignete Indikatoren des Klimawandels. Dazu trägt auch der Umstand bei, dass Seen ein geographisch verteiltes Netzwerk der tiefsten Punkte in der Landschaft bilden (Williamson et al., 2009). Messbare Reaktionsvariablen sind nach Adrian et al. (2009) z.B. die epilimnische Wassertemperatur, der Gehalt an gelöstem organischen Kohlenstoff oder die Planktonzusammensetzung, wobei besonders die Wassertemperatur schnell und direkt auf ein verändertes Klima reagiert. Klimavariabilität beeinflusst Seen sowohl durch Änderung der Energiewie auch der Massenzufuhr (Niederschlag, suspendierte Partikel, gelöste Substanzen) (Pham et al., 2008). Die individuellen Reaktionen eines Sees sind abhängig von dessen Höhenlage und Morphometrie, dem generellen Klima sowie der Vegetation und Landnutzung (Adrian et al., 2009). 1.4.1 Temperatur und Stratifikation Die Charakteristik der Wassertemperaturen in einem See ist eine Funktion der See-Geometrie, des trophischen Zustandes und der Klimaverhältnisse (Fang und Stefan, 1999). Da Wasser bei 4°C die maximale Dichte erreicht, führt bei Temperaturen von über 4°C ein positiver Wärmefluss an der Wasseroberfläche zu einer Erhöhung der Stabilität, bei Temperaturen unter 4°C hingegen zu einer Destabilisierung und zu Konvektion (Schmid et al., 2009). Dies zeigt, dass sich der überwiegend positive Wärmefluss in Folge des Klimawandels je nach Temperaturregime im See stabilisierend oder destabilisierend auswirken kann. In tiefen tropischen Seen führt die Erwärmung der Wasseroberfläche zu einer stärkeren Differenz der Wasserdichte und vermindert damit die vertikale Zirkulation in diesen bereits meromiktischen (keine vollständige Durchmischung) Seen (Verburga and Hecky, 2009). Die Rate der Nährstofferneuerung nimmt ab und Sauerstoff dringt weniger in tiefe Schichten ein (Verburga and Hecky, 2009). Besonders in hohen und mittleren Breiten kann der Klimawandel zu Änderungen des Mischungsregimes von Seen führen. Gemäss Mortsch und Quinn (1996) könnten viele dimiktische (zwei vollständige Durchmischungen jährlich) Seen im Gebiet der Great Lakes monomiktisch (eine vollständige Durchmischung jährlich) werden (Mortsch and Quinn, 1996). Dies würde die Wahrscheinlichkeit von Sauerstoffmangel in verschiedenen Becken erhöhen und dadurch zu Veränderungen der Chemie und Biota führen (Mortsch and Quinn, 1996). In der oberflächlichen epilimnischen Schicht hängt die Mischungsdynamik von Seen währen der geschichteten Periode neben Erwärmungen und Abkühlungen des Wassers auch stark vom Wind ab (MacIntyre et al., 2009). 5 Auswirkungen des Klimawandels auf die Gleichgewichts1 Einleitung Oberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 1.4 Auswirkungen eines veränderten Klimas auf Seen 1.4.2 Ökologie Der Klimawandel beeinflusst aquatische Ökosysteme hauptsächlich indirekt über Veränderungen der physikalischen Verhältnisse im See (MacKay et al., 2009). Die Wassertemperatur resp. die Temperaturstratifikation ist für aquatische Ökosysteme von zentraler Bedeutung. Sie kontrolliert unter anderem den gelösten Sauerstoff (Stefan et al., 1998; Vassilis and Gianniou, 2002), den Lebenszyklus aquatischer Organismen (Whitehead et al., 2009), die Toxizität von Schadstoffen (Stefan et al., 1998) wie auch die Fischerei (Vassilis and Gianniou, 2002). Die meisten chemischen Reaktionen und bakteriellen Prozesse laufen bei höheren Temperaturen schneller ab (Whitehead et al., 2009). Demnach ist die biologische Produktivität von der Wassertemperatur abhängig (Vassilis and Gianniou, 2002). Gemäss Bleckner et al. (2002), welche Untersuchungen an einem See in Schweden durchführten, ist in einem wärmeren Klima eine Erhöhung des Nährstoff-Kreislaufes und der SeeProduktivität zu erwarten. Ein Anstieg der Wassertemperatur muss aber nicht immer zu einer gesteigerten biologischen Produktivität führen. In tropischen afrikanischen Seen z.B. führte der Klimawandel zu einer Zunahmen in der Wassertransparenz, was auf eine Reduktion der Produktivität aufgrund verminderter vertikaler Durchmischung hinweist (Verburga and Hecky, 2009). Gemäss Whitehead et al. (2009) sind viele Süsswasserspezies kaltblütig, weshalb sie sehr sensitiv auf Veränderungen der Wassertemperatur reagieren und nur über eine geringe thermische Toleranz verfügen. So behindern hohe Wassertemperaturen das Wachstum von Kaltwasserfisch-Spezies oder gefährden gar deren Überleben (Stefan et al., 1998). Ein wärmeres Klima kann auch zur Invasion ortsfremder Spezies führen (Bleckner et al., 2002). Cyanobakterien (Blaualgen) sind in vielen Gewässern ein grosses Problem. Nach verschiedenen Studien ist der Erfolg von Cyanobakterien eher das Resultat komplexer und synergetischer Umweltfaktoren als von einer einzelnen dominierenden Variablen (Wagner and Adrian, 2009). Jedoch sind viele dieser Umweltfaktoren durch die Temperatur direkt oder indirekt beeinflusst, was zu einem positiven Selektionsdruck für Cyanobakterien führt, da diese ihr optimales Wachstum bei höheren Temperaturen haben als andere Algengruppen (Wagner and Adrian, 2009). Deshalb ist aufgrund der globalen Erwärmung mit einem Anstieg an Cyanobakterienblüten in Seen zu rechnen (Wagner and Adrian, 2009). Da Veränderungen in Ökosystemen oft nicht linear, sondern abrupt und diskontinuierlich erfolgen, können bereits geringe Anomalien der Wassertemperatur signifikante Folgen auf die Ökosysteme in Seen haben (Mueller et al., 2009). 6 Auswirkungen des Klimawandels auf die Gleichgewichts1 Einleitung Oberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 1.4 Auswirkungen eines veränderten Klimas auf Seen 1.4.3 Rückkoppelungen mit dem Klima Seen werden nicht nur vom Klimawandel beeinflusst, sie nehmen über Rückkoppelungseffekte auch Einfluss auf die Klimaentwicklung. Obwohl Seen nur rund 3% der globalen Landoberfläche bedecken (Downing et al., 2006), sind sie wahre Hotspots als Karbon-Speicher wie auch als Treibhausgasproduzenten (Williamson et al., 2009). Seen können Orte intensiver Mineralisation organischen Kohlenstoffes sein (Tranvik et al., 2009). Neuere Studien zeigen, dass in Seesedimenten jährlich mehr organischer Kohlenstoff abgelagert wird als in Meeressedimenten (Williamson et al., 2009). Diese Kohlenstoff-Aufnahme wie auch die Produktion von CO2, Methan und Lachgas durch Mikroorganismen beeinflussen die Konzentration der atmosphärischen Treibhausgase und somit das atmosphärische Wärmebudget (Tranvik et al., 2009). Die Prognostizierung der zukünftigen Entwicklung von Seen als Kohlenstoff-Absorber und Treibhausgas-Produzenten ist demnach für den weiteren Verlauf des Klimawandels nicht unbedeutend. Gemäss Tranvik et al. (2009) führen insbesondere in tropischen Seen höhere Temperaturen zu verstärktem bakteriellen Stoffwechsel, was zur Folge hat, dass ein grösserer Teil des organischen Kohlenstoffes als CO2 respiriert wird. Zudem können die steigenden Temperaturen den Sauerstoffmangel verstärken und dadurch zu einer höheren Methanproduktion führen (Tranvik et al., 2009). Deshalb haben Seen gemäss Tranvik et al. (2009) einen flächenmässig überproportionalen Effekt auf den Klimawandel. 1.4.4 Räumliche Kohärenzen Gemäss Bleckner et. al. (2007) führen grossskalige Kohärenzen von Klimafaktoren (insbesondere der Lufttemperatur) zu ähnlichen Kohärenzen in vielen See-internen Variablen. Für die Kohärenz der Klimafaktoren sind unter anderem grossskalige Klimaphänomene wie die Nordatlantische Oszillation verantwortlich (Bleckner et. al., 2007). Einzelne Parameter im See wie der PH-Wert variieren generell kleinräumig (Arnott et al., 2003). Je direkter ein Parameter auf Klimaeinflüsse reagiert, desto stärker ist die räumliche Uniformität zu erwarten. Eine sehr direkte Reaktion ist bei der Oberflächentemperatur zu erwarten, während bei Ökosystem-Parametern die individuellen SeeCharakteristiken von grösserer Bedeutung sind. 1.4.5 Heutiger Stand und Massnahmen Der Folgen des aktuellen Klimawandels zeigen sich bereits heute in Seen. Gemäss Williamson et al. (2009) weisen auch tropische Seen Erwärmungstrends auf, obwohl besonders polare und alpine 7 Auswirkungen des Klimawandels auf die Gleichgewichts1 Einleitung Oberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 1.4 Auswirkungen eines veränderten Klimas auf Seen Regionen von dem sich wandelnden Klima betroffen sind. So hat der Klimawandel im 20. Jahrhundert beispielsweise im tropischen, tiefen Tanganyika-See (Afrika) zu einer Zunahme der DichteStratifikation und Schichtungsstabilität geführt (Verburga and Hecky, 2009). Dieser See weist seit 1913 eine jährliche netto Wärmeabsorption von 0.4 Wm-2 auf (Verburga and Hecky, 2009). Die Auswirkungen der erwarteten Klimaänderungen auf spezifische Seen werden von verschiedenen Autoren als schwerwiegend beschrieben. So erwarten Mooij et al. (2005) bei holländischen Seen eine stärkere Eutrophierung, eine Verringerung verschiedener Vogel-Spezies und eine vermehrte Ausbreitung von Krankheiten, welche von Stechmücken übertragen werden. Beim schwedischen Erken-See wird erwartet, dass sich die nährstofflimitierte Phytoplankton-Population zu einer lichtlimitierten wandelt (Bleckner et al., 2002; MacKay et al., 2009). Aufgrund solcher Resultate können wasserwirtschaftliche Massnahmen ergriffen werden, um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken. Mooij et al. (2005) erwähnen als solche Massnahmen die Reduktion des Nährstoffeintrages in die Seen, die Entwicklung der Uferzone und der Koordination von Wasserwirtschaft und Fischerei. 8 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.1 Das Konzept der Gleichgewichtstemperatur 2 Material und Methoden 2.1 Das Konzept der Gleichgewichtstemperatur 2.1.1 Energieaustausch an der Wasser-Luft-Grenzschicht Die gespeicherte Energie in Seen wird durch Energieaustausch an der Wasseroberfläche und zu einem viel geringeren Ausmass durch Wärmeflüsse an der Wasser-Sediment-Grenzschicht sowie Energietransfers durch Ein- und Ausfluss gesteuert (Henderson-Sellers, 1986). Da der Energieaustausch hauptsächlich über die Wasser-Luft-Grenzschicht erfolgt (Henderson-Sellers, 1986; Edinger et al., 1968), ist das Klima einer der wichtigsten Faktoren für die Temperatur eines Wasserkörpers (Edinger et al., 1968). Der Wärmeaustausch erfolgt durch kurz- und langwellige Strahlung, latenten und konvektiven Wärmefluss (Schmid et al., 2009; Edinger et al., 1968; Henderson-Sellers, 1986). Diese Wärmeflüsse werden in Abb. 1. dargestellt. Auch Niederschlag führt zu einem Energietransfer an der Wasseroberfläche. Dieser Wärmefluss ist über längere Zeitperioden (Wochen) verglichen mit den anderen Wärmeflüssen an der Wasser-Luft-Grenzschicht klein (Mohseni and Stefan, 1999) und kann vernachlässigt werden (Henderson-Sellers, 1986). Wärmeflüsse zwischen Wasser und Sediment werden bei längeren Zeitperioden (mehr als ein Tag) insignifikant und können vernachlässigt werden (Bogan et al., 2003; Mohseni and Stefan, 1999). HS HA HW HV HC Abb. 1. Energieflüsse durch die Wasser-Luft-Grenzschicht. Dabei ist HS die in den Wasserkörper eindringende solare Einstrahlung, HA die langwellige Einstrahlung, HW die langwellige Ausstrahlung, HV der latente Wärmefluss (Evaporation und Kondensation) und HC der konvektive Wärmefluss. Man beachte, dass der Energietransport bei den radiativen Wärmeflüssen in eine Richtung, bei den turbulenten Wärmeflüssen hingegen in beide Richtungen möglich ist. 9 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.1 Das Konzept der Gleichgewichtstemperatur Der Netto-Wärmefluss (Hnet) wird mit einer Energiebilanzgleichung beschrieben und ist gegeben durch die Summe der einzelnen Energieflüsse Hnet = HS + HA + HW + HV + HC (1) wobei HS die ins Wasser eindringende solare Einstrahlung ist, HA und HW sind die langwellige Einresp. Ausstrahlung, HV ist der latente Wärmefluss (Evaporation und Kondensation) und HC der konvektive Wärmefluss. Ein positiver Netto-Wärmefluss bedeutet eine Energieaufnahme des Sees, ein negativer Netto-Wärmefluss einen Energieverlust des Sees an die Atmosphäre. Die Wärmeflüsse haben die Einheit Wm-2. Die Gleichgewichtstemperatur wird nun definiert als die Oberflächentemperatur des Wassers, bei welcher der Netto-Wärmefluss 0 entspricht (Edinger et al., 1968) und somit die gespeicherte Energie im Wasserkörper konstant bleibt. Es wird gleich viel Energie aufgenommen und abgegeben, das System befindet sich in einem Gleichgewicht. Der Energieaustausch durch die Wasser-Luft Grenzschicht und somit die Gleichgewichtstemperatur ist von folgenden fünf meteorologischen Parametern abhängig: Bewölkung, Windgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, Lufttemperatur und Globalstrahlung (Edinger et al., 1968; Livingstone and Imboden, 1989). Gemäss Livingstone und Imboden (1989) sind Veränderungen der Gleichgewichtstemperatur nur von den Klimafaktoren Bewölkung, Windgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur abhängig, da die Solarstrahlung als konstant und als Funktion der Bewölkung betrachtet werden kann. In dieser Arbeit wird die solare Einstrahlung allerdings als Klimaparameter behandelt, da diese neben der Bewölkung von weiteren Faktoren wie der Aerosolkonzentration beeinflusst wird. Sofern also die Daten der benötigten meteorologischen Parameter bekannt sind, kann die GleichgewichtsOberflächentemperatur eines potentiellen Sees an jedem beliebigen Ort der Welt berechnet werden. Die Gleichgewichtstemperatur erlaubt somit eine nicht lokal oder regional gebundene Abschätzung der zukünftigen Entwicklung der Seewassertemperaturen. 2.1.2 Beziehung zwischen Wasser- und Gleichgewichtstemperatur Die Differenz zwischen der Gleichgewichtstemperatur eines Wasserkörpers und der effektiven Wassertemperatur an der Oberfläche ist normalerweise relativ gering für Mittelungen über längere Zeitperioden (Tage, Wochen oder Monate) (Edinger et al., 1968). Für sehr kurze Zeitperioden ist dies nicht der Fall. Während eines Tages beispielsweise zeigt die Gleichgewichtstemperatur eine viel grössere Amplitude auf als die Oberflächentemperatur des Wassers (Edinger et al., 1968). Die Wassertemperatur entwickelt sich stets zur Gleichgewichtstemperatur hin (Edinger et al., 1968). 10 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.1 Das Konzept der Gleichgewichtstemperatur Dabei ist die Rate des Wärmeaustausches S gegeben durch S = K (Teq - Tsurf) (2) wobei K der thermische Austauschkoeffizient, Teq die Gleichgewichtstemperatur und Tsurf die Oberflächenwassertemperatur ist (Edinger et al., 1968; Mohseni and Stefan, 1999). K ist eine Funktion von Lufttemperatur, Taupunkttemperatur und Windgeschwindigkeit (Mohseni and Stefan, 1999). Wird K als konstant angenommen, nähert sich die Wassertemperatur der Gleichgewichtstemperatur exponentiell an (Edinger et al., 1968). Bei einem periodischen Temperaturverlauf (z.B. Tag, Jahr) wird die maximale Wassertemperatur im Vergleich zur maximalen Gleichgewichtstemperatur verzögert erreicht (Edinger et al., 1968). Unter normalen Bedingungen kreuzen stündlich gemittelte Wassertemperaturen die Gleichgewichtstemperatur zweimal täglich und bei monatlicher Mittelung zweimal jährlich, da Aufwärmung und Abkühlung abhängig von den täglichen resp. jährlichen Zyklen alternieren (Edinger et al., 1968). Nimmt man den einfachen Fall einer komplett durchmischten Wassersäule, welche nur auf Wärmeflüsse an der Oberfläche reagiert, entspricht der Wärmefluss durch die Wasseroberfläche der zeitlichen Änderung der gespeicherten Energie in der Wassersäule (Edinger et al., 1968). Dieser idealisierte Fall wird in Abb. 2. dargestellt. Gleichgewichtstemperatur W assertemperatur Temperatur (°C) dT 0 dt Monate 12 Abb. 2. Beziehung zwischen Gleichgewichtstemperatur und der Temperatur einer vollständig durchmischten Wassersäule während eines Jahreszyklus. Gleichgewichts- und Wassertemperatur kreuzen sich zweimal jährlich. Die Amplitude der Wassertemperatur ist kleiner (dT) und erreicht ihr Maximum und Minimum mit einer zeitlichen Verschiebung zur Gleichgewichtstemperatur (dt) (nach Edinger et al., 1968). Bei geringer Tiefe der vollständig durchmischten Wassersäule kommen die Kurven der Gleichgewichts- und Wassertemperatur bei monatlicher Mittelung praktisch aufeinander zu liegen. Wird die Wassertiefe erhöht, steigt die Wärmespeicherkapazität der Wassersäule. Die zeitliche 11 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.1 Das Konzept der Gleichgewichtstemperatur Verschiebung (dt) nimmt zu, wie auch die Differenzen der beiden Maximal- (dT) resp. Minimaltemperaturen. Die Kurve der Wassertemperatur flacht ab. Derartige Effekte sind insbesondere bei Seen mit grosser thermischer Speicherkapazität zu erwarten. Dies ist der Fall bei gut durchmischten, tiefen Seen sowie während der periodischen totalen Durchmischung (plötzlicher Einbezug viel grösserer Wassermassen). Das Verhältnis zwischen Wasser- und Gleichgewichtstemperatur kann also über die Zeit starken Variationen unterliegen. Das Wasser in Flüssen kann gut als Ansammlung völlig durchmischter Wassersäulen beschrieben werden. Deshalb eignet sich die Gleichgewichtstemperatur zur Annäherung der Wassertemperatur von Flüssen (Mohseni and Stefan, 1999; Krajewski et al., 1982). Bogan et al. (2003) stellten bei Untersuchungen an Flüssen in den westlichen und zentralen USA einen linearen Zusammenhang zwischen Gleichgewichts- und Flusstemperatur fest, welcher bei jährlichen gemittelten Werten und Verwendung kalibrierter Daten der Gleichgewichtstemperatur (Abschattung, Windschatten usw.) eine Steigung von 1 aufweist. Flüsse sind aufgrund ihrer flächenmässig sehr geringen Ausdehnung viel stärker von lokalen Faktoren wie der Abschattung von Sonne und Wind durch Vegetation und Topographie beeinflusst als Seen. Eine Kalibrierung der Gleichgewichtstemperatur für spezifische Flüsse drängt sich deshalb auf. Die Resultate dieser Arbeit sind demnach nur für Fliessgewässer relevant, welche über grosse Distanzen kaum von lokalen Faktoren beeinflusst werden. Im Gegensatz zu Flüssen weisen Seen oft eine thermale Stratifikation auf. In solchen Seen ist die in dieser Arbeit berechnete Gleichgewichtstemperatur nicht für die gesamte Tiefe sondern nur für die oberste, gut durchmischte Wasserschicht relevant. Die Gleichgewichtstemperatur ist für die folgenden Schichten verschiedener Seetypen bestimmend: • Polymiktische Seen (meist seicht und regelmässig völlig durchmischt): gesamte Wassersäule • Dimiktische Seen (zwei Perioden stabiler Schichtung im Sommer und Winter, dazwischen komplette Durchmischung): Epilimnion • Monomiktische Seen (Durchmischung einmal jährlich): Epilimnion • Seen ohne vollständige Durchmischung: Epilimnion Von diesen Seetypen lassen sich die polymiktischen Seen am besten mit der Gleichgewichtstemperatur beschreiben. Hauptsächlich der Wind sorgt für eine regelmässige Durchmischung. Die meisten Seen der Welt sind klein und seicht (Downing et al., 2006) und entsprechen damit diesem Seetyp. Beispielsweise sind die Süsswasserseen in Holland überwiegend seicht mit Tiefen von 1 bis 5 Metern (Mooij et al., 2005). Keijman (1974) konnte bei einer Untersuchung an einem solchen See in Holland die Wassertemperatur mit Hilfe der Gleichgewichtstemperatur mit Abweichungen von ein paar wenigen Zehntel-Graden beschreiben. Seichte Seen haben eine geringere Wärmespeicherkapazität als tiefe Seen und reagieren deshalb schneller auf ein verändertes Klima. Gemäss Verburga und Hecky (2009) stossen seichte Seen bei einem sich erwärmenden Klima mehr Energie aus, während sich der Wärmeausstoss von tiefen Seen 12 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.2 Wärmeflüsse nur langsam erhöht. Bei dimiktischen und monomiktischen Seen wird es während der Auflösung der Stratifikation zu verstärkten Differenzen zwischen Gleichgewichts- und Oberflächentemperatur kommen, da sich die Tiefe der durchmischten Wassersäule in kurzer Zeit massiv vergrössert. 2.2 Wärmeflüsse Es gibt diverse Formeln, mit welchen die Wärmeflüsse an der Wasser- Luft-Grenzschicht berechnet werden können. Ein Grossteil dieser Formeln basiert auf empirischen Beobachtungen, einige auf physikalischen Berechnungen. Nicht alle Formeln eignen sich gleichermassen für einen bestimmten Zweck oder ein bestimmtes Untersuchungsgebiet. Der Auswahl der Formeln der Energieflüsse ist demnach grosse Beachtung zu schenken. Wie sich unterschiedliche Formeln der Wärmeflüsse auf die Endresultate auswirken können, wird in Kapitel 3.6 anhand des Einsatzes zweier alternativen Formeln exemplarisch untersucht. In dieser Arbeit wurden hauptsächlich dieselben Formeln verwendet wie in der Arbeit von Schmid et al. (2009). Die kurz- und langwellige Einstrahlung (HS resp. HA), die langwellige Ausstrahlung HW sowie der latente und konvektive Wärmefluss (HV und HV_alt resp. HC) werden wie folgt berechnet: H S = H S 0 ⋅ (1 − A) (3) ∧ H A = (1 − rA ) ⋅ E A ⋅ σ ⋅ T air 4 (4) e E A = 1.24 ⋅ (1 + 0.17 ⋅ C ) ⋅ ∧ A T air 2 1/ 7 (5) E A _ alt = (1 + 0.17 ⋅ C 2 ) ⋅ (1.0 − 0.26 ⋅ exp(−7.77 ⋅ 10 −5 ⋅ Tair )) 2 ∧ H W = −0.97 ⋅ σ ⋅ T surf 4 (7) H V = −(e S − e A ) ⋅ (4.4 + 1.82 ⋅ u10 + 0.26 ⋅ (Tsurf − Tair )) H V _ alt = −(eS − e A ) ⋅ (6) 11 ⋅ (1 + 0.2237 ⋅ u8 ) ⋅ LV 30 (8) (9) 13 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung b ⋅ Tair eS = a ⋅ exp Tair + c H C = Bowen ⋅ H V ⋅ 2 Material und Methoden 2.2 Wärmeflüsse (10) (Tsurf − Tair ) (11) (e S − e A ) HS0 ist die Solarstrahlung über der Wasseroberfläche, A der Anteil reflektierter kurzwelliger Strahlung an der Wasseroberfläche, rA der Anteil reflektierter langwelliger Strahlung an der Wasseroberfläche (=0.03), EA die atmosphärische Emissivität und EA_alt eine alternative Formel für EA, σ die StefanBoltzmann-Konstante (=56.7·10-9Wm-2K-4), Tair und Tsurf sind die Luft resp. Seeoberflächentemperatur ∧ (T in °C, T in K), C ist der bewölkte Anteil des Himmels, eA der Sättigungsdampfdruck bei Tair (in mbar), eS der Sättigungsdampfdruck bei Tsurf (in mbar), a, b und c sind Koeffizienten für ein geeignetes Temperaturintervall (=6.1121, 17.502, 240.97), u10 und u8 die Windgeschwindigkeit in 10m und 8m Höhe (in ms-1), LV ist die latente Wärme der Evaporation und Bowen die druckkorrigierte BowenKonstante (=0.61·Luftdruck). Formel 3 stammt aus der Arbeit von Henderson-Sellers (1986), Formel 4 aus Livingstone und Imboden (1989), Formel 5 aus Brutseart (1975) zit. n. Livingstone und Imboden (1989), Formel 6 aus Idso und Jackson (1969) zit. n. Henderson-Sellers (1986), Formel 7 aus Henderson-Sellers (1986), Formel 8 aus McMillan (1971) zit. n. Livingstone und Imboden (1989), Formel 9 aus Dake (1972), Formel 10 aus Buck (1981) und Formel 11 aus Henderson-Sellers (1986). In der Berechnung wird die Oberflächentemperatur Tsurf der Gleichgewichtstemperatur Teq gleichgesetzt. Der beschriebene Formelsatz (ausgenommen die alternativen Formeln EA_alt und HV_alt) wird für alle Berechnungen verwendet, sofern nichts anderes deklariert wird. Diese Formeln werden in dieser Arbeit künftig als Standardformeln beschrieben. Die von den einzelnen Standardformeln errechneten Wärmeflüsse befinden sich ungefähr im Mittelfeld im Vergleich mit anderen entsprechenden Formeln. Die alternativen Formeln der Wärmeflüsse ergeben hingegen deutlich überoder unterdurchschnittliche Energietransfers. Die alternativen Formeln für die atmosphärische Emissivität und den latenten Wärmefluss werden dazu benützt, die Sensitivität der Resultate auf die Verwendung unterschiedlicher Formeln der Wärmeflüsse abzuschätzen. Die atmosphärische Emissivität wie auch der latente Wärmefluss lassen sich durch eine grosse Anzahl verschiedener Formeln beschreiben. Zudem haben sie grossen Anteil am gesamten Energieaustausch zwischen Seeoberfläche und Atmosphäre. Die alternativen Formeln wurden jeweils so gewählt, dass sie sich stark von der anderen Formel desselben Wärmeflusses unterscheidet. 14 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.2 Wärmeflüsse Die in dieser Arbeit verwendeten Formeln für die Wärmeflüsse beziehen sich auf offene Wasserflächen. Bei Gefrier- und Schmelzprozessen sowie über Eis wäre der Formelsatz anzupassen. Deshalb werden Datenpunkte nicht berücksichtigt, bei welchen die Gleichgewichtstemperatur in den Berechnungen unter 0°C zu liegen kommt. Dennoch kann Eis bei Monaten mit tiefen Gleichgewichtstemperaturen gewisse Unsicherheiten und Ungenauigkeiten verursachen. Auch wenn die monatlich gemittelte Gleichgewichtstemperatur über 0°C liegt, kann während Teilen des Monates eine Eisbedeckung bestanden haben. Bei sehr tiefen Gleichgewichtstemperaturen ist deshalb mit einigen Ungenauigkeiten zu rechnen. Der grösste Teil des Wärmeaustausches zwischen Wasseroberfläche und Atmosphäre findet in einer sehr dünnen Grenzschicht statt. Für die langwellige Ein- und Ausstrahlung sowie die turbulenten Wärmeflüsse sind die obersten 1-2mm des Wasserkörpers entscheidend (McAllister and McLeish, 1969 zit. n. Henderson-Sellers, 1986). Die solare Einstrahlung hingegen kann in tiefere Schichten eindringen und somit eine grössere Verteilung der Energie bewirken. Der Teil der nicht an der Oberfläche absorbierten Strahlung kann je nach Trübung in grössere Tiefen eindringen und das Wasser unter der Oberflächenschicht direkt erwärmen (Henderson-Sellers, 1986). Nach verschiedenen Autoren werden ca. 40-50% der totalen Energie der solaren Einstrahlung in den obersten Millimetern absorbiert (Henderson-Sellers, 1986). In den meisten Fällen wird die gesamte Energie der Wärmeflüsse in der durchmischten Oberflächenschicht absorbiert. In sehr klaren Seen könnte ein Teil der Energie der solaren Einstrahlung allerdings unter der durchmischten Oberflächenschicht deponiert werden. Dies würde zu Ungenauigkeiten in der berechneten Gleichgewichtstemperatur führen, da die Berechnung von der gesamten Energieaufnahme der solaren Einstrahlung ausgeht. 2.2.1 Vertieftere Ausführungen zu einigen Wärmeflüssen 2.2.1.1 Solare Einstrahlung Um die vom Wasserkörper absorbierte Energie der solaren Einstrahlung zu bestimmen, muss das Rückstreuungsvermögen (Albedo) der Wasseroberfläche bekannt sein (Gleichung 3). Die Albedo von Seen ist zeitlich und räumlich variabel. Sie ist eine Funktion des Einfallswinkels der Strahlung und des Zustandes der Wasseroberfläche (z.B. Wellenhöhe, suspendiertes Material) (Henderson-Sellers, 1986). Gemäss Nunez et al. (1972) ist neben dem Einfallswinkel die Art der Strahlung (direkt oder diffus) entscheidend, von den Oberflächeneigenschaften hat einzig der Wellengang signifikanten Einfluss. So sind denn auch die Reflektionseigenschaften verschiedener Wasserkörper konsistent (Nunez et al., 1972). Die Unterschiede der Albedo bei direkter und diffuser Einstrahlung können markant ausfallen. Globale Durchschnittswerte der Albedo wurden von verschiedenen Autoren auf 0.06 und 0.08 15 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.2 Wärmeflüsse geschätzt (Henderson-Sellers, 1986). Für räumlich-zeitliche Untersuchungen globaler Grössenordnung ist die Verwendung eines globalen Mittelwertes ungenügend. Klimamodelle stellen Daten der totalen solaren Einstrahlung an der Erdoberfläche bereit (HS0, in Wm-2), unterscheiden aber nicht zwischen direkter und diffuser Einstrahlung. Ein Modell zur Berechnung monatlich gemittelter globaler Albedo-Werte existierte bisher nicht. Ein solches Modell musste deshalb entwickelt werden. Anteil direkter und diffuser Strahlung an gesamten solaren Einstrahlung In einem ersten Schritt soll der Anteil der direkten und diffusen Strahlung an der totalen Einstrahlung abgeschätzt werden. Diffuse Strahlung wird überwiegend durch Bewölkung erzeugt. Der Bewölkungsanteil (C) wird deshalb als Schätzfunktion der diffusen Einstrahlung verwendet. Die Unterschiede der Abdunkelungseffekte durch Bewölkung sind je nach Wolkentyp- und Dichte enorm. Franceschini (1968) ermittelte eine durchschnittliche Abdunkelung von 18% bei Zirren und 85% bei Kumulonimben. Caskey (1945) berechnete die globale durchschnittliche Wolkenalbedo auf 0.63 und erwähnt die Resultate anderer Studien mit Werten von 0.47 und 0.6. Aufgrund der grossen Streuungen kann nur ein ungefährer Mittelwert der wolkenbedingten Abdunkelung gewählt werden. Dieser Wert wurde hier auf 50% festgelegt. Der Anteil direkter und diffuser Strahlung an der Gesamteinstrahlung kann nun als Funktion der Bewölkung ausgedrückt werden (Abb. 3). Anteil diffuser an gesamter Solarstrahlung 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 Bewölkungsanteil Abb. 3. Anteil diffuser Strahlung an gesamter Solarstrahlung als Funktion der Bewölkung. Der Anteil direkter Strahlung bildet die Differenz zwischen gesamter und diffuser Strahlung. Direkte solare Einstrahlung Die auf die Erdoberfläche eintreffende solare Strahlung ist nie vollkommen gerichtet. Auch bei wolkenfreien Verhältnissen gibt es immer eine diffuse Komponente der totalen Strahlung (Cogley, 1979; Franceschini, 1968). Gemäss Cogley (1979) präsentiert die Arbeit von Grishchenko (1959) gute Werte der Albedo, welcher mit über 200 vorsichtigen Messungen bei Einfallswinkeln von 0° bis 70° ermittelt wurden. Diese Daten beziehen sich auf Wellenhöhen von 0.1–0.7m und Bewölkungsanteile 16 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.2 Wärmeflüsse von 0-25%. Sie eignen sich als Normalwerte bei Schönwetter-Bedingungen und sind für grossskalige Studien besser geeignet als andere Ansätze (Cogley, 1979). Verschieden Studien weisen darauf hin, dass sich die Albedo bei sehr tiefem Sonnenstand sich nicht 1 annähert, sondern bei Einfallswinkeln von weniger als ca. 10° rapide abnimmt (Henderson-Sellers, 1986). Dieser Effekt wird bei Grishchenko (1959) gut wiedergegeben und ist auf den grossen Anteil der diffusen Komponente der Einstrahlung bei kleinen Einfallswinkeln zurückzuführen (Cogley, 1979). Die Albedo-Werte nach Grishchenko sind in tabellarischer Form (alle 10° Breite ein monatlich gemittelter Messwert) in der Arbeit von Cogley (1979) wiedergegeben. Diese Messwerte werden entlang der Breite interpoliert. Bei Verwendung dieser Daten wird den räumlich-zeitlichen Fluktuation der Albedo Rechnung getragen. Diffuse solare Einstrahlung Unter diffuser Strahlung ist die Albedo von Wasser nahezu konstant (Cogley, 1979). Die Abhängigkeit der Albedo vom Einfallswinkel der Solarstrahlung kann demnach bei diffuser Strahlung vernachlässigt werdend. Die Albedo wird bei sehr kleinen Zenitwinkeln der Sonneneinstrahlung durch Bewölkung erhöht und bei grossen Zenitwinkeln verkleinert (Nunez et al., 1972). Die Albedo einer Wasseroberfläche liegt bei diffuser Strahlung gemäss Cogley (1979) bei 0.06-0.01, Nunez et al. (1972) ermittelten bei Messungen auf dem Ontario-See Werte von 0.074-0.082 und Burt (1953) (zit. n. Nunez, 1972) errechnete den theoretischen Wert von 0.066. In dieser Arbeit wird der letztgenannte Wert für die Albedo des diffusen Strahlungsanteils verwendet. Berechnung der ins Wasser eindringenden solaren Einstrahlung Die im Wasserkörper absorbierte Solarstrahlung HS wird nun mit folgenden Gleichungen berechnet: H S = H S 0 ⋅ FG _ dir ⋅ (1 − Adir ) + H S 0 ⋅ FG _ diff ⋅ (1 − Adiff ) FG _ dir = (1 − C ) ⋅ FG _ diff = C ⋅ 2 1 (12) (13) C (1 − C ) + 2 1 (14) C (1 − C ) + 2 Dabei ist HS0 die Solarstrahlung über der Wasseroberfläche, FG_dir und FG_diff sind die Gewichtungsfaktoren für den Anteil direkter resp. diffuser Strahlung an der Gesamtstrahlung, Adir und Adiff sind die Albedo für direkte resp. diffuse Strahlung und C ist der Bewölkungsanteil. 17 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.2 Wärmeflüsse Gleichung 12 erlaubt die Berechnung der vom Wasserkörper absorbierten solaren Einstrahlung entsprechend der orts- und zeitabhängigen Albedo. Abb. 4. zeigt die jährlich gemittelte Albedo von Seeoberflächen am Beispiel von CNRM-Klimadaten der Zeitperiode 1961-1990. Zonen reduzierter Albedo in hohen Breiten wegen grösserem diffusen Strahlungsanteil sind gut ersichtlich. Die globalen Mittelwerte der Albedo über Landoberflächen liegen bei allen Klimamodelldaten im oberen Bereich oder leicht über den von anderen Autoren beschriebenen Albedo-Werten von 0.6-0.8. Der flächengewichtete Mittelwert bei Verwendung von CNRM-Basisklimadaten liegt z.B. bei 0.82. Die höheren Albedo-Werte sind allerdings plausibel, da über Ozeanen häufiger eine Wolkendecke liegt als über Landoberflächen. Dies hat ein höherer Anteil diffuser Strahlung zur Folge, was in den meisten Fällen zu einer Verringerung der Albedo führt. Wird die Albedo über dem ganzen Globus (Land und Meer) berechnet, sind die Resultate im Einklang mit den von anderen Autoren ermittelten Grössen (z.B. Albedo über dem gesamten Globus mit CNRMBasisklimadaten: 0.75). b) a) Abb. 4. Jährlich gemittelte Albedo am Beispiel von CNRM-Basisklimadaten a) an jedem Punkt der Landoberfläche und b) entlang der geographischen Breite über Landoberflächen. In a) beschreiben negative Werte der Y-Achse die südlichen Breitengrade, positive die nördlichen. Auf der X-Achse werden Längengrade beschrieben, beginnend beim Nullmeridian. Die Datenlücke bei b) um 60° Süd ist auf die Absenz von Landmasse zurückzuführen. 2.2.1.2 Langwellige Einstrahlung Die langwellige Einstrahlung ist der schwierigste Term der Energiebilanzgleichung (Gleichung 4) und ist am anfälligsten auf Berechnungsfehler (Livingstone and Imboden, 1989). Die einfallende langwellige Strahlung entsteht als Emission von Molekülen in verschiedenen Atmosphärenschichten (Henderson-Sellers, 1986). Hauptverantwortlich für diese Emissionen sind CO2 und Wasserdampf sowie das flüssige Wasser in Wolken (Henderson-Sellers, 1986). Der Einfluss des Menschen auf das 18 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.2 Wärmeflüsse Klima betrifft vor allem die langwellige Einstrahlung durch die Erhöhung atmosphärischer Treibhausgaskonzentrationen. Beide Formeln der atmosphärischen Emissivität (Formeln 5 und 6) benötigen Daten der Lufttemperatur in 2m Höhe. Gemäss Henderson-Sellers (1986) ist es sinnvoll, die Emissionstemperatur der Temperatur der tiefsten Atmosphärenschicht gleichzusetzen, da Emissionen aus grosser Höhe die Wasseroberfläche kaum ohne Reabsorption und Reemission erreichen. Die Formel der atmosphärischen Emissivität nach Brutsaert (Formel 5) basiert auf physikalischen Eigenschaften der Atmosphäre, während die Formel nach Idso und Jackson (Formel 6) empirisch ermittelt wurde. Formel 5 integriert den Dampfdruck, während dieser Parameter nicht in Formel 6 einfliesst. Aufgrund des starken Effektes von Wasserdampf auf die Emissivität der Atmosphäre (siehe Kapitel 2.3.2) ist der Ansatz von Idso and Jackson in Frage zu stellen. Dennoch stimmt diese Formel gemäss verschiedenen Studien besser mit Beobachtungen im Feld überein als ähnliche, häufig verwendete Formeln (Henderson-Sellers, 1986). Für beide Formeln zur Berechnung der atmosphärischen Emissivität wurde ein von Henderson-Sellers (1986) beschriebener 2 Multiplikationsfaktor (1+0.17·C ) eingeführt. Damit wird der Einfluss der Bewölkung in die sonst für wolkenfreie Verhältnisse konzipierten Formeln integriert. Die Temperaturabhängigkeit der atmosphärischen Emissivität ist bei Verwendung der Formel 5 (Brutsaert) ausgeprägt, während die atmosphärische Emissivität bei Formel 6 (Idso and Jackson) nahezu eine konstante, temperaturunabhängige Grösse bildet (Abb. 5). Bei hoher Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit liefert Formel 5 viel höhere Emissionswerte als Formel 6, bei tiefer Temperatur und Luftfeuchtigkeit ist es umgekehrt. 19 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.2 Wärmeflüsse Abb. 5. Vergleich verschiedener Formeln zur Berechnung der atmosphärischen Emissivität. Die Emissivität wird als Funktion der Temperatur bei drei verschiedenen Konzentrationen der relativen Feuchtigkeit dargestellt. Während die bei Brutsaert eine starke Abhängigkeit von Temperatur und Luftfeuchtigkeit auszumachen ist, beschreibt die die Formel nach Idso and Jackson nahezu eine Konstante. Die Kurve dieser Formel ist etwas unsauber wiedergegeben. Da sie unabhängig von der Luftfeuchtigkeit ist, müssten die Kurven bei allen relativen Luftfeuchtigkeiten identisch sein (Henderson-Sellers, 1986). 20 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.2 Wärmeflüsse 2.2.1.3 Latenter Wärmefluss Der latente Wärmefluss kann durch Evaporation zu einem Energieverlust und durch Kondensation zu einem Energiezuwachs an der Wasseroberfläche führen. Es gibt eine Vielzahl an Formeln, welche den latenten Wärmefluss beschreiben. Eine Ursache dafür sind die zahlreichen Windfunktionen, welche meist auf empirischen Beobachtungen beruhen (Henderson-Sellers, 1986). Wind beeinflusst die Evaporationsrate durch die Erneuerung der Luftmassen. Wenn eine Luftmasse mit einer Wasserfläche in Kontakt kommt, evaporiert Wasser in die Luftmasse und die relative Feuchte steigt (HendersonSellers, 1986). Dies bewirkt eine Abnahme der Effizienz der Absorbierung von Wasserdampf (Henderson-Sellers, 1986). Als alternativer Ansatz zur Berechnung des latenten Wärmeflusses wurde die Formel von Meyer für kleine Seen gewählt (Formel 9). Im Gegensatz zur Formel nach McMillan (Formel 8) fehlt hier der Term zur Berücksichtigung der atmosphärischen Stabilität (0.26·(Tsurf-Tair)). Die Formel berechnet nur die evaporierte Wassermasse und muss deshalb noch mit der Verdampfungswärme (LV) multipliziert werden. Diese ist eine schwache Funktion der Wassertemperatur (Edinger et al., 1968; HendersonSellers, 1986). Nach Henderson-Sellers (1986) kann die Verdampfungswärme (LV) beschrieben werden als ∧ ∧ LV (T ) = 1.91846 ⋅ 10 ⋅ T surf 6 ∧ ∧ (T surf − 33.91) (15) 2 ∧ wobei T die Lufttemperatur (in K) ist und Tsurf die Seeoberflächentemperatur (in K). Da Formel 9 mit Winddaten einer Höhe von 8m berechnet wird, müssen die Daten der Klimamodelle (Windgeschwindigkeit auf 10m Höhe) angepasst werden. Die Windgeschwindigkeit nimmt mit geringerer Höhe aufgrund der Reibung an der Wasseroberfläche ab. Dies wird mit dem sogenannten Wandgesetz von Israelsen und Hansen (1965) (zit. n. Dake, 1972) durchgeführt. Die Windgeschwindigkeit auf 8m Höhe (u8) ist gegeben durch u 8 = u10 ⋅ log 8 log 10 (16) wobei u10 die Windgeschwindigkeit in 10m Höhe ist (in ms-1). Die Formel nach McMillan wie auch die von Meyer wurden empirisch entwickelt. Die Formel von Meyer führt zu einem bedeutend stärkeren latenten Wärmefluss (Abb. 6). Meyers Formel weist im Vergleich mit anderen Ansätzen sowohl bei negativen wie auch positiven Energieflüssen hohe Werte 21 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.2 Wärmeflüsse auf. Der Ansatz von Penman überschätzt die latenten Wärmeflüsse und ist ungeeignet für Studien, welche verschiedene Klimate umfassen (Henderson-Sellers, 1986). a) b) Abb. 6. Vergleich verschiedener Formeln des latenten Wärmeflusses für die Klimatologie von a) Grossbritannien und b) Südafrika. Die Werte von MacMillan liegen etwa im Mittelfeld, währen bei Meyer stets überdurchschnittliche Werte auftreten (Henderson-Sellers, 1986). 22 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.3 Klimafaktoren 2.3 Klimafaktoren Für die Wärmeflüsse durch die Wasser-Luft-Grenzschicht sind einzelne Klimafaktoren verantwortlich. Wie sich veränderte Klimafaktoren genau auf die Energieflüsse auswirken, ist schwierig zu eruieren. Aus diesem Grund gibt es eine Vielzahl an Formeln zur Berechnung des Energieaustausches und nicht einzelne „richtige“. Klimafaktoren beeinflussen sich gegenseitig (Livingstone and Imboden, 1989; Randall et al., 2007). Diese Zusammenhänge sind sehr komplex und teilweise noch wenig verstanden. Die einzelnen Klimafaktoren und deren Auswirkungen auf die Gleichgewichtstemperatur soll nachfolgend besprochen werden. 2.3.1 Lufttemperatur Die Lufttemperatur beeinflusst die langwellige Einstrahlung sowie die turbulenten Wärmeflüsse. Das Verhältnis zwischen Luft- und Wassertemperatur wurde in diversen Studien untersucht. Viele davon beschreiben einen starken Zusammenhang zwischen diesen beiden Parametern (z.B. Arnott et al., 2003; Mooij, 2005; Mohseni and Stefan, 1999). Bei steigender durchschnittlicher Lufttemperatur nimmt die durchschnittliche Wassertemperatur generell mit einer kleineren Rate zu (Croley II, 1990). Mohseni and Stefan (1999) beschrieben diesen Zusammenhang bei tiefen und moderaten Lufttemperaturen als linear, unter 0°C und über 20°C flacht die Steigung der Kurve allerdings signifikant ab. Bei steigender Lufttemperatur vergrössert sich das Damfdruckdefizit über der Wasseroberfläche drastisch, was zu einer starken evaporativen Abkühlung führt und somit die Beziehung zwischen Wasser- und Lufttemperatur abschwächt (Mohseni and Stefan, 1999). Dies ist der Hauptgrund für die Nichtlinearität von Luft- und Wassertemperatur (Mohseni and Stefan, 1999). Studien zur Bestimmung der Oberflächenwassertemperatur anhand der Lufttemperatur wurden deshalb überwiegend in Seen gemässigter Klimate durchgeführt. Wasser- LufttemperaturZusammenhänge sind immer an eine bestimmte Lokalität gebunden. Des Weiteren können die Zusammenhänge der Luft- Wassertemperatur unter veränderten Klimabedingungen ihre Gültigkeit verlieren. Gemäss Bogan et al. (2003) ist die Gleichgewichtstemperatur deshalb besser zur Beschreibung der Oberflächen-Wärmeflüsse geeignet als die Lufttemperatur. 2.3.2 Dampfdruck Die Luftfeuchtigkeit beeinflusst als das wichtigste Treibhausgas (Randall et al., 2007) die Emissivität der Atmosphäre sowie den latenten Wärmefluss. Der atmosphärische Wassergehalt ist stark 23 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.3 Klimafaktoren temperaturabhängig, da der Sättigungsdampfdruck bei steigender Lufttemperatur exponentiell zunimmt. Der evaporative Energieverlust ist abhängig vom Dampfdruckdefizit (Differenz von Sättigungsdampfdruck und effektivem Dampfdruck). Dieser kann nur bei hohen Temperaturwerten grosse Werte erreichen, grosse Energieumsätze durch Evaporation sind demnach auf tiefere Breiten beschränkt. Anders verhält es sich beim Effekt der Absorption langwelliger Strahlung durch Wasserdampf. Dieser Effekt ist ungefähr proportional zum Logarithmus der Dampfdruckkonzentration (Randall et al., 2007). Es ist also die anteilmässige und nicht die absolute Änderung des Dampfdruckes, welche die Stärke des langwelligen Rückstreuungseffektes ausmacht (Randall et al., 2007). Im Normalfall wird davon ausgegangen, dass die relative Luftfeuchtigkeit bei einem Temperaturanstieg etwa konstant bleibt (Randall et al., 2007). Aufgrund des so erhöhten Dampfdruckes verstärkte sich die langwellige Einstrahlung. Diese sogenannte WasserdampfRückkoppelung ist der wichtigste Rückkoppelungsprozess in der Erhöhung der Klimasensitivität (Randall et al., 2007). Sie bewirkt eine Verstärkung der globalen Lufttemperaturerwärmung von rund 50% bei einem Gradienten von ca. 1 Wm-2 °C-1 (Randall et al., 2007). Der Klimawandel beeinflusst auch die Hydrologie. Das Klima kann durch räumliche Veränderungen des Niederschlages regional zu trockeneren oder feuchteren Verhältnissen führen. In solchen Fällen kann nicht von einer konstanten relativen Luftfeuchtigkeit ausgegangen werden. Wird z.B. das Klima in einer Region ganzjährig oder jahreszeitlich deutlich arider, ist aufgrund grossflächig verminderter evaporativer Kühlung mit einem Anstieg der Lufttemperatur und einer gleichzeitigen Abnahme der Luftfeuchtigkeit zu rechnen. 2.3.3 Windgeschwindigkeit, Bewölkung und solare Einstrahlung Die Windgeschwindigkeit beeinflusst die Stärke der turbulenten Wärmeflüsse. Hohe Windgeschwindigkeiten verstärken positive wie auch negative Energieflüsse. Neben der Beeinflussung der Wärmeflüsse ist die Windstärke hauptverantwortlich für die Tiefe der durchmischten Oberflächenschicht des Sees. Damit beeinflusst die Windstärke die Wärmespeicherkapazität des Epilimnions und damit das Verhältnis zwischen Oberflächentemperatur des Wassers und Gleichgewichtstemperatur. Bewölkung erhöht die atmosphärische Emissivität und beeinflusst die Albedo von Gewässeroberflächen. Die Bewölkung hat durch Abdunkelungseffekte starken Einfluss auf die an der Erdoberfläche eintreffende Solarstrahlung. Dieser Effekt der Bewölkung wird in dieser Arbeit vernachlässigt, da er im Faktor der solaren Einstrahlung impliziert ist. Die Modellierung der zukünftigen Entwicklung der Bewölkung und das Verständnis von Rückkoppelungseffekten mit dem Klima sind noch wenig entwickelt (z.B. Randall et al. 2007). 24 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.4 Statistik Die solare Einstrahlung an der Atmosphärenoberfläche kann als konstant betrachtet werden. Zwar gibt es Schwankungen der Solarkonstanten, diese liegen aber mit Periodendauern von mehreren zehntausenden von Jahren weit über dem untersuchten Zeitraum von etwas mehr als 100 Jahren und sind deshalb irrelevant. Der 11-jährige Sonnenfleckenzyklus liegt innerhalb der 30-jährigen klimatischen Mittelwerte, zudem sind diese zyklischen Schwankungen sehr gering. Gewisse Klimamodelle berücksichtigen die geringe Variabilität der Solarkonstanten. Wichtig für die von einer Wasseroberfläche aufgenommene Energie der solaren Strahlung ist neben dem Einstrahlungswinkel und der Strahlungsdauer die Albedo des Wasserkörpers und vor allem der Zustand der Atmosphäre. Die Bewölkung hat den grössten Verminderungseffekt auf die atmosphärische Transparenz. Allerdings ist die solare Einstrahlung nicht nur eine Funktion der Bewölkung. Die atmosphärische Transparenz wird auch von anderen Parametern wie der Konzentration an Aerosolen oder von Dunst. beeinflusst. 2.4 Statistik Klimaparameter interagieren über verschiedene Wege miteinander. Deshalb sollten die Effekte von Fluktuationen der Klimafaktoren auf die Gleichgewichtstemperatur nicht als unabhängig voneinander betrachtet werden (Livingstone and Imboden, 1989). Gemäss Randall et al. (2007) beeinflussen sich Dampfdruck, Bewölkung und Lufttemperatur stark gegenseitig. Zur Eischätzung der Stärke der gegenseitigen Beeinflussung einzelner Klimafaktoren wurden immer zwei Faktoren auf ihre Korrelation geprüft. Dazu wurden die Anomalien zwischen zukünftigem Klima und Basisklima der CNRM-Klimadaten verwendet. Es wurden alle Daten verwendet, welche in die Berechnung der Gleichgewichtstemperatur einfliessen (alle Datenpunkte über Land mit einer Gleichgewichtstemperatur über 0°C). Der stärkste Zusammenhang wurde mit einer negativen Korrelation zwischen Anomalien der Bewölkung und der solaren Einstrahlung ermittelt. Der Zusammenhang lässt sich gut linear beschreiben bei einer Verringerung der solaren Einstrahlung von 1.4 Wm-2 pro 1% Zunahme des Bewölkungsanteils. Das R2 liegt bei 0.62. Dampfdruck- und Lufttemperaturanomalien korrelieren bei tiefen absoluten Lufttemperaturen stark, bei höheren Lufttemperaturen ist kaum eine Korrelation vorhanden. Andere Faktorkombinationen zeigen nur wenig eindeutige Korrelationen. Wie das Beispiel der Korrelation von Luft- und DampfdruckAnomalie zeigt, können die Zusammenhänge räumlich stark variieren. 25 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.4 Statistik Die Gleichgewichtstemperatur wird über Energiebilanzgleichungen aus Klimafaktoren berechnet und ist somit völlig abhängig von diesen. Veränderungen der Gleichgewichtstemperatur sind somit durch Fluktuationen der Klimafaktoren erklärbar. Es kann also geschrieben werden dTeq = f (dTair , de A , du , dC , dH S ) + ε (17) wobei Teq die Gleichgewichtstemperatur, Tair die Lufttemperatur, eA die Luftfeuchtigkeit, u die Windgeschwindigkeit, C den Bewölkungsgrad, HS die solare Einstrahlung und ε den Fehlerterm bezeichnen. d steht jeweils für die Anomalie des Parameters. Der Einfluss von veränderten Klimafaktoren auf die Oberflächentemperatur von Seen soll mit Hilfe statistischer Mittel bestimmt werden. Es soll gezeigt werden, wie stark die Gleichgewichtstemperatur auf die Änderung einer Einheit der verschiedenen Klimafaktoren reagiert. Wären die Klimafaktoren untereinander unkorreliert, könnte zur Bestimmung der Abhängigkeit der Gleichgewichtstemperatur von den Klimafaktoren Einzelregressionen durchgeführt werden. Da dies nicht der Fall ist, wird stattdessen mit multipler Regression gearbeitet. Dabei sind die Klimafaktoren die unabhängigen Variablen während die Gleichgewichtstemperatur die abhängige Variable darstellt. In der multiplen Regression werden auch die Zusammenhänge der unabhängigen Variablen untereinander beachtet. Die Regressionsgleichung lautet in diesem Fall: dTeq = β 0 + β 1 ⋅ dTair + β 2 ⋅ de A + β 3 ⋅ du + β 4 ⋅ dC + β 5 ⋅ dH S + ε (18) Nun können die Koeffizienten β1 bis β5 und damit der lineare Zusammenhang zwischen Gleichgewichtstemperatur und den Klimafaktoren bestimmt werden (Kapitel 3.5.2). Da die Gleichgewichtstemperatur ohne die Änderung eines Klimafaktors konstant bleibt, ist β0 = 0. Die Linearität der ermittelten Zusammenhänge ist nicht immer gegeben. Teilweise könnten mit nichtlinearen Regressionen bessere Resultate erzielt werden. Auf derartige tiefergreifende statistische Untersuchungen wird in dieser Arbeit aber verzichtet. Eine gewisse Korrelation unter den unabhängigen Variablen ist bei der multiplen Regression unproblematisch. Werden gewisse Korrelationen aber zu stark, kann das Fehler in den Resultaten hervorrufen. Dies ist in Einzelfällen bei den Resultaten regionaler Skala der Fall. Die Resultate der Regressionsanalyse soll deshalb kritisch beurteilt werden. 26 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.5 Klimamodelle 2.5 Klimamodelle In der aktuellen Erforschung des Klimasystems und des Klimawandels sind Klimamodelle ein zentrales Instrument. Sie basieren auf gut etablierten physikalischen Grundlagen und sind in der Lage, das heutige Klima wie auch vergangene Klimaänderungen zu reproduzieren (Randall et al., 2007). In Klimamodellen werden Atmosphären- und Ozeanzirkulationsmodelle gekoppelt, weshalb von AOGCMs (Atmosphere-Ocean General Circulation Models) gesprochen wird. Diese sind das am weitesten entwickelte Mittel, um das Verhalten des globalen Klimasystems zu erfassen (Christensen et al., 2007; Randall et al., 2007) und um Klimawandelszenarien zu modellieren (Mortsch and Quinn, 1996). Somit bieten Klimamodelle die besten erhältlichen Informationen, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserqualität und die Ökologie von Oberflächengewässern abzuschätzen (Whitehead et al., 2009). Da Klimamodelle hochkomplex sind, können ihre Codes nur auf leistungsstarken Grosscomputern durchgeführt werden. Trotz ihrer grossen Komplexität sind Klimamodelle noch immer eine grobe Repräsentation des realen Klimasystems und werden limitiert durch das Verständnis von Klimaprozessen und Rückkoppelungsmechanismen (Mortsch and Quinn, 1996). In den vergangenen Jahren wurden Klimamodelle allerdings stark weiterentwickelt und in vielen Bereichen wurden wichtige Verbesserungen erzielt. Heute sind einige AOGCMs beispielsweise in der Lage, wichtige Aspekte der El Niño-Southern Oscillation (ENSO) wiederzugeben (Randall et al., 2007). Der Entwicklungstrend der globalen Temperatur im vergangenen Jahrhundert kann unter Einbezug anthropogener und natürlicher klimabeeinflussender Faktoren sehr gut modelliert werden (Randall et al., 2007). 2.5.1 Emissionsszenarien Mit AOGCMs können die Auswirkungen von externen Einflussfaktoren auf das Klimasystem untersucht werden. Der aktuelle Klimawandel ist grösstenteils bedingt durch den Anstieg atmosphärischer Treibhausgase. Entscheidend ist demnach, von welcher Entwicklung der Treibhausgasemissionen ausgegangen wird. Im Rahmen der Studien des IPCC wurden verschiedene Emissionsszenarien entwickelt (z.B. Meehl et al., 2007). Zukünftige Emissionen klimarelevanter Stoffe sind von diversen Faktoren abhängig. Dazu gehören die Entwicklungen im Bereich Ökonomie, Technik, Politik und Bevölkerungswachstum. In dieser Arbeit wird von dem Szenario SRES (Second Report on Emission Szenarios) A1B ausgegangen. Die Hauptannahmen dieses Szenarios werden beschrieben als "A future world of very rapid economic growth, low population growth and rapid introduction of new and more efficient technology. Major underlying themes are economic and cultural convergence and capacity building, with a substantial reduction in regional differences in per 27 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.5 Klimamodelle capita income. In this world, people pursue personal wealth rather than environmental quality” (IPCC Data Distribution Centre). Eine solche Entwicklung bewirkt im Vergleich mit anderen Emissionsszenarien einen mittleren Ausstoss an Treibhausgasen (Meehl et al., 2007). Die SRESSzenarien berücksichtigen den anthropogen bedingten Ausstoss der strahlungsrelevanten Stoffe CO2, CH4, N2O, Chlor-Fluor-Karbonate sowie SO2 (als Aerosol in Form von Sulfat (SO4)) (Meehl et al., 2007). Es gibt allerdings weitere Faktoren, welche die Entwicklung des Klimas beeinflussen. Es wurde den individuellen Modellierungsgruppen überlassen, zusätzlich die künftige Entwicklung von troposphärischem und stratosphärischem Ozon, allen nicht-sulfatischen Aerosolen, indirekten Effekten der Aerosole auf die Wolkenalbedo und Lebensdauer, Landnutzungsänderungen sowie Variabilitäten der Solarstrahlung abzuschätzen und in die AOGCMs zu integrieren (Meehl et al., 2007). Die Differenzen der globalen Erwärmung bei Einsatz verschiedener Emissionsszenarien nehmen mit steigender Zeitdauer zu und fallen bei Modellierungen für das Ende dieses Jahrhunderts sehr stark aus (Meehl et al., 2007). Das Klima des vergangenen Jahrhunderts kann von Klimamodellen mit dem „20th Century Experiment (20C3M)“ modelliert werden. Dabei werden die Berechnungen unter den gemessenen anthropogenen wie auch natürlichen (z.B. Vulkanausbrüche) klimarelevanten Faktoren des 20. Jahrhunderts durchgeführt (Meehl et al., 2007). 2.5.2 Güte der Klimamodelle Klimamodelle wurden in den vergangenen Jahren in diversen Studien untersucht und ausführlich auf ihre Zuverlässigkeit getestet. Gemäss Randall et al. (2007) kann Klimamodellen hauptsächlich aufgrund ihrer physikalischen Grundlagen und ihren Fähigkeiten, aktuelles Klima wie auch vergangene Klimaänderungen zu simulieren (z.B. glaziales Maximum vor 21000 Jahren) vertraut werden. Die Unsicherheit in der Prognostizierung des künftigen Klimas hat grundsätzlich zwei verschiedene Hauptursachen. Zum einen ist die Entwicklung von Treibhausgasemissionen und anderer klimarelevanter Stoffe schwer abschätzbar (Abb. 7, 1. Schritt). Emissionsszenarien können nicht als richtig oder falsch bewertet werden, sie zeigen bloss die Emissionsentwicklung unter Annahme bestimmter Bedingungen. Zum andern sind die letztendlichen Reaktionen des Klimas auf klimarelevante Stoffe mit diversen Unsicherheiten behaftet (Abb. 7, 2.-4. Schritt). In jedem einzelnen dargestellten Schritt liegen Unsicherheiten. Gemäss Whitehead et al. (2009) sind diese innerhalb eines AOGCMs besonders gross im Bereich Prozessverständnis, Parametrisierung und der numerischen Lösung der Gleichungen. 28 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.5 Klimamodelle Abb. 7. Verschiedene Schritte von der Entwicklung der Treibhausgasemissionen bis zur Reaktion des Klimas. Jeder Schritt ist mit Unsicherheiten verbunden. Im ersten Schritt sind diese durch Emissionsszenarien, in den weiteren Schritten durch Klimamodelle bedingt (Meehl et al., 2007). Besonders schwierig ist das Verständnis von Rückkoppelungen und Interaktionen verschiedener Parameter im Klimasystem. Gemäss Randall et al. (2007) ist das schwache Wissen über BewölkungsRückkoppelungen sowie die Schwierigkeit der Modellierung von Bewölkung die primäre Quelle für Unterschiede zwischen verschiedenen Klimamodell-Resultaten. Auch über die Stärke der gegenseitigen Beeinflussung von Land und Atmosphäre (z.B. Bodenfeuchte-NiederschlagsRückkoppelung) herrscht Uneinigkeit (Randall et al., 2007). Gemäss Meehl et al. (2007) bewirkt zudem die unklare zeitliche Entwicklung der wichtigsten Aerosoltypen und deren Interaktionen mit dem Klima bedeutende Unsicherheiten in der Prognostizierung des Klimawandels. Weitere Schwierigkeiten entstehen, da gewisse anthropogen erzeugte strahlungsbeeinflussende Faktoren das Klima global (z.B. CO2), andere hingegen regional (z.B. Sulfat-Aerosole) beeinflussen (Christensen et al., 2007). Verschiedene Studien entwickelten Indizes zur Beschreibung von Klimamodellen und zur Beurteilung der Modellgüte. Die Klimasensitivität ist ein Mass für die Reaktion des globalen Klimasystems auf einen äusseren Einflussfaktor (Randall et al., 2007). Sie wird hauptsächlich durch interne Rückkoppelungsprozesse bestimmt, welche den Strahlungsantrieb verstärken oder dämpfen (Randall et al., 2007). Die Klimasensitivität einzelner Klimamodelle streut stark (z.B. Randall et al., 2007). Gemäss Gleckler et al. (2008) gibt es keinen universellen Index, welcher die Güte eine Klimamodelles messen könnte. Einzelne Parameter innerhalb eines AOGCMs werden im relativen Vergleich mit anderen Modellen sehr unterschiedlich gut modelliert (Gleckler et al., 2008). Es ist grösstenteils unbekannt, welche Aspekte des beobachteten Klimas korrekt simuliert werden müssen, damit verlässliche Prognosen des Klimawandels gemacht werden können (Gleckler et al., 2008). Eine markante Verkleinerung der Fehler liefert jedoch die Mittelung einer Vielzahl von Klimamodell- 29 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.5 Klimamodelle Resultaten. Diese sogenannten Multi-Modelle übertreffen alle anderen Modelle in nahezu allen Aspekten (Gleckler et al., 2008; Meehl et al., 2007), unter anderem weil sich Fehler einzelner Modelle gegenseitig aufheben (Meehl et al., 2007). 2.5.3 Verwendete Klimamodelle- und Faktoren In dieser Arbeit werden Klimadaten von 6 verschiedenen AOGCMs verwendet. Die Daten wurden im Rahmen des 4. Klimaberichtes von IPCC berechnet. Die gewählten Klimamodelle decken eine grosse Spannbreite an räumlicher Auflösung und Klimasensitivität von AOGCMs ab. Tab. 1. zeigt die Originalbezeichnungen der Modelle sowie die im weiteren Verlauf der Arbeit benutzte Bezeichnung, die räumliche Auflösung und die Urheber der Klimamodelle. Tab. 1. Zusammenfassung der wichtigsten Daten der in dieser Arbeit verwendeten Klimamodelle. Originalbezeichnung Bezeichnung in dieser Arbeit Auflösung in Datenpunkten Auflösung in Breiten- und Längengraden bccr_bcm2_0 BCCR 64×128 2.81°×2.81° cccma_cgcm3_1_t63 CCCMA 48×96 3.75°×3.75° cnrm_cm3 CNRM 64×128 2.81°×2.81° giss_model_e_h GISS 46×72 3.91°×5° inmcm3_0 INMCM 45×72 4.00°×5° miroc3.2(hires) MIROC 160×320 1.13°×1.13° Modellierungsgruppe Bjerknes Centre for Climate Research (BCCR), Univ. of Bergen, Norway Canadian Centre for Climate Modelling and Analysis (CCCma), Canada Centre National de Recherches Meteorologiques, Meteo France, France Goddard Institute for Space Studies (GISS), NASA, USA Institute of Numerical Mathematics, Russian Academy of Science, Russia CCSR/NIES/FRCGC, Japan Für die Berechnung der Gleichgewichtstemperatur sowie die Analyse der Resultate werden verschieden Datensätze der AOGCMs benötigt. Die Originalbezeichnung der Datensätze sowie die genaue Definition der Daten lautet: • surface air temperature (tas): Lufttemperatur 2m über Boden (K) • surface specific humidity (huss): Spezifische Feuchte 2m über Boden (kg/kg) • zonal surface wind speed, eastward wind (uas): Windgeschwindigkeit 10m über Boden (m/s) • meridional surface wind speed, northward wind (vas): • total cloud fraction (clt): Windgeschwindigkeit 10m über Boden (m/s) Bewölkungsanteil (%) 30 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.5 Klimamodelle • surface downwelling shortwave radiation (rsds): solare Einstrahlung an der Erdoberfläche (W/m2) • surface pressure (ps): Oberflächenluftdruck (Pa) • land area fraction (sftlf): Landmaske • surface altitude (orog): Höhemodell (m ü. M.) Die Auflösung der Klimadaten der verschiedenen AOGCMs unterscheidet sich teilweise beträchtlich. Unterschiede in der Auflösung haben einen gewissen Einfluss auf die Daten. Dies soll am Beispiel der Höhenmodelle mit der besten und der schwächsten räumlichen Auflösung gezeigt werden. Die Topographie der Erde ist viel kleinstrukturierter und kann mit den Auflösungen der AOGCMs nur stark vereinfacht wiedergegeben werden, was als Tiefpassfilterung wirkt. Dieser Effekt nimmt mit abnehmender Auflösung zu und fällt somit bei dem INMCM-Modell deutlich stärker aus als bei MIROC (Abb.7). Der höchste Punkt des INMCM-Höhenmodells liegt bei 4425m ü. M., bei den MIROC-Daten hingegen kommt dieser Punkt bei 5565m ü. M. zu liegen. Diese Unterschiede zwischen den verschiedenen Auflösungen kommen besonders bei flächenhaft wenig stark ausgeprägten Gebirgszügen zur Geltung (siehe z.B. Anden). Eine solche Tiefpassfilterung tritt bei allen Parametern auf und fällt entsprechend der Kleinräumigkeit des Parameters stärker oder weniger stark aus. m ü. M. b) MIROC m ü. M. a) INMCM Abb. 8. Höhenmodell des in dieser Arbeit verwendeten AOGCMs mit a) der gröbsten (INMCM) und b) der feinsten (MIROC) räumlichen Auflösung. Alle klimatischen Faktoren der wurden durch die AOGCMs für die entsprechende Höhe berechnet. Eine grobe Auflösung wirkt bei der kleinstrukturierten Topographie als Tiefpassfilter. Die Klimasensitivität des AOGCMs MIROC ist im Vergleich mit andern Klimamodellen deutlich überdurchschnittlich, während sie z.B. bei GISS unterdurchschnittlich ausfällt (Randall et al., 2007). Dies wirkt sich mit fortschreitender Zeit immer stärker auf die prognostizierte Erwärmung aus (Abb. 31 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.5 Klimamodelle 9). Die von MIROC simulierte Erwärmung liegt deutlich über allen andern Klimamodellen, während bei GISS eine unterdurchschnittliche Erwärmung eintritt. Die von MIROC modellierten extremen klimatischen Veränderungen sind auch bei der Gleichgewichtstemperatur-Anomalie ersichtlich (Kapitel 3). Abb. 9. Global gemittelte Erwärmung der Oberflächenlufttemperatur (Emissionsszenario SRES A1B) im Vergleich zum Mittelwert von 1980-1999. In der Legende werden die in dieser Arbeit berücksichtigen Klimamodelle sowie der Modell-Mittelwert aufgeführt (nach Meehl et al., 2007). Die Güte der AOGCMs unterscheidet sich nicht nur nach einzelnen Parametern, sondern auch nach Regionen. Gemäss Gleckler et al. (2008) modelliert CCCMA das Klima in den Tropen mit einem 5% kleineren Fehler als der Durchschnitt einer Vielzahl an Modellen. In den Extratropen weist hingegen MIROC besonders gute Resultate auf mit einem um 10% unterdurchschnittlichen Fehler (Gleckler et al., 2008). Allerdings ist auch bei diesen teilweise überdurchschnittlich guten Modellen die Spannbreite der Güte unter einzelnen Klimaparametern gross (Gleckler et al., 2008). In den Tropen streut die Güte der Modellierung einzelner Faktoren innerhalb derselben AOGCMs besonders stark (Gleckler et al., 2008). 32 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.6 Arbeitsschritte 2.6 Arbeitsschritte Eine Übersicht über die durchgeführten Arbeitsschritte zur Ermittlung der Resultate bietet Abbildung 9. Wie in der Graphik dargestellt wurden die meisten Berechnungen und statistischen Auswertungen mit dem Computerprogramm Matlab durchgeführt. Für einige Teilschritte oder Analysen wurden auch die Programme ArcGIS und Excel eingesetzt. GCM-Klima-Daten (vor 2000) GCM-Klima-Daten (nach 2000) MATLAB MATLAB monatliche Mittelwerte 2070-2099 monatliche Mittelwerte 1961-1990 Energiebilanzgleichung an der Wasseroberfläche MATLAB Anomalien der Gleichgewichtstemperatur an der Wasseroberfläche (Energiebilanz = 0) MATLAB Resultate (Plots, Statistiken) Diskussion der Resultate Abb. 10. Flussdiagramm der wichtigsten Arbeitsschritte. In den Kästchen sind die Daten zum entsprechenden Zeitpunkt dargestellt, dazwischen wurden die Daten jeweils bearbeitet. In einem ersten Schritt wurden die für die Berechnungen benötigten Daten bezogen. AOGCMKlimadaten sind auf der Internetseite „WCRP CMIP3 multi-model database“ des IPCC für Forschungszwecke frei verfügbar. Die Daten liegen im NetCDF-Format vor. Gewisse Daten fehlten allerdings und mussten direkt auf der Internetseite der entsprechenden Modellierungsgruppe bezogen werden. Die Daten wurden als monatliche Mittelwerte bezogen. Die Daten jeden Monats wurden über die gewünschte Dauer von 30 Jahren gemittelt (1961-1990 und 2070-2099). 30 Jahre ist die typische Zeitperiode um Klima zu beschreiben. Kürzere Zeitperioden sind anfälliger darauf, interannuelle Variabilitäten wiederzugeben. Die Energiebilanzgleichung mit dem gewünschten Formelsatz an Gleichungen der Wärmeflüsse wurde in Matlab programmiert und nach der Gleichgewichtstemperatur aufgelöst. Mit den vorhergehend erstellten Datensätzen wird die Gleichgewichtstemperatur der Zeitperioden 1961-1990 und 2070-2099 berechnet. Alle Gleichgewichtstemperaturwerte, die 0°C 33 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung unterschritten, wurden aus dem 2 Material und Methoden 2.6 Arbeitsschritte Datensatz entfernt. Die Subtraktion der Gleichgewichtstemperaturwerte des Basisklimas von denjenigen des zukünftigen Klimas ergibt die Gleichgewichtstemperaturanomalie. Die Gleichgewichtstemperaturen wurden in einem ersten Schritt über den ganzen Globus berechnet. Daten über den Ozeanen sind allerdings nicht von Interesse. Es wurde deshalb für jedes Klimamodell eine Land-Meer-Maske erstellt. Die mit den Klimadaten erhältlichen Daten zum Anteil der Landoberfläche jeder Gitterzelle (File-Name sftlf) variieren von binären Daten (0 = kein Land, 1= Land) bis zu ziemlich exakten %-Angaben. Die Land-Meer-Masken wurden so erstellt, dass sie möglichst ähnliche Anteile als Meerfläche aussonderten und somit eine möglichst gute Vergleichbarkeit zwischen den OAGCM-Datensätzen ermöglichen. Meist wurde eine Datenzelle als Land klassiert, wenn sie einen Landanteil von mindestens 20% aufweist. Diese Land-Meer-Masken unterscheiden nicht zwischen Meer- und Seeflächen. Datenpunkte über grossen Seen wurden als Ozeanflächen klassiert. Um diese Lücken zu füllen wurden GIS-Daten der „Global Lakes and Wetlands Database (GLWD)“ von Lehner und Döll (2004) beigezogen. Diese Daten geben die globale Verteilung verschiedenster Typen von Wasserkörpern in einer Auflösung von wenigen Kilometern wieder. Von den verschiedenen Wasserkörpern wurden Seen und Stauseen ausgewählt und Gitternetze in der Auflösung der Klimamodelldaten darüber gelegt. Auf diese Weise konnte der Anteil an Seeoberfläche an der Gesamtfläche jeder Gitterzelle berechnet werden (Abb. 11). Um die Lücken in den Land-Meer-Masken aufzufüllen, wurden Gitterzellen mit einem grossen Seeanteil den Landflächen zugeordnet. Die Daten der globalen Seenverteilung wurden auch benutzt, um die Gleichgewichtstemperatur-Anomalie bei real existierenden und nicht nur potentiellen Seen abzuschätzen. Dazu wurden die errechneten Gleichgewichtstemperatur-Anomalien jedes Datenpunktes gemäss seines individuellen Seeanteils gewichtet. b) MIROC Seeflächenanteil Seeflächenanteil a) INMCM Abb. 11. Seeflächenanteil pro Gitterzelle bei dem Modell mit der a) schlechtesten räumlichen Auflösung (INMCM) und b) besten räumlichen Auflösung (MIROC). 34 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 2 Material und Methoden 2.6 Arbeitsschritte Die von den AOGCMs verwendeten geographischen Projektionen der Welt sind nicht flächentreu. Für die Berechnungen globaler Mittelwerte müssen die Datenpunkte gemäss ihrer Fläche gewichtet werden, da sonst Datenpunkte mit steigender Breite zunehmend überproportional im Durchschnittswert vertreten wären. Diese Gewichtung erfolgt durch eine Kosinus-Funktion (Abb. 12). Die Flächengewichtung wird monatlich durchgeführt, da die relevanten Flächen (Teq > 0°C) in der Zeit variieren und somit je nach Monat eine unterschiedliche Anzahl an Datenpunkten verfügbar ist. Abb. 12. Flächengewichtungsfaktor als Funktion der geographischen Breite. Hier wird gezeigt, um welche Grössenordnung die Fläche und somit die Gewichtung von Datenpunkten entlang der Breite im Vergleich zum Äquator (Gewichtung 1) abnimmt. 35 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.1 Globale Mittelwerte 3 Resultate Es wurde eine grosse Menge an Resultaten produziert. Die wichtigsten Resultate und Visualisierungen werden in diesem Kapitel aufgeführt und erläutert. Die Resultate sind nach verschiedenen Betrachtungsweisen gegliedert. Allerdings lassen sich diese Betrachtungsweisen nicht vollständig von einander ablösen. Viele beobachtbare Phänomene lassen sich nur durch die Kombination verschiedener Betrachtungen beurteilen und erklären. Eine solche Diskussion der Resultate folgt in Kapitel 4. Wenn von einer Anomalie oder einer Veränderung eines Parameters die Rede ist, bezieht sich das immer auf die Differenz zwischen der zukünftigen Klimatologie (2070-2099) und der Basisklimatologie (1961-1990). Es wird also untersucht, wie stark sich die Gleichgewichtstemperatur in diesem Jahrhundert verändern wird. Diese Werte können unter bestimmten Vorbehalten (siehe Kapitel 2.1.2) auf die Oberflächentemperaturen von Seen übertragen werden. Bei allen Berechnungen und Analysen wurden nur jene Datenpunkte berücksichtigt, welche in die GleichgewichtstemperaturAnomalie einfliessen. Es entfallen demnach alle Datenpunkte, welche über Ozeanflächen liegen oder die Gleichgewichtstemperatur von 0°C nicht überschreiten. Damit wird verhindert, dass räumlich und zeitlich unterschiedliche Datensätze miteinander verglichen werden. Globale Mittelwerte sind immer flächengewichtet, Mittelwerte über Seeflächen sind nach Fläche und Seeanteil gewichtet. Die Benennung der AOGCMs zeigt jeweils an, von welchem Klimamodell die verwendeten KlimaParameter stammen. Um die Gleichgewichtstemperaturanomalien in verschiedenen Klimazonen zu untersuchen, wurden Intervalle von 15° Breite gebildet. Dabei wurden jeweils die sich entsprechenden Breitengrad-Intervalle der Nord- und Südhalbkugel mit einer zeitlichen Verschiebung von sechs Monaten zusammengefasst. 3.1 Globale Mittelwerte Um die globale Grössenordnung der Auswirkungen des Klimawandels auf Seen abzuschätzen, wurden die jährlichen globalen Mittelwerte der Gleichgewichtstemperatur-Anomalien berechnet (Tab. 2). Die Temperaturänderung liegt bei der gesamten Landfläche je nach Klimamodelldaten bei einer Erwärmung von 1.88-3.68°C, über den Seeflächen bei 1.66-4.23°C. Diese grosse Spannbreite ist hauptsächlich auf die Daten des MIROC-Modells zurückzuführen, welche zu rund 30% höheren Temperaturanstiegen führen. Werden die Resultate von MIROC nicht berücksichtigt, liegt die durchschnittliche Zunahme der Gleichgewichtstemperatur über der Landfläche bei ca. 2.1°C mit maximalen Abweichungen von rund 0.2°C. Über den Seeflächen ist die Streuung etwas grösser. Der 36 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.1 Globale Mittelwerte Temperaturanstieg fällt bei den meisten Modellen über den Seeflächen etwas höher aus als über den gesamten Landmassen. Bei Verwendung von GISS-Modelldaten hingegen wird über Seen ein deutlich geringerer Temperaturanstieg berechnet. Dies ist auf fehlerhafte Daten über dem kaspischen Meer zurückzuführen (siehe Kapitel 4.5). Einige Gebiete mit grossem Seeanteil, vor allem die Region der Great Lakes, sind von einem besonders starken Gleichgewichtstemperaturanstieg betroffen, was zu diesen verstärkten Temperaturanomalien führt (siehe Abb. 14). Tab. 2. Jährlich gemittelte globale Gleichgewichtstemperatur-Anomalie von Seen über der gesamten Land- und Seefläche berechnet mit Klimadaten sechs verschiedener AOGCMs. BCCR CCCMA CNRM GISS INMCM MIROC Arithmetisches Mittel d Teq gesamte Landflächen (°C) 1.93 2.31 2.34 1.88 2.19 3.68 2.39 d Teq Seeflächen (C°) 2.05 2.39 2.34 1.66 2.29 4.23 2.49 In Abb. 13. wird die Streuung der Gleichgewichtstemperatur-Anomalie innerhalb der Datensätze betrachtet. Die rote Linie ist dabei der Median und innerhalb der blauen Box (begrenzt durch das 25% und 75% Quartil) liegen 50% der Datenwerte. Werte, die über- oder unterhalb der Whisker liegen, werden als Ausreisser behandelt und nicht bewertet. Die Median-Werte unterscheiden sich meist eher gering von den flächengewichteten Mittelwerten (Tab. 2). Bei Klimamodellen mit grober räumlicher Auflösung ist eine schwächere Streuung der Datenwerte zu erwarten, da die grossen Flächen der Datenpunkte als Tiefpassfilter wirken (siehe Kapitel 2.5.3). Das MIROC-Modell mit der besten räumlichen Auflösung zeigt denn auch deutlich die grösste Streuung. Das BCCR-Modell mit einer durchschnittlichen räumlichen Auflösung zeigt zwar einige Ausreisser, eine grosse Menge an Datenpunkten bewegt sich aber sehr nahe an 2C°. Die anderen Modelle zeigen trotz unterschiedlicher Auflösungen kaum Unterschiede in der Streuung der Datenpunkte. Wie starke die Streuung ausfällt scheint demnach nicht nur an der Auflösung der Modelldaten, sondern auch an den Charakteristiken der einzelnen AOGCMs zu liegen. Obwohl der Trend in Richtung einer starken Erwärmung geht, zeigen die Resultate immer auch einige Datenpunkte mit Abnahmen der Gleichgewichtstemperatur. Diese Datenpunkte liegen aber ausschliesslich im Bereich der Ausreisser. 37 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.2 Räumliche Betrachtung Abb. 13. Boxplot aller jährlich gemittelten Datenpunkte der Gleichgewichtstemperatur-Anomalien. Die Boxplots zeigen den Median, das 25% und 50% Quartil und die Ausreisser, welche unter- und überhalb des Whiskers liegen. d Teq bezeichnet die Gleichgewichtstemperatur-Anomalie in °C. 3.2 Räumliche Betrachtung Globale Mittelwerte zeigen die Tendenz der Gleichgewichtstemperaturentwicklung auf, verdecken aber jede räumliche und zeitliche Variabilität. Klimamodelle mit denselben globalen Mittelwerten können völlig unterschiedliche räumliche Gleichgewichtstemperaturanomalien aufweisen. Die Veränderungen der Gleichgewichtstemperatur werden deshalb in Abb. 14. räumlich dargestellt. Die räumlichen Muster der Erwärmung variieren stark zwischen den Modellen. Dennoch können Grossregionen identifiziert werden, welche gemäss der Mehrzahl der Klimamodelle einen eindeutigen Trend aufweisen. Von besonders starken Erwärmungen betroffen ist demnach der Osten Nordamerikas, der Nordwesten Russlands und teilweise die Anden. Sehr polnahe Gebiete erfahren hingegen nur eine geringe Erhöhung der Gleichgewichtstemperatur. Dies steht vermeintlich im Widerspruch zur verbreiteten Erkenntnis, dass besonders Gebiete hoher Breiten eine ausserordentlich starke Erwärmung erfahren (siehe Kapitel 4.3). 38 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.2 Räumliche Betrachtung a) BCCR b) CCCMA c) CNRM d) GISS e) INMCM f) MIROC Abb. 14. Jährlich gemittelte Veränderung der Gleichgewichtstemperatur bei Verwendung von Klimadaten der AOGCMs a) BCCR, b) CCCMA, c) CNRM, d) GISS, e) INMCM und f) MIROC. Das Auftreten von unterschiedlichen Klimazonen ist hauptsächlich von der geographischen Breite abhängig. Breitengrade sind ein guter Ausgangspunkt für die Prüfung des Einflusses eines veränderten Klimas auf Regionen. Deshalb werden in dieser Arbeit die räumlichen Variabilitäten der Gleichgewichtstemperaturanomalien grösstenteils entlang der geographischen Breite untersucht. Abb. 15. zeigt die jährlich gemittelten Gleichgewichtstemperaturanomalien entlang der geographischen Breite. Der grundsätzliche Verlauf der Gleichgewichtstemperaturanomalie ist bei allen Modellen 39 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.2 Räumliche Betrachtung ähnlich. In Breiten über 40° Süd und 50° Nord fällt die Temperaturanomalie um rund 1°C ab, während die Werte zwischen diesen beiden Breitengraden grösstenteils relativ konstant verlaufen. Die meisten Modelle zeigen zudem zwischen ca. 50° und 60° nördlicher Breite ein lokales oder absolutes Maximum der Erwärmung, ebenso um 40° Süd. In der Antarktis erhöht sich die Erwärmung gegen den Pol. Abb. 15. Jährlich gemittelte Gleichgewichtstemperaturanomalien der Landflächen entlang der geographischen Breite. Die Datenlücke bei 60° Süd sowie gegen 90°Nord ist mit der Absenz von Landmasse zu erklären. In Tab. 3. wurden die jährlich gemittelten Gleichgewichtstemperaturanomalien in BreitengradIntervallen berechnet. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Modelldaten sind hier markant grösser als bei globalen Mittelwerten (Tab. 2). Die Unterschiede der Temperaturwerte zwischen den AOGCMs (MIROC ausgeschlossen) übersteigen innerhalb eines Breitengrad-Intervalls praktisch nie 1°C. Bei Breitengraden ab 60° zeigen die meisten Modelle einen markanten Rückgang der Erwärmung und in polaren Gebieten (75°-90°) die geringste Erwärmung. Die Resultate der unterschiedlichen GCMs streuen zwischen 15°-30° am wenigsten, zwischen 60°-75° am stärksten. Tab. 3. Jährlich gemittelte Gleichgewichtstemperaturanomalien in Breitengrad-Intervallen von 15°. Daten der Nord- und Südhalbkugel wurden unter gleichen astronomischen Bedingungen (also einer zeitlichen Verschiebung von 6 Monaten) zusammengefasst. 0°-15° 2.07 BCCR 2.58 CCCMA 2.73 CNRM 2.22 GISS 1.97 INMCM 3.43 MIROC Arithmetisches 2.50 Mittel d Teq Landflächen nach Breitengrad-Intervallen 15°-30° 30°-45° 45°-60° 60°-75° 2.04 2.21 2.18 1.43 2.55 2.58 2.32 1.90 2.60 2.64 2.17 1.52 2.15 1.99 1.88 1.06 2.20 2.45 2.63 2.17 3.27 3.70 4.57 3.86 2.47 2.60 2.63 1.99 40 75°-90° 0.96 1.63 1.63 1.08 1.99 2.72 1.67 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.2 Räumliche Betrachtung Die Streuung der Temperaturanomalien in den einzelnen Breitengrad-Intervallen weist bei allen Klimamodellen ähnlich Charakteristiken auf (Abb. 16). In den Tropen ist die Erwärmung sehr konstant, die 25%- und 75%-Quartile liegen bei allen verwendeten AOGCM-Daten innerhalb ein paar weniger Zehntelgraden. Zwischen 45° und 75° Breite hingegen weisen die Gleichgewichtstemperaturanomalien eine grosse Variabilität auf mit bis zu rund 2.5°C zwischen 25%und 75%-Quartil. Die Variabilität nimmt meist mit steigender Breite kontinuierlich zu und erreicht ihr Maximum bei 45°-60° oder 60°-75°. Die Unterschiede der Resultate zwischen den einzelnen Modellen sind von 45°-75° am stärksten ausgeprägt. Zwischen diesen Breitengraden sind auch die Unterschiede zwischen Median-Werten und Mittelwerten (Tab. 3) teilweise sehr gross. 41 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.2 Räumliche Betrachtung a) BCCR b) CCCMA c) CNRM d) GISS e) INMCM f) MIROC Abb. 16. Boxplots der jährlich gemittelten Datenpunkte der Gleichgewichtstemperatur-Anomalien innerhalb Intervallen von 15° Breite. Es wurden Klimadaten der Modelle a) BCCR, b) CCCMA, c) CNRM, d) GISS, e) INMCM und f) MIROC verwendet. Zu beachten sind die unterschiedlichen Temperaturskalen. 42 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.3 Zeitliche Betrachtung 3.3 Zeitliche Betrachtung In dieser Arbeit wird die Gleichgewichtstemperatur von offenen Wasserflächen berechnet. Die verwendeten Formeln sind bei Eisbedeckung, Eisbildungs- und Schmelzprozessen nicht adäquat. Der Ausschluss der Datenpunkte mit einer negativen Gleichgewichtstemperatur führt zu einer räumlichen und zeitlichen Eingrenzung der Daten. Während gewisse Gebiete (z.B. Teile der Antarktis) ganz wegfallen, fliessen von hohen Breiten nur Daten der Sommermonate in die Analysen mit ein. Abb. 17. zeigt, in wie vielen Monaten pro Jahr in den einzelnen Gitterzellen eine Gleichgewichtstemperatur von > 0°C erreicht wird. Diese zeitliche Komponente muss bei der Interpretation der Resultate stets berücksichtigt werden. Je besser die Auflösung der Daten eines Klimamodells, desto besser werden die räumlichen Eigenschaften des Klimas erfasst. Das milde Klima entlang von Westküsten z.B. ist bei MIROC gut zu erkennen, währen dieser Effekt bei INMCM überwiegend ausgemittelt wird. Während auf der Südhemisphäre die Gleichgewichtstemperatur kaum je den Gefrierpunkt unterschreitet, nimmt die Anzahl der Monate mit positiver Gleichgewichtstemperatur auf der Nordhemisphäre gegen Norden ab. Auch eine steigende Kontinentalität reduziert die Monate mit positiven Werten der Gleichgewichtstemperatur. b) MIROC Monate mit Teq > 0°C Monate mit Teq > 0°C a) INMCM Abb. 17. Anzahl Monate pro Jahr mit einer Gleichgewichtstemperatur > 0°C bei a) schlechter räumlicher Auflösung (IMNCM) und b) guter räumlicher Auflösung (MIROC). Neben der räumlichen Betrachtung der Gleichgewichtstemperaturanomalien ist auch die zeitliche Betrachtung von grosser Bedeutung. Der jährliche Mittelwert verdeckt intraannuelle Anomalien. Z.B. kann die zusätzliche Erwärmung im Sommer von grosser Bedeutung sein, wenn bei einem Wasserkörper im Sommer bereits kritische Temperaturwerte erreicht werden. Eine zusätzliche, starke Temperaturerhöhung könnte Folgen wie extremer Sauerstoffmangel, Algenblüte oder das Umkippen des Gewässers haben. Klimatische Extremereignisse treten in bestimmten jahreszeitlichen Perioden auf (z.B. sommerliche Hitzewellen). Oft haben für Ökosysteme solche Extremereignisse grössere 43 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.3 Zeitliche Betrachtung Folgen als die Entwicklung der durchschnittlichen Wassertemperatur. Auch wenn klimatische Extremereignisse meist von kurzer Dauer sind, kann die Entwicklung der monatlich gemittelten Gleichgewichtstemperatur Hinweise auf problematische Zeitperioden geben. Deshalb wird die Entwicklung der Gleichgewichtstemperatur im Verlauf eines Jahres innerhalb einzelner BreitengradIntervallen untersucht (Abb. 18). Dabei wird nur die Nordhemisphäre betrachtet. Gemäss allen Klimamodellen liegen in äquatornahen Gebieten bis 30° Breite kaum jahreszeitliche Variabilitäten der Gleichgewichtstemperaturanomalien vor. Mit steigender Breite erhöhen sich auch die intra-annuellen Variabilitäten. In hohen Breiten sind starke zeitliche Unterschiede ersichtlich. Das Minimum der Erwärmung fällt auf die Sommermonate in der polnahen Zone. Dort fällt die Gleichgewichtstemperaturanomalie im Frühsommer stark ab und steigt im Spätsommer stark an. Alle Modelle zeigen eine stete Zunahme der zeitlichen Variabilität der Gleichgewichtstemperaturanomalie mit steigender Breite sowie das sommerliche Minimum in Polnähe. Die grössten Unterschiede zwischen den Modellen bei der zeitlichen Entwicklung sind bei 60°-75° (teilweise auch bei 45°-60°) Breite auszumachen. Während vier Modelle in dieser Zone eine unterdurchschnittliche Erwärmung aufzeigen, prognostizieren zwei AOGCMs eine überdurchschnittliche Erwärmung. 44 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.3 Zeitliche Betrachtung a) BCCR b) CCCMA c) CNRM d) GISS e) INMCM f) MIROC Abb. 18. Zeitliche Entwicklung der Gleichgewichtstemperatur in Breitengrad-Intervallen der Nordhemisphäre mit Klimamodelldaten von a) BBCR, b) CCCMA, c) CNRM, d) GISS, e) INMCM und f) MIROC. 45 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.4 Energieflüsse 3.4 Energieflüsse Der Änderung der Gleichgewichtstemperatur einer Gewässeroberfläche gehen Anomalien der Wärmeflüsse voraus. Die Gleichgewichtstemperatur bestimmt die negativen Energieflüsse über die langwellige Ausstrahlung sowie teilweise über die turbulenten Wärmeflüsse. Abb. 19. zeigt die absoluten Wärmeflüsse nach Breitengrad-Intervallen am Beispiel des CNRM-Modells. Der radiative Energieaustausch ist um ein vielfaches höher als der turbulente. Die absoluten Energieflüsse unterscheiden sich in ihren Verhältnissen zueinander zwischen verschiedenen AOGCMs kaum. Innerhalb der einzelnen Breitengrad-Intervallen ist der Netto-Energieaustausch zwischen Seeoberfläche und Atmosphäre null, da ein Gleichgewichtszustand beschrieben wird. Die grösste Energiezufuhr in den Wasserkörper erfolgt über die langwellige Einstrahlung. Diese nimmt mit steigender Breite kontinuierlich ab. Die solare Einstrahlung erreicht ihr Minimum zwischen ca. 45°60° Breite und steigt dann gegen die Polregionen an. Zwischen 75°-90° Breite ist die Solarstrahlung der dominante positive Energiefluss. Dieser Effekt ist auf die zeitliche Einschränkung der Daten in hohen Breiten auf Sommermonate zurückzuführen (siehe Kapitel 3.3). Bei den negativen Energieflüssen dominiert die langwellige Abstrahlung. Die turbulenten Wärmeflüsse können positiv oder negativ sein, bewirken aber einen negative Netto-Energiefluss. Der latente Wärmefluss ist besonders in tiefen Breiten wichtig und nimmt mit steigender Breite ab. Umgekehrt verhält es sich mit dem konvektiven Wärmefluss, welcher erst in kalten Klimaregionen (ca. ab 60° Breite) zu grösseren Energieflüssen führt. Abb. 19. Absolute Energieflüsse unter Verwendung von Basisklimadaten des Modelles CNRM nach Breitengrad-Intervallen. Die Summe aller Energieflüsse innerhalb eines Breitengrad-Intervalls entspricht 0, da sie einen Gleichgewichtszustand beschreiben. Die totalen Energieflüsse und die Grössenverhältnisse der einzelnen Wärmeflüsse sind bei allen AOGCMs sehr ähnlich. 46 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.4 Energieflüsse Die wegen des Klimawandels bewirkten Veränderungen der Energieflüsse werden in Abb. 20. dargestellt. Die positiven und negativen Anomalien der Energieflüsse gleichen sich in jedem Breitengrad-Intervall aufgrund der Gleichgewichtsannahme aus. Die stärkste Zunahme aller Energieflüsse erfährt die langwellige Einstrahlung. Gegen die Pole schwächt sich diese Zunahme ab. Die solare Einstrahlung verändert sich gemäss der Mehrzahl der Klimamodelle bis ca. 60° Breite kaum. In hohen Breiten ist allerdings eine deutliche Abnahme festzustellen. Die langwellige Abstrahlung nimmt verhältnismässig wenig zu. Der negative Wärmefluss der latenten Wärme hingegen vergrössert sich besonders in tieferen Breiten überproportional. Die Anomalie des konvektiven Wärmeflusses zeigt in allen Breitengrad-Regionen und bei allen AOGCMs eine Energiezufuhr in den See. Der Netto-Energie Transfer von der Seeoberfläche in die Atmosphäre durch konvektiven Wärmefluss schwächt sich somit ab. Generell verändern sich die turbulenten Wärmeflüsse überproportional stark. Die Änderungen aller Energieflüsse liegen im ein- bis knapp zweistelligen Prozentbereich. 47 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.4 Energieflüsse a) BCCR d d b) CCCMA d) GISS d d c) CNRM f) MIROC d d e) INMCM Abb. 20. Jährlich gemittelte Energieflussanomalien in einzelnen Breitengrad-Intervallen bei Verwendung von Klimadaten der Modelle a) BCCR, b) CCCMA, c) CNRM) d) GISS, e) INMCM und f) MIROC. 48 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.5 Einfluss einzelner Klimafaktoren 3.5 Einfluss einzelner Klimafaktoren 3.5.1 Gleichgewichtstemperatur bei einem variablen Klimafaktor Der Einfluss einzelner Klimafaktoren auf die Veränderung der Gleichgewichtstemperatur soll genauer untersucht werden. Dies kann auf verschiedene Weise erreicht werden. In dieser Arbeit wird der Einfluss der Klimafaktoren vor allem anhand der Veränderungen von nur einem Klimafaktor sowie mit Regressionen abgeschätzt. Die Gleichgewichtstemperatur für die Basisklimatologie wurde mit den benötigten Klimadaten berechnet. Die Gleichgewichtstemperatur des zukünftigen Klimas wurde hingegen nicht wie bis anhin mit der zukünftigen Klimatologie berechnet. Es wurden nur die Daten eines Klimafaktors unter zukünftigem Klima benutzt, die restlichen Klimafaktoren wurden dem Datensatz der Basisklimatologie entnommen. Die durch Subtraktion der beiden Gleichgewichtstemperaturen berechneten Anomalien zeigen also die Auswirkungen von nur einem veränderten Klimafaktor. Dies wurde mit Daten des Klimamodells CNRM durchgeführt. In Abb. 21. werden die berechneten Gleichgewichtstemperatur-Anomalien räumlich dargestellt. Zudem wird die Einfachregression zwischen der berechneten Anomalie der Gleichgewichtstemperatur und der Anomalie des veränderten Klimafaktors gezeigt. 49 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.5 Einfluss einzelner Klimafaktoren a 1) a 2) b 1) b 2) c 1) c 2) d 1) d 2) 50 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.5 Einfluss einzelner Klimafaktoren e 1) e 2) f 1) f 2) Abb. 21. Gleichgewichtstemperaturanomalien bei Verwendung der Basisklimatologie und nur einem Klimafaktor unter zukünftigem Klima. Es wurden Klimadaten des CNRM-Modelles verwendet. Die Abbildungen 1) zeigen jeweils den jährlichen Mittelwert in räumlicher Ansicht, 2) zeigen die Einfachregression der Gleichgewichtstemperatur-Anomalien mit den Anomalien eines Klimafaktors. Der Nullpunkt der Anomalie des Klimafaktors fällt jeweils auf jenen der Gleichgewichtstemperaturanomalie. y beschreibt die Regressionsgerade. Die Resultate werden gezeigt für den veränderten Klimafaktor a) Luftdruck, b) Lufttemperatur, c) Dampfdruck, d) Windgeschwindigkeit, e) Bewölkung und f) solare Einstrahlung. Der Oberflächenluftdruck beeinflusst den latenten Wärmefluss über die Bowen-Konstante (Formel 11). Die Luftdruck-Anomalien bewegen sich um ein paar 100 Pa und damit im tausendstel-Bereich des Atmosphärendrucks. Die dadurch verursachten Gleichgewichtstemperatur-Anomalien sind minim (Abb. 21. a). An einzelnen Datenpunkten erreichen sie maximal 0.05°C. Im Vergleich mit der Grössenordnung der durch andere Klimafaktoren verursachten Anomalien ist der Einfluss des Dampfdruckes vernachlässigbar. In der Folge wird dieser Faktor nicht weiter untersucht. Die Anomalie der Lufttemperatur führt zu einer markanten Erhöhung der Gleichgewichtstemperatur (Abb. 21. b). Einige räumliche Muster der Gleichgewichtstemperatur-Anomalien gleichen jenen unter Einbezug aller Parameter, insbesondere in mittleren und hohen Breiten. Im Streudiagramm befinden sich die Datenpunkte mit kleiner Varianz entlang der Regressionsgeraden mit einer Steigung von 0.46. 51 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.5 Einfluss einzelner Klimafaktoren Die Änderungen des Dampfdrucks führen ebenfalls zu ausgeprägten GleichgewichtstemperaturAnomalien (Abb. 21. c). Dampfdruck und Gleichgewichtstemperatur sind positiv korreliert. Auffallend ist die grosse Streuung der Datenpunkte. Die Gleichgewichtstemperatur reagiert räumlich und zeitlich variabel auf Änderungen des Dampfdrucks. Die Beschreibung mit linearer Regression ist schwierig. Windgeschwindigkeits- und Bewölkungsanomalien haben im jährlichen Mittel einen eher geringen Einfluss auf die Gleichgewichtstemperatur (Abb. 21. d und e). Während bei der Windgeschwindigkeit eine deutlich negativ korreliert entsteht, ist die Korrelation bei der Bewölkung schwach positiv. Bei der Windgeschwindigkeit ist festzustellen, dass trotz der generell negativen Korrelation eine Erhöhung der Windgeschwindigkeit auch einen Gleichgewichtstemperatur-Anstieg bewirken kann. Die Anomalien der solaren Einstrahlung führen insbesondere in den hohen Breiten der Nordhemisphäre zu einer deutlichen Abkühlung der Gleichgewichtstemperatur (Abb. 21. e). Änderungen in der Bewölkung und der solaren Einstrahlung zeigen teilweise inverse Auswirkungen, was auf die starke Korrelation dieser Klimafaktoren hindeutet. 3.5.2 Regressionen der Gleichgewichtstemperatur und der Klimafaktoren Die Reaktion der Gleichgewichtstemperatur auf die veränderten Klimafaktoren wird mit multipler linearer Regression bestimmt. Auf globaler Ebene liegen die Werte der Zusammenhänge aller Modelle in derselben Grössenordnung (Tab. 4). Die einheitlichsten Resultate werden bei der Lufttemperatur erzielt. Die Gleichgewichtstemperatur steigt auf globaler Ebene pro °C höherer Lufttemperatur um rund 0.55°C (0.48-0.63°C). Bei dem Dampfdruck sind die Unterschiede zwischen den Modellen bedeutend grösser (0.09 -0.19°C pro Pa Dampfdruck). 1m-s stärkere Windgeschwindigkeit führt zu einer Abkühlung von 0.69-1.24°C, 1% Bewölkungszunahme bewirkt eine -2 Gleichgewichtstemperaturanstieg von 0.016- 0.040°C und 1 Wm stärkere solare Einstrahlung eine Temperaturzunahme von 0.020- 0.036°C. In globaler Grössenordnung liegen die primären Ungenauigkeiten der ermittelten Einflüsse der Klimafaktoren in der teilweisen Nichtlinearität der Zusammenhänge aufgrund starker geographischer Unterschiede. 52 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.5 Einfluss einzelner Klimafaktoren Tab. 4. Reaktion der Gleichgewichtstemperatur auf die Veränderung einer Klimafaktor-Einheit. BCCR CCCMA CNRM GISS INMCM MIROC Arithmetisches Mittel d Teq pro d Tair (°C/°C) 0.613 0.511 0.520 0.476 0.567 0.632 0.553 d Teq pro d eA (°C/Pa) 0.150 0.092 0.136 0.193 0.140 0.148 0.143 d Teq pro d u (°C/ms-1) -0.688 -0.885 -0.844 -1.243 -0.860 -1.033 -0.926 d Teq pro d C (°C/%) 0.023 0.036 0.032 0.016 0.040 0.033 0.030 d Teq d HS (°C/Wm-2) 0.026 0.033 0.030 0.028 0.020 0.036 0.029 In Tab. 5. wurde die Abhängigkeit der Gleichgewichtstemperatur von Anomalien der Klimafaktoren innerhalb von Breitengrad-Intervallen berechnet. Die Daten der unterschiedlichen Klimamodelle streuen stärker als bei globaler Grössenordnung. Alle Klimamodelle zeigen mit steigenden Breitengraden einen Trend zu stärkerer Sensibilität der Gleichgewichtstemperatur auf LufttemperaturSchwankungen. Der Einfluss des Dampfdruckes scheint in sehr hohen Breiten am stärksten zu sein. Die Windgeschwindigkeit ist besonders in tiefen Breiten wie auch in Polnähe wichtig. Die Abhängigkeit der Gleichgewichtstemperatur von der Bewölkung ist zwischen 60° und 75° Breite am höchsten, bei der solaren Einstrahlung zwischen 60° und 90°. Generell steigt der Einfluss der Klimafaktoren auf die Gleichgewichtstemperatur mit zunehmender Breite. Das grösste Problem bei der Regressionsanalyse auf regionaler Skala sind die teilweise sehr starken Korrelationen zwischen den Klimafaktoren. Z.B. wird bei MIROC zwischen 30° und 60° Breite ein negativer Zusammenhang zwischen Gleichgewichtstemperatur- und Bewölkungsanomalie errechnet. Aufgrund der verwendeten Wärmeflussformeln ist allerdings nur ein positiver Zusammenhang möglich. In diesen Breitengraden sind Bewölkung und solare Einstrahlung besonders stark korreliert, was die Ursache dieses Fehlers ist. Die Resultate von Tab. 5. sind also kritisch zu betrachten, besonders bei Klimafaktoren mit eher geringem Einfluss auf die Gleichgewichtstemperatur (siehe Abb. 21). Tab. 5. Einfluss einzelner Klimafaktoren auf die Gleichgewichtstemperatur in einzelnen Breitengrad-Intervallen. d Teq pro d Tair (°C/°C) BCCR CCCMA CNRM GISS INMCM MIROC Arithmetisches Mittel 0°-15° 0.518 0.397 0.425 0.550 0.509 0.391 15°-30° 0.481 0.439 0.424 0.457 0.531 0.451 30°-45° 0.541 0.533 0.460 0.401 0.451 0.440 45°-60° 0.613 0.864 0.539 0.527 0.638 0.647 60°-75° 0.735 0.806 0.815 0.621 0.733 0.689 75°-90° 0.784 0.588 0.710 0.680 0.665 0.616 0.465 0.464 0.471 0.638 0.7332 0.6738 53 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.5 Einfluss einzelner Klimafaktoren d Teq pro d eA (°C/Pa) BCCR CCCMA CNRM GISS INMCM MIROC Arithmetisches Mittel 0°-15° 0.216 0.138 0.123 0.186 0.212 0.154 15°-30° 0.162 0.144 0.126 0.145 0.140 0.160 30°-45° 0.202 0.033 0.172 0.265 0.251 0.164 45°-60° 0.296 -0.085 0.262 0.349 0.182 0.001 60°-75° 0.227 0.203 0.231 0.405 0.329 0.232 75°-90° 0.242 0.573 0.474 0.566 0.578 0.649 0.172 0.146 0.181 0.168 0.2712 0.514 dTeq pro d u (°C/ms-1) BCCR CCCMA CNRM GISS INMCM MIROC Arithmetisches Mittel 0°-15° -0.772 -0.975 -1.331 -1.221 -1.054 -1.094 15°-30° -0.897 -1.056 -0.881 -1.278 -0.992 -1.284 30°-45° -0.754 -0.857 -1.050 -1.257 -0.894 -1.086 45°-60° -0.236 -0.522 -0.514 -1.140 -0.466 -0.491 60°-75° -0.766 -0.548 -0.708 -0.887 -0.747 -0.935 75°-90° -1.001 -0.837 -0.951 -1.184 -1.058 -1.216 -1.075 -1.065 -0.983 -0.562 -0.765 -1.041 d Teq pro d C (°C/%) BCCR CCCMA CNRM GISS INMCM MIROC Arithmetisches Mittel 0°-15° 0.027 0.030 0.036 0.023 0.035 0.024 15°-30° 0.025 0.028 0.026 0.030 0.028 0.036 30°-45° 0.010 0.040 0.026 0.001 0.031 -0.019 45°-60° 0.028 0.078 0.032 0.005 0.052 -0.018 60°-75° 0.041 0.034 0.050 0.031 0.072 0.035 75°-90° 0.017 0.039 0.028 0.024 0.009 0.024 0.029 0.029 0.015 0.030 0.044 0.024 d Teq pro d HS (°C/Wm-2) 0°-15° 0.028 0.031 0.029 0.018 0.022 0.031 BCCR CCCMA CNRM GISS INMCM MIROC Arithmetisches 0.027 Mittel 15°-30° 0.026 0.028 0.025 0.027 0.015 0.029 30°-45° 0.022 0.032 0.026 0.028 0.012 0.016 45°-60° 0.027 0.056 0.025 0.022 0.019 0.034 60°-75° 0.049 0.052 0.053 0.045 0.047 0.043 75°-90° 0.051 0.062 0.049 0.047 0.043 0.047 0.025 0.023 0.031 0.048 0.050 54 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 3 Resultate 3.6 Einfluss unterschiedlicher Wärmeflussformeln 3.6 Einfluss unterschiedlicher Wärmeflussformeln Um die Abhängigkeit der Resultate von den gewählten Wärmeflussformeln zu untersuchen, wurde die Gleichgewichtstemperatur mit teilweise ausgetauschten Formeln berechnet. Bei der einen Berechnung wurde eine alternative Formel für die atmosphärische Emissivität verwendet, Formel 5 wurde durch Formel 6 ersetzt. Für die zweite Berechnung wurde eine alternative Formel für den latenten Wärmefluss eingesetzt, Formel 8 wurde durch Formel 9 ersetzt. Die Unterschiede zwischen Standardund alternativer Formel werden in Kapitel 2.2.1.2 und 2.2.1.3 besprochen. Die Berechnungen wurden mit CNRM-Klimadaten durchgeführt. Die atmosphärische Emissivität ist ein wichtiger Teil der Berechnung der langwelligen Einstrahlung. Ein Wechsel der Formel für atmosphärische Emissivität verändert also die Wärmeflussformel der langwelligen Einstrahlung. Mit Einsatz der alternativen Formel für die langwellige Einstrahlung (Formel 6 von Idso and Jackson) wurde eine Gleichgewichtstemperatur-Anomalie über der Landoberfläche von 2.10 °C errechnet. Dieser Wert liegt um 0.24°C tiefer als bei Berechnung mit den Standardformeln. Über Seeflächen liegt die ermittelte Gleichgewichtstemperatur-Anomalie mit einer Erwärmung von 2.06°C um 0.28°C tiefer als bei Verwendung der Standardformeln. Bei Verwendung der alternativen Formel für den latenten Wärmefluss (Formel 9 nach Meyer) erhöht sich die Gleichgewichtstemperatur über Land um 2.24°C und über Seeflächen um 2.28°C. Dies entspricht einer 0.10°C resp. 0.06°C schwächeren Erwärmung als bei Gebrauch der Standardformeln. Die Unterschiede der absoluten Gleichgewichtstemperatur sind bei Verwendung verschiedener Formeln hingegen markant (Abb. 22). Die alternative Formel für langwellige Einstrahlung führt in den Tropen zu deutlich tieferen (ca. -2°C) und in Polargebieten zu höheren (ca. +2°C) Temperaturen. Auch über Gebirgen (Himalaya, Rocky Mountains, Anden) wird eine deutlich höhere Gleichgewichtstemperatur errechnet. Die Verwendung der alternativen Formel für den latenten Wärmefluss bewirkt massiv tiefere Temperaturen über ariden Gebieten (Nordafrika, Arabische Halbinsel bis Zentralasien). Generell liegt die Gleichgewichtstemperatur rund 1.5°C tiefer als bei Einsatz der Standardformeln. Nur an den Polen wird die Temperatur um ca. 0.5°C höher berechnet. Die Unterschiede fallen so aus, wie das anhand der in Abb. 5 und 6 dargestellten Zusammenhänge zu erwarten war. 55 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung b) Teq_Standard - Teq_Meyer Teq _Standard - Teq_Idso_and_Jackson a) 3 Resultate 3.6 Einfluss unterschiedlicher Wärmeflussformeln Abb. 22. Differenz der jährlich gemittelten Gleichgewichtstemperaturen von alternativen Wärmeflussformeln und Standardformeln unter CNRM-Basisklimatologie. Es wurden alternative Formeln für a) die atmosphärische Emissivität (Idso and Jackson) und b) den latenten Wärmefluss (Meyer) verwendet. Zu beachten ist sind die unterschiedlichen Temperaturskalen. Die Differenzen zwischen Gleichgewichtstemperatur-Anomalien bei Verwendung von Standard- und Alternativformeln fallen im Gegensatz zu den absoluten Werten gering aus (Abb. 23). Die Unterschiede bewegen sich im Bereich von ein paar wenigen Zehntelgrad. Diese Abweichungen sind zu gering, als dass sie das grundsätzliche räumliche Muster der Gleichgewichtstemperatur-Anomalien der Standardformeln verändern könnten. Auch die Streuung der Datenpunkte und die zeitliche Entwicklung der Änderungen unterscheiden sich kaum durch den Austausch einer Wärmeflussformel. Lokal kann die Verwendung verschiedener Formeln gewisse Unterschiede bewirken (z.B. Himalaya, Arabien und Zentralasien, Nordwestamerika). Bei grossskaliger Betrachtung sind diese Unterschiede allerdings von geringer Bedeutung. Die absoluten Werte reagieren demnach viel sensitiver auf unterschiedliche Gleichungen als die Temperaturdifferenzen. 56 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung a) 3 Resultate 3.6 Einfluss unterschiedlicher Wärmeflussformeln dTeq _Standard - dTeq_Meyer dTeq _Standard - dTeq_Idso_and_Jackson b) Abb. 23. Differenz der jährlich gemittelten Gleichgewichtstemperatur-Anomalien bei Verwendung der Standardformeln und alternativer Formel für a) die atmosphärische Emissivität (Idso and Jackson) sowie b) den latenten Wärmefluss (Meyer). Zu beachten sind die unterschiedlichen Temperaturskalen. Die Entwicklung der Gleichgewichtstemperaturanomalien entlang der geographischen Breite unterscheidet sich kaum durch Gebrauch verschiedener Formeln der Wärmeflüsse (Abb. 24). Die Hauptunterschiede liegen in relativ konstanten Differenzen von 1-2 Zehntelgrad. Besonders über Tropen und Subtropen verlaufen die Kurven nahezu identisch zueinander. Einige breitenabhängige Unterschiede treten ab 50° Nord und 40° Süd auf. Abb. 24. Gleichgewichtstemperatur-Anomalien berechnet mit Standard- und Alternativformeln entlang der geographischen Breite. Die alternative Formel der langwelligen Einstrahlung (HA) basiert auf der Formel von Idso and Jackson (Formel 6), jene für den alternativen latenten Wärmefluss (HV) auf der Formel von Meyer (Formel 9). Die Datenlücke um 60° Süd ist auf die Absenz von Landmasse zurückzuführen. 57 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 4 Diskussion 4.1 Eignung des verwendeten Ansatzes 4 Diskussion 4.1 Eignung des verwendeten Ansatzes Um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wassertemperatur von Seen abzuschätzen, ist die Verwendung der Gleichgewichtstemperatur empfehlenswert. Dieser Ansatz ermöglicht die beste Annäherung an die realen Energieflüsse zwischen Wasser und Atmosphäre und ist deshalb als zuverlässiger zu betrachten als andere Ansätze. Die Gleichgewichtstemperatur ist nicht geographisch gebunden wie beispielsweise empirische Ansätze und kann deshalb global eingesetzt werden. Die Gleichgewichtstemperatur kann in komplexere Untersuchungen einfliessen, z.B. als Input-Faktor in ein Seen-Modell. Falls sich die Emission von Treibhausgasen ungefähr so entwickelt, wie dies bei dem Emissionsszenario SRES A1B angenommen wird, ist mit massiven klimabedingten Veränderungen in Seen zu rechnen. Auch bei Verwendung von Klimadaten wenig klimasensitiver AOGCMs liegt die Erhöhung der Gleichgewichtstemperatur innerhalb von 60° Nord und Süd kaum unter 2°C. Diverse der in Kapitel 1.4 beschriebenen Auswirkungen würden bis Ende dieses Jahrhunderts eintreffen. 4.2 Einfluss der Grössenskalen Klima spielt sich in verschiedenen Skalen ab. Mit AOGCMs kann nur das grossskalige Hintergrundklima modelliert werden. Gemäss Christensen et al. (2007) sind Prozesse unter der Auflösung von AOGCMs (typischerweise in der Grössenordnung von 200km) wichtig, können aber von AOGCMs nicht repräsentiert werden. Hochauflösende Klimamodelle deuten darauf hin, dass in stark von der Orographie beeinflussten Regionen grossskalige Klimaentwicklungen beträchtlich verändert oder in einigen Fällen sogar umgekehrt werden können (Christensen et al., 2007). Für Gebiete mit starkem Einfluss der lokalen Gegebenheiten (z.B. Bergregionen) ist die Aussagekraft der Resultate einer grossskaligen Untersuchung demnach gering. Regionale Klimamodelle können in solchen Fällen zu deutlichen Verbesserungen führen. Allerdings sind die Fehler bei Klimamodellierung kleiner Skalen grösser als bei Modellierung grosser Skalen (Randall et al., 2007). Dies ist auch bei der modellierten Gleichgewichtstemperatur ersichtlich. Je kleinskaliger die untersuchten Gebiete sind, desto stärker unterscheiden sich die Resultate aufgrund der verwendeten Klimadaten. Während globale Mittelwerte der Gleichgewichtstemperatur-Anomalie bei allen Modellen vergleichbar ausfallen, gibt es bei den räumlichen Mustern (Abb. 14) markante 58 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 4 Diskussion 4.3 Einfluss der Jahreszeit Unterschiede. Es ist demnach schwierig, für Grossregionen wie Kontinente die Entwicklung der Gleichgewichtstemperatur zu prognostizieren. Eine Ausnahme bilden die Tropen. Dort wird unter Anwendung aller AOGCM-Klimadaten eine sehr uniforme Erwärmung prognostiziert (Abb. 16), welche sich zwischen den Klimamodellen nur gering unterscheidet. Die Prognosen für die Tropen scheinen demnach besser möglich und viel robuster zu sein als für andere Klimaregionen. In mittleren bis hohen Breiten (45°-75°) hingegen streuen die berechneten Gleichgewichtstemperatur-Anomalien stark. In ein paar wenigen Gebieten höherer Breiten sind die Resultate zwischen den AOGCMs relativ konsistent. Dort sind die Aussagen über die zukünftige Entwicklung mit geringerer Unsicherheit verbunden. Regionen, welche besonders stark von einer Erhöhung der Gleichgewichtstemperatur betroffen sind, zeigen vor allem zwei Merkmale. Es ist dies eine deutliche Erhöhung der Lufttemperatur bei gleichzeitiger Zunahme des Dampfdruckes. Dieser Effekt deutet auf die Wasserdampf-Rückkoppelung hin (siehe Kapitel 2.3.2). Ein solcher Rückkoppelungseffekt ist nur bei genügend grosser Feuchtigkeitsverfügbarkeit möglich. In der von einer besonders starken Erhöhung der Gleichgewichtstemperatur betroffenen Region in Nord-Ost-Amerika sind die Voraussetzungen dafür gegeben. Während die Lufttemperatur dieser Region ansteigt, wird zudem ein Anstieg des Niederschlages (Christensen et al., 2007) und somit ein Trend zu einem feuchteren Klima erwartet. Das stark klimasensitive AOGCM MIROC zeigt diesen Effekt sehr ausgeprägt. Die stärksten Gleichgewichtstemperatur-Anomalien werden auf der Nordhemisphäre ab ca. 40° Breite sowie in Tropenregionen modelliert. Gemäss Christensen et al. (2007) erhöht eine Erwärmung die räumliche Variabilität des Niederschlages, was zu einer Verminderung des Regens in den Subtropen und einer Erhöhung in hohen Breiten und in Teilen der Tropen führt. Auch die etwas stärkere Erwärmung der Gleichgewichtstemperatur (rund 0.1°C) über Seeflächen als über der gesamten Erdoberfläche kann mit dem Effekt der Wasserdampf-Rückkoppelung erklärt werden. Grosse Seen versorgen die Atmosphäre mit Wasserdampf. Regionen mit einer grossen Seendichte liegen überwiegend in feuchten Klimaten. Die Wasserverfügbarkeit über Gitterzellen mit grossem Seeflächenanteil ist demnach höher als über der gesamten Landoberfläche und erlaubt somit einen stärkeren Rückkoppelungseffekt. 4.3 Einfluss der Jahreszeit In hohen Breiten (ca. ab 60°) ist eine geringe Zunahme der Gleichgewichtstemperatur festzustellen. Die solare Einstrahlung in diesen Gebieten geht markant zurück. Dies ist hauptsächlich auf die Bewölkungszunahme in dieser Zone zurückzuführen. Dies scheint der oft formulierten Erkenntnis zu widersprechen, dass ganz besonders in hohen Breiten ein überdurchschnittlich starker Klimawandel zu erwarten ist (z.B. Mueller et al., 2009; Christensen et al., 2007; Meehl et al., 2007). Die Erklärung für dieses Phänomen liefert die zeitliche Betrachtung. 59 In hohen Breiten fallen die Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 4 Diskussion 4.4 Änderungen der Energieflüsse Gleichgewichtstemperaturen in Wintermonaten unter 0°C und werden deshalb nicht in den Berechnungen berücksichtigt. Mit steigender Breite schränken sich die verfügbaren Daten demnach immer mehr auf die Sommermonate ein (Abb. 17). Gemäss Christensen et al. (2007) ist die Temperaturzunahme in 60°-90° Nord im Sommer massiv geringer als Winter. Dies spiegelt sich auch in den Gleichgewichtstemperatur-Anomalien in Breiten von 75°-90° und teilweise auch 60°-75° wieder (Abb. 18). Das Minimum der Erwärmung liegt jeweils im Juni oder Juli, vorher fällt die Anomalie der Gleichgewichtstemperatur stark, danach erhöht sie sich sofort wieder. In sehr hohen Breiten wird also nicht vor allem die Erhöhung der Wasseroberflächentemperatur zu grossen Veränderungen in Seen führen, sondern vielmehr Veränderungen in der Kryosphäre und somit der Dauer der Eisbedeckung. Diese hat grossen Einfluss auf die physikalischen und ökologischen Verhältnisse im See. Z.B. erlaubt die Absenz einer Eisschicht die Winddurchmischung des Wassers und kann damit zu einem Regimewechsel der Stratifikation führen. Die Wichtigkeit der Gleichgewichtstemperatur ist in sehr hohen Breiten deshalb untergeordnet. In den Tropen und Subtropen erhöht sich die Gleichgewichtstemperatur-Anomalie zeitlich sehr uniform. Mit steigender Breite nimmt auch die zeitliche Variabilität der Änderung der Gleichgewichtstemperatur zu. 4.4 Änderungen der Energieflüsse Ein verändertes zukünftiges Klima bewirkt Änderungen des Energieaustausches zwischen Seeoberfläche und Atmosphäre. Aufgrund des grösseren Gehaltes an atmosphärischen Treibhausgasen steigt der Energiegehalt der Atmosphäre. Dieser Energiezuwachs führt zu einem grösseren Energieumsatz zwischen Wasseroberfläche und Atmosphäre. Dies geschieht durch höheren langwelligen Energie-Input in den Wasserkörper und verstärkten radiativen und evaporativen Energieausstoss (Abb. 20). Eine Verstärkung des Energietransfers erfolgt, wenn sich ein Wärmefluss in der Richtung des absoluten Wärmeflusses entwickelt (z.B. langwellige Einstrahlung), eine Abschwächung erfolgt bei Entwicklung in entgegengesetzter Richtung (z.B. konvektiver Wärmefluss). Der geringste Zuwachs des Energieumsatzes findet zwischen 60°-90° Breite statt. Dies ist auf den gegen hohe Breiten abnehmenden Zuwachs langwelliger Einstrahlung und evaporativen Energieverluste, besonders aber auf die Abnahme der solaren Einstrahlung und die Abschwächung des Wärmeverlustes durch konvektiven Energiefluss zurückzuführen. Die turbulenten Wärmeflüsse, insbesondere der latente Wärmefluss, erfahren eine im Vergleich zu ihren absoluten Grössen überproportionale Veränderung. Entgegen der generellen Erhöhung der Energieflüsse nimmt der konvektive Energieverlust bei allen AOGCMs in allen Regionen ab, am stärksten in hohen Breiten. Der konvektive Wärmefluss ist hauptsächlich abhängig von der Differenz von Gleichgewichts- und 60 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung Lufttemperatur. Gemäss Schmid et al. (2009) 4 Diskussion 4.5 Robustheit der Resultate steigt die Gleichgewichtstemperatur der Wasseroberfläche weniger stark an als die Lufttemperatur. Diese Tatsache wurde auch in dieser Arbeit bestätigt (Tab. 4 und 5). In einem zukünftigen Klima liegt die Lufttemperatur demnach näher bei der Gleichgewichtstemperatur als im Basisklima. Dies zeigt die Schwächen der Versuche, die Wassertemperatur von Seen empirisch durch die Lufttemperatur zu bestimmen. Auch wenn diese Zusammenhänge heute stimmen mögen, können sie unter einem sich wandelnden Klima ihre Gültigkeit verlieren. Bei den turbulenten Energieflüssen steigt die Dominanz des evaporativen Wärmeverlustes. Somit wird sich das Bowen-Verhältnis (= HC/HV) mit der Zeit verringern. Der Übergang zur verstärkten Evaporation kann auch Auswirkungen auf die Massenbilanz eines Sees haben. Dies betrifft insbesondere Seen mit einem grossen Oberflächen-Volumen-Verhältnis und langer Verweildauer des Wassers. Allerdings kann sich unter zukünftigem Klima auch der Wasserzufluss in einen See ändern. Für konkrete Aussagen zur Massenbilanz eines Sees müsste zusätzlich die Entwicklung des Niederschlages im Einzugsgebiet untersucht werden. 4.5 Robustheit der Resultate Die mit unterschiedlichen AOGCM- Klimadaten modellierten Anomalien der Gleichgewichtstemperatur unterliegen teilweise massiven Differenzen, besonders bei kleinskaligen Untersuchungsregionen. Die Robustheit der Resultate nimmt demnach mit steigender räumlicher Auflösung ab. Da die Gleichgewichtstemperatur vollständig aus den von AOGCMs generierten Klimafaktoren errechnet wird, ist die Güte der Modellierung der Gleichgewichtstemperatur von der Güte der AOGCM-Klimadaten abhängig. Fehler und Unsicherheiten in den Klimadaten werden auf die Gleichgewichtstemperatur übertragen. Einzelne Datenpunkte der Klimamodelle zeigen sehr unplausible Klimaentwicklungen auf. Z.B. zeigt das GISS-Modell über dem Kaspischen Meer, das als grösster See der Welt gilt, einen extremen Rückgang der Luftfeuchtigkeit sowie einen starken Anstieg der Lufttemperatur. Bei der Gleichgewichtstemperatur führt dies zu einer deutliche Abkühlung. Ein teilweises Austrocknen des Kaspischen Meeres könnte derartige klimatische Veränderungen bewirken. Allerdings sind diese Effekte auf den südlichen und tiefen Bereich des Kaspischen Meeres beschränkt, wo ein solches Szenario ausgeschlossen werden kann. Die Ursache dieser Extremwerte konnte nicht schlüssig ermittelt werden. In einem Fall wie diesem könnten einzelne Ausreisser grösseren Einfluss haben auf die Resultate. So zeigt das GISS-Model über den Seeflächen im Gegensatz zu allen anderen Modellen einen geringeren Temperaturanstieg als über der gesamten Landfläche. Auch andere Modelle zeigen punktuell sehr unplausible Entwicklungen auf. Dies erhöht die Unsicherheit der Resultate einzelner AOGCMs. Dem kann mit der Bildung eines Multi-Modell-Mittelwertes begegnet 61 Auswirkungen des Klimawandels auf die Gleichgewichts4 Diskussion Oberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 4.6 Verhältnis Gleichgewichtstemperatur- Klimafaktor werden. Damit können Fehler einzelner Modelle ausgemittelt und konstante Entwicklungs-Trends ersichtlich gemacht werden. Auch wenn die Zahl von sechs AOGCMs etwas klein ist, ist das arithmetische Mittel aller Resultate als robuster einzuschätzen als die Resultate der einzelnen Klimamodelle. Die Verwendung alternativer Formel für Wärmeflüsse hat einen signifikaten Einfluss auf die absolute Gleichgewichtstemperatur und deren räumliche Verteilung (Abb. 22). Im Gegensatz zu den absoluten Werten ist der Einfluss alternativer Formeln auf die Gleichgewichtstemperatur-Anomalie hingegen gering (Abb. 23 und 23) und bringt keine grundsätzlich unterschiedlichen Resultate hervor. Je nach Kombination von Energieflussformeln könnten die Resultate allerdings stärker beeinflusst werden. Zudem ist zu erwarten, dass sich alternative Formeln bei verschiedenen AOGCM-Klimadaten unterschiedlich stark auswirken. Dennoch ist klar ersichtlich, dass Gleichgewichtstemperaturen viel sensitiver auf den Einsatz unterschiedlicher AOGCM-Datensätze reagieren als auf die Verwendung unterschiedlicher Wärmeflussformeln. Gleichgewichtstemperatur-Untersuchungen mit Klimadaten nur eines AOGCMs sind wenig aussagekräftig. Es sollte immer mit von möglichst vielen AOGCMs generierten Klimadaten gearbeitet werden. Den weniger gravierenden Unsicherheiten aufgrund verschiedener Wärmeflussformeln kann mit einer sorgfältigen, dem Untersuchungszweck angepassten Auswahl des Formelsatzes begegnet werden. 4.6 Verhältnis Gleichgewichtstemperatur- Klimafaktor Die Untersuchung des Einflusses einzelner Klimafaktoren auf die Änderung der Gleichgewichtstemperatur ist aufgrund diverser und komplexer Zusammenhänge zwischen den Klimaparametern wie auch der Zusammenhänge verschiedener Wärmeflüsse schwierig. Die Zusammenhänge zwischen Gleichgewichtstemperatur- und Klimafaktor-Anomalie sind teilweise stark räumlich und zeitlich variabel. Auf globaler Ebene hat die Lufttemperatur deutlich den stärksten Einfluss auf Veränderungen der Gleichgewichtstemperatur (Abb. 21). Die Datenpunkte lassen sich relativ gut mit einer linearen Einfachregression beschreiben, wobei die Steigung gegen höhere Lufttemperaturen leicht abnimmt. Auch die veränderte Luftfeuchtigkeit hat entscheidenden Einfluss auf die Gleichgewichtstemperatur, wobei die Daten stark streuen. Die starken Steigungen werden in den hohen Breiten und die geringen Steigungen in tiefen Breiten erreicht aufgrund des stärkeren Effektes auf die langwellige Absorption bei tiefen Dampfdrücken (siehe Kapitel 2.3.2). Zudem führt ein höherer Dampfdruck zur Reduktion des Dampfdruckdefizites, was eine geringere Evaporation bewirkt. Die anderen Faktoren haben geringen oder nur lokal grösseren Einfluss. Die Änderung nur eines Klimafaktors, wie dies modelliert 62 Auswirkungen des Klimawandels auf die Gleichgewichts4 Diskussion Oberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 4.6 Verhältnis Gleichgewichtstemperatur- Klimafaktor wurde, wird in der Natur so nicht vorkommen. Veränderungen eines Klimafaktors haben Auswirkungen auf andere Klimaparameter. Z.B. würde ein Anstieg der Lufttemperatur in den meisten Fällen ein Anstieg des Dampfdrucks nach sich ziehen oder eine Zunahme der Bewölkung ein Rückgang der solaren Einstrahlung. Die genaue Reaktion der anderen Klimafaktoren ist jedoch nicht eindeutig abzuschätzen und kann sich sehr unterschiedliche verhalten. Während z.B. generell von einer konstanten relativen Luftfeuchtigkeit bei einer Lufttemperaturerhöhung ausgegangen wird, wäre das bei einer Erhöhung der Lufttemperatur aufgrund einer Entwicklung zu ariderem Klima und starker Reduktion der Bodenfeuchte nicht gegeben. Die Modellierung mit einem variablen Klimafaktor gibt eine gute erste Übersicht über die Stärke des Zusammenhangs und illustriert die in den Wärmeflussformeln beschriebenen physikalischen Vorgänge. Der Einfluss der Lufttemperatur auf die Gleichgewichtstemperatur steigt mit zunehmender Breite an und erreicht sein Maximum gemäss den meisten Klimamodellen zwischen 60° und 75° Breite (Tab. 8). Der Anstieg der Gleichgewichtstemperatur ist stets kleiner als der Lufttemperaturanstieg. Dies steht im Einklang mit der Analyse der Wärmeflüsse von Schmid et al. (2009). Gemäss Mohseni und Stefan (2003) vergrössert sich bei erhöhter Lufttemperatur das Wasserdampfdefizit über der Wasseroberfläche drastisch, was zu einer starken evaporativen Abkühlung führt und somit die Beziehung zwischen Wasser- und Lufttemperatur abschwächt. Auch auf Veränderungen des Dampfdruckes reagiert die Gleichgewichtstemperatur in hohen Breiten stärker als in tiefen. Dies kann auf die starke Änderung der langwelligen Absorption bei Anomalien tiefer Dampfdrücke zurückgeführt werden. In hohen Breiten korrelieren Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit stark, in tiefen Breiten hingegen kaum. In hohen Breiten ist die relative Luftfeuchtigkeit nahe 100% und Feuchtigkeit ist zur Genüge verfügbar. Die Luftfeuchtigkeit ist demnach temperaturlimitiert und kann als abhängig von der Lufttemperatur betrachtet werden. Die Gleichgewichtstemperatur reagiert in hohen Breiten (ca. ab 60°) generell sensitiver auf Veränderung des Klimas als in tieferen Breiten. Nur Anomalien der Windgeschwindigkeit haben in den Tropen und Subtropen stärkeren Einfluss auf die Gleichgewichtstemperatur als in hohen Breiten. 63 Auswirkungen des Klimawandels auf die Gleichgewichts5 Schlussfolgerungen und Ausblick Oberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 4.6 Verhältnis Gleichgewichtstemperatur- Klimafaktor 5 Schlussfolgerungen und Ausblick Der Ansatz Gleichgewichtstemperatur eignet sich für die Abschätzung der zukünftigen Wassertemperatur-Anomalien. Da die Gleichgewichtstemperatur nur von meteorologischen Faktoren abhängt, können grosse Skalen untersucht werden. Die berechneten GleichgewichtstemperaturAnomalien eignen sich am besten zur Modellierung der Temperaturentwicklungen in gut durchmischten und seichten Seen mit geringer Wärmespeicherkapazität. In sehr tiefen und unregelmässig durchmischten Seen sind grössere Differenzen zwischen Gleichgewichts- und Wassertemperatur-Anomalie zu erwarten. Aufgrund der beschränkten räumlichen Auflösung der AOGCMs können nur die Auswirkungen des Hintergrundklimas auf Seen modelliert werden. Die Entwicklung der Gleichgewichtstemperatur im Verlauf dieses Jahrhunderts weist bedeutende räumliche Unterschiede auf. Gleichgewichtstemperatur-Anomalien weisen in mittleren bis hohen Breiten eine sehr grosse Variabilität und Unsicherheit auf. In den Tropen hingegen ist eine räumlich und zeitlich uniforme Entwicklung der Gleichgewichtstemperatur zu erwarten. Die Resultate in den Tropen sind ausserordentlich robust. Sehr tiefe Breiten eignen sich deshalb besonders gut für grossskalige Modellierung der Entwicklung der Gleichgewichtstemperatur. Die Abhängigkeit der Gleichgewichtstemperatur von der Lufttemperatur nimmt mit steigender Breite zu. Die Erhöhung der Gleichgewichtstemperatur bleibt jedoch stets deutlich unter der Erhöhung der Lufttemperatur. In Folge des Klimawandels nähert sich die Lufttemperatur also der Gleichgewichtstemperatur an. Der konvektive Wärmeverlust von Seen an die Atmosphäre nimmt ab, während der evaporative Wärmeverlust überproportional zunimmt. Unter einem zukünftigen Klima ist mit einem verstärkten evaporativen Wasserverlust zu rechnen, was für Seen mit sehr geringem Durchfluss von Bedeutung sein kann. Die Resultate dieser Arbeit sind abhängig von der Güte der Klimamodelle. Eine grosse Unsicherheit stellt auch die künftige Entwicklung der Treibhausgasemissionen dar. Die Resultate dieser Arbeit sind demnach nicht als Prognose zu verstehen. Stattdessen zeigen sie die wahrscheinlichen Entwicklungen der Oberflächentemperatur von Seen unter der Annahme des SRES A1B-Szenarios. Um die Reaktionen von Seen auf ein verändertes Klima genauer zu untersuchen, könnten die hier berechneten Gleichgewichtstemperatur-Anomalien als Inputfaktor für Seemodelle genutzt werden. Die Wassertemperatur an der Oberfläche könnte genauer wiedergegeben und die neuen Stratifikationszustände im See ermittelt werden. Dafür wären aber seespezifische Parameter nötig. Um die Integration solch spezifischer Daten zu umgehen und um die grossskalige Betrachtung nicht zu verlassen, könnten Seemodelle verschiedener Seetypen mit idealisierten Parametern mit den 64 Auswirkungen des Klimawandels auf die Gleichgewichts5 Schlussfolgerungen und Ausblick Oberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 4.6 Verhältnis Gleichgewichtstemperatur- Klimafaktor Gleichgewichtstemperatur-Anomalien gekoppelt werden. Damit könnte die Reaktion von Seen auf Änderungen des Klimas besser und ausführlicher wiedergegeben werden. Bei zukünftigen Berechnungen der Gleichgewichtstemperatur sollte die Wahl des Formelsatzes der Wärmeflüsse sorgfältig vorgenommen und der zu untersuchenden Region und Fragestellung angepasst werden. Für zuverlässige Daten sollten Berechnungen mit einer möglichst grossen Anzahl an Klimadaten verschiedener AOGCMs durchgeführt und gemittelt werden. Die Verwendung von Klimadaten eines einzelnen Klimamodelles ergibt lokal offensichtliche Fehler. Aufgrund der starken Abhängigkeit der Resultate von den verwendeten Klimamodelldaten können bei Verwendung von nur einem AOGCMs keine schlüssigen Aussagen gemacht werden. Besonders in stark von veränderten Gleichgewichtstemperaturen betroffenen Regionen sollten vertiefte Studien über die Entwicklung der Oberflächentemperaturen von Seen durchgeführt werden, z.B. in der Region der Great Lakes. Es sollten Massnahmen zur Minderung der Folgen des Temperaturanstieges untersucht und eingeleitet werden. Gewisse Rückkoppelungseffekte im Klimasystem, insbesondere die Wasserdampfrückkoppelung scheint von grosser Bedeutung für die Entwicklung der Oberflächentemperatur von Wasserkörpern zu sein. Genauere Untersuchungen zu solchen Prozessen und deren Einfluss auf Seen wären zu begrüssen. 65 Auswirkungen des Klimawandels auf die GleichgewichtsOberflächentemperatur von Seen in globaler Betrachtung 6 Quellen 6.1 Literatur 6 Quellen 6.1 Literatur Adrian R., O’Reilly C. M., Zagarese H., Baines S. B., Hessen D O., Keller W., Livingstone D. M., Sommaruga R., Straile D., Van Donk E., Weyhenmeyer G. A. and Winder M. 2009. Lakes as sentinels of climate change. Limnology and Oceanography 54, 2283-2297. Antonopoulos V. Z. and Gianniou S. K. 2003. Simulation of water temperature and dissolved oxygen distribution in Lake Vegoritis, Greece. Ecological Modelling 160, 39-53. Arnott S. E., Keller B., Dillon P. J., Yan N., Paterson M. and Findlay D. 2003. 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Abb. 6: Henderson-Sellers B. 1986. Calculating the surface energy balance for lake and reservoir modeling: a review. Reviews of Geophysics 24, 625-649. Abb. 7: Meehl G. A., Stocker T. F., Collins W. D., Friedlingstein P., Gaye A. T., Gregory J. M., Kitoh A., Knutti R., Murphy J. M., Noda A., Raper S. C. B., Watterson I. G., Weaver A. J. and Zaho Z. C. 2007. Global climate projections. In: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Solomon S., Qin D., Manning M., Chen Z., Marquis M., Averyt K. B., Tignor M. and Miller H. L. (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA. Abb. 9: Meehl G. A., Stocker T. F., Collins W. D., Friedlingstein P., Gaye A. T., Gregory J. M., Kitoh A., Knutti R., Murphy J. M., Noda A., Raper S. C. B., Watterson I. G., Weaver A. J. and Zaho Z. C. 2007. Global climate projections. In: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Solomon S., Qin D., Manning M., Chen Z., Marquis M., Averyt K. B., Tignor M. and Miller H. L. (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA. 70 Persönliche Erklärung: Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und die den verwendeten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Grüt, 26. 4. 2010 Stefan Hunziker