Hinweise des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zur Plakat- und Lausprecherwerbung auf öffentlichen Straßen aus Anlass von Wahlen, Volksanträgen, Volksbegehren und Volksentscheiden im Freistaat Sachsen vom 28. Februar 2014 Diese Hinweise richten sich insbesondere an die für die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zuständigen Bediensteten der Kommunalverwaltungen aber auch an die Parteien und Wählervereinigungen und Antragstellenden für Volksanträge, Volksbegehren und Volksentscheide. Da Rechtsprechung Sächsischer Obergerichte zur Wahlplakatierung kaum existiert, wurden Entscheidungen aus anderen Bundesländern orientierend ausgewertet. Die Werbung politischer Parteien und Wählergruppen für Wahlen und der Antragstellenden für Volksanträge, Volksbegehren und Volksentscheide auf öffentlichen Straßen in den nachstehenden Formen dient der politischen Willensbildung des Volkes. Die Erfüllung dieses Verfassungsauftrages des Artikels 21 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Juli 2012 (BGBl. I S. 1478) geändert worden ist und der Artikel 71 ff der Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27. Mai 1992 (SächsGVBl. S. 243), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Juli 2013 (SächsGVBl. S. 502), liegt im öffentlichen Interesse und soll daher nicht behindert werden. Die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dürfen aber nicht missachtet werden. Während der Wahlkampfzeit stellen die Parteien erfahrungsgemäß zahlreiche Anträge auf Zulassung von Plakatwerbung an öffentlichen Straßen und auf Nutzung öffentlicher Einrichtungen der Kommunen für Wahlkampfveranstaltungen. Bei der Anwendung der einschlägigen Vorschriften muss in der Wahlkampfzeit in besonderer Weise den Grundrechten der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) und der grundgesetzlich garantierten Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung (Art. 21 GG) Rechnung getragen werden. Die Wahlkampfzeit beginnt ca. sechs Monate vor der Wahl und konzentriert sich auf einen Zeitraum von ein bis zwei Monaten vor dem Wahltag. Die nachstehenden Hinweise erläutern Grundsätze für die Zulassung von Plakaten, Lautsprechern und Megaphonen. I. Plakatwerbung 1. Rechtsgrundlagen Das Anbringen und Aufstellen von Plakatträgern im öffentlichen Straßenraum ist eine Sondernutzung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Bundesfernstraßengesetz vom 6. August 1953, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 31. Mai 2013 (BGBl. I 1388) – FStrG und § 18 Abs. 1 Satz 1 Sächsisches Straßengesetz vom 21. Januar 1993, zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 27. Januar 2012 (SächsGVBl. S. 130, 134) – SächsStrG. Die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis kann durch Verwaltungsakt (Sondernutzungserlaubnis nach § 8 Abs. 1 Satz 2 FStrG bzw. § 18 Abs. 1 Satz 2 SächsStrG) oder durch Satzung (§ 8 Abs. 1 Satz 4 FStrG bzw. § 18 Abs. 1 Satz 4 SächsStrG) geregelt werden. Durch Satzung kann die Gemeinde bestimmte Sondernutzungen in den Ortsdurchfahrten und in den Gemeindestraßen von der Erlaubnispflicht befreien und die Ausübung regeln. Ist die Gemeinde nicht Träger der Straßenbaulast, darf sie die Erlaubnis nur mit Zustimmung des Trägers der Straßenbaulast erteilen (§ 8 Abs. 1 Satz 3 FStrG, § Abs. 1 Satz 3 SächsStrG). Sofern Gemeinden von dem ihnen zustehenden Satzungsrecht Gebrauch gemacht haben, ist dieses zu beachten. Dies gilt insbesondere für Kostenregelungen. Die nachfolgend dargestellten Hinweise gelten für den Erlass und die Anwendung von Sondernutzungssatzungen entsprechend. 2. Voraussetzungen für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis a) Die Sondernutzung bedarf der Erlaubnis der Straßenbaubehörde, in Ortsdurchfahrten der Erlaubnis der Gemeinde (§ 8 Abs. 1 Satz 2 FStrG, § 18 Abs. 1 Satz 2 SächsStrG). Sachlich zuständige Straßenbaubehörde ist gemäß §§ 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 47 Abs. 2 SächsStrG außerhalb der Ortsdurchfahrten von Gemeinden für Bundes- und Staatsstraßen das Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Nr. 1), für Kreisstraßen der örtlich zuständige Landkreis (Nr. 2) und für Gemeindeverbindungsstraßen und sonstige öffentliche Straßen die Gemeinde, in der die Plakatierung vorgenommen werden soll (Nr. 3). Für die Sondernutzung erforderliche Arbeiten an der Straße bedürfen der Zustimmung der Straßenbaubehörde (§ 8 Abs. 2a Satz 2 FStrG; 18 Abs. 4 Satz 2 SächsStrG). Sonstige nach öffentlichem Recht erforderliche Genehmigungen, Erlaubnisse und Bewilligungen werden durch die Sondernutzungserlaubnis nicht ersetzt, sondern sind vom Antragsteller vorzulegen. b) Das Erfordernis einer Erlaubnis besteht nur für die Benutzung öffentlicher Straßen (§ 1 Abs. 1 FStrG; § 2 Abs. 1 SächsStrG), d.h. nicht für Privatwege. c) Die Sondernutzungserlaubnis kann jedermann beantragen. Das heißt, jede auch noch so kleine Partei, aber auch Wählergruppen, Gruppen von Antragstellenden und Einzelbewerberinnen und -bewerbern können eine Sondernutzungserlaubnis beantragen. d) Sondernutzung ist jede über den Gemeingebrauch hinausgehende Nutzung einer öffentlichen Straße. Damit stellt das ortsfeste Aufstellen oder Aufhängen von Wahlplakaten aller Art im öffentlichen Straßenraum eine Sondernutzung dar (VG München, Beschluss vom 26.05.2006, Az.: M 22 E 06.1484). Als Gemeingebrauch und damit erlaubnisfrei ist das Verteilen von Flugblättern, Handzetteln und Schriften auf öffentlichen Straßen anzusehen (VG Aachen, Beschluss vom 01.12.2006, Az.: 6 L 628/06 – zitiert nach juris). 3. Rechtsfolgen a) Der grundsätzlich bestehende weite Ermessensspielraum der zuständigen Behörde wird wegen der Bedeutung der Parteien für solche Wahlen so weit eingeschränkt, dass im Regelfall die Wahlwerbung in der Wahlkampfzeit zu gestatten ist. Da es keine einheitliche rechtliche Vorgabe oder Rechtsprechung zur Dauer des Wahlkampfes gibt, steht die Festlegung des Beginns oder der Dauer der Sondernutzung im Ermessen der Behörde. Regelmäßig ist eine Zeitspanne von mindestens einem bis zwei Monaten zugrunde zu legen. Die Dauer kann sich aber auch an den Stichtagen und Fristen für die Einreichung, Zulassung und Bekanntgabe von Wahlvorschlägen orientieren. Jedenfalls in den letzten ein bis zwei Monaten vor dem festgesetzten Wahltermin steht den zur Wahl zugelassenen Parteien und Gruppierungen ein Anspruch darauf zu, in angemessener Weise Wahlsichtwerbung im Straßenraum zu betreiben. Damit besteht für diese Zeit ein Anspruch auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis. Die Gemeinde/Erlaubnisbehörde muss den Antragstellern eine wirksame Wahlpropaganda ermöglichen. Satzungen, Gemeinderatsbeschlüsse oder Verwaltungsakte, die eine Wahlwerbung über Gebühr einschränken oder gänzlich verbieten, sind unzulässig. Das grundsätzlich beachtliche Interesse der Gemeinde am Schutz des Ortsbildes vor Beeinträchtigung durch eine Vielzahl von Werbeplakaten muss bei Wahlen hinter dem Interesse der Parteien an einer effektiven Wahlwerbung zurücktreten. b) Der Anspruch auf Wahlsichtwerbung beschränkt sich auf einen Umfang, der für die Selbstdarstellung der jeweiligen Partei notwendig und angemessen ist. Sofern der Plakatier2 raum insgesamt oder an bestimmten Stellen nicht ausreicht, um den von den Parteien geltend gemachten Bedarf abzudecken, ist ihnen jeweils nach dem Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit (§ 5 Abs. 1 Parteiengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1994 (BGBl. I S. 149), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. August 2011 (BGBl. I. S. 1748) geändert worden ist - PartG) ein Anteil an der zur Verfügung stehenden Plakatierfläche zuzuweisen. Dabei muss grundsätzlich für jede Partei ein Sockel von fünf von Hundert der bereitstehenden Stellplätze zur Verfügung stehen. Die weitere Verteilung erfolgt nach der Bedeutung der Parteien. Die größte Partei darf nicht mehr als das Vier- bis Fünffache an Stellplätzen erhalten, die für die kleinste Partei bereitstehen (BVerwG, Urteil vom 13.12.1974, Az.: VII C 42.72 – zitiert nach juris). c) Die Gemeinde ist grundsätzlich berechtigt, die Zahl der Wahlplakate im Stadtgebiet zu beschränken. Aus Gründen der Verkehrssicherheit und zum engeren räumlichen Schutz einer historischen Altstadt darf die Erteilung von Sondernutzungen begrenzt werden (OVG Bremen, Beschluss vom 09.05.2003, Az.: 1 B 181/03 – zitiert nach juris). Im Freistaat Sachsen wird von dieser Möglichkeit nur in seltenen Fällen Gebrauch gemacht werden können. Die Sächsische Bauordnung und damit auch das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot nach § 10 Abs. 2 Satz 2 der Sächsischen Bauordnung (SächsBO) = Art. 1 des G vom 28. Mai 2004 (SächsGVBl. S. 200), zuletzt geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 27. Januar 2012 (SächsGVBl. S. 130, 142) gilt für Wahlwerbung während der Dauer des Wahlkampfes nicht (§ 10 Abs. 6 Nr. 4 SächsBO). Wenn besonders tragfähige Sachgründe (z.B. begrenzte Anzahl geeigneter Stellplätze im Straßenraum, Schaffung besonderer Stellplätze durch die Gemeinde und begrenzte Kapazität dieser Flächen) vorliegen, ist eine Gemeinde auch berechtigt, eine Obergrenze für die Anzahl der Wahlplakate in ihrem Gemeindegebiet festzulegen (OVG Bremen a.a.O.). Da es keine Vorgaben durch die Rechtsprechung gibt, steht die Festlegung der angemessenen Wahlwerbung im Ermessen der Gemeinde (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 23.08.2011, Az.: 1 M 145/11 – zitiert nach juris). Nach den Umständen des Einzelfalles ist ein nach Umfang (Zahl der Stellplätze) und Aufstellungsort (Werbewirksamkeit des Anbringungsortes) angemessenes Mindestmaß an Werbemöglichkeiten einzuräumen. Insoweit ist auch nach der Art der Wahl sowie der Größe der Gemeinde zu differenzieren (zuletzt VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 09.09.2013, Az.: 14 L 1127/13 – zitiert nach juris – m.w.N.). Finden mehrere Wahlen gleichzeitig statt, ist für jede Wahl angemessene Wahlwerbemöglichkeit zu schaffen (OVG Mecklenburg-Vorpommern a.a.O). Die Rechtmäßigkeit der Beschränkung der Plakatierungsmöglichkeiten beurteilt sich danach, ob im Hinblick auf die Anzahl der an der Wahl teilnehmenden Parteien und Wählergruppen eine ausreichende Anzahl von Plakatierungsmöglichkeiten insgesamt zugelassen wird und die Gesamtzahl der Plakatierungen in einem angemessenen Verhältnis auf einzelne Parteien und Wählergruppen verteilt worden ist. Im Hinblick auf die Anzahl der an der Wahl teilnehmenden Parteien und Wählergruppen ist eine ausreichende Anzahl an Plakatierungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Dabei müssen die Plakatierungsmöglichkeiten hinreichend dicht sein, um den Parteien flächendeckend Wahlwerbung im gesamten Stadtgebiet zu ermöglichen und den entsprechenden Raum zur Selbstdarstellung zu geben (OVG Mecklenburg-Vorpommern a.a.O). Die Beschränkung der Plakatierungsmöglichkeiten darf in keinem Fall dazu führen, dass kleinere Parteien in ihrer Wahlwerbung behindert werden. Auch kleinere oder erstmals zur Wahl angetretene Parteien müssen ihre Präsenz angemessen verdeutlichen und wirksame Wahlpropaganda betreiben können (OVG Bremen a.a.O; VG Gelsenkirchen a.a.O). Die angemessene Selbstdarstellung der Parteien ist nach der Rechtsprechung dann noch gewährleistet, wenn jede Partei rechnerisch in jedem Wahl- bzw. Stimmbezirk mindestens eine Möglichkeit zur Wahlsichtwerbung besitzt (vgl. Ausführungen in OVG MecklenburgVorpommern a.a.O, RN 20 – zitiert nach juris). Als erforderlich aber auch ausreichend haben die Gerichte es zudem wiederholt beurteilt, wenn jedenfalls in Großstädten – ein Aufstellungsort für je 100 Einwohner (VG Aachen, a.a.O., m.w.N; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.09.1998, Az.: 14 L 2689/98 – zitiert nach juris) oder ein Aufstellort pro Partei für je 100 Einwohner (VG Gießen, Beschluss vom 27.02.2001, Az.: 8 G 335/01 – zitiert nach juris) 3 zur Verfügung steht. Andere Gerichte sehen das Straßenrecht nicht als Instrument an, um gezielt auf die Wahlkampfführung einzuwirken (OVG Bremen a.a.O; OVG MecklenburgVorpommern a.a.O). Angesichts der Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung werden die Gemeinden gebeten, im Rahmen der Gesamtbetrachtung und unter Beachtung der Rechtsprechung und des Grundsatzes der abgestuften Chancengleichheit über das Maß der Zulassung von Wahlwerbung wohlwollend zu entscheiden. Hierbei ist zu beachten, dass die Reichweite bzw. Wirksamkeit einer Wahlwerbung durch Plakate sinkt, je stärker die Werbeflächen standortbezogen konzentriert werden. Die Gemeinden sind nicht gehindert, die Straßen während eines angemessenen Zeitraums für freies Plakatieren unter bestimmten Auflagen, insbesondere aus Gründen der Verkehrssicherheit, freizugeben (BVerwG, Urteil vom 13.12.1974 a.a.O, OVG Bremen a.a.O). Es wird empfohlen, bei Prüfung einer Beschränkung der Wahlwerbung ein Maximum an straßenrechtlich geeigneten Standorten für Wahlsichtwerbung im Straßenraum auszuweisen (VG Gelsenkirchen a.a.O.). d) Darüber hinaus ist gegebenenfalls durch Auflagen sicherzustellen, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet wird. Von der Wahlwerbung darf keine polizeiliche Gefahr ausgehen und sie müssen im Einklang mit den einschlägigen öffentlichrechtlichen Vorschriften stehen. Bei der Plakatierung im Straßenraum sind die Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung zu beachten. Die Plakatierung ist daher an solchen Stellen zu untersagen, wo eine konkrete Gefahr der Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit besteht. Politische Werbeeinrichtungen, die Zeichen oder Verkehrseinrichtungen (§§ 36 bis 43 der Straßenverkehrs-Ordnung, StVO, vom 16.11.1970, BGBl. I S. 1565, 1971 I S. 38, zuletzt geändert durch Artikel 474 der Verordnung vom 31.10.2006 - BGBl. I S. 2407, 2467, in der jeweils geltenden Fassung) gleichen, mit ihnen verwechselt werden können oder deren Wirkung beeinträchtigen können, dürfen dort nicht angebracht oder sonst verwendet werden, wo sie sich auf den Verkehr auswirken können. Werbung und Propaganda in Verbindung mit Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind unzulässig (§ 33 Abs. 2 StVO). Plakatständer usw. im Verkehrsraum können Verkehrshindernisse nach § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO darstellen. Eine Behinderung des Fahrverkehrs ist in jedem Fall unzulässig. Fußgängerinnen und Fußgänger dürfen nicht übermäßig behindert werden. Die Gemeinde ist grundsätzlich berechtigt, dafür zu sorgen, dass eine wochenlange Verschandelung und Verschmutzung des Ortsbildes durch sogenanntes „wildes Plakatieren“ verhindert wird. e) Im Rahmen von Satzungen oder als Nebenbestimmung zur Sondernutzungserlaubnis kann das Anbringen von Wahlplakaten von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht werden. So können Regelungen mit dem Inhalt getroffen werden, dass zum Beispiel an lackierten Straßenlaternen Wahlplakate nur so befestigt werden dürfen, dass die Laternenmasten nicht beschädigt werden, oder dass die Gemeinde nur eigene Plakatflächen, die für diesen Zweck von der Gemeinde in ausreichender Zahl vorgehalten werden, zulässt und diese den Parteien auf Antrag zuteilt. f) Das Aufkleben von Wahlplakaten oder das Anbringen von Aufklebern an Bestandteilen des Straßenkörpers (zum Beispiel Brücken, Pfeilern, Stützmauern, u.ä.) sowie an Bäumen im Straßenraum ist wegen des erheblichen Kostenaufwandes für die Beseitigung solcher Werbemittel sowie aus Gründen des Umweltschutzes zu vermeiden. Die Gemeinde kann vor bestimmten Gebäuden sowie an einzelnen Straßen und Plätzen bei einem überwiegenden Interesse das Anbringen von Plakaten untersagen. Unter dem Gesichtspunkt der Neutralitätspflicht des Staates kann z. B. vor Verwaltungsgebäuden das Plakatieren generell ausgeschlossen werden. Die Achtung vor dem religiösen und weltanschaulichen Bekenntnis kann ein Verbot des Plakatierens vor Kirchen und an Friedhöfen rechtfertigen. 4 Auch kann sich im Einzelfall die Notwendigkeit ergeben, ein besonders schützenswertes historisches Gebäude oder Ensemble von einer Sichtwerbung gänzlich freizuhalten (OVG Bremen, NJW 1968, 2078). g) Die Sondernutzungserlaubnis darf nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden (§ 8 Abs. 2 Satz 1 FStrG; § 18 Abs. 2 Satz 1 SächsStrG). Empfohlen wird, die Sondernutzungserlaubnisse für die Dauer des Wahlkampfes (s.o.) und eines angemessenen Zeitraumes nach dem Wahltermin zu befristen. Zudem ist es sinnvoll, die Sondernutzungserlaubnis mit der Auflage zu verbinden, die Plakate, Plakatträger usw. nach Ablauf einer bestimmten Frist nach dem Wahltag zu beseitigen. Für die Bestimmung der Frist zur Beseitigung der Wahlsichtwerbung kann die Anzahl der abzunehmenden Wahlplakate berücksichtigt werden. h) Die Ablehnung eines Antrages kann nur erfolgen, wenn höherrangige Gesichtspunkte im Einzelfall (zum Beispiel Gefährdung des Verkehrs, Schutz des historischen Stadtkerns vor Sichtwerbung) entgegenstehen. i) In der Sondernutzungserlaubnis ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass diese Sondernutzungserlaubnis ordnungsbehördliche Untersagungsverfügungen im Einzelfall nicht berührt, die auf Verstößen gegen Normen außerhalb des Straßenrechts beruhen, insbesondere dann, wenn Straftatbestände erfüllt werden wie zum Beispiel das Verbreiten von Propagandamitteln oder das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen oder wenn in sonstiger Weise Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorliegen. j) Sollte ausnahmsweise Interesse an der Errichtung von Wahlwerbeplakaten an Bundes-, Staats- und Kreisstraßen außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke dienenden Ortsdurchfahrten bestehen, sind für die Genehmigung die jeweiligen Straßenbaulastträger zuständig. Es gelten hier jedoch die Anbauverbote und Anbaubeschränkungen (§ 9 FStrG bzw. § 24 SächsStrG) sowie das Verbot der Werbung und Propaganda nach § 33 Abs. 1 StVO. Auf diesen Strecken, die regelmäßig mit hohen Geschwindigkeiten befahren werden, kann jede Art der Werbung den sicheren und störungsfreien Verkehrsablauf nachteilig beeinflussen. Deshalb gilt dort ein absolutes Errichtungsverbot für Werbeanlagen bis zu einer Entfernung von 20 m (bei Bundesautobahnen 40 m) vom äußeren Fahrbahnrand. Im Abstand von 20 m bis 40 m (bei Bundesautobahnen zwischen 40 m und 100 m) ist die Zulässigkeit der Errichtung eingeschränkt. Ausnahmen hiervon sind auch bei der Wahlwerbung nur im Einzelfall zulässig und bedürfen jeweils einer genauen Einzelfallprüfung. k) Soweit zur Anbringung von Plakaten Flächen benutzt werden, auf denen Werbung gestattet ist (zum Beispiel nach dem Bau- oder Straßenrecht genehmigte Plakattafeln), ist kein besonderes Sondernutzungserlaubnisverfahren erforderlich. l) Ist für die beabsichtigte Werbung eine Befreiung vom Verbot des § 32 Abs. 1 StVO erforderlich, so erteilt die Straßenverkehrsbehörde die Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 8 StVO. Gemäß § 8 Abs. 6 FStrG bzw. § 19 SächsStrG bedarf es dann keiner Sondernutzungserlaubnis. m) Die Erhebung von Sondernutzungsgebühren für politische Straßenwerbung außerhalb der Wahlkampfzeit ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Die Gebühren sind im Vergleich zur Aufstellung kommerzieller Werbetafeln angemessen zu ermäßigen, da Wahlwerbung politischer Parteien keine wirtschaftlichen Zwecke verfolgt. Die parteipolitische Betätigung darf durch die Gebühr nicht wesentlich erschwert oder unmöglich gemacht werden (BVerwG, Urt.v. 7.6.1978 – 7 C 5/78 – zitiert nach juris; VG Dresden Urt. V. 19.12.2001 – 12 K 149/00 – zitiert nach juris). Inwieweit diese Rechtsprechung auf die Wahlkampfzeit übertragen werden kann, ist noch nicht entschieden. Der Sächsische Städte- und Gemeindetag hat wegen der Bedeutung der Wahlen für die politische Willensbildung in seinem Muster für 5 eine Sondernutzungs- und Gebührensatzung empfohlen, Sondernutzungen zu Zwecken der Wahlwerbung sondernutzungsgebührenfrei zu stellen. n) Die Erhebung von Verwaltungskosten zur Deckung des Verwaltungsaufwandes ist nach allgemeinen Grundsätzen möglich. o) Soweit die Gemeinde auch Träger der Straßenbaulast ist, kann sie nach § 18 Abs. 4 Satz 4 SächsStrG grundsätzlich angemessene Vorschüsse und Sicherheiten für die Kosten verlangen, die dem Träger der Straßenbaulast durch die Sondernutzung entstehen. Die Erhebung von Vorschüssen und Sicherheiten ist in der Praxis nur sinnvoll, wenn Eingriffe in die Substanz der Straße wahrscheinlich bzw. Voraussetzung für das Tätigwerden sind (vgl. Wiget in Zeitler, Bayrisches Straßen- und Wegegesetz, Stand Nov. 2012, Art. 18 Rz. 43) und dürfte bei Wahlplakaten in der Regel ausscheiden. 4. Entfernung von Wildplakatierungen Wurde eine Plakatierung ohne erforderliche Erlaubnis vorgenommen, richtet sich die Entfernung nach den allgemeinen Grundsätzen des Ordnungsrechts (§ 3 Abs. 1 Polizeigesetz des Freistaates Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. August 1999 (SächsGVBl. S. 466), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2013 (SächsGVBl. S. 890) geändert worden ist - SächsPolG). Die Gemeinde als Ortspolizeibehörde erlässt eine Beseitigungsanordnung gegenüber dem Handlungsstörer (derjenige, der die Plakate anbringt) oder den Zustandsstörer (Eigentümer der Plakate = Partei, vertreten durch den Vorsitzenden). Kommt der Adressat der Beseitigungsverfügung der Beseitigungsanordnung nicht nach, kann die zuständige Behörde auf Kosten des Veranlassers die Beseitigung selbst vornehmen. 5. Widerruf der Sondernutzungserlaubnis Die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde kann die Sondernutzungserlaubnis unter den Voraussetzungen der §§ 48 bzw. 49 des Verwaltungsverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 25. Juli 2013 (BGBl. I S. 2749) geändert worden ist - VwVfG i.V.m. Artikel 1 des Gesetzes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens- und des Verwaltungszustellungsrechts für den Freistaat Sachsen (SächsVwVfZG) = Artikel 1 des G vom 19. Mai 2010 (SächsGVBl. S. 142), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 12. Juli 2013 (SächsGVBl. S. 503, 553) geändert worden ist - SächsVwVfG zurücknehmen oder widerrufen. II. Einsatz von Lautsprechern und Megaphonen Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 StVO ist der Betrieb von Lautsprechern verboten, wenn dadurch Verkehrsteilnehmer in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können. Regelmäßig dürfte durch den Einsatz von Lautsprecherwagen im Wahlkampf zumindest eine abstrakte Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs bestehen, so dass für einen solchen Lautsprechereinsatz die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 9 StVO erforderlich ist (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 5. Mai 1995, Az.: 1 B 39/95, zitiert nach juris). Die gebührenpflichtige Genehmigung wird - gegebenenfalls unter Bedingungen und Auflagen - durch die jeweiligen Straßenverkehrsbehörden erteilt. Zuständig sind das Landratsamt, die kreisfreien Städte und die Großen Kreisstädte sowie das Landesamt für Straßenbau und Verkehr für Bundesautobahnen (§ 3 Satz 1 in Verbindung mit § 1 Nr. 2 Sächsisches Straßenverkehrszuständigkeitsgesetz vom 27. Januar 2012 (SächsGVBl. S. 130) - SächsStVZustG, § 1 Nr. 2 Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Zuständigkeiten der Großen Kreisstädte vom 30. Juni 2011 (SächsGVBl. S. 202), zuletzt geändert durch Arti6 kel 3 der Verordnung vom 1. Februar 2012 (SächsGVBl. S. 157, 158) - SächsGrKrZuVO). Die Genehmigungserteilung steht im Ermessen der Straßenverkehrsbehörde. Bei der Entscheidung über die Erteilung ist das Interesse an einem möglichst störungsfreien Straßenverkehr gegenüber dem besonderen, zeitlich begrenzten Zweck parteipolitischer Wahlwerbung kurz vor den Wahlen im Einzelfall abzuwägen. Dabei sind die wahlrechtlichen Grundsätze der Chancengleichheit zu wahren und ist zu berücksichtigen, dass Wahlwerbung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für das Funktionieren einer Massendemokratie unerlässlich ist (BVerfGE 47, 198; 67, 149, 152). Weiterhin sind durch die beantragte Ausnahmegenehmigung möglicherweise eintretende Beeinträchtigungen von Anliegerinteressen zu berücksichtigen. Dies betrifft auch die Beachtung gegebenenfalls bestehenden Ortsrechts sowie tatsächlicher örtlicher Gegebenheiten. 7