Auszug aus RELIGION UND POLITIK Herausgegeben vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster www.religion-und-politik.de Band 7 „Als Mann und Frau schuf er sie“ Religion und Geschlecht Herausgegeben von Barbara Stollberg-Rilinger ERGON VERLAG Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Exzellenzclusters „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster aus Mitteln der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder. Umschlagabbildung: Ausschnitt aus der Schöpfungsgeschichte, Schedelsche Weltchronik, 1493, wikipedia. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 2014 Ergon-Verlag GmbH · 97074 Würzburg Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb des Urheberrechtsgesetzes bedarf der Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen jeder Art, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für Einspeicherungen in elektronische Systeme. Umschlaggestaltung: Exzellenzcluster „Religion und Politik“ / Jan von Hugo Satz: Thomas Breier, Ergon-Verlag GmbH www.ergon-verlag.de ISSN 2195-1306 ISBN 978-3-95650-011-4 Inhaltsverzeichnis Barbara Stollberg-Rilinger Einleitung................................................................................................................. 9 Ann-Cathrin Harders Eine Frage von Herrschaft. Religion und Geschlecht im alten Rom ................................................................ 17 Sita Steckel Perversion als Argument. Sex und Geschlechterordnung in innerkirchlichen Polemiken des lateinischen Hoch- und Spätmittelalters..........................................................47 Eva Schlotheuber Neue Grenzen und neue Möglichkeiten. Religiöse Lebensentwürfe geistlicher Frauen in der Umbruchzeit des 12. und 13. Jahrhunderts..................................................................................87 Manuel Borutta Kulturkampf als Geschlechterkampf? Geschlecht als Grenze der Säkularisierung im 19. Jahrhundert ......................... 109 Werner Freitag Trösterin der Betrübten, Jungfrau, Mutter und Möhne. Pastorale Konzepte und weibliche Frömmigkeit im Bistum Münster um 1900 .............................................................................. 139 Christina von Braun Fundamentalismus und Geschlecht .................................................................... 165 Bijan Fateh-Moghadam Religiös-weltanschauliche Neutralität und Geschlechterordnung. Strafrechtliche Burka-Verbote zwischen Paternalismus und Moralismus........... 181 Titia Loenen Women, Law and Religion. Dealing with (Potential) Conflicts between Freedom of Religion and Gender Equality from a Human Rights Perspective ................................... 215 Khola Maryam Hübsch Zwischen Gewaltopfer und Haremsphantasie. Zum Selbst- und Fremdbild der muslimischen Frau ...........................................227 8 INHALTSVERZEICHNIS Elisa Klapheck Frauen im Rabbinat. Feministische Aufbrüche im Judentum von der ersten Rabbinerin Regina Jonas bis heute ..............................................267 Marianne Heimbach-Steins „… nicht mehr Mann und Frau“ (Gal 3,28). Geschlecht und Geschlechterverhältnisse – Provokation für Kirche und Theologie ................................................................279 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren........................................................... 295 Zwischen Gewaltopfer und Haremsphantasie Zum Selbst- und Fremdbild der muslimischen Frau Khola Maryam Hübsch, Frankfurt am Main „Woran denken Sie beim Stichwort Islam?“ Mit über 80 Prozent konnotiert eine überwältigende Mehrheit der Deutschen laut einer der bislang größten repräsentativen Umfragen zur religiösen Vielfalt in Europa die Benachteiligung der Frau mit der Religion des Islams.1 Gleichzeitig haben die Deutschen im Vergleich zu der Bevölkerung vier anderer westeuropäischer Nachbarländer2 eine besonders negative Haltung zu Muslimen. Interessant ist, dass die auffällig negative Einstellung der Deutschen zum Islam mit der Kontakthäufigkeit der Mehrheitsbevölkerung zu Muslimen zu tun zu haben scheint, da die Deutschen im Vergleich zu den untersuchten Nachbarländern deutlich weniger Kontakt zur muslimischen Minderheit des Landes haben: „Je häufiger man Muslime trifft, desto wahrscheinlicher ist es, dass man zu ihnen ein positives Verhältnis entwickelt.“ 3 Wenn aber persönliche Erfahrungen mit Muslimen fehlen, liegt die Vermutung nahe, dass sich das Islambild der Deutschen vor allem über die Rezeption der Massenmedien konstruiert. Wenn dort dichotome Argumentationsstrukturen überwiegen und die historische, gesellschaftliche und globale Diversität in ihrer Komplexität auf Schwarz-Weiß-Schemata reduziert wird, die mit einer Simplifizierung und Essentialisierung des Islams einhergehen, kann das Befremdung und Angst auslösen.4 Dies gilt vor allem für die gegenwärtigen öffentlichen Diskurse um so genannte Ehrenmorde, Zwangsheirat, das Kopftuchverbot sowie die Stellung der Frau im Islam, die nicht nur medial geführt werden, sondern auch konkrete politische, mitunter prohibitive Maßnahmen nach sich ziehen und damit einen wesentlichen Einfluss auf die Integration der hier lebenden Muslime haben. Gerade wenn es um den Kampf der Deutungshoheit geht, übernehmen die Massenmedien mit ihrem Einfluss auf die öffentliche Meinung eine wichtige Funktion. Die Stigmatisierung der muslimischen Frau als Opfer von männlicher Gewalt dient nicht selten der Vergewisserung der eigenen Überlegenheit und Fortschrittlichkeit unter Ausblendung von patriarchalen Strukturen in der eigenen Mehrheitskultur. Wenn das Kopftuch als Symbol der Unterdrückung encodiert wird, entlarvt diese Deutung mitunter, dass eine entlastende Projektion des eigenen ‚Defekts‘ auf die muslimische Frau vorgenommen wird.5 Denn während im Christentum laut Korinther 1, 11 das Kopftuch tatsächlich ein Zeichen für die Unterord1 2 3 4 5 Vgl. Pollack, Wahrnehmung und Akzeptanz. Dänemark, Frankreich, Niederlande und Portugal. Vgl. Pollack, Wahrnehmung und Akzeptanz, 4. Lanwerd, Religiöse Differenz, 235. Braun / Mathes, Verschleierte Wirklichkeit, 216. 228 KHOLA MARYAM HÜBSCH nung der Frau war, findet sich eine solche Interpretation nicht im Koran.6 Es scheint die Beobachtung Sigmund Freuds zuzutreffen, dass das Unheimliche, das uns Angst macht, vor dem wir die Augen verschließen möchten, das verdrängte Eigene ist.7 Gerade über die Geschlechterordnung offenbart sich besonders deutlich das Unbewusste einer Kultur. Und schon seit jeher wurden über die Geschlechterstellung kulturelle Identitäten und Hierarchien verhandelt.8 Die Frauenfrage nimmt spätestens seit dem 19. Jahrhundert in der west-östlichen Polemik eine wichtige Rolle ein.9 Die Erfindung der rückständigen, unaufgeklärten muslimischen Frau ist dann auch ein Ausdruck kultureller Kolonialisierung einer abendländischen Ideologie, deren Kampf um die Befreiung der Muslimin nicht etwa altruistisch motiviert ist, sondern vor allem ein Kampf um Leitkultur darstellt. Muslime stellen in Deutschland mit um die 4 Millionen Menschen eine Minderheit von etwa fünf Prozent dar. Auch wenn Kontakte zu muslimischen Frauen bestehen, so werden die dadurch gewonnenen Primärerfahrungen höchstwahrscheinlich durch die Rezeption von Medienberichten über Muslime ergänzt oder überlagert. Persönliche Erfahrungen mit emanzipierten muslimischen Frauen werden dann als „Ausnahme“ verbucht. Es scheint demzufolge notwendig, die Medien als Hauptvermittler für das Islambild der Deutschen zu untersuchen. Auch wenn eine Analyse der Medieninhalte allein noch nichts über ihre Wirkung aussagen kann, da es keine nachweisbare 1:1-Korrelation zwischen Mediendarstellung und folgender Rezipienteneinstellung gibt,10 können doch die Mechanismen der Darstellung beschrieben werden, um darauf basierend von einem Wahrnehmungsangebot11 ausgehen zu können und letztlich auf ein Wirkungspotential zu schließen. Der folgende Beitrag untersucht exemplarisch, wie die muslimische Frau in den deutschen Medien dargestellt wird. Dazu wurde eine qualitative Medienanalyse aller Bilder und Texte in den Wochenmagazinen Stern, Der Spiegel und Die Zeit vorgenommen, die sich im Zeitraum von 2003–2005 mit der Frau im Islam beschäftigten. Deutlich wurde, dass sich fünf Bilder der muslimischen Frau herauskristallisieren, die die Berichterstattung unterschiedlich stark prägen. Bevor diese anhand von Prototypen vorgestellt werden, soll im Folgenden auf die besondere Bedeutung visueller Darstellungen eingegangen werden. 1 Die Prävalenz visueller Wahrnehmung Eine tiefverschleierte Frau in schwarz hält uns eine aufgeschlagene Seite des Korans entgegen (Abb. 1). Sie wirkt bedrohlich, angsteinflößend und fanatisch. Un6 7 8 9 10 11 Vgl. Koran, 33:60 und 24:32 (Zitiert wird hier und im Folgenden nach der Ausgabe: Ahmad (Hrsg.), Koran). Vgl. Freud, Das Unheimliche. Vgl. Schneider, Der Islam und die Frauen, 158. Vgl. Ahmed, Women and Gender in Islam, 152ff. Vgl. Früh, Realitätsvermittlung durch Massenmedien. Vgl. Groebel / Gleich, Gewaltprofil des deutschen Fernsehprogramms, 13. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 229 Abb. 1: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18. Januar 2004 ter dem Aufmacherbild, das auf der Titelseite der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.) vom 18. Januar 2004 prangt, steht ein Text mit dem Titel: „Gegen das Kopftuchverbot“. Es geht um Demonstrationen gegen ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen in Deutschland und darum, dass Muslime in Europa und in mehreren arabischen Ländern „Gleichberechtigung für alle Religionen“ fordern. Doch was nimmt der Rezipient von dieser Nachricht mit? Das Bild der schwarzverhüllten Muslimin erregt die Aufmerksamkeit und spricht den Betrachter unmittelbar an, es wirkt emotionaler und wird dabei weniger rational verarbeitet als der Text.12 Erzeugt wird eine unbewusste Abwehrhaltung – eine nüchterne Rezeption der zugehörigen Nachricht und ein vernünftiges Abwägen scheint damit blockiert. Vielmehr werden innere Bilder aktiviert, da es sich bei dem Foto der burkatragenden Vollverschleierten um ein Standardbild handelt, das der Rezipient so oder ähnlich schon oft gesehen hat, wenn es um den Islam geht. Wachgerufen werden Assoziationen, die an unterdrückte muslimische Frauen und einen extremistischen Islam erinnern. Das Bild der hier dargestellten Muslimin stellt somit den Prototypen eines Schemas dar, das das historisch tradierte Bild der unterdrückten Muslimin reproduziert und vereinfacht etwa folgende Gedankenkette bedient: „Kopftuchtragende 12 Hörner, Der Begriff Feindbild, 32. 230 KHOLA MARYAM HÜBSCH Frauen sind fundamentalistisch, fanatisch und werden unterdrückt. Vom Kopftuch und damit dem Islam geht deshalb eine Bedrohung aus.“ Da die Rezeption emotional wirkender Bilder dazu führt, dass das Ausmaß eines Problems überschätzt wird13, erscheint diese Schlussfolgerung besonders wahrscheinlich. Der Text hat deshalb, auch wenn er positiv über muslimische Frauen berichten würde, angesichts der strukturellen Übermacht des Bildes14 kaum Chancen (aus einem anderen Blickwinkel) beachtet zu werden. Durch das extrem wirkende Bild wird hier eine implizite Botschaft vermittelt, die im Text selbst nicht enthalten ist. Darüber hinaus transportiert das Bild Authentizität, es hat Zeugencharakter und vermittelt dem Betrachter aufgrund seiner „dokumentarischen Qualität“15 den Eindruck der eigenen Anschauung. Da es zudem in einer als seriös geltenden Qualitätszeitung erscheint, wirkt es besonders glaubwürdig und suggeriert, dass sich der Betrachter ein „eigenes Bild“ machen kann. Der Leser wird daher vermutlich nicht kritisch darüber reflektieren, dass es sich bei diesem Foto um einen kleinen Bildausschnitt handelt, der keinen Überblick darüber zu geben vermag, wie die Demonstrationen tatsächlich ausgesehen haben. Auch kennt der Betrachter in der Regel keine anderen Bilder, die auch von den Demonstrationen gemacht wurden, aber hier nicht für die Titelseite ausgewählt, wohl aber von Musliminnen im Internet veröffentlich wurden (Vgl. Abb. 2, 3) und ein ganz anderes Bild vermitteln. Man sieht dort selbstbewusste, lächelnde junge Musliminnen, die Plakate mit der Aufschrift „Mein Kopftuch ist meine Freiheit“ oder „Kein Zwang im Glauben“ tragen. Hier wurde ein ganz anderer Aspekt der perzipierten Realität ausgewählt und in den Vordergrund gerückt. Sowohl das Bild in der F.A.S. als auch die Fotos auf der von Muslimen betriebenen Website geben damit eine bestimmte, jeweils andere Perspektive vor, die die weitere Wahrnehmung beeinflusst. So wirkt die Bildunterschrift in der F.A.S., die „Gegen das Kopftuchverbot“ lautet, wie eine Unterstreichung der suggestiven und unterschwelligen Gleichung: Kopftuch = radikaler Islam, die vom Titelbild ausgeht – in Kombination mit den oben erwähnten Internet-Fotos dagegen wäre vermutlich eine ganz andere Botschaft von der Bildunterschrift ausgegangen und man hätte den Eindruck gewinnen können, muslimische Frauen würden sich selbstbewusst für ihre Rechte einsetzen. Wenn die Meldung zum eingangs beschriebenen Bild sich überwiegend auf die Wiedergabe faktischer Vorgänge beschränkt und von „massiver Mobilisierung“ spricht, ohne auf die Argumentationen der Demonstrantinnen einzugehen, wird dadurch auch ein textueller Frame gesetzt: Der Fokus liegt auf Informationen, die den Islam als extremistisch erscheinen lassen. Die Demonstrationen werden vermutlich als Beleg für die Aggressivität der Muslime gewertet, da unklar bleibt, warum sie demonstrieren, und somit kein Verständnis geweckt, sondern eine diffuse Angst erzeugt wird. 13 14 15 Vgl. Brosius, The Effects of Emotional Pictures, 118. Vgl. Niroumand, Der Brand in der Lübecker Hafenstraße, 98. Hartmann, Transfer-Effekte, 24. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE Abb. 2 Abb. 3 231 232 KHOLA MARYAM HÜBSCH Man spricht bei einem solchen Prozess der Wahrnehmungssteuerung durch einen hervorstechenden Reiz auch von Framing. Bestimmte Aspekte der perzipierten Realität werden dabei hervorgehoben, andere dagegen werden heruntergespielt, vernachlässigt oder ignoriert, so dass bestimmte Kausalzusammenhänge und Bewertungen nahe gelegt werden. Als Mittel zur Hervorhebung dienen dabei auffällige Visualisierungen, Schlüsselwörter, Metaphern, Symbole, Wiederholungen, eine prominente Platzierung oder etwa die Schlagzeilengröße. 2 Dominante Frames herausfordern Nach Entman sollte „Objektivität“ im Journalismus nicht nur darin bestehen, Tatsachen und Meinungen ausgewogen zu präsentieren, sondern vielmehr darin, den „dominierenden Frame“ herauszufordern.16 Journalisten haben demnach die Aufgabe, vorherrschende Frames zu kritisieren und die Frames sozialer Minderheiten zu berücksichtigen. Aufgrund der Prävalenz visueller Wahrnehmung kann vermutet werden, dass in den meisten Fällen das Bild das erste Wahrnehmungsereignis darstellt und damit den Framing-Prozess aktiviert17, da das zuerst Wahrgenommene die weitere Rezeption beeinflusst.18 Bilder, aber auch auffällige Überschriften fungieren somit als „Leitsysteme der Wahrnehmungslenkung“.19 Gerade Botschaften, die nicht ohne weiteres explizit geäußert werden können, weil die Gefahr der sozialen Ächtung besteht und sie den Verdacht auf Fremdenfeindlichkeit zur Folge haben können, lassen sich über eine entsprechende Visualisierung implizit vermitteln. Hartmann bemerkt dazu: „Pressefotos können deshalb auch Aussagen transportieren, die in Worten ausgedrückt bei Rezipienten auf erhebliche Widerstände stoßen würden.“20 Äußerungen, die somit verbal aus Rücksicht auf eine political correctness nicht kommuniziert werden, können visuell vermittelt werden, da Bilder keinen eindeutigen, expliziten Aussagegehalt zu haben scheinen und man somit nicht weiter anfechtbar ist.21 Infolgedessen eignen sich Bilder besonders gut, will man eine bestimmte Weltanschauung vermitteln, ohne den Anspruch auf eine unabhängige und neutrale Berichterstattung aufzugeben. Insbesondere was nun die Bebilderung von Artikeln zum Thema Islam angeht, strotzten diese nach Lueg „nach wie vor von den alten Klischees“. Amirpur beschreibt, wie auch ein Artikel, der differenziert berichtet, vom Bildeindruck überlagert wird: 16 17 18 19 20 21 Entman, Framing, 55. Vgl. Frey, Die Macht des Bildes, 78. Kepplinger, Nonverbale Kommunikation, 360. Liehr-Molwitz, Zusammenhang von Design und Sprachinformation, 38. Hartmann, Transfer-Effekte, 273. Vgl. Messaris / Abraham, The Role of Images, 220. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 233 …ein Blick in jede beliebige Nachrichten, Zeitschrift oder Tageszeitung genügt, um sich ein Bild vom Islambild zu machen: Illustriert werden die oft klugen Beiträge vorzugsweise mit grimmigen Bartträgern, verschleierten Frauen und erhobenen Fäusten. Diese Bildsprache ist so stark, dass selbst die ausgewogenste Expertenmeinung nicht den fatalen Eindruck verhindern kann: Der Islam ist doch Fundamentalismus.22 3 Projektionsfläche abendländischer Phantasien Vergleicht man ältere Umfragewerte des Allensbacher Instituts über das Islambild der Deutschen miteinander, stellt man fest, dass die Angst vor dem Islam immer weiter wächst.23 Fast die Hälfte der Deutschen fühlt sich durch fremde Kulturen bedroht.24 Es verwundert daher nicht, dass 60 Prozent der Deutschen laut einer Studie der Friedrich Ebert-Stiftung von 2010 der Meinung sind, man solle die Religionsausübung für Muslime in Deutschland erheblich einschränken.25 Zwar lässt sich ohne eine integrierte Versuchsanordnung zur Medienwirkung nicht auf eine zwangsläufige Wirkung eines Negativbildes des Islams in der Presse auf die Öffentlichkeit schließen, jedoch ist gemäß Hafez ein Wirkungspotential im Vergleich Medienbild/Demoskopie deutlich zu erkennen.26 Die Europäische Union forderte daher eine Revision des negativen Bildes der islamischen Welt in den Massenmedien.27 Wie aber kommt es zu solch einem Bild? Dramatische Medienberichte über die Unterdrückung der Frau in der so genannten Islamischen Welt wie die Titelstory vom Stern im Juli 2010 thematisieren „Burka, Zwangsheirat, Peitschenhiebe, Steinigungen“ und „archaische Zwänge und Strafen“ im Islam. Die reale strukturelle Diskriminierung muslimischer Frauen in Teilen muslimisch geprägter Länder bietet sicherlich eine Erklärung. Auf der Suche nach einer Ursache nimmt die Annahme, der Islam allein sei verantwortlich für diese Form der Frauenunterdrückung, jedoch mitunter auch eine psychische Entlastungsfunktion ein28, indem die Ereignisse mit der Religion des Islams begründet und die Verantwortung damit auf eine abstrakte Vorstellung des Islams projiziert wird. Ein weiteres Reflektieren erscheint dann nicht mehr nötig und die globalisierten Kausalitäten sowie die eigene Dominanz werden nicht wahrgenommen. Es muss zudem beachtet werden, dass diese Erklärungsschablone nur deswegen eingesetzt werden kann, weil ein Vorwissen mit bestimmten Schemata über die Frau im Islam existiert, das nun wieder aktualisiert werden kann und genutzt wird, um eine Kategorisierung der politischen Ereignisse vorzunehmen. 22 23 24 25 26 27 28 Lueg, Der Islam in den Medien, 28. Noelle-Neumann, Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie, 62; Noelle / Petersen, Eine fremde, bedrohliche Welt. Vgl. Pollack, Wahrnehmung und Akzeptanz. Decker [u.a.], Die Mitte in der Krise. Hafez, Die politische Dimension der Auslandsberichterstattung, 96. Conseil de l’Europa, Doc. 6497. Zitiert nach Hafez, Die politische Dimension der Auslandsberichterstattung, 9. Flohr, Feindbilder in der internationalen Politik, 114f. 234 KHOLA MARYAM HÜBSCH Die Reaktivierung alter Vorurteile anlässlich aktueller Geschehnisse wird bereits von Said diskutiert. Said verdeutlicht in seiner grundlegenden Arbeit über das westliche Bild des Orients, dass der Orient stets als Gegenpol zum Abendland galt und damals wie heute mit Hilfe von undifferenzierten und simplifizierenden Beschreibungen diffuse Ängste vor einer Bedrohung der „abendländischen Kultur“ geschürt wurden und werden.29 Auch die romantisierenden Vorstellungen über den Islam in der deutschen Kunst und Literatur (man denke etwa an die Haremsphantasien30) des 19. Jahrhunderts belegen nach Said, dass der so genannte Orient mehr als Projektionsfläche eigener Vorstellungen genutzt wurde und Texte über den Orient kollektive abendländische Phantasien beinhalteten, statt eine ernste Auseinandersetzung darzustellen.31 Said kritisiert dabei, dass der „Orientalismus“ ein Konstrukt des Westens ist, das durch die essentialistische Unterscheidung von Orient und Okzident entsteht. Dadurch, dass ein Gegensatz zwischen Ost und West postuliert wird, der den Orient gezielt abwertet, bringt sich der Westen demnach in eine superiore Position. In Bezug auf die Wahrnehmung der muslimischen Frau dient diese häufig als Negativfolie, über die man sich selbstidealisierend seiner eigenen Fortschrittlichkeit versichert. Die unterdrückte Muslimin dient dann als Kontrastfigur zur europäischen, emanzipierten und aufgeklärten Frau. „Gerahmt wird dieser Topos von einem Diskurs, der Europas freiheitlich-demokratischer Kultur und Tradition der Aufklärung einen nicht-integrierbaren, rückständigen und gewaltbereiten Islam gegenüberstellt“, so Shooman.32 Said ging es auch darum, eine kritische Auseinandersetzung der Wissenschaft mit den eigenen Grundlagen der Orientanalyse zu etablieren. Er plädierte daher für eine „Entkolonialisierung“ der Wissenschaft, die dem Versuch einer „Entkolonialisierung“ der Medien vorausgehen müsse, da beide Bereiche ein ähnlich einseitig geprägtes Islambild hätten. Die wissenschaftsinterne Kritik ist demnach eine Voraussetzung für wissenschaftliche Medienkritik.33 Wenn 60 Integrationsforscher in einem offenen Brief, der 2006 in der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit erschien, argumentieren, dass sich die Integrationspolitik im Wesentlichen auf Vorurteile stütze, und monieren, der Islam werde als eine „unverbesserlich rückschrittliche“ Religion für „Zwangsverheiratungen und andere Grausamkeiten“ verantwortlich gemacht, wird deutlich, dass Saids Forderungen berechtigt sind.34 29 30 31 32 33 34 Said, Covering Islam. Pinn / Wehner, EuroPhantasien, 9. Said, Orientalism. Shooman, Stereotype muslimischer Frauen. Said, Covering Islam. Terkessidis / Karakasoglu, Gerechtigkeit für die Muslime. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 235 4 Konzentration auf Reizthemen Besonders problematisch erscheint dabei, dass teilweise marginale Ereignisse und lokale Traditionen mit religiösem Dogma gleichgesetzt und verabsolutiert werden, ohne den entsprechenden Kontext darzustellen. Wenn es etwa in Saudi-Arabien für Frauen verboten ist, Auto zu fahren, so findet sich keine Grundlage für dieses Verbot im Islam. Andererseits werden Beispiele, die das stereotype Bild der muslimischen Frauen konterkarieren, ignoriert. So nehmen etwa Frauen in Kuwait höchste Positionen in Männerdomänen ein; der Anteil der weiblichen Universitätsprofessoren in Ägypten etwa ist mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland, ähnliche Beispiele gibt es viele.35 Es fällt zudem schwer, zwischen den vielen verschiedenen Gruppierungen innerhalb des Islams zu unterscheiden. Während es ein starkes konservatives Gelehrtenestablishment in der so genannten islamischen Welt gibt, existieren gleichzeitig auch Reformgemeinden und liberale Gruppierungen sowie Frauenbewegungen, die eine geschlechtergerechte Exegese des Korans vorantreiben und dabei islamrechtliche Begründungen vorlegen.36 In den Medien wird jedoch häufig eine besonders konservative orthodoxe Lesart des Korans als die islamische Position schlechthin perpetuiert, obwohl in fast allen Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung die Gleichberechtigung von Mann und Frau in den Verfassungen festgeschrieben ist37 und es auch möglich ist, dies vom Koran abzuleiten.38 Dennoch halten vor allem orthodoxe Richtungen innerhalb des Islams an einer Ungleichheit zwischen Mann und Frau fest, wie es auch im Judentum oder Christentum der Fall ist – jedoch entspricht dies nicht der Auslegung aller muslimischen Gruppierungen. Auch wenn also nicht geleugnet werden kann, dass es eine Diskrepanz zwischen der Verfassungstheorie und gesellschaftlicher Realität gibt, sticht doch hervor, dass identische Probleme in nicht islamisch geprägten Ländern zu finden sind, ohne dass diese religiös begründet werden würden. Man denke nur an die jüngst wieder aufgeflammte Debatte zu Zwangsverheiratungen oder die Bevormundung der Frau durch die Familie des Mannes – Probleme, die vor allem auch in Indien beobachtet werden können. Die Unterdrückung der Frau wird dabei jedoch nicht „auf der religiösen Ebene als ‚hinduistisch‘ stigmatisiert“.39 Was die Gleichberechtigung von Mann und Frau angeht, lässt sich auch für Deutschland eine Kluft zwischen Grundgesetz und gesellschaftlicher Wirklichkeit feststellen, wenn auch in nicht vergleichbarem Maße. Die geschlechtsspezifische Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt etwa ist bekannt, dennoch entwirft die Mehr- 35 36 37 38 39 Schiffer, Die Darstellung des Islams in der Presse, 40. Vgl. Schneider, Der Islam und die Frauen. Naggar, Ich bin frei, du bist unterdrückt, 211. Pinn, Von der exotischen Haremsschönheit zur obskuren Fundamentalistin, 68. Naggar, Ich bin frei, du bist unterdrückt, 213. 236 KHOLA MARYAM HÜBSCH heitskultur ein Bild von sich, das in seiner Idealisierung ebenso verzerrt ist wie die Wahrnehmung der muslimischen Frau als Antifigur der Emanzipation.40 Wenn Journalisten die Vielfalt der islamischen Bandbreite in ihren Darstellungen nicht berücksichtigen, führt dies letztlich nicht nur zu einer verzerrten Wahrnehmung des Islams, sondern auch zu einer Verbreitung extremistischer Positionen innerhalb des Islams. Die Vielfalt an facettenreichen Deutungsmöglichkeiten wird damit weiterhin verengt auf die Eindeutigkeit einer islamistischen Ideologie. Hafez macht deutlich, dass die medial aktualisierten Themen bezüglich des Islams nur Ausschnitte aus einem breit gefächerten islamischen Diskurs sind, der nicht adäquat wiedergegeben wird; vielmehr werden komplexe Sachverhalte als islaminhärent reduziert. Vor allem auch, da sich eine bildliche Darstellungstradition entwickelt hat, die nicht mehr kritisch reflektiert wird, kommt es leicht zu einer Vermischung der Konzepte Islam und Islamismus. Das mediale Bild der muslimischen Frau lässt daher soziopsychologische Konstruktionsprinzipien der Islamwahrnehmung erkennen: Selektive Wahrnehmung und pars-pro-toto-Denken, worst-case-Denken, Dekontextualisierung und Stereotypisierung sowie Antipoden-Denken überwiegen.41 Schiffer konstatiert ferner, dass das Negativbild über die Frau im Islam in großen Teilen der nicht-muslimischen Bevölkerung mit einer Unkenntnis über die Religion des Islams einhergeht und von emotionalen Komponenten geprägt ist.42 Das „bereits sehr verzerrte, negative Islambild der nichtislamischen deutschen Bevölkerung“43 stellt nach Schiffer ein ernstzunehmendes Problem dar. Damit stimmt sie mit einer Reihe von Orientalisten wie etwa Schimmel, Rotter oder Steinbach überein, die immer wieder die selektive, eurozentrische Sicht auf islamische Belange kritisieren.44 Lueg und Hippler unterstreichen, dass die populären Feindbilder eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Islam verhindern und zu einer pauschalen Diffamierung des Islams führen, die mit Überheblichkeit und Schematismus einhergeht.45 Weiterhin wird moniert, dass die Kenntnisse über den Koran bei den meisten Journalisten unbefriedigend sind und kaum auf Koranstellen hingewiesen werde, in denen von Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Mitleid die Rede ist. Im Fokus stehen vielmehr Verse, die den angeblich frauenfeindlichen Charakter des Islams belegen sollen. Laut Pinn und Wehner fehlt vielen Journalisten das Wissen darüber, wie mit islamischen Quellentexten umzugehen sei, vor allem was die Vielfalt an Übersetzungsmöglichkeiten angeht.46 Gerade tendenziöse Koran-Auslegungen 40 41 42 43 44 45 46 Braun / Mathes, Verschleierte Wirklichkeit, 224. Vgl. Hafez, Die politische Dimension der Auslandsberichterstattung, 230–233. Schiffer, Die Darstellung des Islams in der Presse, 4. Ebd., 45. Vgl. Rotter, Die Welten des Islam; Steinbach, Arabien; Schimmel, Die Einflüsse der islamischen Kultur. Lueg / Hippler, Einleitung, 9. Vgl. Pinn / Wehner, EuroPhantasien, 140ff. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 237 können dann als Beweis für die Unterdrückung der Frau im Islam instrumentalisiert werden.47 Pinn sieht im unsachgemäßen Umgang mit dem Koran und der Vermischung von Religion mit regionalen oder schichtspezifischen Traditionen und volkstümlichen Gebräuchen die Ursache dafür, dass der Islam das Image einer frauenfeindlichen Religion innehat.48 Zudem ist eine Konzentration der Medien auf Reizthemen zu beobachten. Dies lässt vermuten, dass die Sorge um die muslimische Frau vorgeschoben scheint, um den Islam als Religion zu stigmatisieren. Ginge es um die Unterdrückung der Frau als solche, müsste eine breit angelegte Patriarchatskritik vorgenommen werden, die auch patriarchale Strukturen im Zusammenhang mit anderen Weltreligionen und in säkularen Systemen anprangert. Auch müssten dann Diskriminierungserfahrungen der in Deutschland lebenden Musliminnen thematisiert werden. Gerade kopftuchtragende Frauen sind im Alltag und auf dem Arbeitsmarkt häufig einer „Mehrfachdiskriminierung par excellence“49 ausgesetzt, wie Studien der Antidiskriminierungsstelle des Bundes belegen.50 Diese Erfahrungen schlagen sich jedoch in der Berichterstattung kaum nieder. Shooman konstatiert daher, dies deute darauf hin, dass „es bei dem Topos der unterdrückten Muslimin weniger um die Emanzipation muslimischer Frauen als eher um eine Selbstvergewisserung geht“.51 5 Torpedierung eines interkulturellen Austauschs Die Darstellung der muslimischen Frau als Objekt der Unterdrückung religiöspatriarchalischer Gesellschaftsnormen wird immer wieder kritisiert.52 Amanuel beobachtet, dass in der Medienberichterstattung gezielt über Frauen berichtet wird, die „Vorurteile der Nichtmuslime bestätigen“.53 In Bezug auf die Diskussion um das Kopftuch betont Derichs, dass eine Unterdrückung erst dann vorliege, wenn die „autonome Entscheidung über das Anlegen eines Kleidungsstückes nicht ermöglicht wird“.54 Entscheidend sei folglich, ob einer Zustimmung oder Ablehnung zum Tragen des Kopftuches eine freie Entscheidung vorangehe – dies werde aber in den westlichen Medien oft nicht thematisiert, vielmehr werde per se von einem Moment der Unterdrückung durch die Verschleierung ausgegangen.55 Repräsentative Studien zeigen, dass nahezu alle der in Deutschland lebenden Kopftuchträgerinnen religiöse Gründe als Motiv für das Tragen eines Tuches nen47 48 49 50 51 52 53 54 55 Vgl. ebd., 141. Vgl. Pinn, Von der exotischen Haremsschönheit zur obskuren Fundamentalistin, 73. Jäger (Hrsg.), Starke Frauen, schwerer Weg, 10. Vgl. Frings, Diskriminierung aufgrund der islamischen Religionszugehörigkeit. Shooman, Stereotype muslimischer Frauen. Toker, Migrantinnen im deutschen Fernsehen; Amanuel, Frauenfeind Islam; Pinn / Wehner, EuroPhantasien. Amanuel, Frauenfeind Islam, 107. Derichs, Wie ist es, ein Feind zu sein, 66. Ebd. 238 KHOLA MARYAM HÜBSCH nen und Zwang keine Rolle bei der Entscheidung spielt.56 Diese Selbstdeutung wird jedoch in der Berichterstattung nicht thematisiert, vielmehr nehmen Islamkritiker, Politiker und Feministinnen die Deutungsmacht für sich in Anspruch, die wiederum zur Grundlage für repressive Maßnahmen wird. Im Schleier der Muslimin sieht Schiffer ein besonders effektives und „argumentations-ökonomisches“ Mittel, um den Islam ohne weitere Begründung als negativ brandmarken zu können, auch wenn muslimische Frauen im Schleier mitunter auch ein Zeichen gegen den Sexismus sehen. Nachdem „die muslimische Frau zum unterdrückten Wesen schlechthin monosemiert wurde, eignet sich der Schleier hervorragend als sichtbares Zeichen, als Symbol für den Islam, dem die Gründe für jegliche Unterdrückung unterstellt werden“.57 Allein die visuelle Darstellung einer verschleierten Frau setze demnach eine negative Assoziationskette in Gang. Schiffer bedauert, dass eine solch einseitige Darstellung der muslimischen Frau zur Folge habe, dass eine interkulturell befruchtende Diskussion um Geschlechtsrollen dadurch behindert werde. Ihr Einwand der westliche Feminismus müsse erkennen, „dass er die männliche Rolle als Norm anerkannt hat und lediglich danach trachtet, die weiblichen Lebensentwürfe daran auszurichten“58, wird von muslimischer Seite bestätigt, so werden daher alternative Konzepte für die Emanzipation der Frau vorgeschlagen. Auch Pinn und Wehner bedauern, dass es nicht zu einer fruchtbaren Auseinandersetzung zwischen westlichen Feministinnen und Musliminnen kommt, da sie in „der Kritik an Bastionen der Männermacht“ oder z.B. in der „Kommerzialisierung der Sexualität“ einen gemeinsamen Ansatz sehen.59 Weiterhin betonen Pinn und Wehner, dass vieles von dem, was in den Medien als „islamisch“ bezeichnet wird und den Eindruck hinterlässt, die Religion des Islams sei rückständig sowie frauenverachtend, bei näherer Analyse oft „durch soziale und/oder kulturelle Einflussfaktoren ganz anderen Ursprungs bedingt [ist], etwa als charakteristisch für patriarchalisch strukturierte Agrargesellschaften“.60 Demnach gibt es viele Parallelen zwischen Denk- und Verhaltensweisen bestimmter Schichten islamischer und nicht-islamischer Regionen. Damit wäre die Ursache für frauendiskriminierende Ansichten auch abhängig vom Bildungsgrad und der Bevölkerungsschicht. Gerade wenn es um komplexere Sachverhalte geht, etwa das islamische Recht, führt eine verkürzte Darstellung zu einem falschen Bild.61 Die scheinbare Benachteiligung der Frau lässt sich dann bei genauerer Betrachtung leicht relativieren. Schiffer kritisiert, dass die Gründe für die Lebensbedingungen mancher muslimischer Frauen häufig allein im Islam gesucht werden und damit versucht 56 57 58 59 60 61 Vgl. Haug / Müssig / Stichs, Muslimisches Leben in Deutschland; Jessen / WilamowitzMoellendorff, Das Kopftuch. Schiffer, Die Darstellung des Islams in der Presse, 85. Ebd. Pinn / Wehner. EuroPhantasien, 60. Ebd., 6. Schiffer, Die Darstellung des Islams in der Presse, 34–42. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 239 wird zu beweisen, Frauenunterdrückung sei ein „islaminhärentes Phänomen“.62 Sie schlägt deswegen vor, eine Gegenprobe vorzunehmen: Indem die gleiche Argumentationsweise auf die eigene Situation übertragen wird, kann die Willkürlichkeit von Kausalitätsketten überprüft werden. Ebenso könnte die Ursache für den Sexismus in den so genannten westlichen Ländern etwa mühelos in der parlamentarischen Demokratie ausgemacht werden.63 Verkannt wird ferner, dass Musliminnen nicht Opfer sein müssen, sondern mitunter selbst Positionen vertreten, die eine Retraditionalisierung der Frauenrolle forcieren oder aber emanzipatorisch orientiert sind. Sie als passive Objekte darzustellen, entspricht nach Hafez daher auch in islamisch geprägten Ländern nicht ihrer sozialen Stellung.64 Dass die „Arabellion“ 2011 von Frauen aktiv mitgetragen wurde, zeugt davon. Aus psychoanalytischer Sicht dient das Fremdbild als Gegenkonstruktion zum Selbstbild mit der Funktion, negative Aspekte des Selbst durch Projektion in das Fremde auslagern zu können. Damit einher geht eine Selbstidealisierung: Wenn die muslimische Frau als unterdrückt klassifiziert werden kann, darf die westliche Europäerin als vollends emanzipiert erscheinen. Das ist insofern entlastend, als es impliziert, europäische Frauen erlebten keine Diskriminierung und keinen Sexismus, so dass für sie selbst kein Handlungsbedarf zu bestehen scheint. Naggar stellt fest, dass sowohl die feministische als auch die islamistische Frauenliteratur mit ähnlichen Mitteln arbeiten, um durch eine Polarisierung die jeweils andere Kultur als dehumanisierend markieren zu können und Ausrottungsgedanken zu implizieren – ein konstruktiver Austausch wird damit torpediert. 6 Fünf Frames der muslimischen Frau Im Folgenden soll nun zusammenfassend dargestellt werden, welche fünf Frames nach der systematischen Analyse aller Bilder und Artikel über muslimische Frauen in den Wochenmagazinen Stern, Der Spiegel und Die Zeit ausgemacht werden konnten.65 Ausgangspunkt für die Untersuchung ist das so genannte Kopftuchurteil, das am 24. September 2003 durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verkündet wurde und wie ein „Paukenschlag“66 die Berichterstattung über muslimische Frauen ankurbelte. Auernheimer et al. sind dabei der Meinung, dass die „Voreingenommenheit gegenüber Kopftuch tragenden Musliminnen […] durch den Mediendiskurs verstärkt“ wurde.67 62 63 64 65 66 67 Ebd., 85. Vgl. ebd. Hafez, Die politische Dimension der Auslandsberichterstattung, 20. Die Darstellung hier bietet eine kurze, aktualisierte und überarbeitete Zusammenfassung der Untersuchungsbefunde, die ausführlich publiziert worden sind, in: Hübsch, Der Islam in den Medien. Sacksofsky, Die Kopftuch-Entscheidung. Auernheimer, Wie Lehrerinnen und Lehrer auf das Kopftuch reagieren, 43. 240 KHOLA MARYAM HÜBSCH Der Untersuchungszeitraum umfasst zwei Jahre. Damit gehen Artikel, die sich aus der Kopftuchdebatte ergeben, ebenso in die Untersuchung ein wie Berichte, die völlig unabhängig davon erschienen sind. In den Untersuchungszeitraum fallen außerdem die Vergabe des Friedensnobelpreises an Shirin Ebadi, der ersten muslimischen Frau, die einen Nobelpreis erhalten hat, und die Berichterstattung über so genannte Ehrenmorde und Zwangsehen unter Muslimen. Als Ergebnis der qualitativen Analyse werden fünf Typen vorgestellt, die jeweils einen unterschiedlichen Frame in Bezug auf die Rolle der muslimischen Frau zeichnen: den Opfer-Frame, den Emanzipations-Frame, den GemeinsamkeitenFrame, den Extremistinnen-Frame und den Erotik-Frame. 6.1 Der Opfer-Frame (38%) Der Frame, der im untersuchten Datenmaterial am häufigsten vorkommt, lässt die muslimische Frau als passives und ohnmächtiges Opfer patriarchaler, teils misogyner Strukturen erscheinen. Um aufzuzeigen, durch welche Elemente sich der Opfer-Frame auszeichnet, wird im Folgenden eine kurze Analyse der Titelgeschichte der Ausgabe des Spiegel Nr. 47/2004 vorgenommen. Schon vom Titelcover dieser Ausgabe (Abb. 4) geht ein starker visueller wie auch textueller Frame aus. Zu sehen ist der schwarze Umriss einer gesichtslosen Frau mit gesenktem Kopf, die ein Kopftuch und dunkle, lange Kleidung trägt. Die Frau wirkt unterwürfig und scheint von der Außenwelt isoliert zu sein. Dadurch, dass nur ein schwarzer Umriss der Frau zu sehen ist, bleibt sie für den Betrachter anonym und damit fremd. Es ist keine selbstbewusste, lächelnde Persönlichkeit zu sehen, die dem Leser in die Augen sieht, wie es häufig bei Titelcovern üblich ist.68 Ganz im Gegensatz dazu wird nur ein vager Umriss einer Person gezeichnet, so dass eine befremdliche Distanz zwischen dem Betrachter und der abgebildeten Muslimin entsteht. Der Titel des Covers „Allahs rechtlose Töchter“ verstärkt in Kombination mit dem Untertitel „Muslimische Frauen in Deutschland“ den visuellen Frame. Suggeriert wird eine Kausalkette, die sich folgendermaßen zusammensetzt: Mit der Wortkombination „Allahs Töchter“ wird auf Musliminnen angespielt und der Bezug zum Islam betont. Musliminnen sind demnach rechtlos, und zwar gleich alle „Muslimische[n] Frauen in Deutschland“, so wird impliziert. Denn der Untertitel hat die Funktion, den Titel näher zu erläutern, und wird deswegen für die Interpretation des Titels für relevant gehalten. Aufgrund dessen entsteht der Eindruck, die Mehrheit muslimischer Frauen in Deutschland teile das Schicksal, rechtlos zu sein. Dies wird zwar explizit nicht gesagt, jedoch durch die Reihenfolge von Titel und Untertitel und den visuellen Kontext suggeriert. 68 Vgl. Holicki, Pressefoto und Pressetext. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 241 Abb. 4: SPIEGEL, Nr. 47/ 15.11.2004 Der Leitartikel der Titelgeschichte setzt denselben Frame in den Titelunterzeilen: „Tausende Musliminnen leben in Deutschland unter dem Joch des Patriarchats, weggesperrt in der Wohnung, hilflos gegen Gewalt und Zwangsheirat.“ Es wird der Eindruck erweckt, die dargestellten Lebensumstände seien repräsentativ für viele in Deutschland lebenden muslimischen Frauen und die Existenz einer jeden muslimischen Frau sei geprägt durch Unterdrückung und Misshandlung; auf eine differenzierende Darstellung wird verzichtet. Interessant ist dabei, dass immer wieder der Bezug zum Islam hergestellt wird, indem explizit die Rede von Musliminnen ist. Dass im Lead vage von „Tausenden“ gesprochen wird, zeigt, wie versucht wird, den Anschein zu erwecken, die Einzelschicksale ließen sich verallgemeinern. Da es zu diesem Zeitpunkt noch keine repräsentative Erfassung von Missbrauchsfällen an muslimischen Frauen gab, handelt es sich um eine Vermutung, die hier aber als Fakt präsentiert wird. Erfasst war dagegen bereits, dass einer repräsentativen Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) von 2004 zufolge 40 Prozent der deutschen „Frauen körperliche oder sexuelle Gewalt oder beides seit dem 16. Lebensjahr erlebt“ haben, wobei selbstverständlich nicht relevant war, ob die betroffenen Frauen einen christlichen Hintergrund hatten oder nicht.69 Es wird deutlich, dass es auf der einen Seite zu Zerrbildern über die 69 BMFSFJ, Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. 242 KHOLA MARYAM HÜBSCH muslimische Frau durch Pauschalisierungen kommt, auf der anderen Seite jedoch Fehlentwicklungen und Widersprüche in der deutschen Mehrheitsgesellschaft nicht thematisiert oder geleugnet bzw. verharmlost werden. Denn durch die Dramatisierung von Gewalt in muslimischen Familien wird die Unterdrückung der westlichen Frauen implizit bagatellisiert. Wenn suggeriert wird, die Gewalterfahrungen muslimischer Frauen seien skandalös, ist dies nur plausibel, wenn deutsche, nicht-muslimische Frauen keine Gewaltopfer sind, was offensichtlich nicht der Fall ist. Durch die Projektion der eigenen Widersprüche wird somit polarisiert und die westlichen Frauen werden durchweg als emanzipiert idealisiert. Die Gefahr besteht, dass Konflikte innerhalb der Mehrheitsgesellschaft durch eine solche Verschiebung nicht mehr adäquat wahrgenommen und angegangen werden.70 Mittlerweile liegen zwar auch erste repräsentative Studien vor, die zeigen, dass in Deutschland lebende türkische Frauen im Vergleich zu deutschen tatsächlich häufiger Gewalt in ihren Familien erleben.71 Die sozialen Umstände unterscheiden sich auch aufgrund der Migrationssituation jedoch deutlich vor allem in Hinblick auf die in der Gewaltforschung benannten Risikofaktoren für familiale Gewalt. Soziale Faktoren wie eine geringere Bildung, ein erhöhtes Armutsrisiko sowie vor allem eine größere Abhängigkeit vom Ehepartner können die „erhöhte Gewaltrate gegenüber türkischen Frauen hinreichend erklären“, so Rommelspacher.72 Statt Gewalt an Frauen als ein allgemeines Problem zu behandeln, das jenseits der Religionszugehörigkeit verbreitet ist, wird vermittelt, der Islam als Religion sei die Ursache. Koranverse, die den frauenverachtenden Charakter des Islams veranschaulichen sollen, dienen als Beleg für diese Ansicht. Ähnliches gilt für den Koran-Vers, der im Spiegel-Artikel hervorgehoben dargestellt und auch sonst in der Berichterstattung häufig prominent zitiert wird. Dort heißt es: „Und wenn ihr fürchtet, dass Frauen sich auflehnen, dann ermahnt sie, meidet ihr Ehebett und schlagt sie.“ Auch zu diesem Vers gibt es innerhalb des Islams sehr unterschiedliche Ansichten über die Bedeutung und eine vielschichtige Koranexegese.73 Allein der arabische Vers lässt bereits mehrere mögliche Übersetzungen zu, da zum Beispiel das Wort, das hier mit „schlagt sie“ übersetzt wurde, auch mit „jemandem nahe legen, sein Verhalten zu ändern“ übersetzt werden kann.74 Ferner wird in der innerislamischen Diskussion über diesen Vers häufig betont, dass es eine Reihe von als authentisch akzeptierten islamischen Überlieferungen (Hadith) gibt, in denen ein liebevoller und respektvoller Umgang mit Frauen 70 71 72 73 74 Vgl. Rommelspacher, Dominante Diskurse, 260. Schröttle, Gewalt gegen Migrant/innen und Nicht-Migrant/innen in Deutschland. Rommelspacher, Dominante Diskurse, 249. Vgl. Wadud, Qur’an and Woman; Ali, Sexual Ethics and Islam. Für einen Überblick siehe: Schneider, Der Islam und die Frauen, 57–68. Wobei diese Übersetzung derzeit allerdings eine Minderheitenposition innerhalb des Islams ist, vgl. Zentrum für islamische Frauenforschung und Frauenförderung (Hrsg.), Ein einziges Wort und seine große Wirkung. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 243 angemahnt wird.75 Die meisten klassischen Kommentare zum Vers beschreiben das „Schlagen“ als symbolischen Akt, da es einer Überlieferung zufolge nur mit einem Holzstöckchen von der Größe einer Zahnbürste erfolgen und keine Spuren hinterlassen dürfe.76 Es ist weiterhin überliefert, dass der Prophet selbst niemals eine Frau schlug.77 Das Verhalten des Propheten Muhammad gilt als maßgeblich für die Interpretation des Korans und seiner Umsetzung. Es gibt innerhalb des islamischen Kontextes den verbreiteten Standpunkt, dass das Schlagen von Frauen nicht der Sunna entspricht, also der Praxis des Propheten, die als Vorbild für alle Gläubigen wegweisend ist. Statt darauf Bezug zu nehmen, werden im hier untersuchten SpiegelArtikel jedoch mehrere Imame zitiert, die das Schlagen von Frauen befürworten. Unabhängig von der Diskussion darüber, wie bestimmte Koranverse zu verstehen sind, kann festgehalten werden, dass hier selektiv diejenigen Verse herausgesucht und hervorgehoben werden, die frauenfeindlich wirken, und bestimmte Übersetzungen und Interpretationen gewählt werden, während andere Möglichkeiten unerwähnt bleiben. Es kann an dieser Stelle nicht darum gehen, die inhaltliche Plausibilität liberaler, feministischer, konservativer oder sonstiger Koraninterpretationen inhaltlich zu bewerten. Entscheidend ist vielmehr, dass es verschiedene Interpretationen gibt, die herangezogen werden können, und dass der jeweilige Kontext zu berücksichtigen ist. Es wird nicht deutlich, dass die im Spiegel zitierte Lesart die extremistische Position einer Minderheit ist. Als Beispiel für den visuellen Frame dient ferner ein Bild, das folgendermaßen betitelt ist: „Muslimisches Paar (in Hamburg)“ (Abb. 5). Die Bildunterzeile wirkt auf den ersten Blick zwar neutral und sachlich, allerdings wird bereits suggeriert, das abgebildete Paar sei repräsentativ für muslimische Paare, es verkörpere gewissermaßen den Prototypen. Durch das Adjektiv „muslimisch“ wird zudem der Bezug zum Islam hervorgehoben – eine Bildunterschrift „christliches Paar“ für ein ähnliches Foto eines europäisch aussehenden Paares würde wohl kaum Verwendung finden. Vom Bild selbst geht darüber hinaus ein visueller Frame aus. Zu sehen ist eine verschleierte Frau, die zwei Einkaufstaschen trägt. Einige Schritte vor ihr sieht man einen Mann mit einer Kopfbedeckung. Im Prinzip könnte es sich um eine bedeutungslose Alltagsszene handeln; die beiden Personen könnten einander sogar fremd sein. Jedoch vermittelt und bestärkt das Bild gängige Klischees, weil es derart gestaltet ist, dass sich der Eindruck aufdrängt, die muslimische Frau werde von ihrem Mann wie eine Sklavin gehalten und müsse mehrere Schritte hinter ihm herlaufen und ihm die Taschen tragen. Ohne viel Worte zu verlieren und ohne verbal abgedroschene Stereotype zu bedienen, die leicht als 75 76 77 Vgl. Khorchide, Islam ist Barmherzigkeit, 177–179. Vgl. Schneider, Der Islam und die Frauen, 64. Vgl. Pinn / Wehner, EuroPhantasien, 145; Hadith Sammlung Abu Dawud, Ibn Majah und Darimi. Vgl. Ahmad, Vierzig schöne Edelsteine, 84: „Der Beste unter euch ist, wer seine Frau am besten behandelt, und ich bin ein Vorbild in der Behandlung meiner Familie“ (Hadith aus Tirmizi). 244 KHOLA MARYAM HÜBSCH Abb. 5: SPIEGEL, Nr. 47/ 15.11.2004, 62 plump erkannt worden wären, wird hier subtil über das Bild ein Frame gesetzt, der nichts Anderes tut, als ein Klischee abzubilden. Eine Karikatur aus dem Stern greift diesen Stereotyp der muslimischen Frau, die dem Mann unterwürfig ist, auf, indem sie dieses Bild umkehrt (Abb. 6). Man sieht eine kopftuchtragende Frau, hinter der ein Mann herläuft, der zwei Tüten trägt. Während die traditionell gekleidete Frau ihren Besuch beim Rock’n’Roll Kurs am Abend ankündigt und den Mann daran erinnert, das Bad zu putzen, verflucht dieser die „deutsche Leitkultur“. Die Unterzeile lautet: „Muslime in Deutschland: So geht’s doch auch.“ Komik entsteht hier durch die Umkehrung eines weit verbreiteten Stereotyps, das damit entlarvt wird. Zudem mag der Eindruck entstehen, Muslime hätten letztlich dieselben Probleme wie Nicht-Muslime: Denn auch wenn Geschlechtergleichheit forciert wird, muss konstatiert werden, dass in vielen Bereichen faktisch Geschlechtersegregation vorherrscht und eine gleichwertige Aufgabenteilung auch unter nicht-muslimischen Paaren längst nicht die Regel ist.78 Die Berichterstattung über so genannte Ehrenmorde ist geprägt durch den suggerierten Zusammenhang, diese Form von Morden sei auf den Islam zurückzuführen. Es ist bekannt, dass Ehrenmorde nicht nur unter Muslimen vorkommen, sondern bis heute auch unter Christen, etwa in Sizilien, im Libanon oder in Syrien verbreitet sind.79 Geht man einige Generationen zurück, stellt man fest, dass vergleichbare Konzepte von Ehre nicht nur in einigen christlich geprägten Regionen des Mittelmeerraumes, sondern auch in Westeuropa dominant waren.80 Man kann daher schwerlich von „islamischen“ Zügen dieser Ehrvorstellungen sprechen.81 78 79 80 81 Vgl. Rommelspacher, Anerkennung und Ausgrenzung, Kap. 7. Ehrhardt, Unbeugsam sein, 9. Vgl. Bielefeldt, Zwangsheirat und multikulturelle Gesellschaft, 14. Vgl. ebd. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 245 Abb. 6: Stern, 49/ 2004, 25 Rotter betont vielmehr, dass der Bildungsgrad und die soziale Herkunft zu berücksichtigen sind, da mit einem höheren Bildungsgrad unter Menschen verschiedener Religionen so genannte Ehrenmorde seltener werden. Es könnte daher bei der Berichterstattung über dieses Thema herausgestellt werden, dass solche Gewalttaten vor allem in bestimmten sozialen Schichten – in denen Muslime aufgrund der Anwerbungspolitik der 60er Jahre, die sich gezielt an eine ländliche türkische Bevölkerung richtete, überrepräsentiert sind – häufiger vorkommen und dass es teilweise zu einer Konservierung von patriarchalen Traditionen kommt, die in den Herkunftsdörfern bereits nicht mehr praktiziert werden. Rotter führt ferner an, dass auch das Alte Testament oder die Paulusbriefe, „im Prinzip alle heiligen Schriften für die Rechtfertigung von Gewalt missbraucht“82 werden können und in ländlichen Regionen oder der katholischen Kirche „Vorstellungen über die Nachordnung der Frau“ immer noch auftauchten. Des Weiteren hält er fest, dass es auch unter säkularen Deutschen „Morde aus psychologisch ähnlichen Motiven gibt“.83 Es fällt deshalb auf, dass alle hier ausgewerteten Artikel das Phänomen „Ehrenmord“ entweder als ein Problem beschreiben, das durch den Koran bzw. den Islam verursacht sei oder zumindest implizit durch die Verwendung von Schlüsselwörtern wie „Koran“, „Allah“ etc. eine Kontextualisierung 82 83 Ehrhardt, Unbeugsam sein, 9. Ebd. 246 KHOLA MARYAM HÜBSCH vornehmen, die dies andeutet. Nicht erwähnt werden Koranverse, aus denen sich ableiten ließe, dass so genannte Ehrenmorde unislamisch sind84, sowie Stellungnahmen muslimischer Frauen- oder Frauenrechtsorganisationen, die betonen, dass so genannte Ehrenmorde kein religiöses Phänomen darstellen.85 6.2 Emanzipations-Frame (19%) Charakteristisch für Artikel, die einen Emanzipations-Frame legen, sind Interviews mit muslimischen Frauen aus islamisch geprägten Ländern. Interviewt wurden Musliminnen, die sich aktiv für Frauenrechte einsetzen, darunter Professorinnen, Studentinnen, Unternehmerinnen, Geschäftsfrauen, Chefredakteurinnen, Rechtsanwältinnen, Richterinnen, Frauenrechtlerinnen und ein „erster weiblicher Mufti“.86 Interessant ist, dass diese Frauen ausdrücklich islamisch argumentieren und egalitäre sowie emanzipatorische Züge aus dem Koran und der Frühgeschichte des Islams herausarbeiten. Häufig wird auf historisch wichtige Frauenfiguren des Islams als emanzipiertes Vorbild verwiesen, wie der ersten Frau des Propheten, Khadidja, einer erfolgreichen Geschäftsfrau, oder Aisha, die als wichtigste islamische Gelehrte mit großer Autorität gilt, sowie Umm Umara, einer der bekanntesten Kämpferinnen, die an kriegerischen Auseinandersetzungen besonders erfolgreich teilnahm. Der Koran wird weiterhin als Mittel gesehen, um gegen patriarchale Strukturen vorzugehen. Wiederholt wird die Aussage, dass bestimmte frauenfeindliche Praktiken nicht mit dem Islam zu vereinbaren seien, der vielmehr frauenfreundlich sei. Betont wird dabei, dass der Koran frauendiskriminierende Bräuche der vorislamischen Zeit wie etwa die Tötung von neugeborenen Mädchen verboten und die Frau in religiöser Hinsicht auf eine Stufe mit dem Mann gestellt habe, was vor dem historischen Hintergrund (um 630 n. Chr. in Arabien) revolutionär sei. Es gibt demnach keinerlei Unterschiede zwischen den Geschlechtern, laut Koran herrsche absolute Gleichheit.87 Auf sozialer Ebene habe der Islam frauenfreundliche Reformen eingeführt; so hätten Frauen etwa das Recht auf Eigentum und das Erbrecht erhalten, obwohl sie in der vorislamischen Zeit selbst als Besitz des Mannes galten. Dieser „Geist“ des Islams wird immer wieder angemahnt. Der Versuch, die emanzipatorischen Konsequenzen der koranischen Botschaft herunterzuspielen, werde dagegen dem reformerischen Impuls, der vom Islam in der Frühzeit ausging und nun weiterzuverfolgen sei, nicht gerecht. 84 85 86 87 Koran, 6:70; 5:33; 17:16. Vgl. Antes, Verbrechen im Namen der Ehre. DIE ZEIT 5/05, 16. Vgl. z.B.: „Ihr Herr antwortete ihnen also: ‚Ich lasse das Werk des Wirkenden unter euch, ob Mann oder Frau, nicht verloren gehen. Die einen von euch sind von den andern‘“ (Koran, 3:196; siehe auch 4:2). ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 247 Neben solchen theologischen Hinweisen zeigen die Interviews mit muslimischen Frauen außerdem, wie vielschichtig die Lebensrealität der Frauen ist. Deutlich wird etwa, dass immer mehr muslimische Frauen in so genannten islamischen Ländern studieren und damit etwa an der Al-Azhar Universität in Kairo „das explosive Wachstum der Universität“88 bewirken und in Ägypten oder Teheran bereits die Männer überholt haben89, so dass das Parlament im Iran sogar über eine „Männer-Mindestquote für die Universitäten debattiert“.90 Hervorgehoben wird auch, dass Frauen ohne Einschränkungen alles studieren könnten, „von Ingenieurwesen bis zur islamischen Jurisprudenz“.91 Neben der Bildung wird thematisiert, dass muslimische Frauen sich auch im Bereich der Politik engagierten: Sie stehen an der Spitze eines Studentenprotestes, protestieren gegen die Beschneidung ihrer Freiheit, fordern gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit und „Schluss mit geschlechtlicher Diskriminierung“92 und engagieren sich für Frauenrechte.93 In all dem scheinen sie westlichen Feministinnen zu ähneln. Auch wenn eine kopftuchtragende, promovierte Sexualtherapeutin betont, dass es Allah sehr wichtig sei, „dass auch Frauen zum Orgasmus kommen“94, und sie aus dem Koran ableitet, dass der Ehemann aufgefordert sei, „seine Frau regelmäßig zu befriedigen“, erinnert dies an die westliche Emanzipationsbewegung. Betont wird außerdem, dass die „körperliche Liebe zwischen Mann und Frau von Anfang an als Gottesgabe bejaht“ worden sei.95 Ferner werden muslimische Überlieferungen zitiert, wonach der Prophet des Islams die Männer auffordert, zärtlich mit ihren Frauen umzugehen. Damit wird durch die Hervorhebung bestimmter islamischer Quellen, die in den Artikeln des ersten Typs ignoriert werden, ein dem Opfer-Typ konträrer Frame gesetzt. Generell fällt auf, dass Inhalte, die ein positives Bild der muslimischen Frau vermitteln und somit den Islam als eine Religion erscheinen lassen, die die Emanzipation der Frau unterstützt, fast ausschließlich aus Zitaten von Interviews mit Musliminnen bestehen. Besonders Shirin Ebadi, die als erste muslimische Frau den Friedensnobelpreis erhalten hat, nutzt in Interviews immer wieder die Gelegenheit zu betonen, dass es keinen „Konflikt zwischen der Scharia und den Menschenrechten“96 gebe, und argumentiert dabei im Kampf für die Menschenrechte „dezidiert islamisch“97, wie es heißt. 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 DIE ZEIT 5/05, 13–15. Vgl. DIE ZEIT 40/03, 6 und DIE ZEIT 43/03, 8. Stern 8/04, 48. DIE ZEIT 5/05, 14. DIE ZEIT 28/04, 12. Vgl. Stern 21/05, 63–68; Der Spiegel 27/05, 96f.; Spiegel 27/05, 90; Spiegel 46/03, 132– 135; Spiegel 42/03, 124–125; Z 28/04, 11–14. Stern 36/05, 68. Stern 50/04, 90. Spiegel 46/03, 135; vgl. auch Spiegel 42/03, 125. DIE ZEIT 43/03, 8. 248 KHOLA MARYAM HÜBSCH Kommen muslimische Frauen selbst zu Wort, entsteht also ein völlig anderes Bild vom Islam. Der Islam erscheint dann als frauenfreundliche Religion. Bemerkenswert ist, dass in den herangezogenen Medien keine einzige in Deutschland lebende Muslimin befragt wurde, obwohl es während der so genannten Kopftuchdebatte dezidiert um muslimische Frauen in Deutschland ging. Zudem wurden die Interviews optisch nicht so stark forciert, d.h. entweder erfolgte keine so auffällige Platzierung, wie es bei Berichten im Opfer-Frame der Fall war, oder aber die zugehörigen Bilder konterkarieren den Emanzipations-Frame. Er kommt damit nicht nur deutlich seltener vor als der Opfer-Frame, sondern ist auch nur schwach ausgeprägt. Es wird somit zwar viel über muslimische Frauen berichtet, allerdings meist über ihre Köpfe hinweg. Kommen sie dann doch selbst zu Wort, was nur selten der Fall ist, vermitteln sie ein völlig anderes Islambild. 6.3 Gemeinsamkeiten-Frame (19%) Charakteristisch für den dritten Typ ist eine Islamdarstellung, die die Gemeinsamkeiten zwischen dem Islam und dem Christentum betont. Der Islam wird nicht als fremde, angsteinflößende Religion präsentiert, vielmehr werden Parallelen zur christlichen Religion gezogen. Damit erscheint der Islam als Weltreligion in einer Reihe mit Judentum, Christentum, Buddhismus und Hinduismus und wirkt nicht bedrohlich; Muslime werden vielmehr als Menschen dargestellt wie Du und Ich. Dabei beschäftigen sich die Artikel mit den Parallelen zwischen einer kopftuchtragenden Muslimin und einer Nonne im Habit. Das Kopftuch erscheint in diesem Zusammenhang nicht als politisches Symbol, sondern als Ausdruck der religiösen Überzeugung, so dass in der Zeit etwa postuliert wird: „Was für Christen, Juden oder Buddhisten in Deutschland gilt, muss auch für Muslime gelten – dass sie ihrer religiösen Überzeugung auch in ihrem persönlichen Habit (Kleidung, Haartracht, Kopfbedeckung, Schmuck) und auch an ihrem Arbeitsplatz Ausdruck geben können.“98 Suggeriert wird durch Formulierungen wie „Kopftuch nein, Kutte ja“99, dass es ungerecht sei, einer katholischen Nonne zu erlauben, im Habit an Schulen zu unterrichten, während es umgekehrt einer muslimischen Lehrerin verboten ist, in der Schule das Kopftuch zu tragen. Es wird also eine Parallele zwischen den beiden Religionen hergestellt. Argumentiert wird ferner, dass es in Deutschland oder Frankreich nur deswegen Probleme mit der Akzeptanz des muslimischen Kopftuchs gebe, weil eine allgemeine „Glaubensferne“100 in Mitteleuropa zu Misstrauen gegen jeden Glauben führe. Daher heißt es, werde in Italien das Kopftuch eher ak- 98 99 100 DIE ZEIT 38/03, 20. Spiegel 45/03, 50; vgl. Spiegel 43/04, 64. DIE ZEIT 16/04, 3. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 249 zeptiert, „die Sache entspannter“ gesehen, weil „man den Anblick geistlicher Kleidung gewohnt ist, Soutane, Priesterkragen, Ordenshabit aus dem Straßenbild kennt. Es wäre dann gar nicht die wasserreine Neutralität, die religiös gastfreundlich macht, sondern die Vertrautheit mit dem Eigenen, mit dem Christentum“.101 Es ist weiterhin sogar von einem „erstaunliche[n] Solidaritätsgefühl zwischen den Gläubigen“ des Christentums und des Islams die Rede, das geweckt werde durch die Einsicht, „letztlich in einem Boot zu sitzen, flussaufwärts gegen einen gottlosen Mainstream“.102 Dennoch wird aber suggeriert, dass Muslime immer noch einer „buchstäbliche[n] Interpretation historischer Glaubenstexte“ anhingen und deswegen auf dem Kopftuch bestünden. Gefordert wird deshalb gar, mit „unseren Mitteln, den modernen und postmodernen Moden“ das Kopftuchgebot zu unterlaufen, indem man es zu einem Modeaccessoire umfunktioniert.103 Hier wird also wiederum ein Gegensatz zwischen Islam (bzw. bestimmten Geboten des Islams) und Aufgeklärtheit konstruiert. Schließlich werden auch Politiker mit Sätzen zitiert, die versuchen, einen unüberwindbaren Kontrast zwischen Christentum und Islam aufzubauen. So heißt es: „Wir können doch die Kleidung unserer gewachsenen christlichen Kultur nicht gleichstellen mit den Insignien provokanter, fundamentalistischer fremder Kulturen.“104 Dies zeigt, dass der Gemeinsamkeiten-Frame nicht sehr intensiv ausfällt, da auch frame-inkonsistente Elemente festzustellen sind. Vor allem zwei Bilder aus der Zeit setzen einen Frame, der visuell vermittelt, das Kopftuch muslimischer Frauen und die Haube der Nonne seien miteinander vergleichbar (Abb. 7). Auf der Titelseite bildet Die Zeit dazu eine lächelnde Nonne ab, die neben einer kopftuchtragenden Muslimin steht. Interessant ist, dass die Muslimin dabei das Kopftuch auf eine Weise umgebunden hat, die der Art, in der die Nonne die Haube trägt, zum Verwechseln ähnlich ist. Auch durch die Farben wird die Ähnlichkeit hervorgehoben, so trägt die Muslimin ein Kopftuch in schwarz mit weißen Streifen, was farblich dem Habit der Nonne entspricht. Dieses Bild setzt einen starken Frame, der große Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Muslimen insinuiert und dadurch Sympathie und Verständnis für das Kopftuch der Muslimin zu wecken versucht. Dass dieses Bild zudem auf der Titelseite auffällig platziert ist und die Hälfte der Seite einnimmt, dürfte die Wirkung des visuellen Frames verstärken. Insgesamt kommt der Gemeinsamkeiten-Frame jedoch nur selten vor und wird dabei nur schwach gesetzt. 101 102 103 104 Ebd. Ebd. DIE ZEIT 39/03, 44. Spiegel 45/03, 50. 250 KHOLA MARYAM HÜBSCH Abb. 7: Die Zeit, 7. April 2004 6.4 Extremistinnen-Frame (10%) Das Bild der muslimischen Frau als „radikale Fundamentalistin“ oder „muslimische Fanatikerin“ wurde textuell besonders häufig während der Berichterstattung um die so genannte Kopftuchdebatte bedient; visuell wurden immer wieder verschleierte Frauen mit Waffen oder auf Demonstrationen abgebildet.105 Muslimische Frauen werden dabei als fanatisch, radikal oder „merkwürdig“106 porträtiert. Implizit wird den Musliminnen durch ein textuelles Framing extremistisches und zum Teil verfassungs- oder demokratiefeindliches Gedankengut unterstellt. Ein besonders starker textueller Frame geht von einer Titelgeschichte des Spiegel aus, der auf der Titelseite ein Bild der muslimischen Lehrerin Fereshta Ludin zeigt.107 Nicht nur sie persönlich wird in dem Artikel als intolerant und fundamentalistisch dargestellt, sondern das Kopftuch per se wird zum „Symbol der Intoleranz“108 erklärt. So heißt es in der Ankündigung: „…den Bundesländern bleibt es überlassen, das Symbol eines intoleranten Islam per Gesetz zu verbieten. 105 106 107 108 Vgl. DIE ZEIT 51/04, 5; Spiegel 8/05, 146; Spiegel 40/03, 89; Spiegel 23/05, 91. Vgl. DIE ZEIT 51/03, 6. Spiegel 40/03, 83. Spiegel 40/03, 8. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 251 Denn radikale Muslime verachten die Werte der westlichen Demokratien. Werden Politiker die Ausbreitung des religiösen Fundamentalismus in Deutschland stoppen?“ Impliziert wird damit zunächst durch die Reihenfolge der ersten beiden Sätze und dem Verbindungswort „denn“ eine logische Verknüpfung, so dass ein direkter Kausalzusammenhang zwischen dem Kopftuch und radikalen Muslimen bzw. der Ablehnung der Demokratie suggeriert wird. Eine Kopftuchträgerin wird damit zwangsläufig als radikal und anti-demokratisch eingestuft. Die nachfolgende Frage unterstellt weiterhin, Kopftuchträgerinnen seien religiöse Fanatiker und somit eine ernsthafte Bedrohung, die man „stoppen“ müsse. Zudem heißt es im Artikel, dass das Kopftuch unter anderem die „Flagge“ der islamischen Fundamentalisten sei, wobei im nächsten Satz herausgestellt wird, dass es „[i]mmerhin“ auch „Millionen gläubiger Musliminnen ohne Kopftuch auf der Welt“ gebe. Auch hier führt die direkt aufeinander folgende Anordnung der Sätze und die Verbindung mit dem Partikel „immerhin“ dazu, dass die Aussagen inhaltlich füreinander relevant gehalten werden und ein logische Verknüpfung nahe liegt, auch wenn diese nicht explizit hergestellt wird. Suggeriert wird somit durch das textuelle Framing unterschwellig ein Gegensatz, der unterstellt, das Kopftuch werde nur von extremistischen Frauen getragen, gemäßigte Musliminnen dagegen zögen es nicht an. Eine Gegenprobe zeigt, wie abwegig dieser unterstellte Kausalzusammenhang ist: Es gibt schließlich auch Millionen gläubiger Christen, die kein Kreuz tragen – dennoch ist nicht jeder Christ mit einer Kreuzkette am Hals fundamentalistisch oder extremistisch. Abgesehen davon zeigen Studien, dass es hinsichtlich der Einstellungen etwa zur Gleichberechtigung von Mann und Frau oder zur politischen Ordnung in Deutschland kaum Unterschiede gibt zwischen Kopftuchträgerinnen und einer vergleichbaren Gruppe säkularer oder christlicher Frauen.109 Nicht zitiert werden jedoch solche Muslime, die der Meinung sind, dass es keinen Widerspruch zwischen der Demokratie, den Menschenrechten und der Religion des Islams gebe und dass die Meinungs- und Gewissensfreiheit im Koran verankert sei – obwohl es genügend Muslime gibt, die diese Ansicht vertreten.110 Die Verwendung assoziativ besetzter, werthaltiger Ausdrücke und suggestiver WortKombinationen wie „Kopftuch-Fetischisten“ und „Kopftuch-Eiferer“ trägt weiterhin dazu bei, Angstszenarien zu kolportieren, die den Eindruck vermitteln, Gegner eines Kopftuchverbotes für Lehrerinnen seien Fanatiker wie die Trägerinnen auch. Die porträtierten kopftuchtragenden Lehrerinnen werden als sehr religiös präsentiert.111 Diese Religiosität wird subtil gleichgesetzt mit extremistischem Gedankengut. So wird eine Lehrerin mit folgenden Worten zitiert: „Ein Moslem kann unmöglich sagen, dass er gegen die Scharia ist.“ Unerwähnt bleibt, was die Lehrerin mit Scharia meint. Der durchschnittliche westliche Leser konnotiert mit der Scharia vermutlich strenge, brutale Strafen wie 109 110 111 Jessen / Wilamowitz-Moellendorff, Das Kopftuch, 41. Vgl. Rohe, Das islamische Recht. DIE ZEIT 51/03, 6. 252 KHOLA MARYAM HÜBSCH Steinigung bei Ehebruch und Handabhacken bei Diebstahl und hält dies für unvereinbar mit dem Grundgesetz. Dass es viele höchst verschiedene Auslegungen der Scharia gibt, die ein komplexes System von Normen religiösen und rechtlichen Inhalts darstellt, dürfte den meisten Rezipienten unbekannt sein. Im Allgemeinen wird unter der Scharia eine Gesetzesgrundlage verstanden, die sich auf den Koran und die Praxis des Propheten sowie auf Analogieschlüsse bezieht und die großen Auslegungsspielraum eröffnet.112 Was etwa die Steinigung bei Ehebruch angeht, gibt es innerhalb des Islams divergierende Meinungen. Diese Strafe ist im Koran nicht zu finden, sondern leitet sich aus einer zweifelhaften Überlieferung ab, bei der sich der Prophet auf die alttestamentarische Strafe der Thora für Ehebruch berufen haben soll, in der Steinigung vorgeschrieben ist. Ein Teil der Muslime lehnt die Steinigung daher als unislamisch ab, zumal im Koran eine andere Strafe für Ehebruch angeführt wird.113 Bei der Steinigung handelt es sich um ein modernes Phänomen des ideologischen Islamismus, das keine Entsprechung im vormodernen Islam findet. Der häufig suggerierte Widerspruch zwischen Scharia und Grundgesetz und der Vermutung, im Zweifel würde ein gläubiger Muslim sich für die Scharia und gegen das Grundgesetz entscheiden, führt ebenfalls in die Irre. Denn es lässt sich aus dem Koran selbst ableiten, dass die Gesetze des Landes zu befolgen sind und bei einer drastischen Einschränkung der Religionsfreiheit etwa gemäß dem Vorbild des Propheten das Land zu verlassen und Exil zu suchen ist.114 Eine Unterwanderung der Gesetze gilt dieser Lesart zufolge in jedem Fall als unislamisch.115 Nach diesem Verständnis ist es vielmehr selbst Bestandteil der Scharia, den Gesetzen des Landes Folge zu leisten. Ganz abgesehen davon werden nicht vergleichbare Systeme miteinander vermischt, wenn von einem gläubigen Menschen verlangt wird, sich zwischen seiner religiösen Überzeugung und einem säkularen System zu entscheiden. Die Wahl zwischen verschiedenen religiösen Überzeugungen oder verschiedenen Regierungssystemen wäre legitim; zwei völlig verschiedene Systeme jedoch gegeneinander aufwiegen zu wollen, zeugt von einer oberflächlichen Betrachtungsweise, die den befragten religiösen Menschen in eine Ecke drängen möchte. Entscheidend ist 112 113 114 115 Vgl. Khan, Islam und Menschenrechte, 88–90. So muss etwa das Handabhacken als Strafe für schweren Diebstahl nicht wörtlich verstanden werden, sondern kann auch so ausgelegt werden, dass die Hand unfähig gemacht wird zu stehlen, indem man den Täter ins Gefängnis steckt. Weiterhin gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, was unter einem Diebstahl zu verstehen ist, der derart hart bestraft werden darf. Bagatelldiebstähle werden nicht berücksichtigt, im koranischen Sinne liege ein Diebstahl erst bei einer Tat vor, die erhebliche kriminelle Energie erfordert (Hunger- und Krisenzeiten werden nicht berücksichtigt), wird argumentiert, so dass die Strafen nur extrem selten angewendet werden. Vgl. Koran, 24:3. Ferner beschäftigt sich die Scharia nur zu einem kleinen Teil mit der Strafgesetzgebung, der aber als pars-pro-toto einen verzerrten Eindruck über den islamischen Wertekodex vermittelt (Vgl. Schiffer, Die Darstellung des Islams in der Presse, 38). Vgl. Koran, 4:98ff. und 4:60. Vgl. Ahmad, Liebe und Loyalität zum Heimatland. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 253 vielmehr, ob ein Bekenntnis zum Grundgesetz vorliegt. Diese Frage wurde in den ausgewerteten Artikeln jedoch nicht gestellt. Dadurch, dass eben nicht darauf eingegangen wird, wie die befragte kopftuchtragende Lehrerin zum Grundgesetz steht und welche Ansichten sie über die Umsetzung der Scharia hat, sondern lediglich zitiert wird, sie könne als Muslimin die Scharia nicht ablehnen, gleichzeitig aber der unbedarfte Leser mit der Scharia aufgrund der Berichterstattung vermutlich das konnotiert, was islamistische Positionen innerhalb des Islams darunter verstehen, wird der Eindruck erweckt, sie sei ebenfalls extremistisch orientiert – obwohl ihre Aussage keine eindeutige Schlussfolgerung zulässt.116 Ein anderer häufig verwendeter Topos innerhalb des Extremismus-Frame ist die Darstellung der muslimischen Frau als besonders „fruchtbar“. Gerahmt wird dieser Topos von einem islamfeindlichen Diskurs, der die „Gebärfreudigkeit“ der Muslimin als eine „Waffe“ innerhalb des „Eroberungsfeldzugs gegen Europa“ betrachtet.117 Konstruiert wird ein demografisches Bedrohungsszenario, nach dem das westliche Abendland durch die Vielzahl an muslimischen Nachkommen unterwandert werde. Nicht selten werden dehumanisierende Attribute verwendet, so wird in einem Artikel des Spiegels die Autorin Oriana Fallaci mit den Worten zitiert, muslimische Frauen vermehrten sich „wie Ratten“118 und gefährdeten mit ihrer Fruchtbarkeit das kulturelle Gleichgewicht in Europa. Dass diese Argumentationslogik biologistisch-rassistische Ressentiments bedient, wird durch den Spiegel-Autor nicht thematisiert. Shooman stellt dazu fest: In dem Bild der permanent Gebärenden fließen das Stereotyp der unterdrückten und gefährlichen Muslimin zusammen: Weil sie so unemanzipiert ist, bekommt sie so viele Kinder, und weil sie so viel Nachwuchs produziert, vermehren sich MuslimInnen als unerwünschter Bevölkerungsteil so überproportional – so die Argumentationskette.119 Besonders drastisch wird dies am Beispiel einer Abbildung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) (Abb. 8), die den schattenhaften Umriss einer in schwarz gehaltenen Kopftuchträgerin mit Kinderwagen zeigt. Die dazugehörige Unterzeile enthält eine Abfolge an Behauptungen, die sich durch die Migrationsforschung nicht belegen lassen, so heißt es dort: Sie heiraten früh, die Kinderschar wächst rasch und nicht selten müssen junge Türkinnen ihre Ausbildung abbrechen: ein Leben außerhalb der Familie gilt vielen als anstößig. So beginnt Integration mit jeder neuen Generation am Nullpunkt.120 Das Beispiel zeigt, dass auch im renommierten Feuilleton der als Qualitätszeitung geltenden F.A.Z. die Zementierung einer antimuslimischen Rhetorik geduldet wird und somit offensichtlich zum etablierten Diskurs gehört. Migrationsforscher, 116 117 118 119 120 Spiegel 17/04, 138–140. Ebd. Ebd. Shooman, Stereotype muslimischer Frauen. Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) vom 24.02.2009. 254 KHOLA MARYAM HÜBSCH Abb. 8: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. 02. 2009 die in einer Reihe von repräsentativen Studien über junge Migrantinnen in Deutschland die Pluralität der Lebensweisen und Orientierungen betonen, kommen dagegen unter anderem zu dem Ergebnis, dass Musliminnen der zweiten und dritten Generation häufig Bildungsaufsteigerinnen sind und meist eine sehr konkrete und fortschrittliche Lebensplanung verfolgen.121 Zudem stellt eine Studie fest, dass „kaum geschlechtsspezifische Benachteiligung in der Familie erfahren“122 wird und die muslimischen Familien die Schulkarriere und Berufsfindung ihrer Töchter überwiegend unterstützen und fördern.123 Weiterhin befürworten die meisten Musliminnen eine gleichberechtigte Partnerschaft und sehen im Islam eine Quelle, die Selbstvertrauen vermittelt.124 Damit bestätigen solche Studien über junge Migrantinnen mehrere qualitative Studien aus den Vorjahren, die sich mit der Lebensführung junger Musliminnen beschäftigt haben und unabhängig voneinander zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind. Sie alle vermitteln ein sehr differenziertes Bild der Musliminnen – jenseits jedweder Unterdrückungsvor121 122 123 124 Vgl. Haug / Müssig / Stichs, Muslimisches Leben in Deutschland. Boos-Nünning / Karakasoglu, Viele Welten leben, 14. Ebd., 21. Ebd., 28 u. 40. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 255 stellungen und Polarisierungen.125 Ganz abgesehen davon zeigen weitere Forschungsergebnisse, dass sich in Deutschland lebende Frauen mit türkischem Migrationshintergrund bereits in der zweiten Generation dem Geburtenverhalten westdeutscher Frauen anpassen.126 Durch den visuellen Frame und der Bildunterzeile in der F.A.Z. dagegen wird das „bedrohliche Gebärverhalten“ der muslimischen Frau pauschal als Faktum kolportiert. 6.5 Erotik-Frame (10%) Seit jeher Bestandteil antimuslimischer Propaganda ist die Konstruktion der muslimischen Sexualität als krasses Gegenbild zur westlichen. Vor dem Hintergrund eines ehemals körperfeindlich geprägten Westens wurde der Islam zur Kontrastfolie degradiert. Vorgeworfen wurden den Muslimen damals Lüsternheit, Sinnlichkeit und Lasterhaftigkeit.127 Reiseberichte, Romane und Bilder des Kolonialzeitalters zeugen davon, wie die muslimische Frau im 19. Jahrhundert zur Projektionsfläche europäischer Männerträume avancierte. Darstellungen von Haremsphantasien stilisierten den Orient als Ort der ungehemmten Erotik, wobei die dem Islam zugeschriebene Libertinage als unzivilisiert, despotisch und archaisch gewertet wurde. Die prüde, christlich geprägte Sexualmoral galt damals noch als Garant für Fortschritt und Zivilisation und wurde durch die Abwertung der islamischen Sexualmoral idealisiert. Mittlerweile hat sich im Zuge der sexuellen Revolution in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der Propagierung einer selbstbestimmten und freien Sexualität eine völlig andere Einstellung zur Sexualität etabliert. Interessant ist, dass der Islam nun jedoch nicht mehr als sinnlich und lüstern gilt, sondern ihm vielmehr Lust- und Körperfeindlichkeit attestiert werden. Es ist also zu einer Umkehrung des Islambildes gekommen, die vorrangig nicht nur etwas über die veränderte Einstellung der Muslime sagt, sondern vor allem Auskunft darüber gibt, wie der Westen sich selbst sehen möchte und in Abgrenzung dazu die Negativfolie Islam konstituiert. Das wiederum zeigt, wie über die Stellung der Frau und die Bedeutung ihrer Sexualität damals wie heute kulturelle Hierarchien und Identitäten verhandelt werden. Die Beschreibung der muslimischen Frau als Gegenentwurf lässt die Weiblichkeitsbilder des Abendlandes im positiven Licht erscheinen.128 Der in diesem Zusammenhang vertraute Topos der sexuell verfügbaren Frau wird in einem Artikel des Spiegel aufgegriffen.129 Auffällig platziert wird die angeblich muslimische Überlieferung: „Die Frau hat dem Mann zur Verfügung zu ste125 126 127 128 129 Karakasoglu-Aydin, Muslimische Religiosität und Erziehungsvorstellungen; Klinkhammer, Moderne Formen islamischer Lebensführung; Nökel, Die Töchter der Gastarbeiter und der Islam. Milewski, Transition to a First Birth among Turkish Second-Generation Migrants. Heine, Konflikt der Kulturen oder Feindbild Islam, 61ff. Vgl. Braun / Mathes, Verschleierte Wirklichkeit, 217. Spiegel 47/04, 63. 256 KHOLA MARYAM HÜBSCH hen“, die hier hervorgehoben wird, ohne eine Quelle anzugeben. Es ist davon auszugehen, dass die dominanten Textelemente gerade vom flüchtigen Betrachter vorrangig wahrgenommen werden und die Rezeption des weiteren Artikels beeinflussen. Das Zitat fördert entsprechend eine selektive Wahrnehmung, da es eine Reihe von islamischen Überlieferungen gibt, in denen der Muslim beispielsweise aufgefordert wird, seine Frau sexuell zu befriedigen, sowie ferner Überlieferungen tradiert sind, in denen auf Gegenseitigkeit beruhende Zärtlichkeit zwischen Mann und Frau als gute Tat und eine Art Gottesdienst bezeichnet werden,130 was hier aber völlig ausgeblendet wird. Auch der Koran spricht von der Bindung zwischen Mann und Frau als einer Beziehung, die von „Liebe und Zärtlichkeit“ geprägt ist (Koran, 30:22). Mann und Frau sollen einander dabei ein „Gewand“ (2:188) sein, Sexualität wird grundsätzlich positiv bewertet. Interessant ist, dass in einem SternTitelartikel eine Muslimin die in der Zeit zitierten, vermeintlich frauenfeindlichen Koranverse und Überlieferungen erläutert und dieselben Verse und Überlieferungen derart interpretiert werden, dass sie frauenfreundlich wirken. Damit findet sich zum gleichen Sachverhalt ein alternativer Frame wiederum dann, wenn Musliminnen selbst gefragt werden.131 In den meisten hier untersuchten Artikeln geht eine erotische Beschreibung muslimischer Frauen einher mit einer Darstellung des Islams, die gekennzeichnet ist von brutaler Strenge, vor allem was die Sexualität angeht. Unterstellt wird insgesamt, der Islam sei leib- und lustfeindlich und würde Frauen vor allem hinsichtlich ihrer Sexualität unterjochen. Die Stern-Titelgeschichte (Abb. 9) mit der Überschrift und dem Untertitel: „Die Liebe in der Welt des Islams. Die Lust, die Sünde und der Koran“ lässt zwar auch moderne Musliminnen zu Wort kommen und betont, dass der Islam „[d]urchaus positiv“ zur Sexualität stehe, weil er sie „nicht nur als Weg um Nachkommen zu zeugen, sondern auch als Freude an sich“132 sehe. Die ausführliche Beschreibung der „Sittenpolizei“133 und „Sittenwächter“134 relativiert diesen Eindruck jedoch. Auffällig ist, dass die Titelgeschichte im Rahmen einer Serie mit dem Titel „So liebt die Welt“ erscheint. Während sich fast alle anderen Teile der Serie mit einzelnen Ländern oder Weltregionen beschäftigen (Japan, Russland, China, Brasilien, Indien, USA, Südsee, Afrika) geht es hier gleich um die gesamte „Welt des Islams“, worunter letztlich alle Muslime fallen. Dies bedeutet, dass „entgegen der vorhandenen Erkenntnis der historisch gewachsenen, geographisch weit verteilten und in ihren Lebensformen vielfältigen muslimischen Kulturen, Diversität in der Regel auf die Annahme einer religiösen Differenz verengt wird“.135 130 131 132 133 134 135 Hadith: Muslim; Daylami; Maybudi. Vgl. Maqsood, The Muslim Marriage Guide. Vgl. DIE ZEIT 41/03, 5; Stern 36/05, 68. Stern 36/05, 70. Ebd., 64. Ebd., 62. Lanwerd, Religiöse Differenz, 225. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 257 Abb. 9: Stern 36/2005 Obwohl also noch zwischen asiatischen Ländern wie China und Japan differenziert wird, wird suggeriert, es gebe eine Homogenität innerhalb des Islams, so dass alle Muslime der Welt zusammengefasst werden könnten. Auch wenn Afrika als gesamter Kontinent behandelt wird, so handelt es sich dabei immer noch um eine geografische Kategorisierung; einzig die Serie über den Islam typisiert nach der Religionszugehörigkeit. Dies obwohl der Text deutlich macht, dass die meisten dargestellten Muslime den Islam nicht praktizieren. Dennoch wird der Zusammenhang zum Islam immer wieder nicht nur über die Überschrift hergestellt, sondern auch innerhalb des Textes, etwa wenn unterstrichen wird, dass junge Muslime „tagtäglich Regeln, die als heilig gelten“ unterlaufen und nicht „so tugendhaft leben, wie es ihre Religion verlangt“. Dass junge Menschen in Ländern mit einer christlichen Mehrheit ebenfalls den muslimischen Werten ähnliche, christliche Werte wie Treue und Keuschheit nicht unbedingt praktizieren, wird nicht thematisiert – dies scheint ein Alleinstellungsmerkmal des Islams zu sein. Der Islam erscheint durch den Erotik-Frame als eine Religion, die die „individuelle Freiheit“ einschränkt, da suggeriert wird, ein Unterlaufen der religiösen Regeln lasse die Frauen „selbstbewusster“ werden. Der Erotik-Frame arbeitet vorrangig mit Bildern. Veröffentlicht werden Fotos von muslimischen Frauen in „aufreizende[n] Pose[n]“, wie es in einer Bildüberschrift heißt. Man sieht vor allem unverhüllte Körper von Frauen, deren Gesichter 258 KHOLA MARYAM HÜBSCH verschleiert sind.136 Diese Bilder appellieren stark an Männerphantasien. Sie erinnern an das Engagement westlicher Kolonialherren zu Zeiten des Kolonialismus, die unter dem Deckmantel des Feminismus (bei gleichzeitiger anti-feministischer Aktivitäten im Heimatland) die Entschleierung muslimischer Frauen forderten und auch vor kollektiven Zwangsentschleierungen nicht zurückschreckten. Die Verschleierung wurde offensichtlich als Barriere und damit als störend empfunden, vor allem da Frauen häufig auf ihre sexuelle Verfügbarkeit reduziert wurden, der Schleier die Frau aber dem Zugriff des weißen Mannes entzog.137 Wenn die verschleierte Frau nun erotisch aufgeladen und entschleiert wird, scheint die Kolonialzeitrhetorik visuell wiederauferstanden zu sein. Ähnliches vermittelt das Cover einer Stern-Ausgabe (Abb. 9), das eine verschleierte Frau zeigt, von der man nur die stark geschminkten, attraktiven Augen sieht – ein häufig verwendetes Stereotyp.138 Der Untertitel „Die Lust, die Sünde und der Koran“ knüpft durch die Zusammenstellung der Wörter einen Zusammenhang, der in dieser Konstellation subtil vermittelt, es gebe einen Widerspruch zwischen dem Ausleben von Lust und dem Koran, der Sexualität mit „Sünde“ gleichsetze. Der Islam erscheint innerhalb des Artikels als rigide, sinnenfeindliche Religion, die muslimische Frauen zur Doppelmoral zwingt; gleichzeitig wird an erotische Fantasien über das, was unter dem Schleier sein mag, appelliert. Das andere Stern-Cover bedient ebenfalls das Schema der muslimischen Frau als faszinierende, exotische Haremsschönheit, so ist auf dem Titelbild ein Ausschnitt aus einem Gemälde abgebildet, das eine entblößte Haremssklavin zeigt.139 Das alte, stereotype Bild scheint noch lange nicht ausgedient zu haben. Dass bei der Berichterstattung über die sexuelle Ausbeutung muslimischer Frauen die selbige in westlichen Hemisphären nicht thematisiert wird, zeigt wiederum, wie sehr durch Polarisierungen eigene Widersprüche verschleiert werden. Wenn Frauenhandel, Sextourismus und sexuelle Dienstleistungen das wichtigste Fundament der westlichen Unterhaltungsindustrie darstellen, stellt sich die Frage, welch ein Frauenbild dadurch evoziert wird und wie frei „Sexsklavinnen“ sein mögen.140 Übersehen wird dabei, wie Braun und Mathes feststellen, dass das einzige Kulturgebiet, das vom westlichen Sextourismus nicht erobert wurde, der islamische Raum ist […]. Ausgerechnet der Orient, auf den sich noch im 19. Jahrhundert alle erotischen Fantasien des Westens richteten, ist für den Prostitutionstourismus heute ein schwarzer Fleck.141 136 137 138 139 140 141 Spiegel 23/05, 163; Stern 47/04, 27; Stern 14/05, 82. Vgl. Barskanmaz, Das Kopftuch als das Andere. Stern 36/05, Titel. Stern 50/04, Titel. Vgl. Rommelspacher, Dominante Diskurse, 260. Braun / Mathes, Verschleierte Wirklichkeit, 423. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 259 7 Die Gefahr einer self-fulfilling prophecy „In der Vielfalt liegt eine Gnade“, heißt eine Überlieferung des Propheten des Islams. Der Beitrag zeigt, dass auch die Darstellung der muslimischen Frau in den Medien zwar vielfältig ist, Frames, die ein negatives Islambild evozieren, jedoch deutlich überwiegen: Sowohl quantitativ als auch qualitativ sind sie intensiver ausgeprägt und arbeiten öfter mit suggestionsstarken Darstellungstechniken, so dass der Islam insgesamt als frauenfeindliche Religion erscheint. Deutlich wird ferner, dass sowohl visuell als auch textuell Kolonialzeitrhetorik reproduziert wird, da die Darstellung der muslimischen Frau immer noch zwischen zwei Polen oszilliert: Die exotisch-erotische Verführung im Harem einerseits und die unterdrückte, eingekerkerte Muslimin, die mitleidsvolle Verachtung hervorruft, auf der anderen Seite. Die Berichterstattung über die muslimische Frau bleibt damit auch heute noch ein Konstrukt des Westens, das mit der Realität von muslimischen Frauen in Deutschland sowie in Ländern des Nahen und Mittleren Ostens wenig zu tun hat, sondern vielmehr die Funktion übernimmt, implizit die eigene Überlegenheit zu zementieren. Schröttler resümiert: Weder lebt die Mehrheit der Frauen türkischer Herkunft in extrem traditionellen und gewaltbelasteten Paarbeziehungen, noch die Mehrheit der Frauen deutscher Herkunft in modernen, gewaltfreien, durch eine gleichwertige Aufgabenteilung geprägten Paarbeziehungen.142 Dennoch bedient sich die Berichterstattung eines Framing, das suggeriert, die Unterdrückung von Frauen sei ein islaminhärentes Problem. Statt die Unterdrückung der Frau also generell als weltweit vorhandenes Phänomen zu problematisieren und ihre Strukturen zu analysieren, wird pauschal die Religion des Islams monokausal als eindeutige Ursache für die Diskriminierung der Frau ausgemacht. Eine solche „Islamisierung“ von Problemen führt indirekt auch dazu, andere Mechanismen der Frauenunterdrückung im Westen, die sich etwa im Sexismus offenbaren, weniger deutlich wahrzunehmen. Der dominante antiislamische Diskurs verhindert damit eine konstruktive „Auseinandersetzungen um mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Mehrheitsgesellschaft“.143 Die vorliegende Medienanalyse zeigt ferner, dass die differenzierte innerislamische Diskussion um die Stellung der Frau in der Presseberichterstattung nicht angemessen berücksichtigt wird und liberale, fortschrittliche Denker sowie muslimische Frauen kaum zu Wort kommen. Vielmehr wird eine bestimmte radikalfundamentalistische Spielart des Islams als der Islam präsentiert – und das, obwohl innerhalb des Islams Einigkeit allenfalls über das oben zitierte Prophetenwort besteht, dass Meinungsverschiedenheiten eine Gnade darstellen. 142 143 Schröttle, Gewalt gegen Migrant/innen und Nicht-Migrant/innen in Deutschland, 249. Vgl. Rommelspacher, Dominante Diskurse, 260. 260 KHOLA MARYAM HÜBSCH Es stellt sich weiterhin die Frage, welches Wirkungspotential von den durch die Medien gesetzten Frames ausgeht. Es liegt nahe, dass durch die häufige Wiederholung eines bestimmten Interpretationsrahmens dessen Verfügbarkeit (accessibility) steigt, so dass er leichter erinnert und aktiviert wird.144 Vor allem Leitmedien dürften in der Lage sein, Frames zu forcieren, die von anderen Journalisten übernommen werden und sich damit in der öffentlichen Meinung durchsetzen. Das kann weitreichende Konsequenzen und repressive Maßnahmen zur Folge haben: Wenn es Lehrerinnen und Beamtinnen etwa verboten wird, das Kopftuch zu tragen, weil es als ein Symbol für die Unterdrückung der Frau gesehen wird, und sich eine solche Deutung gegenüber empirischen Erkenntnissen durchsetzt, die darin einen Widerspruch zur Selbstdeutung der Kopftuchträgerinnen sehen, kann das auch ein Resultat der Medienberichterstattung mit ihren Zerrbildern sein. Trotz der Tendenz der hier untersuchten Medien, vor allem ein negatives Bild des Islams zu forcieren, hat die Medienanalyse dennoch auch gezeigt, dass es eine Vielfalt an Möglichkeiten gibt, den Islam anders zu ‚framen‘. Wenn sich aber in der öffentlichen Meinung diejenigen Frames durchsetzen, die einen Widerspruch zwischen „dem Islam“ und der Emanzipation der Frau sehen, so hat dies zur Folge, dass differenzierende Stimmen immer mehr verstummen, da Menschen – der Theorie der Schweigespirale zufolge – aufgrund von Isolationsfurcht dazu neigen, verstärkt öffentlichkeitskonforme Meinungen zu äußern und konträre Äußerungen zu unterlassen.145 Damit werden wiederum jene Kräfte gestärkt, die ein reaktionäres Bild der Frau im Islam haben, auch wenn sie innerhalb des Islams womöglich in der Minderheit sind. Liberal denkende Muslime in Deutschland geraten dadurch immer mehr in eine Außenseiterrolle, da sie durch den vorherrschenden anti-islamischen Diskurs vor die Alternative gestellt werden, sich entweder für den Islam oder für Frauenrechte zu entscheiden, obwohl sie zwischen beiden keinen Widerspruch sehen. Die Integration muslimischer Migranten wird damit insofern erschwert, als die ständige Brandmarkung des Islams als rückschrittlich, gefährlich und fremdartig letztlich dazu führt, dass das Bedürfnis der Muslime in Deutschland nach kultureller Selbstbehauptung und Identifizierung mit den Traditionen des Herkunftslands verstärkt wird. Das kann unter Umständen einen ‚Andorra-Effekt‘ zur Folge haben, der im Sinne einer self-fulfilling prophecy bewirkt, dass unter Muslimen tatsächlich vermehrt frauendiskriminierende Ansichten vertreten werden. In einer Überlieferung des Propheten heißt es dazu: „Wenn ein Mensch über andere Menschen erklärt, sie seien verdammt, so ist er es, der sie der Verdammnis übergibt.“146 Medien können durch die Aktivierung von Frames, die ein positives Frauenbild des Islams vermitteln, denjenigen Muslimen den Rücken stärken, die keinen Widerspruch zwischen den Menschenrechten und dem Islam sehen, und können 144 145 146 Vgl. Scheufele, Framing as a Theory of Media Effects, 116. Noelle-Neumann, Die Schweigespirale. Zitiert nach: Ahmad, Vierzig schöne Edelsteine, 125. ZWISCHEN GEWALTOPFER UND HAREMSPHANTASIE 261 dadurch den Muslimen insgesamt die Integration erleichtern. Erste Tendenzen dazu lassen sich erkennen. Bisher jedoch überwiegt eine „diffuse Ablehnungshaltung ohne Sachkenntnis“.147 Literatur Ali, Kecia, Sexual Ethics and Islam. Feminist Reflections on Qur’an, Hadith and Jurisprudence, Oxford 2005. Ahmad, Hazrat Mirza Bashirrudin, Vierzig schöne Edelsteine, Frankfurt a. M. 1993. 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