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effizienzsteigerung
Grüne Druckluft
durch Wärmerückgewinnung
Welchen Beitrag zur Effizienzsteigerung kann die Wärmerückgewinnung bei
Druckluftkompressoren wirklich leisten?
Christoph Pohl,
Christoph Schevalje und
Jens Hesselbach, Kassel
Motivation und Zielsetzung
Schon seit langem erfreut sich die Druckluft in vielen Industriebetrieben größter
Beliebtheit. Sie wird nahezu in allen
Branchen eingesetzt. Hauptgrund für
den nahezu flächendeckenden Einsatz ist
ihre Vielseitigkeit. So kann Druckluft als
Arbeits-, Aktiv- oder Prozessluft verwendet werden. Anwendungsbeispiele reichen vom Einsatz der Druckluft als Gärluft für Fermentationsprozesse, als
Transportmedium oder im Bereich der
Antriebstechnik.
Neben den positiven Eigenschaften
wie Geschwindigkeit und Kraft ist
Druckluft auch gut speicherbar und
leicht zu transportieren. Druckluftkomponenten sind meist wenig störanfällig
und sehr robust. Damit einhergehend ist
in den meisten Fällen eine lange Lebensdauer verbunden. Hinzu kommt, dass
*)Danksagung
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des
Teilprojekts „Druckluftarme Produktion“
des Leitprojektes HIER! Hessen Innovationen für Energie- und Ressourceneffizienz, das vom Hessischen Ministerium für
Umwelt, Energie, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz unter dem Kennzeichen AZ VIII 78 a 78 – 15/2009#46 unter
anderem mit Mitteln des Europäischen
Fonds für regionale Entwicklung gefördert wird.
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Die Zahl der Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz von
Druckluftanwendungen ist in den letzten Jahren immer weiter gewachsen. Diese reicht von Maßnahmen der technischen Optimierung
der Kompressoren bis hin zur Leckagebeseitigung. Eine vielversprechende Maßnahme ist die Wärmerückgewinnung der Kompressorabwärme. Wärmerückgewinnungssysteme sind von fast jedem Hersteller im Markt erhältlich. Die Bewertung dieser Wärmerückgewinnungssysteme und der tatsächliche Beitrag zur Effizienzsteigerung
sind Gegenstand dieses Artikels.
historisch gewachsene Strukturen den
Einsatz der Druckluft bei Kaufentscheidungen oder Neuanschaffungen von Maschinen begünstigen. Die Infrastruktur
der Druckluftnetze ist in der Regel in den
Industrieunternehmen ohnehin vorhanden. Zudem sind druckluftbetriebene
Komponenten in der Anschaffung meist
noch günstiger als deren Alternativen,
was dazu führt, dass der Bedarf an
Druckluft in der Industrie weiter steigt.
Die Verwendung von Druckluft in
Deutschland hat mit weit über 60.000
Druckluftanlageninstallationen [1] große
Dimensionen erreicht. Diese Anlagen
bringen einen erheblichen Energiebedarf
mit sich. Der Energiehunger der Druckluftanlagen ist mittlerweile so hoch, dass
die jährliche Stromerzeugung aus allen
Photovoltaikanlagen in Deutschland (bezogen auf das Jahr 2010) nicht ausreicht,
um den Energiebedarf für die Druckluftbereitstellung zu decken. Die jährliche
Stromerzeugung aus Photovoltaik in
Deutschland liegt in etwa bei 12 Mrd. Kilowattstunden [2]. Der jährliche Strombedarf für die Erzeugung von Druckluft in
Deutschland beträgt etwa 16 Mrd. Kilowattstunden [3].
Die Verwendung von Druckluft birgt
allerdings auch erhebliche negative Eigenschaften. Heutzutage ist hinlänglich
bekannt, dass die Verwendung der
Druckluft von einer sehr schlechten
Energieausnutzung geprägt ist. Zwar
kann zum Beispiel ein Druckluftkompressor ideal betrachtet mit
η = Wisotherm / Welektrisch (1)
Wisotherm = isotherme Arbeit
Welektrisch = elektrische Arbeit
rechnerisch durchaus einen Wirkungsgrad von ca. 50 Prozent erzielen – angenommene Beispielrechnung für die Verdichtung auf 10 bar Überdruck eines definierten Volumens von 50 m3 (bezogen
auf den Zustand T = 293,15 K und
p = 1 bar) mit Wisotherm = 3,51 kWh und
Welektrisch = 6,9 kWh. In der Praxis jedoch
liegt der Gesamtwirkungsgrad der
Druckluft von der Erzeugung bis hin zur
Anwendung meist nicht höher als
10 Prozent [4]. Dies bedeutet, dass von
zehn Kilowattstunden eingesetzter elektrischer Energie weniger als eine Kilowattstunde tatsächlich als Arbeit (mechanische Nutzenergie) zur Verfügung
steht.
Dieser sehr schlechte Wirkungsgrad
macht die Druckluft extrem teuer. Dabei
spielen nicht allein die Energiekosten
eine Rolle, wenn auch diese den größten
Anteil ausmachen. Werden alle der
Druckluft zurechenbaren Kosten aufsummiert, kann ein Kubikmeter schnell 6 bis
8 Eurocent kosten.
Allerdings sind neben den hohen Kosten weitere Nachteile der Druckluft zu
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effizienzsteigerung
Theoretische Wärmerückgewinnung von 96 Prozent
Bild 1. Kostenverteilung Druckluft ohne Wärmerückgewinnung
beachten. So muss beispielsweise die
Druckluft –je nach Einsatzgebiet – aufwendig aufbereitet werden, die Ortung
von Leckagen im Verteilungsnetz ist sehr
zeitintensiv und das Ausströmen von
Druckluft erzeugt mitunter hohe Lärmpegel.
Die Entwicklungen in der Gesellschaft
mit der Ankündigung des Endes des
Atomzeitalters und damit einhergehenden steigenden Kosten für Energie haben
letztendlich auch auf den Einsatz der
Druckluft erhebliche Auswirkungen. Der
Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Industrieunternehmen auf den globalen
Märkten erfordert zwingend, dass diese
ihre Produktionsprozesse und damit
auch die Druckluftsysteme im Hinblick
auf Energieeffizienz überprüfen.
Es besteht kein Zweifel in der Fachwelt, dass durch Optimierungen und Effizienzmaßnahmen an den Druckluftanlagen deutlich weniger Energie verwendet
und somit die Effizienz der Drucklufterzeugung gesteigert werden kann. Das
Bundesumweltministerium (BMU) geht
davon aus, dass bis 2020 etwa 20 bis
40 Prozent des Energiebedarfs in der Industrie für Druckluftanwendungen eingespart werden könnten [5]. Zur Realisierung dieser Effizienzpotenziale gibt es
mittlerweile eine ganze Reihe von Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen
können.
Bei einem Blick auf die Liste der Energieeffizienzmaßnahmen ist unter den
ersten drei, neben Maßnahmen wie Leckagebeseitigung und optimaler Auslegung, oft die Wärmerückgewinnung an
den Druckluftkompressoren zu finden
[6]. Sie ist eine der vielversprechendsten
Effizienzmaßnahmen.
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Die Wärmerückgewinnung bietet die
Möglichkeit, einen Teil der ungenutzten
Energie bei der Erzeugung von Druckluft in Form von Wärme über entsprechende Rückgewinnungssysteme auszukoppeln und damit – wenn auch nur
bilanziell – den Wirkungsgrad der
Druckluft zu erhöhen. Hersteller von
Druckluftkompressoren arbeiten seit
langer Zeit an solchen Systemen und
werben mit enormen Wirkungsgradverbesserungen und Energieausnutzungen
von deutlich über 90 Prozent.
Angesichts dieser vermeintlichen
hohen Potenziale lohnt es sich, einen
genaueren Blick auf diese Energieeffizienzmaßnahme zu werfen. Eine theoretische und praxisnahe Betrachtung
der tatsächlichen Potenziale der Wärmerückgewinnung erscheint an dieser
Stelle sinnvoll.
Um eine Einschätzung der Potenziale der
Wärmerückgewinnung zu bekommen,
müssen zunächst theoretische (thermodynamische) Betrachtungen erfolgen.
Entscheidend für die Bewertung ist, wie
viel Wärme bei der Wärmerückgewinnung aus dem Prozess ausgekoppelt werden kann. Die zurückgewinnbare Energie (hier in Form von Wärme) ist davon
abhängig, wie viel Energie zuvor dem
Prozess (der Kompression) zugeführt
wurde.
Diese Kompressionsvorgänge werden
thermodynamisch mit Hilfe verschiedener sogenannter Zustandsänderungen
beschrieben. Diese lassen sich in allgemeiner Form als Zusammenhang von
Druck und spezifischem Volumen mit
p ∙ vn = const.
(2)
angeben.
Die entstehenden Gleichungen heißen
Polytropengleichungen mit dem Polytropenexponenten „n“. Für bestimmte Polytropenexponenten ergeben sich spezielle
Zustandsänderungen:
Isotherme
p ∙ v = const.
für n = 1
(3)
Isentrope
p ∙ vκ = const. für n = κ (4)
Der theoretische Energiebedarf der
Verdichtung von Luft ist neben dem Verdichtungsverhältnis auch von der Art der
Bild 2. Spezifischer Leistungsbedarf der Drucklufterzeugung [7]
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effizienzsteigerung
Zustandsänderung abhängig [7]. Bild 2
zeigt den spezifischen Leistungsbedarf
für die Drucklufterzeugung. Soll ein
Kompressor wirtschaftlich arbeiten, so
sollte dieser zwischen der isothermen
und der adiabaten Kompression betrieben werden. Die adiabate Zustandsänderung bildet dabei die obere Begrenzungslinie (in Bezug auf den spezifischen Leistungsbedarf) des Bereichs, in dem die
Kompression ablaufen sollte. Die isotherme Kompression stellt die untere Begrenzungslinie (in Bezug auf den spezifischen
Leistungsbedarf) dar, da diese den geringsten Arbeitsaufwand mit sich bringt.
Die isotherme Kompression beschreibt
den theoretischen Idealfall. Sie bedeutet
den geringsten Arbeitsaufwand und findet bei konstanter Temperatur statt. In
der Realität ist sie allerdings nicht zu erreichen, da der Prozess der Kompression
unendlich langsam ablaufen müsste, um
die gesamte Wärmeenergie an die Umgebung abführen zu können (Temperaturdifferenz mit Umgebung theoretisch
gleich null).
Als Ausgangspunkt für die thermodynamische Betrachtung der Zustandsänderung wird der 1. Hauptsatz für offene
Systeme verwendet:
∆h = q + wt – ∆eKin – ∆ePot (5)
mit
∆h Enthalpieänderung [J/kg]
q Wärme [J/kg]
technische Arbeit [J/kg]
wt
∆eKin Änderung der kinetischen
Energie [J/kg]
∆ePotÄnderung der potenziellen
Energie [J/kg]
(7)
mit
wt,isoIsotherme technische Arbeit
[J/kg]
p1Druck [Pa] der Luft im Ansaugzustand
p2Druck [Pa] der Luft im komprimierten Zustand
(6)
bel, wird sie als isentrop bezeichnet. Zur
Berechnung der benötigten Leistung und
des Temperaturanstiegs bei der Kompression ist die isentrope Zustandsänderung geeigneter als die isotherme, da sie
die Realität besser abbildet.
Da kein Wärmeaustausch mit der Umgebung stattfindet, gilt es:
q = 0 (10)
Damit ergibt sich für den 1. Hauptsatz für
offene Systeme unter Vernachlässigung
der kinetischen und potentiellen Energie:
wt = ∆h (11)
Bei gegebener spezifischer Gaskonstante und Temperatur, hängt die benötigte Druckarbeit damit nur vom Druckverhältnis ab. Je höher der gewünschte Systemdruck ist, desto höher ist auch die
dazu benötigte Energie. Um die Kompressionsleistung zu berechnen, wird die
massenspezifische Druckarbeit mit dem
Luftmassenstrom multipliziert. Letztendlich ergibt sich damit die Kompressorleistung:
Die gesamte technische Arbeit geht in die
Erhöhung der Enthalpie der Luft. Es ergibt
sich letztlich für die Kompressorleistung:
ergibt sich:
(8)
mit
Pisenisentrope Kompressionsleistung [W]
und
κ = cp /cv Isentropenexponent [ - ]
mit
Pisoisotherme Kompressionsleistung [W ]
·
Nutzhubvolumenstrom [m3/s]
V1 ·
Qrück,iso,max = 0
Die gesamte eingesetzte technische Arbeit
wird in Wärme umgewandelt. Konventionsgemäß fließen positive Energien einem
System zu und negative ab. Bei der Ver-
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Da bei der isothermen Verdichtung die
gesamte Wärme auf dem Temperaturniveau der Umgebung abgegeben wird,
lässt sich diese nicht nutzen.
Durch bestimmte Annahmen und Vereinfachungen kann der 1. Hauptsatz vereinfacht und entsprechend umgeformt
werden. Bei idealen Gasen ist die Änderung der Enthalpie nur von der Temperatur abhängig (kalorische Zustandsgleichung). Da die Temperatur während einer isothermen Kompression konstant
ist, findet keine Enthalpieänderung statt.
Werden zudem noch die kinetische und
potenzielle Energie vernachlässigt, vereinfacht sich Formel (5) zu:
wt = - q
richtung von technischer Arbeit am Kompressor wird Wärme an die Umgebung
übertragen. Für die technische Arbeit und
somit den Energiebedarf der zur Kompression eines Kilogramms Luft ergibt sich:
(12)
Wenn die erwärmte Druckluft um die gesamte Temperaturdifferenz ∆T abgekühlt
wird, kann die gesamte Enthalpiedifferenz als Nutzwärme zurückgewonnen
werden. Damit ergibt sich für die maximal zurückgewinnbare Wärmeleistung:
(9)
mit
·
Qrück,iso,max maximal zurückgewinnbare, isotherme Wärmeleistung [W]
Dass dennoch Arbeit verrichtet werden
kann, liegt daran, dass diese Betrachtung
keine Aussage über die Nutzbarkeit der
Energie zulässt. Innere Energie und Enthalpie sind Funktionen der Temperatur.
Der Druck hat keinen Einfluss. Allerdings
spielt der Druck in der Pneumatik zur
Verrichtung von Arbeit eine große Rolle.
Bei der adiabaten Kompression wird
keine Wärme mit der Umgebung ausgetauscht. In der Realität lässt sich dies für
schnell ablaufende Prozesse, zum Beispiel Kolbenmaschinen, annähern. Ist die
Zustandsänderung zudem noch reversi-
(13)
mit
·
Qrück,isen,max maximal zurückgewinnbare, isentrope Wärmeleistung [W]
Bei realen Kompressionsvorgängen
werden die idealen Zustandsänderungen nicht erreicht. Es ist weder die Abfuhr der gesamten Wärme, noch eine
vollständige Wärmeisolierung möglich.
Stattdessen beschreibt eine polytrope
Zustandsänderung, die zwischen den
beiden idealen Zustandsänderungen
liegt, die Realität besser. Es findet eine
Verrichtung von technischer Arbeit am
Kompressor bei gleichzeitigem Wärme-
Jahrg. 107 (2012) 10
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effizienzsteigerung
Bild 3. Tatsächliche
Abwärmenutzung
durch Warmluft- oder
Warmwasserheizung
austausch mit der Umgebung statt. Der
Polytropenexponent liegt in einem Wertebereich 1 < n < κ, wobei 1 und κ jeweils
die Grenzfälle der idealen Zustandsänderungen darstellen.
Der 1. Hauptsatz für offene Systeme
lautet hier unter Vernachlässigung der
kinetischen und potenziellen Energie:
∆h = q + wt
(14)
Für die Kompressionsleistung ergibt
sich:
(15)
(16)
mit
·
Qrück,poly,max maximal zurückgewinnbare, polytrope Wärmeleistung [W]
Die theoretischen Betrachtungen unterstützen somit die Aussagen verschiedener Kompressoren-Hersteller. Eine
Auskopplung der Wärme knapp über
dem Temperaturniveau der Umgebung
(nahezu isotherm) bedeutet eine Wärmerückgewinnung von über 90 Prozent.
Kompressionsleis-
Tatsächliche Wärmerückgewinnung von maximal 40 Prozent
Unter der Annahme, dass die gesamte
Arbeit als Nutzwärme zurückgewonnen
werden kann, folgt:
Interessant ist es an dieser Stelle, die
tatsächliche Wärmerückgewinnung zu
bilanzieren. In der Realität spielen weitere Faktoren, welche die Wärmerückge-
mit
Ppolypolytrope
tung [W ]
Jahrg. 107 (2012) 10
winnung beeinflussen, eine Rolle. So
stellt sich die Frage danach, auf welchem Temperaturniveau ausgekoppelt
wird und ob die Wärme zu jedem Zeitpunkt der Bereitstellung (immer, wenn
der Kompressor in Betrieb ist) auch tatsächlich genutzt werden kann. Ein weiterer Aspekt, den es zu berücksichtigen
gilt, sind die Bilanzgrenzen. Ein Kompressionsvorgang für sich genommen
erzeugt Wärme, allerdings wird ein Teil
der Wärme bei der Expansion der Druckluft wieder benötigt und aus der Umgebungsluft zugeführt. Diese Nutzungskompensation muss – zumindest bilanziell – berücksichtigt werden, auch
wenn die Abkühlung durch die Expansion der Druckluft am Verbraucher in den
meisten Industrieunternehmen einen
eher „angenehmen Nebeneffekt“ darstellt.
Betrachtet wird im Folgenden die tatsächliche Wärmerückgewinnung für
zwei unterschiedliche Verwendungen
der Abwärme. Es wird davon ausgegangen, dass die nutzbare Abwärme entweder durch eine Warmluftheizung oder alternativ durch eine Warmwasserheizung
genutzt werden kann.
Bild 3 zeigt die nutzbare Abwärme aus
der Wärmerückgewinnung in beiden Systemen. Zudem sind die Verluste von der
eingesetzten elektrischen Energie bis hin
zur Nettoheizwärme bei der Wärmerückgewinnung in einem Warmwasser- bzw.
Warmluftheizungssystem ersichtlich. Wie
die thermodynamischen Betrachtungen
zu Beginn des Beitrags zeigen, ist es möglich, die elektrische Energie zu maximal
96 Prozent als Wärme zu nutzen. Unabhängig von der Nutzung werden 4 Prozent
an die Umgebung abgegeben bzw. verbleiben in der Druckluft.
Bei der Nutzung der Abwärme in einem Warmwasserheizungssystem sind
nochmal 20 Prozent nicht nutzbar [8].
Das liegt hauptsächlich an dem höheren
Temperaturniveau auf dem die Abwärme
ausgekoppelt werden muss. Die nahezu
vollständige Nutzung der Abwärme
müsste bei einem Temperaturniveau
nahe der Ansaugtemperatur erfolgen.
Dieses Niveau ist durchaus für Heizzwecke in der Warmluftheizung nutzbar, für
andere Zwecke jedoch nicht zu gebrauchen.
Ein wichtiger Aspekt bei dieser Betrachtung ist die Verwendung der Wärme
zu dem Zeitpunkt, an dem sie anfällt. Im
Winter ist eine Raumheizung – gleich in
welchem System sie genutzt wird – durch-
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effizienzsteigerung
aus sinnvoll, im Sommer hingegen ist die
Wärme in der Regel nicht zu gebrauchen.
Somit kann ein Teil der maximal nutzbaren Abwärme auf Grund eines fehlenden
Heizbedarfs nicht als Wärme im Heizsystem genutzt werden. Bei rund 6.000 Arbeitsstunden im Jahr mit einer Anzahl von
2.000 Heizstunden [8], können damit in
einem Warmwasserheizungssystem weitere 51 Prozent, beim Warmluftheizsystem 64 Prozent nicht genutzt werden. In
der Regel wird die nicht nutzbare Wärme
dann über Kühltürme rückgekühlt.
Wie bereits erwähnt, ist auch die Betrachtung der Bilanzgrenzen für die Wärmerückgewinnung von Bedeutung. Eine
Erweiterung der Bilanzgrenzen um die
Anwendung der Druckluft zeigt eine weitere Verringerung der Wärmenutzung.
Diese resultiert aus der Abkühlung der
Druckluft bei der Expansion, wodurch
der Umgebung Wärme entzogen wird.
Dies führt in der Heizperiode dazu, dass
ein Teil der Wärme zur Kompensation
der Expansionskälte eingesetzt werden
muss. In der heizfreien Zeit im Sommer
bedeutet die Expansionskälte zumindest
bilanziell einen zusätzlichen Wärmebedarf. Letztlich führen beide Effekte dazu,
dass ein zusätzlicher Wärmebedarf entsteht. Der Anteil der im Jahresmittel als
Wärme in ein Heizungssystem auskoppelbare Abwärme beträgt damit 34 Prozent für die Nutzung der Wärme in einer
Warmwasserheizung bzw. 40 Prozent für
die Nutzung in einer Warmluftheizung.
Die tatsächliche Wärmerückgewinnung
liegt damit deutlich unter der theoretischen Rückgewinnung.
Eine Auskopplung höherer Temperaturen zur Nutzung der Abwärme zum
Beispiel als Prozesswärme (> 70 °C,
wenn technisch möglich) würde den Anteil der zurückgewinnbaren Energie verringern.
Grad der Wärmerückgewinnung im Beispielbetrieb
nur 13 Prozent
Untersuchungen an einem Beispielbetrieb haben gezeigt, dass die tatsächliche
Wärmenutzung noch deutlich geringer
sein kann. So wurden die Leistungsdaten
der Kompressoren mit den Leistungsdaten der installierten Wärmemengenzähler im Rückgewinnungskreislauf vergleichen. Bei durchschnittlicher Betrachtung der Kompressoren, die tatsächlich
an das Wärmerückgewinnungsnetz angeschlossen sind, konnte ein Wert von
740
etwa 71 Prozent für die Wärmerückgewinnung ermittelt werden. Bei der Betrachtung aller Kompressoren ist die
Rückgewinnung gerade noch mit 50 Prozent zu bilanzieren. In etwa der Hälfte
des Jahres konnte die zurückgewonnene
Wärme für Heizzwecke verwendet werden. Allerdings wurde zur Beheizung
nicht die gesamte zurückgewonnene
Wärme benötigt. Durchschnittlich lag
die tatsächliche Nutzung der Wärme in
den Heizperioden bei etwa ein Drittel der
zurückgewonnenen Abwärme. Überschüssige Wärme wurde über die Kühltürme rückgekühlt. Lediglich die produktionsfreien Zeiträume, in denen
kaum Wärmeeintrag aufgrund der nicht
stattfindenden Produktion entstand, hatten einen höheren Heizbedarf. Dieser
konnte über die in Speichern befindliche
Abwärme gedeckt werden. Allerdings
war der Anteil der produktionsfreien
Tage sehr gering. Insgesamt reduzierte
sich der Anteil der zurückgewinnbaren
Wärme bei diesem Bespielbetrieb auf
nur noch 13 Prozent. Bei dieser Betrachtung wurde allerdings die Energie, welche die Freikühler im Kühlturm und die
Pumpen im Rückgewinnungssystem benötigen, nicht berücksichtigt.
Dieser Beitrag illustriert anschaulich
das Spannungsfeld zwischen Theorie und
Praxis bei Wärmerückgewinnungssystemen von Druckluftkompressoren. Die
theoretisch zu erreichenden Einsparpotentiale durch die Rückgewinnung von
Abwärme sind nicht immer und nicht in
absoluter Höhe zu realisieren.
Grundsätzlich gilt es zwar, dass Energien nicht vergeudet, sondern genutzt
werden sollten. Zu beachten ist allerdings, dass – auch wenn sich eine Wärmerückgewinnung in den meisten Fällen
lohnt – bei einer Wirtschaftlichkeitsberechnung die vorherrschenden Rahmenbedingungen genau berücksichtigt werden sollten.
Literatur
1. Radgen, P.: Umsetzung von Energieeinsparpotenzialen bei der Druckluftanwendung
durch die Kampagne „Druckluft effizient“.
In: VDI-Gesellschaft (Hrsg.): Druckluft: Erzeugung, Aufbereitung, Verteilung, Anwendung und Planung. VDI Verlag, Düsseldorf
2002
2. www.erneuerbare-energien.de
3. EnEffAH–Projektkonsortium (Hrsg.): EnEffAH – Energieeffizienz in der Produktion im
Bereich Antriebs- und Handhabungstechnik, 2012
4. Pohl, C.; Hesselbach, J.: Substitution von
Druckluft in der Produktion – Potentiale zur
Senkung des Energiebedarfs. Industrie Management 27 (2011) 6, S. 21 – 24
5. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): Energieeffizienz – Die intelligente Energiequelle.
Berlin 2009
6. Radgen, P.; Blaustein, E.: Compressed Air
Systems in the European Union. LOG_X
Verlag, Stuttgart 2001
7. Fraunhofer ISI: Druckluft effizient. Karlsruhe 2003
8. Kaeser Kompressoren, Wärmerückgewinnung Serie PTG, SWT
Die Autoren dieses Beitrags
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dipl. Oec. Christoph Pohl,
geb. 1979, studierte Wirtschaftsingenieurwesen sowie Wirtschaftswissenschaften an der
Universität Kassel. Seit 2010 arbeitet er als
wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter für das Projekt „Druckluftarme Produktion“ an der Universität Kassel, Fachgebiet Umweltgerechte Produkte und Prozesse (upp).
Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der
Substitution von Druckluftanwendungen in
der Produktion.
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Christoph Schevalje, geb.
1985, studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit
der Fachrichtung Umwelttechnik an der Universität Kassel und arbeitet seit 2010 als Projektingenieur im Projekt „Druckluftarme Produktion“ am Fachgebiet Umweltgerechte Produkte und Prozesse (upp).
Prof. Dr.-Ing. Jens Hesselbach, geb. 1959, promovierte nach dem Studium der Verfahrenstechnik bei Prof. Dr.-Ing. Eyerer. Darüber hinaus sammelte er jahrelange Erfahrungen im
Sondermaschinenbau. Seit 10 Jahren leitet er
das Fachgebiet Umweltgerechte Produkte und
Prozesse (upp) an der Universität Kassel.
Summary
Green Compressed Air by Heat Recovery.
Which effective contribution to the efficiency
increase the heat recovery of compressors can
afford? The range of measures in order to increase efficiency of compressed air systems has
grown resistant during the last years. This includes measures of the technical optimization
of the compressors up to leakage elemination.
One of the most promising measures is the heat
recovery of compressors. Compressors with
heat recovery systems are available from almost every manufacturer in the market. The
valuation of these heat recovery systems and
the effective contribution to the efficiency increase are the topic of this paper.
Den Beitrag als PDF finden sie unter: www.zwf-online.de
Dokumentennummer: ZW 110827
Jahrg. 107 (2012) 10
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