NACH DER TRANSPLANTATION: WENN DIABETES ENTSTEHT Eine Informationsbroschüre für Patienten EINLEITUNG 2 3 NACH DER TRANSPLANTATION: WENN DIABETES ENTSTEHT Eine Informationsbroschüre für Patienten Liebe Patientin, lieber Patient, die Transplantation ist ein Ereignis in Ihrem Leben, das vieles verändert und neben Chancen auch Risiken birgt. Dazu gehört auch das Risiko einer Folgeerkrankung, wie z. B. der Entwicklung eines Diabetes mellitus nach der Transplantation. Dabei geht es Transplantierten wie den ca. sechs Millionen aus anderen Gründen an Diabetikes erkrankten Patienten in Deutschland: Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung der Erkrankung sowie die Anpassung der Ess- und Lebensgewohnheiten können helfen, den Diabetes und die Folgen in Schach zu halten. Mit dieser Broschüre möchten wir Ihnen helfen, die Folge­ erkrankung Diabetes besser zu verstehen und damit besser umzugehen. Ihre Novartis Pharma GmbH Inhaltsverzeichnis Einleitung............................................................................................................................ 3 Diabetes mellitus nach der Transplantation.......................................... 6 Wie erhöhte Blutzuckerwerte entstehen................................................... 7 Ursachen erhöhter Blutzuckerwerte............................................................... 8 Insulinmangel.......................................................................................................................... 8 Insulinresistenz....................................................................................................................... 8 Sekretionsstörung................................................................................................................ 9 Erhöhte Blutzuckerwerte rechtzeitig erkennen.................................... 10 Untersuchungsmethoden....................................................................................... 11 Blutzucker.............................................................................................................................. 11 Oraler Glukosetoleranztest......................................................................................... 12 HbA1c..................................................................................................................................... 12 Harnzucker........................................................................................................................ 13 Typische Beschwerden.................................................................................... 14 4 5 Behandlung........................................................................................................................ 15 Mehr bewegen.................................................................................................................... 15 Anders essen....................................................................................................................... 16 · Gewicht reduzieren........................................................................................................ 16 · Essgewohnheiten auf dem Prüfstand............................................................... 16 · Ausgewogen essen....................................................................................................... 17 · Kohlenhydrate................................................................................................................... 18 · Kohlenhydrate berechnen?...................................................................................... 20 · Auf Kochsalz achten..................................................................................................... 21 Kleines ABC der Ernährung................................................................................. 22 Behandlung........................................................................................................................ 28 Tabletten.................................................................................................................................. 28 Insulin........................................................................................................................................ 29 Unterzuckerung.............................................................................................................. 30 Symptome.............................................................................................................................. 30 Ursachen................................................................................................................................. 31 Behandlung........................................................................................................................... 32 Langzeitfolgen................................................................................................................. 34 Diabetische Retinopathie.............................................................................................. 34 Diabetische Nephropathie........................................................................................... 35 Diabetische Neuropathie.............................................................................................. 36 Gesundheits-Pass Diabetes................................................................................ 37 Anhang Fachwörtererklärung.................................................................................................. 38 Adressen............................................................................................................................... 42 Tabelle zum Body-Mass-Index.......................................................................... 43 DIABETES MELLITUS NACH DER TRANSPLANTATION Nicht selten kommt es nach einer Transplantation zu einem Anstieg der Blutzuckerwerte. Diese als Posttransplant-Diabetes mellitus (PTDM) bezeichnete Entgleisung des Blutzuckers kann unter Umständen auch auf die Einnahme einiger Medikamente zurückgeführt werden, die notwendig sind, um eine Abstoßung des neuen Organs zu verhindern. Untersuchungen zeigen, dass bis zu 30 % aller Patienten im ersten Jahr nach der Transplantation einen Diabetes mellitus entwickeln. Die Häufigkeit, an dieser Stoffwechselstörung zu erkranken, nimmt in den folgenden Jahren kontinuierlich zu. Erbveranlagung, Übergewicht, Bewegungsmangel und höheres Lebensalter tragen dazu bei, dass etwa 15 Jahre nach der Transplantation jeder 3. Betroffene an Diabetes mellitus erkrankt. Das Risiko steigt an, je länger die Transplantation zurückliegt. Erhöhte Blutzuckerwerte sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden: Entwickelt sich ein Diabetes mellitus nach einer Transplantation, so erhöht sich das Risiko einer Transplantatabstoßung um das 3- bis 4fache. Längerfristig erhöhte Blutzuckerwerte können bestehende Gefäßveränderungen, z. B. Verkalkungen, verschlimmern. Dies gilt insbesondere für Patienten nach einer Nieren-, Herz- oder Pankreastransplantation. Die Betroffenen haben oft bereits vor der Transplantation ein erhöhtes Risiko für Gefäß­schä­ digungen, das bei einem bestehenden Diabetes mellitus durch eine gute Blutzuckerein­ stellung, und auch durch eine Normalisierung von Blutdruck und Blutfetten und komplette Tabakabstinenz, erheblich verringert wird. Erhöhte Blutzuckerwerte können in einigen Fällen auch zu einer Funktionsverschlechterung des neuen Organs führen. Auch neue, Diabetes-bedingte Folgererkrankungen können sich entwickeln. Manchmal treten erhöhte Blutzuckerwerte auch nur in den ersten Wochen nach der Trans­ plantation auf und normalisieren sich wieder, wenn die anfangs notwendige hohe Dosis der Medikamente reduziert werden kann. Das Auftreten eines Posttransplant-Diabetes mellitus ist jedoch ein Zeichen dafür, dass die Bauchspeicheldrüse, die enorm anpassungs­ fähig ist und hohe Anforderungen über viele Jahre kompensieren kann, in ihrer Funktion nachlässt. Die Möglichkeit, dass es später erneut zu einem Blutzuckeranstieg kommt, ist hoch. Vor allem, wenn sich die Bedingungen ändern, zum Beispiel durch eine Gewichts­ zunahme, verminderte Bewegung oder die Einnahme von Kortison. Zur Erfassung einer gestörten Blutzuckersituation bzw. eines Diabetes mellitus stehen verschiedene Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Die Diagnose eines Posttrans­ plant-­Diabetes mellitus ist mit der eines Typ-2 zu vergleichen, auch hinsichtlich der Be­ handlungsmöglichkeiten. 6 7 WIE ERHÖHTE BLUTZUCKERWERTE ENTSTEHEN In unserem Körper ist die Bauchspeicheldrüse bzw. das von ihr gebildete Insulin maßgeblich für die Verwertung von Zucker verantwortlich, der aus der Nahrung aufge­ nommen wird. Das gilt aber nicht nur für den Zucker in Süßwaren, Obst, Nudeln oder Milch, sondern auch für den in der Leber gespeicherten Zucker (so genanntes Glykogen), der rund um die Uhr in kleinen Mengen an das Blut abgegeben wird. Vereinfacht dargestellt kann man sich Insulin als einen Schlüssel vorstellen, der an bestimmten Stellen der Körperzellen, den Schlüssellöchern (Insulinrezeptoren), andocken kann und die Zelle anweist, Glukose aus dem Blut aufzunehmen und zu verarbeiten. Erhöhte Blutzuckerwerte bzw. ein Diabetes mellitus entstehen dann, wenn · die Bauchspeicheldrüse nicht mehr genug oder gar kein Insulin bilden kann · die Insulinrezeptoren nicht mehr richtig funktionieren (so genannte Insulinresistenz) Diabetes mellitus nach der Transplantation | Wie erhöhte Blutzuckerwerte entstehen URSACHEN ERHÖHTER BLUTZUCKERWERTE Insulinmangel Kommt es zu einem vollständigen Erliegen der körpereigenen Insulinproduktion, so spricht man von einem absoluten Insulinmangel. Diese Situation liegt beim Typ-1-Diabetes mellitus vor, bei dem das eigene Immunsystem irrtümlicherweise alle Insulin-produzierenden Zellen zerstört. Auch bei einem langjährigen Typ-2-Diabetes mellitus kann die Insulinproduktion weitgehend oder vollständig zum Erliegen kommen. Diese Stoffwechselstörung kann nur durch die Gabe von Insulin behandelt werden. Ein relativer Insulinmangel liegt vor, wenn die Insulinmenge unter normalen Bedingungen ausreichend wäre, aber beispielsweise durch Medikamente, Übergewicht, eine Infektion oder andere Erkrankungen ein erhöhter Bedarf besteht, der nicht adäquat gedeckt werden kann. Insulinresistenz Wenn das körpereigene Insulin nicht mehr richtig an den Rezeptoren andocken kann und die Körperzellen das Signal zur Insulinaufnahme ignorieren, dann liegt eine Insulinresistenz vor. Als Folge zirkuliert mehr Zucker in der Blutbahn, der Blutzuckerspiegel steigt an. Vor allem Muskulatur, Leber und Fettgewebe reagieren weniger empfindlich auf Insulin. Eine Insulinresistenz wird durch verschiedene Faktoren begünstigt. So kann zum Beispiel das Hormon Kortison die Wirksamkeit des Insulins abschwächen. Besteht oder entwickelt sich ein Übergewicht vor allem im Bauchbereich, so hat das fast immer einen negativen Einfluss auf die Insulinrezeptoren. Im Umkehrschluss können durch Übergewicht beeinträchtigte Rezeptoren durch eine Reduzierung des Körpergewichts relativ gut wieder zu einer normalen Funktion zurückfinden. Auch Bewegungsmangel, Rauchen, Stress, erhöhtes Lebensalter, genetische Faktoren oder Infektionskrankheiten, wie zum Beispiel Hepatitis C, können die Insulinresistenz erhöhen. Im Rahmen einer Insulinresistenz kann es sogar vorübergehend zu einer Überproduktion von Insulin kommen. Der Körper versucht, die verminderte Ansprechbarkeit der Zellen auf Insulin zu kompensieren und schüttet immer höhere Mengen an Insulin aus, um den Blut­ zucker zu normalisieren. Doch irgendwann reicht auch die höhere Insulinausschüttung nicht mehr aus. Die Blutzuckerwerte steigen an. 8 9 Sekretionsstörung Bei einer Insulinsekretionsstörung kann die Bauchspeicheldrüse das aktuell benötigte Insulin nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stellen. Zu kleine Mengen oder eine verzögerte Insulinausschüttung charakterisieren die Störung, die unter anderem auch durch die Immunsuppression mit einer bestimmten Substanzgruppe, den sogenannten Calcineurininhibitoren, hervorgerufen werden kann. Im Prinzip ähnelt der nach einer Transplantation entstandene Diabetes (PTDM) einem Typ-2-Diabetes mellitus, der sich unabhängig von einer Transplantation entwickelt. In­sulin­ resistenz und/oder eine Sekretionsstörung sind jeweils die Ursachen für einen gestörten Blutzuckerstoffwechel. WICHTIG! Einige Medikamente, die nach der Transplantation das neue Organ vor Abstoßungsreaktionen schützen sollen, erhöhen gleichzeitig das Risiko, einen Diabetes mellitus zu entwickeln. Keinesfalls sollten diese Medikamente eigenmächtig ab­ gesetzt werden, wenn erhöhte Blutzuckerwerte auftreten. Zusam­ men mit dem behandelnden Arzt sollte eine Therapieoptimierung abgewogen werden. Ursachen erhöhter Blutzuckerwerte ERHÖHTE BLUTZUCKERWERTE RECHTZEITIG ERKENNEN Erhöhte Blutzuckerwerte gehen nicht immer mit den typischen Beschwerden einher. Manchmal werden sie nur zufällig erkannt, zum Beispiel bei einer routinemäßigen Blutuntersuchung. In der ersten Zeit nach der Transplantation sollte der Blutzucker genauso häufig gemessen werden wie das Serum-Kreatinin und andere wichtige Laborwerte. Viele Faktoren können in dieser Phase eine Insulinresistenz begünstigen, die sich nach 3 bis 6 Monaten häufig wieder normalisiert. Abnorme Blutzuckerwerte in dieser Zeit weisen darauf hin, dass eine Störung des Zuckerstoffwechsels unter sich ändernden Bedingung möglich ist. Aus diesem Grund wird empfohlen, einmal im Quartal den Nüchtern-Blutzucker zu messen. Darüber hinaus kann ein Blutzuckerbelastungstest (s. u.) die Insulinsekretionsreserve der Bauchspeicheldrüse ermitteln und einen Diabetes mellitus nachweisen, selbst wenn noch normale Nüchternblutzuckerwerte bestehen. 10 11 UNTERSUCHUNGSMETHODEN Blutzucker Zur Bestimmung des Blutzuckers wird unter ambulanten Bedingungen ein Blutstropfen aus der seitlichen Fingerbeere oder dem Ohrläppchen (Kapillarblut) gewonnen und der Zuckergehalt ermittelt. Meistens wird der Blutzucker zusätzlich im Rahmen einer Blut­ abnahme (venöses Blut) bestimmt. Der Blutzuckerwert, der aus venösem Blut bestimmt wurde, ist etwas niedriger als derjenige aus Kapillarblut. Das liegt daran, dass in den Venen Blut fließt, dem die verschiedenen Organe bereits Nährstoffe, unter anderem auch Zucker, entzogen haben. Liegt der Blutzucker bei einer Routineuntersuchung über 200 mg/dl (11,1 mmol/l), dann sollte die Untersuchung wiederholt werden, wenn keine Diabetes-typischen Beschwerden vorliegen. Zur besseren Abklärung sollte der Nüchternblutzucker ermittelt werden. Werte über 110 mg/dl (6,1 mmol/l) weisen auf einen gestörten Blutzuckerstoffwechsel hin. Liegen die Nüchternblutzuckerwerte zwischen 110 und 126 mg/dl (6,1 und 7,1 mmol/l), so spricht man von einer abnormen Nüchternglukose. Es liegt noch kein Diabetes mellitus vor, die Blutzuckerwerte sollten jedoch regelmäßig kontrolliert werden. Manchmal wird auch ein oraler Glukosetoleranztest durchgeführt, um Informationen über eine gestörte Blutzucker­ situation zu erhalten. Ab Nüchernblutzuckerwerten > 126 mg/dl (> 7,1 mmol/l) liegt ein Diabetes mellitus vor. WICHTIG! Die Blutzuckerbestimmung muß in einem zertifizierten Labor „nass­ chemisch“ vorgenommen werden. Handelsübliche Geräte, die Blut­zucker­ messstreifen verwenden, sind auf­grund der begrenzten Messge­nauig­keit nicht geeignet zur Diagnose­stellung eines Diabetes mellitus. Erhöhte Blutzuckerwerte rechtzeitig erkennen | Untersuchungsmethoden UNTERSUCHUNGSMETHODEN Oraler Glukosetoleranztest Der orale Glukosetoleranztest (oGTT) wird auch als Zuckerbelastungstest bezeichnet. Er dient dem Nachweis einer gestörten Glukoseverwertung und ist somit ein Verfahren zur Früherkennung eines Diabetes mellitus. Im Rahmen der Untersuchung wird festgestellt, inwieweit der Körper eine zuvor festgelegte Menge Zucker verarbeitet. An den drei Tagen vor dem Test sollte sich der Patient kohlenhydratreich ernähren (mehr als 150 Gramm Kohlenhydrat/Tag, entsprechend normaler Mischkost), ab 22.00 Uhr am Vortag nüchtern bleiben und vor dem Test nicht rauchen, sowie keinen Alkohol, Kaffee oder Tee trinken). Zum Toleranztest werden 75 Gramm in Wasser gelöste Glukose getrunken und in be­ stimmten Abständen der Blutzucker bestimmt. Liegt der Blutzucker 2 Stunden nach der Einnahme der glukosehaltigen Lösung zwischen 140 und 200 mg/dl (7,8 – 11,2 mmol/l) so liegt eine gestörte Glukosetoleranz, bei einem Wert über 200 mg/dl (11,2 mmol/l) ein Diabetes mellitus vor. HbA 1c Der HbA1c-Wert wird umgangssprachlich auch als Blutzuckergedächtnis oder Langzeitzucker­ wert bezeichnet. Er beschreibt, in welcher Menge sich Zucker aus dem Blut in den letzten 8 bis 10 Wochen an den roten Blutfarbstoff (Hämoglobin) angelagert hat. Bei Gesunden liegt der HbA1c-Wert zwischen 4 und 6,1 %. Je mehr Zucker im Blut ist, desto mehr Blut­ farbstoff „verzuckert“. Eine dauerhafte Anlagerung des Zuckers an das Hämoglobin erfolgt erst nach einigen Stunden. Aus diesem Grund wirken sich kurzfristige Blutzuckerspitzen nicht sehr stark auf den Langzeitzuckerwert aus. Bei der Beurteilung des HbA1c-Wertes ist es wichtig, den Normbereich des zuständigen Labors zu kennen, da sich die Normbereiche von Labor zu Labor unterscheiden können. Bei Diabetikern wird ein HbA1c-Wert angestrebt, der möglichst nah am Normbereich liegt. Nur so ist es möglich, sich vor Blutzucker-bedingten Folgeschäden zu schützen. Ein HbA1c-Wert bis 6,5 % weist auf eine gute Stoffwechseleinstellung hin, Werte über 7 % gelten als verbesserungswürdig. Im Gespräch mit dem behandelnden Arzt wird der indi­ viduelle Ziel-HbA1c-Wert festgelegt. Der HbA1c-Wert ist kein geeigneter Messwert zum Nachweis eines Diabetes mellitus, sondern wichtig zur Verlaufskontrolle. 12 13 Harnzucker Eine Folge erhöhter Blutzuckerwerte ist das Auftreten von Zucker im Urin (Glucosurie). Bei Werten über 180 mg /dl (10 mmol / l) können die Nieren den überschüssigen Zucker nicht mehr zurückhalten, die so genannte Nierenschwelle ist überschritten. Gleichzeitig kommt es zu vermehrtem Wasserlassen, da die Wasserspeicherfähigkeit der Nieren beeinträchtigt ist. Die Wasserverluste führen zu vermehrtem Durst. Der Glucosurie verdankt die Er­kran­kung auch ihren Namen: Diabetes mellitus kommt aus dem Griechischen und bedeutet honig­süßes Hindurchfließen. Der Nachweis von Zucker im Harn reicht aber nicht aus, um die Diagnose Diabetes mellitus stellen zu können, da sich die Nierenschwelle unter bestimmten Bedingungen und mit zu­ neh­mendem Lebensalter ändert. Ihm sollte immer eine Blutunter­suchung folgen, um das Ausmaß der Blutzucker­ erhöhung festzustellen. Untersuchungsmethoden TYPISCHE BESCHWERDEN Typische Symptome erhöhter Blutzuckerwerte sind vermehrtes Wasserlassen, vor allem nachts, starker Durst, ungewollter Gewichtsverlust und/oder Sehstörungen. Viele Betroffene fühlen sich müde und schlapp, manche klagen über eine extrem trockene Haut oder Juckreiz, nicht selten treten vermehrt Harnwegsinfekte auf. Erklärt werden können diese Beschwerden dadurch, dass der Körper den überschüssigen Blutzucker über den Harn loszuwerden versucht. Flüssigkeitsverschiebungen und -verluste sowie nachfolgender Durst sind die Folge. TYPISCHE BESCHWERDEN DURCH ERHÖHTE BLUT­ZUCKERWERTE ∙∙·Häufiges Wasserlassen, vor allem nachts ∙∙·Durst ∙∙·Müdigkeit, Abgeschlagenheit ∙∙·Ungewollter Gewichtsverlust ∙∙·Sehstörungen ∙∙·Trockene Haut, Juckreiz ∙∙·Vermehrtes Auftreten von Harnwegsinfekten 14 15 BEHANDLUNG Erhöhte Blutzuckerwerte können durch Bewegung, ausgewogene Ernährung und/oder Gewichtsreduzierung zumeist gesenkt werden. Übergewichtige Typ-2-Diabetiker profitieren von dieser nicht-medikamentösen Behandlung besonders, zum Teil sogar so sehr, dass sie ohne weitere Medikamente auskommen können. Das gilt natürlich auch für transplantierte Patienten. Reichen diese Veränderungen der Ess- und Lebens­ ­gewohnheiten nicht aus, den Blutzucker zu senken, so sind Tabletten und/oder Insulin erforderlich. Mehr bewegen Ein Mehr an Bewegung führt dazu, dass die Körperzellen den Zucker aus dem Blut vom Insulin unabhängig aufnehmen und verarbeiten können. Selbst eine reduzierte Insulin­ produktion kann dann durchaus ausreichen, mit Bewegung den Blutzucker zu normali­ sieren. Eine kleine Menge Insulin muss allerdings vorhanden sein, damit dieser Blutzucker senkende Effekt zum Tragen kommt. Sinnvoll ist in jedem Fall, mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren: Treppensteigen statt Fahrstuhlfahren, zu Fuß gehen statt Auto oder Bus nehmen, beim Fernsehgucken Beine strecken und beugen, Zähneputzen auf einem Bein etc. Empfohlen wird zudem, sich mindes­tens dreimal pro Woche mindestens 30 Minuten zu bewegen. Günstige Sportarten sind zügiges Spazierengehen, Walken, Joggen, Radfahren, Schwimmen oder Skilanglauf. Wer mag, kann auch in den Sportverein oder ins Fitnessstudio gehen, um sich zu mehr Bewegung zu motivieren. Nicht immer können die angestrebten Vorsätze zu mehr Bewegung kon­ sequent im Alltag umgesetzt werden. Bevor man an zu hohen Hürden scheitert: Lieber nur einmal pro Woche bewegen als dreimal nicht. Eine verstärkte körperliche Betätigung ist im Übrigen nicht nur für eine bessere Blutzuckereinstellung günstig, sondern nützt auch dem Bewegungsapparat, wirkt der Osteoporose ent­gegen, trainiert das Halte- und Gleichgewichtssystem und regt die Gehirntätigkeit an. Typische Beschwerden | Behandlung BEHANDLUNG Anders essen Gewicht reduzieren Eine weitere nicht-medikamentöse Möglichkeit, erhöhte Blutzuckerwerte zu normalisieren, besteht darin abzunehmen. So kann zum Beispiel eine Insulinresistenz am besten durch eine Verminderung der Kalorienzufuhr und vermehrte körperliche Bewegung durch­brochen werden. In vielen Fällen kommt es nach einer Transplantation zu einer anfänglich noch erwünschten Gewichtszunahme. Geht diese über das normale Maß hinaus, so kann es zu Problemen kommen, die sich unter anderem auch auf den Blutzucker auswirken. Über das normale Maß hinaus heißt, dass das aktuelle Gewicht einen BMI von 25 über­steigt (BMI-Berechnung siehe Seite 43). Der Body-Mass-Index beschreibt das Verhältnis von Körpergröße zu tatsächlichem Kör­per­ ­gewicht. Sitzen die überschüssigen Pfunde bevorzugt im Bauchbereich (so genannter „Apfeltyp“), erhöht sich zudem das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nun hat nicht jeder, der an Gewicht zunimmt, auch automatisch erhöhte Blutzuckerwerte. Ein Mehr an Gewicht fordert aber jeder Bauchspeicheldrüse mehr Insulin ab und wirkt sich ungünstig auf die Insulin­rezeptoren aus. In manchen Fällen ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Blutzuckerwerte ansteigen. Mitverantwortlich dafür sind neben der Gewichtszunahme unter anderem auch mangelnde Be­wegung und eventuell die Einnahme bestimmter immun­ suppressive Medikamente. 3 bis 5 Kilos weniger reichen oft schon aus, um erhöhte Blut­ zuckerwerte zu senken. Ein besonders nachhaltiger Effekt stellt sich ein, wenn die Gewichts­ abnahme mit mehr Bewegung kombiniert wird. Essgewohnheiten auf dem Prüfstand Tipps zur Gewichtsabnahme gibt es unzählige, sie werden flankiert von etwa mehreren Tausend unterschiedlichen Diätformen. Die große Anzahl lässt darauf schließen, wie schwer es ist, die überschüssigen Pfunde wieder loszuwerden. Hinzu kommt, dass viele Diätformen weit entfernt sind von dem, was man oft jahrzehntelang auf dem Teller praktiziert hat. Der Mensch ist ein Gewohnheitswesen, es fällt es ihm nicht leicht, sein Essverhalten über einen längeren Zeitraum radikal zu verändern. Meistens findet er nach einiger Zeit wieder zu seinen vertrauten Gewohnheiten am Tisch und in der Küche zurück. Vielleicht liegt das daran, dass der „Genussvorstand“ in uns, der immer dafür Sorge trägt, dass es uns Menschen gut geht, den „Gesundheitsvorstand“ in seine Schranken verwiesen hat. Was bleibt, ist nicht selten Trotz, Frust oder Resignation, begleitet von einem steten „eigentlich sollte ich ja …“ Diese eher negative Bilanz soll nicht dazu verleiten, sich nicht mit einer empfehlenswerten Verrin­ gerung des Körpergewichts auseinanderzusetzen. Sie soll vielmehr verdeutlichen, dass es nicht mit einem Diätplan oder dem Griff zu Light-Produkten getan ist. „Wundermittel“ gibt es nicht – auch wenn sie in der Werbung als solche angepriesen werden. 16 17 Der erste Schritt hin zu weniger Kilos beginnt im Kopf: Will ich überhaupt etwas ändern? Was bin ich bereit zu verändern? Was kann ich ändern? Erst wenn die Bereitschaft klar ist, sollte man sich mit dem „Wie“ beschäftigen. Empfehlenswert sind beispielsweise Ver­ änderungen in den Standardmahlzeiten, also den Mahlzeiten wie Frühstück oder Abend­ essen, die relativ gleich gestaltet sind. Eine neue Belegetechnik (Käse oder Wurst dünner geschnitten und/oder fettärmer und/oder so auf das Brot gelegt, dass noch ein Drittel vom Brot zu erkennen ist) wird im günstigsten Fall 14-mal pro Woche umgesetzt. Die Trainings­ frequenz für dieses neue Essverhalten ist sehr hoch, somit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass es bald nicht mehr als neu empfunden wird und ins Lager der Essgewohnheiten überwechseln kann. Ausgewogen essen Im Prinzip unterscheidet sich die Ernährung von Diabetikern nicht von der Ernährung Gesunder oder der Transplantierter. Ausgewogen soll sie sein, mit vielen Ballaststoffen, wenig Fett und mäßig Eiweiß. Kartoffeln, Nudeln, Reis gehören genau so dazu wie Obst, Schokolade oder ein Eis. Optimalerweise werden möglichst Vollkornprodukte gewählt, dazu fünf Portionen frisches Obst und Gemüse, Linsen, Erbsen und Bohnen eingeschlossen. WICHTIG! Auch kleine Einsparungen wirken sich über den Zeitverlauf günstig aus – normalerweise hat es auch einen längeren Zeitraum gebraucht, um übergewichtig zu werden. Behandlung BEHANDLUNG Kohlenhydrate Die Angst vor den Blutzucker erhöhenden Kohlenhydraten ist immer noch groß, und so findet das Stück Fleisch eher den Weg auf den Teller als eine weitere Kartoffel, statt eines Apfels wird lieber Quark oder Joghurt gegessen. Kohlenhydrate sind ein unverzichtbarer Nahrungsbestandteil, auch für Patienten mit Diabetes. Nach der Expertenempfehlung sollte ihr Anteil an der täglichen Nahrung bei rund 50 % liegen. Vermieden werden sollten lediglich schnell vom Körper aufnehmbare Zucker, weil diese den Blutzucker rasch in die Höhe treiben können. Schnell resorbierbar heißt „süß“ – Kuchen, Bonbons und Getränke mit hohem Zuckergehalt (bei Cola z. B. 10 %) sollten eingeschränkt oder ganz weggelassen werden. Dabei kommt es darauf an, welche Art von Kohlenhydraten den Weg in den Mund finden. Bei Posttransplant-Diabetikern ist entweder die Bereitstellung von Insulin oder die Ver­wer­ tung des Insulins an der Zelle gestört. Das Ausmaß des Blutzuckeranstiegs hängt also davon ab, wie schnell und wie viel Zucker aus dem Darm ins Blut gelangt. Je größer die Menge an anflutendem Zucker, desto größere Anstrengungen muss der Körper unter­ nehmen, ihn zu verwerten. Die daraus resultierenden Blutzuckerspitzen sind ein Hinweis darauf, dass vornehmlich Kohlenhydrate gegessen wurden, die rasch resorbiert werden. Günstiger sind Kohlenhydrate, die langsamer vom Darm in die Blutbahn gelangen. Wie schnell also der Blutzuckerspiegel ansteigt, hängt wesentlich von der Qualität der Kohlenhydrate ab. Ungünstig sind die so genannten Einfachzucker, wie zum Beispiel Trauben­zucker oder Fruchtzucker. Sie gelangen sehr schnell ins Blut, weil der Körper keine Verdauungsarbeit leisten muss. Zweifachzucker brauchen schon etwas länger, bis sie ins Blut gelangen, da sie erst noch zu Einfachzuckern zerlegt werden müssen. Haushalts-, Malz- oder Milchzucker zählen zu diesen Zweifachzuckern. Für Diabetiker günstig sind die Mehrfachzucker (Stärke, Glykogen): Sie gelangen erst nach und nach ins Blut und führen zu keiner nennenswerten Blutzuckerspitze. Getreide, Reis, Kartoffeln und Hülsenfrüchte gehören zu dieser Gruppe der Mehrfachzucker, die ihren günstigen Effekt noch deutlich steigern können, wenn es sich um Vollkornprodukte handelt. 18 19 Einfachzucker (Monosaccharide): Traubenzucker (Glukose) Fruchtzucker (Fruktose) Schleimzucker (Galaktose) ∙∙ ∙∙ ∙∙ Zweifachzucker (Disaccharide): Malzzucker (Maltose) = Traubenzucker + Traubenzucker Haushaltszucker (Saccharose) = Traubenzucker + Fruchtzucker Milchzucker (Laktose) = Traubenzucker + Schleimzucker Mehrfachzucker (Polysaccharide): Stärke (pflanzliche Stärke) = hundert bis tausend Traubenzucker Glykogen (tierische Stärke) = hundert bis tausend Traubenzucker ∙∙ ∙∙ ∙∙ ∙∙ ∙∙ Behandlung BEHANDLUNG Kohlenhydrate berechnen? Im Zusammenhang mit den Kohlenhydraten taucht immer wieder der Begriff der BE, KE oder KHE auf. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich eine Schätzeinheit: die Brot- oder Berech­ nungseinheit (BE) bzw. die Kohlenhydrateinheit (KE, KHE). Eine BE/KE entspricht 10 – 12 Gramm Kohlenhydraten. Das sind beispielsweise ein Esslöffel Grieß in rohem Zustand oder eine hühnereigroße Kartoffel oder zwei Mandarinen. Brotein­ heiten helfen dabei abzuschätzen, wie viel schnell wirksames Insulin benötigt wird. Die BE-Berechnung ist also vornehmlich für diejenigen sinnvoll, die Insulin spritzen. In der Vergangenheit bekam jeder Diabetiker ein starres „BE-Gerüst“ verpasst, das sich an der täglich notwendigen Kalorienzufuhr orientierte. Nicht selten waren die Folgen kontraproduktiv: Wer beispielsweise im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes eine Diät mit 1000 Kalorien und 10 Broteineinheiten verordnet bekam, erhöhte zu Hause meistens die Kalorienzahl, um satt zu werden. Dabei wurde eher zu einer weiteren Scheibe Wurst statt zu einer weiteren Scheibe Brot gegriffen. Viel Fett und Eiweiß sorgten dann dafür, dass das Gewicht noch weiter in die Höhe ging. 20 21 Auf Kochsalz achten Bluthochdruck ist eine häufig auftretende Begleiterkrankung sowohl bei Diabetes als auch nach Organtransplantation, die Gefäße und Organe schädigt. Medikamente in Kombination mit einer ausgewogenen, überwiegend vegetarischen und salzarmen Ernährung können den Blutdruck nachweislich effektiv senken. Die Umstellung auf weniger Salz im Essen wird anfänglich normalerweise nicht leicht akzeptiert. Das liegt daran, dass der Salz­ geschmack ein angewöhnter Geschmack ist. Es dauert einige Zeit, bis eine salzarme Kost nicht mehr fade und langweilig schmeckt. Ein erster Schritt zu einem salzärmeren Essen besteht darin, den Salzstreuer vom Tisch zu verbannen. Weitere Möglichkeiten, Kochsalz einzusparen, sind: Alles so „natürlich“ wie möglich essen, d. h. Gemüse, Kartoffeln, Reis, Nudeln ohne Kochsalz zubereiten. Mit Kräutern würzen. Saucen mit Zitronensaft würzen. Zwiebeln zum Fleisch rösten. Möglichst keine geräucherten oder gepökelten Fleisch- oder Fischwaren essen. Auf Fertigprodukte möglichst verzichten. Gemüse aus dem Glas/der Konserve hat wesentlich mehr Kochsalz als die tiefgekühlte Variante. Kochsalzarmes Mineralwasser trinken (< 20 mg Na/l). ∙∙ ∙∙ ∙∙ ∙∙ ∙∙ ∙∙ ∙∙ ∙∙ Behandlung KLEINES ABC DER ERNÄHRUNG Alkohol … in kleinen Mengen, also ein Glas Bier oder ein Wein, ist für Diabetiker erlaubt, wenn kein Leberschaden vorliegt. Wenn andere Medikamente eingenommen werden, sollte immer Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden. BE Einheit, um den Kohlenhydratgehalt von Lebensmitteln abzu­ schätzen. Eine BE oder KHE (Brot- oder Kohlenhydrat-Einheit) entspricht 10 – 12 Gramm Kohlenhydraten. Eine BE-Berechnung ist nur für Patienten sinnvoll, die Insulin spritzen. Cholesterin Viele Patienten haben erhöhte Blutfettwerte. Eine Reduzierung der Fettmenge sowie die Verwendung von Fetten mit einfach oder mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind zu empfehlen. Die ungesättigten Fettsäuren sorgen dafür, dass das „schlechte“ LDL-Cholesterin von der Leber aufgenommen wird. Dadurch kann der LDL-Spiegel gesenkt werden. Einfach ungesättigte Fettsäuren (in Oliven-, Erdnuss-, Rapsöl, Mandeln, Avocados) tragen außerdem dazu bei, dass das „gute“ HDLCholesterin ansteigt. Eiweiß … ist ein wichtiger Bestandteil der Nahrung, der beispielsweise in Fisch, Fleisch, einigen Milchprodukten oder Soja steckt. Eiweißhaltige Lebensmittel machen besonders lange satt, sollten aber nicht in großer Menge gegessen werden. Etwa 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht sind ausreichend. 22 23 Fett Etwa zu einem Drittel sollte unser tägliches Essen aus Fett bestehen, das sind bei 2000 Kalorien täglich etwa gut 70 Gramm Fett. Wer die Butter oder Margarine dünn streicht, braucht etwa 5 Gramm pro Scheibe Brot. Versteckte Fette sind vor allem in Wurst und Käse enthalten, ebenso in vielen Fertigprodukten, Süßigkeiten oder Frittiertem. Eine Scheibe Gouda enthält etwa 9 Gramm Fett, eine Scheibe Mortadella 8 Gramm. Glykämischer Index Der glykämische Index (GI) gibt in Zahlen die Blutzucker steigernde Wirkung der Kohlenhydrate bzw. der kohlen­­hy­drat­­ haltigen Lebensmittel an. Als Referenzwert gilt der Trauben­­ zucker (Glukose): Seine Blutzucker steigernde Wirkung ent­­­spricht 100. Ein glykämischer Index von 50 sagt aus, dass der Blutzuckeranstieg des bewerteten Lebensmittels nur die Hälfte des Anstiegs der Glukose ausmacht. Weißbrot, Kartoffeln und Reis haben einen hohen GI, Vollkornnudeln, Äpfel, Milch und Schokolade einen niedrigen glykämischen Index. Letzteres würde die Schokolade als für Diabetiker günstiges Genuss­mittel einstufen. Und hier offenbart sich einer der Schwach­punkte des GI: fett- und damit kalorien­ reiche Lebensmittel erhalten mitunter eine zu positive Be­ wertung. Darüber hinaus hängt die tatsächliche Blutzucker­ antwort davon ab, welche Nahrungs­mittel bei einer Mahlzeit zusammen gegessen werden. Hauptmahlzeiten … sollten einen möglichst hohen Anteil an Kohlenhydraten und Ballaststoffen enthalten, um die gewünschte Menge von mindestens 50 % der Gesamtenergie pro Tag zu erreichen. Behandlung KLEINES ABC DER ERNÄHRUNG Inulin (nicht zu verwechseln mit Insulin) … gehört zur Gruppe der unverdaulichen Kohlenhydrate. Es kommt in Artischocken, Zwiebeln, Spargel, Weizen oder Topinambur vor. Inulin wirkt sich nicht auf den Blutzucker aus. Es fördert eine gesunde Darmflora, der Verzehr kann allerdings mit Blähungen einhergehen. Joghurt … enthält Milchzucker und gehört somit auch zu den Lebensmitteln, die den Blutzucker erhöhen. Kohlenhydrate ... sind die wichtigsten Energielieferanten. Mehrfachzucker, so genannte Polysaccharide, sind besonders günstig für Diabetiker, weil sie den Blutzucker langsam und gleichmäßig erhöhen und so Blutzuckerspitzen vorbeugen. Brot, Nudeln und Reis aus Vollkorn sowie Hülsenfrüchte sind wichtige Ver­ treter dieser Kohlenhydratgruppe. „Leere“ Kalorien Als leere Kalorien bezeichnet man die Energie aus Lebens­ mitteln, die arm an lebensnotwendigen Nährstoffen, z. B. Vitaminen und Mineralstoffen sind. Einen hohen Anteil leerer Kalorien liefern beispielsweise Zucker und Alkohol. MUFS … stehen für mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Sie sind unter anderem in Sonnenblumen-, Distel-, Kürbiskern-, Maiskeim- und Sojaöl enthalten, ebenso in Fettfischen. Mehrfach unge­sättigte Fettsäuren sorgen ebenso wie die einfach un­gesättigten Fettsäuren dafür, dass mehr „schlechtes“ LDL-Cholesterin von der Leber aufgenommen wird. Dadurch sinkt die LDL-Konzentration im Blut. Nüsse … enthalten neben Kohlenhydraten auch viel Fett, erhöhen den Blutzucker aber nicht nennenswert. Nüsse werden gerne als Nervennahrung bezeichnet. Eine Handvoll enthält etwa 200 Kilokalorien. 24 25 Omega-3-Fettsäuren … sind in Kaltwasserfischen wie Lachs, Makrele und Hering enthalten. Diese mehrfach ungesättigten Fettsäuren haben einen günstigen Effekt auf die Blutgefäße: Sie verbessern die Fließeigenschaft des Blutes, können die Blutfette senken und sich positiv auf einen erhöhten Blutdruck auswirken. Pflanzenstoffe, sekundäre … sind nur in pflanzlichen Nahrungsmitteln wie Obst, Gemüse und Getreide vorkommende Stoffe, die vielfältige Eigenschaften haben. Sie fördern die Gesundheit, indem sie vor Krankheits­ erregern schützen, das Blut besser fließen lassen und teilweise sogar vor Krebserkrankungen schützen können. Wer sich an die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung hält und 5-mal am Tag Obst und Gemüse in möglichst frischer Form isst, nimmt auf jeden Fall genügend sekundäre Pflanzenstoffe zu sich. Quark … ist ein beliebtes Lebensmittel, das von Diabetikern gerne als Zwischenmahlzeit gegessen wird, da es kaum einen Einfluss auf den Blutzucker hat. Von einem übermäßigen Verzehr ist abzuraten, da Quark besonders eiweißreich ist. Vor allem bei eingeschränkter Nierenfunktion sollte die Eiweiß­ zufuhr normalisiert werden. Rechnen … müssen Sie nicht, um zu wissen, ob sie genug Ballaststoffe essen. Es reicht zu wissen, wo sie drin stecken, zum Beispiel in Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten. Wer jeden Tag 5 Portionen frisches Obst und Gemüse isst, zu Voll­kornprodukten greift und öfter mal Mahlzeiten aus Erbsen, Bohnen oder Linsen zubereitet, bekommt auf jeden Fall ausreichend Ballaststoffe. Behandlung KLEINES ABC DER ERNÄHRUNG Süßigkeiten Das Zuckerverbot für Diabetiker gehört schon seit langem der Vergangenheit an. Mehr als 10 Prozent der täglich benötigten Kalorien sollten es allerdings nicht sein. Das macht bei durch­ schnittlichen 2.000 Kilokalorien etwa 50 Gramm Zucker pro Tag aus. Wichtig ist, dass der Zucker auf mehrere Portionen über den Tag verteilt und nicht pur gegessen wird. In Lebens­ mittel verpackt, wie zum Beispiel Eis, Schokolade oder Gebäck, wird er langsamer aufgenommen. Rasche Blutzuckerspitzen können so vermieden werden. Der Figur zuliebe sollte man sich Süßigkeiten eher selten und in kleinen Portionen gönnen. Trinken Transplantierte Patienten sollten täglich 2 – 3 Liter trinken. Diese Empfehlung bleibt auch bestehen, wenn ein Diabetes auftritt. Empfehlenswert sind Wasser, ungesüßte Tees und Saftschorlen im Mischverhältnis 3 : 1 (Wasser : Saft). Herkömmliche Er­ frischungsgetränke enthalten große Mengen an Zucker. Für Diabetiker sind sie doppelt ungesund: Der Zucker geht sofort ins Blut über und außerdem sind sie schlecht für die Figur. Untergewicht Als untergewichtig bezeichnet man Personen, deren BodyMass-Index unter 19 liegt. Eine 1,70 m große Person, die 52 Kilogramm wiegt, hat einen BMI von 18. Eine Tabelle zur BMI-Berechnung finden Sie auf Seite 43. Vitamine … sind lebensnotwendige Stoffe, die der Körper nicht oder nur in begrenztem Maße selbst herstellen kann. Mit einer ausgewogenen Ernährung nimmt man ausreichend Vitamine zu sich. Vitaminpräparate sind in den meisten Fällen überflüssig. 26 27 Wunderpillen … gibt es leider nicht, um erhöhte Blutzuckerwerte zu senken oder ein paar Kilos zu verlieren. Eine ausgewogene Ernährung, eine Gewichtsreduktion und mehr Bewegung sind die ersten Maßnahmen, um erhöhte Blutzuckerwerte zu senken. Der einzige, der von „Wundermitteln“ profitiert, ist derjenige, der sie verkauft. Xylit … ist ein Zuckeraustauschstoff mit ähnlichen Süßeigen­ schaften wie Zucker, aber nur halb so viel Kalorien. Im Gegen­ satz zu Zucker hat Xylit jedoch keinen Einfluss auf den Blut­ zucker. Weitere Zuckeraustauschstoffe sind Sorbit, Mannit, Maltit, Lactit, Isomalt und Fruchtzucker. Zur Gruppe der Süßstoffe zählen Saccharin, Cyclamat, Aspartam, Acesulfam, Neohesperidin und Thaumatin. Sie sind praktisch kalorienfrei, gleichzeitig viel süßer als Haus­ haltszucker, erhöhen allerdings nicht den Blutzucker. Y Lassen Sie sich nicht ein X für ein Y vormachen, wenn es um das Essen geht. Menschen nach einer Transplantation, die einen Diabetes entwickeln, brauchen keine besondere Diät. Wenn Sie eine ausgewogene Ernährung anstreben und um­ setzen, sind Sie auf dem richtigen Weg. Zwischenmahlzeiten Früher gab es für Diabetiker oft strenge Diätpläne, die unter anderem sechs bis acht kleinere Mahlzeiten zu festen Zeiten am Tag vorsahen. Das führte bei den Betroffenen nicht selten zum Ess-Stress. Neue Erkenntnisse erlauben eine Liberalisierung des Essens. Man hat beispielsweise herausgefunden, dass es viel schwieriger ist, mit vielen kleinen Mahlzeiten abzunehmen. Wer öfter isst, isst mehr. Unbestritten ist nach wie vor, dass viele kleine Mahlzeiten den Stoffwechsel weniger belasten. Für Menschen, die Insulin spritzen, können Zwischenmahl­ zeiten sinnvoll, manchmal auch notwendig sein. Behandlung BEHANDLUNG Tabletten Sind die Möglichkeiten ausgeschöpft, durch vermehrte Bewegung und Gewichts­redu­ zierung den Blutzucker zu normalisieren, so können im nächsten Schritt Tabletten verordnet werden, die den Blutzucker senken sollen. Die zur Verfügung stehenden Medikamente, auch orale Antidiabetika genannt, wirken an unterschiedlichen Stellen im Körper (Bauch­ speicheldrüse, Insulinrezeptoren, Dünndarm). Die Verordnung erfolgt individuell (abhängig von Begleiterkrankungen, Krankheitsverlauf, Gewicht), manchmal auch in Kombination mit anderen Tabletten oder Insulin. So gibt es einige Medikamente, die der Bauchspeicheldrüse das Signal geben, mehr Insulin zu produzieren (Sulfonylharnstoffe, Glinide). Voraussetzung dafür ist, dass die Bauchspeicheldrüse noch Insulin bilden kann. Andere Medikamente wirken am Insulin­ rezeptor und verbessern die Aufnahme von Insulin in die Körperzelle (Glitazone). Es gibt Substanzen, die eine Aufnahme von Kohlenhydraten aus dem Darm ins Blut hemmen (Alpha-Glucosidase-Hemmer) und dadurch die Blutzuckerspitzen vor allem nach kohlen­ hydratreichen Mahlzeiten abmildern. Biguanide, z. B. Metformin, werden häufig als erstes Medikament beim Diabetes eingesetzt, sind aber nur bei normaler Nierenfunktion anwend­ bar. Sie drosseln die Zuckerproduktion in der Leber und hemmen die Freisetzung von ge­speichertem Zucker. Inkretin-Analoga und -Verstärker wirken wie Darmhormone, die wie­ derum Einfluss auf die Bildung von Insulin nehmen und so den Blutzucker senken können. Vom Einsatz einiger oraler Antidiabetika wird abgeraten, wenn die Nierenfunktion eingeschränkt ist, erkennbar an einer erniedrigten Kreatinin-Clearance. Ebenso kann die Einnahme anderer notwendiger Medikamente die Verordnung Blutzucker senkender Substanzen ausschließen und eine Einstellung auf Insulin erforderlich machen. 28 29 Insulin Die Gabe von Insulin stellt keine Kontraindikation dar, das heißt, es kann zusammen mit anderen Medikamenten oder bei anderen Grunderkrankungen verabreicht werden. Insulin ist, abgesehen von einer Überdosierung, frei von Nebenwirkungen. Die Behandlung eines erhöhten Blutzuckers mit Insulin bedeutet nicht, dass ein besonders „schwerer Fall von Diabetes“ vorliegt, wie im Volksmund häufig angenommen wird. Insulin ist für Posttrans­ plant-Diabetiker häufig die einzige Behandlungsmöglichkeit, einen erhöhten Blutzucker zu senken, wenn die Änderungen der Ess- und Bewegungsgewohnheiten keinen Erfolg gebracht haben. Den Umgang mit Insulin bzw. die richtige Spritztechnik lernen Patienten im Rahmen einer Diabetesschulung während der anfänglichen Einstellungsphase. Neben der klassischen Spritze stehen eine Vielzahl von Injektionshilfen, so genannte Pens, zur Verfügung. Sie sehen aus wie ein Füllfederhalter, die Patrone enthält den Insulinvorrat und ist ebenso auswechselbar wie die mehrfach verwendbaren Pen-Nadeln. Das zum Einsatz kommende Humaninsulin ist so aufgebaut wie das menschliche Insulin, die verschiedenen Zube­ reitungsformen haben jedoch eine unterschiedliche lange Wirkdauer: ∙∙Normalinsulin entspricht dem unveränderten, körpereigenen Insulin. Die Wirkdauer beträgt 4 bis 6 Stunden und ist abhängig von der Dosis der gespritzten Menge. Empfohlen wird ein Abstand von 15 bis 30 Minuten zwischen der Injektion und dem Beginn der Mahlzeit. Kurz wirksame Insulin-Analoga sind gentechnisch veränderte Normalinsuline. Sie wirken sehr schnell, so dass auch sofort nach der Injektion mit der Mahlzeit begonnen werden kann. Die mittlere Wirkdauer beträgt etwa 2 – 3 Stunden. Langsam wirksame Insulin-Analoga haben eine Wirkdauer von etwa 12 – 24 Stunden und sollen vornehmlich den basalen Insulinbedarf abdecken, das heißt, die Insulin­ menge, die der Körper unabhängig von der Nahrungsaufnahme benötigt. Verzögerungsinsuline sind Normalinsuline, deren Wirkdauer durch Zusätze (Protamine, Zink) auf 8 – 12 Stunden verlängert wird. Sie sollen die basale Insulin­ ausschüttung nachahmen. Mischinsuline sind Mischungen aus Normal- und Verzögerungsinsulinen, die gleich­ zeitig schnell und lang anhaltend wirken. Inhalierbare Insuline sind derzeit auf dem Markt nicht mehr verfügbar. ∙∙ ∙∙ ∙∙ ∙∙ ∙∙ Behandlung UNTERZUCKERUNG Sinkt der Zuckergehalt im Blut unter 50 mg/dl (2,8 mmol/l), so spricht man von einer Unterzuckerung oder Hypoglykämie (umgangssprachlich „Hypo“). Bei den Betroffenen stellen sich meistens typische Symptome ein, die auf einen Mangel an Zucker im Blut zurückzuführen sind. Diese Symptome können allerdings individuell verschieden auftreten und sich im Laufe des Diabetes verändern. Diabetiker, die mit Blutzucker senkenden Tabletten oder Insulin behandelt werden, werden darauf geschult, die Anzeichen zu erkennen und darauf zu reagieren. Symptome Die Zeichen einer Unterzuckerung sind auf zwei Mechanismen zurückzuführen: die Ausschüttung von Stresshormonen (z. B. Adrenalin) und den Mangel an Glukose im Gehirn. Bei Patienten, die noch nicht lange an einem Diabetes mellitus erkrankt sind, treten zu­ nächst Beschwerden auf, die in Zusammen­ hang mit der Ausschüttung des Adrena­lins stehen: Herzklopfen, Zittern, Schweiß­ aus­ brüche, Blässe, innere Unruhe und Heiß­ hunger. Sinkt der Blut­zucker weiter, dann treten Beschwerden auf, die durch den Glu­kosemangel im Gehirn verursacht wer­ den. Dazu gehören Seh- und Sprachstö­ rungen, Ver­ wirrtheit, aber auch aggres­ sives Ver­hal­­ten. Bei Blutzuckerwerten unter 30 – 40 mg/dl (1,7 – 2,3 mmol/l) drohen Krampf­ anfälle oder Bewusstlosigkeit. 30 SYMPTOME BEI UNTERZUCKERUNG ∙∙· Herzklopfen/Herzrasen ∙∙· Sehstörungen ∙∙· Zittern ∙∙· Sprachstörungen ∙∙· Kribbeln in Lippen und Fingern ∙∙· Verwirrtheit ∙∙· Weiche Knie ∙∙· Benommenheit ∙∙· Schweißausbrüche/Schwitzen ∙∙· Aggressivität ∙∙· Innere Unruhe ∙∙· Atypisches Verhalten ∙∙· Heißhunger ∙∙· Krampfanfälle ∙∙· Blässe ∙∙· Bewusstlosigkeit 31 Ursachen Hypoglykämien treten in der Regel nur unter der Behandlung mit Medikamenten auf, die eine Insulinausschüttung bewirken, oder mit Insulin selbst. Patienten, die ihren Blutzucker ausschließlich durch eine Gewichtsreduktion und/oder Bewegung normalisieren wollen, sind davon nicht betroffen. Die typischen Ursachen einer Unterzuckerung sind Auslassen oder verspätetes Einnehmen von kohlenhydratreichen Mahlzeiten über das normale Maß hinausgehende sportliche oder körperliche Bewegung Alkoholmissbrauch Überdosierung des Insulins; eher selten eine Überdosierung von oralen Antidiabetika ∙∙ ∙∙ ∙∙ ∙∙ Weitere Ursachen für das Auftreten von Hypoglykämien: in der ersten Phase der Diabetes-Neueinstellung, z. B. nach einer Krankenhausentlassung eingeschränkte Wahrnehmung der Hypoglykämiesymptome bei länger bestehendem Diabetes mellitus akute Erkrankungen, die mit Erbrechen und/oder Durchfall einhergehen eingeschränkte Nierenfunktion sehr enge Einstellung des angestrebten Blutzuckers in sehr seltenen Fällen Begleitwirkung anderer Medikamente ∙∙ ∙∙ ∙∙ ∙∙ ∙∙ ∙∙ Es kommt auch vor, dass Patienten das Auftreten von Unterzuckerungen nicht richtig einschätzen. Sie berichten dann eher von einer „Übelkeit nach der Tabletteneinnahme“ oder von „Schwindelattacken nach dem Einkaufen“. Wahrscheinlicher ist in diesen Fällen ein zu später Beginn der Mahlzeitenaufnahme bzw. vermehrte körperliche Bewegung. Unterzuckerung UNTERZUCKERUNG Behandlung Generell sollte jeder Patient, der mit Sulfonylharnstoffen, Gliniden oder Insulin behandelt wird, eine kleine Menge an rasch wirksamen Kohlenhydraten (Traubenzucker, Apfelsaft) dabei haben, damit er bei den ersten Anzeichen einer Unterzuckerung sofort reagieren kann. Unter Umständen können Unterzuckerungssymptome erst bei einem bereits deutlich erniedrigten Blutzuckerspiegel auftreten. Aus diesem Grund gilt es, zwei Verhaltensregeln zu beherzigen: 1. Ruhe bewahren und 2. Erst essen – dann messen Ein Glas Apfelsaft oder Cola (0,2 l) oder 3 – 4 Blättchen Traubenzucker sind erforderlich, um den Blutzucker wieder in einen normalen Bereich anzuheben. Schokolade, Kekse und Co. sollten in dieser Situation nicht gegessen werden, da der rasche Blutzuckeranstieg durch den meist hohen Fettanteil verhindert wird. Unbrauchbar sind in dieser Situation auch mit künstlichen Süßstoffen gesüßte Erfrischungsgetränke (so genannte Diätlimonaden). Wenn Unterzuckerungen selbst nicht mehr so gut wahrgenommen werden, sollten Partner, Arbeitskollegen oder andere Bezugspersonen hinsichtlich der Hypoglykämieproblematik aufgeklärt und über die Behandlung von Hypoglykämien informiert werden. In seltenen Fällen kann es auch zu einer Bewusstlosigkeit kommen, die die Folge einer schweren Unterzuckerung ist. In diesem Fall können Angehörige ein Fertigpräparat mit Glukagon spritzen. Glukagon ist wie Insulin ein körpereigenes Hormon und kann den Blutzucker wieder erhöhen. Ist diese Behandlungsmöglichkeit nicht gegeben, sollte immer der Notarzt verständigt werden, der eine hochprozentige Glukoselösung in die Vene spritzt. 32 33 WICHTIG! Niemals sollte man einem bewusstlosen Diabetiker eine zuckerhaltige Flüssigkeit einflößen. Wenn die Flüssig­keit in die Luftwege anstatt die Speiseröhre gelangt – was aufgrund fehlender Reflexe leicht passiert – kann der Bewusstlose ersticken, oder es bildet sich eine gefährliche Lungenent­ zündung aus. Unterzuckerung LANGZEITFOLGEN Längerfristig erhöhte Blutzuckerwerte können zu Veränderungen in den kleinsten Gefäßen führen (Mikroangiopathie). Hierdurch kommt es zu Durchblutungsstörungen, die sich vor allem in den Augen, den Nieren und an den peripheren Nerven bemerkbar machen. Diabetische Retinopathie Bei der diabetischen Retinopathie kommt es zu fettartigen Ablagerungen und kleinen Aussackungen der kleinen Blutgefäße, die die Netzhaut versorgen. Im weiteren Verlauf können diese Gefäße verstopfen oder aufplatzen. Diese Veränderungen erfolgen weitest­ gehend unbemerkt. Als Reaktion des Körpers auf diese Veränderungen werden neue, wesentliche fragilere Gefäße gebildet, die die Versorgung übernehmen sollen. Sie folgen aber nicht der ursprünglichen Architektur und können in die Netzhaut einwachsen bzw. dort einbluten. Sehstörungen treten erst im fortgeschrittenen Stadium auf, die Gefahr einer Netzhautablösung mit nachfolgender Erblindung ist gegeben. Ein erhöhter Blutdruck ver­ schlechtert oft den Verlauf der Netzhautschädigung. Netzhauterkrankungen und andere Augenerkrankungen (z. B. grauer Star, grüner Star) treten bei einem Drittel der Diabetiker in den ersten 15 Jahren ihrer Erkrankung auf. Zur besseren Kontrolle und Vorsorge sollte der Augenhintergrund einmal im Jahr vom Augenarzt kontrolliert werden. WICHTIG! Die Untersuchung muss unter Anwendung Pupillen erweiternder Tropfen (Mydriasis) erfolgen. Anschließend kann über mehrere Stunden kein Kraftfahrzeug geführt werden. 34 35 Diabetische Nephropathie Auch die kleinen Blutgefäße in den Nieren können durch eine anhaltende Hyperglykämie geschädigt werden. Ein erhöhter Blutdruck beschleunigt auch hier wieder die Entwicklung. Erstes Zeichen einer gestörten Nierenfunktion ist die Ausscheidung von Eiweiß im Urin (Mikroalbuminurie). In diesem Zustand kann durch eine adäquate Behandlung (Nor­ma­ lisierung von Blutdruck und Blutzucker) die Eiweißausscheidung wieder rückgängig gemacht werden. Kommt es bereits zu einem größeren Eiweißverlust über die Nieren, kann eine richtige Behandlung nur noch das Fortschreiten verhindern. Die diabetische Nephropathie entwickelt sich frei von Beschwerden für den Patienten. Eine regelmäßige Kontrolle ist deshalb unabdingbar. Mittels Teststreifen kann gemessen werden, ob es bereits zu Eiweißverlusten über die Nieren gekommen ist. Diese Unter­ suchung sollte mindestens einmal im Jahr durchgeführt werden. Langzeitfolgen LANGZEITFOLGEN Diabetische Neuropathie Schäden an den Nerven zeigen sich meist zuerst an Füßen und Unterschenkeln in Form einer gestörten Empfindungsfähigkeit (Sensibilitätsstörung). Druck durch zu enge Schuhe, ein Stein im Schuh oder eingewachsene Fußnägel werden nicht mehr wahrgenommen. Gleichzeitig kann es zu Missempfindungsstörungen kommen: Die Füße fühlen sich taub an, Kribbeln oder Ameisenlaufen werden beschrieben, starke Schmerzen können vor allem nachts auftreten. Auch das Temperaturempfinden kann gestört werden, so dass die Temperatur von Fußbädern immer mittels Thermometer überprüft und keine Heizdecke verwendet werden sollte. Kleine Verletzungen an den Füßen, die aufgrund der Neuropathie häufig unbemerkt bleiben, geben Anlass zu besonderer Vorsicht: Eine weitere Belastung der mitunter infizierten Stelle in Kombination mit einer Durchblutungsstörung kann aus einer anfänglich kleinen Ver­ let­zung eine größere, schlecht heilende Wunde werden lassen. Die regelmäßige Kontrolle der Füße durch den Arzt, aber auch durch den Patienten, trägt dazu bei, Veränderungen bzw. kleine Verletzungen rechtzeitig zu erkennen und gegebenenfalls zu behandeln. Nur so können schwerwiegende Folgen, wie zum Beispiel Zehen- oder Fußamputationen, verhindert werden. 36 37 GESUNDHEITS-PASS DIABETES Den Gesundheits-Pass Diabetes erhalten Sie während der Schulung in der Praxis oder Klinik. Er zielt darauf ab, die medizinische Versorgung zu verbessern. Dies gelingt unter anderem durch die Dokumentation der erforderlichen Untersuchungen bzw. durch die Erinnerung, wann welche Untersuchungen durchgeführt werden müssen. Darüber hinaus soll der Pass die Kommunikation und Kooperation zwischen Patient und Arzt sowie zwischen den Ärzten verbessern. Nehmen Sie Ihren Gesundheits-Pass zu jedem Arztbesuch mit und achten Sie mit darauf, dass die Untersuchungen dokumentiert werden. Langzeitfolgen | Gesundheits-Pass Diabetes FACHWÖRTERERKLÄRUNG Bauchumfang Ein Bauchumfang von mehr als 88 cm bei Frauen und 102 cm bei Männern steigert das Risiko für weitere Erkrankungen, wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus. BE Abkürzung für Brot- oder Berechnungseinheit, auch als KE bzw. KHE (Kohlenhydrateinheit) bezeichnet. Eine KE/BE enthält 10 – 12 Gramm verwertbare Kohlenhydrate Blutzucker Anteil der Glukose, die im Blut zirkuliert. Als normal wird ein Nüchtern-Blutzucker zwischen 60 und 110 mg/dl (3,4 – 6,1 mmol/l) bezeichnet Diabetes mellitus griechisch: honigsüßes Hindurchfließen Folgeerkrankung Durch langfristige erhöhte Blutzuckerwerte verursachte Schädigungen an Augen, Nieren oder Nerven Harnzucker Nachweis von Zucker im Harn in der Regel erst ab einem Blutzucker über 180 mg/dl HbA1c Der HbA1c-Wert, auch Langzeitzuckerwert oder Blutzucker­gedächtnis bezeichnet, erlaubt einen Rückschluss auf die Blutzuckereinstellung der letzten 6 bis 8 Wochen. Hypoglykämie Unterzuckerung; Blutzuckerwert unter 50 mg/dl (2,8 mmol/l) Glykämischer Index Beschreibt den mittleren Blutzuckeranstieg nach dem Verzehr eines kohlenhydratreichen Lebensmittels. Glykämischer Index (GI) von Haushaltszucker = 100, GI einer Banane = 30 Insulin Hormon, das in der Bauchspeicheldrüse gebildet wird. Es sorgt unter anderem dafür, dass der mit der Nahrung aufgenommene Zucker vom Körper verwertet werden kann. 38 39 Insulinresistenz Vermindertes Ansprechen der Körperzellen auf Insulin. Besonders Muskulatur, Leber und Fettgewebe reagieren weniger empfindlich auf das Hormon. Insulinrezeptoren Alle Körperzellen sind von Membranen umgeben, auf denen sich Rezeptoren oder „Empfangsstellen“ befinden. Insulin und Insulinrezeptoren verhalten sich wie Schlüssel und Schloss: Ge­ langt Insulin auf den Insulinrezeptor einer Zelle, so empfängt die Zelle ein Signal, das sie dazu veranlasst, die Zelle aufzuschließen und den Traubenzucker aus der Blutbahn aufzunehmen. Kohlenhydrate Kohlenhydrate sind neben Fetten und Eiweißen die wichtigsten Nährstoffe des Menschen. Kortison Hormon, das den Blutzucker erhöhen kann Orale Antidiabetika Tabletten, die den Blutzucker senken können Oraler Glukosetoleranztest Der orale Glukosetoleranztest (oGTT) wird auch als Zucker­ belastungstest bezeichnet. Er dient dem Nachweis einer gestörten Glukoseverwertung und ist somit ein Verfahren zur Früherkennung eines Diabetes mellitus. Neuropathie, diabetische Durch erhöhte Blutzuckerwerte verursachte Schädigungen an den sensorischen (= Empfindungs-)Nerven Nephropathie, diabetische Durch erhöhte Blutzuckerwerte verursachte Schädigungen, die zu die zu einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion führen. Erstes Anzeichen einer beginnenden diabetischen Nephro­ pathie ist das Auftreten von Eiweiß im Urin (Mikroalbuminurie). Nüchternblutzucker Bestimmung des Blutzuckers nach mindestens 8 Stunden Nahrungskarenz Fachwörtererklärung FACHWÖRTERERKLÄRUNG PTDM Abkürzung für Posttransplant-Diabetes mellitus; Diabetes, der sich nach einer Transplantation entwickelt Retinopathie, diabetische Durch erhöhte Blutzuckerwerte verursachte Schädigungen der kleinen Gefäße am Augenhintergrund Spritzstelle Körperstelle, in die Insulin gespritzt wird; zum Beispiel Bauch, Lende, Arm und Oberschenkel Süßstoff Süßstoffe wie Saccharin, Cyclamat, Aspartam, Acesulfam, Neohesperidin und Thaumatin sind praktisch kalorienfrei. Ihre Süßkraft ist um ein Vielfaches größer als die des Haus­ haltszuckers. Typ-1-Diabetes mellitus Stoffwechselerkrankung, bei der die Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr produziert (absoluter Insulinmangel). 40 41 Typ-2-Diabetes mellitus Stoffwechselerkrankung, bei der die Bauchspeicheldrüse nur noch unzureichende Mengen an Insulin bildet (relativer Insulin­ mangel) bzw. das Insulin an den Körperzellen nicht mehr richtig wirken kann. Zuckeraustausch­stoffe Zu den Zuckeraustauschstoffen zählen Fruchtzucker, Sorbit, Xylit, Mannit, Maltit, Isomaltit und Lactit. Sie erhöhen den Blut­ zucker nur unwesentlich und haben etwa halb soviel Kalorien wie Haushaltszucker. Die Ausnahme bildet Fruchtzucker, der genauso viele Kalorien enthält wie Haushaltszucker. Fachwörtererklärung ADRESSEN Deutsche Diabetes-Union Prof. Dr. med. Eberhard Standl Eisnergutbogen 16 · 80639 München E-Mail: [email protected] www.diabetes-union.de Deutscher Diabetiker-Bund e.V. (DDB) Käthe-Niederkirchner Str. 16 · 10407 Berlin E-Mail: [email protected] www.diabetikerbund.de Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) Reinhardt Str.31 · 10117 Berlin E-Mail: [email protected] www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de Weitere Internetadressen www.diabetes-world.net www.netdoktor.de www.diabetes-news.de www.gemeinsam-geht-es-leichter.de 42 43 TABELLE ZUR BESTIMMUNG DES BODY-MASS-INDEX Bilden Sie den Schnittpunkt aus Körperlänge und Körpergewicht. Körpergröße (Meter) Körpergewicht (Kilogramm) 51 58 64 68 73 77 82 86 91 96 100 104 108 113 1,37 29 31 34 36 39 41 43 46 48 51 53 56 58 60 1,42 27 29 31 34 36 38 40 43 45 47 49 52 54 56 1,47 25 27 29 31 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 1,52 23 25 27 29 31 33 35 38 38 41 43 45 47 49 1,57 22 24 26 27 29 31 33 35 37 38 40 42 44 46 1,63 21 22 24 26 28 29 31 33 34 36 38 40 41 43 1,68 19 21 23 24 26 27 29 31 32 34 36 37 39 40 1,73 18 20 21 23 24 26 27 29 30 32 34 35 37 38 1,78 17 19 20 22 23 24 26 27 29 30 32 33 35 36 1,83 16 18 19 20 22 23 24 26 27 28 30 31 33 34 1,88 15 17 18 19 21 22 23 24 26 27 28 30 31 32 1,93 15 16 17 18 20 21 22 23 24 26 27 27 29 30 1,98 14 15 16 17 19 20 21 22 23 24 25 27 28 29 2,03 13 14 15 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 28 Untergewichtig Normal Übergewichtig Fettleibig (adipös) Krankhaft fettleibig Sie können Ihren Mody-Mass-Index auch selbst ausrechnen. So geht‘s: Körpergewicht in Kilogramm dividiert durch Körpergröße (in Meter) zum Quadrat . 60 kg Beispiel: =20,3 (1,72)2 Adressen | Tabelle zum Body-Mass-Index 308231 (06/2011) Novartis Pharma GmbH Roonstraße 25 · 90429 Nürnberg www.novartistransplantation.de