Dr. Ernst Groechenig Chefarzt Angiologie Kantonsspital Aarau www.gefaessmedizin.ch Das Blutgefässystem Arterien: Venen: Blutfluss weg vom Herz Blutfluss zum Herz Thrombosen in Arterien Arterien: Blutfluss weg vom Herz • Ursache: •meist eine Gefässverkalkung = Atherosklerose •Wenn sich eine Thrombose auflagert „Athero“ – „Thrombose“ •Hauptbeteiligte: Blutplättchen •Folgen: •je nach Gefässgebiet •Herzinfarkt •Schlaganfall •Darminfarkt •Durchblutungsstörung der Beine (Schaufensterkrankheit) oder der Arme Venenthrombose = venöse Thromboembolie Venen: Blutfluss zum Herz Ursachen: Virchoff Trias (1821 - 1902) • • • Verletzung der Gefässwand Verlangsamung des Blutflusses Erhöhte Blutgerinnung Hauptbeteiligte: Blutgerinnungssystem Folgen: 1. (tödliche) Lungenembolie 2. Schädigung der Venenklappen postthrombotisches Syndrom – offenes Bein Wie häufig ist eine venöse Thromboembolie (VTE) F, D, CH, I, S, GB: • 466 000 Thrombosen • 296 000 Lungenembolien • 370 000 Todesfälle durch venöse Thromboembolien Cohen et al.: Thromb. Haemost 2007; 98: 756 - 764 Wie häufig ist eine venöse Thromboembolie ? 90 – 130 Venenthrombosen/ 100 000 Einwohner Hospitalisierte Patienten • Innere Medizin: 10 – 20% • Schlaganfall: 20 – 50% • Rückenmarksverletzungen: - 80% • Hüft-/Kniegelenksersatz: 40 – 60% Geerts WH et al.: Chest 2004; 126, 338S – 400 S Geerts WH et al.: Chest 2008, 133, 381S – 453S Ursachen für eine venöse Thromboembolie 2/3 der erstmaligen Venenthrombosen haben: • Risikofaktoren • Chirurgischer Eingriff • Bösartiger Tumor • Immobilisation Fowkes FJI. et al: Incidence of diagnosed deep vein thrombosis in the general population; systematic review. Eur J Vasc Endovasc Surg 2003; 25; 1 - 5 Was führt zur venösen Thromboembolie? 1. Verletzung der Gefässwand • 2. Unfall, Operation (Hüfte, Knie)….. Rudolf Virchoff (1821 – 1902) Verlangsamung des Blutflusses • 3. Narkose, langes Sitzen, langes Liegen, Herzschwäche, Lähmung, Ruhigstellung….. Veränderung der Blutzusammensetzung • Angeborene Gerinnungsstörung, bösartige Tumore, Einfluss von Medikamten….. Symptome 1. Häufig keine Symptome! Häufigstes Symptom: schmerzhafte Beinschwellung 2. Daran denken beim Vorliegen von Risikofaktoren 3. Grosszügig abklären beim geringsten Verdacht Risikoeinschätzung: Wells Punkteskala Aktives Krebsleiden 1 Lähmung oder Ruhigstellung einer Extremität 1 Bettlägrigkeit > 3d, OP in den letzten 4 Wochen 1 Lokalisierte Spannung entlang dem Venenverlauf 1 Beinschwellung 1 Umfangdifferenz am US > 3 cm 1 Eindrückbares Oedem (Wassereinlagerung) 1 Oberflächliche Umgehungsvenen 1 Wahrscheinlichere Diagnose als venöse Thromboembolie -2 Hohe Wahrscheinlichkeit: Mittlere Wahrscheinlichkeit: Niedrige Wahrscheinlichkeit: 3+ 1–2 1- Wells et al.: Lancet 1997 Labor: D - Dimer Spaltprodukt, das durch die Auflösung von Blutgerinnseln entsteht: • Nachweisbar in akut entstandenen Gerinnseln oder älteren Gerinnseln, welche bereits aufgelöst werden Nicht beweisend für venöse Thromboembolien! Erhöhtes D – Dimer • Nach Operationen • Nach Blutung • Nach Verletzungen • Bei verschiedenen bösartigen Tumoren • Im Rahmen von Entzündungen • In der Schwangerschaft • Etc. Labor: D – Dimer Geringe Spezifität für den Thrombosenachweis Hohes D – Dimer: Thrombose, Infekt, Verletzung, Schwangerschaft, Tumor, Entzündung…….. Negatives D – Dimer: Thrombose ist sehr unwahrscheinlich Unterschiedliche Treffsicherheit bei verschiedenen Tests! Labor: D - Dimer Keine Therapieentscheidung! Grösste Aussagekraft in Kombination mit Wells - Punkteskala • Neg. D – Dimer + Score = 1 - : sicherer Thromboseausschluss Bildgebende Diagnostik 1. Ultraschall (Duplexsonographie) • Sensitivität: 97 - 100 %, Spezifität: 99 - 100 % • Andere Diagnosen • Ursache 2. Phlebographie (Venenröntgen mit Kontrastmittel) Duplexsonographie Duplexsonographie «Kragenknopfthrombose» Duplexsonographie 48 jährige Frau Schmerzfhafte Beinschwellung rechts D – Dimer erhöht Venenthrombose Eierstocktumor Duplexsonographie 52 jährige Frau Beinschwellung rechts D – Dimer erhöht Ausweitung (Aneurysma) der Kniearterie Duplexsonographie 58 jährige Frau Schmerz Knie links MR: Tumor CT: Tumor Punktion: blutig Mehrfache Lungenembolien Mehrfache Thrombosen Ausweitung der Knievene Thromboseverdacht Wellskriterien Wellskriterien D – Dimer D – Dimer negativ Erhöhte Thrombosewahrscheinlichkeit Duplexsonographie Keine Thrombose Keine Thrombose Thrombose Therapie 1. Prophylaxe: Vorbeugen ist besser als heilen • Thrombosespritze, Thrombosestrümpfe, frühe Mobilisation 2. Blutverdünnung 3. Filter in der unteren Hohlvene • Wenn Blutverdünnung nicht möglich ist (Hirnblutung, schwere Verletzungen, grosse Operationen, Lungenembolie trotz Blutverdünnung Blutgerinnung Äussere Aktivierung Faktor X Faktor Xa Innere Aktivierung Prothrombin (F II) Fibrinogen Thrombin (F IIa) Fibrin Gerinnungshemmung heute Heparine Vit – K - Antagonisten Blutverdünnung (Antikoagulation) Unfraktioniertes Heparin • Startdosis • Tägliche Blutentnahmen (aPTT 1.5 bis 2.5fach erhöht) • Therapeutischer Bereich bei weniger als 50%! Niedermolekulares Heparin • Genauso effektiv und sicher • Keine Startdosis • Keine routinemässigen Blutentnahmen dauernder Therapie) (ausser Blutplättchen bei länger Blutverdünnung Vitamin – K – Hemmer Zielwert: INR = 2.0 bis 3.0 Dauer: • 6 Monate nach der ersten Thrombose • Länger bei ausgedehnten Thrombosen und Lungenembolien • 3 Monate bei Einetagenthrombosen und bei Thrombosen, welche z. B. durch eine OP ausgelöst wurden (provozierte Thrombose) Blutverdünnung Langzeit – Blutverdünnung: • Wiederholte Thrombose • Spontane Thrombose • Familiäre Thromboseneigung • Angeborene Störung der Blutgerinnung (Thrombophilie) Befristete Blutverdünnung: • Lebensalter > 60 Jahre • • • • Zustand nach Hirninfarkt, Magen-Darm-Blutung Schwere Begleiterkrankungen Schwierige Steuerung der Blutverdünnung Neu eingetretene Gründe gegen eine Blutverdünnung Vit – K - Hemmer Seit > 50 Jahren im Einsatz Ca 1% der Bevölkerung hat Blutverdünnung Präparate • Phenprocoumon (Marcoumar) • Acenocoumarol (Sintrom) • Dicoumarol • Warfarin Vit K - Antagonisten • Enger therapeutischer Bereich • Vielfach Wechselwirkungen mit Lebensmitteln und Medikamenten • Unterschiedliche genetische Variatonen unterschiedliche Wirkdosen engmaschiges Monitoring • Unter kontrollierten Bedingungen einer klinischen Studie waren nur 50% im therapeutischen Bereich (INR 2.0 – 3.0) • Langsamer Wirkungseintritt Überbrückung mit Heparinen notwendig Willey V.J. et al.: Coin Ther 2004; 26: 1149 - 1159 Lungenembolie Die Häufigkeit von Lungenembolien bei symptomatischer Venenthrombose liegt, je nach Beurteilungs-Kriterien, zwischen 40 und 60% Venöse Thromboembolie 1. Meignan F et al. Arch Intern Med 2000;160(2):159-64. Orthopädie: VTE Risiko 30.6% TVT-Risiko* (% Patienten) 30 20 27% Risiko trotz Prophylaxe 16.1% 10 Hüftgelenkersatz Operation Hüftfraktur Kniegelenkersatz n=6216, 30 Studien n=437, 5 Studien n=1740, 13 Studien * In randomisierten Studien, mittels Venographie diagnostizierte TVT-Rate. 95% der Patienten, die post-operativ eine symptomatische TVT oder LE entwickelten, hatten präoperativ eine Prophylaxe mit einem NMH erhalten.2 1. Geerts W et al. Chest, 2001; 119:132–175S. 2. Monreal M et al. J Thromb Haemost. 2004;2(11):1892-8. Die ideale Blutverdünnung • verlässlicher blutverdünnender Effekt • Wenig Nebenwirkungen, v.a. geringe Blutungsneigung • Breites therapeutisches Fenster • Schnell einsetzende und abklingende, sowie gut vorhersehbare Wirkung • In Tablettenform und als Spritze verfügbar • Keine Laborkontrollen, fixe Dosierung möglich • Wenig Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder Nahrungsmitteln • Sicheres Gegenmittel verfügbar Gerinnungshemmung Selektive Faktor Xa-Hemmer Faktor X Direkte Thrombinhemmer Prothrombin (F II) Fibrinogen Faktor Xa Thrombin (F IIa) Fibrin Gerinnungshemmung: Faktor Xa Antithrombin Faktor X Prothrombin (F II) Fibrinogen Fondaparinux Idraparinux (Sanofi) SSR126517 (BMS) Faktor Xa Thrombin (F IIa) Fibrin Rivaroxaban Apixaban Otamixaban Betrixaban DU-176b indirekte Faktor Xa-Inhibitoren Idraparinux • Pentasacharid • Halbwertszeit ca. 80h 1 Injektion/Woche • Vorhofflimmern: nicht schlechter als Vitamin – K Hemmer, aber mehr Blutungen Fondaparinux Fondaparinux: Wirkmechanismus Innerer Weg Äusserer Weg Antithrombin Antithrombin AT AT Fondaparinux Xa Xa Prothrombin Fibrinogen 1. Turpie AGG et al. N Engl J Med. 2001;344:619. Thrombin Fibrin Fondaparinux: VTE Prophylaxe Zur Prophylaxe von venösen thromboembolischen Ereignissen (VTE) bei: grösseren orthopädischen Eingriffen Abdominalchirurgie bei hohem Risiko für Thromboembolien Immobilisation aufgrund akuter Erkrankungen mit hohem VTE Risiko Dosierung: Arixtra® 2.5 mg 1x täglich s.c. Arixtra® 1.5 mg 1x täglich s.c. bei KreatininClearance 20–50 ml/min Während mindestens 7±2 Tagen, Risikopatienten Chirurgie: Verlängerung um 24 Tage Kein Thrombozyten-Monitoring nötig 1. Arzneimittelkompendium der Schweiz, 2007, www.kompendium.ch. VTE: Therapie Zur Behandlung der akuten Lungenembolie (LE) tiefen Venenthrombose (TVT) Dosierung: Arixtra® 7.5 mg 1x täglich s.c., für die grosse Mehrheit der Patienten Während mindestens 5 Tagen und bis zur Etablierung der oralen Antikoagulation (INR 2–3) Kein Thrombozyten-Monitoring nötig 1. Arzneimittelkompendium der Schweiz, 2007, www.kompendium.ch. Überblick Behandlung LE & TVT Die Häufigkeit von LE bei symptomatischer TVT liegt, je nach BeurteilungsKriterien, zwischen 40 und 60%. In der Behandlung der LE senkte Fondaparinux die LE/TVT-Rezidivrate im Vergleich zu UFH um 24% Die Blutungsraten unter Fondaparinux waren tief. Es wurde kein signifikanter Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen festgestellt. 1. Büller HR, Davidson BL. Ann Intern Med 2004; 140:867-873. 2. The Matisse investigators. N Engl J Med 2003; 349:1695-702. Gerinnungshemmung: Faktor Xa Antithrombin Faktor X Prothrombin (F II) Fibrinogen Faktor Xa Thrombin (F IIa) Fibrin Fondaparinux Idraparinux (Sanofi) SSR126517 (BMS) Rivaroxaban Apixaban Otamixaban Betrixaban DU-176b Wirkmechanismus Rivaroxaban Faktor X Äussere Aktivierung Innere Aktivierung Faktor Xa Rivaroxaban hemmt ► ► ► Rivaroxaban den freien Faktor Xa den Faktor Xa im Prothrombinasekomplex die Faktor-Xa-Aktivität im Thrombus Faktor IIa (Thrombin) Faktor II (Prothrombin) Fibrinogen Fibrin Kniegelenksersatz RRR 49% p <0,001 20 Inzidenz (%) 15 10 Rivaroxaban 10 mg einmal täglich Enoxaparin 40 mg einmal täglich 5 0 RRR 62% p = 0,016 18,9% 9,6% VTE gesamt 2,6% 1,0% schwere VTE n.s. = nicht signifikant Lassen R et al. Blood (ASH Annual Meeting Abstracts), Nov 2007; 110: 308. RRR 66% p = 0,005 2,0% n.s. 0,5% 0,7% symptomatische VTE schwere Blutungen 0,6% direkte Thrombinhemmer Faktor X Prothrombin (F II) Fibrinogen Faktor Xa Thrombin (F IIa) Fibrin Hirudin Argatroban Bivalirudin Dabigatran Hirudin Speichel des Blutegels Nachteil: irreversible Bindung an Thrombin Bivalirudin (Angiox) • Seit 2004 im Rahmen von PCIs zugelassen • REPLACE 2– Studie: gleich gut wie unfraktioniertes Heparin, weniger Blutungen • Einsatz: bei Patienten mit HIT im Rahmen einer PCI Lepirudien (Refludan): rekombinantes Hirudin, • Zulassung als Antikoagulans bei HIT II. • Nachteil: schmales therapeutisches Fenster, erhöhte Blutungsgefahr Argatroban (Argatra): seit 2005 in D für HIT II zugelassen direkte Thrombinhemmer in Tablettenform Ximelagatran: wegen Leberschädigung vom Markt genommen Dabigatran (Pradaxa): in der Prophylaxe nach Knie- und Hüftgelenksersatz zugelassen Dabigatran RE-NOVATE: Hüftgelenksersatz RE-Model: Kniegelenksersatz RE-LY: Schlaganfallprävention bei VHFLI: • 2x110mg: Nicht schlechter als Marcoumar, 20% weniger Blutungen • 2x150mg: gleiche Blutungsrate, signifikant Reduktion des Risikos für Schlaganfall und systemische Embolien um 34% Mobilisation ja oder nein? Immobilisation beeinflusst weder Häufigkeit noch Schwere von Lungenembolien unabhängig von der Lokalisation Schonung und Hochlagerung des betreffenden Beines Ambulante Behandlung Gleich effektiv und sicher Patient geeignet? Laborkontrollen gewährleistet? Medikamentöses Auflösen von Thrombosen Einzelfälle Ausgedehnte Thrombose Lebensalter < 50 Jahre Thrombosealter < 7 Tage (?) Reduktion des postthrombotischen Syndroms (?) Grosse Blutungen bei 15% Intrakranielle Blutungen bei 1.5% Zusätzliche Mortalität im Vgl. zur AK = 1% Operation: Thrombektomie Kein Einfluss auf Lungenembolierate Akute Sterblichkeit = 1.0 – 3.6% Grund: Verschluss aller Venen mit Beeinträchtigung der arteriellen Durchblutung Filter in der unteren Hohlvene Cavaligatur (Trousseau 1868) • Herzminutenvolumen • Massive Beinschwellung Clips: (60er Jahre) Mobbin-Uddin: (transvenöser Filter, 1969) • Hohe Verschlussrate • Verschleppungsgefahr Verschiedene Typen: z.B. Tulip Filter Entfernung innerhalb von 14 Tagen möglich Indikation: Blutverdünnung nicht möglich Lungenembolie trotz guter Blutverdünnung Fehlende Mitarbeit des Patienten • Demenz Prophylaktisch • Operativer Eingriff bei VTE Cava Filter und Blutverdünnung AK im Prinzip nicht nötig AK vorteilhaft • Wiederkehrenden thromboembolischen Ereignissen • Schwere Herz-Kreislauferkrankungen • Unterstützung der körpereigenen Auflösung von Lungenembolien • Neuerliche Beinvenenthrombose wird verhindert Komplikationen Filter wandert • Regelmässige Nachkontrollen • Nativröntgen • Duplexsonographie • CT, MR Gefässverletzung: • meist symptomlos Nierenvenenthrombose Verschluss der unteren Hohlvene: 5% Filterbruch Kippen des Filters Technische Fehler (inkomplette Öffnung)