Gynäkologische Endokrinologie Zertifizierte Fortbildung in jeder Ausgabe Jetzt abonnieren und kein Heft verpassen: www.GynaekologischeEndokrinologie.de weiter zum CME-Beitrag a CME Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung Gynäkologische Endokrinologie 2011 · 9:41–51 DOI 10.1007/s10304-010-0404-8 Online publiziert: 11. Februar 2011 © Springer-Verlag 2011 Redaktion L. Kiesel, Münster M. Ludwig, Hamburg C. Bullmann Zentrum für Endokrinologie, Kinderwunsch und Pränatale Medizin im Barkhof, Hamburg Schilddrüsendiagnostik und -therapie in der täglichen Praxis Zusammenfassung Schilddrüsenfehlfunktionen und strukturelle Veränderungen der Schilddrüse sind häufige Erkrankungen, die mehrheitlich Frauen betreffen. Man unterscheidet zwischen latenten und manifesten Funktionsstörungen der Schilddrüse. Erst bei Vorliegen einer manifesten Funktionsstörung sind auch die Konzentrationen der freien Schilddrüsenhormone verändert. Sowohl für Hypo- als auch für Hyperthyreosen können verschiedene Mechanismen ursächlich sein. Eine manifeste Fehlfunktion ist immer eine Indikation zur Therapie. Bei Kinderwunsch oder in der Schwangerschaft ist auch eine latente Schilddrüsenunterfunktion eine Indikation zur Schilddrüsenhormonsubstitution. In Deutschland hat 1 Drittel der Menschen strukturelle Schilddrüsenveränderungen, z. B. eine vergrößerte oder knotig veränderte Schilddrüse. Zur Behandlung stehen medikamentöse Optionen, die Radiojodtherapie und die Schilddrüsenoperation zu Verfügung. Schlüsselwörter Hypothyreose · Hyperthyreose · Thyreoperoxidase-Antikörper · Struma nodosa · Jod Thyroid gland diagnostics and therapy in routine practice Punkten Sie online auf CME.springer.de Teilnahmemöglichkeiten - kostenfrei im Rahmen des jeweiligen Zeitschriftenabonnements - individuelle Teilnahme durch den Erwerb von CME.Tickets auf CME.springer.de Zertifizierung Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CME-Punkten zertifiziert von der Landesärztekammer Hessen und der Nord­rheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung und damit auch für ­andere Ärzte­kammern anerkennungsfähig. Abstract Thyroid dysfunction and structural changes of the thyroid are common diseases which affect women more often than men. A distinction is made between latent and overt thyroid dysfunction. In cases of overt dysfunction the concentrations of free thyroid hormones are altered. Both hypothyroidism and hyperthyroidism can be caused by a variety of mechanisms. A manifest failure is always an indication for therapy. In cases of fertility desire or pregnancy a latent hypothyroidism also needs therapy by thyroid hormone substitution. In Germany one third of the population have structural changes such as an enlarged thyroid or adenomatous goitre. Medicinal treatment, radioiodine therapy and thyroid surgery are available for treatment. Keywords Hypothyroidism · Hyperthyroidism · Thyreoperoxidase antibodies · Adenomatous goitre · Iodine Hinweis für Leser aus Österreich Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Programm (DFP) der Österreichischen Ärztekammer werden die auf CME.springer.de erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als fachspezifische ­Fortbildung anerkannt. Kontakt und weitere Informationen Springer-Verlag GmbH Fachzeitschriften Medizin / Psychologie CME-Helpdesk, Tiergartenstraße 17 69121 Heidelberg E-Mail: [email protected] CME.springer.de Gynäkologische Endokrinologie 1 · 2011 | 41 Der vorliegende Beitrag gibt eine Übersicht über Erkrankungen der Schilddrüse. Die Schilddrüsenüberfunktion und -unterfunktion, die postpartale Thyreoiditis, die subakute De-Quervain-Thyreoiditis sowie strukturelle Veränderungen werden beschrieben. Erläutert werden die Symptome, sowie das diagnostische und therapeutische Vorgehen. Ein spezielles Augenmerk liegt auf den Besonderheiten, die es bei Kinderwunsch und Schwangerschaft zu beachten gilt. Der Beitrag bietet dem Leser umfassende Informationen zum Thema, die ihm Sicherheit im Umgang mit Schilddrüsenfehlfunktionen verleihen. Bei jeder manifesten Funktionsstörung ist eine Therapie indiziert 7 Humanes Choriongonadotropin Der TSH-Spiegel fällt im ersten Trimenon ab 7 Thyroxinbindendes Globulin Die endogene Jodclearence nimmt in der Schwangerschaft zu Bei der Diagnose von Schilddrüsenfehlfunktionen wird zwischen latenten und manifesten Funktionsstörungen unterschieden. Die Diagnose wird basierend auf dem Befund, veränderten Schilddrüsenparametern einschließlich der Antikörperwerte sowie einer Schilddrüsensonographie gestellt. Bei jeder manifesten Funktionsstörung ist eine Therapie indiziert. Latente Funktionsstörungen erfordern eine Abklärung; die Therapie wird nach den individuellen Begleitumständen gewählt. Die spezielle Situation von Kinderwunsch und Schwangerschaft muss hier in besonderem Maße berücksichtigt werden. Vergrößerte Schilddrüsenvolumina, u. U. mit knotigen Veränderungen, erfordern eine diagnostische Abklärung. Über die Notwendigkeit einer Therapie wird basierend auf der Beschwerdesymptomatik, einer möglichen Funktionsstörung und der Dignität der Knoten entschieden. Vor einer Darstellung der krankhaften Veränderungen der Schilddrüse ist eine Übersicht über die physiologischen Veränderungen notwendig, welchen die Schilddrüsenfunktion in der Schwangerschaft unterliegt. Auf dieser Grundlage sind pathologische Mechanismen leichter verständlich. Im ersten Trimenon einer Schwangerschaft steigt die Konzentration des 7 humanen Choriongonadotropins (hCG). Dieses Hormon hat eine schwache Stimulationswirkung auf den Thyreotropin(TSH)-Rezeptor. Der Gipfel des hCG-Anstiegs wird etwa in der zehnten bis zwölften Schwangerschaftswoche erreicht. Konsekutiv fällt der TSH-Spiegel im ersten Trimenon ab. In etwa 10–20% der Fälle liegt er sogar unterhalb des Referenzbereichs einer Nichtschwangeren. Dieser TSH-Abfall ist ab dem zweiten Trimenon – gleichsinnig mit den sinkenden hCG-Spiegeln – wieder rückläufig [6]. Gleichzeitig stimuliert die vermehrte Östrogenwirkung die Produktion des 7 thyroxinbindenden Globulins (TBG), dem Bindungsprotein für die Schilddrüsenhormone. Zudem findet eine vermehrte TBG-Sialylierung statt. Hieraus resultiert eine verminderte renale Clearance. Die hCG-Stimulation führt zu einem geringen Anstieg der Gesamtmengen an Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4). Diese Parameter werden heute i. d. R. nicht mehr bestimmt. Aber auch die Konzentrationen der freien Hormone fT3 und fT4 steigen innerhalb des Referenzbereichs leicht an. Zum Ende der Schwangerschaft hingegen sinken die Schilddrüsenhormonspiegel innerhalb des Referenzbereichs leicht. Die endogene Jodclearence nimmt in der Schwangerschaft zu. Die Schilddrüsenhormone gehen in geringer Menge diaplazentar auf das Kind über. Erst ab der zwölften Schwangerschaftswoche ist es zur eigenständigen Schilddrüsenhormonproduktion fähig. Jodid und die Schilddrüsenautoantikörper passieren die Plazentaschranke sehr gut. Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) 7 Autoimmunprozess Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine mit einer Hypothyreose einhergehende Autoimmunthyreoiditis 42 | Eine Schilddrüsenunterfunktion wird in den meisten Fällen von einem 7 Autoimmunprozess der Schilddrüse ausgelöst, sie kann aber auch iatrogen (Operation, Radiojodtherapie) oder durch einen extremen Jodmangel verursacht werden. Jodmangel stellt zwar global gesehen ein großes Problem dar, ist aber diesbezüglich in Deutschland nicht mehr relevant. Weitere seltenere Ursachen sind eine angeborene Hypothyreose, z. B. eine Fehlanlage der Schilddrüse, oder Störungen der Hormonsynthese. Letztere können medikamentös ausgelöst werden, u. a. durch Amiodaron, oder im Rahmen von Systemerkrankungen sowie nach einer Radiatio auftreten. Geht eine Autoimmunthyreoiditis mit einer Hypothyreose einher, so spricht man von einer Hashimoto-Thyreoiditis. Die Autoimmunthyreoiditis kann zudem im Rahmen eines polyendokrinen Autoimmunsyndroms auftreten. Weitere und seltenere Manifestationen eines polyendokrinen Autoimmunsyndroms sind: Fder Morbus Addison, Fder Typ-1-Diabetes, Fdie prämature Ovarialinsuffizienz und Fdie perniziöse Anämie. Gynäkologische Endokrinologie 1 · 2011 CME Die bei der Hashimoto-Thyreoiditis typischerweise erhöhten Thyreoperoxidase-Antikörper(TPOAK)-Spiegel und/oder Thyreoglobulinantikörper-Spiegel (TG-AK) finden sich bei 10% der Bevölkerung. Davon sind 4 Fünftel weiblich. Bis zu 7% der Bevölkerung weisen erhöhte TSH-Werte im Sinne einer latenten (oder subklinischen) Hypothyreose auf, 1,9% eine manifeste Hypothyreose [13]. Bei positivem TPO-AK-Test liegt das Risiko, innerhalb eines Jahrs eine manifeste Hypothyreose zu entwickeln, bei 5%. Auch hier ist das Risiko für Frauen deutlich höher als für Männer [13]. Bis zu 7% der Bevölkerung weisen erhöhte TSH-Werte im Sinne einer latenten Hypothyreose auf Symptome und Diagnose Typische Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion sind: FMüdigkeit, Fverminderte Leistungsfähigkeit, FKälteintoleranz, Ftrockene Haut, Fstrohige Haare, FHeiserkeit, FGewichtszunahme, FZyklusunregelmäßigkeiten und FWassereinlagerungen. Die Diagnostik umfasst: Fdie Erfragung der spezifischen Beschwerden, Fdie Erhebung von Begleiterkrankungen und Begleitmedikation sowie Fdie klinische Untersuchung und Palpation der Schilddrüse. Die Diagnose einer Schilddrüsenunterfunktion wird gestellt durch die TSH-Bestimmung als Screeningparameter. Bei Verdacht auf eine sekundäre Hypothyreose ist der TSH-Spiegel isoliert betrachtet von geringer Aussagekraft, da das Hormon möglicherweise insuffizient sezerniert wird. In diesen Fällen, z. B. bei bekanntem 7 Makroprolaktinom, sollten stets die fT3- und fT4-Spiegel bestimmt werden. Über die Normalverteilung von TSH wurde in den vergangenen Jahren viel diskutiert. Bei gesunden Menschen liegt der obere Grenzwert in der Normalverteilungskurve bei 2,5 mIU•l−1. Ab einem TSH-Wert >2,5 mIU•l−1 findet man gehäuft positive TPO-AK-Werte, sodass sich heute einige Labore darauf festgelegt haben, den oberen TSH-Grenzwert mit 2,5 mIU•l−1 anzugeben. Zu beachten ist, dass für Kinder und Jugendliche höhere TSH-Grenzwerte gelten. Auch weist der TSH-Spiegel tageszeitliche Schwankungen auf; er steigt zum Abend hin an. Besteht eine latente (TSH erhöht) oder eine manifeste (TSH erhöht, fT3 und fT4 erniedrigt) Schilddrüsenunterfunktion, kann durch TPOAK-Bestimmung die autoimmunogene Genese belegt werden. So sollte: Fab einem TSH-Wert >2,5 mIU•l−1 auch eine TPO-AK-Bestimmung erfolgen und Fspätestens ab einem TSH-Wert >10 mIU•l−1 auch die fT3- und fT4-Spiegel ermittelt werden, da die Möglichkeit einer manifesten Hypothyreose besteht. 7 Makroprolaktinom Bei latenter oder manifester Schilddrüsenunterfunktion kann durch TPO-AK-Bestimmung die autoimmunogene Genese belegt werden Eine Autoimmunthyreoiditis im Sinne einer Hashimoto-Thyreoiditis gilt als belegt, wenn 2 der 3 folgenden Bedingungen erfüllt sind: FVorliegen einer Hypothyreose, Ferhöhter TPO-AK-Spiegel, Fsonographischer Nachweis einer typischen Echostruktur (Echoinhomogenität, Echoarmut). Durch die 7 Schilddrüsensonographie können sowohl die typische Echotextur als auch mögliche Knoten nachgewiesen werden. Sie sollte im Rahmen einer kompletten Schilddüsendiagnostik immer durchgeführt werden. 7 Schilddrüsensonographie Indikation zur Therapie Die Schilddrüsenunterfunktion wird mit Schilddrüsenhormonen behandelt. Bei positivem TPOAK-Nachweis ist die zusätzliche Gabe von Jod ohne Nutzen für den Verlauf der Erkrankung. Bei Erwachsenen ohne Kinderwunsch wird mit einer Schilddrüsenhormonsubstitution begonnen, wenn: Gynäkologische Endokrinologie 1 · 2011 | 43 Feine manifeste Hypothyreose, Feine latente Hypothyreose in Kombination mit einem typischen hypothyreotischen klinischen Befund oder positivem TPO-AK-Nachweis, Feine nodös vergrößerte Schilddrüse oder Feine latente Hypothyreose mit einem TSH-Wert >10 mIU•l−1 7 Kardiale Morbidität 7 Schilddrüsenkarzinom Der frühzeitige Einsatz von Schilddrüsenhormonen beeinflusst nicht den Verlauf einer Autoimmunthyreoiditis vorliegt [3]. Der TSH-Zielwert unter Substitution liegt bei 1–2,5 mIU•l−1. In der Folge einer Dosisanpassung ist eine TSH-Kontrolle nach 4–6 Wochen sinnvoll. Im höheren Alter >60 Jahren sollte eine Einstellung im oberen Referenzbereich angestrebt werden, da höhere TSH-Werte mit einer geringeren 7 kardialen Morbidität korrelieren. Andere Zielwerte gelten bei Kinderwunsch und in der Schwangerschaft (s. u.) sowie in der Behandlung nach Operation eines follikulären oder papillären 7 Schilddrüsenkarzinoms. Im letztgenannten Fall sollte der TSH-Spiegel zumindest in den ersten Jahren supprimiert eingestellt werden. Es gibt nur wenige gute Daten, die zeigen, ab welchem TSH-Wert eine Substitution begonnen werden sollte. Der frühzeitige Einsatz von Schilddrüsenhormonen ändert und beeinflusst nicht den Verlauf einer Autoimmunthyreoiditis. Andererseits ist diese Erkrankung eine i. d. R. langsam progrediente Erkrankung, die zwar noch nicht therapiert, aber auf jeden Fall kontrolliert werden sollte. Besonderheiten bei Kinderwunsch und Schwangerschaft 7 Präeklampsie 7 Neurokognitive Defizite Die Schilddrüsenabklärung sollte in der Fertilitätsdiagnostik ihren festen Platz haben Eine Hypothyreose ist ungeachtet der Ursache keine Kontraindikation für die Jodidgabe In den letzten Jahren wurden mehrere Untersuchungen durchgeführt, die den positiven Einfluss eines TSH-Spiegels im unteren Normbereich auf Fertilität und Stabilität der Frühschwangerschaft belegen. Bei positivem TPO-AK-Nachweis scheint bereits das Risiko für einen Frühabort erhöht zu sein [11]. Bei Frauen mit Kinderwunsch finden sich zudem häufiger erhöhte TSH- und TPO-AK-Spiegel. Andere wesentliche Folgen einer latenten und manifesten Hypothyreose können Schwangerschaftskomplikationen wie beispielsweise die 7 Präeklampsie, aber auch 7 neurokognitive Defizite beim Kind sein [2, 8]. Negro et al. [10] ermittelten 2010 bei TPO-AK-negativen Frauen eine Rate an Spontanaborten von 6,3%, wenn der TSH-Spiegel bei 2,5–5 mIU•l−1 lag. Bei Frauen mit einem TSH-Wert <2,5 mIU•l−1 betrug die Rate für Spontanaborte dagegen 3,6%. Manifest hyperthyreotische Frauen wurden von der Untersuchung ausgeschlossen. Bereits zuvor hatten Untersuchungsergebnisse aus dieser Gruppe ergeben, dass die Gabe von L-Thyroxin in der Frühschwangerschaft die Abortrate bei TPO-AK-positiven Frauen senkt [9]. Ein generelles Screening aller Frauen mit Kinderwunsch wird von den Fachgesellschaften bisher nicht empfohlen. Unter Berücksichtigung der hohen Inzidenz von Schilddrüsenfehlfunktionen bei jungen Frauen sollte aber die Schilddrüsenabklärung in der Fertilitätsdiagnostik ihren festen Platz haben (. Abb. 1). Erhält eine Frau bereits eine L-Thyroxintherapie steigt der Schilddrüsenhormonbedarf in der Frühschwangerschaft um etwa 30–50% und muss entsprechend angepasst werden. Ist der Zielwert erreicht, so sind in der Schwangerschaft Kontrollen mindestens alle 3 Monate zu empfehlen. Nach der Entbindung sollte die Schilddrüsenhormondosis wieder reduziert werden. Eine Hypothyreose ist ungeachtet der Ursache keine Kontraindikation für die Jodidgabe. Insofern sollte die normale Jodiddosis von 150–200 µg•Tag−1 in der Schwangerschaft verabreicht werden [1]. Eine zu hohe Jodzufuhr, d. h. >500 µg•Tag−1, führt allerdings zu einer Hemmung der fetalen Schilddrüsenhormonsynthese. Deshalb sollten höhere Jodidmengen nicht zugeführt werden. Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) 7 Latente Hyperthyreose 7 Manifeste Hyperthyreose 7 Morbus Basedow 44 | Im Falle der Schilddrüsenüberfunktion unterscheidet man zwischen einer 7 latenten Hyperthyreose (TSH supprimiert; fT3 und fT4 normal) und einer 7 manifesten Hyperthyreose (TSH supprimiert; fT3 und fT4 erhöht). Häufigste Ursache einer Schildrüsenüberfunktion ist im jüngeren Alter eine immunogene Hyperthyreose, die bei gleichzeitigem Auftreten einer Augenbeteiligung – einer endokrinen Orbitopathie (EO) – 7 Morbus Basedow genannt wird. Im höheren Lebensalter wird eine Hyperthyreose häufiger auch von einer Autonomie eines oder mehrerer Schilddrüsenknoten hervorgerufen. Davon müssen die iatrogene Hyperthyreose (Überdosierung mit Schilddrüsenhormonen), die sehr seltene sekundäre Hyperthyreose und eine ebenso seltene Schilddrüsenhormonresistenz unterschieden werden. In den beiden letztgenannten Fällen ist der TSH-Wert bei gleichzeitigem Anstieg der fT3- und fT4-Spiegel erhöht. Die Häufigkeit einer immunogenen Hyperthyreose im Gynäkologische Endokrinologie 1 · 2011 CME TSH TSH 0,3 – 2,5 mIU•l−1 TPO-AK bestimmen TSH < 0,3 mIU•l−1 fT3, fT4, TRAK bestimmen TSH > 2,5 mIU•l−1 TPO-AK normal TPO-AK erhöht TPO-AK + fT4 Keine Therapie Keine Therapie 50 µg L-Thyroxin TSH-Zielwert um 1 mIU•l−1 Schwangerschaftseintritt fT3/fT4 erhöht TRAK positiv fT3/fT4 normal Sonographie, Entscheidung über thyreostatische Therapie, kein Jod TSH-Kontrolle wenn TSH >2,5 mIU•l−1 L-Thyroxin 50 µg TSH-Kontrolle ggf. Anpassung der Therapie Keine Therapie, kein Jod, Sonographie + Kontrolle Abb. 1 8 Schilddrüsenabklärung im Rahmen der Fertilitätsdiagnostik Rahmen einer Schwangerschaft liegt bei etwa 0,1%. Die Erkrankung gehört zu den Autoimmunthyreopathien und kann auch im Rahmen eines polyendokrinen Autoimmunsyndroms auftreten. Der Verlauf ist i. d. R. schubförmig, die übliche Erkrankungsdauer unter Therapie liegt bei 12–18 Monaten. In der postpartalen Phase tritt die immunogene Hyperthyreose besonders häufig auf. Symptome und Diagnose Typische Beschwerden einer Hyperthyreose sind: Fkörperliche Unruhe, FHyperhidrose, FTachykardie, FHaarausfall, FSchlaflosigkeit, FWärmeintoleranz und FGewichtsabnahme. Temperaturerhöhungen und starker Durchfall sprechen für eine schwere Hyperthyreose. 7 Zyklusstörungen treten i. d. R. erst bei schwereren Formen auf, sodass eine Hyperthyreose keinesfalls vor dem Eintritt einer Schwangerschaft schützt. Die typischen klinischen Befunde leiten sich von den Symptomen ab. Bei der Palpation ist i. d. R. eine Vergrößerung der Schilddrüse spürbar, möglicherweise mit einem auskultatorisch erfassbaren Schwirren der Schilddrüse. Daneben wird die Diagnose auf Grundlage der typischen Laborkonstellation und Schilddrüsensonographie gestellt. TSH ist hier supprimiert, die freien Schilddrüsenpara- 7 Zyklusstörungen Eine Hyperthyreose schützt nicht vor dem Eintritt einer Schwangerschaft Gynäkologische Endokrinologie 1 · 2011 | 45 Abb. 2 8 Sonographischer Befund einer immunogenen Hyperthyreose mit typischer Echoinhomogenität In der Duplexsonographie weißt die Schilddrüse eine deutlich vermehrte Vaskularisierung auf 7 Schilddrüsenautonomie meter fT3 und fT4 dagegen nachweisbar erhöht. In dieser Konstellation sollte der TSH-Rezeptorantikörper(TRAK)-Spiegel bestimmt werden; typischerweise – allerdings nicht in allen Fällen – ist er erhöht. Sonographisch lässt sich eine meist vergrößerte, inhomogen echoarme Schilddrüse nachweisen, die in der Duplexsonographie eine deutlich vermehrte Vaskularisierung aufweist (. Abb. 2). Eine Szintigraphie ist i. d. R. nicht erforderlich. Sofern sich in der Sonographie Knoten nachweisen lassen, ist bei vorliegender Hyperthyreose die Hauptdifferenzialdiagnose eine unifokale oder multifokale 7 Schilddrüsenautonomie. Mit der Schilddrüsenszintgraphie lässt sich in diesem Fall die Differenzialdiagnose verifizieren. Therapie 7 Allergische Reaktionen Die Dosierung der Thyreostatika richtet sich nach dem Ausmaß der Hyperthyreose und der Größe der Schilddrüse 7 Ablative Therapie 7 Kortikosteroidtherapie 46 | Die Hyperthyreose wird mit Thyreostatika behandelt. Es stehen Thiamazol/Carbimazol und Propylthiouracil (PTU) zur Verfügung. Neben 7 allergischen Reaktionen können alle Thyreostatika Blutbildveränderungen (Agranulozytose) und einen milden bis starken Anstieg der Lebertransaminasen auslösen. Die Nebenwirkungen treten dosisabhängig auf. Die Dosierung richtet sich nach dem Ausmaß der Hyperthyreose und der Größe der Schilddrüse. Ziel ist es, die freien Schilddrüsenhormonparameter im oberen Normbereich zu halten. TSH sollte im Verlauf der Therapie supprimiert bleiben. In etwa 30–40% der Fälle einer immunogenen Hyperthyreose wird nach einer Therapiedauer von 12–18 Monaten eine Remission erreicht. Prognostisch sind die Größe der Schilddrüse und die Höhe des TRAK-Spiegels bei Diagnosestellung entscheidend. Wird keine Remission erreicht oder ist der Verlauf rezidivierend, so sollte eine 7 ablative Therapie der Schilddrüse empfohlen werden (Radiojodtherapie oder Operation). Bei 50–70% der Patienten mit einer immunogenen Hyperthyreose tritt in unterschiedlich starker Ausprägung eine EO auf [14]. Mit der Besserung der Hyperthyroese und dem Absinken des TRAK-Spiegels bessert sich auch die EO. Bei Nikotinabusus ist die Entwicklung einer EO häufiger und der Schweregrad höher. Eine Therapieoption ist die meist als Stoßtherapie durchgeführte 7 Kortikosteroidtherapie. In Einzelfällen ist eine Retroorbitalbestrahlung notwendig. Bei akuter Gefährdung des Visus oder zur kosmetischen Korrektur in der Langzeittherapie können operative Maßnahmen erforderlich sein. Die Mitbetreuung durch den erfahrenen Augenarzt ist obligat. Tritt eine manifeste Hyperthyreose im Rahmen einer Autonomie der Schilddrüse in einem oder mehreren Knoten auf, so ist eine Heilung nur durch eine definitive Therapie (Radiojodtherapie oder Operation) zu erreichen. Die thyreostatische Therapie, die stets eingeleitet wird, stellt insofern nur eine Primärtherapie dar. Gynäkologische Endokrinologie 1 · 2011 CME Tab. 1 Differenzialdiagnose einer Hyperthyreose in der Schwangerschaft Schilddrüsensonographie TRAK-Spiegel Schilddrüsen- anamnese Schwangerschaftshyperthyreose Normal Normal Keine Autonomes Adenom mit manifester Hyperthyreose Nachweis von Knoten (oft bereits bekannt) Normal Knoten häufig bereits ­bekannt Immunogene Hyperthyreose Vermehrte Vaskularisierung, echoarm und inhomogen Erhöht Früheres Hyperthyreose-Ereignis u. U. bekannt TRAK TSH-Rezeptorantikörper. Besonderheiten bei Kinderwunsch und Schwangerschaft Eine Beeinträchtigung von Fertilität und Schwangerschaft durch eine latente Hyperthyreose ist nicht bekannt [6]. Zudem stellt sich in der Frühschwangerschaft durch die hCG-Stimulation häufiger eine latente Hyperthyreose ein. Die latente Form muss insofern nicht therapiert werden. Patientinnen mit einer schweren Hyperthyreose, die eventuell in Verbindung mit einer EO auftritt, sollte von einer Schwangerschaft abgeraten werden bis eine Remission eingetreten ist. Alternativ wird präkonzeptionell eine definitive Therapie angestrebt. In den seltenen Fällen einer anhaltenden Hyperthyreose kann es sowohl zu mütterlichen als auch fetalen Komplikationen kommen. Es sind 3 Situationen denkbar, in denen eine Schwangerschaft mit einer Hyperthyreose zusammenfallen kann: 1.wenn eine Patientin mit schwerer Hyperthyreose noch keine oder keine ausreichende Therapie erhält und ungewollt schwanger wird, 2.wenn in einem sehr seltenen Fall die Erstdiagnose einer immunogenen Hyperthyreose in der Schwangerschaft gestellt wird oder 3.wenn in einem häufigeren Fall eine Schwangerschaft mit einer unter milder thyreostatischer Therapie gut kontrollierten Hyperthyreose eintritt. Die immunogene Hyperthyreose bessert sich generell aufgrund verschiedener Mechanismen im zweiten Schwangerschaftstrimenon und heilt häufig auch ganz aus. Insbesondere im ersten ­Trimenon muss vor Beginn einer Therapie differenzialdiagnostisch eine 7 Schwangerschaftshyperthyreose ausgeschlossen werden. Hierbei helfen die in . Tab. 1 zusammengefassten Kriterien. Nach der Schwangerschaft ist allerdings das Rezidivrisiko erhöht. Alle Thyreostatika wie auch TRAK werden plazentar gut übertragen. Die Entscheidung zur Therapie und Auswahl des Therapeutikums sollten interdisziplinär erfolgen. Aktuelle Berichte über schwere Leberfunktionsstörungen mit akutem Leberversagen unter hochdosierter PTU-Gabe erschweren die Wahl des Thyreostatikums. Daher gilt derzeit die Gabe von PTU, die zumindest im angloamerikanischen Raum favorisiert wird, nicht mehr als Erstlinientherapie [5]. Unter Thiamazol sind aber ebenfalls fetale Störungen (Aplasia cutis) beobachtet worden. Daher war PTU auch lange das bevorzugte Therapeutikum in der Schwangerschaft. Ist die mütterliche Schilddrüsenüberfunktion vor der Konzeption ausgeheilt oder wurde bereits eine Radiojodtherapie bzw. Operation durchgeführt, sollte der TRAK-Spiegel im letzten Schwangerschaftsdrittel kontrolliert werden. Hohe Spiegel können eine fetale Hyperthyreose auslösen, die durch die Überprüfung der mütterlichen Schilddrüsenfunktion und fetale Ultraschalluntersuchungen kontrolliert werden sollte [1]. Patientinnen mit schwerer Hyperthyreose sollte bis zum Eintreten der Remission von einer Schwangerschaft abgeraten werden 7 Schwangerschaftshyperthyreose Nach der Schwangerschaft ist das ­Rezidivrisiko erhöht Derzeit gilt die Gabe von Propylthiouracil nicht mehr als Erstlinien­ therapie Postpartale Thyreoiditis Die postpartale Thyreoiditis ist eine Variante der Autoimmunthyreoiditis. Sie kann etwa 3 Monate nach der Entbindung zunächst mit einer hyperthyreotischen Phase beginnen, die 1–2 Monate anhält. Nicht selten verläuft diese Phase asymptomatisch oder die Beschwerden werden nicht der Schilddrüse zugeordnet. Nachgewiesen werden i. d. R. TPO-AK, jedoch keine TRAK. Sonographisch zeigt sich echoarmes Gewebe ohne vermehrte Vaskularisierung, sodass die Differenzialdiagnose zu einer immunogenen Hyperthyreose gestellt werden kann. In einer Schilddrüsenszintigraphie ist der Uptake vermindert. Meist aber ist eine Szintigraphie aufgrund des gleichzeitigen Stillens nicht möglich. Eine thyreostatische Therapie ist nicht erforderlich, da die hyperthyreotische Phase selbstlimitierend ist Sonographisch zeigt sich bei der postpartalen Thyreoiditis echoarmes Schilddrüsengewebe ohne vermehrte Vaskularisierung Gynäkologische Endokrinologie 1 · 2011 | 47 und in eine hypothyreotische Phase übergeht. Die Differenzialdiagnose zu einer Hashimoto-Thyreoiditis ist erforderlich, da auch die hypothyreotische Phase i. d. R. passager ist [1]. Daher sollten Verlaufskontrollen und ein Auslassversuch erfolgen. Subakute De-Quervain-Thyreoiditis Die Schilddrüsenschmerzen bei der De-Quervain-Thyreoiditis können in den Kiefer ausstrahlen 7 Zerstörungshyperthyreose Therapeutisch wird zur Kupierung der Symptome ein Betablocker eingesetzt Differenzialdiagnostisch kann bei entzündlichen Schilddrüsenveränderungen außerdem eine subakute De-Quervain-Thyreoiditis unterschieden werden. Diese äußert sich durch eine schmerzende Schilddrüse, die druckempfindlich ist. Die Schmerzen können in den Kiefer ausstrahlen. Gleichzeitig besteht ein allgemeines, manchmal schweres Krankheitsgefühl, u. U. mit Fieber. Im sonographischen Befund zeigt sich die De-Quervain-Thyreoiditis mit einer eher verwaschenen Struktur sowie echoarmen und echokomplexeren Anteilen ohne vermehrte Vaskularisierung. Laborchemisch sind zu Beginn eine Hyperthyreose und erhöhte Entzündungsparameter (Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit und C-reaktives Protein) nachzuweisen. Die Hyperthyreose ist üblicherweise selbstlimitierend und als 7 Zerstörungshyperthyreose zu interpretieren. Therapeutisch wird zur Kupierung der Symptome ein Betablocker eingesetzt. Thyreostatika haben keine Wirkung. Die antientzündliche Therapie umfasst nichtsteroidale Antiphlogistika und Kortikosteroide. Meist heilt die subakute Thyreoiditis innerhalb einiger Wochen bis Monate folgenlos aus. Strukturelle Veränderungen der Schilddrüse Struma und Schilddrüsenknoten treten in Deutschland nach wie vor häufig auf Die Schilddrüse kann sichtbar oder tastbar vergrößert sein. Von einer Struma spricht man, wenn die Größe der Schilddrüse ein Volumen von 18 ml bei der Frau und 25 ml beim Mann übersteigt. Struma und Schilddrüsenknoten treten in Deutschland nach wie vor häufig auf. Nach einer groß angelegten deutschen Screening-Studie (Papillon) wurden bei 33% der Menschen strukturelle Schilddrüsenveränderungen gefunden, 23% hatten einen Knoten mit oder ohne Struma [12]. Diagnose 7 Struma nodosa Mit der Schilddrüsenszintigraphie können aktive von inaktiven Knoten unterschieden werden 7 Feinnadelpunktion Zur Palpation der Schilddrüse legt man die Finger von hinten unterhalb des Pharynx auf den Hals des Patienten und bittet diesen, zur Prüfung der Schluckverschieblichkeit einmal zu schlucken. Neben der Beschaffenheit der Schilddrüse (normal: weich und schluckverschieblich), können hierbei mögliche Lymphknotenvergrößerungen palpiert werden. Zur Diagnostik einer vergrößerten und/ oder knotig veränderten Schilddrüse (7 Struma nodosa) sind die Sonographie der Schilddrüse und die TSH-Bestimmung unabdingbar. Lässt sich im sonographischen Befund ein Schilddrüsenknoten darstellen, ist neben der Überprüfung der Funktion (TSH-Bestimmung) eine weitere Abklärung erforderlich; ggf. beinhaltet sie eine Schilddrüsenszintigraphie und Feinnadelpunktion des Knotens [4]. Mit der Schilddrüsenszintigraphie können aktive (warme) von inaktiven (kalten) Knoten unterschieden werden. Durch die 7 Feinnadelpunktion eines Knotens kann gezielt Material für eine zytologische Untersuchung gewonnen werden. Schilddrüsenkarzinome, die es auszuschließen gilt, sind selten und in warmen Knoten eine Rarität. Daher müssen vor allem kalte Knoten zytologisch abgeklärt werden. Man unterscheidet differenzierte Schilddrüsenkarzinome (papillär und follikulär) von den sehr seltenen undifferenzierten Schilddrüsenkarzinomen, sowie das ebenfalls seltene medulläre Schilddrüsenkarzinom, welches von den C-Zellen der Schilddrüse ausgeht. Zur Diagnostik des letzteren bietet sich als Tumormarker die Kalzitoninbestimmung an. Therapie 7 Volumenreduktion Mit der kombinierten Gabe von LThyroxin und Jod wird in etwa 10% der Fälle eine Größenreduktion der Struma erreicht 48 | Bei einem vergrößerten Schilddrüsenvolumen (Struma) wird ab einem TSH-Wert >1 mIU•l−1 häufig die Kombination aus L-Thyroxin und Jod zur 7 Volumenreduktion gewählt. Im Handel stehen Kombinationen mit frei wählbarem L-Thyroxinanteil zu Verfügung, sodass der TSH-Spiegel in den Zielbereich (zwischen unterem Normbereich und 1 mIU•l−1) abgesenkt werden kann. Dadurch wird in etwa 10% der Fälle eine Größenreduktion der Struma erreicht. Die Therapie ist umso erfolgreicher, je kürzer das vergrößerte Volumen bestanden hat. Die Wirksamkeit ist allerdings nur für eine Therapiedauer von einem Jahr belegt [7]. Sofern die Entscheidung zugunsten einer medikamentösen Strumatherapie fällt, sollten TSH-suppressive Einstellungen vermieden werden. Ist der TSH-Wert Gynäkologische Endokrinologie 1 · 2011 CME bereits niedrig, ist eine medikamentöse Strumatherapie keine Option mehr. Dagegen kann bei isolierten warmen Knoten in Verbindung mit einer Hyperthyreose (autonomes Adenom) die Radiojodtherapie eingesetzt werden. Diese führt bei funktionell aktiven Knoten immer auch zur Größenreduktion. Liegt eine Struma nodosa vor, ist bei zunehmenden Lokalkomplikationen oder Verdacht auf Malignität eine Operation indiziert [4]. Bei isolierten warmen Knoten in Verbindung mit einer Hyperthyreose (autonomes Adenom) kann die Radiojodtherapie eingesetzt werden Jodidsupplementierung in der Schwangerschaft In der Schwangerschaft ist Jod immer indiziert und sollte in einer Dosis von 150–200 µg•Tag−1 gegeben werden. Eine Ausnahme ist die manifeste Hyperthyreose, bei deren Vorliegen kein Jod gegeben werden sollte. Liegt eine latente Hyperthyreose vor, hat vor Beginn einer Jodidtherapie zunächst eine Ursachenabklärung zu erfolgen. Ist eine immunogene Hyperthyreose mit TRAK-Persistenz erst kurz zuvor ausgeheilt, sollte die Indikation für eine Jodidgabe zurückhaltend gestellt werden. Letztlich ist sie eine klinische Ermessensfrage. Bei Vorliegen einer manifesten Hyperthyreose sollte in der Schwangerschaft keine Jodsupplementierung erfolgen Fazit für die Praxis FDie Untersuchung der Schilddrüse erfordert den Einsatz von klinischen, laborchemischen sowie sonographischen Verfahren. FDie Hypothyreose wird mit L-Thyroxin behandelt. Bei Kinderwunsch und Schwangerschaft wird sie bereits ab einem TSH-Wert >2,5 mIU•l−1 therapiert. Spezielle, an die Situation angepasste Zielwerte sollten in der Therapie berücksichtigt werden. FEine manifeste Hyperthyreose ist immer eine Therapieindikation. Bei gleichzeitiger Schwangerschaft müssen die Differenzialdiagnose einer schwangerschaftsinduzierten Hyperthyreose ausgeschlossen und eine interdisziplinäre Therapieentscheidung getroffen werden. FEine immunogene Hyperthyreose rezidiviert häufig postpartal. FEine Struma kann durch die kombinierte Gabe von Jod und L-Thyroxin behandelt werden, sofern der TSH-Wert >1 mIU•l−1 liegt. FDer Ausschluss eines malignen Schilddrüsenknotens erfolgt auf der Grundlage von Laborparametern, Sonographie sowie ggf. Szintigraphie und Feinnadelpunktion. FMedikamentöse Therapieoptionen einer Schilddrüsenautonomie bei Struma nodosa werden ergänzt durch ablative Verfahren wie Radiojodtherapie und Operation. Korrespondenzadresse Dr. C. Bullmann Zentrum für Endokrinologie, Kinderwunsch und Pränatale Medizin im Barkhof Mönckebergstr. 10, 20095 Hamburg [email protected] Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur 1. Abalovich M, Amino N, Barbour LA et al (2007) Management of thyroid dysfunction during pregnancy and postpartum: an Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab 92(Suppl 8):S1–S47 2. 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Sie berichtet, seit mehreren Jahren in stabiler Dosis 100 µg L-Thyroxin einzunehmen. Auch die Mutter und Schwester haben eine Schilddrüsenunterfunktion. Sie besprechen mit ihr folgendes Vorgehen: Sie kontrollieren am selben Tag den TSH-Wert (dieser liegt bei 2,5 mIU•l−1) und empfehlen ihr am folgenden Tag telefonisch, die Dosis auf 125 µg L-Thyroxin anzuheben und 150 µg Jodid zusätzlich einzunehmen. Die nächste Kontrolle vereinbaren Sie 4 Wochen später. S ie empfehlen ihr Jodid, der letzte TSH-Wert lag vor einem Jahr bei 1 mIU•l−1 und insofern im Zielbereich. Sie empfehlen ihr, unbedingt Jod zu vermeiden, da dies zu einer Verschlechterung der Schilddrüsenfunktion führen kann. Sie soll die Schilddrüsendosis um 50% reduzieren, 4 Wochen später vereinbaren Sie die erste TSH-Kontrolle. Sie setzen die Schilddrüsenhormonsubstitution aus und überprüfen 2 Wochen später mit einer TSH-Kontrolle, ob sie wirklich Schilddrüsenhormone benötigt. Eine Hypothyreose in der Frühschwangerschaft … ist eine seltene Konstellation. sollte nur dann behandelt werden, wenn eine manifeste Hypothyreose vorliegt. sollte ab einem TSH-Wert >2,5 mIU•l−1 behandelt werden. erfordert keine Kontrollen im Verlauf, wenn mit einer Therapie begonnen wurde. tritt nur nach einer Schilddrüsenresektion auf. Bitte beachten Sie: F Antwortmöglichkeit nur online unter: CME.springer.de F Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt. F Es ist immer nur eine Antwort möglich. Eine 35-jährige Patientin mit einer seit 9 Monaten bekannten immunogenen Hyperthyreose stellt sich bei Ihnen mit Kinderwunsch vor. Die thyreostatische Dosis konnte bisher von 40 mg Thiamazol auf jetzt 20 mg reduziert werden, der TRAK-Wert ist noch leicht erhöht. Die Patientin leidet außerdem unter einer leichten endokrinen Orbitopathie und raucht 10 Zigaretten täglich. Wie beraten Sie die Patientin? Sie geben ein klares Statement, dass Schwangerschaften für die Patientin nicht mehr möglich sein werden. Sie empfehlen eine gängige Folsäure-Jodid-Kombination und empfehlen ihr, das Rauchen dringend aufzugeben. Sie erklären ihr, dass eine Schwangerschaft aufgrund der erhöhten Frühabortrate nicht anzuraten sei, solange der TRAK-Wert positiv ist. Sie geben der Patientin eine Einweisung für die nächstgelegene chirurgische Klinik, damit schnellstmöglich eine Thyreoidektomie durchgeführt werden kann, und empfehlen ihr, mit dem Rauchen aufzuhören. Sie empfehlen ihr dringend, das Rauchen sofort aufzugeben und die Schilddrüsentherapie konsequent durchzuführen. Wenn diese sich in den nächsten 6 Monaten beruhigt und die Thyreostase abgesetzt werden kann, steht der Verwirklichung des Kinderwunschs nichts im Wege. Die manifeste Hyperthyreose … erfordert normalerweise keine Ursachenabklärung, sondern muss nur behandelt werden. erfordert die Bestimmung der freien Schilddrüsenhormone, des TRAK-Spiegels, eine Sonographie und manchmal auch eine Schilddrüsenszintigraphie. führt üblicherweise zu einer Gewichtszunahme. führt bereits bei leichten Formen zur Einschränkung der Fertilität. heilt nach einem Jahr spontan aus. Die Behandlung der Hyper­ thyreose … erfordert in der Frühschwangerschaft eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. kann unbedenklich über viele Jahre fortgeführt werden. wird bei den beiden häufigsten Ursachen – einer immunogenen Hyperthyreose und einem autonomen Adenom – auch langfristig nicht unterschiedlich gehandhabt. erfordert nach 2 Monaten ­Therapie immer eine ablative Therapie. hat keine wesentlichen Nebenwirkungen. Eine immunogene Hyper­ thyreose (M. Basedow) … tritt in der Schwangerschaft nie auf. wird oft im zweiten Trimenon besser, exazerbiert aber häufig post partum. D Mitmachen, weiterbilden und CME-Punkte sichern durch die Beantwortung der Fragen im Internet unter CME.springer.de 50 | Gynäkologische Endokrinologie 1 · 2011 CME v erschlechtert sich oft im zweiten Trimenon, heilt aber meist direkt nach der Entbindung aus. tritt nur in der Menopause auf. muss nie behandelt werden. Eine Jodidtherapie mit 150– 200 µg sollte in der Schwangerschaft … bei Vorliegen einer Hashimoto-Thyreoiditis unterbleiben. bei normwertigen TSHSpiegeln der Mutter entfallen. auch bei Vorliegen einer Hyperthyreose gegeben werden. bei Vorliegen einer Hashimoto-Thyreoiditis immer gegeben werden. bei übergewichtigen Patientinnen verdoppelt werden. ist definiert durch bösartige Schilddrüsenknoten und sollte deshalb rasch operiert werden. Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate auf CME.springer.de verfügbar. Den genauen Einsendeschluss erfahren Sie unter CME.springer.de Eine De-Quervain-Thyreoiditis … ist selten entzündlich bedingt. ist nie schmerzhaft. zeigt zu Beginn eine Hypothyreose. geht ohne schweres Krankheitsgefühl einher. heilt meist folgenlos aus. Eine Struma nodosa … ist in Deutschland bei etwa 83% der Menschen zu finden. ist in Deutschland bei etwa 23% der Menschen zu finden. erfordert die Durchführung einer Sonographie; die Schilddrüsenwerte sind bei der Beurteilung nicht relevant. erfordert immer eine Feinnadelpunktion. Gynäkologische Endokrinologie 1 · 2011 | 51