Darmkrebs

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Versicherung bei Magen- und
Darmkrebs im Jahre 2012
SCOR inFORM - Dezember 2012
Versicherung bei Magen- und Darmkrebs im Jahre 2012
Autor
Dominique Lannes
Ärztlicher Berater
SCOR Global Life
Redaktion
Bérangère Mainguy
Tél. : +33 (0)1 58 44 70 00
Fax : +33 (0)1 58 44 85 17
[email protected]
Herausgeber
Gilles Meyer
© Dezember 2012 - ISSN beantragt - Alle Rechte vorbehalten. Weitergabe und Vervielfältigung dieser Publikation oder von Teilen daraus sind ohne die ausdrückliche
Genehmigung des Herausgebers nicht gestattet. SCOR ist nach Kräften bemüht, für die Richtigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen zu sorgen.
Eine Haftung im Fall von ungenauen, unrichtigen oder unvollständigen Informationen ist jedoch ausgeschlossen.
SCOR inFORM - Dezember 2012
Versicherung bei Magen- und
Darmkrebs im Jahre 2012
Einleitung
Darmkrebs ist, zusammen mit Brust-, Lungen- und Prostatakrebs die häufigste
bösartige Tumorerkrankung. Die Inzidenz ist weltweit sehr unterschiedlich,
wobei in den Vereinigten Staaten etwa 10 mal mehr Fälle von Darmkrebs
auftreten als in Afrika. In Australien, Neuseeland, Japan und Westeuropa
wird das Risiko als hoch erachtet, während die Inzidenz in Südamerika und
den übrigen asiatischen Ländern geringer erscheint. Um die Anzahl der
Darmkrebserkrankungen zu veranschaulichen, sei die geschätzte jährliche
Inzidenz von etwa 330.000 Neuerkrankungen in Europa und 150.000 in den
Vereinigten Staaten als Anhaltspunkt genannt.
Häufig ergibt sich der Verdacht auf Darmkrebs aufgrund einer positiven
Hämoccult-Untersuchung (Untersuchung des Stuhls auf Blut) und die Diagnose
wird daraufhin mittels Koloskopie (Darmspiegelung) gesichert. Die Risikofaktoren
von Darmkrebs, insbesondere eine familiäre Disposition, sind hinreichend
bekannt; es wird nach Vorläuferpolypen des Karzinoms gesucht und diese
werden reseziert. Chirurgie und Chemotherapie haben sich in den letzten 20
Jahren so stark verbessert, dass zahlreiche Fälle heute heilbar sind.
Magenkrebs ist weltweit ebenfalls stark verbreitet. Auf ihn entfallen rund
10% aller Krebserkrankungen weltweit. Seine Inzidenz schwankt von Land
zu Land sehr stark. Er kommt sehr häufig in Südostasien, insbesondere in
Japan, und in Zentraleuropa vor, während er in den Vereinigten Staaten und
Westeuropa selten geworden ist und sein Vorkommen in diesen Ländern
konstant sinkt. In Europa wurden im Jahre 2008 über 145.000 Fälle von
Magenkrebs diagnostiziert, davon die meisten Fälle in Zentraleuropa.
Magenkrebs ist jedoch nicht Gegenstand einer systematischen Früherkennung. Die Diagnose mittels Gastroskopie erfolgt häufig im Spätstadium;
Chemotherapien sind weniger wirksam und die Prognose eher schlecht.
Die länderspezifischen Inzidenz-Unterschiede dieser beiden Krebsformen
hängen vermutlich mit einer unterschiedlichen Ernährungsweise und eventuell
auch mit besonderen genetischen Veranlagungen zusammen.
3
Assurer les cancers
Versicherung
bei Magengastrique
und Darmkrebs
et colorectalimenJahre
20122012
Darmkrebs
entwickeln: adenomatösen Stielpolypen (pilzförmig) oder flachen
Polypen. Gibt es keine regelmäßigen Kontrolluntersuchungen
können sich einige dieser Polypen innerhalb eines Jahrzehnts zu
Krebs entwickeln. Diese Polypen sind zumeist asymptomatisch und
ihre Diagnose wird mittels Koloskopie gestellt, die in den meisten
Fällen eine sofortige Entfernung (Polypektomie) ermöglicht.
Das kolorektale Karzinom betrifft etwa die Hälfte aller Krebsformen des Verdauungsapparats und seit 1980 ist eine regelmäßige Zunahme der Inzidenz zu beobachten1. Der Krebs betrifft
Männer und Frauen gleichermaßen und das mittlere Eintrittsalter liegt zwischen 65 und 70 Jahren. Er tritt zwar selten bei
unter 45-Jährigen auf, doch verdoppelt sich sein Vorkommen
alle 10 Jahre. In zwei Dritteln der Fälle ist der Krebs im eigentlichen Dickdarm (Kolon) lokalisiert in einem Drittel der Fälle im
Rektum (Mast- bzw. Enddarm). Diese Krebsform ist heute
besser bei einer größeren Anzahl an Patienten heilbar. Seit
einigen Jahren hat sich seine Mortalität regelmäßig verringert. Im Jahr 2008 verursachte er weltweit über 600.000
Todesfälle.
Ein weiterer begünstigender Faktor für Dickdarmkrebs ist eine
chronische Entzündung der Darmwand, wie sie bei chronischentzündlichen Darmerkrankungen (CEDE) auftritt, insbesondere
Colitis ulcerosa, aber auch Morbus Crohn. Nach über zehnjährigem Verlauf begünstigen chronisch entzündliche Darmerkrankungenn das Auftreten von Kolorektalkrebs und bedürfen
einer regelmäßigen Überwachung mittels Koloskopie. Die CEDE
betreffen vorwiegend junge Menschen zwischen 20 bis 40
Jahren. Dennoch stellen sie lediglich einen sehr geringen Prozentsatz der kolorektalen Karzinome dar, im Vergleich zum
Adenokarzinom, das sich aus Polypen der Lieberkühn-Krypten
(Drüsen) entwickelt.
Die unterschiedlichen Formen
von Darmkrebs und ihre
begünstigenden Faktoren
95% der Darmkrebsfälle treten sporadisch auf, d.h. sie
werden nicht genetisch übertragen. Dennoch besteht eine
gewisse familiäre Veranlagung. Wenn z.B. der Vater oder die
Mutter Polypen oder Darmkrebs hatte, tragen deren Kinder,
und Geschwister ein erhöhtes Risiko, diese Krankheit ebenfalls
zu entwickeln.
Adenokarzinom
95% der kolorektalen Karzinome sind Adenokarzinome, die
sich zumeist aus gutartigen Läsionen der Lieberkühn-Krypten
95% der Kolorektalkarzinome entwickeln sich aus Polypen
+
- 10 Jahre
Stielpolyp des Kolons
Kolonkrebs
1 • Quellen: Zeitraum von 1980 bis 1985 (Belot A ,2008); Zeitraum von 1990 bis
2011 (HCL/InVS/INca/Francim/Inserm, 2011)
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SCOR inFORM - Dezember 2012
5% der Darmkrebsfälle hingegen wird genetisch übertragen, entweder vom Vater oder von der Mutter. In diesen Fällen
besteht bei den Kindern ein 50%-iges Risiko, ebenfalls Träger
der krebsverursachenden Mutation zu sein. Bei den erblichen
Kolonkarzinomen unterscheidet man zwei Hauptformen:
Europäischen Kommission empfahl im Jahre 2000 die Einrichtung einer Darmkrebs-Früherkennung in Europa. Seitdem wurden verschiedene Kampagnen zur Früherkennung von Dickdarmkrebs gestartet. Führend in diesem Bereich sind derzeit
Großbritannien und Frankreich.
• Die familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) macht
lediglich 1 bis 2% der Fälle von kolorektalen Karzinomen aus.
Das Kolon ist bereits im Kleinkindalter mit Tausenden von
Polypen bedeckt und die Verwandlung eines Polypen in
Krebs ist unausweichlich. Das Screening dieser Krankheit erfolgt heutzutage innerhalb der Risikofamilie anhand eines
genetischen Bluttests. Die Behandlung besteht in der Entfernung des gesamten Kolons (totale Kolektomie) vor Auftreten
eines Karzinoms, gewöhnlich im Alter unter 20 Jahren.
Frankreich bietet seit 2009 allen Personen von 50 bis 74 Jahren
alle zwei Jahre die Durchführung eines sogenannten Hämoccult®Tests an, der darauf abzielt, okkultes Blut im Stuhl nachzuweisen2.
Dieser Test wird als „Selektionstest“ bezeichnet, denn er dient
zum Herausfiltern von Personen mit erhöhtem Risiko für Polypen
oder Kolonkrebs. Bei positivem Testergebnis ist in jedem Fall eine
Koloskopie vorzunehmen, um das Vorliegen von adenomatösen
Polypen oder Krebs abzuklären und eine möglichst frühzeitige
Behandlung einzuleiten. Ein Schwachpunkt des Hämoccult®Tests ist seine 50%-ige Sensibilität, d.h. der Test erweist sich in
der Hälfte der Fälle als positiv, obwohl die Koloskopie weder
Polypen noch Krebs nachweist. Die häufigste Ursache hierfür ist
das Vorliegen von inneren Hämorrhoiden.
• Auf das Lynch-Syndrom, HNPCC (Hereditary Non Polyposis Colorectal Cancer) entfallen 4 bis 5% der Fälle von
kolorektalen Karzinomen. In diesem Fall tritt der Krebs in
ungewöhnlich jungem Alter (unter 50 Jahren) auf und geht
mit einem erhöhten Risiko für eine weitere Krebserkrankung
einher, die wenige Jahre nach Behandlung des ersten Karzinoms auftritt. In diesen Familien ist beispielweise im Vergleich zur Gesamtbevölkerung eine höhere Prävalenz von
Krebserkrankungen der Gebärmutter, der Eierstöcke oder
des Magens zu beobachten.
„Intervallkrebs“: Hierbei handelt es sich um einen Krebs,
der nur wenige Monate nach einem negativen Hämoccult®Test diagnostiziert wird. Bei einer Serie von über 2000
Koloskopien3 wurden im Intervall zwischen zwei Tests dreizehn
Krebserkrankungen festgestellt. In 4 von 13 Fällen war die
Krebserkrankung auf unvollständig resezierte gutartige
adenomatöse Polypen zurückzuführen und in 3 von 13 Fällen
auf Läsionen, die bei der Untersuchung nicht gesehen worden
waren. Das Restrisiko, an Intervallkrebs zu erkranken, fordert
eine unablässige Verbesserung der Früherkennungstests und
der Koloskopie: Präparate/Vorbereitungen zur besseren
Darmentleerung, Verbesserung der Visualisierungstechnik von
Polypen, langsamere Durchführung der Koloskopien usw., um
die diagnostische Aussagekraft zu optimieren.
Weitere Tumorarten
Diese sind wesentlich seltener (5%). Hierbei handelt es sich
um Lymphome, Sarkome, Stromatumore (GIST) oder Tumore
endokrinen Ursprungs.
Angelpunkt der Früherkennung ist
der Nachweis von Blut im Stuhl
Zurzeit liegt die Beteiligung der französischen Bevölkerung an
der Darmkrebs-Früherkennung mittels Hämoccult®-Test bei
32%. Um jedoch die Wirksamkeit des Tests im Massen-Screening nachzuweisen (Kosteneinsparung durch die Anzahl der
geretteten Leben), müsste diese Beteiligung über 50% betragen.
Frankreich liegt noch unter dieser Grenze, daher ist es wichtig,
Ärzte und Bevölkerung gleichermaßen zu einer höheren Beteiligung an diesem Früherkennungsprogramm für kolorektale Tumore zu motivieren.
Es ist heute nachgewiesen, dass die Früherkennung von Dickdarmkrebs die Mortalität in der Allgemeinbevölkerung senkt,
da sie eine frühzeitige Behandlung ermöglicht. Ein Polyp oder
Kolonkarzinom ist anfangs zumeist asymptomatisch, doch in
einigen Fällen kommt es zu okkulten Blutungen.
Die Früherkennung im Jahre 2012 besteht hauptsächlich
im Nachweis von sichtbarem oder unsichtbarem Blut im
Stuhl. Deutschland war das erste Land, in dem bereits 1977
Maßnahmen zur Früherkennung von Dickdarmkrebs getroffen
wurden. Die Krebssachverständigengruppe zur Beratung der
2 • Empfehlungen der Konsenskonferenz von 1998 und deren Bekräftigung
im Jahre 2005 (www.has-sante.fr)
3 • Pabby A et al. Gastrointest Endosc 2005;61:385-91
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Versicherung bei Magen- und Darmkrebs im Jahre 2012
werden. In allen Fällen ist eine Koloskopie erforderlich,
denn die Diagnose eines kolorektalen Karzinoms kann
nur anhand dieser Untersuchung gestellt werden.
Dieser Massen-Screeningtest ist nicht für Personen mit ohnehin
erhöhtem Kolonkrebs-Risiko bestimmt, das bei persönlicher
oder familiärer Vorgeschichte (Blutsverwandte ersten Grades)
von Darmkrebs, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
(Crohn-Krankheit, Colitis ulcerosa), bei Vorliegen einer kürzlichen Veränderung des Stuhlverhaltens, mit bloßem Auge sichtbarem Blut im Stuhl usw. besteht. Diese Personen sind zwingend einer Koloskopie zu unterziehen, insbesondere ab dem
40. Lebensjahr.
Der Hämoccult®-Test wird durch andere Tests abgelöst werden,
sobald diese die Marktreife erlangen. Es soll z.B. demnächst ein
sensiblerer immunologischer Test erhältlich sein, der weniger
Stuhlproben erfordert, was die Akzeptanz seitens der Patienten
erhöhen wird.
Die Koloskopie ist eine visuelle Untersuchung des Kolons. In der
Praxis wird die Endoskopie mit einem flexiblen Rohr (Koloskop)
von etwa 10 mm Durchmesser und einer Länge von 1,3 m
durchgeführt. Dieses wird in den After eingeführt und bis zum
anderen Ende des Kolons vorgeschoben, d.h. bis zum Zökum
und zur Ileozökalklappe. Das Endoskop ist an der Spitze mit einer
Lichtquelle und einer Kamera ausgestattet, damit die untersuchte
Zone am Bildschirm visualisiert werden kann (Video-Endoskopie). Das Endoskop kann Luft einblasen, um die Falten der Kolonwände zu glätten und Wasser einspritzen, um die Kolonwand zu
reinigen. Zudem lassen sich eine Zange oder andere Instrumente
einführen, um Gewebeproben an einer Kolonwandläsion zu
entnehmen (Biopsie) oder Polypen zu resezieren.
Parallel zum Nachweis von Blut im Stuhl werden weitere
Tests entwickelt: darunter z.B. ein Test zum Nachweis von genetischen Veränderungen im Stuhl, oder besser noch im Blut, oder
ein Screeningtest für Personen mit erhöhtem Kolonkarzinomrisiko.
Den neuen Screening-Tests lässt sich eine blühende medizinische
und kommerzielle Zukunft prognostizieren, jedoch erst, wenn
eine wissenschaftliche Validierung im großen Maßstab erfolgt ist.
Das Kolon muss einwandfrei sauber sein. Daher wird vor der
Untersuchung eine Vorbereitung zur Entleerung des Kolons
durchgeführt. Die Untersuchung dauert circa zwanzig Minuten.
Um die Verträglichkeit der Untersuchung zu verbessern, wird
gelegentlich eine Vollnarkose angeboten. Diese Untersuchung
zieht in sehr seltenen Fällen Komplikationen wie eine KolonPerforation oder Hämorrhagien nach sich. Daher ist sie unter
optimalen gerätetechnischen Voraussetzungen durchzuführen
und der Patient bei der Untersuchug gut zu überwachen. Es
kann manchmal sehr schwierig sein, einen Polypen oder ein
Karzinom bei der Koloskopie zu entdecken, insbesondere wenn
das Karzinom sich aus einem „flachen” Polypen entwickelt.
Schwierig ist es auch beim Lynch-Syndrom mit erblicher Veranlagung, denn der Krebs tritt häufig auf, nachdem die Schleimhaut im Vorjahr noch unauffällig war. Seit einigen Jahren lässt
sich in manchen Fällen die Koloskopie auch durch eine im
Koloskopie
Darmkrebs ist zumeist asymptomatisch. Zwar gibt es Symptome, doch diese werden von den Patienten meist nicht als alarmierend wahrgenommen. Hierbei kann es sich z.B. um jüngst
eingetretene Störungen des Stuhlverhaltens, das Vorliegen von
Blut im Stuhl (Rektalblutungen), eine sideropenische Anämie
oder eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes handeln.
Das Vorliegen dieser Krebsform kann auch im Zusammenhang mit
der Abklärung von Leber- oder Lungenmetastasen untersucht
Koloskop
Video-Endoskop
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SCOR inFORM - Dezember 2012
Aufwärtstrend befindliche neue Technik ersetzen: die Kolon-CT,
auch virtuelle Koloskopie genannt. Diese Technik beruht auf
einer Computertomografie des Kolons und spezieller Computersoftware, die den Darm in 3D rekonstruiert und darstellt. Diese
Untersuchung erfolgt ohne Vollnarkose, aber mit einer Kolonvorbereitung (Darmentleerung) wie bei einer Koloskopie. Sie
ermöglicht den Nachweis von Polypen und Tumoren, jedoch
weder eine Biopsie noch eine Resektion.
Die Staging-Untersuchungen beinhalten eine klinische Untersuchung, eine bildgebende Untersuchung der Leber wie z.B. Sonografie oder Computer-Tomografie und ein Röntgenbild oder
eine CT der Lunge. Ideal wäre die unmittelbare Durchführung
eines Thorax- und Abdomen-CT, um Thorax und Unterleib in
einer Untersuchung zu untersuchen. Der PET-Scan (PositronenEmissions-Scan) ist eine relativ neuartige bildgebende Untersuchung. Sie kombiniert die Techniken der Computer-Tomografie
und die der Szintigrafie. Sie ist jedoch nicht das Mittel der ersten
Wahl im Rahmen des Stagings.
Sind die Staging-Untersuchungen erfolgt, lässt sich der Tumor
nach Größe, Zustand der Lymphknoten und eventuell aufgefundenen Metastasen nach der TNM-Klassifikation4 einstufen. Die
endgültige Einstufung erfolgt jedoch erst nach dem chirurgischen Eingriff auf Grundlage der histologischen Untersuchung
des Tumors und der Lymphknoten.
Staging-Untersuchungen
Ein Darmkarzinom kann lokal die Kolonwand oder das Rektum
durchbrechen und die benachbarten Organe wie Prostata, Gebärmutter oder Peritoneum (Bauchfell) infiltrieren. Es kann ebenfalls die benachbarten Lymphknoten N(1.2) befallen und sich
über die Blutbahn auf entfernte Organe ausbreiten wie insbesondere Leber und Lunge oder, in selteneren Fällen, Knochen
und Gehirn. Dann handelt es sich um Metastasen (M1).
Chirurgie
Staging-Untersuchungen werden durchgeführt, um die
Größe des Tumors (T), seine eventuelle Ausbreitung auf
die Lymphknoten (N) und das Vorhandensein oder Fehlen
von Metastasen (M) zu ermitteln.
Die chirurgische Behandlung des Kolonkarzinoms besteht
darin, den vom Tumor befallenen Teil des Kolons zu entfernen
(Kolektomie). Es sind hinreichende Resektions-Sicherheitssäume
von mindestens 5 cm beidseits des Tumors zu entfernen, um
Chirurgische Therapie eines Karzinoms des rechten
Kolons mit Lymphknotenausräumung: die dunklere
Zone entspricht der zu entfernenden Kolonpartie
nebst den zu entfernenden Lymphknoten
Stenosierendes Kolonkarzinom
Stenose
des linken Kolons Form eines
„abgegessenen
Apfels”
Tumor
Lymphknoten
Quelle: Professor Tiret
4 • Die TNM-Klassifikation (Tumor, Knoten (Node), Metastase) beruht auf der lokalen,
regionären (Lymphknoten-) und metastatischen Ausbreitung des Tumors
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Versicherung bei Magen- und Darmkrebs im Jahre 2012
Komplikationen nach Kolon-OP
ein späteres lokales Rezidiv zu vermeiden. Die Wiederherstellung
der Darmdurchgängigkeit erfolgt Allgemein sofort, ohne künstlichen Darmausgang (Kolostoma).
Bei der Kolektomie wird ebenfalls eine Entfernung der Lymphknoten in der unmittelbaren Nähe des Tumors vorgenommen:
Man nennt dies „Lymphknotenausräumung”.
Es kommt nur selten zu Komplikationen und die Mortalität liegt
unter 1%. Hierbei kann es sich um eine undichte Nahtstelle der
Kolonanastomose, um eine Peritonitis (Bauchfellentzündung)
oder eine Darmfistel handeln.
Auch thromboembolische Komplikationen (Phlebitis, Lungenembolie) können auftreten. Diese werden durch das Tragen von
Stützstrümpfen und eine Prophylaxebehandlung mit Antikoagulantien verhindert, die für mehrere Wochen nach der Krankenhausentlassung eingenommen werden.
Die histologische Analyse der Lymphknoten ist ausschlaggebend
für die weitere Behandlung. Kurz gesagt ist bei positivem
Befund der Lymphknoten, d.h. bei deren Befall mit Krebs,
eine postoperative Chemotherapie angezeigt. Im gegenteiligen Fall erfolgen zumeist nur regelmäßige Kontrolluntersuchungen.
Chemotherapie
Die Kolonchirurgie erfolgt klassisch am „offenen Unterleib”,
doch seit einigen Jahren wird auch eine laparoskopische Kolonchirurgie durchgeführt (Kamera und chirurgische Instrumente
werden durch ein „Schlüsselloch”, d.h. durch kleine Öffnungen
in die Bauchhöhle eingeführt). Der Vergleich der Ergebnisse einer
traditionellen und einer laparoskopischen Kolektomie ergibt
keine Unterschiede in Bezug auf Überleben, Rezidivrate und
Lebensqualität.
Hingegen sind die Auswirkungen der Operation weniger ausgeprägt bei der Laparoskopie, denn sie verursacht weniger Schmerzen und folglich einen geringeren Schmerzmittelbedarf. Auch
die Darmpassage setzt schneller wieder ein und die Entlassung
aus dem Krankenhaus geht rascher.
Nach der Kolonoperation kann die Notwendigkeit einer ergänzenden (adjuvanten) Chemotherapie bestehen. Der ausschlaggebende Faktor bei der Entscheidung für oder gegen eine
Chemotherapie ist derzeit die Lymphknoten-Infiltration - N(1.2).
Ist der Einsatz der adjuvanten Chemotherapie
bei N0-Patienten angezeigt?
Wenn keine Lymphknoten-Infiltration (N0) vorliegt, ist das Rezidivrisiko dennoch nicht ausgeschlossen. Es beträgt ca. 20%. Die
adjuvante Chemotherapie bringt jedoch in diesen Fällen kaum
einen Vorteil und die derzeitige Empfehlung lautet daher, bei
Nichtvorliegen einer Lymphknoten-Infiltration keine Chemotherapie zu verabreichen.
Frühzeitige Rehabilitation der Patienten
Gesamtüberlebensrate von behandelten Patienten
mit Kolorektalkarzinom der Klassifikation N0,
mit oder ohne adjuvante Chemotherapie
Dieser Ansatz bewirkte im Zuge des letzten Jahrzehnts einen
bedeutenden Fortschritt bei der Versorgung von Patienten mit
Kolonkarzinomen. Es handelt sich um einen disziplinübergreifenden Ansatz unter Beteiligung von Chirurgen, Anästhesisten,
Krankengymnasten und Pflegepersonal. Die Zielsetzung lautet,
die Behandlungsdauer zu verkürzen, um den Patienten in die
Lage zu versetzen, das Krankenhaus rascher zu verlassen.
1,0
0,9
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0,0
In der Praxis bedeutet dies, dass die präoperative Kolonvorbereitung und Medikation vereinfacht, die Infusionen während der
Operation auf ein Mindestmaß reduziert werden, die Eröffnung
der Bauchdecke kleiner gehalten, Drainagen und Magensonden
vermieden werden und Nahrungsaufnahme und Mobilisierung
des Patienten sehr rasch wieder hergestellt werden.
Die Operationen waren insgesamt weniger traumatisch und
ermöglichten es den Patienten im günstigsten Fall, das Krankenhaus drei Tage nach der Operation eines Kolonkarzinoms
zu verlassen.
84% 1-5%
82%
Überleben
ohne Rezidiv
Chemotherapie
Ohne
Chemotherapie
0
6
12
18 24 30 36
Zeit (in Monaten)
42
48
Quellen: Michel P. Gastroenterology 1999;117:784-93, IMPACT b2. J Clin Oncol
1999;17:1356-1363, Gray RG. Proc Am Soc Clin Oncol 2004;abs 3501
8
SCOR inFORM - Dezember 2012
Einsatz der adjuvanten Chemotherapie
bei N(1.2)-Patienten
nicht unbeachtliche rezidivfreie Überlebensrate nach fünf Jahren
bei Patienten, die noch unlängst als unheilbar galten.
Wenn eine Lymphknoten-Infiltration vorliegt (N1.2), haben seit
den 90er Jahren Chemotherapien auf der Grundlage von 5FU/
Levamisol signifikante Verbesserungen der Überlebensrate gezeigt. Jüngst gelang eine weitere 25%-ige Steigerung der
Überlebensrate ohne Rezidiv durch das Folfox-Schema (5FU–
Folsäure – Oxaliplatin).
72,2%
65,3%
0
6
12
18 24 30 36
Zeit (in Monaten)
42
6
-2
00
3
04
20
-2
00
0
20
01
-2
00
7
98
19
-1
99
4
95
99
-1
Interdisziplinäre Tumorkonferenz
In allen Fällen wird die Entscheidung, eine adjuvante Chemotherapie einzusetzen, erst nach Erörterung auf der Interdisziplinären
Tumorkonferenz getroffen, an der Ärzte aller betroffenen Fachrichtungen teilnehmen, wobei die Lymphknoten-Infiltration
als ausschlaggebender Faktor gilt. Es gibt jedoch auch noch
weitere untergeordnete Rezidiv-Risikofaktoren wie eine OP im
Stadium des Darmverschlusses oder bei Peritonitis, bei einer
einen Nerven umschließenden Wucherung, Vorliegen von Blutoder Lymphgefäß-Embolien usw. sowie neuere prognostische
Kriterien, auf die später eingegangen wird und die es auf der
Tumorkonferenz zu erörtern gilt, um eine optimale therapeutische Versorgung sicherzustellen.
FOLFOX
LV5FU2
Ohne
Chemotherapie
45%
92
Diagnosejahr
Quellen: Kopetz S et al. J Clin Oncol 2009; 27:3677-83
Gesamtüberlebensrate von behandelten Patienten
mit Kolorektalkarzinom der Klassifikation N(1.2),
mit oder ohne adjuvante Chemotherapie
1,0
0,9
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0,0
19
19
90
-1
99
1
Heutzutage tragen Patienten mit kolorektalem Karzinom und
Lymphknoten-Infiltration, die eine Chemotherapie erhalten, ein
Rezidivrisiko von unter 30%. Doch die Intensitätssteigerung der
Chemotherapie erhöht ebenfalls deren Toxizität. Insbesondere
Oxaliplatin besitzt eine neurotoxische Wirkung, die zu Sensibilitätsstörungen und Parästhesien führen kann.
36
30
24
18
12
6
0
19
Überlebensrate nach
5 Jahren (%)
Gesamtüberlebensrate nach 5 Jahren von
behandelten Patienten mit Kolorektalkarzinom
und Metastasen nach Diagnosejahr gegliedert
48
Quellen: Andre T et al. N Engl J Med 2004;350:2343-51
Prognose
Chemotherapie und chirurgische
Intervention bei Metastasen
Bei der Prognose des kolorektalen Karzinoms gilt das Auftreten
bzw. fehlende Auftreten eines Rezidivs innerhalb von drei Jahren
nach der Krebsoperation als entscheidendes Kriterium. Mehrere
Studien haben eine Korrelation zwischen rezidivfreiem Überleben nach drei Jahren und Gesamtüberlebensrate auf lange Sicht
aufgezeigt.
Statistisch gesehen bestehen für das kolorektale Karzinom
gute Heilungschancen. Über alle Stadien hinweg beträgt
die Überlebensrate nach fünf Jahren 65% bei Frauen und
61% bei Männern.
Bei Vorliegen von Fernmetastasen ist die Chemotherapie auf
dem Vormarsch. Sie ermöglicht es, die mittlere Überlebensrate
mit ca. 30 Monaten ein wenig zu verbessern. Dieser Fortschritt
ist zwar ermutigend, aber natürlich unzureichend. Der Trend
geht daher zurzeit zu einer aggressiveren Behandlung von Metastasen. In bestimmten Fällen wie beispielsweise bei Lebermetastasen wird die chirurgische Entfernung angeboten. Ihre
Ergebnisse sind aussichtsreich. Heutzutage können 20% der
Patienten eine Metastasen-Operation erhalten. Einige von
ihnen haben bereits eine präoperative Chemotherapie erhalten,
um die Metastase zu verkleinern und so ihre chirurgische Entfernung zu ermöglichen5. Diverse Studien6 zeigen inzwischen eine
5 • D Smith et al. JFHOD 2010;4569
6 • Masi G et al. Ann Surg 2009; 249: 420-5. Adam R et al. J Clin Oncol
2009;27:1829-35. Goéré D et al. Ann Surg 2010; 251:686-91
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Versicherung bei Magen- und Darmkrebs im Jahre 2012
TNM-Klassifikation für das Kolorektalkarzinom
T = Tumor, N = Knoten, M = Metastase
Schleimhaut
T1
Gewebeschicht
unterhalb der Schleimhaut
Muskulär
T2
T3
T4
Darmwand
Serös
N0
N(1.2)
Infiltration benachbarter Organe
N0 = ohne Infiltration von Lymphknoten, N(1.2) = Infiltration von Lymphknoten (1 oder mehrere), Nx = unbestimmt
M0 = ohne Metastasen, M1 = Vorliegen von Metastasen (Leber, Lungen usw.), Mx = unbestimmt
Quelle: Société Nationale Française de Gastro-Entérologie (Französische Gesellschaft für Gastroenterologie, SNFGE)
TNM-Stadium
Das TNM-Stadium des Tumors stellt selbstverständlich den
ausschlaggebenden prognostischen Faktor dar: es besteht
eine 90%-ige Überlebensrate nach fünf Jahren in den Anfangsstadien ohne Infiltration der Lymphknoten (N0), wobei diese Zahl
auf 5 bis 15% bei Vorliegen von Metastasen M(1.2) sinkt. Hieraus
wird die Bedeutung der Früherkennung ersichtlich. Die Diagnose im Spätstadium bei Darmverschluss oder Peritonitis oder bei
Vorliegen von im Rahmen der histologischen Untersuchung des
Tumors sichtbaren tumoralen Gefäßembolien gilt darüber hinaus als erschwerender prognostischer Faktor.
mangelhafte Reparatur der Chromosomen zurückzuführen,
was als „Mikrosatelliteninstabilität” (MSI) bezeichnet wird.
MSI-Tumore weisen eine günstigere Prognose auf als MSSTumore, da sie ein geringeres Risiko von Lymphknotenund Fernmetastasenbildung aufweisen. Die prognostische
Beurteilung von Kolorektalkarzinomen der Klassifikation N0
erfolgt zudem anhand des MSI- oder MSS-Status des Tumors.
Neben der prognostischen Relevanz besitzt der MSI- oder MSSStatus zudem eine therapeutische Relevanz, denn MSS-Tumore
sprechen besser als MSI-Tumore auf Chemotherapien an, insbesondere bei 5FU-basierenden Behandlungen.
Gesamtüberlebensrate nach 5 Jahren von behandelten
Patienten mit Kolorektalkarzinom, aufgeschlüsselt
nach MSI- oder MSS-Status des Tumors
Parallel zur TNM-Klassifikation entwickeln sich jedoch neue
prognostische Kriterien. Die im Folgenden dargestellten Kriterien dürften in Kürze Einfluss auf die Behandlung des kolorektalen Karzinoms haben.
100
Überlebensrate (%)
MSS- und MSI-Status
Auf zellulärer Ebene geht das Auftreten eines kolorektalen Karzinoms mit zwei wichtigen biologischen Mechanismen einher. In
den meisten Fällen (85%) handelt es sich um eine Anhäufung
chromosomaler Mutationen aufgrund verschiedener schädigender Einflüsse, denen die Kolorektalzellen ausgesetzt sind, in
Kombination mit natürlichen „Kopierfehlern” bei der Replikation
von Zellen zur Geweberegeneration. Der Tumor erhält die Bezeichnung „MSS”, was für „Mikrosatellitenstabilität” steht. Bei den
verbleibenden 15% ist die Karzinomentwicklung auf eine
80
76% MSI
60
54% MSS
40
p<0,0001
20
0
0
2
4
6
8
Jahre nach der Diagnose
Quelle: Gryfe. N Engl J Med 2000;342:69-77
10
10
SCOR inFORM - Dezember 2012
Zukunftsaussichten
Doch es gibt noch weitere Faktoren, die Umwälzungen gegenüber der klassischen prognostischen Beurteilung des kolorektalen Karzinoms darstellen. So erschien beispielsweise im Jahre
2005 eine Studie, die aufzeigt, dass die peritumorale Infiltration
durch lymphozytäre Immunzellen einen maßgebenden prognostischen Faktor beim kolorektalen Karzinom darstellt.
Ein Patient in einem frühen Krebsstadium nach TNM-Klassifikation kann im Endeffekt eine schlechte Prognose haben, wenn
keine peritumorale lymphozytäre Infiltration vorliegt. Auch der
Umkehrschluss hat sich als zutreffend erwiesen.
Es existieren zudem weitere Tests zur Prognoseeinschätzung des
kolorektalen Karzinoms und Orientierung der therapeutischen
Versorgung. Diese sind bereits in einigen Ländern erhältlich, obwohl ihre Validierung an einer hinreichend großen Population
noch aussteht. Daher bleibt Vorsicht geboten.
Rektumkarzinom
Das besondere Problem beim Rektumkarzinom liegt im Erhalt des
Schließmuskelapparates. Gelingt dies nicht, ist ein bleibender
künstlicher Darmausgang (Kolostoma) unerlässlich. Es gibt jedoch
noch weitere markante Besonderheiten wie zum Beispiel den
Zugriff auf den Tumor im Rahmen einer sehr einfachen klinischen
Untersuchung (Rektaluntersuchung). Zudem bieten sich die
Sono-Endoskopie und das Rektal-MRT zur Beurteilung der lokoregionären Ausbreitung des Tumors an. Das Rektumkarzinom
unterscheidet sich auch dadurch, dass eine Reihe von Tumoren
zunächst mit Strahlentherapie bzw. sogenannter neoadjuvanter
Strahlen-Chemotherapie behandelt wird und die Operation erst
in einem zweiten Schritt erfolgt. In einigen ausgewählten Fällen
ermöglicht eine solche Behandlung es, die Größe des Tumors
soweit zu reduzieren, so dass die lokale Tumorexzision leichter
erfolgen kann. Das Ziel dieser Behandlung besteht jedoch in
erster Linie in einer Halbierung des lokalen Rezidivrisikos.
Bei der Operation ist der Tumor mit einem hinreichenden Sicherheitssaum bei der Resektion des Rektums zu beseitigen, gewöhnlich über 1 cm, um das Risiko eines lokalen Rezidivs zu begrenzen.
Moderne chirurgische Verfahrenstechniken zielen darauf ab, in
80 bis 85% der Fälle den Schließmuskel zu bewahren, wobei in
manchen Fällen eine zeitweilige Kolostomie vorgenommen wird.
Das funktionale Ergebnis nach der chirurgischen Rekonstruktion
der Region ist maßgebend, denn der chirurgische Eingriff kann zu
Störungen der Darmtätigkeit und schwerer Stuhlinkontinenz
führen. Liegt der Tumor sehr nahe am Schließmuskel des Afters
bzw. hat er diesen infiltriert, kann der Schließmuskel nicht erhalten werden (15% der Fälle). Hier ist eine bleibende Kolostomie
11
angezeigt, der von den Patienten so befürchtete „künstliche
Darmausgang” (Kolostoma, auch Anus praeter genannt). Es
kann jedoch eine gewisse Akzeptanz beim Patienten erzielt
werden, wenn dieser den Stuhlabgang durch regelmäßige Einläufe zur Stuhlentleerung gut kontrollieren kann.
Eine Umfrage aus dem Jahre 2009 ergab, dass die Rate der Kolostomie-Patienten von der Erfahrung des Chirurgen abhängt: je
erfahrener der Chirurg, desto seltener greift er auf die endgültige Kolostomie zurück. Abschließend sind Patienten mit Rektumkarzinom auch über mögliche Störungen des Sexuallebens aufzuklären (Impotenz, Ejakulationsstörungen). Diese Komplikationen
können sich durch eine präoperative Strahlentherapie verstärken.
Die Wirksamkeit der postoperativen Chemotherapie bei Rektumkarzinom ist nicht klar erwiesen. Dennoch wird sie in Anlehnung
an den Erkenntnisstand zum Kolonkarzinom häufig vorgeschlagen. Für Patienten, die vollständig auf die Behandlung ansprechen, besteht derzeitig der Trend darin, nach einer neoadjuvanten Strahlen-Chemotherapie keine postoperative Chemotherapie
durchzuführen.
Tumor-Nachsorge
Das Ziel der Tumornachsorge ist es, ein lokales Rezidiv oder Fernmetastasen möglichst frühzeitig zu erkennen. Zumeist handelt es
sich um Lebermetastasen (80% der Fälle), an zweiter Stelle kommen die Lungenmetastasen und seltener ossäre oder zerebrale
Metastasen. Die Nachsorge eines Kolorektalkarzinoms erfolgt
Lebermetastase eines Kolonkarzinoms
(Computertomografie)
Leber
Niere
Metastase
klinisch und radiologisch anhand einer Abdomen-Sonografie
oder anhand einer Thorax- und Abdomen-CT, sowie Bestimmung
des CEA-Spiegels im Blut (Carcinoembryonales Antigen). Bei
Nichtvorliegen von Fernmetastasen erfolgen diese Nachsorgeuntersuchungen in den ersten drei Jahren alle drei bis vier Monate
Assurer les cancers
Versicherung
bei Magengastrique
und Darmkrebs
et colorectalimenJahre
20122012
Risikofaktoren für Magenkrebs
und anschließend zwei weitere Jahre lang halbjährlich. Nach 5
Jahren erfolgen keine speziellen Nachsorgeuntersuchungen mehr, mit Ausnahme einer Koloskopie alle 5 Jahre. Der PETScan wird derzeit nicht standardmäßig für die Nachsorge empfohlen, sondern zur Erkennung von Metastasen eingesetzt, wenn die
klassischen Untersuchungen keinen Aufschluss bieten (beispielsweise bei isoliertem Spiegelanstieg des Tumormarkers CEA).
Helicobacter
pylori
Magenkarzinom
Das Magenkarzinom (Magenkrebs), stellt aufgrund seiner Prävalenz in bestimmten Regionen der Welt wie beispielsweise Asien
und Osteuropa ein Problem der öffentlichen Gesundheit dar. In
den meisten anderen Ländern ist seine Inzidenz hingegen paradoxerweise gering und konstant rückläufig. Hinsichtlich der Auftrittshäufigkeit rangiert es weit hinter dem Kolonkarzinom.
Weltweit befällt diese Krebsform vorwiegend Männer.
Die unterschiedlichen Formen
von Magenkrebs und ihre
begünstigenden Faktoren
Adenokarzinom
95% der Magenkarzinome sind Adenokarzinome. Als Hauptrisikofaktor gilt eine Infektion der Magenschleimhaut mit
Atrophische
Gastritis
DarmMetaplasie
Krebs
80% + 20%
Quellen: Figueiredo C. et al. J Natl Cancer Inst 2002;94:1680-7 - Talley NJ. Lancet
2008;372:350 - Murphy G et al. Gastroenterology 2009; in press
dem Bakterium Helicobacter pylori (HP). Es handelt sich um
eine der am weitesten verbreiteten chronischen Infektionen
weltweit: Die Infektionsrate beträgt abhängig vom Land zwischen
20 und 90% der erwachsenen Bevölkerung. Diese gewöhnlich
in der Kindheit erworbene Infektion steht in direktem Zusammenhang mit dem sozioökonomischen Entwicklungsstand des
Landes. Je schlechter die Hygienebedingungen, desto höher liegt
der Anteil der an Helicobacter pylori erkrankten Bevölkerung.
Die Infektion mit Helicobacter pylori verursacht eine als Gastritis
bezeichnete Entzündung der Magenschleimhäute. Diese HPGastritis nimmt in manchen Fällen einen chronischen Verlauf
und führt zu einer intestinalen Metaplasie. In Kombination mit
weiteren Kofaktoren wie Alkohol-, Tabakkonsum und Ernährung
Prozentsatz der an HP erkrankten Bevölkerung weltweit, aufgeschlüsselt nach Regionen
30%
30%
50%
40%
70%
80%
70%
50%
70%
70%
90%
70%
80%
genetische
Faktoren
sonstige (EpsteinBarr-Virus, Alkohol-,
Tabakkonsum
usw.)
90%
70%
80%
20%
Quelle: Stiftung
„The helicobacter
Foundation”
12
SCOR inFORM - Dezember 2012
sowie bei Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) oder einer
genetischen Veranlagung kann aus dieser Metaplasie ein Magenkarzinom entstehen. Die Infektion mit Helicobacter pylori allein
verursacht jedoch kein Karzinom; im Übrigen entwickeln weniger
als 3% der mit HP infizierten Personen Magenkrebs. Wie bei den
meisten anderen Krebsformen liegt daher beim Magenkarzinom
eine multifaktorielle Ätiologie vor, wobei Veranlagung und erworbene Faktoren gleichermaßen eine Rolle spielen.
Die systematische Behandlung von HP-Trägern mit Antibiotika wird
derzeit debattiert, da das Kosten-Nutzen-Verhältnis umstritten und
das Risiko, dadurch eine Antibiotikaresistenz zu begünstigen, nicht
von der Hand zu weisen ist. Hingegen tendiert man heute verstärkt
zu der Empfehlung, Helicobacter pylori bei Blutsverwandten ersten
Grades von Magenkrebspatienten zu eradizieren.
In selteneren Fällen kann es auch bei der Biermer-Krankheit,
einer 2/3-Resektion des Magens (Gastrektomie), der MénétrierKrankheit und gutartigen Adenomen zur Entstehung von
Magenkrebs kommen.
Es gibt eine seltene Form eines gering differenzierten Adenokarzinoms, das die unterschiedlichen Schichten der Magenwand
infiltriert, ohne sie zu zerstören. Diese Form des Magenkrebses
nennt sich Linitis plastica. Problematisch ist, dass Biopsien im
Rahmen der Gastroskopie unauffällig sein können und die Diagnosestellung verzögern bzw. in die Irre führen können.
erforscht. Bei etwa 1/3 der GIST-Patienten ist ein maligner
Verlauf mit Rezidiv oder Tumor-Metastasen zu beobachten.
Behandlung und Prognose
Die Diagnose des Magenkarzinoms wird zumeist im Spätstadium
gestellt, im Rahmen der ätiologischen Abklärung einer Anämie,
einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes, unspezifischen
Schmerzen oder Verdauungsstörungen oder auch bei der ätiologischen Abklärung von Lymphknoten-, Leber- oder Lungenmetastasen. Zumeist entwickelt sich der Tumor langsam in der Magenhöhle. Bei Diagnosestellung im Rahmen einer Gastroskopie
ist der Tumor meistens bereits sehr groß. Seine Behandlung ist
problematisch und die Prognose eher zurückhaltend.
Das Adenokarzinom des Magens muss operativ entfernt
werden, dies ist die einzige Behandlung mit Heilungsaussicht.
Die chirurgische Behandlung besteht in einer Teil- oder Totalgastrektomie, je nach Lokalisation des Tumors. Bei Karzinomen im
unteren Bereich des Magens erfolgt eine subtotale Gastrektomie
(Teilentfernung des Magens). In allen anderen Fällen wird er
komplett entfernt (totale Gastrektomie).
Der Verlust des kompletten Magens bzw. eines großen Teils des
Magens ist für den Körper eine große Umstellung. Die Gastrektomie bewirkt stets einen Gewichtsverlust von rund zehn Kilogramm
Totale Gastrektomie
Lymphome
Bei 3% der bösartigen Magentumore handelt es sich um Lymphome. Es gibt zweierlei Formen:
• das MALT-Lymphom des Magens (mucosa associated
lymphoid tissue), ein kleinzelliges, niedriggradig malignes
Lymphom. Dieses Lymphom entwickelt sich genau wie das
Adenokarzinom aus einer Magenentzündung infolge einer
Infektion mit Helicobacter pylori;
• das großzellige, hochgradig maligne B-Zell-Lymphom,
Dieses stellt sich zumeist in Form eines großen, ulzerierten
Tumors bei der Endoskopie dar.
Gastrointestinale Stromatumore (GIST)
GIST sind seltene Tumore des Verdauungstraktes, die sich zumeist an der Magenwand bilden. Diese Tumore wurden früher
häufig mit Leiomyomen oder Schwannomen verwechselt und
wurden erst um das Jahr 2000 genauer eingegrenzt und näher
13
Quelle: Professor Tiret
Assurer les cancers
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bei Magengastrique
und Darmkrebs
et colorectalimenJahre
20122012
Gesamtüberlebensrate nach 5 Jahren
von behandelten Patienten mit Magenkrebs,
aufgeschlüsselt nach TNM-Stadium
TNM
Krebs 2000, Vereinigte Staaten
T1N0M0
78%
T1N1M0
T2N0M0
58%
T1N2M0
T2N1M0
T3NOM0
34%
T2N2M0
T3N1M0
T4N0M0
20%
T3N2M0
8%
T4N1,2,3M0,M1
7%
Die anderen Lymphome sind entweder indolent oder aggressiv.
Sie sprechen gut auf Chemotherapie an und sind gewöhnlich für
den Patienten nicht lebensbedrohlich.
Gastrointestinale Stromatumore (GIST). Prognose und Behandlung hängen von zwei wesentlichen Parametern ab: erstens
von der Größe des Tumors, die 15 bis 20 cm betragen kann und
andererseits vom mitotischen Index, d.h. der Anzahl der im Tumor
in Zellteilung befindlichen Zellen. Das Rezidivrisiko ist bei GIST
von unter 2 cm Größe und mit einem niedrigen mitotischen
Index (<5) sehr gering, so dass hier regelmäßige Kontrolluntersuchungen ausreichend sind.
Bei großen GIST mit hohem mitotischem Index (>10) hingegen
besteht ein hohes Rezidivrisiko, so dass hier eine operative Entfernung mit adjuvanter Behandlung durch tägliche orale Einnahme
von Imatinib (Glivec®) über einen Zeitraum von drei Jahren erfolgt.
Tarifierung von Magenund Darmkrebs
Quelle: Professor Michel
und der Patient muss seine Nahrungsaufnahme auf mehrere
kleine Mahlzeiten verteilen. Darüber hinaus ist alle vier Monate
eine Vitamin B12-Injektion erforderlich, da nicht mehr genügend
Vitamin B12 über den Magen resorbiert wird.
Die Heilungsergebnisse eines rein operativ behandelten Adenokarzinoms des Magens bleiben mit lediglich 30% Überlebenden
nach 5 Jahren bei einer Tumorklassifikation von T3N0 dürftig.
Maßgebend für die Risikoprüfung ist die endgültige TNM-Stadieneinteilung nach der Operation, wobei der Lymphknotenstatus
N als erschwerender Tarifierungsfaktor zu betrachten ist.
Kolorektales Karzinom (Adenokarzinom)
Derzeit wird in einigen Fällen eine prä- und postoperative Chemotherapie in Kombination mit Strahlentherapie diskutiert, doch
auch in diesem Fall bleibt die Gesamtüberlebensrate sehr gering.
Bei Vorliegen einer oder mehrerer Fernmetastasen und insbesondere bei Leber- oder Lungenmetastasen sind die Überlebensraten
noch schlechter. Die durchschnittliche Überlebensdauer beträgt
weniger als ein Jahr, unabhängig von der eingesetzten Chemotherapie. Es wird aktive medizinische Forschung betrieben, um
die Chemotherapie-Behandlung auf das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen bestimmter Rezeptoren an der Oberfläche der Tumorzellen abzustimmen (z. B. liegen bei 15% der Magenkarzinome
HER2-Rezeptoren vor), doch auch dies verbessert das Überleben
der Patienten lediglich um einige Monate.
Tumore ohne Lymphknoteninfiltration sind bereits ein Jahr nach
der Operation versicherbar, wohingegen Tumore mit Lymphknotenbeteiligung (N1, N2) erst 5 Jahre nach der Operation versicherbar sind.
Anschließend ist das Risiko entsprechend dem Stadium einzuschätzen bzw. kann nach 5 bzw. 10 Jahren ohne Rezidiv ohne
Zuschlag versichert werden. Tumore mit lokoregionärem Rezidiv
bzw. Fernmetastasen können bei Vorliegen einer Remission von
mindestens 5 Jahren individuell eingeschätzt werden.
Magenkarzinom (Adenokarzinom)
Das MALT-Lymphom des Magens ist besonders bemerkenswert. Erfolgt eine Eradikation des Helicobacter pylori durch die
Gabe von Antibiotika, lässt sich in 80% der Fälle eine Heilung mit
hervorragender Prognose erzielen. Diese Krebsform wird somit
nicht mit Chemotherapie, sondern mit Antibiotika behandelt!
Bei diesem Tumor ist Vorsicht geboten, denn auch 2012 ist seine
Prognose noch unverändert schlecht. In den meisten Fällen sind
Tumore ohne Lymphknoteninfiltration 7 Jahre nach der operativen Entfernung versicherbar. Tumore mit Lymphknotenbeteiligung (N1, N2) sollten generell abgelehnt werden.
14
SCOR inFORM - Dezember 2012
Fazit
Im Jahre 2012 wurden bedeutende medizinische Fortschritte bei
der Behandlung von Magen- und
Darmkrebs erzielt, insbesondere in
den Bereichen Endoskopie, Radiologie (Computertomografie, MRT,
Pet-Scan-Verfahren), Genetik, Chirurgie, Chemotherapie und Strahlentherapie. Ein weniger spektakulärer jedoch ebenso bedeutender Fortschritt war die Generalisierung der disziplinübergreifenden
Versorgung von Krebspatienten.
Anatomische Zeichnung des Darmtraktes, Trong Jim Tchou King, Zeichnung von Dr. Orang Oe-te.
Chinesisches Manuskript (Ms chinois) 5341, BN, Paris
In den meisten Ländern hat sich
eine Kooperation zwischen Spezialisten aller Fachrichtungen etabliert, um eine bestmögliche medizinisch-chirurgische Versorgung
eines jeden Einzelfalles zu erreichen. Patienten mit Krebserkrankungen des Verdauungstraktes
ziehen aufgrund der Komplexität der medizinischen Versorgung
große Vorteile aus den interdisziplinären Tumorkonferenzen.
Festzuhalten ist, dass Darmkreb insgesamt eine bessere Prognose hat als Magenkrebs und dass
die TNM-Klassifikation für die Risikobeurteilung beider Tumorformen maßgebend ist. Auf diesem
Gebiet ist jedoch nichts in Stein gemeißelt und es kristallisieren sich neue prognostische Faktoren
heraus (MMS- bzw. MSI-Status, peritumorale lymphozytäre Infiltration beim Kolorektalkarzinom usw.).
Somit liegt es an uns, diese Entwicklungen zu verfolgen und sie in der Welt der Versicherungen umzusetzen.
15
SCOR Global Life
5 avenue Kléber
75795 Paris Cedex 16
France
www.scor.com
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