Haus der Natur Presseinformation zur Ausstellungseröffnung „LEBENS GEFAHR? Die (un)erschöpfliche Vielfalt der Natur Im Internationalen Jahr der Biodiversität ist die Vielfalt des Lebens in aller Munde. Doch unsere Vielfalt ist bedroht – das weiß man nicht erst seit dem Scheitern der internationalen Initiative „Countdown 2010“. Niemand kann genau sagen, wie viele Arten täglich aussterben, wie viele Lebensräume für immer von unserem Planeten verschwinden, aber die Tendenz ist steigend, und zwar besorgniserregend. „Lebens – Gefahr? Die (un)erschöpfliche Vielfalt der Natur“ setzt sich also mit einem hochaktuellen und brisanten Thema auseinander. Doch die Ausstellung konfrontiert uns nicht nur mit der Bedrohung unserer Vielfalt, sie informiert auch über ihre oftmals unterschätzte Bedeutung für uns Menschen und was man zu ihrem Schutz beitragen kann. Selbst die Entstehung aller Vielfalt auf unserem Planeten wird verständlich und lässt einen große Zusammenhänge unserer Natur begreifen. Einzigartig sind sowohl Umfang der Ausstellung – sie ist die größte zum Thema in Mitteleuropa – als auch Art der Vermittlung: Mit originellen Ausstellungsmodulen und innovativer Präsentationstechnik erfahren wir uns als Teil der Lebensvielfalt, werden geradezu mitten hinein gezogen. „Lebens – Gefahr? Die (un)erschöpfliche Vielfalt der Natur“ lässt uns staunen und verstehen, sie macht uns betroffen. Doch ihre größte Leistung ist es wahrscheinlich, dass wir eines erkennen: Ohne Vielfalt ist alles nichts. Diese Presseninformation inklusive Fotos finden Sie auch als Download auf unserer Homepage www.hausdernatur.at im Bereich Presse. Pressekontakt: Mag. Charlotte Kraus | Tel: 0662 – 84 26 53 – 246 E-Mail: [email protected] Die Ausstellung im Detail Vier große Themenblöcke gibt es in der Ausstellung: Was ist Vielfalt? Wie entsteht Vielfalt? Vielfalt in Gefahr! Wert der Vielfalt & Vielfalt erhalten Spickzettel Biodiversität Biodiversität ist der Fachbegriff für die unglaubliche Lebensvielfalt unseres Planeten. Sie umfasst die Vielfalt innerhalb einer Art (genetische Vielfalt), die Fülle an Tier- und Pflanzenarten und die Vielfalt der Lebensräume der Erde. WAS IST VIELFALT? Artenvielfalt Gleich beim Eingang in die Ausstellung wird die Lebens-Vielfalt deutlich spürbar. Bunte Würfel stehen für unterschiedliche Organismengruppen, die Größe jedes Würfels ist mit der Anzahl an Arten innerhalb dieser Gruppe korreliert. So ist der Insekten-Würfel mit Abstand der größte: Von den weltweit 1,9 Millionen Arten, die derzeit bekannt sind, entfällt fast die Hälfte auf Insekten – welch dominierende Formenfülle! Vielfalt an Lebensräumen Am Beispiel eines heimischen Laubmischwaldes wird dargestellt, wie sich die Vielfalt jedes Lebensraums aus einer Fülle an Teillebensräumen zusammensetzt: Man findet Leben im Boden, im Totholz, im Astwerk der Bäume, sogar jedes Tier ist wiederum Lebensraum für andere Tiere. All das macht einen reich strukturierten und somit vielfältigen Lebensraum aus. Natürlich, niemand denkt gerne an Leberegel, aber faszinierend ist es trotzdem, wenn man am aufklappbaren Rehmodell sieht, wie viele Organismen es sich in dem scheuen Waldtier gemütlich machen. Sinnliche Vielfalt Auch ist die Vielfalt nicht immer wissenschaftlich - an der Geräusche-Orgel kann man sie spielerisch entdecken. Jedes Register der Orgel öffnet einen Lebensraum, die Tasten sind bestimmten Tierarten zugeordnet. Beim Spielen auf den Tasten hört man die vielfältigen Klänge des jeweiligen Lebensraums. Vielfalt innerhalb von Arten In einem weiteren Teil werden Besucher/innen selbst Teil der Ausstellung. Über einen Touchscreen kann man eigene Körpermerkmale wie zum Beispiel Nasenform, Haarfarbe oder Augenfarbe in eine Datenbank eingeben und mit denen anderer Besucher/innen vergleichen. So erkennt man, wie häufig die eigenen Merkmale sind und gleichzeitig wird man eingeladen, sich mit der Vielfalt innerhalb der Art „Mensch“ auseinanderzusetzen. Planet der Vielfalt Einzigartig in Österreich ist der „Planet der Vielfalt“. Erstmals kommt hier eine innovative Projektionstechnik zum Einsatz, bei der ein 90 cm großer „magischer Planet“ als Projektionsfläche dient. Wie aus dem Weltall blickt man auf die Erde, die sich vor einem dreht und wandelt. Per Knopfdruck können unterschiedliche Programme gestartet werden, welche entweder die Großlebensräume der Erde, die Hot-Spots der Biodiversität, diverse Tierwanderungen oder den Einfluss des Menschen auf unserem Planeten sichtbar machen. Besonders faszinierend: Sogar die massenhaften Flugbewegungen und Schifffahrtsrouten des Menschen können abgerufen werden! WIE ENTSTEHT VIELFALT? Mechanismen der Evolution In einem animierten Film von David Attenborough kann man verfolgen, wie sich aus nur einer Urzelle die gesamte Vielfalt auf der Erde entwickelt hat. Und nachdem Evolution nicht gerade ein leichtes Thema ist, hilft ein animiertes Computerspiel dabei, ihre wesentlichen Mechanismen nachzuvollziehen. Hierbei versuchen die Besucher/innen unterschiedlich gefärbte Käfer einzufangen, was bei den auffällig bunten natürlich leichter gelingt. Die Käfer, die übrig bleiben reproduzieren sich und das Spiel geht von vorne los. Durch diese künstliche Selektion erreicht man in nur drei Durchgängen ein ganz anderes Aussehen der Käfer: Die gute Tarnung ist ein Vorteil, der an die Nachkommen weitergegeben wird – das Spiel macht Spaß und ist ganz nebenbei angewandte Evolution! Wege der Evolution Bei der Entstehung der Vielfalt beschreitet die Evolution viele Wege. Einige Beispiele werden in der Ausstellung vermittelt, wie etwa die Entstehung der Vielfalt durch Anpassung – oder durch Isolation. Werden zwei Populationen einer Art über lange Zeit hinweg räumlich voneinander getrennt, kann es sein, dass sich die beiden Gruppen in unterschiedliche Richtungen entwickeln. So geschehen zum Beispiel bei heimischen Gebirgsheuschrecken: Die Genitalapparate von Teilpopulationen haben sich während der eiszeitlichen Isolation voneinander so unterschiedlich ausgebildet, dass sie nun einfach nicht mehr zusammenpassen. Zwei neue Arten sind entstanden. Gut vorstellen kann man sich das an Hand eines menschlichen Beispiels: Oder haben Sie es schon einmal geschafft, einen europäischen Fön in einer amerikanische Steckdose anzustecken? VIELFALT IN GEFAHR! Zerstörung der Lebensräume Das Verschwinden von Lebensräumen ist die Hauptursache für den Verlust der Vielfalt. Global wie regional finden wir dramatische Lebensraumveränderungen, hervorgerufen durch den massiven Anstieg der Bevölkerungszahlen und den - damit verbundenen - gestiegenen Bedarf an Flächen, Ressourcen und Energie. Noch vor 50 Jahren bewohnten nur halb so viele Menschen die Erde wie heute! Anhand einer filmischen Inszenierung erkennt man den Zusammenhang zwischen der globalen Bevölkerungsexplosion und dem massiven Artensterben. In der Ausstellung sind traurige Zeugen dieser Tatsache im Original zu sehen: kostbare Präparate von Arten, die inzwischen weltweit ausgestorben sind, wie etwa eine Dronte, eine Wandertaube und der Bodensee-Steinbrech. Daneben wird auf die Ursachen des Artenschwundes vor unserer Haustüre fokussiert. Auch in unserer Region finden sich inzwischen beträchtliche Lücken im Puzzle der Lebensräume. So sind etwa von den heimischen Hochmooren nur noch wenige übrig. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs: Die Moore sind ihrerseits mit vielen spezialisierten Tieren und Pflanzen besiedelt, die beim Verschwinden des Lebensraums ebenfalls verloren gehen. Zwei Monitore zeigen mehr Beispiele und erlauben den direkten Vergleich: Nebeneinander sind Filmsequenzen aus intakten und veränderten heimischen Lebensräumen zu sehen. Aus Auwäldern wurden Gewerbegebiete, aus reich strukturierten Mischwäldern entstanden Fichtenforste, aus artenreichen Feuchtwiesen entwässerte Fettwiesen. Natürliche Flussufer wurden reguliert oder wichen Kraftwerken, Blumenwiesen verschwanden durch intensivierte Nutzung, viel zu häufige Mahd oder vermehrte Düngung. Bedrohung durch direkte Verfolgung Die Bedrohung der Vielfalt erfolgt aber auch durch direkte Verfolgung mancher Arten. Wolf, Bär, Luchs, Fischotter, Bartgeier, Steinbock, Biber, Waldrapp – sie alle waren in Salzburg heimisch und wurden ausgerottet; durch Angst, weil sie dem Menschen Konkurrenten wurden oder einfach nur weil sie gut schmeckten. In jüngerer Vergangenheit konnten einzelne unter ihnen mit teilweise großem Aufwand wieder heimisch gemacht werden. VOM WERT DER VIELFALT UND WIE MAN SIE ERHALTEN KANN Ökosysteme als Dienstleister Die meisten Menschen sind sich gar nicht bewusst, welche Dienstleistungen die unterschiedlichen Ökosysteme gratis an uns vollbringen. Ohne Bienen oder die vielen anderen Blütenbestäuber gäbe es weder Obst noch Gemüse. Ohne die zahlreichen Bodenlebewesen wären unsere Böden unfruchtbar. Beziehungsweise wäre es unglaublich kostspielig, diese natürlichen Vorgänge künstlich zu ersetzen. Auenlandschaften sind ein natürlicher Schutz vor Hochwässern – wo sie nicht mehr sind, muss man Unsummen für einen funktionierenden Hochwasserschutz ausgeben. Eindrucksvolle Beispiele, über die es sich lohnt, nachzudenken. Was ist uns die Vielfalt wert? Vom Menschen geschaffene Dinge werden ohne Zweifel als unwiederbringliche Werte angesehen. Die Geschöpfe der Natur und ihre Lebensräume erreichen diesen Stellenwert nur selten. Ein Beispiel: Der Wert des berühmten Bildes "Schwertlilien", das Vincent Van Gogh vor etwa 120 Jahren geschaffen hat, ist unbestritten. Doch welchen Wert besitzen echte Schwertlilien, deren aufwendig gestaltete Blüten sich im Laufe von Millionen Jahren entwickelt haben? Ihre Lebensräume werden nach wie vor vernichtet, es scheint, als hätten Natur und Artenvielfalt für uns Menschen nach wie vor zu wenig Gewicht. Vielfalt erhalten ... durch Engagement und Verzicht Es steht also außer Zweifel, dass wir die Vielfalt erhalten sollen, aber wie? Durch Engagement zum Beispiel. Naturschutz ist oft ganz wesentlich vom persönlichen Einsatz einzelner abhängig, deshalb kommen an dieser Stelle der Ausstellung auch Naturschützer zu Wort, die in idealistischer Weise für Projekte zum Schutz der Vielfalt eingetreten sind. Um die Vielfalt der Natur zu erhalten, ist es immer wieder notwendig, auf die Verwirklichung mancher Projekte zu verzichten. So war etwa die Entstehung der österreichischen Nationalparks erst möglich, als man bereits geplante Großprojekte wieder aufgab. Im Nachhinein hat sich dabei oft bewahrheitet, dass die vordergründige Wichtigkeit nur scheinbar war. Erinnern wir uns an die verhinderte Großbrücke über den Neusiedlersee, an die Besetzung der Hainburger Au oder an das gigantische Kraftwerksprojekt, das in den Hohen Tauern keinen Gletscherbach übrig gelassen hätte. Eine interaktive Karte zeigt hierzu die Dimension des geplanten Systems von Ableitungen und Speichern, das niemals verwirklicht wurde. Zum Glück! Vielfalt erhalten... durch gesetzlichen Schutz Parallel mit der rasanten Zunahme der Lebensraumzerstörung und des Artenschwunds hat sich weltweit auch ein System von Schutzreglements entwickelt. Es gibt keinen Winkel der Erde, in dem nicht irgendwelche Natur- oder Artenschutzmaßnahmen gelten. Alle Staaten der Erde, sowie in jüngerer Zeit auch staatenübergreifende Organisationen, haben Naturschutzgesetze und -Abkommen entwickelt. In allen Gegenden der Erde gibt es kleinere oder größere Schutzgebiete. Viele Tier- und Pflanzenarten leben heute nur mehr in solchen geschützten Bereichen. Das Überleben der Vielfalt ist also auch davon abhängig, wie gut der gesetzliche Schutz ist beziehungsweise wie gut er umgesetzt wird. Investitionen in die Vielfalt Einen weiteren Weg zum Schutz der Biodiversität stellt das gezielte Fördern von seltenen und bedrohten Arten und deren Lebensräumen dar. Hier zeigt eine Auswahl von Beispielen die Kosten für die Erhaltung der Vielfalt und vergleicht sie mit Aufwendungen für Wiederaufbau, Sanierung und Wartung von Kulturgütern und Infrastruktureinrichtungen. Ein Beispiel: Durch großflächigen Torfabbau wurde das Moorgebiet Weidmoos weitgehend zerstört. Im Rahmen eines von der EU unterstützten Naturschutzprojekts wurden 130 Hektar renaturiert. Die Kosten dafür betrugen 1,2 Millionen Euro. Beim Brand der Wiener Hofburg Ende November 1992 wurden die Redoutensäle nahezu völlig zerstört. Die Wiederherstellung kostete etwa 72 Millionen Euro. Erhalt der Vielfalt und Forschung gehören zusammen Auch Forschung leistet einen wichtigen Beitrag: Der Schutz der Vielfalt ist nur möglich, wenn wir über Vorkommen und Verbreitung der Arten Bescheid wissen. Die Erfassung und Analyse der heimischen Artenvielfalt ist eine der Aufgaben des Salzburger Biodiversitätszentrums am Haus der Natur. Hier wird der Naturreichtum von Stadt und Land Salzburg in Form von Belegsammlungen, Karten und einer moderne Datenbank dokumentiert. In der Ausstellung ist das erste Mal die Online-Version dieser Datenbank verfügbar. Über die Haus der Natur-Homepage können Besucher/innen künftig Einsicht in die Daten nehmen und sind so am aktuellsten Stand der wissenschaftlichen Forschung.