Magazin der Medizinischen Einrichtungen des Bezirks

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Ausgabe August
Nr. 3 / 2014
SYNAPSE
Magazin der Medizinischen Einrichtungen des Bezirks Oberpfalz
Vorsicht – Hochspannung!
Volkskrankheit Depression
Tuberkulose in Südamerika
2
SYNAPSE August
Inhalt
SYNAPSE August
Editorial
3
Editorial: Qualität
Bezirk
4
Kreative Kraft der Künstler aus der Region
6
Europa im Blickpunkt
7
Mit guten Wünschen in den Ruhestand
Psychiatrie
8
Volkskrankheit Depression – Teil 1
10 Pflege und Service – An einem Strang ziehen
12 Katastrophen für die Seele – Teil 2
14 Trauma – Sucht – Borderline
16 Was ist eine Gedächtnisambulanz?
18 Mit der Abhängigkeit leben lernen
21 Yoga – Einheit von Körper und Geist
22 Substanzbezogene Störungen im Alter
24 Ostbayerischer Leuchtturm Regensburg
25 Sportfest mit olympischen Gedanken
Kinder- und Jugendpsychiatrie
27Bindungsstörungen
28 24 Betten für die Nord-Oberpfalz
Neurologie
30 Vorsicht – Hochspannung!
33 Vier Millionen Euro für die Erforschung neurodegenerativer
Erkrankungen
34 Aromapflege – Die Macht der Düfte
36 Bayern gegen den Schlaganfall
Forensik
38 Mein medbo-Tag: Drinnen und draußen
40 Bolivia, mi amor!
medbo
44 Wann immer das Leben uns braucht
46 Sicherheit am Arbeitsplatz
48 Der Arbeitgeber auf der Therapiecouch
50 Der Speck ist weg!
51 Kicken für den guten Zweck
52 Halbzeit beim Projekt „Mehr Frauen in Führungspositionen“
53Personalia
43Kreuzworträtsel
54 Veranstaltungshinweise
U3 Impressum
Das Titelbild zeigt eine Sonnenblume aus den Gärten der medbo:
Ein kleiner Sommergruss der SYNAPSE-Redaktion an alle Leserinnen und Leser.
Qualität
D
ie Qualität des deutschen Gesundheitswesens ist hoch: Das
zeigt sich vor allem dann, wenn
etwa im Urlaub im Ausland medizinische Hilfe benötigt wird. In diesem Fall wollen die meisten Menschen nur eines: So schnell wie
möglich zurück nachhause, weil
man sich beim vertrauten Hausund Facharzt beziehungsweise im
Krankenhaus gut aufgehoben fühlt,
und weil man den Spezialisten zuhause doch eher vertraut, als Einrichtungen im Urlaubsland.
Doch was ist Qualität und woran
misst man Qualität?
Nach den Lehrbüchern unterscheiden wir heute Struktur-, Prozessund Ergebnisqualität. Lässt sich die
Strukturqualität etwa durch den Zustand der Gebäude, der angebotenen Diagnostik- und Medizintechnik oder der Einrichtung von Praxen und Krankenzimmer definieren, tut man sich bei den beiden
anderen Kategorien schon schwerer. Die Qualität der Behandlungsabläufe – beispielsweise im Krankenhaus – sind für den medizinischen Laien nur schwer bewertbar
oder messbar. In der Regel weiß
dieser nicht, wie optimale Abläufe
oder Prozesse anders sein sollten
– sieht man einmal von überlangen
Wartezeiten vor diagnostischen
Maßnahmen oder beim Arztbesuch
ab. Es kommt noch dazu, dass der
Patient bei medizinischen Maßnahmen wie Operationen oder Untersuchungen nicht selten schläft und
er schon deshalb nicht in der Lage
ist, die Qualität der medizinischen
Prozesse zu bewerten.
Spannend ist die Frage
dann bei der Ergebnisqualität, das
heißt: Ist für den Patienten das erwartete Ergebnis erreicht? Ist er
wieder völlig gesund? Sind seine
Erwartungen an Diagnostik und
Therapie erfüllt worden.
Dies ist aber nun einmal in
hohem Maße von der subjektiven
Wahrnehmung des Einzelnen abhängig. Hier spielen Erwartungen,
Vertrauen in handelnde Personen,
bisherige Erfahrungen und vieles
mehr die entscheidende Rolle. Der
Patient wird nicht bewerten können,
ob er nach allen Regeln der ärztlichen Kunst behandelt wurde, soweit
er nicht selbst Arzt ist. Er wird auch
nicht bewerten können, ob das Behandlungsergebnis das optimal erreichbare Ergebnis ist. Er kann aber
bewerten beziehungsweise beurteilen, wie mit ihm als Mensch umgegangen wurde, wie seine Sorgen
und Nöte gehört wurden, wie seine
Intimsphäre gewahrt wurde und wie
oft er mit dem Arzt sprechen konnte.
Auch wird er im Krankenhaus beurteilen können, wie die Sauberkeit
und die Freundlichkeit des Personals waren und wie das Essen geschmeckt hat. Das wird der Patient
am Ende unter dem Begriff „Qualität“ der Behandlung und der Einrichtung zusammenfassen. Und danach
wird er beurteilen, ob er selber wieder kommt, wenn‘s nötig ist, und ob
er anderen die Einrichtung empfiehlt
oder nicht.
Als Krankenhausbetreiber
nimmt die medbo deshalb die Beurteilung des Aufenthaltes durch Patienten sehr ernst. Viele Ergebnisse
der Patientenbefragungen sind
schon eingegangen in kleinere und
größere Verbesserungsmaßnahmen. Und es muss auch künftig unser Anspruch sein, die Patientenversorgung kontinuierlich zu verbessern.
Kurt Häupl,
Vorstand der medbo
3
SYNAPSE August
Bezirk
Sammlung Bezirk Oberpfalz
SYNAPSE August
Bezirk
Jürgen Böhm, „Tomografie“
4
Kreative Kraft der Künstler
aus der Region
Günter Bonack
Seit 1988 zeigt die Sammlung Bezirk Oberpfalz im Oberpfälzer
Künstlerhaus in Schwandorf (Kebbelvilla) das bildnerische Schaffen
von Künstlerinnen und Künstlern
aus der gesamten Region. Insgesamt umfasst die Sammlung mittlerweile 99 Objekte aus den Bereichen Malerei und Grafik sowie 35
Arbeiten aus den Bereichen Plastik und Installation. Einmal jährlich
wird die Sammlung in Form einer
großen Ausstellung präsentiert.
D
iese Kunstsammlung ist ein Archiv für die Entwicklung der Kunst
aus der Oberpfalz“, stellt Andrea Lamest fest, die seit Anfang des Jahres
die Leitung des Oberpfälzer Künstlerhauses (Kebbelvilla) vom langjährigen „Kümmerer“ Heiner Riepl übernommen hat.
In den letzten vier Jahren
wurde die Sammlung Bezirk Oberpfalz kontinuierlich erweitert, insgesamt wurden 23 Werke Oberpfälzer
Künstler erworben. Ein besonderes
Augenmerk richtet sich dabei auch
auf den Ankauf von Werken der jüngeren Künstlergeneration. Die Auswahl besorgt eine Jury mit Vertretern
aus Kunstexperten, der Bezirksheimatpflege, des Bezirkstags der
Oberpfalz und dem Landkreis und
der Stadt Schwandorf.
„Die Oberpfalz ist stark in
Wirtschaft, Kunst und Kultur“, betonte Bezirkstagspräsident Franz Löffler bei der Präsentation der diesjährigen Neuerwerbungen in der
Schwandorfer Kebbelvilla und verwies darauf, dass diese Stärken
„ganzheitlich“ die Lebensqualität in
der Oberpfalz ausmachen.
Neuerwerbungen der Sammlung
Annegret Hoch, „Konzertant“
Das Werk „Konzertant II“ der in
Cham geborenen Künstlerin Annegret Hoch „erzählt“ in starken Farben
und leuchtenden Malschwüngen von
der musikalischen Energie eines Orchesterensembles. „Etwa vier Eier
sind in den Farben des Bildes verwendet“, erläutert die Künstlerin, die
bevorzugt mit Eitemperafarben arbeitet, eine Mischung von Wasser,
Leinöl und Eigelb. Bis zur Erfindung
der Ölmalerei kam dieser Farbträger
in den Werken alter Meister wie Botticelli zum Einsatz und besticht das
Auge des Betrachters durch seine
starke Leuchtkraft der Farben.
Hochs Weg führte von der Oberpfalz
im Rahmen von Stipendien und Ausstellungen bis in die USA und nach
China. Auf ihren Reisen werden Naturphänomene wie architektonische
Räume zur Quelle der Inspiration
und künstlerischen Arbeit. Sowohl in
der Oberpfalz wie auch in ganz Bayern hat sie zahlreiche Arbeiten im
Bereich Kunst am Bau geschaffen.
Auch die Wege des Künstlers
Jürgen Böhm haben aus der Oberpfalz hinaus und wieder zurück geführt und zwar im Rahmen eines Stipendiums, das er über das Künstlerhaus in Schwandorf erhalten hat.
Sein Weg führte ins benachbarte
Tschechien nach Klatovy/Klattau. Indem er Fotonegative ähnlicher Motive aus beiden Ländern übereinanderlegt, schafft er vor dem Auge des
Betrachters einen bayerisch-böhmischen Dialog. Die Präsentation dieses fotografischen Zwiegesprächs
ordnet er in Leuchtkästen an, sein
Werk „Tomografie“ hat in der Sammlung Bezirk Oberpfalz nichts Vergleichbares.
Der 1957 in Falkenstein geborene und in Weiden i.d. Oberpfalz lebende Künstler Tone Schmidt arbeitet
mit kinetischen, also beweglichen,
Objekten. Das vom Bezirk Oberpfalz
für seine Sammlung angekaufte Objekt „Der Hirsch“ offenbart einen doppelbödigen Charakter: Einerseits hat
der elektrische Hirsch mit dem geräuschvollen Klappern seines Geweihs etwas humorvoll-ironisches an
sich, gleichzeitig wirkt diese Installation aber auch kämpferisch und bedrohlich. Für den Künstler symbolisiert der Hirsch die in stetiger Ausein-
Bernhard Maria Fuchs
Tone Schmidt, „Der Hirsch“
andersetzung lebenden Pole, die den
Menschen umtreiben zwischen Verstand und Gefühl, Bindung und Freiheit, Einlassen und Loslassen. Mit
dem Ankauf zweier Werke des im
Februar dieses Jahres früh verstor-
benen Künstlers Bernhard Maria
Fuchs hat der Bezirk Oberpfalz erstmals seit 1990 wieder Werke aus
der Gattung Landschaftsmalerei erworben. Eindrucksvoll und überzeugend schilderten bei der Präsentation seine beiden erwachsenen Töchter, wie der Vater beim Malen im
Freien mit der Natur verschmolz.
Fuchs war „ein echter Oberpfälzer,
heimatverbunden und weltoffen“,
betonte Bezirkstagspräsident Löffler,
„er holte sich auf Reisen nach Marokko, Neuseeland und Indonesien
Anregungen für seine ausdrucksstarken Naturbilder. Die Zerstörung
der Natur durch Industrie und Technik fand Eingang in seine Bilder
durch schwarze Flächen inmitten
kraftvoll gestalteter farbiger Landschaften“.
Für Kunstinteressierte ist ein
Teil des bildnerischen Werks der
Sammlung Bezirk Oberpfalz in den
Gängen der Bezirkshauptverwaltung, Ludwig-Thoma-Str. 14, während der Öffnungszeiten zugänglich.
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6
SYNAPSE August
Bezirk
SYNAPSE August
Bezirk
Verdiente Kollegen verabschieden
sich aus der Bezirksverwaltung
Mit guten Wünschen in den Ruhestand
Martina Hirmer
Zwei langjährige Mitarbeiter an
bedeutender Stelle sagten Ende
Juli „Leb‘ wohl“ und schieden aus
dem aktiven Dienst in der Bezirksverwaltung aus: Bezirkstagspräsident Franz Löffler verabschiedete
Leitenden
Regierungs­
direktor Karl-Peter Hartmann und
Regierungsrat Georg Lenz mit
launigen Worten und guten Wünschen in die passive Phase der
Altersteilzeit beziehungsweise in
die Pension.
K
Das Bild zeigt das Präsidium der Europaregion
Donau-Moldau mit dem diesjährigen Vorsitzenden
Bezirkstagspräsident Franz Löffler (6. von links)
arl-Peter Hartmann leitete beginnend vom 1. Juli 1994 die Bezirkssozialverwaltung, die größte Ab­
teilung der Bezirksverwaltung mit
zwischenzeitlich 110 Mitarbeitern –
bei seinem Amtsantritt waren es
noch 50. Er war seit 1999 Vertreter
des Bezirkstagspräsidenten im Amt
und nicht nur deswegen ein „gewichtiger“ Mitarbeiter. Vielmehr hatte er
das Gros des Bezirkshaushalts zu
verantworten: Mit über 90 Prozent
des Verwaltungshaushalts ist der
Einzelplan 4 – Soziale Sicherung der
bedeutendste Teil. Waren es bei
Hartmanns Amtsantritt noch Ausgaben in Höhe von 176 Millionen Euro,
so betragen diese heute 327 Millionen Euro. Dies verdeutlicht den Aufgaben- und Verantwortungszuwachs
im Bereich der Eingliederungshilfe,
insbesondere durch die Inklusion,
und der Hilfe zur Pflege. „Sie haben
die Soziale Sicherung in der Oberpfalz geprägt wie kein anderer. Sie
waren ein strenger, aber gerechter
Sachwalter des Mach- und Finanzierbaren im Sozialbereich“, lobte
Bezirkstagspräsident Löffler Hartmann zum Abschied.
Georg Lenz zählte zu den
dienstältesten Mitarbeitern der Bezirksverwaltung. Er wurde 1975 dem
damals noch unselbstständigen Bezirk als Mitarbeiter zugewiesen. Im
„Sachgebiet 140 – Bezirkshauptverwaltung“ der Regierung der Ober-
pfalz begann seine Karriere, die für
ihn viele Sprossen bereit hielt: Er
war langjähriger Pressesprecher,
enger persönlicher Mitarbeiter der
Bezirkstagspräsidenten Alfred Spitzner und Hans Bradl sowie anschließend Leiter des Referats Kultur und
Bildung der Bezirkshauptverwaltung.
„Georg Lenz war ein Stabilitätsfaktor
in der Verwaltung, der auftretende
Probleme nicht nur erkannte, sondern auch Lösungen parat hatte.
Sein trockener Humor und sein
Wortwitz werden fehlen“, sagte Bezirkstagspräsident Franz Löffler.
Georg Lenz’ fast 40jähriges
Arbeitsleben beim Bezirk Oberpfalz
ermöglichte es ihm, unter allen fünf
Bezirkstagspräsidenten
seinen
Dienst zu tun: Von Johann Pösl
(1954 bis 1978) über Alfred Spitzner (1978 bis 1992), Hans Bradl
(1992 bis 1999) und Rupert Schmid
(1999 bis 2008) bis zu Franz Löffler
(seit 2008).
Präsidium der Europaregion Donau-Moldau tagte
unter Vorsitz des Bezirks Oberpfalz in Regensburg
Europa im Blickpunkt
Bezirkstagspräsident Franz Löffler (Mitte) mit
Georg Lenz (links) und Karl-Peter Hartmann
Martina Hirmer
Die Verbindungen zu den tschechischen und österreichischen
Nachbarn werden enger. Anfang
Juni traf sich das Präsidium der
Europaregion Donau-Moldau in
Regensburg.
Bezirkstagspräsident Franz Löffler als diesjähriger
Vorsitzender des Zusammenschlusses, begrüßte die Spitzenvertreter aus den beteiligten Regionen Niederbayern, Ober- und
Niederösterreich sowie den tschechischen Bezirken Pilsen, Südböhmen und Vysočina in der
Oberpfalz.
I
m Zentrum des Treffens standen
die bisherige Arbeit der sieben so
genannten Wissensplattformen und
die künftige Kooperation der Regionen innerhalb der 2012 gegründeten
Europaregion Donau-Moldau. „Die
Wissensplattformen sind das Herzstück der Europaregion. Sie bieten
den Experten aus den drei beteiligten Ländern die einmalige Möglichkeit, sich über die Grenzen hinweg in
ihren Fachgebieten auszutauschen
und sich mit Zukunftsthemen zu befassen, die alle Regionen gleichermaßen beschäftigen. Aus ihnen
kommt der Mehrwert, den wir uns für
die Menschen versprechen“, hob
Löffler hervor.
Die Europaregion Donau-Moldau bietet die notwendigen Strukturen für gemeinsame Projekte. Aktuell
werden Vorhaben auf verschiedenen
Arbeitsgebieten verwirklicht, wie zum
Beispiel eine Energiesystemanalyse,
die der Erfassung von Daten zu
Energieerzeugung und –verbrauch
im gesamten Aktionsgebiet dient.
Ferner entsteht ein Hochschulführer,
der den jungen Menschen in der Region die vielfältigen Studienmöglichkeiten aufzeigt. Zudem wird eine so
genannte „Kompetenzlandkarte“ die
maßgeblichen Institutionen für die
Zusammenarbeit auf den Gebieten
Bildung, Kultur und Wirtschaft abbilden. Die Europaregion Donau-Moldau ist ein Zusammenschluss von
sieben Regionen. Auf Seiten der
Oberpfalz hat der Bezirk die Federführung übernommen.
Ziel ist es, die Identifikation
der Menschen mit ihrer Heimat in einem europäischen Kontext zu stärken, die Region im Wettbewerb mit
anderen Großräumen zu positionieren sowie die Vorzüge der Gebiete
zwischen Donau und Moldau bekannter zu machen.
7
8
SYNAPSE August
Psychiatrie
SYNAPSE August
Psychiatrie
Volkskrankheit Depression – Teil 1
Prof. Dr. Thomas C. Baghai
Depressive Störungen sind nach
Informationen der Weltgesundheitsorganisation (World Health
Organisation, WHO) von herausragender gesundheitsökonomischer
Bedeutung. Sie sind Erkrankungen, die einen immensen Leidensdruck bei Betroffenen und Angehörigen verursachen, weil sie mit
der höchsten Einschränkung der
Lebensqualität verbunden sind. In
dieser und der nächsten Ausgabe
widmet sich SYNAPSE der „Volkskrankheit Depression“.
D
epressionen führen häufig und
regelhaft zu psychosozialen Beeinträchtigungen und können nicht
selten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (mit)verursachen. Sie stellen deshalb auch volkswirtschaftlich
ein hochrelevantes Problem dar.
Depressionen sind hierbei
keine seltenen Erkrankungen: Die
30-Tages-Prävalenz beschreibt die
Anzahl an Erkrankten, die über den
definierten Zeitraum von 30 Tagen
registriert werden. Für Depressionen
werden hier fast zehn Prozent angegeben. Noch höher ist die Lebenszeitprävalenz, also der Anteil an Erkrankten, die bis zum Erhebungszeitpunkt im Laufe ihres Lebens erkrankt sind. Je nach Untersuchung
werden hier Werte um 20% erreicht.
Interessanterweise finden sich in allen Untersuchungen beträchtliche
Geschlechtsunterschiede: für Männer werden etwa zwölf Prozent, für
Frauen Werte bis zu 26% angegeben. Ob diese Unterschiede tatsächlich nur durch ein häufigeres Auftreten der Erkrankung bei Frauen bedingt sind, ob sich Männer, die unter
Depressionen leiden, häufiger einer
ausreichenden Diagnostik (und damit auch der Behandlung) entziehen,
oder ob die aktuell genutzten Diagnosesysteme depressive Erkrankungen bei Frauen sensitiver erfassen
als bei Männern, ist derzeit noch
nicht abschließend geklärt.
Diagnosen, Verlaufsformen
und Symptome
Depressive Erkrankungen können
als Einzelepisode oder in Form von
wiederkehrenden Krankheitsphasen
auftreten. Eine so genannte unipolare Depression, in deren Krankheitsverlauf sich depressive Krankheitsphasen und längere gesunde Intervalle abwechseln, kann von einer bipolaren Depression unterschieden
werden, bei der zusätzlich kürzere
Zeiten mit gehobener Stimmungslage bis hin zum Vollbild einer Manie
auftreten. Diese Erkrankungsform
der Bipolaren Erkrankung oder Bipolaren Störung entspricht dem früher
eher gebräuchlichen Begriff der Manisch-Depressiven Erkrankung.
Die Hauptsymptome einer
Depression bestehen nach allen
gängigen Diagnosesystemen aus einer depressiven Verstimmung, die
oft von Freudlosigkeit, Interessenverlust, Energielosigkeit und leichter
Ermüdbarkeit begleitet wird. Weitere
häufige Symptome sind Schlafstörungen, Antriebsstörungen sowie
Störungen des Denkens und der
Entscheidungsfähigkeit. Zudem werden depressive Erkrankungen oft
von Gefühlen der eigenen Wertlosigkeit und von Schuldgefühlen begleitet. Zu beachten ist hierbei immer,
dass auch mangelnder Lebenswille
mit passiven Todeswünschen bis hin
zur akuten und aktiven Selbstmordgefährdung auftreten können.
Therapie
Trotz der Schwere der Erkrankung
sind Depressionen in der Regel sehr
gut und erfolgreich behandelbar. Ziel
einer antidepressiven Behandlung
ist hierbei immer die vollständige
Gesundung und Wiederherstellung
der vor der Erkrankung vorhandenen sozialen und beruflichen Leistungsfähigkeit. Nach der Akutbehandlung ist es Ziel der weiteren
antidepressiven Therapie und Rezidivprophylaxe
(Rückfallschutzbehandlung), weitere Krankheitsepisoden zu verhindern und eine gute Lebensqualität zu erhalten. Daneben
sind die Vermeidung von Selbstmorden und die Wiederherstellung einer
guten körperlichen Gesundheit, die
während einer Depression oft ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wird,
erklärte Behandlungsziele.
Multimodale
Kombinationstherapie
Die Therapie depressiver Störungen
besteht meist aus einer multimodalen Kombinationstherapie. Diese
setzt sich aus einer biologischen
Therapie (meist medikamentöse Behandlung) in Kombination mit einer
strukturierten Psychotherapie zusammen, (etwa kognitive Verhaltenstherapie (KVT) oder interpersonelle Psychotherapie (IPT) als Einzel- oder Gruppentherapie, häufig in
Kombination mit sozialpädagogischer Mitbetreuung und weiteren ergänzenden (komplementären). Die
komplementären Therapieverfahren
ergänzen die oben genannten Therapien. Hier wird beispielsweise die
Ergotherapie in Form der Beschäftigungstherapie oder der Arbeitstherapie angeboten. Die Sporttherapie
besteht idealerweise aus kombiniertem Kraft- und Ausdauertraining,
hilfreich sind aber auch weitere
Gruppenangebote wie verschiedene
Ballsportgruppen, Wassergymnastik
oder Schwimmtraining. Das Erlernen von aktiven Entspannungsverfahren wie der progressiven Muskelrelaxation, dem autogenen Training
oder auch die Anwendung von Yoga
können bei innerer Anspannung und
bei Schlafstörungen, die in der Depression häufig zu finden sind, sehr
hilfreich sein. Kunst- und Musiktherapie ergänzen häufig das therapeutische Angebot.
Individualisierte
Therapieverfahren
Alle Therapieverfahren werden individualisiert, das heisst auf die speziellen Bedürfnisse der einzelnen Patienten zugeschnitten angeboten. Der
individuelle Therapieschwerpunkt
kann sich hierbei im Behandlungsverlauf verändern. Es kann etwa zunächst ein pharmakotherapeutischer
Schwerpunkt mit Medikamenten gewählt werden, der im weiteren Therapieverlauf durch einen psychotherapeutischen Schwerpunkt abgelöst
wird. Bei der medikamentösen Behandlung wird in der Regel versucht,
die Behandlung mit größtmöglicher
Sicherheit und Verträglichkeit sowie
optimaler Wirksamkeit zu beginnen.
Beeinflussende Faktoren können unter anderem diagnostische Subtypen
der Depression, Alter, Begleiterkrankungen, aber auch der Schweregrad
der Erkrankung oder spezifische
Symptome der depressiven Erkrankung wie etwa Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Unruhe und Getriebenheit oder eine Antriebsstörung sein.
Therapiephasen in der
Depressionsbehandlung
Traditionell wird hierbei die Behandlung depressiver Erkrankungen in
die Therapieabschnitte Akut­therapie,
Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe eingeteilt. Ziel der Behandlung ist es zunächst, nach möglichst
kurzer Zeit ein Ansprechen auf die
Therapie zu erreichen. Das klinische
Management depressiver Erkrankungen geht jedoch weit über dieses
Kriterium hinaus. Die vollständige
Symptomfreiheit ohne Vorliegen der
diagnostischen Kriterien der depressiven Erkrankung ist das klare Behandlungsziel. Neben der vollständigen Gesundung ist es dann nach der
Akutbehandlung Ziel der weiteren
antidepressiven Therapie und Rückfallprophylaxe, weitere Krankheitsepisoden zu verhindern und eine
gute Lebensqualität zu erhalten. Aus
Sicht der behandelten Patienten bestehen die wichtigsten Kriterien für
eine wirksame Therapie in einer
Rückkehr zu Optimismus, Selbstvertrauen und der vor der Erkrankung
üblichen Selbsteinschätzung. Besonders wichtig ist dieses Therapieziel aber auch deshalb, weil nur nach
möglichst vollständiger Remission
von einem reduzierten Rückfallrisiko
ausgegangen werden kann.
In der nächsten Ausgabe der
SYNAPSE stehen Therapieverfahren gegen die „Volkskrankheit Depression“ im Blickpunkt.
Prof. Dr. Thomas C. Baghai ist
Leitender Oberarzt am Zentrum für
Allgemeinpsychiatrie I und Psychosomatik der Klinik und Poliklinik für
Psychiatrie und Psychotherapie der
Universität Regensburg am
Bezirksklinikum Regensburg
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SYNAPSE August
Psychiatrie
SYNAPSE August
Psychiatrie
Patientenzimmer der Komfort-Station
Pflege und Service
An einem Strang ziehen
Für Pflegekräfte ist es ungewohnt, auf der Station weiteres
Personal zur Unterstützung an
der Seite zu haben. Stationsleiterin Michaela Wollny erzählt in der
SYNAPSE über die Zusammenarbeit des Service-Personals und
der Pflege-Mitarbeiter auf der
Komfort-Station der Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie
am Bezirksklinikum Regensburg.
S: Was genau ist die Komfort-Station?
W.: Auf der Komfort-Station bietet
das Bezirksklinikum Regensburg
Psychiatrie-Patienten
Unterbringung und Dienstleistungen auf Hotel-Niveau. Dazu buchen die Patienten das Wahlleistungspaket „Unterkunft und Verpflegung“. Sie bekommen dafür während ihrer
Therapie ein Plus an Privatsphäre
in Verbindung mit mehr Service und
Komfort. Hier geht es um Punkte
wie Einzel- oder Zweitbettzimmer
mit einer gehobenen Zimmerausstattung oder spezielle Mittags-Menüs. Die medizinische Versorgung
ist hiervon nicht betroffen: Diese ist
für alle Patienten auf dem gleichen
hohen Standard.
S: Welche Aufgaben übernimmt der
Service auf Station?
W.: Der Service übernimmt gänzlich
das Aufgabenfeld des Hotelwesens. Er ist beispielsweise zuständig für den Zimmerkomfort wie Auffüllen der Minibar mit Säften, frische
Handtücher im Bad oder für die
morgendliche Tageszeitung im Pa­
tientenzimmer. Außerdem ist er zuständig für die Aufnahme der Essensbestellung der Patienten, das
Anrichten des Buffets, aber auch für
die Frisör-Terminvereinbarung und
die Blumenstrauß-Bestellung an
Geburtstagen.
S: Was ist der Job der Pflege auf
der Komfort-Station?
W.: Die Pflege kommt ihren Pflege-Kernaufgaben nach. Das heißt
zum einen den medizinischen Leistungen wie Tablettenverteilen und
Verbändewechseln. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf der therapeutischen Arbeit mit den Patienten.
Patienten der Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie erhalten im
Rahmen der Bezugspflege regelmäßig Einzel- beziehungsweise
Gruppentherapien, die von den
Pflegekräften gestaltet werden.
Vermeintliche Aufgaben der
Pflege wie Bettenmachen oder Essensbestellungen aufgeben werden
auf der Komfort-Station gerade
nicht von der Pflege durchgeführt,
sondern fallen in den Service-Bereich. Das aus- und weitergebildete
Pflegepersonal kann sich dadurch
dem Patienten vorwiegend therapeutisch widmen. Ein Beispiel: Leidet ein Patient unter einer Essstörung, dann ist bei der Eingabe von
Essen Pflegefachpersonal erforderlich. Ansonsten übernimmt der Service den Bereich „Essen“.
S: Was gewinnt die Pflege durch
den Partner Service?
W.: Pflege in der Psychiatrie ist sehr
zeitintensiv. Die Unterstützung durch
das Service-Personal bringt uns daher vor allem eines: Zeitersparnis,
die wir für die pflegerische Betreuung des Patienten dringend brauchen. Aber nicht nur die Entlastung
ist ein Punkt. Der Service unterstützt
die Pflege bisweilen auch inhaltlich:
Die Service-Mitarbeiter erleben die
Patienten in Alltagssituationen wie
beispielsweise im Essensraum, auf
dem Zimmer oder in einem persönlichen Austausch am Info-Desk. Das
Pflege-Personal erhält dadurch weitere, wichtige Informationen, die der
Patient innerhalb einer Therapie­
sitzung eventuell nicht von sich aus
Preis geben würde.
S: Kommen sich Service und Pflege
auch manchmal in die Quere?
W.: Die Aufgaben der Pflege und
des Service sind im Großen und
Ganzen eindeutig getrennt und in
Dokumenten festgehalten. Übergreifend kann man sagen, dass alle
Patienten-fernen Tätigkeiten vom
Service übernommen werden und
alle Patienten-nahen Arbeiten die
Pflege innehat.
S: Wie gewährleisten Sie Teamwork zwischen Service und Pflege?
W.: Da die Komfort-Station vor drei
Jahren völlig neu gegründet wurde,
lagen keine vorgefertigten Abläufe
vor und es bestand die Möglichkeit
der freien Gestaltung. Welche Aufgaben unter welche Berufsgruppe
fallen, wurde zu Beginn festgelegt
und wird bei Bedarf erweitert oder
verändert. Auf dieser Basis startete
damals ein neu zusammengewürfeltes Team aus Pflege und Service
seine Arbeit und zieht bis heute an
einem Strang. Eine große Rolle
spielen natürlich auch die Führungskräfte. Karoline Niederle, die Leiterin
des Patientenservice, und ich arbeiten gut und konstruktiv zusammen.
Das strahlt auf unsere Teams ab.
Auf der Komfort-Station hat keiner
das Gefühl, „Hilfskraft“ der jeweiligen anderen Berufsgruppe zu sein.
Außerdem veranstalten wir regelmäßig gemeinsame Teamsitzungen.
Und auch Festivitäten wie Sommerfest und Weihnachtsfeier finden natürlich gemeinsam statt. (VKO)
Es existieren aber natürlich
auch Überschneidungen und fließende Übergänge. Beispielsweise
bei der Aufnahme eines Patienten:
Hier müssen beide Berufsgruppen
administrative Tätigkeiten erledigen
können. Kommt ein Patienten-Zugang um drei Uhr nachts an, so ist
kein Service im Haus und die Pflege muss diese Aufgabe übernehmen. Oder: In Abhängigkeit vom
Krankheitszustand des Patienten
kann die Aufgabe der „Begleitung
eines Patienten“ zu Untersuchungen oder Konsiliar-Fahrten in andere Kliniken vom Service übernommen werden.
Michaela Wollny und Karoline Niederle
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SYNAPSE August
Psychiatrie
SYNAPSE August
Psychiatrie
Traumatherapie in der psychiatrischen
Tagesklinik am Bezirksklinikum Regensburg
Katastrophen für die Seele – Teil 2
Volker Dittmar, Prof. Dr. Thomas Frodl
Seit nahezu zehn Jahren gibt es
in der psychiatrischen Tagesklinik ein spezielles Behandlungsangebot für schwer traumatisierte Menschen. Ziel der Therapie:
Der Schritt in ein neues, angstfreies Leben.
erarbeitet. Angelernte fehlangepasste Beziehungsmuster können formuliert, in den Lebenszusammenhang
gestellt und mit Hilfe von Veränderungsstrategien neu erprobt werden.
Hierfür sind die Interaktionen in der
Gruppe ausgesprochen hilfreich.
H
Zur Anwendung kommen
wissenschaftlich evaluierte Behandlungsverfahren wie tiefenpsychologische Therapie, Verhaltenstherapie,
Psychodrama sowie Elemente spezieller Therapieprogramme für traumatisierte Patienten (psychodynamisch imaginative Traumatherapie,
PITT) oder für emotional-instabile
Persönlichkeiten (Dialektisch Behaviorale Therapie, DBT). In psychoedukativen Gruppen erfahren die Patienten Einsicht in die Bedeutung der
eigenen Symptomatik sowie eine
ausführliche Informationsvermittlung
über die Erkrankung mit ihren typischen Symptomen und Verläufen.
auptziele der Therapie sind
selbstverantwortliche Lebensgestaltung, Beziehungsfähigkeit sowie Arbeitsfähigkeit. Die Behandlung erfolgt im Rahmen eines gruppentherapeutischen Konzeptes, innerhalb dessen die Patientengruppe
die ganze Woche gemeinsam das
gleiche Therapieprogramm durchläuft. Durch eine familiäre Atmosphäre werden Kontaktmöglichkeiten, Vertrauen und Beziehungsfähigkeit gefördert.
Der Schwerpunkt der Gruppentherapie liegt auf der Förderung
lösungs- und ressourcenunterstützender Gruppeninteraktionen. Die
Kerngruppe bildet die therapeutische
Heimat der Patienten - sie ist halb geschlossen. Schwerpunktmäßig werden in der Kerngruppe die interpersonellen Probleme angesprochen und
Neben der psychotherapeutischen Gruppenbehandlung unterteilt
sich die Therapie in einen lebens­
praktischen, einen kreativ-gestalterischen und einen körperorientierten
Teil sowie in intensive Einzelpsychotherapie. Die spezielle Behandlung
der Traumatisierungen erfolgt ausschließlich in Einzelgesprächen.
Neben einem differenzierten
und strukturierten tagesklinischen
Angebot stellt der Aufbau einer Beziehung einen außerordentlich wichtigen Teil der tagesklinischen Therapie dar. Co-therapeutische Gruppenarbeit sowie Bezugspflege, die vom
Pflegepersonal und Ergotherapeuten durchgeführt wird, ist daher von
besonderer Bedeutung. In dieser von
den Co-Therapeuten durchgeführten
psychosozialen Pflege geht es vor
allem um Ich-stützende, haltgebende
Gespräche, wobei auch Tagesstrukturierung und milieutherapeutische
Elemente Beachtung finden. Dabei
werden Ich-Funktionen ge­stärkt, regressive Entwicklungen begrenzt
und ein besserer Realitätsbezug
entwickelt.
Phase I: Alltagsstabilisierung
Für die Behandlung traumatisierter
Patienten hat sich eine phasenorientierte Behandlung in drei nicht
ganz trennscharf voneinander abgegrenzte Phasen bewährt. Ziele
der ersten Phase der Traumatherapie sind Alltagsstabilisierungen und
Sicherheit, Beziehungsaufbau und
Arbeitsbündnis sowie Ressourcenorientierung und Stressreduktion.
Selbstfürsorge und Selbstberuhigung werden durch Erlernen von
Imaginations- und Achtsamkeitsübungen bestärkt. Ein Eigenverantwortung förderndes und antiregressives Vorgehen mit Hilfe der Arbeit
mit verletzten inneren Anteilen („Innere Kindarbeit“, „Ego-State-Therapie“) stellt einen wichtigen Baustein
des therapeutischen und beratenden Angebotes dar.
Eine ressourcen- und lösungsorientierte Haltung, verbunden
mit dem Ansatz der Hilfe zur Selbsthilfe, stellt den wichtigsten Grundsatz der tagesklinischen Arbeit mit
traumatisierten Patienten dar. Stabilisierung steht im Vordergrund vor
dem Gang in die Vergangenheit. Erst
die Fähigkeit der Patienten, ihr Erleben in eigener Verantwortung am
Abend und am Wochenende gestalten zu können, sowie erfolgreiches
Erlernen von Selbstberuhigungsstrategien zur Begrenzung auf­
kom­
mender unangenehmer Stimmungen
oder Erinnerungen wie Flashbacks
lassen therapeutische Angebote wie
die Traumakonfrontation bei traumatisierten Patienten zu.
Phase II: Traumakonfrontation
Nach erfolgreicher Stabilisierung erfolgt in einer zweiten Phase der
Traumatherapie die Traumakonfrontation, in der verschiedene Techniken zur Traumabewältigung eingesetzt werden können: EMDR (Eye
Movement Desensitization and Reprocessing) als hoch wirkungsvolle,
aber auch emotional sehr intensive
Methode der Traumakonfrontation
sowie die Beobachtertechnik und
die Bildschirmtechnik als schonendere traumakonfrontative Verfahren.
Phase III: Der Blick nach vorne
In der dritten Phase der Traumatherapie kommt es zur Zukunftsplanung
und Neuausrichtung des Lebens,
möglicherweise auch zu einer Phase der Trauer um das Versäumte
und die zerstörte Kindheit. Damit
verbunden sind auch die Annahme
des eigenen Lebensschicksals und
die Erkenntnis, zu welchen Stärken
und Fähigkeiten die schwierige Lebensgeschichte geführt hat. Aufgrund der relativ langen Aufenthaltsdauer (vier bis sechs Monate) können die Patienten nach langwieriger
und erfolgreicher Stabilisierung auch
die zweite und dritte Phase der Traumatherapiebehandlung erreichen.
Medikamentöse Behandlung
Die Behandlung in der Tagklinik ist
immer den individuellen Bedürfnissen des Betroffenen angepasst. Somit kann die oben beschriebene
psychotherapeutische Behandlung
alleine oder auch in Kombination mit
medikamentösen Behandlungen erfolgen. Die Auswahl eines Medikaments richtet sich nach den im Vordergrund bestehenden Beschwerden. Bei Schlafstörungen kommen
etwa Schlafmittel, bei Depressionen
Fortsetzung auf Seite 14
13
14
SYNAPSE August
Psychiatrie
SYNAPSE August
Psychiatrie
Fortsetzung von Seite 13
einstellen und sich vorbereiten“, so
Dr. Unglaub weiter.
und Ängsten Antidepressiva zum
Einsatz. Die Gabe von Antidepressiva, insbesondere die SerotoninWiederaufnahmehemmer, hat sich
bisher am meisten bei posttraumatischen Störungen bewährt. Bei Unruhezuständen und Zuständen, in
denen es zur Realitätsverkennung
kommt, kann auch die Gabe eines
Neuroleptikums sinnvoll sein. Die
Dauer der Einnahme wird sorgfältig
überprüft.
Zentrum für Suchtmedizin
Regensburg
Das Zentrum unter der Leitung von
Chefarzt Prof. Dr. Norbert Wodarz
gehört zur Klinik und Poliklinik für
Psychiatrie und Psychotherapie der
Universität Regensburg am Bezirksklinikum Regensburg. Jährlich
werden dort mehr als 2.000 Patienten wegen Suchtproblemen aller Art
sowie den häufig vorkommenden
körperlichen, psychischen und sozialen Folge- und Begleiterkrankungen
behandelt. Am häufigsten werden
Menschen mit Alkoholproblemen, mit
Abstand gefolgt von Problemen mit
illegalen Drogen diagnostiziert und
therapiert. In über 20 Jahren wurde
hier eine differenzierte Therapiekette
mit einem breiten Behandlungsangebot etabliert, das die psychische, körperliche und soziale Dimension von
Suchterkrankungen berücksichtigt.
Das Zentrum für Suchtmedizin bietet
eine leitlinien- und evidenzbasierte
Behandlungskette für Abhängigkeitserkrankungen in allen Phasen
des Erkrankungsverlaufs.
Kontaktaufnahme
Die Kontaktaufnahme für einen
Platz in der Traumatherapiegruppe
in der Tagesklinik erfolgt über das
Sekretariat, nach einer schriftlichen
Anmeldung und einem einige Wochen später stattfindenden ausführ­
lichem Vorgespräch. In diesem stehen neben einer Anamnese auch
die Ziele der Patienten sowie die
Vorstellung des tagesklinischen
Therapieprogramms im Vordergrund. Bereits in diesem ersten Gespräch erfolgt durch die Therapeuten ein Bindungsangebot an die
Patienten mit dem Ziel, die in der
Kindheit häufig nicht erlebten akzeptierenden und sicheren Bindungserfahrungen im Rahmen des
tagesklinischen Angebotes in der
Traumatherapiegruppe neu erfahren zu können.
Zusammenfassend hat sich
das tagklinische Angebot sehr bewährt, da es sowohl die Traumatherapie vorbereitet, einen geeigneten
stützenden Rahmen verleiht, als
auch eine individuelle Traumatherapie ermöglicht. Gleichzeitig können
die Patienten in ihrem Alltag eingebunden bleiben und neu gelerntes
direkt umsetzen.
Dipl.-Psych. Volker Dittmar ist
Psychologischer Psychotherapeut
und Traumatherapeut an der
Psychiatrischen Tagesklinik,
Prof. Dr. Thomas Frodl ist
Chefarzt des Zentrums für
Allgemein­psychiatrie II der
Klinik und Poliklinik für
Psychiatrie und Psychotherapie
der Universität Regensburg
am Bezirksklinikum
Experten tagten am medbo
Bezirksklinikum Regensburg
Trauma – Sucht –
Borderline
Renate Neuhierl
Psychisch kranke Menschen, die
gleichzeitig an mehreren Störungen leiden, sind eine besondere
Aufgabe für Ärzte und Therapeuten. Gerade traumatisierte Patienten, die zusätzlich eine Borderline
Störung und eine Suchterkrankung entwickelt haben, bedürfen
einer sehr komplexen Therapie.
Dr. Wilhelm Unglaub, leitender
Oberarzt am medbo Zentrum für
Suchtmedizin des Bezirksklinikums Regensburg, lud Ende Mai
bereits zum dritten Mal Fachkollegen aus ganz Bayern zu einem
Symposium nach Regensburg
ein, das sich ganz dem Thema
TSB – Trauma, Sucht, Borderline
– widmete.
I
n neun verschiedenen Workshops
erarbeiteten sich 190 Psychiater,
Psychotherapeuten und psychiatrische Fachpfleger Wissen und Be-
handlungstechniken, um die Betroffenen besser verstehen und betreuen zu können. Hierbei ging es um
Fragen der Stabilisierung von Traumapatienten in der stationären Akutbehandlung oder um die Abgrenzung
von jugendlichen Verhaltensauffälligkeiten zur Borderline-Symptomatik.
Auch die Spezialsichtweise des
Maßregelvollzugs auf den Umgang
mit komorbiden TSB-Patienten wurde bearbeitet.
„Im Zentrum des Symposiums stand bewusst die Betrachtung
von kombinierten Störungsbildern,
wie sie immer wieder bei Patienten
und Patientinnen in psychiatrischer
oder in suchtmedizinischer Behandlung anzutreffen sind“, erläutert Dr.
Unglaub. Gerade das Zusammentreffen von jeweils unterschiedlich
gewichteten Anteilen von Traumatisierung, Borderline-Störung und
Suchtmittelkonsums mache die Therapie der Betroffenen oft kompliziert.
„Zwei Schritte nach vorne, einer zurück: Rückschläge in der Therapie
sind bei dieser Störungskombination
meist programmiert. Betroffene Patienten und das behandelnde Team
müssen sich gleichermaßen darauf
Für drogenabhängige Patienten mit Kindern, die an einer Trauma-Sucht-Borderline Störung leiden,
kann die Entwöhnungseinrichtung
Station 27 im Bezirksklinikum Regensburg ein modifiziertes Konzept
anbieten. Die Mitarbeiter der Station
sind speziell für die Behandlung von
TSB-Patienten ausgebildet.
Borderline-Störung
Borderline-Störungen gehören zu den Persönlichkeitsstörungen. Patienten weisen eine ausgeprägte Störung
der Affektregulation, der zwischenmenschlichen Verhaltensweisen und des Selbstwertgefühls auf. Ihr Verhalten
ist sehr oft dissoziativ: Sie grenzen sich ab und haben Schwierigkeiten mit der Regulation von Distanz und Nähe
zu anderen Menschen. Ihre Stimmungen wechseln abrupt und heftig, was auf die Umwelt sehr verstörend wirkt.
In aller Regel weisen Borderline-Patienten auch Symptome anderer psychiatrischer Erkrankungen auf (Komor­
bidität): allen voran Depressionen, ADHS und psychotische Symptome wie Wahnvorstellungen oder Paranoia.
Häufig sind Traumata ein auslösendes Element.
Expertenschätzungen zur Häufigkeit der Borderline-Störungen selbst gehen indes auseinander: Es gibt Meinungen, die von einem 2%-Anteil der Menschen mit einer Veranlagung zu Borderline in der Bevölkerung ausgehen.
Andere Schätzungen gehen von einer Lebenszeitprävalenz von knapp 6% aus: Dieser Anteil an Menschen hat
eine hohe Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an einer Borderline-Störung zu erkranken. Oft geht die
Erkrankung einher mit Selbstverletzungen aller Art. Entsprechend hoch ist bei Borderline-Patienten die Anfälligkeit für Selbstmordgedanken und -versuche bis hin zum vollendeten Suizid. Bis zu 16 Prozent der BorderlinePatienten sterben infolge eines Selbstmordversuchs.
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SYNAPSE August
Psychiatrie
SYNAPSE August
Psychiatrie
Zentrum für Altersmedizin
Was ist eine Gedächtnisambulanz?
Achim Weigel, PD Dr. Jochen Schneider und PD Dr. Stephan Schiekofer
Bereits zu Beginn der 80er Jahre
des letzten Jahrhunderts wurden
in England und den USA die ersten „Gedächtnissprechstunden“
eingerichtet. Ziel dieses damals
neuartigen ambulanten Angebots
war die verbesserte Früherkennung von Demenzerkrankungen,
bei denen Gedächtnisprobleme in
vielen Fällen die ersten Symptome darstellten.
wurden Hirnkarten und Diagramme
entworfen, in denen Zentren für einzelne psychische Funktionen lokalisiert wurden. Zu einer ersten interdisziplinären Zusammenarbeit von
Medizinern, Pädagogen und Psychologen kam es im Ersten Weltkrieg,
als viele junge Männer mit Gehirnverletzungen mit Hilfe der damaligen
„Psychotechniken“ rehabilitiert werden sollten.
M
Von Anfang an war der „lokalisatorische Ansatz“ von Kritik begleitet. Die Kritiker bezweifelten die Zuordnung von isolierten Symptomen
zu umschriebenen Hirnteilen. Den
lokalisatorisch orientierten Forschern
wurde von den „holistischen“ (ganzheitlichen) Kritikern vorgeworfen,
dass sie versäumten, die tieferen Ursachen der einzelnen Symptome zu
hinterfragen. Mitte des 20. Jahrhunderts galt das Lokalisieren psychischer Funktionen als überholt – die
„Lokalisationisten“ wurden als „Diagrammzeichner“ verspottet. Es gab
in Deutschland deshalb bis in die
80er Jahre des 20. Jahrhunderts
praktisch keine Zusammenarbeit
zwischen Neurowissenschaft und
Psychologie. Fortschritte in der Neurochirurgie und der technischen Diagnostik von Hirnschädigungen – insbesondere durch die Verbesserung
bildgebender Verfahren und deren
Analysemöglichkeiten – erlaubten
eine zunehmend exaktere Abgrenzung von Veränderungen/Verletzungen am Gehirn. Die Übernahme von
Modellen der Informatik ermöglichten ein neues Verständnis der Informationsverarbeitung und der Vernetzung von Gehirnstrukturen.
ittlerweile gibt es auch in
Deutschland mehr als 150 Gedächtnissprechstunden, die teilweise
auch unter Bezeichnungen wie „memory clinic“, „Gedächtniszentrum“
oder – wie am Bezirksklinikum Regensburg – „Gedächtnisambulanz“
firmieren. Der Ansatz der Gedächtnis­
ambulanzen ist der der Neuropsychologie.
Entwicklung Neuropsychologie
Die Psychologie als Wissenschaft
entwickelte sich zu Beginn des 19.
Jahrhunderts im Spannungsfeld der
bereits bestehenden universitären
Fachbereiche „Philosophie“ und
„Physiologie“. Die bisherige metaphysische Bestimmung der Psychologie als „Seelenlehre“ veränderte
sich hin zu einer wissenschaftstheoretisch unterlegten Definition der
Psychologie auf der Grundlage mathematisch formulierter Gesetze im
Sinne einer „Psychophysik“ oder
physiologischen Psychologie. Als
Stammvater der Psychologie als eigenständige Wissenschaft gilt Prof.
Wilhelm Wundt, der das erste Institut
für experimentelle Psychologie mit
einem systematischen Forschungsprogramm gründete. Seine Forschungsschwerpunkte waren vor allem die Psychophysik der Sinnesempfindungen, Aufmerksamkeit,
Bewusstsein und die Psychophysiologie der Emotionen.
Die anatomische, physiologische und neurologische Gehirnforschung führte in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts zu den Ursprüngen der Neuropsychologie. Es
Die Neuropsychologie eta­
blierte sich als interdisziplinäres Teilgebiet der Klinischen Psychologie
und der Neurowissenschaften. Seit
Beginn des 21. Jahrhunderts erweitert die kognitive Neurowissenschaft
zunehmend ihren einseitigen Blick
auf den Menschen als „Informationsverarbeitungsmaschine“ und bezieht
nunmehr soziale und emotionale Aspekte mit ein.
Das Interesse der Neuropsychologie gilt letztlich dem Zusammenhang zwischen Verhalten und
Gehirn – das grundsätzliche Thema
bleibt die Zerlegbarkeit und Lokalisierbarkeit der Psyche, wobei sich
die Zuordnung von kognitiven Funktionen meist an makroanatomischen, gut unterscheidbaren Regionen des Gehirns orientiert.
Gedächtnisambulanz am
Bezirksklinikum Regensburg
Bei dem etwa zweistündigen Untersuchungstermin bei der Erstaufnahme eines ambulanten Patienten finden neben der körperlich-neurologischen und neuropsychologischen
Untersuchung auch ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten
und dessen Angehörigen statt. Gegebenenfalls werden weitere Untersuchungen wie Ableitung der Hirnströme, spezifische Labordiagnostik,
Liquorgenetik, bildgebende Verfahren oder eine Untersuchung des
Schlafes veranlasst. Der überweisende Arzt erhält eine ausführliche
Rückmeldung in Form eines Arztbriefes. Neben der differentialdiagnostischen Einschätzung des Patienten
werden nicht-/medikamentöse Therapieempfehlungen, eine Einschätzung des Betreuungs- und Pflegebedarfs sowie die Empfehlung weiterer
Verlaufsuntersuchungen und konkreter Hilfsangebote gegeben.
In der Gedächtnisambulanz
liegt der Schwerpunkt der Neuropsychologie in der Diagnostik von hirnorganischen Veränderungen, deren
Lokalisation sowie einer differenzierten Beurteilung des kognitiven Status. Neurodegenerative Erkrankungen sind durch charakteristische
Leistungsprofile gekennzeichnet, die
im Zusammenhang mit den zugrunde liegenden neuropathologischen
Veränderungen stehen. Für manche
Erkrankungen ist auch heute noch
der Rückschluss von psychischen
Ausfällen auf die Lokalisation der
Schädigung verlässlicher als die Darstellung der Läsion mittels bildgebender Verfahren. Diese psychischen
Ausfälle lassen sich durch die standardisierten Testverfahren einer
neuro­psycho­logischen Untersuchung
objektiv einordnen. Bei einem standardisierten Test sind die Durchführungsmodalitäten vorgegeben und
auch die Auswertung erfolgt nach
einem vorgegebenen Standard. Das
individuelle Testergebnis wird in Bezug gesetzt zu einer repräsentativ
erhobenen Stichprobe, die idealerweise nach Alter, Geschlecht und
Bildungsgrad der untersuchten Person gleichgesetzt werden kann.
Dem Verlaufsaspekt kommt bei der
Diagnose einer Demenz besondere
Bedeutung zu. Oft sind geringgradige Leistungseinbußen bei einmali-
ger Untersuchung nicht sicher zu
bewerten und auch mit der Diagnose
einer leichten, kognitiven Beeinträchtigung ist das Risiko erhöht,
später doch eine Demenz zu entwickeln. Auch bei schwierigen differenzialdiagnostischen Fragestellungen
wie etwa der Unterscheidung zwischen einem dementiellen Prozess
und einer Depression mit kognitiven
Leistungseinbussen kann eine Verlaufsbeurteilung relevante Informa­
tionen liefern.
Die neuropsychologische
Untersuchung
Der Ablauf einer neuropsychologischen Untersuchung beginnt mit einem ausführlichen Gespräch mit
dem Patienten („Anamnese“), in
dem Informationen über die Vorgeschichte, Schulabschluss, Berufsausbildung, familiären Hintergrund,
Kleine Geschichte der Regensburger Gedächtnisambulanz
Die Regensburger Gedächtnisambulanz der medbo wurde im Jahre
1999 durch PD Dr. Bernd Ibach als eine auf neurodegenerative Erkrankungen bei älteren Menschen spezialisierte Ambulanz gegründet. Schon
von Beginn an kamen neben psychiatrischen und neurologischen
Untersuchungsmethoden auch neuropsychologische Verfahren zur
Anwendung. Trainings- und Therapiekurse für Patienten wurden (und
werden) durch ein interdisziplinäres Team im Rahmen eines „Gedächtnistrainings“ angeboten.
In den Jahren 2006 bis 2012 leitete PD Dr. Hans Klünemann die Ambulanz. Er intensivierte die Zusammenarbeit mit der Universität und führte
eine Vielzahl von klinischen Studien zur Erforschung neurodegenerativer
Erkrankungen durch. Durch die enge Anbindung an Wissenschaft und
Forschung konnte die Patientenversorgung nochmals verbessert
werden.
Seit 2012 ist die Gedächtnisambulanz unter der Leitung von Dr. Günter
Rösl organisatorisch enger mit den stationären Bereichen des „Zentrums
für Altersmedizin“ verbunden. Es konnte dadurch die spezifisch geriatrische Untersuchung und Versorgung der ambulanten Patienten durch
verstärkte Kooperation der diversen medizinischen Fachgebiete weiter
ausbaut werden.
Vorerkrankungen, aber auch Befürchtungen und die Gründe für das
Aufsuchen der Gedächtnisambulanz
gesammelt werden. Gleichzeitig ergeben sich hier schon wichtige Informationen über das Sprachverhalten,
mögliche Wortfindungsstörungen,
Ge­­
dächtnis, Orientiertheit und die
Persönlichkeitsstruktur. Zusätzlich
müssen oft auch anwesende Angehörige befragt werden („Fremd­
anamnese“), um valide Informationen über die Vorgeschichte, die prämorbide Leistungsfähigkeit, Beginn
und Verlauf der Symptomatik, Auffälligkeiten im Alltag und die Psychodynamik in Ehe/Familie zu gewinnen.
Diese Verfahren erlauben zwar noch
keine differentialdiagnostischen Aussagen, aber geben wichtige Hinweise innerhalb des diagnostischen
Entscheidungsprozesses und schon
eine vorläufige, grobe Schweregradeinteilung. Zur weiteren Abklärung wird in unserer Gedächtnisambulanz standardmäßig die umfangreichere Testbatterie des „CERAD“
eingesetzt, in den auch der „Mini
Mental Status Test“ (MMSE) und der
„Uhrentest“, integriert sind, die als
bekannteste Verfahren im deutschsprachigen Raum zu nennen sind.
Darüber hinaus werden zusätzlich
ausführlichere Untertests für nicht-/
sprachliches Gedächtnis, Sprache,
kognitive Geschwindigkeit und Flexibilität durchgeführt.
PD Dr. Stephan Schiekofer
ist Chefarzt, Achim Weigel
Psychologe am Zentrum für
Altersmedizin am Bezirksklinikum
Regensburg, Klinik und Poliklinik
für Psychiatrie und Psychotherapie
der Universität Regensburg.
PD Dr. Jochen Schneider ist
Arbeitsgruppenleiter am LCSB &
Zentrum für Innere Medizin, Klinik
für Innere Medizin II, Homburg,
Universität des Saarlandes
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SYNAPSE August
Psychiatrie
SYNAPSE August
Psychiatrie
Entwöhnungsbehandlung für Alkoholund Medikamentenabhängige
im Zentrum für Suchtmedizin Regensburg
Mit der Abhängigkeit leben lernen
Team der Station 13b
Je nach Studie gelten in Deutschland schätzungsweise 1,5 bis 2
Millionen aller Erwachsenen nach
den diagnostischen Kriterien als
alkohol-, nochmal so viele als medikamentenabhängig. Die Zahl
der „Missbraucher“ ist sogar
noch höher. Für die Oberpfalz bedeutet dies etwa 45.000 alkoholbeziehungsweise medikamentenabhängige Menschen.
A
bhängigkeitserkrankungen lassen sich nach heutigem Wissensstand als Folge der Wechselwirkungen von Merkmalen der Person (wie etwa Persönlichkeit), der
Umwelt (etwa soziales Umfeld) und
der Droge (zum Beispiel Eigenwirkung der Substanz) begreifen. Biologische Vulnerabilitätsfaktoren bestimmen demnach im Wechselspiel
mit psychischen und sozialen Faktoren das Gesamtrisiko einer Abhängigkeitsentwicklung.
Was die Zahlen und Erklärungen auf den ersten Blick nicht verraten, ist der Leidensdruck bei dem
Betroffenen selbst und die oftmals
große Hilflosigkeit seines unmittelbaren sozialen Umfeldes. Seelische
und körperliche Folgeschäden sowie
zunehmende Probleme im sozialen
Bereich (etwa Scheidung, Arbeitsplatz-/Führerscheinverlust) lassen
bei länger anhaltendem Suchtmittelkonsum medizinische und psychotherapeutische Interventionen notwendig werden, um die Krankheitsentwicklung stoppen zu können.
Differenzierte Therapiekette
Abhängigkeitserkrankungen – alleine oder in Kombination mit anderen
psychischen Erkrankungen – finden
sich daher bei annähernd jeder vierten Aufnahme in der Klinik für Psychi­
atrie und Psychotherapie am Bezirksklinikum Regensburg. Entsprechend wurde in den letzten Jahren
im Zentrum für Suchtmedizin eine
differenzierte Therapiekette (Entgiftung ➪ Motivation ➪ Entwöhnung)
mit einem breiten Behandlungsangebot sowohl im ambulanten als auch
im stationären Bereich etabliert.
Kernbestandteile der Behandlung sind dabei die vorwiegend verhaltenstherapeutisch ausgerichtete
störungsspezifische Gruppenpsychotherapie und therapeutische Einzelgespräche. Diese werden durch
eine weiterführende medizinische
Behandlung, Sozialberatung, Psychoedukationsgruppen, Sport-, Entspannungs- und Ergotherapie, Angehörigenarbeit und andere Therapieangebote ergänzt.
Neben der medizinisch notwendigen Diagnostik und Behandlung begleitender Erkrankungen wie
typischer Alkoholfolgeschäden erfolgt eine sozialpädagogische Abklärung und eventuell Unterstützung
bei familiären, finanziellen und beruflichen Problemen. Besonders wichtig ist es, mit den Patienten die Funktionalität ihres Alkohol- und Medikamentenkonsums zu erarbeiten und
alternative „substanzfreie“ Wege
des Umganges zu finden. Beispielsweise dient vielen Patienten Alkoholund Medikamentenkonsum zur Alltags- und Stressbewältigung. Diese
Strategie wird zunächst als durchaus hilfreich erlebt, weil sie kurzfristig zu (subjektiv) positiven Wirkungen führt.
Die Untauglichkeit dieser Bewältigungsstrategie bleibt Abhängigen oft lange verborgen; meist zeigt
sie sich erst, wenn bereits die ersten
Folgeschäden des Konsums aufgetreten sind. Der scheinbare Pro­
blemlöser ist dann selbst zum Pro­
blem geworden.
Das schaffe ich!
In Form von Verhaltensübungen
oder Rollenspielen werden zum Beispiel alternative „substanzfreie“ Verhaltensweisen eingeübt. Wichtig ist
für viele Patienten auch zu erleben,
dass negative Denkweisen und negative Selbstbewertungen („das
schaffe ich eh nicht“) beeinflussbar
sind, dass sie selbst über taugliche
Ressourcen der Alltags- beziehungsweise Stressbewältigung verfügen. Dem widerspricht nicht, dass
sie auch ermutigt werden, Hilfe in
Anspruch zu nehmen. Das setzt
aber voraus, dass sie in der Lage
sind, ihre eigene Befindlichkeit wahrzunehmen und auch Vertrauenspersonen mitzuteilen. Oft wird erstmals
deutlich, dass an der eigenen Befindlichkeit nicht immer nur „andere“
schuld sind, sondern man selbst in
der Lage ist, damit konstruktiv ohne
Suchtmittel statt destruktiv mit
Suchtmittel umzugehen.
Rückfallprävention
Schließlich gilt der Rückfallpräven­
tion im Behandlungsverlauf größte
Aufmerksamkeit. Rückfälliges Verhalten ist kein plötzlich auftretendes
Ereignis, sondern dem geht meist ein
Entwicklungsprozess voran. Zu diesem gehört eine Abfolge von „typischen“ Denk- und Handlungsweisen,
die am Ende oft zum Rückfall führen.
Im Rahmen der Rückfallprävention
werden unter anderem allgemeine
und individuelle – innere und äußere
– Rückfallauslöser besprochen,
ebenso scheinbar unwichtige Entscheidungen, rückfalltypische Ereignisketten und Warnsignale sichtbar
gemacht.
Es ist im Laufe der Behandlung wichtig, das „Gelernte“ auch in
der Praxis zu erproben. Die Patien-
ten müssen lernen, sich mit negativen Gefühlen auseinanderzusetzen,
da solche zum Leben bei jedem
Menschen gehören. Dazu gehören
nach entsprechender Vorbereitung
auch das Erleben und der Umgang
mit „Versuchungssituationen“. Anschließend wird das Erlebte besprochen und nach Lösungsmöglichkeiten für eventuell aufgetretene
Schwierigkeiten gesucht. Es wird
aufgezeigt, dass Suchtverlangen
(auch während des stationären
Krankenhausaufenthaltes) durchaus
„normal“ ist und meist situationsbezogen auftritt; oft lassen sich dabei
konkrete innere und äußere Auslöser ermitteln. Unter Abwägung der
Vor- und Nachteile der Abstinenz sowie der Vor- und Nachteile weiteren
Suchtmittelkonsums sollen die Patienten der 13b für sich eine klare Abstinenzentscheidung treffen können.
Fortsetzung auf Seite 20
Station 13b im Profil
Station 13b ist Teil des Zentrums für Suchtmedizin, das seinerseits zur Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und
Psychotherapie der Universität Regensburg am Bezirksklinikum Regensburg gehört.
Auf der Station werden seit 1986 sogenannte Kurzzeit-Entwöhnungs­behandlungen für alkohol- und medikamentenabhängige Erwachsene durchgeführt. Sie verfügt über 20 Behandlungsplätze. Das Behandlungsteam besteht
aus einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychologen, einem Sozialpädagogen, Pflegekräften,
Ergo- und Sporttherapeuten.
Voraussetzung für eine Aufnahme ist ein abgeschlossener Entzug und die Bereitschaft des Patienten, etwas am
bisherigen Umgang mit Alkohol oder suchterzeugenden Medikamenten zu verändern. Vorbereitende Maßnahmen können nach Voranmeldung auf den Akutaufnahmestationen im Zentrum für Suchtmedizin durchgeführt
werden. Dort, oder auch bei jeder Suchtberatungsstelle, kann die Übernahme für die Behandlungskosten bei der
zuständigen Rentenversicherung, in Sonderfällen auch bei der Krankenkasse beantragt werden. Nach einer Kostenübernahmezusage kann eine Aufnahme auf der Station 13b nach meist nur kurzer Wartezeit erfolgen.
Im Rahmen der Entwöhnung bietet die Station ein von der Rentenversicherung anerkanntes Behandlungs­
programm, das sich auch einer regelmäßigen externen Qualitätssicherung unterzieht und zertifiziert ist.
Kontaktdaten der Station 13b am Bezirksklinikum Regensburg:
Tel. +49 (0)941/941-2330 | Fax +49 (0)941/941-2335 | Mail [email protected]
19
Fortsetzung von Seite 19
Ziel der Behandlung ist eine
realitätsbezogene, lebensbejahende
und suchtmittelfreie Lebensführung.
Dabei setzt Station 13b auf die Entwicklung von Selbsthilfepotentialen
und die Förderung einer selbstverantwortlichen Lebensführung, einschließlich sozialer und beruflicher
Integration. In Anlehnung an systemische Sichtweisen versucht das
Behandlungsteam die Ressourcen
und – etwa im Rahmen von Angehörigenseminaren und -gesprächen –
das soziale Umfeld der Patienten
dafür nutzbar zu machen.
Die Zeit „danach“
Nachsorge ist gerade bei Kurzzeittherapien wichtig, um bereits erreichte Therapieeffekte zu festigen.
Sie dient der Aufrechterhaltung der
Abstinenzmotivation und der weiteren Rückfallprävention. Station 13b
empfiehlt den Patienten eine individuell abgestimmte Nachbetreuung,
die etwa bei Haus- und Fachärzten,
ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten, Suchtberatungsstellen sowie – indikativ – in therapeutischen
Wohngemeinschaften
erfolgen kann. Die entsprechenden
Kontakte werden noch während der
Behandlung hergestellt. Die Patienten besuchen bereits während ihres
stationären Aufenthalts die regionalen Selbsthilfegruppen und nehmen
Kontakt zu ihren heimatnahen
Suchtberatungsstellen auf. Zusätzlich bietet Station 13b den Patienten
im Anschluss an ihren stationären
Aufenthalt eine ambulante Nachsorgebehandlung sowie im Bedarfsfall
eine individuelle Krisenintervention
am Bezirksklinikum Regensburg an.
SYNAPSE August
Psychiatrie
Eva Bablick, Dr. Dr. Helmut Hausner
SYNAPSE August
Psychiatrie
Yoga – Einheit von Körper und Geist
20
O
bwohl Yoga mehr ist als Gymnastik, kommen beim medizinischen Yoga hauptsächlich körperorientierte Übungen zur Anwendung,
die nicht mit esoterischen oder weltanschaulichen Konzepten verknüpft
werden.
Indische Wurzeln
Yoga stammt ursprünglich aus Indien, wo die Erfahrung entstand, dass
durch bestimmte körperliche und
geistige Übungen Reifungs- und
Entwicklungsprozesse beim Menschen angestoßen werden können.
Yoga wurde letztlich als Ausdruck
einer philosophischen Lebenspraxis
gesehen. Vor diesem Hintergrund
entstanden unterschiedliche Yoga-Schulen, in denen häufig das meditative Element eine größere Bedeutung hatte als die körperlichen
Übungen.
Modernes Yoga
In der psychosomatischen Therapie
kommt überwiegend ein körperbetontes modernes Yoga-Konzept zum
Einsatz, was auf dem klassischen
Hatha Yoga beruht. Dieses gliedert
sich in die drei Teile Körperhaltung
(Asana), Atemübung (Pranayama)
und Meditation (Dhyana). Neben
den bekannten Yoga-Figuren, die im
Stehen oder auf einer Matte sitzend
oder liegend ausgeführt werden, ermöglicht das moderne Hatha Yoga
auch solche Übungen, die beispielsweise auf einem Stuhl sitzend praktiziert werden können. Gleichgültig ob
jung oder alt, kerngesund oder körperlich beeinträchtigt – jeder kann
mit der Yoga-Praxis beginnen.
Am meisten freut sich das
Team der Station 13b darüber, wenn
sich ehemalige Patienten gelegentlich melden, einfach nur, um zu sagen, dass es ihnen gut geht und die
Mitarbeiter der 13b ihnen helfen
konnten.
Behandlungsteam der Station 13b
des Zentrums für Suchtmedizin
am Bezirksklinikum Regensburg
Viele Menschen nutzen heutzutage auch im Westen Yoga als ganzheitliches Übungsverfahren um
ihr körperliches und geistiges
Wohlbefinden im Alltag zu steigern. Im Zentrum für Psychi­atrie
Cham ist Yoga ein wichtiger Bestandteil des psychosomatischen
Behandlungsprogramms.
Wissenschaftlich untersucht und
wirksam
Christine Dirscherl, Medizinische
Fachangestellte in Cham,
zeigt den perfekten „Baum“
Die Jahrtausende alten indischen
Erfahrungen über die wohltuende
Wirkung der Yoga-Praxis wurde mittlerweile auch in medizinischen Studien bestätigt. Eine Wirksamkeit
konnte insbesondere bei Burn-out,
Depressionen, Angsterkrankungen
und chronischen Schmerzen nach-
gewiesen werden. Neben den klassischen Entspannungsverfahren wie
der Progressiven Muskelentspannung und dem Autogenen Training
stellt Yoga somit eine wertvolle Bereicherung der therapeutischen
Möglichkeiten in der Psychosomatik
und Psychiatrie dar.
Am besten selbst ausprobieren
Yoga ist ein Entwicklungsprogramm
für Körper und Geist. Nur darüber zu
lesen vermittelt daher lediglich einen
oberflächlichen Eindruck von der positiven Kraft dieses Verfahrens. Mit
Hilfe der hier beschriebenen „Baumübung“ kann man sich selbst ein erstes Yoga-Erlebnis gönnen. Diese
Übung ist besonders hilfreich, wenn
man sich gehetzt oder unruhig fühlt
und aufgrund des Zeitdrucks eigentlich keine Zeit zum Entspannen hat.
Die Haltung bei der hier beschriebenen Yoga-Übung ist einem Baum
nachempfunden, der mit seinen
Wurzeln tief in der Erde verankert ist.
Auf dieser sicheren Basis kann er
hoch in den Himmel wachsen und
eine ausladende Krone entwickeln.
Baumübung
Verlagern Sie im Stand das Gewicht auf das linke Bein. Verwurzeln Sie sich über ihren linken Fuß
im Boden. Drücken Sie kraftvoll mit
ihm in den Boden und wachsen Sie
aus Ihrer linken Seite heraus nach
oben. Heben Sie jetzt den rechten
Fuß. Drehen Sie das rechte Bein
im Hüftgelenk nach außen. Stellen
Sie die rechte Ferse auf den linken
Fußrücken. Die rechte Fußspitze
zeigt auswärts. Bringen Sie nun
Ihre Hände vor der Brust aneinander. Halten Sie den Blick in Augenhöhe. Verweilen Sie so ruhig atmend für ein paar Atemzüge. Beenden Sie jetzt die Übung und bringen
Sie Ihren rechten Fuß wieder zurück in die Ausgangsstellung. Spüren Sie einen Moment im Stand
nach. Wiederholen Sie dann die
Übung mit Ihrem rechten Bein als
Standbein.
Die „Baumübung“ beruhigt
den Geist durch die Konzentration,
die man braucht, um sein Gleichgewicht zu wahren, sie stärkt Ausdauer
und Standfestigkeit.
Dr. Dr. Helmut Hausner ist Leitender Arzt (Chefarzt), Eva Bablick ist
Physiotherapeutin am Zentrum für
Psychiatrie Cham
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22
SYNAPSE August
Psychiatrie
SYNAPSE August
Psychiatrie
Substanzbezogene
Störungen im Alter
Anna Magin, Dr. Heribert Fleischmann
Die Deutsche Hauptstelle für
Suchtfragen (DHS) macht auf das
Problem aufmerksam, der Bezirk
Oberpfalz fördert ein entsprechendes Modellprojekt der Caritas-Fachambulanz in Regensburg:
Die Zahl der von einer Abhängigkeitserkrankung betroffenen älteren und alten Menschen steigt,
während es gleichzeitig dem Hilfesystem noch nicht im ausreichenden Maß gelingt, diese Menschen
zu erreichen und zu unterstützen.
D
ass die Zahl älterer Menschen
mit Suchtproblemen in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich stark zunehmen wird, hat mehrere Ursachen: Infolge des demographischen Wandels steigen die
Zahl und der Anteil der älteren Menschen deutlich an. Die geburtenstarken Jahrgänge (1950 bis 1970, insbesondere 1960 bis 1966) werden
ab 2015 (insbesondere ab 2025) 65
Jahre alt sein.
Zugleich kommt mit den Menschen dieser Jahrgänge eine Generation ins Rentenalter, die so massiv
Alkohol konsumiert hat, wie keine
davor. In der Zeit von 1950 bis 1980
ist der Alkoholkonsum um 400% gestiegen: von etwa 3,2 auf 12,7 Liter
reinem Alkohol pro Kopf und Jahr.
Hoher Konsum aber erhöht die
Wahrscheinlichkeit, eine Abhängigkeit zu entwickeln. Belastende Verlusterlebnisse im Alter können zusätzlich das Risiko der Entwicklung
Mehr Informationen
zum Thema:
Eine sehr gute Überblicksinformation (aus der auch manche
der Daten dieses Artikels
stammen) zum Thema mit
zahlreichen Praxishilfen ist die
Broschüre „Substanzbezogene
Störungen im Alter“, die
über die DHS zu beziehen ist
(www.dhs.de).
einer Abhängigkeitserkrankung erhöhen. Aufgrund der verbesserten
medizinischen Möglichkeiten werden darüber hinaus Menschen mit
einer Abhängigkeitserkrankung heute älter, als dies früher möglich war.
Dies gilt im Besonderen auch für heroinabhängige Patienten, die substituiert werden.
Alkoholfolgeschäden
Als Alkoholfolgeschäden stehen bei
älteren Menschen neben häuslichen
Unfällen wie Stürzen vor allem nicht
durch Altersabbau verursachte, verminderte körperliche und geistige
Leistungsfähigkeit (kognitive Defizite, Interesselosigkeit, Stimmungsschwankungen) und Voralterung der
Organe im Vordergrund. Dasselbe
gilt für alkoholassoziierte Krankheiten, wie Lebererkrankungen bis hin
zu Leberzirrhose, hirnorganische
Schädigungen und Krebserkrankungen im Vordergrund. Alkoholfolgeschäden werden nicht selten als altersbedingte Veränderungen verkannt.
Medikamentenmissbrauch
Nicht unerwähnt bleiben soll das
Thema Medikamentenmissbrauch:
Die DHS geht davon aus, dass vier
bis fünf Prozent aller häufig verordneten Arzneimittel ein eigenes Suchtpotential besitzen. Schätzungsweise
ein Drittel bis die Hälfte dieser Medikamente werden langfristig zur
Suchterhaltung und zur Vermeidung
von Entzugserscheinungen verordnet. Die meisten der abhängigkeitserzeugenden Medikamente gehören
in die Gruppe der Schlaf- und Beruhigungsmittel und enthalten einen
Wirkstoff aus der Gruppe der Benzodiazepine. 2008 wurden insgesamt
29 Millionen Schlaf- und Beruhigungsmittel verkauft, 20,4 Millionen
davon enthielten Mittel mit Benzodiazepin- oder benzodiazepinähnlichen
Wirkstoffen. Sie wirken angstlösend,
ermüdend, schlafanstoßend, muskelentspannende und krampflösend.
Die Abhängigkeit kann bereits wenige Wochen nach Einnahmebeginn
einsetzen. Als Entzugserscheinungen treten die Beschwerden auf, gegen die das Medikament ursprünglich helfen sollte, was dann zu einer
weiteren Verordnung führt.
Gefahren und Nebenwirkungen
Neben der gewünschten Wirkung
kann es zu erhöhter Unfallgefahr
durch Müdigkeit, zu Gleichgewichtsstörungen, verminderter Bewegungskontrolle, verminderter Reaktionsgeschwindigkeit,
Benommenheit, Interessenverlust, Rückzug aus
Beziehungen, depressiven Verstimmungen, Konzentrationsstörungen
aber auch zu Unruhe, Verwirrung
und Erregungszuständen kommen.
Nicht selten entsteht der falsche Eindruck einer beginnenden Demenz.
Eine Erhebung im Auftrag
des Gesundheitsministeriums hat
gezeigt, dass 2009 insgesamt etwa
vier Prozent der Befragten einen
problematischen Medikamentenkonsum aufweisen, wobei der Konsum
in den Altersgruppen ab 40 Jahren
häufiger ist. In den Altersgruppen ab
65 Jahren steigen die Verordnungszahlen zum Teil noch weiter deutlich
an. Angesichts der demographischen Entwicklung ist auch hier eine
Zunahme der Zahl der Betroffenen
als gegeben anzunehmen. Bei geschätzten zehn bis 20% der Patientinnen und Patienten auf geriatrischen Stationen sind Nebenwirkungen von Medikamenten der Grund
für den Krankenhausaufenthalt.
Rauchen im Alter
Rauchen ist auch im höheren Lebensalter nicht selten. Bei den 60bis 65-Jährigen raucht jeder vierte
Mann und jede sechste Frau. Der
Anteil der Raucher nimmt jedoch ab
dem mittleren Erwachsenenalter mit
steigendem Alter kontinuierlich ab.
Das liegt einerseits daran, dass die
Ausstiegsquote steigt, andererseits
führt das jahrelange Rauchen in diesen Altersgruppen zu einer deutlich
erhöhten Sterblichkeit. Setzt sich der
langjährige Trend fort, ist für die Zukunft zumindest mit einer leichten
Abnahme der Raucherquote zu
rechnen. Bei den älteren Frauen dagegen zeichnet sich noch ein Anstieg der Raucherquote ab. Aufgrund
der demographischen Entwicklung
wird die absolute Zahl der älteren
Raucher und Raucherinnen wahrscheinlich deutlich steigen. Lange
Zeit wurde die Sucht und Suchtmittelmissbrauch im höheren Lebensalter nicht wahrgenommen oder verharmlost. Seit die DHS das Jahr
2006 zum Schwerpunktjahr „Alter
und Sucht“ erklärte, ist aber viel in
Bewegung gekommen. Die Suchtforschung hat sich verstärkt der Thematik angenommen und stellt zunehmend verlässliche Daten, altersspezifische Diagnose- und Behandlungsansätze zur Verfügung.
Hilfesysteme greifen nicht immer
Bisher gelingt es dem Hilfesystem
aber nicht in zufriedenstellendem
Maße, ältere suchtkranke Menschen
zu erreichen, obwohl Studien zeigen, dass angepasste Behandlungsmethoden erfolgreich sind. So liegt
zum Beispiel der Anteil der über
65-Jährigen an den Klienten der Caritas-Suchtberatungsstellen im Bezirk Oberpfalz unter drei Prozent,
obwohl bereits 2010 in Deutschland
etwa 21% der Bevölkerung über 65
Jahre alt waren.
Unbedingt auszubauen sind
die bessere Vernetzung von Altenhilfe, Suchthilfe und Medizin. Das Modellprojekt der Caritas zur Verbesserung der Erreichbarkeit von älteren
Menschen durch das Suchthilfesystem hat genau dies zum Ziel. Im
Rahmen des Projekts sind folgende
Angebote geplant: Offene Informations- und Motivationsgruppen für
Betroffene und deren Angehörige,
Beratungsangebote (eventuell als
Hausbesuch, Kontakt bevorzugt/unterstützt durch Mitglieder von Selbsthilfegruppen), Öffentlichkeitsarbeit,
Netzwerkarbeit, intensive Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen aus
dem Bereich Suchthilfe und Altenhilfe, sowie Informationsveranstaltungen und Mitarbeiterschulung in Einrichtungen der Altenhilfe und der Altenpflegeschulen. Die Erkenntnisse
des Projekts sollen allen Oberpfälzer
Suchtberatungsstellen zur Verfügung gestellt werden.
Dr. Heribert Fleischmann ist der
Ärztliche Direktor des Bezirks­
klinikums Wöllershof und Vor­
sitzender der DHS (Deutsche
Hauptstelle für Suchtfragen e.V.),
Anna Magin ist Psychiatriekoordinatorin des Bezirks Oberpfalz
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SYNAPSE August
Psychiatrie
SYNAPSE August
Psychiatrie
chen Hälfte des Freistaats nur eine
einzige Universität mit einer medizinischen Fakultät – Regensburg!“.
Bezirkstagspräsident Franz Löffler
und Prof. Dr. Rainer Rupprecht
Erstes Ostbayern Symposium
Psychiatrie in Regensburg
Ostbayerischer Leuchtturm
Regensburg
Renate Neuhierl, Prof. Dr. Rainer Rupprecht
Im April 2014 fand es erstmalig in
Regensburg statt: Das neue Ostbayern Symposium im Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie. Ins Leben gerufen wurde es
auf Initiative von Prof. Dr. Rainer
Rupprecht, dem Ärztlichen Direktor der Klinik und Poliklinik für
Psychiatrie und Psychotherapie der Universität
Regensburg am Bezirksklinikum
und
Inhaber des entsprechenden Lehrstuhls.
D
ieses Symposium
ist ein wichtiger
Schritt auf dem Weg, unsere ostbayerischen ‚Schätze‘ gemeinsam zu
heben und die fachliche Expertise
gleich vor Ort zu nutzen, auszutauschen und zu vermitteln“, begrüßte
Bezirkstagspräsident Franz Löffler
das fast vollbesetzte Auditorium im
Hörsaal des Bezirksklinikums Regensburg. Gerade in den bayerischen Bezirken mit hoher struktureller Inhomogenität sei es von größter
Bedeutung, dass sich Experten aus
Forschung und Lehre mit versorgenden Medizinern und Vertretern komplementärer Einrichtungen intensiv
vernetzten.
Die Hälfte Bayerns
„Sprechen wir von Ostbayern, impliziert dies, dass der Freistaat in eine
westliche und in eine östliche Hälfte
aufgeteilt werden kann. Damit versorgen wir nicht weniger als die Hälf-
te Bayerns“, führte Prof. Dr.
Rupprecht humorvoll in die Veranstaltung ein, „Und wenn man sich dieses geteilte Bayern genau anschaut,
so findet man in der gesamten östli-
Das Symposium soll dazu dienen, versorgende Ärzte, Forscher
und Experten im Großraum Ostbayern über neue Erkenntnisse und Entwicklungen im Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie zu informieren. Kollegialer Dialog und Austausch
im ostbayerischen Raum finden hier
eine neue, wichtige Plattform.
Entsprechend bestritten bei
der Gründungsveranstaltung nicht
nur forschende, sondern gerade
auch versorgende Mediziner das Tagungsprogramm. Die Ärztlichen Direktoren sowie Chefärzte und leitende Oberärzte der ostbayerischen
Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie trugen ebenso vor wie niedergelassene Kollegen.
Breitgefächertes Programm
Das Spektrum der angebotenen
Themen war breitgefächert: Von der
Früherkennung und Frühbehandlung
schizophrener Psychosen – vorgetragen von Prof. Dr. Hermann Spießl
vom Bezirkskrankenhaus Landshut
–, über den Bereich Angststörungen
(Prof. Dr. Peter Zwanzger vom kbo
Inn-Salzach-Klinikum) oder ein Bericht zu Therapieevaluationsstudien
bei der stationären Behandlung depressiver Erkrankungen (Prof. Dr.
Ulrich Vorderholzer, Schön-Kliniken
Prien).
Prof. Dr. Manfred Wolfersdorf
– Bayreuth und damit das dortige
Bezirkskrankenhaus wurden kurzum
Ostbayern einverleibt – sprach über
die neuesten Erkenntnisse und Zahlen in Sachen Suizidalität. Mit der
„Body Integrity Identity Disorder“
stellte Prof. Dr. Wolfgang Schreiber
vom Bezirksklinikum Mainkofen eine
Störung dar, bei der sich der Patient
erst nach Amputation einer Gliedmaße körperlich wieder hergestellt fühlt.
Ein Highlight war der launige Vortrag
des Regensburger Psychiaters Dr.
Albert Zacher zu Last und Nutzen
psychiatrischer Biographik in Forschung und Versorgung: „Wozu
denn all die Lebensgeschichten?“.
Die medbo-Protagonisten widmeten sich dem Neurofeedback (Dr.
Dr. Helmut Hausner, Zentrum für Psychiatrie Cham) und der Behandlung
Alkoholkranker unter Kosten- und Effizienzgesichtspunkten (Dr. Heribert
Fleischmann, Bezirksklinikum Wöllershof). Prof. Dr. Thomas Baghai, leitender Oberarzt am Bezirksklinikum
in Regensburg, informierte über die
neuesten Forschungsergebnisse zum
Einsatz antidepressiver Pharmakotherapie bei komorbiden somatischen
Erkrankungen.
Prof. Dr. Rainer Rupprecht ist
Ärztlicher Direktor der Klinik und
Poliklinik für Psychiatrie und
Psychotherapie der Universität
Regensburg am Bezirksklinikum
und Inhaber des gleichnamigen
Lehrstuhls an der Universität
Regensburg
Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie Regensburg
Sportfest mit olympischen
Gedanken
Lissy Höller
„Wir müssen gleich rüber und die
anderen beim Volleyball anfeuern“, sagt ein Patient und läuft
zum Beach-Volleyballfeld. Zum
Bejubeln braucht es eigentlich
keinen mehr, denn mit den Klängen von Trommel und Rasseln
und dem Applaus von rund 20 Zuschauern hat das Match auf dem
Sand den Charakter eines Schulfestes.
hat“, sagt Sporttherapeut Josef
Brunner. Das beweist auch eine
ganze Station, die motiviert bis unter
die Haarspitzen zum Rasenskilauf
antritt und prompt bei der Kehrtwende übereinander purzelt. Die Patienten quittieren den Unfall, der den
Sieg kostet, mit einem schallenden
Lachen.
D
Josef Brunner hat vor 25 Jahren das
Sportfest ins Leben gerufen und er
ist in diesem Jahr ein letztes Mal vor
seinem Ruhestand in offizieller Funktion dabei. Seine Kollegen bezweifeln nicht, dass er in den kommenden Jahren weiter dem Sportfest treu
die Stange halten wird.
as Sportfest besuchen stationäre und ambulante Patienten der
Psychiatrie am Bezirksklinikum Regensburg. Die dreitägige Veranstaltung Mitte Juli einfügen hebt ganz
bewusst den Spaßfaktor hervor mit
eindeutig nicht-olympischen Wettbewerben, wie „wer fährt am langsamsten Fahrrad“. Alles ist freiwillig beim
Sportfest. Wer kommt, wie lang er
bleibt und an welchen Wettbewerben er teilnimmt, bleibt jedem Patienten selbst überlassen. So ist ein
ständiges Kommen und Gehen auf
dem Sportplatz, und wer nicht mitmachen will, kann als Zuschauer dabei sein. Der Ansporn zum Mitmachen kommt entweder aus der Gruppe oder vom Sportler selbst.
Angeboten werden unter anderem Boccia, Kegeln, Rasenskilauf
und ein Treffsicherheits-Parcour mit
fünf Stationen. „Wir haben ein niederschwelliges Angebot, das jeder
mitmachen kann und Spaß dabei
Letzte Runde
Die vier Sport- und Bewegungstherapeuten Silvia Daza, Renate Piehorsch, Josef Brunner und
Harald Dullak freuen sich - frei nach
dem olympischen Gedanken - über
jeden, der beim Sportfest mitmacht.
Für sie ist es wichtig, die Patienten
zu aktivieren und deren soziale
Kompetenzen zu stärken. Zwar gibt
es nach drei Tagen jeweils für die
drei Besten eine Urkunde und Eintrittskarten für das Regensburger
Westbad, aber dabei sein ist alles.
„Verloren haben wir“, lacht eine Patientin zu Piehorsch, die nach dem
Volleyball-Ergebnis fragte… „aber
das macht nix, Spaß hat’s gemacht.“
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SYNAPSE August
KJP
SYNAPSE August
KJP
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Bindungsstörungen
Dr. Simon A. Meier
Frühe Bindungserfahrungen mit
den Eltern prägen die sozio-emotionale Entwicklung eines Menschen nachhaltig und haben langfristige und deutliche Auswirkungen auf seine seelische Gesundheit.
gen des Kindes- und Jugendalters
dar. Sie sind kontextübergreifende,
tiefgreifende Beziehungsstörungen,
die sowohl kognitive Fähigkeiten, als
auch sozio-emotionales Verhalten
und die Persönlichkeitsentwicklung
nachhaltig beeinträchtigen.
S
Als Begleiterkrankungen von
Bindungsstörungen treten fast immer
Aufmerksamkeitsstörungen,
sehr häufig Sozialverhaltensstörungen, affektive Störungen, Persönlichkeitsentwicklungsstörungen, Teilleistungsstörungen sowie teilweise
pseudoautistische Verhaltensweisen
auf. Aufgrund der vielfältigen Komorbiditäten von Bindungsstörungen mit
deren häufig „überschattenden“
Symptomen (etwa Aufmerksamkeitsstörung) bedarf es, neben umfangreicher und spezifischer Erfahrung
auf diesem Gebiet, zusätzlicher gezielter und fundierter Methoden in
der Diagnostik.
ich beispielsweise in Lebenskrisen Unterstützung aktiv einzuholen oder sie zulassen zu können,
hängt ebenso in entscheidender
Weise davon ab, welches internale
Arbeitsmodell von Beziehungen erlernt worden ist, wie das Selbstwirksamkeitserleben in der Bewältigung
von Entwicklungsaufgaben aufgestellt ist. Die Bindungsentwicklung
ist somit immer unabdingbar mit der
Autonomieentwicklung verknüpft.
Organisierte Bindungsmuster können dabei für ein Individuum
einen protektiven Faktor darstellen
(sicher-autonomes Muster) oder
nicht (unsicher-vermeidendes beziehungsweise unsicher-ambivalentes Muster). Wenn diese stabilen
und funktionierenden Strategien vorübergehend
zusammenbrechen
(etwa nach einem unverarbeiteten
Trauma eines Elternteils) oder längerfristig versagen und dies folglich
zu einer Bindungsdesorganisation
mit Rollenumkehr beziehungsweise
Bestrafung und Kontrollausübung
gegenüber einer Hauptbezugsperson führt, entsteht ein deutliches
Emotionsregulationsdefizit, beziehungsweise eine emotionale Dysregulation. Dies kann einen bedeutsamen Risikofaktor für die psychische Gesundheit darstellen.
Bindungsstörung: Schwerwiegende psychische Erkrankung
Bindungsstörungen gemäß der ICD10 oder der DSM-V stellen, weit über
das Phänomen der Bindungsdesorganisation hinaus, eine der schwerwiegendsten psychischen Erkrankun-
Hierzu zählen insbesondere
eine altersangemessene und fundierte Bindungsdiagnostik, Verfahren zur Einschätzung der Persönlichkeitsentwicklung, der Emotionswahrnehmung, der vorliegenden
Emotionsregulationsstrategien, sowie störungsspezifische Interviews
und Fragebögen. Diese umfangreichen Untersuchungen können in allen Institutsambulanzen der Klinik
für Kinder- und Jugendpsychiatrie,
Psychosomatik und Psychotherapie
durchgeführt werden.
Perspektivenplanung
Neben der Diagnostik bieten die Institutsambulanzen ein umfassendes
Angebot zur Therapie- und Perspektivenplanung für Kinder und Jugendliche mit Bindungsstörungen, in Absprache mit ihren sorgeberechtigten
Eltern, an. Dies beinhaltet sowohl
einen patienten- und einen familienzentrierten therapeutischen Ansatz,
wie auch den Einbezug von Leistungen der Jugendhilfe.
Ein langfristig tragfähiger und
Halt vermittelnder Lebensmittelpunkt, der die hohen alltäglichen Belastungen im Umgang mit den strukturell tiefgreifend gestörten Patienten immer wieder aushalten und abfedern kann, stellt dabei eine
zentrale Säule der Behandlung dar.
Durch Konstanz, Verlässlichkeit und
Beständigkeit, die über neue, stabile
Beziehungserfahrungen vermittelt
werden, kann sich die Häufigkeit
und Intensität der emotionalen Ausbrüche und aggressiven Durchbrüche deutlich reduzieren lassen.
Doch auch die Helfersysteme
stoßen dabei immer wieder an ihre
Grenzen. Deshalb wurde nun in der
Kinder- und Jugendpsychiatrie Regensburg eine neue Therapiegruppe
(PEGAB – Psychoedukativ orientierte Therapiegruppe für Angehörige
von Kindern und Jugendlichen mit
Bindungsstörungen) für Angehörige
wie etwa Adoptiv- und Pflegeeltern,
sowie Mitarbeiter aus der Jugendhilfe (etwa Heimerzieher, Erziehungsbeistände), die in ihrer täglichen Arbeit Patienten mit Bindungsstörungen versorgen, ins Leben gerufen.
Hierbei erfolgt neben der Vermittlung
von spezifischem Störungswissen
eine sehr praxisnahe Beratung
anhand videogestützter Fallarbeit
und Hausbesuchen. Wissenschaftlich evaluiert wird dieses neue und
bisher weltweit einzigartige störungsspezifische Gruppentherapiekonzept durch den Lehrstuhl für
Entwicklungspsychologie der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen- Nürnberg.
Dr. phil. Simon A. Meier ist
Diplom-Psychologe an der
Instituts­ambulanz der Klinik für
Kinder- und Jugendpsychiatrie am
Bezirksklinikum Regensburg
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SYNAPSE August
KJP
SYNAPSE August
KJP
Kinder- und Jugendpsychiatrie in Weiden
24 Betten für die Nord-Oberpfalz
Renate Neuhierl
Der Bezirk Oberpfalz und die medbo (Medizinische Einrichtungen
des Bezirks Oberpfalz) werden
eine neue Klinik für Kinder- und
Jugendpsychiatrie am Standort
Weiden errichten. Der Krankenhausplanungsausschuss
beim
Bayerischen Staatsministerium
für Gesundheit und Pflege genehmigte am 13. Mai 2014 insgesamt
24 vollstationäre Betten und einen Ausbau des bestehenden
tagklinischen KJP-Angebots um
sechs Plätze.
E
in positives Signal“, sagte Bezirkstagspräsident Franz Löffler
zu der Entscheidung. „Wir haben
den Antrag im Februar gestellt und
freuen uns sehr über die schnelle
Zusage des Ministeriums“. Die
Strategie des Bezirks einer dezentralen, wohnortnahen Versorgung
gerade im Bereich der Kinder- und
Jugendpsychiatrie (KJP) wäre, so
Löffler, nicht nur bestätigt worden,
sondern erfahre durch die jetzt
mögliche Maßnahme einen enormen Schub.
Denn wesentlich an der Entscheidung sei auch, dass der Krankenhausplanungsausschuss
die
Ansiedelung der neuen Einrichtung
in Weiden in der Nord-Oberpfalz
befürworte: Das bislang einzige
vollstationäre Angebot in Sachen
Kinder- und Jugendpsychiatrie in
der Oberpfalz befindet sich am anderen, südlichen Ende des Bezirks
– in Regensburg. „Und für Kinder
und ihre Familien aus Weiden, Tirschenreuth, Waldsassen und so
weiter ist die große Entfernung bei
meist auch noch längerer Behandlungsdauer eine zu große Belastung – das medizinische Angebot
muss gerade im Bereich der Kinder
und Jugendlichen zu den Men-
schen kommen“, ergänzt der Bezirkstagspräsident.
„Das Prinzip der heimatnahen Versorgung war und ist uns
umso wichtiger, da außerhalb der
städtischen Zentren Regensburg
und Neumarkt bis heute in der gesamten Oberpfalz auch keine Kinder- und Jugendpsychiater niedergelassen sind“, erläutert medbo
Vorstand Kurt Häupl. „Hier hat die
Kassenärztliche Vereinigung den
Sicherstellungsauftrag“.
Steigende Fallzahlen
Der Bezirk Oberpfalz und sein
Krankenhausträger medbo bauen
seit 1992 das kinder- und jugendpsychiatrische Angebot kontinuierlich aus. Neben einer KJP-Klinik
mit 28 vollstationären Betten in Regensburg betreibt das Unternehmen in Amberg, Cham, Regensburg und Weiden insgesamt 50 tagesklinische Plätze und umfangrei-
che
Institutsambulanzen.
Die
medbo hatte bereits 2009 eine Erweiterung der Regensburger Einrichtung um 12 stationäre Betten
beantragt, die ab Ende 2016 voraussichtlich auch zur Verfügung
stehen werden.
„Wir verzeichnen ein enormes Fallzahlenwachstum an allen
unseren Standorten und in allen Altersgruppen“, erläutert Dr. Christian
Rexroth, kommissarischer Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinderund Jugendpsychiatrie am Bezirksklinikum Regensburg und
Chefarzt der KJP-Außenstandorte.
In der Regensburger KJP-Klinik hätten sich, so Rexroth, die vollstationären Fallzahlen seit 2003 verdoppelt – bei konstant 28 Betten seit
1993. 353 Kinder und Jugendliche
wurden 2013 stationär behandelt.
„Dabei gab es nachweisbar mindestens 420 ernsthaft erkrankte Patienten mit dringendem stationärem Behandlungsbedarf. Sie stehen jetzt
KJP-Versorgungssituation in der Oberpfalz:
Weitere Daten und Fakten
In den nächsten fünf Jahren ist nach Experten-Schätzung eine
Fallzahlsteigerung im Bereich KJP von mindestens 30 Prozent zu
erwarten. Alle Altersgruppen sind von der Fallzahlzunahme betroffen.
Die Zahl der Notaufnahmen in der KJP aufgrund von akuten Krisensituationen steigt in der Oberpfalz zu Lasten der elektiven Aufnahmen.
Die Folge ist eine Verkürzung der durchschnittlichen stationären
Verweildauer auf zuletzt 27,3 Tage. Die durchschnittliche Verweildauer
betrug 2012 im Bundesdurchschnitt hingegen 38,4 Tage.
2013 wurden 36 minderjährige Suchtkranke bei der medbo behandelt,
alleine 20 in den erwachsenenpsychiatrischen Einrichtungen in
Regensburg und Wöllershof. Seit 2009 hat sich die Fallzahl mehr als
verdreifacht, die Tendenz bleibt steigend.
Bezirksrat Toni Dutz, Prokurist Manfred Tretter (Kliniken Nordoberpfalz), KJP-Oberarzt
Hans Kiefl, KJP-Chefarzt Dr. Christian Rexroth, medbo Vorstand Kurt Häupl,
Bezirkstagspräsident Franz Löffler und Bezirkstagsvizepräsident Lothar Höher (v.l.n.r.)
teilweise auf unserer Warteliste“, erläutert Dr. Rexroth, „und für das laufende Jahr zeichnen sich weitere
zusätzliche 60 Patienten ab“. Die
Dunkelziffer-Schätzungen gehen indessen noch weiter: Nach der KIGGS-BELLA-Studie (2007) leiden im
bundesweiten Durchschnitt etwa
fünf Prozent aller Kinder und Jugendlichen an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung:
In der Oberpfalz wären dies etwa
9.000 Kinder.
Medizinstandort Weiden
Der Standort Weiden war für die
medbo die erste Wahl bei der Beantragung der weiteren stationären
Kapazitäten: Die seit 2001 bestehende KJP-Tagesklinik und die Institutsambulanz sind etablierte Einrichtungen und können räumlich
und personell eng mit dem neuen
stationären Bereich verzahnt werden. Hinzu kommt die bewährte
enge Zusammenarbeit der KJP
Weiden mit den Kliniken Nordoberpfalz, insbesondere der Klinik für
Kinder- und Jugendmedizin, sowie
dem medbo-eigenen Bezirksklinikum Wöllershof. Weiden ist zudem
das überregionale Zentrum der
Nord-Oberpfalz und verkehrstechnisch günstig erschlossen.
Die genehmigte Kapazität
von 24 Betten ermöglicht einen Betrieb von zwei Stationen mit je zehn
Betten und einen intensivtherapeutischen Akutbereich mit vier Betten.
In welcher Form das Klinik-Projekt
baulich umgesetzt wird, steht noch
nicht fest: „Wir prüfen mehrere Optionen. Wichtig ist der medbo allerdings, dass die vollstationäre Einrichtung weiter im Stadtzentrum
angesiedelt ist, damit die Synergien mit den somatischen Einrichtungen am Klinikum Weiden erhalten
bleiben“, so Kurt Häupl.
Stationäre Behandlung
suchtkranker Jugendlicher
Die Entscheidung zum Antrag der
medbo, in Weiden auch einen vollstationären Bereich mit acht Betten
für suchtkranke Jugendliche einzurichten, hat der Krankenhausplanungsausschuss vertagt.
Dr. Christian Rexroth: „Bislang können Jugendliche mit Suchterkrankungen auf den altersgemischten Stationen der KJP nur im
Ausnahmefall stationär behandelt
werden. Meist müssen diese Jugendlichen in die Erwachsenenpsychiatrie oder in andere somatische
Kliniken verlegt werden, die teilweise in anderen Bundesländern liegen.
Das ist oft nicht zielführend, weil dort
auf die psychischen Ursachen der
Abhängigkeit nicht altersspezifisch
eingegangen werden kann“.
Hinzu käme, so Rexroth, der
Einfluss neuer Drogen wie Crystal
Speed, die gerade in den grenznahen Räumen zu Tschechien ein großes und vor allem neues Problem
darstellten. „Hier greifen die klassischen Therapiemethoden der Suchtmedizin nicht eins-zu-eins – wir
brauchen hier neue Wege gerade
für den jugendlichen Erkrankten.“
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SYNAPSE August
Neurologie
SYNAPSE August
Neurologie
det sich unmittelbar nach der Akutphase: die sogenannte Keraunoparalyse, auch Blitzlähmung genannt.
Dabei sind die Patienten mehr oder
minder komplett gelähmt. Diese
Lähmung bildet sich aber innerhalb
von Stunden wieder zurück. Es kann
auch zu Bewusstlosigkeit, Verwirrtheit und Sensibilitätsstörungen kommen. Mit der höchsten Sterblichkeit
verbunden sind direkte Blitzeinschläge in den Kopf. Dabei kann es
zu Blutungen und schweren Kontusionen kommen. Auch das Rückenmark kann in diesen Fällen geschädigt werden, da es einen sehr guten
Leiter für den Strom darstellt.
Blitzforschung an der Klinik für Neurologie der
Universität Regensburg am Bezirksklinikum
Vorsicht – Hochspannung!
Diagnose und Therapie
Prof. Dr. Berthold Schalke
Blitzverletzungen sind relativ seltene Ereignisse: Nur etwa 100 Fälle gibt es pro Jahr in Deutschland.
Circa zehn bis 20 % der Verletzten
sterben an den Folgen des Blitzschlages. Dies ist auch der Grund,
warum das Forschungsinteresse
in Bezug auf Personenschäden
relativ gering ist.
S
ehr viel zahlreicher und insgesamt auch finanziell höher sind
Schäden, die durch Blitzeinschläge
in Häuser und Infrastruktur auftreten. Hier ist nicht nur an direkte Häuserbrände zu denken, sondern vor
allen Dingen auch an Ausfälle im
elektronischen Bereich, Störungen
des Flugverkehrs und vieles mehr.
Wie kam es nun dazu, dass
wir uns für das Thema ‚Blitzschlagverletzung‘ interessierten? Das ist
ganz einfach: Plötzlich steht ein Patient, der vom Blitz getroffen wurde,
in der Poliklinik und hat Beschwerden und Probleme, die sich schwer
zuordnen lassen. Man fängt an, sich
mit dem Phänomen Blitz zu beschäftigen, und stellt fest, dass es nicht
nur eine Art von Blitz gibt, sondern
vier, je nachdem wie die Ladung und
die Richtung des Blitzes orientiert
sind.
Arten des Blitzeinschlags
Es gibt verschiedene Arten von Blitzschlagverletzungen. Zum einen den
direkten Blitzeinschlag, wo der
Mensch direkt vom Blitz getroffen
wird. Diese sind – wie schon geschildert – eher seltenere Ereignisse,
aber sie können häufig auch zum
Tode führen.
Dann gibt es den sogenannten Blitzüberschlag, etwa von Bäumen oder Holz- oder Metallmasten.
Eine dritte Kategorie ist die sogenannte Berührungsspannung, das
heißt der Mensch fasst an ein in der
Regel stromleitendes metallenes
Objekt, etwa einen Zaun oder Fahnenmast. Ein Teil des Blitzstromes
fließt dann über die Person ab. Die
letzte Form ist der sogenannte Erdschlag, das heißt der Blitz schlägt in
der Nähe der Person ein und breitet
sich kreisförmig über den Erdboden
aus. Je näher die Person zur Einschlagstelle steht, umso höher ist die
Spannung. Weiterhin ist die durch
den Körper fließende Spannung davon abhängig, wie weit der Schritt ist,
da die Schrittspannung mit der
Schrittlänge ansteigt.
Zuletzt sind noch die indirekten Schäden für den Menschen zu
nennen, etwa bei Explosion von getroffenen Gegenständen oder durch
herabfallende Äste, Dachziegel et
cetera. Für den Menschen wohl eher
nicht so bedeutend ist die Wirkung
des elektromagnetischen Impulses,
der aber elektronische Geräte sehr
stark stören oder zerstören kann.
Vom Blitz getroffen
Welche Wirkung hat aber ein Blitzschlag oder Gleichstromimpuls auf
den menschlichen Körper? Der
Strom fließt nicht gleichmäßig durch
den menschlichen Körper, da die Gewebe einen unterschiedlichen elektrischen Widerstand haben. So leiten
Fettgewebe und Muskeln deutlich
schlechter als etwa Nervenbahnen
oder Gefäße. Der größte Anteil der
Stromspannung oder des Stromes
fließt wohl über die Haut ab.
Erstaunlich ist bei den oben
genannten physikalischen Parametern, dass es trotzdem meist nur zu
Verbrennungen zweiten Grades
kommt, dass heißt Rötung und Blasenbildung, aber keine Verkohlung.
Dies liegt daran, dass die Zeitdauer
der Einwirkung sehr kurz ist: maximal eine Sekunde. Schädigungen
können auch an den Augen (Linsen­
trübung durch thermische Schädigung) oder im Ohr entstehen (Trommelfellriss durch das Knalltrauma).
Die Patienten, die sich in der
Neurologie vorstellen, klagen in der
Regel über zwei wesentliche Be-
schwerdegruppen: zum einen, dass
sie den Eindruck haben, kognitiv
nicht mehr so fit zu sein. Sie können
sich keine Dinge mehr merken. Arbeitsabläufe, die früher ohne Probleme abgewickelt wurden, brauchen
sehr viel länger. Diese Patienten
fühlen sich einfach nicht mehr so
leistungsstark. Zusätzlich kommen
häufig depressive Symptome hinzu,
mitbedingt durch die posttraumatische Belastungsstörung sowie sehr
oft eine Furcht vor aufziehenden Gewittern oder lauten Geräuschen.
Das zweite und neurologisch
eindrucksvollste Krankheitsbild fin-
Blitze
Blitz und Donner haben die Menschheit schon immer fasziniert.
Nicht umsonst sind die Götter des Altertums (Zeus und Jupiter)
und der germanischen Sagenwelt (Wotan) mit dem Vorhandensein
von Blitz und Donner verbunden.
Blitze können bei ihren Entladungen von Wolke zu Erde oder Wolke
zu Wolke Spannungen von mehreren Millionen Volt haben. Die
Ströme, die fließen, liegen im Bereich von 100.000 Ampère, die
entstehenden Temperaturen liegen zwischen 5.000 und 50.000°C.
Sie liegen damit höher als auf der Sonnenoberfläche.
Die oben genannten Symptome bilden sich meist innerhalb der folgenden Tage mehr oder minder zurück.
Die Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen bleiben oft lange bestehen, eventuell als Dauerschaden.
Die Bildgebungsbefunde bis hin zum
Kernspin sind dabei sehr oft unauffällig, so dass nicht blitzerfahrene
neurologische Gutachter keine signifikanten Schäden feststellen. Mit
Hilfe einer differenzierten neuropsychologischen Testung gelingt es
aber sehr oft, schwere neuropsychologische Defekte bis hin zu 100%
Minderung der Erwerbsfähigkeit zu
diagnostizieren. Gelingt die frühzeitige Erfassung dieser Schäden, ist
eine ebenso frühzeitige neurologische Rehabilitation durchaus erfolgsversprechend.
Im peripheren Nervensystem
klagen die Patienten sehr oft über
unspezifische Symptome, die in der
konventionellen neurologischen Untersuchung oft nicht nachgewiesen
werden können. Auch die Messung
der konventionellen motorischen
oder sensiblen Leitgeschwindigkeiten führt in der Regel zu keinem pathologischen Befund. Die Symptomatik wird deshalb von den Gutachtern meist als psychogen eingestuft.
Im Rahmen unserer Arbeit
konnten wir aber zeigen, dass bei
Blitzschäden, die dünnen unbemarkten Fasern in der Haut beschädigt
Fortsetzung auf Seite 32
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32
SYNAPSE August
Neurologie
SYNAPSE August
Neurologie
Neurologie
Fortsetzung von Seite 31
werden. Diese sogenannten ‚small
fibers‘ sind für die Temperatur und
Schmerzleitung verantwortlich. Deshalb kann man solche Schäden nur
mit hochspezifischen Testmethoden
zur unterschiedlichen Temperaturempfindung nachweisen. Mittlerweile ist es auch gelungen, die Befunde
histologisch zu bestätigen.
Im Rahmen unserer Arbeit
stellen sich immer mehr Patienten
mit Zustand nach Blitzschlagverletzung vor. Teilweise wurden sie auch
von den Berufsgenossenschaften
gezielt geschickt, da die Schäden
bei dieser Personengruppe sehr oft
von nicht blitzschlagerfahrenen Gutachtern vollkommen falsch eingestuft wurden. Es ist uns gelungen,
bei etlichen Blitz- aber auch Stromschlag geschädigten Patienten die
Schädigungsfolgen nachzuweisen
und damit in die Begutachtung mit
einzubeziehen.
Neue Gefahrenquelle:
Gleichstrom
Ein wesentliches Problem ist, dass
sich nur sehr wenige Mediziner mit
den klinischen Folgen von Blitzschlagverletzten ernsthaft beschäftigen. Das liegt sicher an der relativ
geringen Patientenzahl. In Deutschland betreuen wir in der Neurologischen Poliklinik sicherlich die größte
Gruppe an Patienten mit Blitzschlagverletzungen. In der Zukunft ist zu
erwarten, dass sich das rapide ändert, denn Blitzschlagverletzungen
ähneln denen bei Gleichstromverletzungen.
Gleichstrom spielte vor wenigen Jahren kaum eine Rolle. Allenfalls in der Industrie wurden Präzisionsmaschinen mit Gleichstrom betrieben. Heute produziert jede Solaranlage auf einem Hausdach
Gleichstrom. Es existieren zunehmend mehr Elektroautos mit hohen
Batterieladungen, so dass davon
auszugehen ist, dass in Zukunft
mehr Gleichstromverletzungen mit
entsprechenden Verletzungsbildern
auch auf dem neurologischen Gebiet auftreten werden.
Erste Hilfe
Kommt es zu einer Blitzschlagverletzung einer Person, sollte man, falls
erforderlich, unmittelbar mit den
Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen. Dies ist auch möglich, da
der Körper des Verletzten nicht mehr
von Strom durchflossen ist, wie das
bei technischen Stromverletzungen
der Fall sein kann. Viele der Todesopfer könnten wahrscheinlich
noch leben, wenn ein Mensch in der
Nähe gewesen wäre, der unmittelbar mit Reanimationsmaßnahmen
hätte beginnen können. Am sichersten ist es jedoch immer noch, wenn
man in einem Gebäude warm und
trocken sitzt und das Gewitter von
innen heraus beobachten kann.
Denn das Naturphänomen Blitz und
Donner kann durchaus ästhetisch
und schön sein, solange man nicht
vom Blitz getroffen wird.
Vier Millionen Euro für die Erforschung
neurodegenerativer Erkrankungen
Mit rund vier Millionen Euro fördert das Bundesministerium für
Bildung und Forschung im Rahmen seines GO-Bio Wettbewerbs
ein Projekt Prof. Dr. Ulrich Bogdahns, dem Ärztlichen Direktor
der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Regensburg am Bezirksklinikum und Inhaber des Lehrstuhls für Neurologie. Das Projekt setzte sich gegen
106 Mitbewerber durch.
I
m Zentrum des Regensburger Forschungsprojekts stehen neurodegenerative Erkrankungen – allen voran die Amyotrophe Lateralsklerose
(ALS) – bei denen es noch keine ursächlich wirksame Therapie gibt.
Prof. Bogdahns Team hat einen Ansatz zur Therapieentwicklung bei
derartigen neurodegenerativen Erkrankungen entwickelt. Damit konnte sich Bogdahn gegen 106 Bewerber bei den Deutschen Biotechnologietagen in Hamburg als einer von
insgesamt fünf Preisträgern des GOBio Wettbewerbes (Phase I) durchsetzen. Mit knapp vier Millionen Euro
wird das Projekt nun gefördert.
Suche nach neuem Wirkstoff
Die molekularen Ursachen der ALS
sind vielfältig. Eine große Anzahl relevanter Gen-Mutationen sind inzwischen bekannt und tragen immer
weiter zum Verständnis der Erkrankung bei. Aber eine wirksame ursächliche Therapie gibt es bisher
noch nicht.
Durch einen innovativen
Wirkstoff soll die Neubildung von
Nervenzellen gezielt wieder reaktiviert werden. „Bei Menschen mit
neurodegenerativen Erkrankungen
ist die Konzentration des TGFß-Moleküls erhöht. Ein Übermaß davon
hemmt die Fähigkeit des Zentralen
Nervensystems, sich zu regenerieren und neue Nervenzellen hervor-
Was tun bei Gewittern?
Nähere Informationen im Internet unter den Schlagworten „Unfälle durch
Blitzeinwirkung VDE/abb2/12“.
In der ersten Phase wird ein
Wirkstoff entwickelt, der anschließend in einer klinischen Studie getestet werden soll. Zudem werden
Biomarker identifiziert, die der späteren Patientensicherheit dienen sollen sowie bestimmte Rückschlüsse
auf die Wirkung des Präparates zulassen. Aus diesen Indikatoren sind
auch umfassende Erkenntnisse über
die Krankheit selbst und ihre molekularen, zellulären und funktionellen
Mechanismen zu erwarten. In der
zweiten Phase sind die klinische
Prüfung des Wirkstoffs und die
Gründung von „CampoNeuro Pharma“ als Biotechnologie-Unternehmen geplant. Dieses soll langfristig
den Wirkstoff herstellen und möglicherweise auch vertreiben.
Gründeroffensive
Biotechnologie – GO-Bio
Prof. Dr. Berthold Schalke
ist Leitender Oberarzt an der
Klinik und Poliklinik für Neurologie
der Universität Regensburg
am Bezirksklinikum
Am besten ist es, sich während eines Gewitters in einem festen Haus
oder einem Auto aufzuhalten. Ist es nicht möglich, sollten Gebäude ohne
Blitzschutzanlage, große Zelte mit Metallgestängen oder die Umgebung
von Gebäuden und Metallmasten aufgesucht werden. Dabei sollte darauf
geachtet werden, dass zu den Wänden und Metallteilen ein Abstand von
mindestens drei Metern eingehalten wird. Überrascht einen das Gewitter
auf freiem Feld, sollte man einen möglichst tiefen Punkt suchen, sich
hinhocken und die Füße ganz eng beieinander halten. Ist man im Wald,
sollte man auch die direkte Nähe von Bäumen meiden, also ebenfalls
einen Mindestabstand von drei Metern halten.
zubringen. Diesen natürlichen Kompensationsmechanismus wollen wir
reaktivieren und damit für die Patienten wieder ein möglichst normales
Leben ermöglichen“, erläutert Professor Bogdahn das Projektziel.
Amyotrophe Lateralsklerose
Stephen Hawking ist der wohl berühmteste Betroffene von Amyotropher
Lateralsklerose (ALS), eine der schwersten neurodegenerativen Erkrankungen. Bei ALS werden die für die Muskelbewegungen verantwortlichen Nervenzellen fortschreitend und irreversibel geschädigt oder
schwinden ganz. In Folge dessen kommt es bei den Patienten unaufhaltsam zu Lähmungen der Körpermuskulatur. Statistisch gesehen beträgt
die Überlebenszeit der ALS-Patienten nach Diagnosestellung zwischen
ein und drei Jahren. Wann und welche Symptome bei jedem einzelnen
Betroffenen auftreten, kann noch nicht exakt vorhergesagt werden.
Seit 2005 unterhält das Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) das Förderprogramm „Gründeroffensive Biotechnologie“, kurz
GO-Bio. Damit unterstützt das BMBF
gezielt vielversprechende Gründerteams in dem meist langwierigen
und kostspieligen Entwicklungsprozess neuer Medikamente und Therapien. Die GO-Bio-Bewerber müssen sich einem harten und hochselektiven Auswahlwettbewerb stellen. Die eingereichten Ideen werden
auf Innovations- und Marktfähigkeit
geprüft. Weniger als zehn Prozent
der Bewerber schaffen den Sprung
in die Förderung. In den bisher
durchgeführten sechs Auswahlrunden wurden aus insgesamt 600 eingereichten Vorschlägen lediglich 46
besonders aussichtsreiche Projekte
für eine Förderung durch GO-Bio
identifiziert. Aus diesen sind bislang
21 Unternehmensgründungen hervorgegangen.(RNE/UKR)
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SYNAPSE August
Neurologie
SYNAPSE August
Neurologie
Aromapflege
Duftende Wickel und Auflagen zeigen beispielsweise zur Tonuslösung oder Schmerzreduktion
gute Wirkungen. Hand- und Fußmassagen komplettieren die Anwendungsgebiete der Aromatherapie. All
diese Maßnahmen lassen sich in
den pflegerischen Alltag gut integrieren und sind eine Bereicherung für
die Bewohner und das Team.
Die Macht der Düfte
Melanie Kießling, Kathrin Werner und Kirsten Gangl
Seit einem Jahr sind sie im Einsatz: fünf Gesundheits- und Krankenpfleger am Neurologischen
Spezialpflegeheim HAUS 15 des
Bezirksklinikums
Regensburg
hatten im Sommer 2013 einen Basiskurs zur Aromapflege erfolgreich absolviert und konnten mit
der Integration dieser bereichernden Pflegemethode in den therapeutischen Alltag beginnen.
N
ach und nach wurden auch alle
weiteren Kollegen im Neurologischen Spezialpflegeheim geschult,
um einen sachkundigen und sicheren Umgang mit den Ölen zu gewährleisten. Auch bei der Angehörigenarbeit und in der Ausbildung von
Gesundheits- und Krankenpflegeschülern hat die Aromapflege mittlerweile einen festen Platz. Vor allem
aber profitieren die schwer hirngeschädigten Bewohner des Neurologischen Spezialpflegeheims jeden
Tag vom Einsatz der hochwertigen
ätherischen Öle.
Aromatherapie und Aromapflege
Aromapflege ist ein Teilbereich der
Aromatherapie. Die Aromatherapie
ist in Deutschland per Gesetz Ärzten
vorbehalten und gehört zur Phytotherapie. Sie beinhaltet die gezielte
therapeutische Anwendung von Ölen
pur oder gemischt über den Geruchssinn, die Haut und die Schleimhäute, zum Beispiel über Kapseln
oder Zäpfchen.
Als anerkannte Pflegemethode wird die Aromapflege in die pflegerischen Handlungen auf der
Grundlage von Anamnese und Pflegeplanung als unterstützende Maßnahme individuell integriert. Inhalte
der Ausbildung waren entsprechend
unter anderem die Herstellung, Qualitätssicherung, Dosierung, Wirkung
und Anwendung einzelner Öle sowie
Indikationen und Kontraindikationen
vor allem im neurologischen Bereich.
Zur äußerlichen Anwendung
kommen 100% naturreine ätherische Öle, Hydrolate, fette Pflanzenöle sowie bereits speziell für die
Pflege hergestellte Mischungen. Die
Wirkung der Öle entfaltet sich nicht
nur über den Geruchssinn, sondern
auch über die Aufnahme über die
Haut, sodass auch intubierte, tracheotomierte und beatmete Bewohner profitieren. Über die Haut gelangen die Öle in den Organismus. Blutund Lymphbahnen transportieren
die ätherischen Stoffe und werden
über Lunge, Leber und Niere wieder
ausgeschieden.
Beobachtungen und Erfahrungen
Pflegepädagogik-Studentin Kathrin
Werner hat eine Studie mit dem Titel
„Implementierung der Aromapflege
im klinischen Bereich“ in HAUS 15
durchgeführt. Im Fokus stand die
Evaluation der Anwendung von
ätherischen Ölen in der Pflege. Hierzu wurde das gesamte Pflegeteam
von HAUS 15 zu Häufigkeit und Art
der Anwendung sowie die verwendeten Öle und Düfte befragt. Auch
der Stand des theoretischen Fachwissens wurde erfasst. Nicht zuletzt
untersuchte die Studie die praktischen Effekte der Aromapflege: die
wahrnehmbaren Veränderungen am
Patienten.
Die physische Wirkung ist
klar messbar über Blutdruck-, Pulsund Muskeltonusveränderungen sowie über die Reduktion von Bakterien, Viren und Pilzen durch die antibakterielle, antivirale und antimykotische Wirkung der Öle. Teebaum- oder
Manukaöl wirken nachgewiesen sogar gegen MRSA und andere antibiotikaresistente Keime antiseptisch.
Ergebnis: Als positive Veränderungen wurden die entspannende
Wirkung, die Steigerung der Aufmerksamkeit, der hautpflegende Effekt sowie Harmonisierung und An-
Psychisch wirken ätherische
Öle über das Limbische System und
können somit Einfluss auf die Gefühlswelt, Wohlbefinden und Wiedererkennung haben.
regung genannt. Die verwendeten
Öle wirken zudem antibakteriell und
antiviral. Zusätzlich kommt es beim
Einsatz von Aromapflege zu einer
Reduzierung von Schmerzen und
zur Verringerung von Muskeltonus
und Speichelfluss beim Bewohner,
was wiederrum eine intakte Mundschleimhaut zur Folge hat. Des Weiteren beurteilten die Teilnehmer auf
einer Skala von „1“ bis „10“ die Effektivität der Aromapflege mit dem
asymmetrischen Mittelwert 7. Auch
die fachliche Kompetenz der Aromapfleger konnte punkten.
Aromapflege ist ein qualitätssicherndes und -steigerndes Pflege­
instrument. Eine feste Integration in
das Repertoire des pflegerischen
Bereichs ist sinnvoll – zumal die Aromapflege in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern tendenziell
noch wenig Anwendung findet.
Melanie Kießling ist Gesundheitsund Krankenpflegerin, Wund­
expertin ICW und Pain Nurse Plus,
Kathrin Werner ist Gesundheits-,
Kranken- und Altenpflegerin
und Kirsten Gangl ist Krankenschwester/Palliativ-Weiterbildung
im Neurologischen Spezial­
pflegeheim am Bezirksklinikum
Regensburg
Anwendungsgebiete im HAUS 15
Aromapflege im Hausgebrauch
Die Raumbeduftung mit Hilfe zum
Beispiel von Duftsteinen schafft eine
angenehme Raumatmosphäre. Der
sonst so typische medizinische Krankenhausgeruch wird abgemildert und
die Zimmer wirken heimeliger. Dabei
wirken Öle wie Bergamotte, Manda­
rine oder Zitrone erfrischend, belebend und aktivierend. Sie werden
vorwiegend vormittags verwendet.
Weihrauch, Manuka, Teebaum oder
Zimt reinigen die Luft und können unangenehme Gerüche ausgleichen.
Öle zur Entspannung wie Lavendeloder Rosenöl eignen sich besonders
gut abends zur Schlafenszeit.
• bei Spannungskopfschmerzen Eukalyptusöl an den Schläfen
einreiben (Achtung: nicht bei Epilepsie verwenden, hier hilft
alternativ Melisse)
• gegen kalte Füße hilft ein warmes Fußbad mit Meersalz und Zimtöl
• gegen fettende Gesichtshaut Jojobaöl und Zitrone
(Augen und Schleimhäute aussparen)
• gegen Akne kann Teebaum- oder Lavendelöl mit Jojobaöl
hilfreich sein
• für Narbenpflege und gegen Falten empfiehlt sich Hagebuttenkernöl
• um den Appetit anzuregen ein paar Tropfen Mandarinenöl auf
einen Duftstein träufeln
• gegen innere Unruhe und Anspannung können Zitrusdüfte und
Jasminöl als Raumbeduftung helfen, gegen Aggressivität Immortelle
• bei Apathie werden Düfte wie Rose und Limette verwendet
• zur Hautpflege und Dekubitusprophylaxe eignen sich vor allem
Teebaum-, Manuka-, Lavendel- und Citrosenöl mit Mandelöl
gemischt
• ein Sonnenschutzöl kann man sich selbst mit Jojoba und
Sandelholzöl herstellen
• beim Einschlafen kann Lavendelöl helfen
Ein weiteres Anwendungsgebiet bilden Waschungen und Bäder.
Ätherische Öle können hier in Verbindung mit einem Emulgator wie
Honig, Sahne oder Meersalz einen
hohen hautpflegerischen Effekt erzielen, belebend und entspannend
wirken. Sie können auch therapeutische Anwendung finden wie bei-
spielsweise als fiebersenkende
Maßnahme durch eine Teilkörperwaschung oder zum Aufwärmen kalter
Füße im Winter mit einem Fußbad.
Sonnenschutz verwendet werden.
Zur Hautpflege eignen sich fette Öle
in Verbindung mit einzelnen ätherischen Ölen wie etwa Lavendelöl.
Einreibungen zum Beispiel
zur Atemstimulation können gut mit
Hilfe von ätherischen Ölmischungen
durchgeführt und intensiviert werden. Sie erleichtern den Bewohnern
das Abhusten. Jojobaöl und Sandelholz können gemischt sogar als
Für die Mundpflege gibt es
eine spezielle Mischung, die ins
Mundpflegewasser geträufelt wird.
Der angenehme Geschmack dient
als Anregung für die Geschmackssinne, zur orofacialen Stimulation und
Keimreduktion auf der Mundschleimhaut.
Aromaöle nie pur auf die Haut geben, nur gemischt mit einem fetten
Trägeröl (etwa Mandel oder Jojoba) verwenden! Bitte vor Erstanwendung Allergietest durchführen und nur wenige Tropfen verwenden
(maximal fünf Tropfen pro Anwendung).
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SYNAPSE August
Neurologie
SYNAPSE August
Neurologie
schwestern Maria Lindermayer und
Carolin Deininger maßen bei über
150 Besuchern Blutdruck und Blutzucker. Der Leiter der Stroke-Unit
(Schlaganfallspezialstation)
am
Bezirksklinikum, Prof. Dr. Felix
Schlachetzki, Stroke-Unit-Oberärztin Dr. Sandra Boy sowie Dr. Annemarie Lenner, Leitende Oberärztin
der Klinik für Neurologische Rehabilitation, klärten über Risikofaktoren für einen Schlaganfall und über
typische Symptome auf. Interessenten konnten ihr individuelles
Schlaganfall-Risiko ermitteln lassen und sich Tipps und Infos zur
Prävention holen.
Schlaganfall-Bus
machte Station am
Regensburger Haidplatz
Bayern gegen
den Schlaganfall
Die Initiative „Bayern gegen den
Schlaganfall“ unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident
Horst Seehofer hatte eine
„Schlag­
anfall-Tour“ quer durch
den Freistaat Bayern organisiert.
Am 18. Juli machte die Tour am
Regensburger Haidplatz Station:
In Form eines feuerroten London-Doppeldecker-Bus.
U
nter der Federführung der medbo Klinik für Neurologie der
Universität Regensburg am Bezirksklinikum Regensburg (BKR)
und der Klinik für Neurologische Rehabilitation am BKR konnten sich
Regensburger und auch Touristen
vor und im Bus den ganzen Tag über
bei Fachleuten zu verschiedenen
Aspekten des Schlaganfalls informieren. Auch die Apotheke des BKR
war mit von der Partie.
Die speziell für Schlaganfallpatienten ausgebildeten Kranken-
Aufklärung: „Time is Brain“
Die AOK Regensburg beriet die Besucher zu Versicherungsfragen und
geförderten Präventionsmaßnahmen.
Mit Vertretern der Regensburger
Schlaganfall-Selbsthilfe-Gruppen
konnten sich die Besucher des London-Bus über Erfahrungen im Um-
Schlaganfall: Informationen und Fakten
In Deutschland erleiden jährlich etwa 250.000 Menschen einen
Schlaganfall. Allein in Bayern sind mehr als 40.000 Menschen von den
Folgen dieser Erkrankung betroffen. In den kommenden Jahren wird
mit dem Durchschnittsalter der Bevölkerung auch die Zahl der Schlaganfälle rapide steigen.
Wichtige Symptome des Schlaganfalls:
• Schlagartig auftretende neurologische Ausfälle wie eine halbseitige
Lähmung oder Schwäche von Arm und Bein, ein Herabhängen des
Mundwinkels, Taubheitsgefühle, der Ausfall der Sprechfunktion oder
Schwierigkeiten, Worte zu finden sind wichtige Anzeichen eines
Schlaganfalls.
• Mitunter kann es auch zu Doppeltsehen und vorübergehender
Blindheit auf einem Auge kommen oder zu heftigem Schwindel mit
Gangunsicherheit. Manche Patienten verstehen Gesprochenes nicht
mehr. Da diese Symptome nicht mit Schmerzen einhergehen,
werden sie häufig auf den ersten Blick als harmlos eingeschätzt. Ein
fataler Fehler!
• Manche Patienten nehmen vom Schlaganfall betroffene Körperteile
nicht wahr (Neglect-Syndrom): Einen gelähmten Arm erkennen sie
möglicherweise nicht als ihren eigenen. Auch die Mimik ist oft nicht
mehr steuerbar. Fragen Sie Patienten aktiv danach: „Ist dies Ihr
Arm?“, „Bitte lächeln Sie mich kurz an“.
gang mit den Folgen eines Gehirninfarkts informieren.
Ziel der Initiative „Bayern gegen
den Schlaganfall“ ist es, die Bevölkerung über Risikofaktoren und
Symptome des Schlaganfalls aufzuklären. Viele Menschen kennen
die Symptome eines Schlaganfalls
nicht und können ihre individuellen
Risikofaktoren nicht einschätzen.
„Dabei ist es so wichtig,
dass möglichst viele Menschen einen Schlaganfall erkennen und
schnell die richtigen Maßnahmen
einleiten: Schnelligkeit rettet im
Ernstfall Gehirn“, erklärt Dr. Sandra
Boy, Oberärztin an der Klinik für
Neurologie der Universität Regensburg am Bezirksklinikum und Expertin in der dortigen Stroke-Unit
(Schlaganfall-Spezialstation), „am
allerwichtigsten ist die erste Maßnahme: Unbedingt den Notruf 112
wählen!“. (RNE/LHO)
Dr. Annemarie Lenner (links aussen),
Dr. Sandra Boy (vorne Mitte) und
Prof. Dr. Felix Schlachetzki (zweiter von rechts)
mit dem Team des Schlaganfallbus
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SYNAPSE August
Forensik
SYNAPSE August
Forensik
Mein medbo Tag in der
Forensischen Entlassstation
Drinnen und draußen
Renate Neuhierl
Ein großes Thema bei der medbo
ist der Maßregelvollzug. Hier werden Menschen, die aufgrund einer
psychiatrischen Störung oder einer Suchterkrankung straffällig
geworden sind, auf richterliche
Anweisung untergebracht und
nach Möglichkeit therapiert. Und
natürlich gesichert! Es gibt aber
in dieser Welt aus dicken Türen
und Gitterstäben eine „Welt des
Übergangs“: Die Entlassstation.
Berufsbildungswerks, die sich über
die Forensik in Regensburg informieren. Hinter der Pforte wartet Stationsleiter Andreas Dinauer auf
mich: „Das Kommen und Gehen ist
hier nicht nur normal, sondern Programm“, meint er. „In HAUS 4 ist
nicht nur die Entlassstation untergebracht, sondern auch die Forensisch
Psychiatrische Ambulanz. Unsere
Pa­tienten kommen und gehen ständig“.
D
ie Entlassstation – der Name ist
hier Programm – bereitet die Patienten auf ihre Zeit „danach“ vor:
Auf den Tag, an dem sie in die Freiheit entlassen werden. Am Bezirksklinikum Regensburg ist diese
Entlassstation derzeit eine Insel:
Das alte HAUS 4 befindet sich beinahe mitten in der riesigen Baustelle, an der die künftige Jugendforensik und der Ausbau der Erwachsenenforensik entstehen. In den ersten
Bauabschnitt wird die Station im
September umziehen. Dann weicht
auch HAUS 4 den Baggern.
Seit 2009 gibt es in Bayern
offiziell Forensisch Psychiatrische
Ambulanzen, so auch am Bezirksklinikum Regensburg. Im Maßregelvollzug folgt man der Auffassung, dass
ein begleiteter Übergang die Therapieerfolge sichern hilft. Und so werden in Regensburg Patienten erst
einige Wochen in der Entlassstation
untergebracht, wo sie mit Unterstützung eines Teams von Ärzten, Sozialarbeitern, Pflegern und Therapeuten systematisch die Zeit „danach“
planen und organisieren. „Danach“
hilft die Ambulanz.
Sie ist also derzeit ein bisserl
schlecht erreichbar, und das lässt
mich schmunzeln. Denn beim Stichwort Maßregelvollzug denkt man
erst einmal, dass man zwar gut rein-,
aber nicht gleich wieder rauskommt.
Umso erstaunter bin ich, als ich
beim „Schleusen“ – also beim Passieren der doppelt gesicherten Pforte – gleich auf eine Gruppe Besucher stoße. Es sind Mitarbeiter eines
Sucht: Eine chronische Krankheit
Das alte HAUS 4 und der Rohbau
der künftigen Entlass-Station
Die Mehrheit der forensischen Patienten hat Sucht-Probleme. Diese
Menschen sind in aller Regel chronisch krank und damit – je nach Lebensumstand – auch immer mal wieder Rückfall-gefährdet. „Ein Suchtkranker kann ebenso wenig dafür
garantieren, zukünftig zu jeder Zeit
auf sein Suchtmittel verzichten zu
können, wie ein Zuckerkranker garantieren kann, nie wieder eine Blutzuckerentgleisung zu erleiden“, erläutert die Leitende Oberärztin Dr.
Kirsten Lange, die mir in ihrem Büro
die Arbeit und die Abläufe in der Entlassstation erklärt. Deshalb seien die
gerichtlich erteilten Abstinenzweisungen oft sehr problematisch für
die Patienten und das Arzt-Patienten-Verhältnis. Andererseits machten die Abstinenzweisungen aus
strafrechtlicher Sicht natürlich Sinn:
„Die Regensburger Forensik versucht diesem Problem durch einen
kontinuierlichen Wissensaustausch
mit dem Gericht und den Vollzugsbehörden zu begegnen, der erfreulicherweise in Regensburg auf eine
sehr konstruktive Weise möglich ist“.
Es klopft an der Tür: Ein ehemaliger Patient kommt vorbei – ganz
freiwillig. Seine Führungsaufsicht ist
schon längst ausgelaufen, er möchte aber den Kontakt zur Ambulanz
nicht ganz verlieren. Dr. Lange
nimmt sich ein paar Minuten Zeit für
ihn, fragt ihn auch nach Familie und
Freunden. „Wie ein kleiner Plausch
unter guten Bekannten“, denke ich
mir. Aber das ist nur natürlich: Im
Maßregelvollzug verbringen die Patienten viele Monate und manchmal
auch Jahre in Therapie und damit
viel Zeit mit dem betreuenden Team.
Man kennt sich einfach – und das ist
gut so.
Ordnung ins Chaos
Die Entlass-Vorbereitung ist eine
sehr aufregende Phase im Therapie-Verlauf. Die Zeit im Maßregelvollzug bedeutet nicht einfach nur,
eingesperrt zu sein. Sie bedeutet für
die Patienten auch Schutz und eine
gewisse Sorglosigkeit in Bezug auf
ganz alltägliche Dinge wie Mahlzeiten oder Freizeitbeschäftigung. Auf
der Entlassstation regeln sie ihren
Alltag jetzt weitest gehend wieder
selbst, auch wenn das Unterstützer-Team noch jederzeit greifbar im
Haus ist.
Das Stichwort „Resozialisierungsplan“ fällt. Der Begriff unterstellt, dass es auch beim Planen der
Zeit nach dem Maßregelvollzug einen geregelten Ablauf gibt. Der Alltag ist aber – wie bei jedem anderen
Menschen auch – oft unberechenbar. Und so müssen einst verheißungsvoll erschienene Pläne nicht
selten verändert, manchmal sogar
aufgegeben werden. Dies ist mit einem hohen bürokratischen Aufwand
verbunden, bei dem die Ambulanzmitarbeiter mitdenken und unterstützen. Das Team ist immer wieder
auch mal Feuerwehr, wenn die Patienten schnelle Hilfe bei der Lösung
von Problemen brauchen. Es klopft
wieder an der Tür. Ein älterer Patient
mit einer Aktentasche kommt herein.
Er habe Schwierigkeiten mit dem
Gericht. Morgen sei eine Anhörung,
wo entschieden werde, ob er endgültig entlassen werde. Aber die therapeutische Wohngemeinschaft, in
die er ziehen soll, hat ihm noch keine
Bestätigung geschickt – und ohne
die Bestätigung wird er nicht entlassen. Kirsten Lange greift zum Telefonhörer und klärt die Sache ab. Die
„Feuerwehr“ ist offensichtlich gut
vernetzt.
Respekt! Ich denke an den
Ämter-Hürdenlauf, als ich einmal
meine Brieftasche verloren hatte.
Und mir wird klar, was „Entlassung“
für diese Menschen ganz praktisch
bedeutet: Sie brauchen Dokumente,
eine Sozialversicherungsnummer,
fehlende Zeugnisse müssen beschafft, ein Bankkonto muss eröffnet
werden. Termindruck, Hürden, Sorgen. „Es fällt vielen nicht leicht, ein
völlig neues Leben aufzubauen: Wo
sollen sie künftig wohnen, wo bekommen sie Arbeit, wie lernen sie
neue Menschen kennen? Zurück ins
alte Milieu kommt für viele nicht
mehr infrage“, erklärt Dr. Lange,
„aber wie ein neues Leben aussehen könnte, wie man neue und vor
allem andere Menschen kennenlernt: Das muss man oft erst ausprobieren und dabei auch an Fehlern
lernen und wieder neu beginnen
oder anders weiter machen dürfen“.
Tapetenwechsel
Dr. Lange zeigt mir die Patienten-Zimmer. Mehrbettzimmer mit
Bad auf dem Flur, eine kleine Gemeinschaftsküche, ein Wohnzimmer
mit ein paar Sofas, eine Waschmaschine. „Kein Luxus“, denke ich mir.
Ein Bewohner räumt gerade auf. Ich
unterhalte mich ein wenig mit ihm.
Worauf er sich am meisten freue,
möchte ich von ihm wissen: „Nächste Woche ziehe ich nachhause zu
meiner Frau. Und in einem Monat
fange ich als Staplerfahrer bei einer
Spedition an“. Ob es eine harte Zeit
für ihn gewesen sei, hier in der Forensik? „Es gibt schlimmere Orte“,
meint er. Ich glaube ihm.
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40
SYNAPSE August
Forensik
41
Das TB-Centro II
in Santa Cruz
Kampf gegen Tuberkulose in Südamerika
Bolivia, mi amor!
Dr. Ralf Mütterlein
Er ist Ärztlicher Direktor einer in
Deutschland einzigartigen Klinik: Der Klinik für Lungen- und
Bronchialheilkunde am Bezirkskrankenhaus Parsberg, in der
krankheitsuneinsichtige Tuberkulose-Patienten behandelt werden. Als Experte in Sachen Tuberkulose (TB) ist Dr. Ralf Mütterlein aber immer wieder ehrenamtlich in Bolivien unterwegs.
Ein Erfahrungsbericht.
B
olivia, mi amor! – Dies war mein
erster Gedanke, als ich im
Herbst 1989 erstmalig bolivianischen Boden betrat, mich eine unbeschreibliche Schwüle umfing und
gefühlt hunderte freundliche Bolivianer um mich herumwuselten, um
mein Gepäck und mich in eines
der wartenden Taxis zu bugsieren.
Die Fahrt in die heimliche Hauptstadt Santa Cruz kostete damals
für knapp 25 km umgerechnet 3
Euro. Die Stadt selbst ist ein
Schmelztiegel verschiedener ethni-
scher Volksgruppen, vor allem aus
den Anden, die dort Arbeit und Zuflucht suchen. Etliche produzierende Betriebe werden von Deutschen
geführt, und aufgrund der unterschiedlichen Mentalität von Europäern und Bolivianern sind dies
auch die wenigen, die wirklich gut
funktionieren.
Bolivien selbst ist mehr als
doppelt so groß wie Deutschland,
mit knapp zwölf Millionen Einwohnern aber deutlich weniger dicht
besiedelt. Die Staatsform ist eine
Demokratie, in seiner zweiten
Amtsperiode geleitet von dem ehemaligen Kokabauern Evo Morales
und seiner sozialistischen Partei
MAS. Erstmalig in der Geschichte
des Landes ist mit ihm ein Indigeno
an der Spitze des Staates, und er
hat seiner Volksgruppe ein neues,
stolzes Gesicht gegeben. Leider ist
es ihm bis heute nicht gelungen,
Frieden unter den verschiedenen
Bevölkerungsschichten, vor allem
Hispanos und Indios, zu vermitteln.
Die Fronten zwischen ihnen verhärten sich Monat für Monat. Auch
sein Ziel, mehr Bildung zu vermitteln und die Korruption abzustellen,
ist bis heute nicht annähernd erreicht. Nachdem er auch viele ausländische Investoren aus dem Land
gejagt hat, gilt Bolivien immer noch
als das ärmste Land Südamerikas.
Tuberkulose in der Dritten Welt
Aber zurück zu den Ursprüngen
meiner Bolivien-Geschichte: Das
Kuratorium Tuberkulose in der Welt
e.V. mit Sitz in Gauting wurde in
den 70er-Jahren von Prof. Dr. Herbert Blaha ins Leben gerufen. Zunächst um die soziale Nachbetreuung von Tuberkulosekranken zu
organisieren. Nach den Schrekkensmeldungen aus den Staaten
der dritten Welt, wo sich im Gegensatz zu Mitteleuropa die TB ungehindert weiter ausbreitete, entschloss man sich, auch in solchen
Ländern die Tuberkulosebehandlung zu organisieren, so zum Beispiel auch in Nepal oder Togo. Auf
Bitten der damaligen Präsidentin
des Roten Kreuz in Santa Cruz im
Jahre 1982 wurde ein in der TB-Behandlung erfahrener Arzt, Dr. Bernhard Kranig, vom Kuratorium dorthin entsendet, um ein Tuberkulose-Programm für die Ärmsten ins
Leben zu rufen. Die Erkrankungshäufigkeit war damals mehr als 20
Mal so hoch wie in Mitteleuropa
und TB grassierte hauptsächlich in
sozial schwachen Schichten.
So entstand zunächst ein
Diagnose- und Therapiezentrum im
Stadtkern, in den Folgejahren ein
zweites in der Peripherie. Hier können sich Bewohner Santa Cruz´,
welche keinen Zugang zu einer
medizinischen Versorgung haben
oder diese nicht bezahlen können,
vorstellen, wenn sie den Verdacht
haben, an einer TB erkrankt zu
sein.
TB-Diagnostik nach westlichen
Standards
In den „Centros“ erfolgt dann eine
umfangreiche TB-Diagnostik nach
westlichen Standards, und wenn
sich der Verdacht bestätigt, eine
TB-Behandlung nach den Richtlinien der WHO. Jedes Zentrum wird
von einem indigenen Arzt geleitet,
unterstützt von etwa acht einheimischen Mitarbeitern, von Medizinisch-Technischen
Assistenten
(MTA) bis zur Putzfrau. Ein Teil dieser MTAs wurde im Labor in Gauting geschult, um ihnen westliche
Helfer des Roten Kreuzes und Patienten
Arbeitsweisen
gemäß
den
WHO-Richtlinien beizubringen.
Betritt ein Patient ein solches
Behandlungszentrum, befindet er
sich zunächst im Wartebereich.
Eine Krankenschwester nimmt dann
seine Personalien auf und bringt ihn
zum Labor, wo er eine Speichelprobe abgeben muss. Danach erfolgt
eine körperliche Untersuchung
durch einen Arzt, der ihn im Hinblick
auf eine mögliche Tuberkulose auch
ausführlich befragt. Wenige Tage
nach dieser Erstvorstellung erscheint der Patient ein zweites Mal,
um die Ergebnisse seiner Untersuchung zu besprechen. Im Falle eines positiven Sputumbefundes erfolgt dann die Aufklärung über die
Therapie und die Versorgung mit
Medikamenten. In der Folgezeit
muss der Patient in monatlichen Abständen im Centro vorsprechen, um
seinen Heilungsverlauf zu dokumentieren. Außerdem wird er eingeladen, an den monatlichen Veranstaltungen zur Patientenschulung
teilzunehmen, nicht zuletzt, um ihn
zum Abschluss der Behandlung in
der Gruppe von Schicksalsgenossen zu motivieren. Im Gegensatz
zu deutschen Patienten kann ein
TB-Kranker in Bolivien seine Arbeit
während der Therapie nicht aufgeben, denn dann wäre seine Familie
unversorgt. Eine stationäre Versorgung solcher Erkrankten ist in Bolivien nicht Standard.
Alltag im Centro
Mein Arbeitstag dort beginnt um 8
Uhr morgens mit einer Bespre-
chung mit Schwester Ilona Patino.
Sie hat während des Jahres alle
schwer lösbaren Probleme gesammelt, und die gilt es jetzt abzuarbeiten. Dazu gehören hauptsächlich
Schwierigkeiten mit den Behörden
und deren Besuche, ebenso Kontakte mit dem deutschen Konsul in
Santa Cruz, der uns nach Kräften
unterstützt. Mit dem Team der Zentren werden gemeinsam logistische
Probleme abgearbeitet und mit den
Ärzten wird über Patienten diskutiert, bei denen sie sich in der Betreuung überfordert fühlten. Mit
dem Personal muss ich auch Mitarbeitergespräche führen. Ebenso
wichtig ist der ständige Kontakt mit
dem Direktorium des Roten Kreuzes in Santa Cruz, welches uns als
Non-Governmental Organisation
(NGO) ein „Dach“ für unsere Arbeit
bietet.
Viele Nachmittage bin ich mit
den Ärzten und Krankenschwestern
der Zentren in unserem eigenen
Fahrzeug unterwegs in die Armenviertel, um Patienten in ihrer häuslichen Umgebung aufzusuchen. Dort
werden sie über noch notwendige
Hygienemaßnahmen informiert und
eventuell weitere Familienmitglieder zur Untersuchung einbestellt.
Die Kommunikation findet ausschließlich in Spanisch statt, denn
in Bolivien wird kaum Englisch gesprochen, und wenn ja, dann selten
verständlich. So war auch ich gezwungen, diese Sprache zu lernen:
Heute spreche ich das „Castellano“
Fortsetzung auf Seite 40
42
SYNAPSE August
Forensik
SYNAPSE August
Forensik
Fortsetzung von Seite 41
Tuberkulose-Fälle pro 100 000 Einwohner
der Bolivianer verhandlungssicher.
Mein Arbeitstag endet meist gegen
19 Uhr mit einer Abschlussbesprechung mit Schwester Patino und Dr.
Tomas Gonzales von Centro I bei
einem kalten Bier in einem Biergarten, den ein Deutscher dort mit seiner bolivianischen Ehefrau unter
„bayrischen“ Grundsätzen betreibt.
Ein „Erdinger“ ist übrigens dort
deutlich billiger und kälter als in
Deutschland!
Mehr als 20.000 Patienten
in 30 Jahren
Alle Behandlungen sind für die Patienten kostenlos. Das Kuratorium
finanziert sich ausschließlich über
Spenden, somit natürlich auch die
Kosten für die Patienten. Die Leistung der Laboratorien ist so effektiv,
dass sie inzwischen zum nationalen Referenzlabor für TB-Diagnostik in Bolivien ernannt wurden. In
enger Zusammenarbeit mit der nationalen Gesundheitsbehörde und
dem bolivianischen Roten Kreuz,
Filiale Santa Cruz, konnten in den
mehr als 30 Jahren ihrer Existenz
in den Zentren mehr als 20.000 Patienten behandelt und geheilt, die
Häufigkeit der Tuberkulose in der
Stadt mehr als halbiert werden.
200
Japan
Vereinigte
Staaten
150
Großbritannien
China
Bolivien
100
50
0
2000
2002
2001
2004
2003
2006
2005
2008
2007
2010
2009
ger werden, und auch meine Aufenthalte dort werden sich wohl verlängern. Selbstverständlich erfolgt
die Betreuung des Projektes von
Deutschland aus ehrenamtlich, nur
die Reise- und Aufenthaltskosten
werden erstattet. Für die Zeit dort
muss der Jahresurlaub genommen
werden. Andererseits erfüllt mich
bei jedem Besuch eine ungeheure
Befriedigung und Dankbarkeit, helfen zu dürfen, wo der Staat versagt.
Die Erleichterung der Patienten
über die erhaltene Hilfe und ihre
Heilung ist mir und uns Bestätigung
genug.
Das Anspruchsdenken deutscher Patienten fehlt dort völlig, medizinisches Personal wird als Helfer
angenommen, nicht als Dienstleister für Klienten. Mein Denken und
Handeln aus menschlicher und medizinischer Sicht ist durch meine Arbeit dort weicher und verständnisvoller geworden und hat mich auch
in meiner täglichen Arbeit am Bezirkskrankenhaus Parsberg erheblich beeinflusst. Der Abschied aus
Bolivien fällt mir jedes Mal schwer
und wird nur erleichtert durch die
Gewissheit, dass ich in zwei Jahren
wiederkomme. Am 29. Oktober diesen Jahres geht es wieder los.
Dr. Ralf Mütterlein ist Ärztlicher
Direktor der Klinik für Lungenund Bronchialheilkunde am
Bezirkskrankenhaus Parsberg
2012
2001
Quelle: TheGlobalEconomy.com, World Bank
Solche Erfolge in einem derart schlecht organisierten Land erfordern eine gut durchdachte Logistik, vor allem aber Menschen,
die ihr Handwerk bezüglich des
Managements von TB-Erkrankten
verstehen. So wird das Programm
in Santa Cruz von zwei deutschen
Fachärzten geleitet. Im jährlichen
Wechsel erfolgt für mehrere Wochen ein Besuch der Centren von
Dr. Gunther Loytved aus Würzburg
und mir zur Supervision und Regelung aller innerhalb eines Jahres
angefallenen Probleme. Vor Ort
wird das Projekt von Ilona Patino
geleitet, einer deutschen Kranken-
schwester, die mit einem bolivianischen Chirurgen verheiratet ist und
seit gut 30 Jahren dort lebt. Ohne
das Engagement von Ilona Patino
und ihrer preußisch-korrekten Art
wäre die Arbeit des Kuratoriums
dort erheblich gefährdet, wenn
nicht gar unmöglich. Auch unterstützen die Regierung und das Gesundheitsministerium unsere Arbeit
durch umfangreiche Aufklärungskampagnen und Schriften bezüglich der Infektion und Ausbreitung
der Tuberkulose.
medbo-logisch!
Anlaufpunkt bei
multirestistenter Tuberkulose
Seit Ende 2013 wird mit finanzieller
Hilfe des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
in Santa Cruz ein zusätzlicher Anlaufpunkt für Patienten aufgebaut,
die an multiresistenter Tuberkulose
leiden. Dieses Krankheitsbild erfordert neben viel Erfahrung und Geduld eine Betreuung der Betroffenen
über mindestens 18 Monate, manchmal auch über Jahre. Um die personellen und sachlichen Voraussetzungen zu schaffen – was aus Eigenmitteln des Kuratoriums nicht
möglich wäre – hat das BMZ, auch
in Anerkennung der hervorragenden
Arbeit des Kuratorium, die erforderlichen Mittel in Höhe von 450.000
Euro zur Verfügung gestellt.
Ehrenamt
Typische Wohnsituation von TB-Kranken in Bolivien
So wird auch in den nächsten Jahren die Arbeit in Bolivien nicht weni-
Unser Lösungswort: Fluss in der Oberpfalz
(Die Auflösung finden Sie auf der Umschlagseite innen)
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SYNAPSE August
medbo
SYNAPSE August
medbo
Regensburger Krankenhäuser
standen Rede und Antwort
Wann immer das
Leben uns braucht
In einer Gemeinschaftsaktion
der Bayerischen Krankenhausgesellschaft e.V. (BKG) informierten die Krankenhäuser in
ganz Bayern Anfang Juli über
Patientensicherheit und Qualitätsstandards im klinischen Alltag. In Regensburg traten die
Krankenhäuser und Kliniken gemeinsam vor die Öffentlichkeit.
U
m auf die vielfältigen Maßnahmen und die großen Anstrengungen hinzuweisen, die die Krankenhäuser jeden Tag für ihre Patienten leisten, führte die BKG Anfang Juli die Themenwoche
‚Patientensicherheit und Qualität’
durch und stimmte damit in die
bundesweite Kampagne der Deutschen
Krankenhausgesellschaft
‚Wann immer das Leben uns
braucht’ ein. In Regensburg präsentierten sich die Ärztlichen Direktoren und Geschäftsführer der
Krankenhäuser und Kliniken gemeinsam im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit anschließender
Fragerunde. Neben dem medbo
Bezirksklinikum standen die Barmherzigen Brüder, das Universitätsklinikum, das Evangelische Krankenhaus und das Caritas-Krankenhaus Mitte St. Josef interessierten
Bürgern Rede und Antwort.
Die verschiedenen Themenkomplexe der Veranstaltung umfassten unter anderem die Hygiene
im Krankenhaus, interne und lokale
Vernetzungen und Kooperationen
in Regensburg, die Qualität der
Ausbildung von Pflegekräften und
Ärzten sowie Maßnahmen, die von
den Krankenhäusern für eine
größtmögliche Patientensicherheit
ergriffen werden. Darüber hinaus
wurde ein Einblick in die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser in Regensburg gegeben.
„Für meine Kollegen und
mich“, so Dr. Andreas Kestler, Geschäftsführer der Barmherzigen Brüder Regensburg und des Evangelischen Krankenhauses, „war es im
Rahmen der BKG-Themenwoche
‚Patientensicherheit und Qualität’
wichtig, dass wir uns zusammen als
‚Medizinstandort Regensburg’ dem
Thema stellen. Wir wollten gemeinsam den offenen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern suchen“.
Vorbildliche Zusammenarbeit
am Medizinstandort Regensburg
Auch wenn die Krankenhäuser in
einigen Bereichen im Wettbewerb
zueinander stehen, werden in dafür
geeigneten Gebieten bewusst intensive Kooperationen gesucht und
eingegangen. Dadurch kann für
den einzelnen Patienten eine optimale Versorgung am Regensburger Medizinstandort gewährleistet
werden. Exemplarisch seien an
dieser Stelle nur das Onkologische
Zentrum UCC (UKR, Caritas-Krankenhaus St. Josef und medbo Bezirksklinikum) genannt.
Außerdem wird in Regensburg die Gesundheitsversorgung
der Bevölkerung in hervorragender
Weise mit Forschung und Lehre
verknüpft. Fast alle Krankenhäuser
in Regensburg sind Kooperationskliniken oder akademische Lehrkrankenhäuser der Universität. „Im
Fall zum Beispiel der medbo sind
dies Psychiatrie, Neurologie sowie
Kinder- und Jugendpsychiatrie“, so
Dr. Fried Eckart Seier, Direktor des
Geschäftsbereichs Medizinische
Leistungen der medbo.
Der Medizinstandort Regensburg müsse den Vergleich mit
den bevölkerungsstarken Metropolen München, Nürnberg/Erlangen
Prof. Dr. Oliver Kölbl (Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Regensburg),
Dr. Fried Eckart Seier (Medizinischer Direktor medbo), Dr. Joachim Ramming (Geschäftsführer St. Josef Krankenhaus),
Dr. Andreas Kestler (Geschäftsführer Krankenhaus Barmherzige Brüder und Evangelisches Krankenhaus)
mit dem Banner der BGK-Kampagne
oder Augsburg keinesfalls scheuen, so Dr. Seier weiter. Seine fünf
Krankenhäuser mit ihren unterschiedlichen Fachgebieten und gegenseitigen Kooperationen bieten
eine vollumfassende Versorgung
für Patienten in der gesamten Region Ostbayern und darüber hinaus.
Auch die großen Ausbildungsanstrengungen der Krankenhäuser in Regensburg seien eine
Maßnahme, die einen nachhaltig
positiven Effekt für die Krankenversorgung von morgen darstellt.
Qualität und Sicherheit
sind oberstes Ziel
Deutschland hat weltweit eines der
leistungsfähigsten
Gesundheitssysteme, das für jeden Bürger unmittelbaren Zugang bietet. Die
Qualität der Behandlung sowie die
Sicherheit der Patienten haben
nach den immensen Anstrengun-
gen der Krankenhäuser in den vergangenen Jahren einen Standard
erreicht, der noch nie so hoch war
wie heute. Dies gilt auch für den
Gesundheitsstandort Regensburg.
tätssicherung und – weiterentwicklung. Interne wie externe Indikatoren werden genutzt, um die Qualitätsstandards auf dem bereits sehr
hohen Niveau weiter zu optimieren.
Die Krankenhäuser sind
nach anspruchsvollen Verfahren
zertifiziert und verfolgen mit viel
Aufwand breitgefächerte Fehlervermeidungsstrategien. „Beim Qualitätsmanagement ist mittels kontinuierlicher Befragungen natürlich
auch der Patient selbst aktiv mit
eingebunden“, erläuterte Professor
Dr. Oliver Kölbl, Ärztlicher Direktor
des Universitätsklinikums Regensburg, typische Verfahren zur Quali-
„Positives Feedback unserer Patienten, die guten Bewertungen der Krankenkassen sowie Platzierungen in der FOCUS-Liste bestätigen uns in unserem Handeln“,
so Dr. Joachim Ramming, Geschäftsführer des Caritas-Krankenhauses St. Josef, „denn dieser Erfolg sichert die Zukunft der Krankenhäuser.“ Anerkannte Hygienekonzepte, übergreifende ärztliche
Leitlinien und SOPs (Standard
Der Regensburger Krankenhaus-Standort in Zahlen:
Krankenhausmitarbeiter in Regensburg
Stationäre Patienten in Regensburg (2013)
Ambulante Patienten in Regensburg (2013)
ca. 10.200 Mitarbeiter
ca. 109.600 Patienten
ca. 290.000 Patienten
Operating Procedures), WHO-Empfehlungen, Patientenidentifikationsarmbänder, Arzneimittelkommissionen – um nur ein paar Beispiele zu
nennen – sind längst etablierter
Standard, um den Patienten ein
Maximum an Sicherheit zu bieten.
Speziell dem Bereich der
‚Hygiene’ gilt in den Regensburger
Krankenhäusern ein besonderes
Augenmerk: mit einem eigenen Institut für klinische Hygiene,
hauptamtlichen Hygienikern, vielen
Hygienefachpflegekräften, hygienebeauftragten Ärzten oder so
genannten Link Nurses, die ein
Verbindungsglied zwischen Hygienefachkraft und dem Stations- beziehungsweise Bereichspersonal
darstellen. Außerdem tragen rege
klinische Forschungstätigkeiten in
allen Regensburger Krankenhäusern dazu bei, stets aktuelle Therapieoptionen auf der Höhe der Zeit
anbieten zu können. (RNE)
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SYNAPSE August
medbo
SYNAPSE August
medbo
Arbeitsschutz bei der medbo
bei denen Spätfolgen nicht auszuschließen sind. Diese sind im sogenannten Verbandbuch zu dokumentieren, das herangezogen werden
kann, falls Ansprüche geltend gemacht werden müssen. Sofern der
Mitarbeiter eine Erkrankung auf die
berufliche Tätigkeit zurückführt, sollte er sich mit dem Unfallversicherungsträger oder dem Arbeitgeber in
Verbindung setzen.
Sicherheit am Arbeitsplatz
Peter Exner
Arbeitsmedizin, Gesundheitsmanagement, Arbeitssicherheit und
Brandschutz: Mit diesen und noch
weiteren Instrumenten wird bei
der medbo das Ziel verfolgt, die
Sicherheit und Gesundheit der
Beschäftigten am Arbeitsplatz zu
gewährleisten. Es koordiniert der
medbo Arbeitsschutz.
H
auptaufgaben des Arbeitsschutzes (AS) sind der Aufbau einer
Sicherheitsorganisation, das grundsätzliche Risikomanagement sowie
die Notfall- beziehungsweise Krisenvorsorge durch geeignete Präventivmaßnahmen. Zur Notfallvorsorge
bestehen bei der medbo insbesondere die AS-Organisationen Brandschutz, Erste-Hilfe und medizini-
scher Notfall, Hygiene sowie Kritische Infrastruktur (KRITIS). Prävention steht im Mittelpunkt des
Arbeitsschutzes.
Im Idealfall erkennt der AS
krankmachende und sicherheitsgefährdende Faktoren am Arbeitsplatz frühzeitig und veranlasst
rechtzeitig Vorsorgemaßnahmen
medizinischer, technischer und organisatorischer Art. Ein fortschrittlicher Arbeitsschutz-Ansatz geht dabei deutlich über den reinen akuten
Sicherheitsaspekt hinaus. Die langfristige Erhaltung der Gesundheit
der Beschäftigten und deren Wohlbefinden bei der Arbeit (Gesundheitsmanagement) bekommen immer größere Bedeutung.
Ansprechpartner in
Sachen Arbeitsschutz:
• Arbeitsschutzkoordinator:
Peter Exner, Abteilung Organisation,
Gebäude- und Raummanagement,
Bezirksklinikum Regensburg,
Tel. +49 (0)941/941-7220
• Arbeitsmedizin (Betriebsärztlicher Dienst):
Dr. Claudia Christmann-Fichtl, Carl-Korth-Institut,
Bezirksklinikum Regensburg, Haus 18, Tel. +49 (0)941/941-1950
• Gesundheitsmanagement:
Dr. Ema-Kristina Loncarek, Bezirksklinikum Regensburg,
Haus 18, Tel. +49 (0)941/941-1824
• Arbeitssicherheit (Sicherheitstechnischer Dienst):
Peter Hahn, Reiner Kopp, ias health & safety GmbH,
Bezirksklinikum Regensburg, Haus 12, Tel. +49 (0)941/941-1777
• Brandschutz (Brandschutzbeauftragte):
Sabine Hempel, Bezirksklinikum Regensburg, Haus 12,
Tel. +49 (0)941/941-1770
Weitere Informationen im Internet unter:
www.infektionsfrei.de
www.nadelstichverletzung.de
www.agr-ev.de („Aktion gesunder Rücken“)
www.dvv-ev.de (Viruskrankheiten)
www.inqa.de (Arbeitsqualität)
www.kuvb.de (Unfallversicherung)
www.bgw-online.de (Unfallversicherung)
www.dguv.de (Unfallversicherung)
www.baua.de (Arbeitsschutz und -medizin)
Deshalb richten sich alle Arbeitsschutzbestrebungen in erster Linie
an die Belegschaft der medbo selbst
– und insbesondere an die Führungskräfte. Denn die organisatorische Umsetzung der AS-Maßnahmen am Arbeitsplatz erfolgt letztendlich durch die Mitarbeiter, die
ordnungsgemäße
Durchführung
verantworten die Führungskräfte.
Partner der Mitarbeiter
Die Beratung der Belegschaft zu
Fragen des Arbeitsschutzes ist daher eine Kernaufgabe des ASTeams: Sei es bei Fragen der ergonomischen Gestaltung von Arbeitsplätzen, sei es durch Beratung bei
Neubau- und Umbaumaßnahmen
oder zum Brandschutz. Der AS stellt
Unterweisungsunterlagen zur Verfügung. Er erprobt und empfiehlt Körperschutzmittel. Nicht zuletzt untersucht und analysiert der Arbeitsschutz Arbeitsunfälle.
Gesetzliche Grundlagen:
Arbeitsschutzgesetz
Das Arbeitsschutzgesetz fasst die
allgemeinen Grundsätze des Arbeitsschutzes wie folgt zusammen:
• Die Arbeit ist so zu gestalten, dass
eine Gefährdung für Leben und
Gesundheit möglichst vermieden
und die verbleibende Gefährdung
möglichst gering gehalten werden
• Gefahren sind an ihrer Quelle
zu bekämpfen
• bei den Maßnahmen sind der
Stand der Technik, Arbeitsmedizin
und Hygiene sowie sonstige ge­sicherte arbeitswissenschaftliche
Erkenntnisse zu berücksichtigen
• Maßnahmen sind mit dem Ziel zu
planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen,
soziale Beziehungen und Einfluss
der Umwelt auf den Arbeitsplatz
sachgerecht zu verknüpfen
• individuelle Schutzmaßnahmen
sind nachrangig zu anderen
Maßnahmen
Das Arbeitssicherheitsteam: Peter Exner, Dr. Claudia Christmann-Fichtl,
Reiner Kopp, Dr. Ema Loncarek, Peter Hahn und Sabine Hempel
• spezielle Gefahren für besonders
schutzbedürftige Beschäftigtengruppen sind zu berücksichtigen
• den Beschäftigten sind geeignete
Anweisungen zu erteilen
• mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende
Regelungen sind nur zulässig,
wenn dies aus biologischen
Gründen zwingend geboten ist.
Kenntnisse über den sicheren Einsatz von Arbeitsverfahren, über Geräte und Maschinen, über Arbeitsund Gefahrstoffe, die persönliche
Schutzausrüstung und das richtige
Verhalten bei Betriebsstörungen
(Brand, Unfälle, Notfälle, Katastrophen) erlangen.
Zentrales Instrument:
Gefährdungsbeurteilung
Unter Arbeitsunfällen sind nur solche
Ereignisse zu verstehen, die während der Arbeitszeit oder auf dem
(direkten) Weg von oder zur Arbeitsstätte, am Arbeitsplatz oder im Rahmen eines Dienstganges oder einer
Dienstreise, bei der Ausübung der
beruflichen Tätigkeit geschehen.
Nach einem Arbeitsunfall ist der Arbeitgeber unverzüglich zu verständigen (innerhalb von zwei Tagen). Das
gilt auch für kleinere Verletzungen,
Die Gefährdungsbeurteilung ist ein
zentrales Instrument des Risikomanagements. Durch eine systematische Herangehensweise können
Gefahrenquellen identifiziert und geeignete Präventions-Maßnahmen
definiert werden. Im Sinne einer lernenden AS-Organisation ergibt sich
ein Regelkreis (siehe Abbildung).
Arbeitsschutz im Alltag
Im Fall der Fälle: Arbeitsunfall
Bei Fragen oder Problemen
können sich Betroffene auch an den
betriebsärztlichen Dienst, die Sicherheitsfachkraft, den Personalrat, die
staatlichen Arbeitsschutzbehörden,
den zuständigen Technischen Aufsichtsbeamten des Unfallversicherungsträgers und an das betriebliche
Gesundheitsmanagement wenden.
Tritt trotz präventiver Maßnahmen ein Arbeitsunfall oder eine
beruflich bedingte Erkrankung ein,
so sind alle Beschäftigten der medbo gegen die Folgen beim zuständigen Unfallversicherungsträger, der
Kommunalen
Unfallversicherung
Bayern (KUVB), abgesichert. Für
Beamte ist der Dienstherr im Rahmen der Beamtenversorgung und
der darin enthaltenen Unfallfürsorgeleistungen zuständig.
Peter Exner ist Arbeitsschutz­koordinator der medbo
Abbildung: Die sieben Schritte der Gefährdungsbeurteilung
Der Arbeitsalltag bringt eine Vielzahl
von Gesundheitsrisiken mit sich. Am
Beispiel der pflegenden Berufe können dies sein: Muskel-Skelett-Erkrankungen, Nadelstichverletzungen, Patientenübergriffe, Hauterkrankungen, Psychische Belastungen (Traumata), Schlafstörungen
durch Schichtdienst oder Burnout.
Daher muss jeder Beschäftigte mindestens einmal im Jahr an
seinem Arbeitsplatz unterwiesen
werden. Arbeitsplatzbezogene Unterweisungen werden vor Ort am Arbeitsplatz durchgeführt und müssen
durch die Führungskraft dokumentiert werden. Wichtig ist, dass die
Beschäftigten über Gefahren und
Möglichkeiten zu deren Vermeidung
informiert sind. Sie müssen daher
Quelle: www.bgw-online.de, Rubrik „Gefährdungsbeurteilung“ Quelle: www.ukaachen.de
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SYNAPSE August
Personal
Personalmanagerin Simone Pfeifle
warf einen differenzierten Blick auf
die Personalpolitik der medbo
Der Arbeitgeber auf der
Therapiecouch
Judith Buchwald
Warum arbeiten Sie gerne bei Ihrem Arbeitgeber? Diese simple,
aber in Zeiten von Fachkräftemangel doch so akute Frage stellte Simone Pfeifle den Mitarbeitern der
Medizinischen Einrichtungen des
Bezirks Oberpfalz, kurz medbo.
F
ür ihre Masterarbeit zur Konzeption eines Employer-Branding-Ansatzes im Gesundheitswesen tauchte die junge Human Ressource Managerin tief ein in die Berufswirklichkeit von Ärzten, Pflegepersonal und
Angestellten. Ihre Ergebnisse: Die
medbo hat sich in der Innenwahrnehmung als attraktiver, stabiler und
zukunftsfähiger Arbeitgeber etabliert.
In der Außenwirkung hängt
vor allem dem Bezirksklinikum in Regensburg immer noch das Image der
ehemaligen Nervenheilanstalt Karthaus nach. Mit circa 2.100 Mitarbeitern ist das Bezirksklinikum in Regensburg der größte Standort der
medbo. Weitere Einrichtungen befinden sich in Amberg, Cham, Parsberg,
Weiden und Wöllershof. „Durch diese flächendeckende Ausrichtung
stellen wir die psychiatrische und
psychotherapeutische Versorgung
von etwa einer Million Einwohner sicher“, berichtet Horst Meisinger, der
Personaldirektor der medbo. Eine
Klinik im Schlaraffenland? „Ganz im
Gegenteil“, betont Meisinger. Im Bereich Neurologie und in weiteren Teilbereichen buhlt die medbo mit anderen Kliniken und Privatpraxen um die
Gunst der Fachkräfte.
Hinzu komme der aktuelle
Zeitgeist. „Der Anteil behandlungs-
Bezirksklinikum Regensburg
bedürftiger psychischer Erkrankungen nimmt stetig zu. Umso wichtiger
ist es, qualifizierte Mitarbeiter zu
binden und neue zu finden.“ Nach
außen habe das Bezirksklinikum zudem nach wie vor ein Imageproblem. „Würde man die Menschen in
Regensburg auf der Straße fragen,
würde man vermutlich mehr über
die ehemalige Nervenheilanstalt
Karthaus als über das moderne Kliniken- und Therapiezentrum erfahren, das die medbo heute ist“, berichtet Pfeifle.
Mitarbeiter werben Mitarbeiter
Siegerin Simone Pfeifle inmitten der
männlichen Konkurrenz und der Juroren
Preisgekrönte Master-Arbeit
Simone Pfeifle hat am 8. Mai 2014 im Rahmen einer festlichen Gala in
Regensburg den Studentenpreis der Wirtschaftszeitung (Mittelbayerischer Verlag) überreicht bekommen. Unter insgesamt 25 eingereichten Bachelor- und Masterarbeiten setzte sich Pfeifle mit ihrer Untersuchung der Arbeitgebermarke medbo gegen die durchwegs starke
Konkurrenz durch. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wurde erstmalig
vergeben.
Um neue Zukunftsstrategien zu ergründen und die enorme medizinische Bedeutung des Versorgungsangebots am Bezirksklinikums auch
nach außen zu transportieren, öffnete Meisinger der Studentin Tür und
Tor. Er gewährte der 26-Jährigen
tiefe Einblicke in die Personalstruktur des Unternehmens. Für Meisinger ein erster Schritt zu erfolgreichem Employer Branding: Transparenz schaffen. Und den Mitarbeitern
Mitbestimmungs- und Gestaltungsrechte einräumen.
Die gaben ihren Teil zurück.
Insgesamt 24,6 Prozent der Beschäftigten – von der Führungs- bis
zur Reinigungskraft – beteiligten
sich an der von Pfeifle durchgeführten Onlineumfrage. Zudem stellten
sich 76 Prozent der Führungskräfte
für ein Interview zur Verfügung.
Pfeifle selbst hospitierte in
verschiedenen Bereichen der medbo. „Dadurch lernt man die Menschen und deren Arbeitsalltag besser
kennen. Man bekommt ein Gefühl
dafür, vor welchen Herausforderungen die Mitarbeiter tagtäglich stehen,
welche Höhen und Tiefen deren Job
mit sich bringt“, beschreibt Simone
Pfeifle ihren Ansatz. Die hohe Beteiligung – normalerweise liegt der Anteil
im Durchschnitt bei etwa sieben bis
acht Prozent – wertete Pfeifle als gutes Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass
die Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber vertrauen und ihn auch in Zukunft weiter
voranbringen wollen.
Ein zentrales Ergebnis der
Analyse, auf das künftig auch das
Recruiting der medbo angepasst
werden soll: Die Mitarbeiter machen
sich schon jetzt gern für ihren Arbeitgeber stark. Etwa 40 Prozent der
derzeit Beschäftigten wurden auf die
medbo durch Freunde, Verwandte
und Bekannte aufmerksam. „Dieses
Recruiting-Potenzial wollen wir natürlich weiter ausbauen“, sagt Mei-
singer. „Wohl nicht durch ein Kopfgeld“, betont der Personaldirektor.
Allerdings soll ein gezieltes „Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter“-Programm entwickelt werden. Als weiteres Zugpferd des Employer Brandings der medbo identifizierte Pfeifle
das gut ausgebaute Personalentwicklungskonzept. So werden beispielsweise Führungskräfte über
zwei Jahre in internen Schulungsprogrammen auf ihre neuen Aufgaben vorbereitet.
Neue Ansprüche der
„Generation Y“
„Ein Chefarzt erwirbt seine Führungsqualitäten nicht durch seinen
Titel“, gibt Pfeifles Masterarbeitsbetreuer Prof. Dr. Bernt Mayer von der
Fakultät Betriebswirtschaft, Unternehmens- und Personalführung der
OTH Amberg-Weiden zu Bedenken.
„Auch wenn viele Ärzte heute noch
nach diesem Selbstverständnis
agieren.“ Akuter Fachkräftemangel
und erhöhte Ansprüche der sogenannten „Generation Y“ an ihr Arbeitsumfeld zwingen die Medizinbranche laut Mayer zum Umdenken.
„Jede Klinik ist auch ein Unternehmen, das es zu führen gilt.“ Dabei
müsse der Spagat zwischen Mitarbeiterführung auf der einen Seite
und Patientenversorgung auf der
anderen Seite gemeistert werden.
Das eine geht jedoch nicht ohne das
andere. „Nur wenn sich die Mitarbeiter in ihren Sorgen und Nöten Ernst
genommen fühlen, werden sie sich
auch freundlich und hingebungsvoll
um die Patienten kümmern können“,
merkt Mayer an.
Als ausgemachte Stärke bietet die medbo ihren Führungskräften
und Mitarbeitern im Gegenzug
Nachhaltigkeit und Stabilität. „Wir
wollen unsere Mitarbeiter längerfristig an das Unternehmen binden und
bieten daher eine Vielzahl von Entwicklungsmöglichkeiten“,
betont
Horst Meisinger. Auf dem Gelände
des Bezirksklinikums in Regensburg
befinden sich unter anderem eine
Berufsfachschule für Pflegekräfte
und ein eigenes Institut für Bildung
und Personalentwicklung. Durch Kooperationsverträge mit der Universität haben wissenschaftlich ausgerichtete Mitarbeiter neben der praxisorientierten Arbeit auch die Möglichkeit, ihre Forschung weiter
auszubauen.
Judith Buchwald ist Redakteurin
der Wirtschaftszeitung. Der
Beitrag erschien erstmals im April
2014 in der Wirtschaftszeitung
Siegerteam FC KUNO 007 mit
Organisatoren und Verantwortlichen
des Vereins „zweitesLeben e.V.“
SYNAPSE August
Personal
Weight Watchers Kurs ein voller Erfolg
Der Speck ist weg!
Dr. Ema Loncarek, Michaela Zeuke
Seit März 2014 ist das Bezirks­
klinikum Regensburg (BKR) um
fast 180 Kilo leichter geworden.
27 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten sich dazu entschlossen, am Pilotprojekt „Weight
Watchers at Work“ teilzunehmen.
D
ie dreizehn Wochen mit dem
Weight-Watchers Coach Daniela Zintl waren ein voller Erfolg. Im
Schnitt verloren die Teilnehmer
stattliche 6,5 Kilo pro Person. Außerdem nahmen sie viel Wissenswertes zum Thema gesunde Ernährung mit, lernten, mit Verführungen und Stress besser umzugehen,
und erhielten Motivationshilfen, um
wieder mehr Lust auf Bewegung zu
bekommen.
Erfolgreich gegen den
„inneren Schweinehund“
Vor allem das Gruppengefühl hat
die meisten mitgerissen und geholfen, den “inneren Schweinehund“
zu überwinden. Die Treffen wurden
alle zu fast 90% besucht! Dass man
sich nicht nur im Kurs, sondern
auch auf dem Stationsflur oder im
Büro trifft, hat bei dem ein oder anderen den Ehrgeiz gefördert. Als
einen großen Vorteil empfanden die
Teilnehmer, dass der Kurs nach
Schichtende angeboten wurde. „So
SYNAPSE-Interview mit Kurs­teilnehmerin Brigitte Bauer
S: Gab es einen Auslöser, der vor
dem Entschluss stand „jetzt pack
ich`s an, jetzt nehm ich ab“?
B: Ich habe mich mit meinem
Gewicht nicht mehr wohgefühlt,
wollte einfach etwas ändern.
S: Was ist bisher Ihr größter Erfolg?
B: Mein größter Erfolg ist, dass ich
mit dem Weight Watchers Programm gut abgenommen habe und
ich jetzt viel bewusster esse.
S: Jetzt wollen wir`s genau
wissen... wieviel haben Sie
denn schon abgenommen?
B: Meine bisherige Abnahme
liegt bei 18 kg!
S: Herzlichen Glückwunsch! Und was ist
Ihr nächstes Ziel?
B: Mein Abnahmeziel
ist noch nicht erreicht.
Ich möchte nochmals
10 kg verlieren.
S: Was macht es Ihnen leicht, mit
Weight Watchers abzunehmen?
Was gefällt Ihnen am Konzept?
B: Am Weight Watchers Konzept
finde ich besonders gut, dass ich
alles essen kann, was ich möchte,
und mir meine Points einteilen
kann, wie ich will.
S: Was war oder ist Ihre größte
Herausforderung bezüglich der
Abnahme?
B: Das Weight Watchers Programm
hat es mir sehr leicht gemacht
mit der Ernährungsumstellung –
anfangs der „einfache Start“,
dann die Points zählen – das
Abnehmen geht wie von selbst!
S: Was für eine Rolle spielt das
Treffen bei Ihrer Abnahme?
B: Das Treffen ist für mich sehr
wichtig – ich bekomme neue Tipps
für besondere Situationen im Alltag.
Besonders erwähnen möchte ich
die absolut tolle Einführung durch
meinen Coach Daniela Zintl! Sie
macht uns Teilnehmern so richtig
Mut, auch wenn es mal nicht wie
gewünscht läuft!
S: Was möchten Sie den Mitarbeitern der medbo noch sagen?
B: Ich werde den Kurs jedem
empfehlen, der abnehmen möchte!
Unsicher muss niemand sein, der
sich überlegt, in den Kurs zu
kommen – das Wiegen in jedem
Treffen ist freiwillig und absolut
diskret! Mein Lebensgefühl hat sich
um 100% gebessert. Ich fühle mich
sehr wohl und bin viel fitter geworden – auch ein ganz großer Dank
an die medbo, meinen Arbeitgeber,
der mir diesen Kurs ermöglicht hat!
musste ich mich nicht noch mal von
zu Hause aus aufraffen und irgendwohin fahren“ erklärte eine Teilnehmerin, die schon mehrfach alleine
versucht hat, Pfunde zu verlieren.
Betriebliches Gesundheits­­mana­gement als
strategische Aufgabe
In Kooperation mit Weight Watchers
ermöglicht die medbo jetzt erneut
ab Herbst allen „abnehmwilligen“
Beschäftigten am BKR, direkt am
Arbeitsplatz am Kursprogramm teilzunehmen. Die medbo übernimmt
dabei wieder einen Großteil der
Kosten, damit sich auch untere Einkommensgruppen den Kurs leisten
können. „Die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter engagieren sich jeden
Tag für ihren Betrieb und bringen
ihr Fachwissen und ihre Kompetenzen ein“, so Personaldirektor Horst
Meisinger. In einer anspruchsvoller werdenden Lebens- und Arbeitswelt sollte der Arbeitgeber daher Voraussetzungen schaffen, mit
deren Hilfe der Einzelne seine Potenziale entfalten und dabei gesund
bleiben könne. Mit diesem bezuschussten Abnehmkurs sieht sich
die medbo auf einem guten Weg,
die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu
fördern.
Dr. Ema Loncarek koordiniert
das Betriebliche Gesundheits­
management der medbo,
Michaela Zeuke ist Bildungs­
referentin am IBP
Informationen zum nächsten
Weight Watchers at Work
Kurs:
Der neue 13-wöchige Kurs
findet ab 10. September 2014
statt und endet Mitte Dezember.
Die Gruppe trifft sich jeweils
mittwochs um 17:00 Uhr im
Seminarraum II des IBP am
Bezirksklinikum Regensburg.
Eine Kurssitzung dauert jeweils
60 bis 90 Minuten.
Der Selbstkostenanteil pro
Teilnehmer beträgt 65 Euro.
Pflegestudenten sammeln
900 Euro für „Zweites Leben“
Kicken für den guten Zweck
Florian Landstorfer
Im Rahmen einer Projektarbeit ihres Studiums „Pflege Dual“ an
der evangelischen Hochschule
Nürnberg veranstalteten Hannah
Ertl, Tanja Koch, Arzu Umutlu und
Florian Landstorfer ein Benefizfußballturnier am Bezirksklinikum Regensburg zu Gunsten des
Vereins „Zweites Leben e.V.“: 900
Euro kamen zusammen. Ein voller Erfolg! Gesiegt hat leider …
die Konkurrenz.
G
eplant war von vorneherein ein
Benefiz-Projekt. Da alle beteiligten Studenten selbst an der Berufsfachschule für Krankenpflege
am Bezirksklinikum Regensburg gelernt haben, war es natürlich eine
Frage der Ehre, den auch am Bezirksklinikum so präsenten Verein
„Zweites Leben“ zu unterstützen.
Angetreten sind neben einigen Hobbymannschaften ein Team
der Berufsfachschule für Krankenpflege am Bezirksklinikum, ein zusammengewürfeltes
Psychiatrieteam, sowie eine Mannschaft der
KUNO Ostbayern von der „Konkurrenz“ am Uniklinikum, welche das
Turnier schließlich für sich entscheiden konnte.
Jedes Kicker-Team entrichtete 50 Euro Startgeld. Durch die
Unterstützung einiger Unternehmen
(ein Dankeschön an Coca Cola, die
Brauerei Jacob, die Metzgerei
Schmid und die Bäckerei Melzl), der
freiwilligen Helfer des Vereins sowie
Kollegen der Organisatoren konnte
neben dem Startgeld durch den Verkauf von Bratwurst, Brezeln, Kuchen und Getränken zusätzlich
noch etwas Geld erwirtschaftet werden. Am Ende belief sich der Spen-
denbetrag auf stolze 900 Euro. Zu
erwähnen sei, dass eines der teilnehmenden Teams, der FC Bayern
Fanclub Hohenschambach, sich
nicht lumpen ließ und zusätzlich 500
Euro auf den Erlös drauf gelegt hat.
KUNO-Team erringt Wanderpokal
Dem Wetter geschuldet hielten sich
die Zuschauerscharen leider in
Grenzen. Dennoch wurde allen Anwesenden einiges geboten. Neben
dem guten Zweck stand natürlich
auch der Spaß im Vordergrund.
Wann hat ein Krankenpflegeschüler
schon einmal die Gelegenheit, in
den knallharten Zweikampf mit seinem Praxisanleiter zu gehen? Viele
harte Ballduelle und spannende Begegnungen gab es zu sehen. Schon
das Eröffnungsspiel, das unsere
Krankenpflegeschule mit einem gemischten Team gegen das für alles
gewappnete Psychiatrieteam bestritt, rauchte vor Kampfgeist.
Natürlich gab es für die Kicker auch etwas zu gewinnen: Einen
Wanderpokal für die Turnier-Sieger
sowie gestiftete Preise für die „Stockerl“-Teams. Wie der Wanderpokal
schon vermuten lässt, soll das Turnier nun jährlich stattfinden und sich
als feste Veranstaltung etablieren.
Das Ziel für nächstes Jahr lautet:
Mehr Zuschauer und vielleicht auch
das ein oder andere Team anderer
Abteilungen der medbo und der umliegenden Krankenhäuser! Mit etwas
Glück bleibt der Pokal im nächsten
Jahr vielleicht bei uns im Haus.
Florian Landstorfer studiert an
der FH Nürnberg im Dualen
Studiengang Pflege
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52
SYNAPSE August
Personal
SYNAPSE August
Personal
Regionales Bündnis für Chancengleichheit
Halbzeit beim Projekt
„Mehr Frauen in Führungspositionen“
Borgia Zizler neue
Abteilungsleiterin
Personalmanagement
Dr. Kerstin Geserer
Am 15. Mai 2013 unterzeichnete
Kurt Häupl, Vorstand der medbo,
die Vereinbarungsurkunde unter
den Augen der Vertreter der Stadt
Regensburg und der am Projekt
beteiligten Regensburger Bündnispartner. Bereits ein Jahr später
können sich die Ergebnisse, der
damals gesetzten Ziele, sehen
lassen.
I
n der betriebsspezifischen Vereinbarung verpflichtet sich die medbo,
sich selbst angemessene und realistische Ziele zu setzen, um den Anteil
von Frauen in Führungspositionen
zu erhöhen und konkrete personalpolitische Maßnahmen zu entwickeln, um diese Ziele zu erreichen.
Die Handlungsfelder gliedern sich
dabei in
• Unternehmensstrategie
und Kommunikation
• Personalgewinnung und
Auswahlprozesse
• Personal- und Talent­management
• Arbeitsorganisation
• Vereinbarkeit von Karriere
und Privatleben
Im ersten Handlungsfeld konnten
folgende Ziele bereits umgesetzt
werden: auf der medbo-Homepage
sind die Themen „Beruf und Karriere“ sowie „Frauen in Führungspositionen“ aufgenommen, die TeilzeitStelle „Beruf und Familie“ ist etabliert, in der SYNAPSE und in Leitungskonferenzen wird regelmäßig
zum Thema „Beruf und Familie“/
„Frauen führen“ informiert.
Im Handlungsfeld Personalgewinnung und Auswahlprozesse
sind die zu erarbeitenden Maßnahmen noch im Aufbau befindlich. Für
ehemalige Praktikanten soll ein Kontakthalteprogramm und ein Bewerberpool etabliert werden und Bewerbungsgespräche mit einem standardisierten Leitfaden geführt sowie die
Führungskräfte dazu geschult werden. Auch beim dritten Maßnahmenbereich, in dem es um das Personal- und Talentmanagement geht,
sind erste Schritte getan worden.
Hier lässt sich als Erfolg verzeichnen, dass das Zertifikataudit ‚beruf­
undfamilie‘ angestrebt wird, der Gesprächsleitfaden zum Mitarbeitergespräch erweitert wurde und das
Thema ‚Frauen in Führungspositio-
nen‘/‚Beruf und Familie‘ in das zweijährige medbo Führungskräfte-Entwicklungs­programm einfließt.
Ein Bereich, der zu den langfristig angelegten Maßnahmen zählt,
ist der Ausbau der Positionen in der
medbo, in denen Führen in Teilzeit
möglich ist. Dieses hochgesteckte
Ziel ist im Handlungsfeld Arbeitsorganisation verankert und soll ebenfalls die Chancen für Frauen erhöhen, eine Führungsposition zu übernehmen.
Das Handlungsfeld, dessen
Umsetzung für die medbo-Mitarbeiter
bereits seit letztem Jahr konkret nutzbare Maßnahmen nach sich zieht, ist
die Vereinbarkeit von Karriere und
Privatleben. So wird die bezuschusste medbo-Ferienbetreuung mittlerweile an allen Standorten angeboten
und die zweite Kinderkrippe auf dem
Regensburger Betriebsgelände mit
24 Plätzen wird im September 2014
eröffnet. Das angestrebte Kontakthalteprogramm zu Mitarbeitern in Elternzeit oder Sonderurlaub befindet
sich bereits in der Pilotphase
S
eit 1. Juni 2014 ist Borgia Zizler
Abteilungsleiterin Personalmanagement im Geschäftsbereich
Personal der medbo. In dieser
Funktion koordiniert sie die Sachgebiete Personalreferat, Personalcontrolling/-abrechnung sowie Zeitwirtschaft. Sie übernimmt die Aufgabe von Michael Lell, der in die
Stabsstelle Recht des Geschäftsbereichs gewechselt ist.
Borgia Zizler gehört der medbo seit 1. Mai 2010 an und war zunächst stellvertretende Abteilungsleiterin Personalmanagement und
Sachgebietsleiterin des Personalreferats. Nach der Geburt ihres ersten
Kindes ging Borgia Zizler für insgesamt sieben Monate in Mutterschutz/
Elternzeit. Seit Mitte März 2014 ist
sie in Teilzeit mit 20 Wochenstunden
zurück im Beruf – ebenso wie ihr
Mann, mit dem sie sich die Betreuung ihres Sohnes teilt.
Borgia Zizler verfügt über
zehn Jahre einschlägige Berufspra-
xis im Bereich Personalmanagement in verschiedenen Branchen.
Zuvor studierte sie Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Personalwirtschaft an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik,
und schloss mit einem MBA ab.
Horst Meisinger, Direktor
des Geschäftsbereichs Personal:
„Mit Borgia Zizler haben wir eine
fachlich und sozial sehr kompetente Abteilungsleiterin gewinnen können, die die medbo und alle Facetten der Personalarbeit sehr gut
kennt. Ganz bewusst unterstützt
die medbo das Modell der Teilzeitführung, insbesondere für Frauen,
und ich bin mir sicher: Sie wird zeigen, dass Führungsverantwortung
auch in Teilzeit erfolgreich sein
kann.“(RNE)
Horst Meisinger, Direktor des
Geschäftsbereichs Personal: „Wie
weit wir in der Umsetzung unserer
gesteckten Ziele sind, haben wir im
Austausch mit den anderen Bündnispartnern deutschlandweit beim
Branchengipfel in Berlin im Mai diesen Jahres gesehen. Unsere langfristig angelegten Maßnahmen sind
entweder bereits umgesetzt oder in der Aufbauphase und somit bis
nächstes Jahr bearbeitet.
Konkret können wir bereits heute einen Anstieg des Anteils von
Frauen in Führungspositionen in der
medbo gesamt um zwei Prozentpunkte auf 38% in einem Jahr verzeichnen“. Das sind Zahlen, die positiv stimmen – allerdings nicht zum
Ausruhen einladen.
Christina Zahnweh studierte an der Universität Regensburg Diplom-Pädagogik mit den Nebenfächern Betriebswirtschaftslehre und Arbeits- und
Organisationspsychologie. Im Rahmen ihrer Diplomarbeit beschäftigte sich Zahnweh mit dem Thema, wie sich Führungsverhalten von Oberärzten auf Einsatz und Einstellung von Assistenzärzten zu ihrer Tätigkeit auswirkt. Dieses Know-how
konnte sie zunächst in die Organisationsentwicklung im Bereich Einweiser-Marketing am Klinikum Nürnberg einbringen.
Dr. Kerstin Geserer koordiniert
das Projekt „Beruf und Familie“
des SG Personalentwicklung
Bei ihrer Tätigkeit als Bildungsreferentin am IBP kann Christina Zahnweh ihre praktischen Erfahrungen im Gesundheitswesen mit dem Wissen,
wie Mitarbeiter ge­fordert und gefördert werden können, ideal verbinden.
Christina Zahnweh –
Neue Bildungsreferentin
am Regensburger IBP
Christina Zahnweh ist seit 1. Juli 2014 neue Bildungsreferentin am Institut für Bildung und Personalentwicklung (IBP).
53
Bildungswerk Irsee
SYNAPSE Mai
Personalia / Veranstaltungen
Synapse August
Bezirk
55
www.bildungswerk-irsee.de
Der medbo-Vorstand dankt allen
Jubilaren für ihre langjährige Treue und Unterstützung!
Breit gefächertes Programm
40-jähriges Jubiläum
Sofie Bitter
Johann Drexler
Rainer Eckert
Brigitte Tichy
Reinigungskraft
Veranstaltungsorganisator
Elektriker
Stationsleiterin
Regensburg
Regensburg
Regensburg
Regensburg
Gesundheits- und Krankenpflegerin
Küchenhilfe
Gesundheits- und Krankenpflegerin
Gesundheits- und Krankenpflegerin
Personalabrechnerin
Regensburg
Regensburg
Regensburg
Wöllershof
Regensburg
Mit seinem breit gefächerten Programm gibt das Bildungswerk Irsee, das zentrale
Fort- und Weiterbildungsinstitut des Bayerischen Bezirketags, Jahr für Jahr neue
Impulse. Die Veranstaltungen sind praxisorientiert und wissenschaftlich fundiert.
Ärzte, Forscher und Experten der medizinischen Einrichtungen schätzen sowohl
den fachlichen als auch den persönlichen Austausch. Im Herbst stehen gleich zwei
hochrangig besetzte Veranstaltungen auf dem Programm: die Jahrestagung der
Bayerischen Nervenärzte und das 5. Irseer Symposium für Kinder- und Jugendpsychiatrie unter dem Thema „Netze knüpfen – Kinderwohl schützen“.
25-jähriges Jubiläum
Rita Dettlaff
Elfriede Haimerl
Herlinde Kleineidam
Gabriele Spörer
Andrea Stadelmayer
Veranstaltungshinweise
18. September 2014
Regensburg, 15:00 Uhr,
Bezirksklinikum Regensburg
Einweihung der neuen Kinderkrippe
21. September 2014
Regensburg, 11:10 Uhr,
Vereinsheim Freier TuS, Regensburg
Stiftung Alzheimer Demenz Pflege +
Forschung:
DEMWALK 2014 - Nordic Walking
gegen Demenz mit Rosi Mittermaier
und Christian Neureuther
02. Oktober 2014
Regensburg, IBP, 19:00 Uhr
Visite-Vortrag – Prof. Dr. Rainer
Rupprecht, Ärztlicher Direktor Klinik
und Poliklinik für Psychiatrie und
Psychotherapie der Universität
Regensburg am Bezirksklinikum:
„Panikattacken und Angststörungen:
Wenn der Alltag zum Horror wird“
Bildungswerk des
Bayerischen Bezirketags
Klosterring 4, D-87660 Irsee
Das komplette Programm „impulse 2014“ mit detaillierten Beschreibungen
aller Angebote finden Sie auf unserer Homepage.
Telefon 08341 906-604, -606, -608
Telefax 08341 906-605
E-Mail [email protected]
www.bildungswerk-irsee.de
18. September 2014
Regensburg, 16:30 Uhr,
Aula der Berufsfachschule für
Krankenpflege Regensburg
Bildungswerk des
Bayerischen Bezirketags
Examensfeier der
Schulklassen 63a und b
27. September 2014
Regensburg, HAUS 26, 10:00 Uhr,
Bezirksklinikum Regensburg
20 Jahre Psychiatrische
Tagesklinik - Informationstag
09./10. Oktober 2014
Regensburg, IBP
„Schizophrenie:
Einblicke und Ausblicke“
Jahreskongress der gfts
Gesellschaft zur Förderung empirisch
begründeter Therapieansätze bei
schizophrenen Menschen
Impressum
Herausgeber: Medizinische Einrichtungen des Bezirks Oberpfalz KU (Anstalt des öffentlichen Rechts), Vorstand
Universitätsstraße 84 | 93053 Regensburg | Tel +49 (0) 941/941-0 | www.medbo.de
Rätselauflösung von Seite 41
Lösungswort: WALDNAAB
Redaktionelle Leitung: Renate Neuhierl (RNE), [email protected]
Autoren:
Günter Bonack, Pressestelle Bezirk Oberpfalz
Martina Hirmer, Pressestelle Bezirk Oberpfalz
Lissy Höller (LHO), Presse- und Öffentlichkeitsarbeit medbo
Verena Kobras (VKO), Praktikantin PR & Öffentlichkeitsarbeit medbo
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Das Titelbild zeigt eine Sonnenblume aus den Gärten der medbo:
Ein kleiner Sommergruss der SYNAPSE-Redaktion an alle Leserinnen und Leser.
Konzeption und Leitung: Renate Neuhierl
Grafische Gestaltung: Creativbuero Jürgen Mayer
Auflage: 5.000 Stück | Erscheinungsweise: vierteljährig | Vertrieb: B 07930 S
Gender-Erklärung: Um die Lesbarkeit zu vereinfachen wird in der SYNAPSE meist auf die zusätzliche
Formulierung der weiblichen Form verzichtet. Wir möchten deshalb darauf hinweisen, dass die ausschließliche
Verwendung der männlichen Form explizit als geschlechtsunabhängig verstanden werden soll.
DIe nächste SYNAPSE erscheint am 15. November 2014. Redaktionsschluss ist der 01. Oktober 2014.
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PANIKATTACKEN
UND ANGSTSTÖRUNGEN
Wenn der Alltag
zum Horror wird!
Prof. Dr. med. Rainer Rupprecht
Ärztlicher Direktor der Klinik und Poliklinik
für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität
Regensburg am Bezirksklinikum Regensburg
Donnerstag, 02. Oktober 2014
19:00 Uhr
medbo Bezirksklinikum | Hörsaal IBP
Universitätsstr. 84 | 93053 Regensburg
visite: Ärzte, Forscher und Experten unserer
Kliniken und Einrichtungen informieren
Sie zu wichtigen Themen der seelischen
und neurologischen Gesundheit
Der Eintritt ist kostenfrei.
Kostenloses Parken auf dem Besucherparkplatz hinter der Haupteinfahrt zum Bezirksklinikum Regensburg, Universitätsstraße 84.
Sie erreichen das Bezirksklinikum mit den
Buslinien 6 und 11 ab Regensburg-Hauptbahnhof – Haltestelle „Universität/Bezirks­klinikum“
bzw. „Uni-Mensa“.
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