Rezensionen Michael Quante: Einführung in die Allgemeine Ethik, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2003, ISBN: 978-3-534-20047-4, 192 Seiten, e 19,90. Das Buch »Einführung in die Allgemeine Ethik« von Michael Quante wurde in der Reihe »Einführungen Philosophie« publiziert, aus der bereits sechs Buchbände erschienen sind. Die von Dieter Schönecker und Niko Strohbach in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft herausgegebene Einführungsreihe ist auf 16 Bände angelegt und gibt einen Überblick über das Fachgebiet der Philosophie, der sich in erster Linie an Studienanfänger wendet. Methodisch distanzieren sich die Herausgeber ausdrücklich von einem philosophiegeschichtlichen Zugang und optieren für eine Argumentation im Horizont aktueller Fragestellungen. Allerdings fällt in der Übersicht über die bereits erschienenen und noch geplanten Titel der Bände auf, dass sie ausschließlich den disziplinären Themenkanon (Logik, Politische Philosophie, Rechtsphilosophie) und klassische Konzeptionen der Philosophie (Ontologie, Erkenntnistheorie, Ästhetik) reproduzieren. Einzige Ausnahme bildet ein eigener Reihenband über philosophische Methodik und Didaktik. Um dem Genre einer Einführung gerecht zu werden, liegt der Schwerpunkt der Darstellungen darin, die Themen in einem lesbaren und systematischen Zusammenhang zu präsentieren. Dies ist den Herausgebern weitgehend gelungen. Die übersichtliche Gliederung der einzelnen Bände wird durch eine didaktische Vernetzung der einzelnen Kapitel ergänzt. Randglossare, Zusammenfassungen, vorformulierte Übungsfragen und Literaturhinweise sind separat am Schluss der Kapitel angefügt und ermöglichen eine komprimierte Wiederholung des Stoffes. Auch der breite Leserand lässt Raum für eigenhändige Anmerkungen und kommt dem Studieren der Bände entgegen. Innerhalb der Buchreihe vertritt der von Michael Quante vorgelegte Band das Thema der Allgemeinen Ethik. Der spezifische Zugang des Verf. ist einerseits mit dem besonderen Augenmerk für die Begründungsproblematik und andererseits mit ei- 150 ner Anleitung zu eigenständiger und kritischer Auseinandersetzung im Rahmen der ethischen Theoriebildung angegeben. Entsprechend dieser Ankündigung erwartet den Leser eine ausgesprochen anregend geschriebene und klar formulierte Einführung in die normative Ethik, die sich hauptsächlich in den Diskursen der analytischen Moralphilosophie informiert zeigt. Innerhalb dieses Diskurses treten eigene Akzentsetzungen Quantes zutage. Ein Hinweis ist die Bemerkung des Verf., »dass sich der sprachanalytische Zugang zu philosophischen Problemen nicht dahingehend missverstehen darf, als gehe es um die Analyse der Sprache als Selbstzweck. Vielmehr ist diese Analyse zu verstehen als methodologischer und epistemologischer Ansatz in dem Sinne, dass man (nur) über eine Analyse der Sprache an die Sachprobleme herankommt.« (26). Aus dieser Einsicht in den Referenzcharakter der Sprache entspringt das Anliegen, die Lebensform auf methodologischer Ebene als Vorverständnis der ethischen Sachprobleme zur Geltung zu bringen. Denn im außer-theoretischen Sprachspiel kommen unsere Vorstellungen des ethisch Richtigen und Falschen prägnant zum Ausdruck. Ethische Theorie referiert auf eine konkrete ethische Lebensform. Dem entspricht der in den einleitenden Bemerkungen formulierte Anspruch, »Ethik ist … etwas Alltägliches und Vertrautes: eine, nein, unsere Lebensform« (10). Nun zieht Quante aber nicht die Konsequenz daraus, die Verwendung von ethischen Ausdrücken in unserer Lebenswelt im Sinne einer ordinary language analysis nachzuzeichnen. Stattdessen möchte er den alltäglichen Sprachgebrauch im Kern auf die durch ihn bezeichneten »realen Gegenstände« beziehen. Das heißt, für die ethische Theorie ist »unsere Lebensform« relevant insoweit sie aus intentionalen Handlungen besteht (126 ff). Während die Reflexion auf das Verhältnis von alltäglicher und philosophischer Ethik dazu dient, den Einstieg in die theoretischen Fragestellungen zu vermitteln, bleibt die in Anspruch genommene lebensweltliche Relevanz der Ethik bei Quante im Weiteren unterbelichtet. Die ethische Praxis und die ethischen Lebensformen kommen in der Darstellung nur dann in den Blick, wenn eine Begren- Zeitschrift für Evangelische Ethik, 51. Jg., S. 150 – 153, ISSN 044-2674 © Gütersloher Verlagshaus 2007 zung der theoretischen Begründungsfragen nicht mehr durch Logik und Bedeutungsanalyse, sondern nur noch pragmatisch durch das im Hintergrund wirksame »alltägliche Vorverständnis« geleistet werden kann (25). Der Durchgang durch den Argumentationsverlauf des Buches macht deutlich, dass auf der methodologischen Ebene das Sprachspiel der alltäglichen Ethikpraxis immer wieder im beschriebenen Sinne als entscheidendes Kriterium der Beurteilung ethischer Theorieansätze herangezogen wird. Quantes Argumentation setzt mit einer Reflexion über das Verhältnis zwischen alltäglichem und philosophischem Ethikverständnis ein: Sowohl das ethische Selbstverständnis als auch die ethische Theorie sind als Reaktionen auf vielfältige lebensweltliche Entscheidungssituationen zu verstehen, die zur Begründung von normativen Aussagen herausfordern (Kap. I). Nach einer kurzen Erörterung des Anliegens der Metaethik, das Verhältnis von ethischem Selbstverständnis und ethischer Theorie nicht als einseitiges Abhängigkeitsverhältnis zu begreifen, sondern stattdessen in einem »Überlegungsgleichgewicht« zu beschreiben, entscheidet sich Verf. zunächst für eine heuristische Zweiteilung der ethischen Grundfragen vor dem Hintergrund der Klassifikation von deontologischen und teleologischen Ethiken (Kap. II). Um sein begründungstheoretisches Argument für ein kognitivistisches Ethikverständnis vorzubereiten, werden die zentralen Positionen des NonKognitivismus kurz entfaltet. Verf. weist sie auf Grund von sprechakttheoretischen Unterscheidungen als eine revisionistische Korrektur unserer ethischen Lebenspraxis zurück (Kap. III). Im Anschluss daran werden kritisch die kognitivistischen Ansätze erörtert. Eine systematische Kritik des subjektiven ethischen Rationalismus wird durch eine Diskussion verschiedener Varianten des ethischen Objektivismus (Kant, Apel) und des ethischen Realismus (Brentano, Scheler/Hartmann, Moore) ergänzt (Kap. IV-VI). Ihr Gegenstück findet diese Erörterung im ethischen Naturalismus, den Quante in seinen wissenschaftstheoretischen Vorgaben benennt und am Beispiel der evolutionären Ethik vertiefend darstellt. Mit Hilfe einer Rekonstruktion von George E. Moores Kriterium der offenen Frage wird eine naturalistische Fundierung der Ethik als unzureichende Beschreibung unseres ethischen Selbstverständnisses abgewiesen. Dieses Kriterium besagt, dass das ethische Prädikat »gut« immer einen Mehrwert im Vergleich zu naturwissenschaft- lichen Aussagen bezeichnet, da es auf einen eigenen Wirklichkeitsbereich verweist (Kap. VII). Ausgehend von der konkreten Handlung als dem primären Gegenstand ethischer Bewertung argumentiert Quante dafür, dass nur eine integrative Ethiktheorie die ethische Lebenspraxis angemessen beschreiben kann. Die Anliegen von drei Haupttypen der Ethik (Deontologische Ethik, Utilitarismus, Tugendethik) werden unter diesem Gesichtspunkt dargestellt (Kap. VIII). In seinen Ausführungen zur Bedeutung des begründungstheoretischen Ansatzes orientiert sich Quante am Prinzip des »defaultand-challenge« (148). Danach besteht eine generelle Begründungspflicht im Hinblick auf die ethische Lebenspraxis ausschließlich im Falle gut begründeter Einwände. Die argumentative Zurückweisung dieser Einwände muss sich nicht auf unbezweifelbare, sondern (lediglich) auf gute Gründe berufen können (Kap. IX). Das Buch schließt mit einer Diskussion des metaphysischen Freiheitsverständnisses als externer Voraussetzung von ethischer Praxis, die allerdings nicht auf die aktuellen neurophilosophischen Debatten Bezug nimmt (Kap. X). Michael Quantes Buch ist eine auf hohem fachlichen Niveau ausgearbeitete Einführung in die ethische Theorie, die den Leser mit einem an den analytischen Diskursen der Moralphilosophie geschulten Argumentationsstandard vertraut macht und ihn im Hinblick auf das sachliche Begründungsanliegen ethischer Theorien gut informiert entlässt. Gleichzeitig verbirgt sich hinter Quantes allgemeiner Einführung eine Inanspruchnahme der ethischen Lebensform zu Begründungszwecken, die zu kritischen Rückfragen heraus fordert. Denn die Anerkennung der Relevanz des ethischen Sprachspiels unserer Lebensformen wird von ihm nur methodologisch eingeführt, aber nicht hermeneutisch eingelöst: Auf der Sachebene können nur diejenigen Lebensvollzüge aus dem alltäglichen Ethikverständnis zum Gegenstand der ethischen Theorie erhoben werden, die auch begründungsrelevant sind. Das ist m.E. für eine Theorie, die »unserer Lebensform« wirklich gerecht werden möchte, doch zu wenig. Rebekka A. Klein, Zürich 151 Hans Joas / Wolfgang Knöbl: Sozialtheorie. Zwanzig einführende Vorlesungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 22006, ISBN: 978-3-518-29269-3, 816 Seiten, e 20,-. Ökonomen und Soziologen sind heutzutage noch immer meist »Fachleute«. Der argumentative Austausch vollzieht sich hauptsächlich innerhalb der engen Disziplingrenzen, eine Zusammenarbeit zwischen Ökonomen und Soziologen ist höchst selten, was vor allem auch auf die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der beiden Disziplinen zurückzuführen ist. Seit einigen Jahren scheint sich aber zumindest innerhalb der Ökonomik das Blatt insofern etwas zu wenden, als dass sich Ökonomen verstärkt Themen zuwenden, die an der Schnittstelle zwischen Ökonomik, Soziologie, Philosophie, Politik- und Rechtswissenschaft liegen. So hat sich mittlerweile eine ökonomische Theorie des Rechts, der Verfassung, der Familie, der Ethik oder auch der sozialen Ordnung und Kooperation innerhalb der wirtschaftswissenschaftlichen Fachdisziplin fest etabliert. Auffallend ist dabei, dass diese Fragen stets durch Rückgriff auf einen einzigen verhaltenstheoretischen Ansatz angegangen werden, der insofern spezifisch ökonomisch ist, als dass deren Kern aus dem Homo oeconomicus besteht. Dieser handelt rational und seinen Nutzen maximierend innerhalb gegebener Restriktionen und gemäß seinen Präferenzen. Der Erkenntnisgewinn in diesen traditionell außerökonomischen Gebieten ist in der Tat hoch, und nicht zuletzt deshalb sehen viele die Ökonomik als die »Königin der Sozialwissenschaft« an. Fraglich ist jedoch, ob man bei dieser Selbsteinschätzung Halt machen und den argumentativen Austausch über die Fachgrenzen hinaus unterlassen sollte. Das Buch »Sozialtheorie. Zwanzig einführende Vorlesungen« von Hans Joas und Wolfgang Knöbl verdeutlicht, dass ein solcher Schluss voreilig wäre. Der ökonomische Ansatz – verstanden als Anwendung des spezifisch ökonomischen Ansatzes zur Erklärung menschlichen Verhaltens – ist lediglich einer neben zahlreichen anderen, und er ist nicht der einzig plausible, der mit dem methodologischen Individualismus (in seiner modernen Variante) vereinbar ist. Joas und Knöbl setzen sich mit den aus ihrer Sicht wichtigsten internationalen sozialtheoretischen Ansätzen seit 1945 auseinander. Sie legen offen, dass es in der jüngeren Geschichte bis zum heutige Tag zahlreiche verschiedene Ansätze zur Erfassung empirischer Zusammenhänge im 152 sozialen Bereich, die meist auf völlig unterschiedlichen philosophischen Grundlagen aufbauen, gab und gibt, und die zu verschiedenen Zeiten einen unterschiedlich großen Einfluss in den jeweiligen Disziplinen gehabt haben. Unter Sozialtheorie verstehen die beiden Soziologen Joas und Knöbl also nicht spezifisch soziologische, sondern alle Ansätze aus den unterschiedlichsten sozialwissenschaftlichen Gebieten, die sich mit sozialen Phänomenen, auch in politischen, institutionellen und kulturellen Dimensionen, befassen (9ff.). Damit öffnen sie sich dem Gespräch zwischen den Fakultäten, grenzen sich aber gleichzeitig von Begriffen wie »Gesellschaftstheorie« ab, mit denen oftmals ein gewisser normativer und »kritischer« Bezug verbunden wird, und der zudem angesichts der Auflösung von territorial klar abgrenzbaren Ordnungen zunehmend problematisch geworden ist. In ihrem Buch beschäftigen sich die beiden Autoren vor allem mit soziologischen und sozialphilosophischen Ansätzen, öffnen sich gegenüber der Diskussion von ökonomischen und politikwissenschaftlichen Theorien aber insofern, als dass sie zum Teil sehr eingehend unterschiedliche Rational Choice (143ff.) und institutionenökonomische (747ff.) Theorien diskutieren. Dabei gehen Joas und Knöbl sehr systematisch vor: Zunächst legen sie ihre eigene erkenntnistheoretische und methodologische Sichtweise vor, indem sie sich zunächst fragen, was »Theorie« überhaupt ist und welche Rolle hierbei die Suche nach der Wahrheit und geeigneten Kriterien zur Einschätzung des Erklärungsgehalts von Theorien spielen. Für Joas und Knöbl (36ff.) reichen Theoriefragen von empirischen Generalisierungen bis zu umfassenden Deutungssystemen, in denen philosophische, metaphysische, politische, moralische Grundhaltungen zur Welt verknüpft sind. Das Zugrundelegen eines solch breiten Theoriebegriffs bedeute jedoch nicht, dass jeder sein eigener Theoretiker ist und ein argumentativer Austausch zwischen den Ansätzen unterbleiben muss. Denn: Trotz aller Theorievielfalt bestehe doch weitgehende Einigkeit in den sozialwissenschaftlichen Disziplinen darüber, was die Grund- und Hauptfragen des Forschens sind, nämlich: 1. Was ist Handeln? 2. Was bestimmt sozialen Wandel? 3. Was ist soziale Ordnung? Alle Theoretiker hätten sich letztlich mit diesen Fragen auseinandergesetzt, so dass ein Austausch zwischen den jeweiligen theoretischen Grundrichtungen ebenso möglich ist, wie deren Reichweite und Grenzen einzuschätzen. Joas und Knöbl diskutieren anschließend die aus ihrer Sicht wichtigsten Sozialtheorien seit 1945, angefangen vom großen Syntheseversuch Parsons’ über den Neo-Utilitarismus, die Ethnomethodologie und den Symbolischen Interaktionismus, die Konflikttheorie, die großen Ansätze von Habermas, Luhmann und Giddens bis hin zum Strukturalismus, zur Kultursoziologie von Bourdieu, zu den französischen Anti-Strukturalisten, feministischen Sozialtheorien, zum Neopragmatismus und sowie gegenwärtig neu aufstrebender bzw. in die Diskussion eingebrachten Ansätze, auch aus der Ökonomik. Vor allem legen sie dar, dass die meisten, und gerade die argumentationsstarken Sozialtheorien auf philosophischen Grundlagenreflexionen basieren, die das jeweilige Programm gegenüber den anderen besonders deutlich abgrenzen. Da die meisten modernen sozialtheoretischen Ansätze aber in klassischen Theorien wurzeln, sprechen Joas und Knöbl immer wieder auch diese Klassiker an. Damit erleichtern sie nicht nur unmittelbar das Verständnis der diskutierten Sozialtheorien, sondern geben zudem interessante Einblicke für an der Theoriegeschichte interessierte Leser. Für den ökonomisch ausgebildeten Leser von besonderer Bedeutung ist, dass die vorgestellten sozialtheoretischen Ansätze Phänomenen wie Macht, Strukturierung durch die Umwelt, Interpretation von Handlungsoptionen durch die Akteure, soziale Konflikte, aber auch die menschliche Kreativität und vor allem die existierenden Freiräume individuellen Handelns unterschiedliche Bedeutung zumessen und diese auch auf verschiedene Art und Weise in einen übergreifenden sozialtheoretischen Ansatz integrieren. Viele dieser Aspekte klammert die herkömmliche ökonomische Theorie bislang mehr oder weniger aus, obwohl sie gerade auch in der Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen. Joas und Knöbl überlassen es letztlich dem Leser, für welches Forschungsprogramm man sich mit guten Gründen entscheiden kann, obwohl sich zumindest einer der beiden Autoren selbst eindeutig einem konkreten sozialtheoretischen Forschungsprogramm zuordnen lässt. Allerdings liegt der Fokus des Buches, trotz der Öffnung gegenüber ökonomischen und politikwissenschaftlichen Ansätzen, vor allem auf solchen Sozialtheorien, die sich derzeit eher der Soziologie und der Sozialphilosophie zurechnen lassen. Gerade in diesen Gebieten hat dieses Buch folglich seine großen Stärken, die nach Wissen des Rezensenten so in keinem anderen Buch zu finden sind. Ein interdisziplinär arbeitender Ökonom wäre aber auch ernsthaft an der Einschätzung von Joas und Knöbl in Bezug auf die Plausibilität und Fruchtbarkeit von einigen neueren ökonomischen Ansätzen interessiert. Beispielsweise sucht Bruno S. Frey, den ökonomischen Ansatz mit dem Konzept der intrinsischen Motivation anzureichern und dessen Fruchtbarkeit anhand von konkreten empirischen Fragestellungen darzulegen, so gerade auch in Bezug auf den Zusammenhang zwischen direkter Demokratie oder unterschiedlichen Strafrechtspolitiken und der Aufrechterhaltung und Verdrängung von intrinsischer Motivation beim einzelnen Bürger eines Gemeinwesens. Andere Ökonomen hingegen verwenden den engen ökonomischen Ansatz nur noch, um so genannte »worst case Szenarien« abzuleiten und die sozialen und wirtschaftlichen Folgen zu untersuchen, die in einer Welt von rationalen Egoisten zu erwarten sind. Eine empirische Erklärung sozialer und wirtschaftlicher Phänomene wird also in einer solchen Perspektive mit dem ökonomischen Ansatz gar nicht mehr angestrebt. Es wäre also sicherlich interessant und auch fruchtbar zu fragen, welche neuen Einsichten diese ökonomischen Ansätze und Vorgehensweisen für einen umfassenden, fundierten und differenzierten sozialtheoretischen Blick liefern können. Aber auch ohne eine Auseinandersetzung mit solchen eher ökonomischen Ansätzen und Vorgehensweisen sowie trotz des Fokus auf Sozialtheorien mit soziologischen und sozialphilosophischen Wurzeln haben Joas und Knöbl eine systematische, plausible, anspruchsvolle und für den Leser dennoch gut nachvollziehbare Diskussion der Reichweite und Grenzen wichtiger Sozialtheorien vorgelegt. Ihr Buch kann daher allen sozialtheoretisch interessierten, vor allem aber interdisziplinär arbeitenden Ökonomen nur dringend empfohlen werden, gerade wenn man sich ein fundiertes, aber auch theoriegeleitetes Bild über die soziale, wirtschaftliche und politische Realität verschaffen will. Dr. Stephan Märkt, Lüneburg 153