Fallstricke nach torischer ICL-Implantation in hochmyopen Augen M. Elling, H. B. Dick Phake Intraokularlinsen Phake Intraokularlinsen werden vor allem zur Korrektur von höheren Ametropien genutzt, z. B. wenn hornhautchirurgische Maßnahmen nicht möglich sind. Kontraindikationen für phake Intraokularlinsen sind Behandlungen unter dem 18. Lebensjahr, eine instabile Refraktion, eine Endothelzelldichte von weniger als 2000 Zellen/ mm2 sowie eine Vorderkammertiefe von kleiner als 2,8 mm (gemessen vom Endothel). Entsprechend sollten bei der Implantation von phaken Linsen die aktuell gültigen Richtlinien der Kommission für refraktive Chirurgie (KRC) berücksichtigt werden. Visian ICL Die Visian ICL der Fa. Staar ist eine Collamer-Linse auf Collagenbasis und weltweit bisher mehr als 350.000-mal implantiert worden. Bei diesem refraktiven Verfahren handelt es sich um ein „potenziell reversibles“ Verfahren. Indikationsbereiche für die Visian ICL liegen bei einer Myopie von –0,5 bis –18,0 dpt, bei einer Hyperopie von 0,00 bis +10,0 dpt sowie in Kombination mit einem Astigmatismus von bis zu +6,0 dpt. Fallbeispiel An der Universitäts-Augenklinik Bochum stellte sich im Februar 2013 in der refraktiven Sprechstunde ein 24-jähriger Patient mit dem Wunsch nach Brillenunabhängigkeit vor. In der Augenanamnese zeigte sich an beiden Augen eine hohe Myopie in Kombination mit einem Astigmatismus. Anamnestisch war das linke Auge immer schwächer als das rechte Auge, weiterhin lag eine Kontaktlinsenunverträglichkeit vor. Im Rahmen der fachärztlichen Untersuchung zeigte sich am rechten Auge ein Visus von 0,63 p mit –12,75 sph. –2,0 cyl. A 31° und am linken Auge ein Visus von 0,32 mit –12,75 sph. –1,5 cyl. A 142°. In der Spaltlampenuntersuchung zeigten sich an beiden Augen reizfreie und altersentsprechende vordere Augenabschnitte mit klaren brechenden Medien, der Fundusbefund war ebenfalls altersentsprechend und unauffällig. Im Rahmen der ausführlichen Diagnostik wurde am rechten Auge eine Vorderkammertiefe von 3,5 mm und am linken Auge von 3,53 mm gemessen (Pentacam/ 227 OP bei Komorbidität Messung vom Endothel). Somit wurde die Indikation für die Implantation einer phaken Linse (ICL) gestellt. Aufgrund der sehr dünnen Hornhaut am rechten Auge von 495 µm und am linken Auge von 481 µm war dieser Patient nicht für ein laser­ab­latives Verfahren geeignet. Zur präoperativen Vorbereitung wurde weiterhin der Weiß-zu-Weiß-Abstand mittels IOL-Master gemessen. Am rechten Auge zeigte sich dabei ein Weiß-zu-Weiß-Abstand von 12,8 mm und am linken Auge von 12,7 mm. Diese Werte wurden m ­ anuell mittels Messzirkel verifiziert. Entsprechend der erhobenen Messdaten erfolgte die Bestellung von torischen ICL vom Typ V4b mit einem Durchmesser von 13,7 mm für beide Augen. Weiterhin wurde zur Operation für jedes Auge eine Stand-by-IOL geordert. Operation Im Rahmen der Vorbereitung wurden bei unserem Patienten an beiden Augen eine Woche präoperativ jeweils zwei Nd:YAG-Iridotomien bei 11 Uhr und 2 Uhr angelegt. Anschließend wurde eine bilaterale simultane torische ICL-Implantation in Intubationsnarkose durchgeführt. Hierbei wurde unmittelbar präoperativ im OP im Sitzen die Implantationsachse mit dem Gerten-Markeur an jedem Auge markiert. Am ersten postoperativen Tag zeigte sich nach einem komplikationslosen perioperativen Verlauf am rechten Auge ein unkorrigierter Visus von 0,8 und am linken Auge von 0,63. An der Spaltlampe zeigte sich an beiden Augen ein reizarmer vorderer Augenabschnitt mit adaptiertem Hornhauttunnelschnitt temporal sowie einer korrekt ausgerichteten ICL (horizontal) im Sulkus mit gutem Vault (Abb. 1 und 2). Rechtes Auge: Linkes Auge: Abb. 1: Geplante Implantationsachsen 228 Elling, Dick: Fallstricke nach torischer ICL-Implantation in hochmyopen Augen Rechtes Auge Abb. 2: Visante OCT: postoperativ guter Vault Rechtes Auge Abb. 3: Spaltlampenfoto: ICL am rech­ten Auge nach 84° rotiert ICL-Rotation 14 Tage postoperativ stellte sich dieser Patient erneut mit einer seit wenigen Tagen bestehenden, schmerzlos zunehmenden Visusminderung an beiden Augen vor (rechts mehr als links). Im Rahmen der Untersuchung zeigte sich an beiden Augen ein unkorrigierter Visus von 0,32. Entsprechend ergab sich am rechten Auge ein Visus von 1,0 mit einer Korrektur von +2,0 sph. –3,5 cyl. A 28° und am linken Auge ebenfalls ein Visus von 1,0 mit plan –3,25 cyl. A 150°. Im Rahmen der OCT-Untersuchung (Visante) zeigte sich ein guter ICL-Sitz mit entsprechend gutem Vault. Bei der Spaltlampen­ untersuchung diagnostizierten wir überraschenderweise, dass an beiden Augen die ICL im Sulkus nach vertikal rotiert war. Daraufhin haben wir eine Fotodokumentation in Mydriasis durchgeführt und entsprechend die Achslage mittels Messokular verifiziert. Hierbei zeigte sich am rechten Auge eine ICL-Rotation nach 84° und am linken Auge nach 92° (Abb. 3). Hypothese Wir stellten die Hypothese auf, dass es aufgrund der Anatomie dieser sehr hoch­ myopen Augen zu einer Rotation der ICL im Sulkus gekommen ist, obwohl präoperativ der größtmögliche, kommerziell erwerbliche Durchmesser für diese ICL ausgewählt wurde. Eine Traumaanamnese oder Ähnliches war nicht erhebbar. In diesem speziellen Fall sahen wir von einer Nachrotation ab. Wir haben uns dazu entschlossen, eine beidseitige Explantation der torischen ICL im Austausch gegen sphärische ICL vom Typ V4c durchzuführen. Des Weiteren haben wir den bestehenden Astigmatismus mithilfe von Femtosekundenlaser-­assistierten arcuaten Inzisionen korrigiert. Hierbei haben wir am rechten Auge p ­ enetrierende arcuate Inzisionen und am linken Auge intrastromale arcuate Inzisio­nen mit dem Catalys-Precision-Lasersystem (AMO) appliziert. Die Kalkulation der arcuaten Inzisionen erfolgte mithilfe des webgestützten „LRI-Kalkulators“ (Abb. 4). 229 OP bei Komorbidität Abb. 4: Reoperation: Kalkulation der arcuaten Inzisionen mit dem „LRI-Kalkulator“ Finales Ergebnis Vier Wochen nach der Revisionsoperation stellte sich auf beiden Augen ein sehr gutes Ergebnis dar (Abb. 5). Der Patient war mit dem visuellen Endergebnis sehr zufrieden und beschwerdefrei. Am rechten Auge zeigte sich ein unkorrigierter Visus von 0,8 und am linken Auge von 0,8 p. Auch nach drei Monaten zeigte sich ein stabiles refraktives Ergebnis, ohne eine erneute Rotation der implantierten ICL. Abb. 5: Spaltlampenfoto: Ergebnis nach Revisions-OP mit penetrierenden arcuaten Inzisionen 230 Elling, Dick: Fallstricke nach torischer ICL-Implantation in hochmyopen Augen Fazit Die Implantationen von phaken Intraokularlinsen (ICL) sollte nur entsprechend den Richtlinien der KRC erfolgen. Präoperativ ist eine sehr genaue Diagnostik notwendig mit Bestimmung des Weiß-zu-Weiß-Abstandes, der manuell verifiziert werden sollte. In seltenen Fällen kann es aufgrund der Anatomie des Auges zu einer Rotation der ICL im Sulkus kommen, z. B. wie in diesem hier geschilderten Fall bei hoch­myopen Augen. In solchen komplexen Ausgangssituationen kann die Kombination von sphärischen ICL mit arcuaten Inzisionen eine mögliche Alternative sein. 231