1 Infektion und Entzündung 1.1.3 Abwehrkraft des Makroorganismus Die Möglichkeit des Menschen, sich vor Angreifern zu schützen, stützt sich auf sehr viele verschiedene Mechanismen und strukturelle (anatomische) Merkmale ab. Als wichtigste Schutzvorkehrungen sind zu nennen: Haut Die Haut als grösstes Organ des Menschen grenzt ihn gegen die Aussenwelt ab und schützt ihn somit vor dem Eindringen unerwünschter Partikel. Die intakte Haut ist eine schwer zu durchdringende Barriere und wird durch den vorhandenen Säureschutzmantel und die sie besiedelnden Mikroorganismen (Standortflora) in ihren Abwehrbemühungen unterstützt. Eine verletzte oder entzündete Haut ist dagegen bedeutend einfacher zu durchdringen. Veränderungen am Säureschutzmantel bzw. an der Hautflora können ebenfalls einen negativen Einfluss auf die Abwehr ausüben. Schleimhaut Gemeinsames Merkmal aller Schleimhäute ist die auf der jeweiligen Oberfläche liegende Schleimschicht. Diese Schleimschicht gilt als wesentlicher Infektionsschutz und hat teilweise auch die Aufgabe, die Mukosa vor aggressiven Substanzen zu schützen, wie z. B. im Magen, wo sie vor der Aggressivität der Salzsäure und des Pepsins schützt. Reduziert sich aufgrund endogener oder exogener Einflüsse die Dicke der Schleimschicht, so trocknet die Schleimhaut aus. Dadurch wird der intakte Zellverband gestört und im gleichen Mass die Abwehrkraft als direkte Folge davon geschwächt. Es gilt daher: Nur eine schleimige Schleimhaut ist eine gesunde Schleimhaut! Flora Mit Flora meint man in diesem Zusammenhang üblicherweise die Besiedelung mit Bakterien und/oder Pilzen (siehe Standortflora der Haut). Neben der Haut zeigt vor allem die Dickdarmschleimhaut eine deutliche Bedeckung mit Bakterien, die mit der Mukosa in Symbiose leben und im Sinne einer Platzhalterfunktion vor der Ansiedelung pathogener Keime schützen. Der Begriff Flora geht auf die Zeit zurück, als man die Bakterien noch dem Pflanzenreich zuordnete. Trotz der Neueinteilung hat sich der Begriff Flora gehalten. Flimmerepithel Als wesentliches anatomisches Merkmal gewisser Schleimhäute (Bronchien, Nase) beobachtet man einen dichten Teppich von Zilien, die den Abtransport von Fremdmaterial vorantreiben und dadurch vor Verschmutzung und Infektion schützen. Diese Aufgabe wird im Zusammenwirken mit speziellen Schleimfraktionen vorgenommen (siehe mukoziliäre Clearance) und unterstützt die entsprechenden Schleimhäute in ihren Abwehrbemühungen. Chemische Barrieren Neben dem bereits erwähnten Säureschutzmantel der Haut existieren weitere chemische Barrieren. Im Hinblick auf die grosse Menge an Krankheitserregern, die peroral zugeführt werden, kommt der Magensalzsäure eine wesentliche Bedeutung zu. Sie hat die Aufgabe, Viren, Bakterien, Pilze und andere Infektionsauslöser als unerwünschte Begleiter der Nahrung unschädlich zu machen. Daraus wird ersichtlich, dass ein zu hoher pH-Wert des Magens (z. B. durch Applikation ungeeigneter Antacida) zu grossen Infektionsrisiken führen kann. E9 8 Rhinologie 8.1.1 Rhinitis acuta Die Rhinitis acuta wird umgangssprachlich einfach als (gewöhnlicher) Schnupfen bezeichnet. Auslöser Infektion durch Rhinoviren Übertragung Tröpfchen- und/oder Schmierinfektion Inkubationszeit 1–3 Tage Dauer 4–10 Tage Symptome Die Symptomatik verändert sich im Verlauf der Erkrankung. In der Frühphase zeigt sich eine Rhinitis acuta wie folgt: A A A A A A Niesen Juckreiz Kribbeln Anschwellen der Nasenschleimhaut (verstopfte Nase) Verminderte Geruchs- und Geschmacksempfindung Starke, wasserklare und dünnflüssige Sekretion Nach einigen Tagen – bedingt durch den Einstrom von Leukozyten und allenfalls aufgrund einer bakteriellen Sekundärinfektion – dickt das Sekret ein und erscheint gelblich bis grünlich. Der Eindruck der verstopften Nase entsteht nun nicht mehr (oder zumindest weniger) aufgrund der Mukosa-Schwellung, sondern weil zäher Schleim den Nasenraum praktisch ausfüllt. Pathogenese Die Rhinoviren dringen in die Mukosazellen ein, um sich dort vermehren zu lassen. Angesichts der Tatsache, dass sie keine Lebewesen, sondern nur infektiöse Makromoleküle darstellen, sind sie auf diese Vorgehensweise angewiesen. Die Viren manipulieren den zellulären Stoffwechsel, indem sie ihre eigene genetische Information durch die Wirtszelle ablesen lassen. Die Schleimhautzellen beginnen daraufhin mit der Produktion neuer Viruserbsubstanz und neuer Virusproteine. Nach dem Zusammenbau derselben entstehen neue, wiederum infektiöse Viren in grosser Anzahl, die aus der Wirtszelle austreten bzw. nach dem Platzen derselben frei werden. Sie infizieren bislang noch nicht befallene Nachbar-Schleimhautzellen, sodass es zu einer eigentlichen Kettenreaktion und entsprechend rasanter Ausbreitung der Virusinfektion kommt. Nachdem nun die Mukosa durch die Viren vorgeschädigt ist – man spricht von Terrain-Vorbereitung –, kann es sein, dass opportunistische Bakterien die Gunst der Stunde erkennen und eine sogenannte bakterielle Sekundärinfektion verursachen. Sie fühlen sich auf der vorgeschädigten Schleimhaut sehr wohl, ist es doch feucht und warm und ausserdem liegen Schleim- und Schleimhautpartikel in grosser Menge herum, die als Nahrung dienen können. Die starke bakterielle Ausbreitung führt zu einer eigentlichen Mischinfektion. Abwehrmechanismen des Körpers Der Organismus erkennt die Hauptprobleme, die da sind: A A Infektion durch Viren und allenfalls Bakterien Nasenschleimhaut liegt in Trümmern Er sieht sich daher veranlasst, die Durchblutung der Nasenschleimhaut massiv zu erhöhen. Dies tut er, indem er im Bereich der Nasenschleimhaut ein Ungleichgewicht im autonomen Nervensystem zugunsten des Parasympathikus erzeugt. Damit verfolgt er drei Hauptziele: A Verstärkte mechanische Keimeliminierung Verstärkte Abwehr A Verstärkte Regeneration A E 73