Validierung eines Fragebogens zur Erfassung

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Forschungsberichte
Psychologisches Institut
Kognitive Sozialpsychologie
Herausgegeben von Prof. Dr. Carmen Tanner
KSPZ-Forschungsbericht Nr. 02
online seit 23.12.2009
Weitere Befunde zur Validierung der Geschütze Werte Skala (GWS)
Corina Merz und Carmen Tanner
Nicht nur im Zusammenhang mit der Debatte über die Regulierung von Managerlöhnen wird über moralische Werte diskutiert, ethische Aspekte spielen in vielen
Bereichen eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang ist die Untersuchung Geschützter Werte interessant. Mit Geschützten Werten sind Entitäten oder Werte
gemeint, die von Individuen explizit oder implizit als absolut, unantastbar und nicht
substituierbar angesehen werden. Diese Arbeit soll einen weiteren Beitrag zur Validierung der von Tanner, Ryf und Hanselmann (2009) entwickelten Skala zur Messung von Geschützten Werte (GWS) liefern. Zu diesem Zweck wurden andere Instrumente zur Erhebung theoretisch konvergenter Konstrukte (z.B. deontologisches
und intuitionistische Denken, moralische Identität) und divergenter Konstrukte (z.B.
utilitaristisches und hedonistisches Denken, soziale Erwünschtheit) einbezogen.
Die prognostische Validität wurde anhand des Entscheidungsverhaltens überprüft.
Anschrift:
Prof. Dr. Carmen Tanner
Universität Zürich
Kognitive Sozialpsychologie
Binzmühlestrasse 14 / 18
CH-8050 Zürich
E-Mail: [email protected]
cand.lic.Corina Merz
Universität Zürich
Kognitive Sozialpsychologie
Binzmühlestrasse 14 / 18
CH-8050 Zürich
E-Mail: [email protected]
Validierung der GWS
Merz & Tanner………
Inhaltsverzeichnis
1.
2.
3.
Einleitung ..................................................................................................................................... 1
1.1
Geschützte Werte Skala ...................................................................................................... 1
1.2
Ethische Ideologien ............................................................................................................. 2
1.3
Ethische Grundpositionen ................................................................................................... 3
1.4
Moralische Identität.............................................................................................................. 4
1.5
Soziale Erwünschtheit ......................................................................................................... 4
1.6
Prognostische Validität des GWS........................................................................................ 5
Methode und Durchführung ......................................................................................................... 5
2.1
Stichprobe ............................................................................................................................ 5
2.2
Durchführung und Design .................................................................................................... 5
2.3
Voraussetzungsprüfung ....................................................................................................... 6
Ergebnisse ................................................................................................................................... 7
3.1
EPQ – Ethics Position Questionnaire .................................................................................. 7
3.2
Ethische Grundpositionen ................................................................................................... 8
3.3
Moralische Identität............................................................................................................ 10
3.4
Soziale Erwünschtheit Marlowe-Crowne Social Desirability Scale ................................... 10
3.5
Prognostische Validität ...................................................................................................... 10
4.
Diskussion ................................................................................................................................. 11
5.
Literaturverzeichnis ................................................................................................................... 13
Anhang A ........................................................................................................................................... 15
Anhang B ........................................................................................................................................... 19
Anhang C ........................................................................................................................................... 20
Validierung der GWS
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Merz & Tanner………
1. Einleitung
Viele gesellschaftliche Problembereiche tangieren moralische oder ethische Dimensionen. Stellen Sie
sich z.B. die Debatte um den Schwangerschaftsabbruch vor. Soll ein Schwangerschaftsabbruch zulässig oder nicht? Einige Personen argumentieren, dass ein Schwangerschaftsabbruch unzulässig ist,
weil ungeborenes Leben unbedingt zu schützen ist. Andere meinen, dass ein Schwangerschaftsabbruch zulässig ist, und die Entscheidungsfreiheit der Frau unbedingt gewahrt werden muss. Solche
Wertvorstellungen haben häufig den Status von Geschützten Werten (GW). Damit sind Werte oder
Entitäten gemeint, die für ein Individuum als absolut und nicht substituierbar gelten (Tanner, Ryf, &
Hanselmann, 2009). Die aktuelle empirische Forschung zeigt, dass Menschen sehr viel Mühe damit
bekunden, solche Werte zu opfern oder gar gegen Geld einzutauschen (z.B. Andre, 1992; Hanselmann & Tanner, 2008; Tanner, 2008; Tanner et al., 2009). Trade-offs, die eine Verletzung solcher
Werte nahelegen würden, werden schlicht abgelehnt. Die Forschung zeigt ebenfalls, dass Menschen
in solchen Situationen häufig nach deontologischen Gesichtspunkten, also nach universellen Regeln,
und nicht etwa kontextabhängig entscheiden (Baron & Spranca, 1997). Deontologisches Denken
meint, dass nach dem Kriterium, ob eine Handlung an sich richtig oder falsch ist, entschieden wird,
und weniger nach dem Kriterium, welche Konsequenzen mit dem Handeln verknüpft sind.
Im Gegensatz dazu gehen normative, rationale Entscheidungsmodelle davon aus, dass alle Trade-offs
möglich sind. Unter Trade-offs werden Prozesse verstanden, bei denen verschiedene Werte untereinander verglichen und ausgetauscht werden, wie z.B. Ware gegen Geld. Ebenso nehmen normative
Modellen an, dass Entscheiden ein kognitiver und konsequentialistischer Prozess ist, bei dem nur
Konsequenzen eine Rolle spielen. Handlungen werden lediglich danach beurteilt, ob durch sie der
subjektive Nutzen der Konsequenzen erhöht werden kann (Baron & Spranca, 1997; Baron & Ritov,
2008). Probleme, die jedoch GW involvieren, stehen meist im Widerspruch zu den Prinzipien, dass
alle Trade-offs möglich sind, und dass Menschen Entscheidungen nur auf der Basis von Konsequenzen treffen. Das Prinzip der subjektiven Nutzenmaximierung funktioniert nicht mehr in gleichem Masse, wenn moralische Aspekte und im Besonderen GW im Spiel sind (McGraw & Tetlock, 2005).
Grundsätzlich gilt, dass GW eine wichtige Quelle von Konflikten und Entscheidungsproblemen darstellen. Es erscheint deshalb wichtig, die Effekte von GW zu untersuchen.
Obgleich GW und die verwandten Begriffe (engl. sacred values, protected values, taboo values oder
moral mandates) sowohl in der Forschung als auch in der Praxis auf zunehmendes Interesse stossen,
sind bislang noch wenig Bemühungen unternommen worden, ein einheitliches Messinstrument zur
Erfassung von GW zu entwickeln und zu testen. Vor kurzem haben Tanner et al. (2009) eine solche
Skala entwickelt und erste Reliabilitäts- und Validitätsprüfungen vorgenommen. Der vorliegende Bericht stellt einen Beitrag zur weiteren Konstruktvalidierung dar, indem Zusammenhänge zwischen GW
und anderen theoretisch konvergenten und divergenten Konstrukten anhand einer Fragebogenstudie
untersucht werden. Zu diesem Zweck werden den Befragten verschiedene Themen resp. Szenarien
vorgelegt, die sich in früheren Untersuchungen bereits bewährt haben, dass sie mit Geschützten Werten assoziiert werden können. Im Folgenden werden die relevanten Konstrukte und die damit verbundenen Hypothesen genauer beschrieben.
1.1 Geschützte Werte Skala
Die Geschützte Werte Skala (GWS) wurde von Tanner et al. (2009) entwickelt, um wichtige Funktionen von GW zu messen. Mit diesem Verfahren soll das Ausmass von GW einer Person für einen spezifischen Wert gemessen werden. Hierzu wenden die Autoren eine direkte und indirekte Strategie an.
Bei der direkten Messung (GWS-D) wird über mehrere Items erfasst, inwiefern typische Eigenschaften
von GW mit der Problemsituation oder einem spezifischen Wert assoziiert werden, wie Merkmale des
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Schützens, der Ablehnung von Kosten-Nutzen Abwägungen, der Unantastbarkeit, der fehlenden
Kompensierbarkeit oder Austauschbarkeit gegen Geld. Jedes Item wird auf einer Antwortskala von 1
(stimme gar nicht zu) bis 7 (stimme sehr zu) eingeschätzt. Die indirekte Messung (GWS-I) hingegen
registriert das Ausmass an Reaktionen der moralischen Empörung und Ablehnung auf potentielle
Verletzungen von GW. Anhand mehrere Items stufen die Personen auf einer 7-stufigen Antwortskala
ein, wie lobenswert, unmoralisch, akzeptabel, etc. bestimmte Handlungen empfunden werden. Die
einzelnen Items der beiden Subskalen sind im Anhang A ersichtlich. Die beiden Subskalen weisen in
der vorliegenden Studie über alle verwendeten Szenarien berechnet hohe Reliabilitätswerte von
Cronbach’s α = .77 (GWS-D) und α = .91 (GWS-I) auf.
1.2 Ethische Ideologien
Das von Forsyth (1980) entwickelte Ethics Position Questionnaire (EPQ) dient der Erfassung individueller ethischer Ideologien (siehe auch Forsyth, 1981; Forsyth & Berger, 1982). Dabei wird von zwei
ethischen Basisdimensionen ausgegangen, die orthogonal zueinander in Beziehung stehen. Die erste
Dimension - ethischer Relativismus (EPQ-R) - reflektiert das Ausmass, mit welchem ein Individuum
universelle moralische Regeln zugunsten einer eher relativistischen Position ablehnt. Je höher das
Ausmass auf dieser Dimension, desto eher wird eine relativistische Position eingenommen. Die zweite
Dimension - ethischer Idealismus (EPQ-I) – reflektiert das Ausmass, mit dem das Individuum glaubt,
dass erwünschte Konsequenzen notwendigerweise durch richtiges Handeln erzielt werden können. Je
höher das Ausmass auf dieser Dimensione, desto stärker der Glaube an ein solches Ideal.
Diese zwei Basisfaktoren werden in Abhängigkeit von den Ausprägungen hoch/tief in vier Typen unterteilt, wobei jede Person nur einem Typ zugeteilt werden kann: Die Absolutionisten (Relativismus
tief, Idealismus hoch) zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich nach universellen moralischen Normen orientieren. Die Exzeptionisten (Relativismus tief, Idealismus tief) lassen sich ebenfalls von universellen moralische Prinzipien leiten, sind aber je nach Situation auch offen für Ausnahmen. Die Situationisten (Relativismus hoch, Idealismus hoch) dagegen zeichnen sich dadurch aus, dass sie universelle moralische Regeln zugunsten einer individuellen Situationsanalyse ablehnen. Die Subjektivisten (Relativismus hoch, Idealismus tief) lehnen universelle Regeln ebenfalls ab und stützten sich
bei ihren Entscheidungen auf persönliche Werte (ethische Egoisten). Die Position der Absolutionisten
ist am ehesten mit der deontologischen Moralphilosophie vereinbar, die sich an moralischen Prinzipien
orientiert und als Basis für die moralische Richtigkeit einer Handlung den Fokus auf die Handlung per
se und weniger auf das Ausmass der Handlungskonsequenzen richtet. Die Position der Exzeptionisten dagegen ist eher mit der konsequentialistischen Moralphilosophie kompatibel, die die moralische Richtigkeit einer Handlung anhand der Konsequenzen beurteilt (Rule Utilitarians). Die Situationisten und Subjektivisten dagegen reflektieren ethischen Skeptizismus.
Der EPQ wurde von Strack und Gennerich (2007) ins Deutsche übersetzt und geprüft. Diese Autoren
konnten die Zweifaktorenstruktur analog zu der englischen Version ebenfalls bestätigen. Das Instrument umfasst 20 Items die auf einer 9-Punkte Skala von 1 (bin entgegengesetzter Meinung) bis 9 (bin
dieser Meinung) zu beurteilen sind (siehe Anhang A). Insgesamt weisen beide Subdimensionen in
dieser Stichprobe über alle Szenarien berechnet eine hohe Reliabilität von Cronbach’s α = .77 (EPQ-I)
und α =.79 (EPQ-R) auf und sind somit für diese Validierungsstudie geeignet.
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Hypothesen 1:
Da wir annehmen, dass GW eher mit deontologischen Positionen einhergehen – d.h. Orientierung an
absoluten, universellen Normen, und Fokus auf die Handlung selber und weniger auf den Handlungsfolgen - erwarten wir, dass Personen mit hohen Ausprägungen auf der GWS auch eher geringen ethischen Relatismus und hohen ethischen Idealismus aufweisen. Mit anderen Worten: Es wird eine negative Korrelation zwischen GW und Relatismus (H1a) und eine positive Korrelation zwischen GWS
und Idealismus (H1b) erwartet.
1.3 Ethische Grundpositionen
Zur weiteren Prüfung der Validität wird der Fragebogen ethischer Grundpositionen (FEGP) von Witte
und Doll (1995; Witte, 2001) berücksichtigt. Diese Autoren gehen ebenfalls, wie Forsyth, davon aus,
dass es unterschiedliche ethische Grundpositionen gibt. Ganz im Gegensatz zu Forsyths Typen ethischer Ideologien wird jedoch postuliert, dass eine Person je nach Situation unterschiedliche moralische Positionen einnehmen kann. Vier Grundpositionen werden dabei unterschieden: Bei der deontologischen Grundposition (FEGP-D) stehen nicht die Konsequenzen einer Handlung als Bewertungskriterium im Vordergrund, sondern vielmehr die Übereinstimmung mit den eigenen moralischen Werten.
Bei der intuitionistischen Grundposition (FEGP-I) wird danach gehandelt, was spontan als moralisch
richtig oder gut gilt, ohne weiter nach zu rechtfertigenden Überzeugungen zu suchen. Bei der utilitaristischen Grundposition (FEGP-U), wird die Handlung in Abhängigkeit von ihren Folgen beurteilt. Bei der
hedonistischen Grundposition (FEGP-H) schliesslich, wird das Glück und die Vorteile des einzelnen in
den Vordergrund gerückt. Gemäss Witte und Doll reflektieren Deontologie und Intuitionismus eine
Pflicht-Ethik (die den Weg beurteilen), Utilitarimus und Hedonismus dagegen eine Zweck-Ethik (die
das Ergebnis betrachten).
Der Fragebogen listet 20 Rechtfertigungen für Handlungen auf, je 5 pro ethischer Grundposition. Es
wird gefragt, wie bedeutsam die verschiedenen Gesichtspunkte nach Ausführung einer Handlung
waren (siehe Anhang A). Die Antworten werden auf einer Skala von 1 (wenig bedeutsam) bis 5 (sehr
bedeutsam) gegeben. Die Reliabilitäten in unserer Studie, über alle Szenarien berechnet, sind mit
Cronbach’s α = .78 (FEGP-H), α = .79 (FEGP-U), α = .81 (FEGP-I) und α = .84 (FEGP-D) befriedigend
hoch.
Die Theorie der Geschützten Werte macht in erster Linie Aussagen über deontologische und konsequentialistische Reflexionen (Tanner, Medin, & Iliev, 2008). Wir erwarten deshalb in erster Linie eine
positive Korrelation zwischen GW und deontologischen Orientierungen und keine oder eine negative
zwischen GW und utilitaristischen Positionen. In dem Masse wie Intuitionismus tatsächlich ebenfalls
eine Pflicht-Ethik reflektiert, sind auch positive Zusammenhänge zwischen GW und Intuitionismus zu
erwarten. GW sind jeodch kaum vereinbar mit einer hedonistischen Betrachtungsweise, die die eigenen Vorteile in den Vordergründ rückt, weshalb wir keine oder eine negative Korrelation zwischen GW
und hedonistischen Rechtfertigungen vermuten.
Hypthosen 2:
Anolog zu den Überlegungen im vorausgehenden Kapitel, erwarten wir positive Zusammenhänge
zwischen GW und den pflichtorientierten ethischen Grundpositionen (d.h. deontologische und intuitionistische Rechtfertigungen; H2a und H2b), und negative Korrelationen zwischen GW und zweckorientierten ethischen Grundpositionen (d.h. utilitaristische und hedonistische Rechtfertigungen; H2c und
H2d).
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1.4 Moralische Identität
Mit der moralischen Identität wurde ein Konstrukt in dieser Studie einbezogen, das sich konzeptuell
von den bisher beschriebenen abgrenzt. Moral identity reflektiert das Ausmass, mit welchem moralische Werte und Tugenden von zentraler Bedeutung und Wichtigkeit für die persönliche Identität sind.
Aquino und Reed (2002) definieren moral identity as „a self conception organized around a set of
moral traits“ (p. 1424). Es wird postuliert, dass moralische Identität über einen Mechanismus der
Selbstregulation zu moralischem Handeln motiviert (Blasi, 1984; 1985; 1995; Hardy, 2006). Aquino
und Reed (2002; Reed & Aquino, 2003) haben eine traitbasierte Skala zur Erhebung der Selbstrelevanz moralischer Identität (MI-Skala) entwickelt, die aus zwei Subskalen besteht. Die erste Subskala
Internalisierung erfasst die private Dimension der moralischen Identität und reflektiert das Ausmass,
mit welchem moralische Eigenschaften zentral für das Selbstkonzept sind. Die zweite Subskala Symbolisierung erfasst die öffentliche Dimension der moralischen Identität und beschreibt das Ausmass,
mit dem diese Eigenschaften durch das Handeln ausgedrückt werden. Die Befragung zur Erfassung
der moralischen Identität läuft folgendermassen ab: Eine Liste von 9 salienten, moralischen Eigenschaften (z.B. ehrlich, fürsorglich, freundlich, grosszügig, hilfsbereit) wird vorgelegt, und die Befragten
werden gebeten, sich eine Person mit solchen Eigenschaften gut vorzustellen. 10 Items werden präsentiert, die thematisieren, wie man sich fühlen würde, wenn man solche Eigenschaften hätte, oder
inwiefern solche Eigenschaften sich im eigenen Verhalten reflektieren würden. Die Antworten werden
auf einer Skala von 1 (ich stimme gar nicht zu) bis 5 (ich stimme sehr zu) gegeben. Drei Persone mit
ausgezeichneten Englisch-Kenntnissen waren behilflich bei der Übersetzung der Items ins Deutsch.
(siehe Anhang A). Die Reliabilitäten sind mit Cronbach’s α = .60 (Internalisierung) und α = .72 (Symbolisierung) zufriedenstellend.
Hypothese 3:
Die Theorie der GW geht ebenfalls davon aus, dass solche Werte von zentraler Bedeutung für das
Selbst sind. Ebenso erscheint plausibel anzunehmen, dass Personen mit GW diese Werte symbolisch
auszudrücken versuchen. Es bestehen also Parallelen zum Konzept der moralischen Identität. Wir
erwarten deshalb eine positive Korrelation zwischen GW und dem Faktor Internalisierung (H3a) und
zwischen GW und dem Faktor Symbolisierung (H3b).
1.5 Soziale Erwünschtheit
Soziale Erwünschtheit bezeichnet den Sachverhalt, dass Personen sich gerne positiver darstellen als
sie in Wirklichkeit sind und darauf verzichten, z.B. Vorurteile zu äussern, aus Angst, selber negativ
bewertet zu werden (Stroebe, Jonas, & Hewstone, 2003). Zur Messung wurde eine Kurzform der Marlowe-Crowne Social Desirability Scale (MC-SDS: Reynolds, 1982; dt. Übersetzung: Lück & Timaeus,
1969) verwendet (siehe Anhang A). Hierbei werden 13 Verhaltensweisen aufgezählt, die entweder in
einer Weise sozial sanktioniert oder wünschenswert sind, deren dauerhafte Ausübung aber höchst
unwahrscheinlich ist (Lück & Timaeus, 1969). Als Antwortalternative kann ausgewählt werden, ob die
Aussage zutrifft (richtig) oder nicht (falsch). Die Skala ist mit Cronbach’s α = .60 in der vorliegenden
Untersuchungsstichprobe mässig reliabel.
Hypothese 4:
Es besteht kein signifikanter Zusammenhang zwischen GW und sozialer Erwünschtheit.
Validierung der GWS
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Merz & Tanner………
1.6 Prognostische Validität des GWS
Im Sinne der Kriteriumsvalidität hat diese Untersuchung auch zum Ziel, die GWS auf ihre prognostische Validität zu überprüfen. Zu diesem Zweck wurden die Befragten nach der Darbietung verschiedener hypothetischer Problemsituationen gebeten, eine Entscheidung zwischen zwei Alternativen zu
treffen. Z.B. ging es in einer Problemsituation um den Organhandel. Zwei Entscheidungsalternativen
standen zur Auswahl; die Versuchspersonen werden gefragt, ob sie ihre eine eigene Niere verkaufen
würden oder nicht. Personen, die mit dem Thema Organhandel Geschützte Werte assoziieren (die
körperliche Integrität wird durch den Verkauf von Organen verletzt), sollten sich gegen den Nierenverkauf aussprechen. Mit anderen Worten, wir erwarten, dass Personen mit hohen Ausprägungen auf der
GW-Skala auch mit grösserer Wahrscheinlichkeit jene Option wählen, die den Schutz des GW gewährleistet.
Hypothese 5:
Es besteht ein Zusammenhang zwischen GW und Entscheidungsverhalten. Personen mit hohen Ausprägungen auf der Geschützte Werte Skala werden auch eher jene Entscheidungsalternative bevorzugen, die den Schutz des GW gewährleisten.
2. Methode und Durchführung
2.1 Stichprobe
Es wurden 8000 Angehörige der Universität Zürich (ausgenommen: Psychologisches Institut) via EMail um eine Teilnahme an dieser Umfrage gebeten. Darüber hinaus wurde auf mehreren Foren und
Anzeige-Seiten ein Link der Umfrage platziert. Für die statistische Auswertung wurden ausschliesslich
Daten von Personen verwendet, die den Fragebogen beendeten und zusätzlich angaben, diesen
sorgfältig bearbeitet zu haben. Die um diese Bedingungen bereinigte Stichprobe bestand aus insgesamt 453 Versuchspersonen, darunter 263 Frauen (62.5 %) und 170 Männer (37.5 %). Das Durchschnittsalter betrug M = 29.81 Jahre (SD = 12.1, Bereich von 17 - 82 Jahren).
2.2 Durchführung und Design
Jeder Versuchsperson wurden zufällig zwei aus drei Szenarien zugeordnet. Es wurde im Sinne der
Generalisierbarkeit darauf geachtet, dass verschiedene thematische Inhalte durch die drei verwendeten Szenarien abgebildet wurden. So achteten wir darauf, Werte entweder im Sinne abstrakter, wünschenswerter Verhaltensmassstäbe (wie z.B. Ehrlichkeit, Freiheit) (z.B. Rokeach, 1973; Schwartz,
1992), oder Werte in Bezug auf konkrete Entitäten (wie z.B. Menschen, Landschaften, Pflanzen) (z.B.
Taylor, 1981) einzubeziehen (zu den verschiedenen Bedeutungen des Wertebegriffs, siehe auch Tanner et al., 2009). Im Szenario 1 ging es um das Thema Ehrlichkeit (zu viel Wechselgeld zurückgeben).
In diesem Beispiel stand der Wert Ehrlichkeit in seiner Bedeutung als Verhaltensmassstab im Vordergrund. In den beiden anderen Szenarien stand jeweils die Bedrohung einer Entität im Vordergrund. Im
Szenario 2 ging es um den Schutz ungeborenen Lebens im Zusammenhang mit dem Schwangerschaftsabbruch, und im Szenario 3 um die körperliche Integrität im Zusammenhang mit dem Organhandel (der genaue Wortlaut der Szenarien findet sich im Anhang B). Die Reihenfolge der beiden
präsentierten Szenarien wurde randomisiert, ebenso die Reihenfolge der Items aller Skalen (mit Aus-
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Merz & Tanner………
nahme der demografischen Variablen). Um eine gleichmässige Struktur im Fragebogen zu erhalten
wurden sämtliche Messinstrumente in einem fünf-stufigen Antwortformat dargeboten, auch wenn die
1
Originalskala ein anderes Skalenniveau vorsah. Ebenfalls wurde ein mögliches Priming verhindert,
indem die Skalen zur sozialen Erwünschtheit und Moral Identity bewusst immer erst nach der Präsentation der Szenarien abgefragt wurden. Die Skala zur sozialen Erwünschtheit wurde zudem nur von
einem Teil der Gesamtstichprobe ausgefüllt, die übrigen Versuchspersonen beantworteten stattdessen Fragen, die im Rahmen einer anderen Studie untersucht wurden. Die Beantwortung des Fragebogens dauerte durchschnittlich 19.5 Minuten.
2.3 Voraussetzungsprüfung
Tanner et al. (2009) haben in ihrer ersten Analyse der GWS ein zweifaktorielles Modell erhalten. Die
direkte und indirekte Subskala (GWS-D, GWS-I) erwiesen sich als zwei getrennte, aber untereinander
hoch korrelierende Faktoren. Wir überprüften in einem ersten Schritt, ob sich ein zweifaktorielles Modell der GWS auch mit den neuen Daten bestätigen liess. Aufgrund der postulierten Schiefwinkligkeit
der beiden Faktoren der GWS wurde eine Hauptkomponentenanalyse mit Promax-Rotation durchgeführt. Es wurde überprüft, ob die fünf Items der direkten Erfassung von GW höher auf einen Faktor
laden, während die sechs Items der indirekten Erfassung von Geschützten Werten höher auf einem
zweiten Faktor laden. Die explorative Faktorenanalyse ergab zwei Faktoren mit Eigenwert > 1, welche
insgesamt 62.8 % der Varianz aufklären. Der dominantere Faktor 1 klärt dabei 50.3 % (Eigenwert =
5.5), der zweite 12.5 % (Eigenwert = 1.4) der Gesamtvarianz auf.
Daneben wurde konfirmatorisch zum einen ein eindimensionales Modell, bei dem alle Items auf einen
Faktor laden, und zum anderen ein zweidimensionales Modell getestet. Es zeigt sich auch bei diesem
Verfahren, dass ein zweifaktorielles Modell zu favorisieren ist. Detaillierte Angaben zu den Faktoranalysen sind im Anhang C zu finden.
1
Die Autoren der entsprechend veränderten Skalen wurden jeweils angefragt, ob die Niveauveränderung ihrer Meinung nach legitim ist.
Validierung der GWS
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Merz & Tanner………
3. Ergebnisse
Die folgende Tabelle zeigt die korrelativen Zusammenhänge zwischen GW und den in den Kapiteln
1.2 – 1.5 angesprochenen Konstrukten.
Tabelle 1:
Interkorrelationen von GWS-D und GWS-I mit untersuchten Konstrukten
r
EPQ-R
EPQ-I
FEGP-D
FEGP-I
FEGP-U
FEGP-H
MI-I
MI-S
SDS
GWS-D
-.18**
.28**
.28**
.33**
-.05
.10**
.18**
.16**
.09*
GWS-I
-.16**
.21**
.33**
.25**
-.11**
.00
.12*
.09
.02
Anmerkung. Wenn nicht weiter erläutert, gilt N = 675. GWS-D = Geschützte Werte Direkte Erfassung,
GWS-I = Geschützte Werte Indirekte Erfassung; EPQ-R = Items der Subskala Relativismus aus dem
EPQ, EPQ-I = Items aus der Subskala Idealismus aus dem EPQ,; FEGP-D = Items Deontologie aus
dem Fragebogen ethischer Grundpositionen, FEGP-I = Items Intuitionismus, FEGP-U = Items Utilitarismus, FEGP-H = Items Hedonismus; MI-I = Moralische Identität, Items zur Subskala Internalisierung
(N = 357), MI-S = Moralische Identität, Items zur Subskala Symbolisierung (N = 357); SDS = MarloweCrowne Social Desirability Scale.
* p < .05, ** p < .01.
3.1
EPQ – Ethics Position Questionnaire
Zuerst wurde der Zusammenhang mit den Skalen von Forsyth (1980) überprüft. Tabelle 1 zeigt, dass
die beiden GWS Subskalen mit dem ethischen Relativismus negativ (r = -.16 und r = -.18, p < .05),
und dem ethischen Idealismus positiv (r = .21 und r = .28, p < .05) korrelieren. Die beiden Hypthosen
1a und 1b konnten somit bestätigt werden, wenn auch die Korrelationen mässig sind.
In einem weiteren explorativen Schritt prüften wir, wie die 4 von Forsyth vorgeschlagenen Typen mit
GWS zusammenhängen. Zu diesem Zweck wurden analog zu Forsyth basierend auf den Mediansplits
der Faktoren ethischer Relativismus und ethischer Idealismus vier Gruppen gebildet: Die Absolutisten
(Relativismus tief, Idealismus hoch), die Exzeptionisten (Relativismus tief, Idealismus tief), die Situationisten (Relativismus hoch, Idealismus hoch) sowie die Subjektivisten (Relativismus hoch, Idealismus
tief). Der einfachheitshalber haben wir die Variable GWS (direkt und indirekte Skala zusammengenommen) ebenfalls beim Median in die Gruppen GW hoch und GW tief geteilt. Abbildung 1 gibt wieder
wie sich die 4 Typen von Forsyth auf die Gruppen mit hohen und niedrigen GW-Ausprägungen verteilen. Es zeigt sich, dass unter den Personen mit hohen Ausprägungen auf der GW-Skala in erster Linie
Absolutisten (33.6 %) und Exzeptionisten (28.2 %), während unter den Personen mit geringen GWAusprägungen in erster Linie Subjektivisten (35.9 %) zu finden sind.
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40
35
Prozent der Personen (%)
30
25
ABS
EXE
20
SIT
SUB
15
10
5
0
GW hoch
GW tief
Abbildung 1. Verteilung der 4 Typen von Forsyth auf die Gruppen mit hohen und niedrigen GWAusprägungen. GW-hoch = Versuchspersonen mit hoher Ausprägung auf der GWS nach Medianspilt,
N = 241, GW-tief = Versuchspersonen mit tiefer Ausprägung auf der GWS nach Medianspilt, N = 237;
ABS = Absolutionisten, EXE = Exeptionisten, SIT = Situationisten, SUB = Subjektivisten.
3.2 Ethische Grundpositionen
Die Auswertungen zu den Zusammenhängen zwischen GW und dem Fragenbogen ethischer Grundpositionen von Witte und Doll (1995) bestätigen ebenfalls die Hypothesen (siehe Tabelle 1). Es finden
sich signifikante positive Korrelationen zwischen den GW-Subskalen und deontologischen Rechtfertigungen (rs = .28 und .33, ps < .01) und intuitionistischen Urteilen (rs = .25 und .33, ps < .01). Personen mit hohen Ausprägungen auf den GW-Skalen scheinen tendenziell auch eher pflichtorientierte
ethische Gesichtspunkte (Deontologie, Intuitionismus) zu fokussieren. Dies stimmt überein mit den
Hypothesen 2a und 2b. Im Gegensatz dazu finden sich praktisch keine oder nur sehr geringe Zusammenhänge (wenn z.T. auch signifikante) zwischen GW und den utilitaristischen und hedonistischen
Grundpositionen. Diese Befunde stimmen nicht mit den Hypothesen 2c und 2d überein.
Da die Theorie der Geschützten Werte primär Aussagen über mit GW assoziierten deontologische vs.
konsequentialistische Perspektiven macht, interessierte uns in einem weiteren explorativen Schritt,
wie sich Personen mit deontologischen und/oder utilitaristischen Grundpositionen mit GWS zusammenhängen. Zu diesem Zweck wurden wieder per Mediansplit die Variablen deontologische und utilitaristische Grundposition in je zwei Gruppen aufteilt – deontologisch hoch und tief, und utilitaristisch
hoch und tief. Abbildung 2 gibt wieder, wie sich diese 4 Typen auf die Gruppen mit hohen und niedrigen GW-Ausprägungen verteilen (direkt und indirekte Skala wieder zusammengenommen und per
Mediansplit in zwei Gruppen geteilt). Interessanterweise finden wir unter den Personen mit hohen
GW-Ausprägungen – wie erwartet – primär Personen mit hohen Ausprägungen auf den deontologi-
Validierung der GWS
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Merz & Tanner………
schen Positionen (63.1 %). Diese Positionen sind jedoch entweder mit hohen oder tiefen utilitaristischen Orientierungen verbunden. D.h. 29 % der Personen mit hohen GW-Ausprägungen reflektieren
mehr oder weniger reine deontologische Positionen (Deontologie hoch / Utilitarismus tief), während 34
% dieser Gruppe sowohl deontologische als auch utilitaristische Rechtfertigungen einbeziehen (Deontologie hoch / Utilitarismus hoch).
Dieser Befund ist nicht uninteressiert und repliziert, was auch Tanner, Medin und Iliev (2008) in Experimenten zu Framing-Effekten fanden. In diesen Studien zeigte sich ebenfalls, dass Personen mit Geschützten Werten zwar auch in erster Linie deontologische Perspektiven reflektierten. Neben den reinen Deontologen (Deontologie hoch / Konsequentialismus tief) und reinen Konsequentialisten (Deontologie tief/ Konsequentialismus hoch) fanden sich jedoch auch Mischtypen. Unter den Personen mit
hohen Ausprägungen auf der GW-Skala gab es auch Personen, die beides, ausgeprägte deontologische als auch ausgeprägte konsequentialistische Tendenzen reflektierten (Deontologie hoch / Konsequentialismus hoch).
80
70
Prozent der Personen (%)
60
50
FEGP-D +
FEGP-D -
40
FEGP-U +
FEGP-U -
30
20
10
0
GW hoch
GW tief
Abbildung 2. Verteilung der Subtypen deontologischer und utilitaristischer Orientierungen auf die
Gruppen mit hohen und niedrigen GW-Ausprägungen. GW-hoch = Versuchspersonen mit hoher Ausprägung auf der GWS nach Medianspilt, N = 241, GW-tief = Versuchspersonen mit tiefer Ausprägung
auf der GWS nach Medianspilt, N = 237; FEGP-D + und FEGP-D - = Personen mit hoher (+) respektive tiefer (-) Ausprägung auf den Deontologie-Items des Fragebogens ethischer Grundpositionen nach
Medianspilt; FEGP-U + und FEGP-U- = Personen mit hoher (+) respektive tiefer (-) Ausprägung auf
den Utilitarismus-Items des Fragebogens ethischer Grundpositionen nach Medianspilt.
Validierung der GWS
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Merz & Tanner………
3.3 Moralische Identität
Die Korrelationen zwischen GW und moralischer Identität sind positiv, aber nur die Zusammenhänge
zwischen GWS und der Dimension Internalisierung sind signifikant (siehe Tabelle 1; rs = .12 und .18;
ps < .01). Hypothese 3a wird bestätigt, nicht aber 3b. Dies unterstützt die These, dass Geschützte
Werte von Bedeutung für die moralische Identität sind. Die Befunde legen aber auch den Schluss
nahe, dass es für GW von grösserer Bedeutung ist, wie stark moralische Eigenschaften im Selbstkonzept einer Person verankert sind, und es Personen mit GW weniger darauf an kommt, ob diese Eigenschaften für das Umfeld und die Öffentlichkeit sichtbar sind.
3.4 Soziale Erwünschtheit Marlowe-Crowne Social Desirability Scale
Aus Tabelle 1 ist ausserdem ersichtlich, dass GW keinen nennesnwerten Zusammenhang mit der
sozialen Erwünschtheitsheitskala von Marlowe-Crowne aufweist. Die Korreationen liegen zwischen r =
.02 (n.s) und r =.09 (p < .05). Hypothese 4 wird also ebenfalls bestätigt.
3.5 Prognostische Validität
Schliesslich wurde überprüft, in welchen Masse die Skala zur Messung der Geschützten Werte sowie
die anderen Konstrukte (Ethische Grundpositionen, Moralische Identität) das Entscheidungsverhalten
vorhersagen. Wie bereits erwähnt, wurden die Befragten nach jedem Szenario gebeten zu entscheiden, ob sie für oder gegen die im Szenario vorgeschlagene Verhaltensalternative wären (Szenario 1,
Ehrlichkeit: ob sie die Kassiererin auf den Irrtum aufmerksam machen würden oder nicht; Szenario 2,
Schutz des ungeborenen Kindes: ob sie für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden
würden; Szenario 3, Organhandel: ob sie für oder gegen den Verkauf ihrer Niere entscheiden würden). Die Entscheidungen zugunsten der Alternative pro Ehrlichkeit, pro Schutz des ungeborenes
Kindes, oder pro Wahrung der köperlichen Integrität wurden mit 0, die Entscheidungen zugunsten der
anderen Alternative wurden mit 1 kodiert (abhängige Variable). Eine logistische Regression mit GWSD und GWS-I, den Subtypen ethischer Relativismus und ethischer Idealismus nach Forsyth (1980),
den vier ethischen Grundpositionen nach Witte & Doll (1995) und der moralischen Identität mit den
Subskalen Internalisierung und Symbolisierung als unabhängige Variablen und dem dummy codierten
Entscheidungsmass als abhängige Variable wurde durchgeführt.
Wie aus Tabelle 2 hervorgeht, erweisen sich die GW-Subskalen und die ethischen Grundpositionen
als wichtige signifikante Prädiktoren des Entscheidungsverhaltens. Zur Eruierung des Anteils der Varianzaufklärung der einzelnen Konstrukte wurden mehrere Regressionen durchgeführt. Die Ergebnisse
zeigen, dass der GWS das Entscheidungsverhalten am besten vorhersagt. Die Subskalen GWS-D
und GWS-I klären zusammengefasst 30.1% der Varianz auf und machen insgesamt 77.6% richtige
Vorhersagen. Die konkurrierenden Konstrukte dagegen klären weniger Varianz auf, nämlich 20.9%
(die vier ethischen Grundpositionen), .04% (die beiden Subskalen ethischer Relativismus und ethischer Idealismus) und .02% (die beiden Subskalen der moralischen Identität). Hypothese 5 kann somit
bestätigt werden.
Validierung der GWS
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Merz & Tanner………
Tabelle 2:
Ergebnisse der prognostischen Validitätsanalyse
Prädiktor
B
S.E.
Wald
R
p
GWS-D
-.65
.20
GWS-I
-1.08
.21
26.32
-.26
***
EPQ-R
.27
.25
1.17
.04
n.s.
EPQ-I
.46
.27
2.88
-08
n.s.
FEGP-D
.25
.19
1.59
.04
n.s.
FEGP-I
-.94
.20
22.9
-.23
***
FEGP-U
.48
.17
7.96
.16
**
FEGP-H
-.02
.02
-.03
n.s.
MI-I
-.37
.18
.26
2.07
-.05
n.s.
MI-S
-.18
.76
-.05
n.s.
.20
10.84
-.16
***
Anmerkung. Regressionskoeffizient (B), Standardfehler für die Regressionskoeffizienten (S.E.), WaldStatistik (B/ S.E.), Partialkorrelationen zwischen Kriteriums- und Prädiktorvariable (R) und Signifikanzniveaus (p) für die Prädiktoren. Wenn nicht weiter erläutert, gilt N = 675. GWS-D = Geschützte Werte
Direkte Erfassung, GWS-I = Geschützte Werte Indirekte Erfassung; EPQ-R = Items der Subskala
Relativismus aus dem EPQ, EPQ-I = Items aus der Subskala Idealismus aus dem EPQ,; FEGP-D =
Items Deontologie aus dem Fragebogen ethischer Grundpositionen, FEGP-I = Items Intuitionismus,
FEGP-U = Items Utilitarismus, FEGP-H = Items Hedonismus; MI-I = Moralische Identität, Items zur
Subskala Internalisierung (N = 357), MI-S = Moralische Identität, Items zur Subskala Symbolisierung
(N = 357).
** p < .01, *** p < .001, n.s. = nicht signifikant.
4. Diskussion
Konvergente Konstrukte
Es konnte gezeigt werden, dass GW positiv mit ethischem Idealismus und negativ mit ethischem Relativismus korrelieren. Personen mit stark ausgeprägten GW sind häufig Absolutionisten, die sich nach
universellen moralischen Prinzipien orientieren. Zudem gehen GW hypothesenkonform häufiger mit
pflichtorientierten (d.h. deontologische und intuitionistische Rechtfertigungen) und weniger mit zweckorientierten ethischen Grundpositionen einher. Es liess sich ausserdem ein positiver - wenn auch moderater - Zusammenhang zwischen GW und Moralischer Identität nachweisen. Die Korrelationen weisen darauf hin, dass für das Konzept der GW stärker der Aspekt der Verankerung von moralischen
Merkmalen im Selbstkonzept eine Rolle spielt (Internalisierung), als das Ausmass, mit dem diese moralischen Eigenschaften nach aussen präsentiert werden (Symbolisierung).
Divergente Konstrukte
Die Untersuchung der divergenten Konstrukte zeigt folgende Ergebnisse: Zwischen GWS und der
Skala zur Erfassung der sozialen Erwünschtheit war praktisch eine Null-Korrelation zu finden. Dies
spricht gegen die These, dass der GWS durch soziale Erwünschtheit verzerrt wird. Ferner zeigten sich
zwischen GWS und den utilitaristischen oder hedonistischen Grundpositionen nur geringe, wenn auch
teilweise signifikante Zusammenhänge. Zusätzliche explorative Auswertungen haben ergeben, dass
hohe Ausprägungen auf der GWS tatsächlich nicht bloss mit deontologischen, sondern für einige Per-
Validierung der GWS
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Merz & Tanner………
sonen auch mit hohen konsequentialistischen Ausprägungen einhergehen können. Unter den Personen mit hohen GW-Ausprägungen fanden wir Absolutisten und Exzeptionisten (nach den Dimensionen von Forsyth, 1980) sowie reine Deontologen (Deontologie hoch / Utilitarismus tief) als auch
Mischtypen (Deontologie hoch / Utilitarismus hoch). Wie bereits erwähnt repliziert dieser Sachverhalt
auch Befunde von Tanner, Medin und Iliev (2008). Personen, die hohe Ausprägungen auf der GWSkala haben und reine deontologische Perspektiven reflektieren, scheinen ihre Entscheidungen und
Verhaltensweisen auf Prinzipien zu basieren, die bestimmen welche Handlungen an sich richtig oder
falsch sind (unabhängig von den Konsequenzen). Personen, die hohe Ausprägungen auf der GWSkala haben, aber sowohl deontologische und konsequentialistische Perspektiven verfolgen, scheinen
mehr von Regeln geleitet zu werden, scheinen sich ebenfalls von deontologischen Prinzipien leiten zu
lassen, berücksichtigen aber im stärken Masse auch die situativen, konsequentialistischen Aspekte.
Prognostische Validität
Schliesslich konnte bestätigt werden, dass das Instrument zur Messung der GW geeignet ist, das
Entscheidungsverhalten vorherzusagen. Personen mit hohen Ausprägungen auf der Geschützte Werte Skala bevorzugten tatsächlich in stärkerem Masse jene Entscheidungsalternative, die eher den
Schutz des GW gewährleisten. Interessanterweise erwies sich das Ausmass an GW im Vergleich zu
den anderen Konstrukten als wichtigster Prädiktor, mit dem höchsten Anteil an Varianzaufklärung.
Einschränkend ist zu bemerken, dass im vorliegenden Fall die Messung der Geschützten Werte und
das Entscheidungsverhalten im Rahmen derselben Untersuchung stattgefunden hat. Es ist deshalb
nicht auszuschliessen, dass evt. Tendenzen der Vermeidung von Inkonsistenzen oder kognitiver Dissonanz zur relativ hohen Prognosekraft der GW-Skala beigetragen haben. In der Zwischenzeit haben
wir deshalb weitere Studien durchgeführt, die a) zwei getrennte Erhebungsphasen für die Messung
der GW und der Messung der abhängigen Variablen, und b) neben der Erfassung von Entscheidungen auch konkrete Verhaltenstests zur Prüfung der Kriteriumsvalidität einbezogen hatten. In allen
bisherigen Studien konnte bestätigt werden, dass sich unser Messinstrument zur Prognose von Entscheidungen und Verhalten eignet. In einer kürzlichen Studie z.B. wurde zu einem ersten Zeitpunkt
erfasst, inwiefern „Fairtrade“ im Zusammenhang mit Konsumprodukten als mehr oder weniger schützenswert betrachtet wird (auf der Basis von GWS). Einige Wochen später nahmen dieselben Personen an einem Einkaufs-Experiment teil. Sie erhielten zu Beginn des Experimentes einen realen Geldbetrag, den sie für eine Reihe von Kaufentscheidungen einsetzen konnten. Die Aufgabe bestand darin, in mehreren Durchgängen jeweils zwischen einem Fairtrade vs. konventionellen Konsumprodukten
zu wählen. Dabei wurde der Preis des Fairtrade-Produktes variiert. In Abhängigkeit von ihren Kaufentscheidungen blieb den Versuchspersonen am Schluss ein Restbetrag, der ihnen als Teilnahmenentschädigung real ausbezahlt wurde. Am Schluss wurden die Personen gefragt, ob sie ihren Restbetrag
oder einen Teil davon für eine Umweltorganisation spenden möchten. Die Ergebnisse bestätigten,
dass Personen mit einem Geschützten Wert für das Thema Fairtrade nicht nur signifikant häufiger
Fairtrade-Produkte bevorzugten (auch wenn diese teurer waren), sondern auch in signifikant höherem
Masse zu einer Spende bereit waren (Wehrle, 2009). Diese Befunde untermauern die Prognostische
Validität unseres Messinstrumentes.
Insgesamt hat diese Arbeit gezeigt, dass das Konzept der GW vielseitig ist und Zusammenhänge mit
diversen anderen theoretischen Konstrukten aufweist. GW begegnen uns ständig und variieren nach
Themenbereichen und Personen. Daher ist es wichtig, sich auch in Zukunft mit dieser Thematik auseinander zusetzen und genauer zu untersuchen, von welchen Wirkmechanismen wir uns bei Entscheidungen über moralisch wichtige Themen beeinflussen lassen.
Validierung der GWS
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Merz & Tanner………
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Merz & Tanner………
Anhang A
Fragebogen zur Erfassung der Geschützten Werte
Direkte Erfassung von GW (GWS-D)
(Fragenformulierung von gegebener Problemsituation abhängig, z. B.:) Inwieweit stimmen Sie folgenden Aussagen zu? Bei diesem Thema (z. B. Organhandel)...
1. ... geht es um etwas, das man nicht opfern sollte, egal wie hoch der (finanzielle oder sonstige)
Nutzen ist.
2. ... geht es um etwas, das man nicht mit einem Geldwert beziffern kann.
3. ... finde ich es richtig, Kosten-Nutzen Abwägungen zu machen.*
4. ... kann ich flexibel sein, wenn es die Situation verlangt.*
5. ... geht es um Dinge oder Werte, die unantastbar sind.
Anmerkungen: Jedes Item umfasst eine Antwortskala von 1 (stimme gar nicht zu) bis 7 (stimme sehr
zu), mit Mittelpunkt 4 (stimme mittelmäßig zu). Mit (*) gekennzeichnete Items sind umzupolen.
Indirekte Erfassung von GW (GWS-I)
(Fragenformulierung von gegebener Problemsituation abhängig, z. B.:) Was halten Sie davon, Folter
zuzulassen, wenn man vermutet, dadurch Informationen über geplante Terrorangriffe zu erhalten? Ich
finde dies...
1. ... gar nicht lobenswert (1) ... etwas lobenswert (4) ... sehr lobenswert (7).*
2. ... gar nicht beschämend (1) ... etwas beschämend (4) ... sehr beschämend (7).
3. ... gar nicht akzeptabel (1) ... etwas akzeptabel (4) ... sehr akzeptabel (7).*
4. ... gar nicht empörend (1) ... etwas empörend (4) ... sehr empörend (7).
5. ... gar nicht abstoßend (1) ... etwas abstoßend (4) ... sehr abstoßend (7).
6. ... sehr unmoralisch (1) ... bin unsicher (4) ... sehr moralisch (7).*
Anmerkungen: Jedes Item umfasst eine Antwortskala von 1 bis 7. Mit (*) gekennzeichnete Items sind
umzupolen.
Deutsche Übersetzung des EPQ (Strack, & Gennerich, 2007)
Bitte geben Sie das Mass ihrer persönlichen Zustimmung oder Ablehnung an und lassen sie keine
Zeile aus.
1. Das Wohl anderer zu opfern, ist niemals wirklich notwendig. (I)
2. Moralische Standards sollten als etwas Individuelles gesehen werden: Was eine Person als
moralisch ansieht, kann eine andere als unmoralisch bewerten. (R)
Validierung der GWS
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3. Die Würde und das Wohlergehen der Menschen sollten die wichtigste Sorge in jeder Gesellschaft sein. (I)
4. Ob eine Lüge als unmoralisch oder sogar moralisch zu beurteilen ist, hängt ganz von den
Umständen ab. (R)
5. In sozialen Beziehungen sind ethische Probleme oft so komplex, dass man Personen erlauben sollte, ihre eigenen persönlichen Regeln zu finden. (R)
6. Was 'ethisch' ist, variiert zwischen Situationen und Kulturen. (R)
7. Es ist unmoralisch, negative Folgen einer Handlung durch positive Folgen verrechnen zu wollen. (I)
8. Man darf andere Personen weder psychisch noch physisch schädigen. (I)
9. Wenn eine Handlung eine unschuldige Person schädigen könnte, muss man sie unterlassen.
(I)
10. Es gibt keine ethischen Prinzipien, die so wichtig sind, dass sie eine allgemeingültige Vorschrift bilden könnten. (R)
11. Moralisches Handeln liegt dann vor, wenn es der Ideal-Handlung entspricht. (I)
12. Man darf keine Handlungen ausführen, die in irgendeiner Weise die Würde und das Wohlergehen anderer Personen bedrohen. (I)
13. Eine starre Ethik-Vorschrift, die bestimmte Handlungsmöglichkeiten verhindern soll, kann der
Verbesserung sozialer Beziehungen sogar im Wege stehen. (R)
14. Risiken in Kauf zu nehmen, die andere Personen betreffen, ist nicht tolerierbar, egal wie gering sie sind. (I)
15. Potentielle Schädigungen Dritter in Kauf zu nehmen, ist immer schlecht, egal welche guten
Zwecke verfolgt werden. (I)
16. Moralische Standards sind jeweils persönliche Regeln, sie sollten nicht auf die Beurteilung
anderer angewendet werden. (R)
17. Die Frage, was ethisch richtig ist, wird sich niemals beantworten lassen, da es sich bei der
Entscheidung, was moralisch oder unmoralisch ist, um eine persönliche Entscheidung handelt. (R)
18. Man sollte sichergehen, mit seinen Handlungen niemanden zu verletzen oder zu schädigen.
(I)
19. Verschiedene Arten von Moral dürfen nicht als mehr oder weniger 'gut' bewertet werden. (R)
20. Über das Lügen lässt sich keine Regel formulieren; ob eine Lüge zulässig ist oder nicht, hängt
von der Situation ab. (R)
Anmerkungen: Antwortoptionen auf einer 9-stufige Skala von 1 (bin entgegengesetzter Meinung) bis
9 (bin dieser Meinung). R (Relativismus), I (Idealismus).
Fragebogen ethischer Grundpositionen (Witte, & Doll, 1995)
Stellen sie sich vor, sie haben folgende Handlung ausgeführt: (hier wird eine Handlung eingesetzt)
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Hierfür halte ich folgende Gesichtspunkte für mehr oder weniger bedeutsam:
1. Ich achte darauf, wie es mir persönlich dabei ergeht. (H)
2. Ich muss mit meinen Handlungen zufrieden sein. (H)
3. Ich muss tun, was für mich persönlich Vorteile bringt. (E)
4. Die Handlung muss zu meinem eigenen Wohlbefinden beitragen. (H)
5. Ich muss mit mir zufrieden sein. (H)
6. Ich weiss einfach, dass meine Handlung richtig ist. (I)
7. Ich bin mir sicher, dass diese Handlung angemessen ist. (I)
8. Man kann nicht jede Handlung begründen. (E)
9. Ich musste einfach so handeln. (I)
10. Für mich war diese Handlung sofort überzeugend. (I)
11. Diese Handlung bringt nach meiner Meinung für alle einen grossen Nutzen (Schaden). (U)
12. Die positiven (negativen) Folgen für alle sind nach meiner Meinung bei dieser Handlung
gross. (U)
13. Man muss nach meiner Meinung die Konsequenzen dieser Handlung für alle betrachten. (U)
14. Es zählt nach meiner Meinung letztlich, was für alle dabei herauskommt. (U)
15. Der grösste Vorteil für die meisten ist nach meiner Meinung das Prinzip, nach dem man diese
Handlung beurteilen muss. (U) *
16. Es gibt nach meiner Meinung klare Regeln, wie man sich zu verhalten hat, die müssen bei der
Beurteilung dieser Handlung herangezogen werden. (D)
17. Nach meiner Meinung gibt es zur Wahl von Verhaltensweisen soziale Verpflichtungen, die für
diese Handlung wichtig sind. (D)
18. Soziale Normen sind nach meiner Meinung für diese Handlung die angemessene Beurteilung.
(D)
19. Nach meiner Meinung sind allgemeingültige Werte für mein Handeln entscheidend gewesen.
(D)
20. Es kommt nach meiner Meinung auf allgemeingültige Prinzipien als Richtschnur für die Handlung an. (D)
Anmerkungen: Die Aussagen konnten zwischen 1 (nicht bedeutsam) und 5 (sehr bedeutsam) bewertet
werden. Das Original sieht eine 7-stufige Skala vor. H (Hedonismus), I (Intuitionismus), U (Utilitarismus), D (Deontologie), E (Item keinem Faktor zuordenbar)
* Umformuliert durch die Verfasserin dieser Arbeit.
Self Importance of Moral Identity Measure (Reed & Aquino, 2003)
Lesen Sie bitte die folgenden Merkmale durch, die eine Person beschreiben könnten:
Fürsorglich, mitfühlend, fair, freundlich, grosszügig, hilfsbereit, fleissig, ehrlich und nett.
Diese Eigenschaften können auf Sie selbst oder auf jemand anderen zutreffen. Bitte versuchen Sie
sich nun eine Person vorzustellen, die einige oder alle dieser Eigenschaften besitzt. Führen Sie sich
Validierung der GWS
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dabei vor Augen, wie diese Person denkt, fühlt und handelt. Sobald Sie ein klares Bild über diese
Person haben, beantworten Sie bitte folgende Fragen:
Geben Sie bitte das Ausmass Ihrer Zustimmung zu den folgenden Aussagen an:
1. Es würde mir ein gutes Gefühl geben, eine Person mit diesen Eigenschaften zu sein. (I)
2. Ich trage oft Kleidung, die mich als jemanden auszeichnet, der diese Eigenschaften besitzt. (I)
3. Es ist ein wichtiger Teil von mir, eine Person mit diesen Eigenschaften zu sein. (S)
4. Ich würde mich schämen, eine Person mit solchen Eigenschaften zu sein. (I) *
5. Die Dinge, die ich in meiner Freizeit mache (z.B. Hobbys) zeichnen mich klar als eine Person
mit diesen Eigenschaften aus. (S)
6. Die Art von Büchern und Magazine die ich lese, weisen mich als eine Person mit diesen Eigenschaften aus. (S)
7. Diese Eigenschaften zu besitzen ist nicht wirklich wichtig für mich. (I) *
8. Dass ich solche Eigenschaften habe, wird für andere durch meine Mitgliedschaft in gewissen
Organisationen ersichtlich. (S)
9. Ich beteilige mich an Aktivitäten, die anderen vermitteln, dass ich solche Eigenschaften besitze. (S)
10. Ich wünsche es mir sehr, diese Eigenschaften zu haben. (I)
Anmerkungen: Es handelt sich bei der verwendeten Skala um eine Übersetzung ins Deutsche, die
durch die Autorin dieser Arbeit gemacht wurde und zusätzlich von zwei weiteren Psychologen auf
Übereinstimmung geprüft wurde..
Antworten können auf einer 5-stufigen Antwortskala von 1 (stimme gar nicht zu) bis 5 (stimme sehr zu)
gegeben werden. I (Internalisierung), S (Symbolisierung). Mit (*) gekennzeichnete Items sind umzupolen.
Marlowe-Crowne Social Desirability Scale (MC-SDS Form C) (Reynolds, 1982; dt. Übersetzung:
Lück, & Timaeus, 1969)
Bitte kreuzen Sie bei jeder der folgenden Aussagen an, ob diese für Sie so zutreffend sind (R) oder
nicht (F).
1. Manchmal ist es schwierig für mich, mit meiner Arbeit weiterzumachen, wenn ich nicht dazu
ermutigt werde. (F)
2. Manchmal bin ich aufgebracht, wenn etwas nicht so läuft, wie ich es gerne möchte. (F)
3. Ich habe schon ein paar Mal mit etwas aufgehört, weil ich nicht von meinen Fähigkeiten überzeugt war. (F)
4. Es gab Zeiten, da wollte ich gegen Autoritätspersonen rebellieren, obwohl ich wusste, dass
sie im Recht waren. (F)
5. Es kommt nicht darauf an, mit wem ich mich unterhalte, ich bin immer ein guter Zuhörer/eine
gute Zuhörerin. (R)
Validierung der GWS
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Merz & Tanner………
6. Es gab schon Situationen, in denen ich jemanden ausgenutzt habe. (F)
7. Ich bin immer bereit zuzugeben, wenn ich einen Fehler gemacht habe. (R)
8. Manchmal versuche ich mich lieber zu rächen als zu vergeben und vergessen. (F)
9. Ich bin immer höflich, sogar zu unsympathischen Personen. (R)
10. Ich war nie verärgert, wenn jemand ganz andere Vorstellungen als ich hatte. (R)
11. Es kam schon vor, dass ich ziemlich eifersüchtig auf das Glück anderer war. (F)
12. Manchmal bin ich genervt, wenn mich jemand um einen Gefallen bittet. (F)
13. Ich habe nie absichtlich etwas gesagt, das die Gefühle von jemandem verletzte. (R)
Anmerkungen: Alle Fragen können als richtig (R) oder falsch (F) angekreuzt werden. Werden sie gemäss den Antwortalternativen in Klammern neben den Fragen beantwortet, erhalten sie den Wert 1.
Werden sie allerding diskordant beantwortet (also nicht in Richtung Soziale Erwünschtheit verzerrt),
werden sie mit 0 codiert. Je geringer der Gesamtwert einer Person über alle Items (mit Gesamtwerten
von 0 - 13), desto weniger unterliegt sie der sozialen Erwünschtheit.
Anhang B
Szenarien
Szenario 1: Wechselgeld (adaptiert aus Vittell et al., 2001)
Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Sie haben heute Morgen einen wichtigen Termin und
möchten unter keinen Umständen zu spät kommen. Dennoch müssen Sie in der Bäckerei die Pausenbrötchen für Ihre Kollegen abholen. In der Bäckerei herrscht viel Betrieb und die Kassiererin gibt
Ihnen fälschlicherweise CHF 6 zu viel Wechselgeld zurück.
Sie haben nun die Möglichkeit, den Fehler zu melden oder das Geschäft mit dem Geld zu verlassen.
Wie werden Sie sich entscheiden?
a) Ich mache die Kassiererin auf den Irrtum aufmerksam und gebe das Geld zurück.
b) Ich verlasse das Geschäft ohne den Irrtum zu melden, um pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen.
Szenario 2: Schwangerschaftsabbruch (Tanner et al., 2009)
Es wird immer wieder darüber diskutiert, ob ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden darf
oder nicht. Die einen sehen darin ungeborenes Leben bedroht, andere die Entscheidungsfreiheit der
Frau oder Familie eingeschränkt. Stellen Sie sich eine Familie vor, die über ein geringes Einkommen
verfügt und sich weitere Kinder nicht leisten kann.
Wie würden Sie sich in einer solchen Situation entscheiden?
a) Ich würde mich dafür entscheiden, dass das Kind geboren wird.
b) Ich würde mich dazu entscheiden, das Kind abzutreiben.
Szenario 3: Organhandel (Tanner et al., 2009)
Heutzutage herrscht ein Mangel an menschlichen Organen für medizinische Transplantationen. In der
aktuellen Diskussion ist u.a. die Idee der Legalisierung des Marktes aufgetaucht. Man könne den
Menschen, die etwa auf eine Spenderniere angewiesen sind, schneller und zuverlässiger helfen,
wenn es einen legalen Markt für Nieren gäbe, auf dem jeder Mensch seine Niere freiwillig verkaufen
könnte, so die Idee.
Könnten Sie sich unter diesen Bedingungen vorstellen, eine Ihrer Nieren zu verkaufen?
a) Ich würde meine Nieren unter keinen Umständen verkaufen.
Validierung der GWS
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b) Ich würde eine meiner Nieren unter diesen Bedingungen verkaufen.
Anhang C
Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse der GWS
Kennwerte der Items und Faktorlösung über die Szenarien 1, 2 und 3 (N = 675)
F1
Code
Kurzbeschreibung der Items
GWS-D1
GWS-D2
GWS-D3
GWS-D4
GWS-D5
GWS-I1
GWS-I2
GWS-I3
GWS-I4
GWS-I5
GWS-I6
Sollte nicht geopfert werden
Nicht mit Geld zu beziffern
Kosten-Nutzen-Abwägungen richtig *
Kann ich flexibel sein *
Geht es um unantastbare Dinge
Lobenswert *
Beschämend
Akzeptabel *
Empörend
Abstossend
Moralisch *
2
F2
0.51
0.19
0.46
0.49
0.50
0.78
0.86
0.85
0.86
0.83
0.77
h
0.78
0.75
0.63
0.57
0.83
0.30
0.46
0.54
0.57
0.58
0.35
0.62
0.63
0.42
0.37
0.70
0.63
0.74
0.73
0.76
0.71
0.60
rit
0.63
0.48
0.50
0.46
0.67
0.66
0.79
0.79
0.82
0.77
0.67
Anmerkungen. Code = Kürzel für Skala und Itemnummern (GWS-D = Geschützte Werte Direkte Erfassung, GWS-I = Geschützte Werte Indirekte Erfassung); Fi = Faktorladungen (erwartete Ladungen sind fett gedruckt); h2 = Kommunalitäten; rit = Trennschärfenkoeffizient. N = 675. Mit (*) gekennzeichnete Items sind umgepolt.
Die inhaltliche Interpretation der Faktorenanalyse kann die Zweifaktorenstruktur der GWS bestätigen:
Items, die GW indirekt messen, laden höher auf Faktor 1, während Items, die GW direkt messen, höher auf Faktor 2 laden. Dennoch bestehen teilweise hohe Nebenladungen auf dem anderen Faktor,
was aufgrund der Orthogonalität der Faktoren erwartungsgemäss auftritt und berechtigt ist (Tanner et
al., 2009). Die beiden Faktoren korrelieren mit r = .55.
Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalyse der GWS
Fitindizes der Strukturgleichungsmodelle (N = 675)
Modell
df
χ²
χ²/df
GFI
AGFI
NFI
CFI
RMSEA
AIC
Eindimensional
Zweidimensional mit
Modifikationen
44
41
545.5
224.1
12.4
5.5
.85
.94
.77
.90
.86
.94
.87
.95
.13
.08
589.5
274.1
Anmerkungen. Für das Verhältnis χ²/ df werden Werte bis 5 als akzeptabel erachtet (Tanner et al., 2009). Richtwert GFI≥ .9.
Richtwert AGFI ≥ .9. Richtwert NFI ≥ .9. Richtwert CFI ≥ .9 liegen. Für den RMSEA gelten Werte zwischen ≤ .06 und ≤ .08 als
akzeptabel. Der AIC (Akaike Information Criterion) ist ein Mass für den Modellvergleich. Es wird dasjenige Modell gewählt, das
den kleinsten AIC Wert ausweist. Alle nicht näher bezeichneten Angaben stammen aus Backhaus, Erichson, Plinke und Weiber
(2006).
Sämtliche Kennwerte liegen dabei im Bereich der angegebenen Richtwerte, mit Ausnahme des Verhältnisses von Verhältnis χ²/df, das leicht über dem Grenzwert von 5 liegt. Eine mögliche Erklärung
stellt die Heterogenität der Szenarien dar. Es wurden Fehlerkorrelationen zwischen den Items GWS-I6
und GWS-I3 und zwischen GWS-I6 und GWS-I4 zugelassen. Diese Modifikationen sind unbedenklich,
da sie zwischen Items der gleichen Subskala zugelassen wurden, und durch ihre semantische Ähnlichkeit plausibel erscheinen.
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