Moskitos und exotische Infektionskrankheiten in Deutschland

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Moskitos und exotische Infektionskrankheiten in
Deutschland
Fremdartige Stechmücken wie Japanische Buschmoskitos und Tigermücken dringen infolge
der Klimaerwärmung und globalisierten Verkehrsströme nach Europa vor und erhöhen als
Überträger exotischer Viren die Gefahr der Ausbreitung bedrohlicher tropischer
Infektionskrankheiten. Entomologen, Virologen und Tropenmediziner arbeiten gemeinsam
an Projekten, um europaweit die Verbreitung der Stechmücken zu überwachen und das
Risiko der von ihnen übertragenen Krankheiten einzudämmen.
Eine archivierte gewöhnliche deutsche Stechmücke (Culex pipiens, weiblich). © KABS
Wenn die warme Jahreszeit anbricht, wird für viele Bewohner der Ortschaften am Oberrhein
das Vergnügen von Spaziergängen in den Wiesen und Auwäldern oder sogar nur der Aufenthalt
im eigenen Garten massiv durch Schwärme von Stechmücken - hier gemeinhin als Schnaken
bezeichnet - stark beeinträchtigt. Zur Eindämmung dieser Plage wurde bereits vor 35 Jahren
die „Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e.V." (KABS)
gegründet, ein Verband, dem 98 Städte, Gemeinden und Landkreise sowie das Land BadenWürttemberg mit dem Regierungspräsidium Freiburg angehören.
Schnakenbekämpfung am Oberrhein
Gemeinsam arbeiten sie daran, mit biologischen, umweltverträglichen Mitteln, die
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Moskito-Feldforschung am Oberrhein © KABS
Stechmücken in ihren Brutgebieten entlang des Flusses zwischen dem Kaiserstuhl im Süden
und Bingen im Norden zu bekämpfen. Das geschieht durch Verteilung eines Wirkstoffs, der
bestimmte Proteine ( Endotoxine) des Bakteriums Bacillus thuringiensis israelensis (BTI)
enthält, in den Gewässern. Der BTI-haltige Wirkstoff wird von den Mückenlarven gefressen, im
Darm der Tiere aktiviert und führt sehr selektiv zu ihrem Tod. In den derart behandelten
Gebieten ist es gelungen, die Schnakenplage um bis zu 99 Prozent zu reduzieren.
Die in Waldsee, einer Ortschaft am Rhein zwischen Ludwigshafen und Speyer, ansässige KABS
ist jedoch mehr als ein kommunaler Zweckverband. Unter ihrem englischen Namen „German
Mosquito Control Association" (GMCA) unterstützt sie über die World Health Organisation
(WHO) weltweit Programme zur Stechmückenbekämpfung und führt selbst Forschungsprojekte
durch. Wissenschaftlicher Direktor ist der Entomologe Privatdozent Dr. Norbert Becker, unter
dessen Leitung sowohl im Feld als auch im Labor neben der Überprüfung der
Umweltverträglichkeit und Effizienz der eingesetzten Methoden auch die Biologie, die
Verbreitung und das Überträgerpotenzial der Stechmückenarten im Oberrhein-Gebiet
untersucht werden. Dazu ist besonders wegen des häufigen Vorkommens von morphologisch
nicht unterscheidbaren Zwillingsarten („sibling species") ein hohes Expertenwissen erforderlich.
Importierte Blutsauger als Krankheitsüberträger
In Zusammenarbeit mit Zoologen der Universität Heidelberg, an der Becker einen Lehrauftrag
hat, und dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) musste jetzt die Liste der
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Saugende Fiebermücke auf menschlicher Haut. © WHO
deutschen Stechmückenfauna um eine neu aus Südostasien eingeschleppte Art, den
Japanischen Buschmoskito (Ochlerotatus japonicus), erweitert werden; sie umfasst nunmehr
48 Arten. Diese Meldung muss noch nicht weiter beunruhigen. Gleichzeitig wurde aber
mitgeteilt, dass die Virologen des BNI drei durch Moskitos übertragene Viren, die als potenzielle
Verursacher schwerwiegender Krankheiten beim Menschen gelten, in deutschen Stechmücken
nachgewiesen haben. Diese Viren - das Sindbis-, das Batai- und das Usutu- Virus - hätten bisher
in Deutschland nicht zu Erkrankungen geführt. Es sei aber wichtig, alle diese von exotischen
Insekten übertragenen Erreger im Auge zu behalten und ihre medizinische Bedeutung für die
deutsche Bevölkerung näher zu untersuchen, betonen die Forscher.
Anfang 2011 hat die Leibniz-Gemeinschaft die Förderung eines interdisziplinären
Forschungsprojekts „Vorkommen und Vektorkompetenz von Stechmücken in Deutschland"
bewilligt. Schon in den vergangenen Jahren hatten Experten der KABS und anderer
Forschungseinrichtungen (wie das Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut in
Müncheberg) mit speziellen Fallen mehr als eine halbe Million Stechmücken nicht nur am
Rhein entlang, sondern auch an der Elbe, der Donau und der Isar sowie am Chiemsee und
Bodensee gesammelt und analysiert. Die bisherigen Ergebnisse geben, wie Becker erklärt,
einen guten Überblick zum Beispiel über das Auftreten von Anopheles plumbeus, einer
Stechmücke, die auch als Überträger der Malaria infrage kommt und sich in vielen ländlichen
Gemeinden Süddeutschlands ausbreitet. Gleichwohl sei eine Malaria-Epidemie gegenwärtig
nach Meinung der Forscher von KABS und BNI aufgrund der medizinischen Situation in
Deutschland nicht zu erwarten.
Angriff der Tigermücke
Als Folge der globalen Erwärmung und der immer intensiveren interkontinentalen
Handelsbeziehungen und Touristenströme muss aber damit gerechnet werden, dass immer
mehr exotische krankheitsübertragende Mücken bei uns heimisch werden. Besorgniserregend
ist der Vormarsch der Asiatischen Tigermücke Aedes albopictus, die sich in Albanien und Italien
fest eingebürgert hat und sich mittlerweile nach Frankreich und Belgien ausbreitet. Mit
speziellen Mücken-Eiablagefallen („Ovitraps") hat die KABS bereits die Eier dieser kleinen
schwarz-weiß gestreiften Mücke, die ein kompetenter Überträger für zahlreiche
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„Ovitrap“, eine Eiablagefalle für Mücken. © KABS
humanrelevante Viruserkrankungen ist, im Rheingebiet nachgewiesen. Die Verbreitung der
Mücke wird durch den Pflanzenimport begünstigt, besonders durch den als Geschenk beliebten
chinesischen „Glücksbambus" („Lucky bamboo").
Wie Professor Dr. Peter Lüthy, Präsident der European Mosquito Control Association (EMCA),
ausführte, ist es nur eine Frage der Zeit, wann infolge der ständig zunehmenden
Populationsdichten von Aedes albopictus die nächste - hoffentlich lokal begrenzte Chikungunya-Epidemie ausbricht. Die durch das Chikungunya-Virus ausgelöste, mit Fieber und
Gelenkschmerzen einhergehende Krankheit verläuft glücklicherweise in den meisten Fällen
gutartig. Gefährlicher ist das von den gleichen Blutsaugern übertragene Dengue-Fieber, das in
schweren Fällen zur Hämorrhagie (innere Blutungen) und zum Dengue-Schock-Syndrom führt.
Die Asiatische Tigermücke Aedes albopictus © Musée de Zoologie, Lausanne
Zwar gehen die bisher in Deutschland registrierten Erkrankungen auf Ansteckung bei
Fernreisen in tropische Länder zurück, aber es werden immer mehr. 2010 waren es knapp 500
Fälle. „Verglichen mit Malaria hat Dengue ein größeres Verbreitungspotenzial", warnt der
Virologe PD Dr. Jonas Schmidt-Chanasit vom BNI, denn Malaria-Erreger brauchen infizierte
Menschen als Wirte, um sich ausbreiten zu können. Das Dengue- Virus wird über die Eier und
Larven der Mücken weitergegeben (cit. „DIE ZEIT" vom 18.11.10).
Wie das nahe verwandte Hepatitis-C- Virus ist das Dengue-Virus ein Einzelstrang-RNA-Virus,
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aber kein Retrovirus . Die Struktur seines Genoms, sein Replikationszyklus und die Expression
der Virusproteine werden in der Abteilung Molekulare Virologie des Universitätsklinikums
Heidelberg unter Professor Ralf Bartenschlager, führenden Experten auf dem Gebiet der
Hepatitis-Viren, erforscht (siehe BIOPRO-Artikel „Gegen chronische Leberentzündungen und
Leberkrebs" vom 23.11.2010). In einem anderen Projekt mit Zoologen der Universität
Heidelberg untersucht die KABS die „thermische Ökologie der Asiatischen Tigermücke".
Gemeinsames Ziel der Forschungen ist es zu verhindern, dass Deutschland in die lange Liste
der für diese lange vernachlässigte Krankheit endemischen Länder („disease-endemic
countries") eingereiht werden muss.
Grenzüberschreitende Netzwerke zur Moskito-Bekämpfung
Da die blutsaugenden Infektionsüberträger mit Leichtigkeit Ländergrenzen und geografische
Barrieren überwinden, müssen die Anstrengungen international koordiniert werden. Zu diesem
Zweck ist im Jahr 2000 in Waldsee, dem Heimatort der KABS, die EMCA nach dem Vorbild der
seit langem bestehenden American Mosquito Control Association gegründet worden. Dr.
Norbert Becker ist als Executive Director der EMCA auch die treibende Kraft bei der Bildung der
kontinenteübergreifenden World Mosquito Control Association.
Fachbeitrag
23.05.2011
EJ
BioRN
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
KABS e.V. - German Mosquito Control AssociationLudwigstr. 9967165 WaldseeE-Mail: info(at)kabsgfs.dePublikation:
Becker N, Huber K, Pluskota B, Kaiser A: Ochlerotatus jaonicus japonicus - a newly estasblished neozoan in
Germany and a revised list oft he German mosquito fauna. European Mosquito Bulletin 29 (2011) 88-102
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