Bachelorpropädeutikum – Themenliste Abteilung Allgemeine Psychologie II WiSe 2015/2016 Überblick: 1. Spontane Perspektivenübernahme / implizite Theory of Mind (Anne Grigutsch) 2. Wahrgenommene Altersdiskriminierung (Peggy Voß) 3. Implicit wanting vs. implicit liking (Nicolas Koranyi) 4. Implizite kognitive Prozesse bei Schlafproblemen und Schlafstörungen (Nicolas Koranyi) 5. Episodische Bindung und Abruf von Reizen und Reaktionen (Carina Giesen) a. Passungseffekte zwischen impliziten Motiven und der Interaktionssituation b. Autismus als Moderator sozialen Lernens c. Ehrlichkeit/Betrug als Moderator sozialen Lernens 6. Kognitive Kontrolle und Inhibition: Entwicklungsbedingte Unterschiede (Carina Giesen) 7. Weiterentwicklung der relational responding task zur Stereotypmessung (Florian Müller) 8. Psychologische Prozesse beim Online Dating (Florian Müller) 9. Affektives Priming (Klaus Rothermund) 10. Evaluative Konditionierung durch bewertende Reaktionen (Klaus Rothermund) Auf den folgenden Seiten findet sich eine detaillierte Beschreibung der Themen sowie Literaturempfehlungen! 1. Spontane Verarbeitung mehrerer verschiedener visueller Perspektiven (Anne Grigutsch) Die Fähigkeit, die Perspektive anderer Personen zu übernehmen, ist grundlegend für das Gelingen sozialer Interaktionen. Durch unser Verständnis dessen, was andere Personen wahrnehmen, wissen, denken und wollen sind wir in der Lage ihr Verhalten zu erklären und vorherzusagen. Dabei muss die menschliche Perspektivübernahmefähigkeit mehreren Anforderungen gerecht werden. Zum einen muss sie flexibel sein, um anderer Personen Verhalten über verschiedenste Kontexte hinweg erklären und vorherzusagen zu können. Zum anderen muss sie effizient und schnell genug arbeiten, um soziale Interaktionen in Echtzeit leiten zu können. Aufgrund dieser Überlegung entwarfen Apperly und Butterfill (2009) ein ‚Zwei-Pfad-Modell‘, welches annimmt, dass es verschiedene Subsysteme gibt, welche der menschlichen Perspektivübernahmefähigkeit zugrunde liegen. Demnach besitzen Menschen neben einem flexibel, kontrolliert und ressourcenabhängig operierenden System zur Perspektivübernahme, ein zweites Subsystem, welches der schnellen und effizienten Verarbeitung der Perspektive anderer Personen dient, dafür jedoch bestimmten Kapazitätsbeschränkungen unterworfen ist. Hinweise auf einen solchen Kompromiss von Effizienz zulasten von Kapazitätsbeschränkungen finden sich im Bereich visueller Perspektivübernahme. So scheint die Fähigkeit zur spontanen (Samson, Apperly, Braithwaite und Bodley-Scott, 2010) und effizienten (Qureshi, Apperly & Samson, 2010) Verarbeitung der visuellen Perspektive anderer Personen darauf beschränkt zu sein, abzubilden was eine Person sehen oder nicht sehen kann aber nicht wie (z.B. unter welchem Blickwinkel) sie etwas visuell wahrnimmt (Surtees, Butterfill & Apperly, 2011). Im Rahmen der Bachelorarbeit soll untersucht werden, ob die spontane Verarbeitung visueller Perspektiven anderer Personen neben dieser Beschränkung auf bestimmte Perspektivinhalte auch eine Beschränkung auf bestimmte Kontexte aufweist. Es soll untersucht werden, ob auch in nicht-dyadischen Kontexten (d.h., in Kontexten, in denen Beobachter mit mehr als einer anderen Person konfrontiert sind) eine spontane Verarbeitung der Perspektiven verschiedener Personen parallel stattfindet. Ausgangspunkt ist eine Untersuchung von Capozzi, Cavallo, Furlanetto und Becchio (2015), in welcher die Autoren zeigen, dass bereits die Anwesenheit zweier Person dazu führt, dass Beobachter die verschiedenen visuellen Perspektiven nicht mehr spontan, sondern nur noch nach vorheriger Instruktion verarbeiten. Diesem Befund soll mit einer leichten Abwandlung des verwendeten Paradigmas weiter auf die Spur gegangen werden. Literatur Capozzi, F., Cavallo, A., Furlanetto, T., & Becchio, C. (2014). Altercentric Intrusions from Multiple Perspectives: Beyond Dyads. Qureshi, A. W., Apperly, I. A., & Samson, D. (2010). Executive function is necessary for perspective selection, not Level-1 visual perspective calculation: Evidence from a dual-task study of adults. Cognition, 117(2), 230-236. Samson, D., Apperly, I. A., Braithwaite, J. J., Andrews, B. J., & Bodley Scott, S. E. (2010). Seeing it their way: evidence for rapid and involuntary computation of what other people see. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 36(5), 1255. Surtees, A. D., Butterfill, S. A., & Apperly, I. A. (2012). Direct and indirect measures of level‐2 perspective‐taking in children and adults. British Journal of Developmental Psychology, 30(1), 75-86. 2. Wahrgenommene Altersdiskriminierung (Peggy Voß) Im Rahmen der Forschung, die sich mit den Ursachen wahrgenommener Altersdiskriminierung befasst, wurden vielfach inter-individuelle Unterschiede in der Bereitschaft Verhalten als diskriminierend wahrzunehmen sowie soziodemografische Faktoren untersucht. Daneben wurden auch Ansätze postuliert, die nicht nur die Eigenschaften der betroffenen Person selbst sondern auch Charakteristika der Situation und des Ereignisses als Ursachen von Altersdiskriminierung berücksichtigen (Major & Sawyer, 2009). In diesem Zusammenhang wird angenommen, dass Personen eine Vorstellung davon haben, welches Verhalten in einer bestimmten Situation diskriminierend ist. Dieser sogenannte Prototyp wird mit einem tatsächlichen Ereignis abgeglichen und je mehr das Ereignis dem Prototypen ähnelt, umso wahrscheinlicher ist es, dass Verhalten als altersdiskriminierend interpretiert wird (Rodin, Price, Bryson, & Sanchez, 1990). Eines der Charakteristika, welches Situation kennzeichnet in denen Diskriminierung wahrscheinlicher ist, ist das Vorliegen von Stereotypasymmetrie (O’Brien, Kinias, & Major 2008). Nach dieser Hypothese wird davon ausgegangen, dass Menschen eher dann diskriminierendes Verhalten wahrnehmen, wenn sie sich in einer Situation befinden, in der sie negativ stereotypisiert werden. Entsprechend konnte in einer längsschnittlichen Studie gezeigt werden, dass negative stereotype Vorstellungen, die Menschen von sich im Alter haben mit verstärkt wahrgenommener Altersdiskriminierung einhergehen (Voss, Wolff, & Rothermund, 2015). Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die Zusammenhänge innerhalb eines Lebensbereiches am stärksten sind, was im Einklang mit der Domänenspezifität von Altersstereotypen und Altersdiskriminierung steht (Casper, Rothermund, & Wentura, 2011; North & Fiske, 2013). Eine Veränderung der Altersbilder könnte folglich positive Effekte auf wahrgenommene Altersdiskriminierung haben. Vor diesem Hintergrund ist das Ziel der Bachelorarbeit zunächst mittels einer experimentellen Manipulation zu untersuchen, ob sich die domänenspezifische Aktivierung von Stereotypen bei älteren Probanden auf retrospektiv erinnerte Diskriminierungserfahrungen auswirkt. Dabei sollen bisherige Erkenntnisse zur Domänenspezifität von Altersstereotypen und Altersdiskriminierung berücksichtigt werden. Literatur Casper, C., Rothermund, K., & Wentura, D. (2011). The activation of specific facets of age stereotypes depends on individuating information. Social Cognition, 29, 393-414. doi:10.1521/soco.2011.29.4.393 Major, B., & Sawyer, P. J. (2009). Attributions to discrimination: Antecedents and consequences. In T. D. Nelson (Ed.), Handbook of prejudice, stereotyping, and discrimination (pp. 89-110). New York, NY, US: Psychology Press. North, M. S., & Fiske, S. T. (2013). Subtyping ageism: Policy issues in succession and consumption. Social Issues and Policy Review, 7(1), 36–57. doi:10.1111/j.17512409.2012.01042.x O’Brien, L. T., Kinias, Z., & Major, B. (2008). How status and stereotypes impact attributions to discrimination: The stereotype-asymmetry hypothesis. Journal of Experimental Social Psychology, 44, 405–412. doi:10.1016/j.jesp.2006.12.003 Rodin, M. J., Price, J. M., Bryson, J. B., & Sanchez, F. J. (1990). Asymmetry in prejudice attribution. Journal of Experimental Social Psychology, 26, 481-504. doi:10.1016/00221031(90)90052-N Voss, P., Kornadt, A. E., & Rothermund, K. (2015). Relations between views on ageing and perceived age discrimination: A domain-specific perspective. Manuscript submitted for publication. 3. Implicit wanting vs. implicit liking (Nicolas Koranyi) Auch wenn Menschen in der Regel Dinge wollen, die sie mögen, und Dinge mögen, die sie wollen, belegt aktuelle Forschung, dass es sich bei wanting (wollen) und liking (mögen) um unterschiedliche Phänomene handelt, die dissoziierbar sind. D.h., wanting impliziert nicht liking und liking impliziert nicht wanting. Eine Dissoziierung von wanting und liking scheint auch der Entstehung von Suchterkrankungen zugrunde zu liegen. Während sich liking für die Substanz mit der Zeit abschwächt, nimmt wanting kontinuierlich zu und erschwert Abstinenzversuche. Bei der Messung von liking und wanting sind in der Humanforschung überwiegend explizite Maße (z.B. Fragebögen) zum Einsatz gekommen. Hierbei ist problematisch, dass nicht immer klar ist, ob Menschen zuverlässig und gültig über innere psychische Zustände Auskunft geben können. Der/die Kandidat/in arbeitet sich selbstständig in das Thema ein und erarbeitet unter Anleitung eine eigene Studie zu der oben beschriebenen Thematik. Ziel ist die Validierung eines impliziten Maßes zur Messung von wanting (vs. liking) unter der Berücksichtigung von Vorarbeiten am Lehrstuhl (siehe Literatur). Literatur Berridge, K. C., Robinson, T. E., & Aldridge, J. W. (2009). Dissecting components of reward: 'liking', 'wanting', and learning. Current Opinion in Pharmacology, 9, 65-73. doi: 10.1016/j.coph.2008.12.014 Dai, X. C., Brendl, C. M., & Ariely, D. (2010). Wanting, Liking, and Preference Construction. Emotion, 10, 324-334. doi: 10.1037/a0017987 Dai, X. C., Dong, P., & Jia, J. S. (2014). When Does Playing Hard to Get Increase Romantic Attraction? Journal of Experimental Psychology-General, 143, 521-526. doi: 10.1037/a0032989 Koranyi, N., Grigutsch, A., Algermissen, J., & Rothermund, K. (submitted). Dissociating implicit wanting from implicit liking: Development and validation of the Wanting-ImplicitAssociation-Test (W-IAT). (für das Manuskript bei [email protected] anfragen) Tibboel, H., De Houwer, J., Spruyt, A., Field, M., Kemps, E., & Crombez, G. (2011). Testing the validity of implicit measures of wanting and liking. Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry, 42, 284-292. doi: 10.1016/j.jbtep.2011.01.002 Tibboel, H., De Houwer, J., & Van Bockstaele, B. (in press). Implicit measures of “wanting” and “liking” in humans. Neuroscience & Biobehavioral Reviews. 4. Implizite kognitive Prozesse bei Schlafproblemen und Schlafstörungen (Nicolas Koranyi) Aktuelle Erklärungsmodelle für Schlafstörungen betonen die Rolle kognitiver Faktoren. Insbesondere in Hinblick auf die aufrechterhaltenden Bedingungen wird häufig postuliert, dass implizite kognitive Aufmerksamkeitsprozesse eine Rolle spielen. So scheint eine erhöhte automatische Sensitivität für schlafbezogene Stimuli eine schlafthematische Grübelneigung zu begünstigen, wodurch das psychische und physische Erregungsniveau gesteigert und das Einschlafen verhindert wird. Bisher haben sich jedoch erst wenige Studien direkt mit der Messung impliziter kognitiver Prozesse bei Schlafstörungen beschäftigt. Neben der Messung von Aufmerksamkeitsprozessen erscheint hierbei auch die Messung von dysfunktionalen Assoziationen (z.B. „Bett“ und „negativ“) relevant. Der/die Kandidat/in arbeitet sich selbstständig in das Thema ein und erarbeitet unter Anleitung eine eigene Untersuchungsfrage zu der oben beschriebenen Thematik. Ziel ist die Rekrutierung einer subklinischen Stichprobe mit Schlafproblemen (und einer hinsichtlich Alter und Geschlecht gematchten Kontrollgruppe) und die Messung mindestens eines relevanten kognitiven Prozesses mithilfe eines impliziten Maßes (z.B. Cueing-Paradigma, Impliziter Assoziationstest). Literatur Barclay, N. L., & Ellis, J. G. (2013). Sleep-related attentional bias in poor versus good sleepers is independent of affective valence. Journal of Sleep Research, 22, 414-421. doi: 10.1111/jsr.12035 Jones, B. T., Macphee, L. M., Broomfield, N. M., Jones, B. C., & Espie, C. A. (2005). Sleeprelated attentional bias in good, moderate, and poor (primary insomnia) sleepers. Journal of Abnormal Psychology, 114, 249-258. doi: 10.1037/0021-843X.114.2.249 Spiegelhalder, K., Espie, C., Nissen, C., & Riemann, D. (2008). Sleep-related attentional bias in patients with primary insomnia compared with sleep experts and healthy controls. Journal of Sleep Research, 17, 191-196. doi: 10.1111/j.1365-2869.2008.00641.x Spiegelhalder, K., Espie, C., & Riemann, D. (2006). Sleep-related attentional bias in primary insomnia. Journal of Sleep Research, 15, 38-39. 5. Episodische Bindung und Abruf von Reizen und Reaktionen (Carina Giesen) Reagiert man auf einen bestimmten Stimulus, dann lässt sich zeigen, dass Stimulus, Reaktion und auch Merkmale der Aufgabe kurzfristig in einer episodischen „Einheit“ miteinander assoziiert und abgespeichert werden. Wiederholt man später eines dieser Elemente, wird die gesamte Episode automatisch abgerufen, wodurch eine erneute Reaktion dann i.d.R. schneller geht. Dieser Prozess ist ein wesentliches Element der Verhaltensautomatisierung (wenn die Präsenz eines Stimulus ausreicht, um eine Reaktion auszulösen, schont dies kognitive Ressourcen). In einer Untersuchung von Giesen, Herrmann, und Rothermund (2014) konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass Reiz-Reaktions-Episoden auch für solche Handlungen erstellt werden, die nur an einer anderen Person beobachtet (und nicht selbst ausgeführt) wurden. Die Befunde von Giesen et al. zeigen, dass derartige beobachtungsbasierte Reiz-ReaktionsEpisoden zur automatischen Steuerung des eigenen Verhaltens genutzt werden, sofern die beobachtete Reaktion von einer sozial relevanten Person stammt (d.h. einer Person, mit der kooperativ oder kompetitiv interagiert wurde). Diese Befunde sind grundlegend für die unten spezifizierten Bachelorarbeitsthemen. Literatur Giesen, C., Herrmann, J., & Rothermund, K. (2014). Copying competitors? Interdependency modulates stimulus-based retrieval of observed responses. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 40(5), 1978-1991. Giesen, C. & Moeller, B. (2014). Von kleinen Helfern im Alltag: Wie Umgebungsreize unser Handeln beeinflussen. Themenausgabe "Von der Basis zur Anwendung: Kognitionspsychologie und ihre Bedeutung für den Alltag", In-Mind Magazine. Hommel, B. (2004). Event files: Feature binding in and across perception and action. Trends in Cognitive Sciences, 8(11), 494-500. Rothermund, K., Wentura, D., & De Houwer, J. (2005). Retrieval of incidental stimulus-response associations as a source of negative priming. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 31(3), 482-495. 5.a “Also, ich hab mich nicht so wohl gefühlt…” – Welchen Einfluss haben implizite Motive auf den Abruf beobachtungsbasierter Reiz-Reaktions-Bindungen in kooperativen und kompetitiven Situationen? (1 Person) In der Untersuchung von Giesen, Herrmann, und Rothermund (2014) war die soziale Beziehung zwischen Akteur und Beobachter entscheidend dafür, wann durch Beobachtung erworbene Reiz-Reaktions-Episoden abgerufen wurden: Dies war nur in kooperativen und kompetitiven Situationen der Fall, nicht jedoch, wenn beide Partner unabhängig voneinander gearbeitet haben. In der Motivforschung wird davon ausgegangen, dass sich Menschen hinsichtlich der ihrem Verhalten zugrunde liegenden impliziten Motive (Bindung, Leistung, Macht) unterscheiden und sich aufgrund dessen in bestimmten sozialen Situationen unterschiedlich wohl fühlen. Personen mit hohen Bindungsmotiv sollten kooperative Situationen angenehmer finden als kompetitive; Personen mit ausgeprägtem Macht- oder Leistungsmotiv sollten kompetitive Situationen kooperativen vorziehen. In dieser Bachelorarbeit soll systematisch untersucht werden, ob die Passung zwischen Motivausprägung einer Person und der sozialen Interaktionssituation die von Giesen et al. (2014) berichteten Ergebnisse moduliert. So ist es denkbar, dass Personen mit hoher Ausprägung des Bindungsmotivs die oben genannten Abrufeffekte insbesondere in kooperativen Situationen, weniger aber in kompetitiven Situationen zeigen. Bei Personen mit hoher Ausprägung des Leistungs- und/oder Machtmotivs ist es möglicherweise umgekehrt: Hier sind Abrufeffekte in der kompetitiven Situation stärker als in der kooperativen Bedingung. Zur Untersuchung wird das Paradigma von Giesen et al. (2014) repliziert (nur kooperative und kompetitive Bedingung) und um eine Motivmessung durch die Picture-Story-Exercise* (PSE) bzw. das Multi-Motiv-Gitter (MMG) ergänzt. *Hinweis: Die Verwendung der PSE setzt eine vorherige Kodierschulung voraus; Materialien zur Selbstaneignung sind am Lehrstuhl vorhanden. Literatur: Schultheiss, O. C.; Jones, N. M.; Davis, A. Q. & Kley, C. (2008). The role of implicit motivation in hot and cold goal pursuit: Effects on goal progress, goal rumination, and emotional wellbeing. Journal of Research in Personality, 42, 971 - 987. Schultheiss, O. C. (2008). Implicit motives. In John, O. P.; Robins, R. W. & Pervin, L. A. (Eds.). Handbook of personality psychology: Theory and research (3rd ed.), Guilford Press, 603 633. 5.b Kontrastierung von Speicherung und Abruf kognitiver und sozialer (beobachtungsbasierter) Reiz-Reaktions-Episoden bei Menschen mit autistischen Verhaltenszügen (1 Person); (Kooperation mit Dr. Dana Schneider, Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie I) Kennzeichnend für Störungen des Autismus-Spektrums sind Defizite in zentralen sozialkognitiven Bereichen (soziale Interaktion, Kommunikation und Verhalten) – autistische Züge lassen sich aber durch den sogenannten „Autismus-Spektrum Quotienten“ (AQ; BaronCohen, Wheelwright, Skinner, Martin, & Clubley, 2001; Hoekstra, Bartels, Cath, & Boomsma, 2008) auch bei normalintelligenten Probanden nachweisen. In der folgenden Bachelorarbeit soll untersucht werden, wie sich die Ausprägung von autistischen Verhaltensweisen auf Speicherung und Abruf sozialer (d.h. durch Beobachtung erworbener) versus „klassischer“ kognitiver Reiz-Reaktions-Bindungen auswirkt. Dafür werden in einer ersten Screening-Studie anhand des AQ-Fragebogens Extremgruppen identifiziert. Probanden beider Extremgruppen (hohe vs. niedrige AQ-Ausprägung) werden danach erneut eingeladen und nehmen an einer sozialen und einer kognitiven Variante des Reiz-Reaktions-Bindungsparadigmas teil. Während sich kognitive und soziale Abrufeffekte bei Personen mit geringem AQ (niedrige Ausprägung autistischer Züge) nicht unterscheiden sollten, wird erwartet, dass Personen mit hohem AQ zwar kognitive Bindungs- und Abrufeffekte zeigen, aber deutlich geringere „soziale“ Abrufeffekte. Literatur: Baron-Cohen, S., Wheelwright, S., Skinner, R., Martin, J., & Clubley, E. (2001). The AutismSpectrum Quotient (AQ): Evidence from Asperger Syndrome/High-Functioning Autism, males and females, scientists and mathematicians. Journal of Autism and Developmental Disorders, 31, 5-17. Ristic, J., Mottron, L., Friesen, C. K., Iarocci, G., Burack, J. A., & Kingstone, A. (2005). Eyes are special but not for everyone: The case of autism. Cognitive Brain Research, 24(3), 715–718. Hoekstra, R.A., Bartels, M., Cath, D.C., & Boomsma, D.I. (2008). Factor structure, reliability, and criterion validity of the Autism-Spectrum Quotient (AQ): A study in Dutch population and patient groups. Journal of Autism and Developmental Disorders, 38, 1555-1566. 5.c Beeinflusst die Interaktionserfahrung mit ehrlichen vs. unehrlichen Personen Prozesse der Speicherung/des Abrufs beobachtungsbasierter Reiz-Reaktions-Episoden? (1 Person) Das Paradigma von Giesen, Herrmann & Rothermund (2014) gibt es auch in einer Videovariante (Giesen, 2015): Dabei liegt keine Interaktionssituation vor; die Probanden nehmen stattdessen alleine am Experiment teil und beobachten die Reaktionen anderer nur über Videos. Bisherige Untersuchungen mit diesem Paradigma zeigen, dass Bindungs- und Abrufeffekte zwar auch auftreten, diese dann allerdings durch rein kognitive (und eben nicht soziale) Prozesse vermittelt werden (z.B. macht die beobachtete Reaktion einfach eine bestimmte Antwortkategorie salient, die dann mit dem Reiz assoziiert wird; vgl. Dörfler et al., 2015). Kritisch ist jedoch, dass die Teilnehmer in den bisherigen Experimenten keinerlei Informationen zu den Videomodellen hatten, von denen die gefilmten Reaktionen stammten. In dieser Bachelorarbeit soll es darum gehen, das Videoparadigma „sozialer“ zu machen: Z.B. konnten Bell, Koranyi, Buchner & Rothermund (in revision) zeigen, dass Informationen über das vergangene (kooperative oder betrügerische) Verhalten eines Interaktionspartners automatisch aus dem Gedächtnis abgerufen wird, wenn man Gesichtern der Betrüger und ehrlichen Interaktionspartner später erneut begegnet. Dieser Ansatz soll auf das Videoparadigma übertragen werden: Die Probanden machen in einem ersten Experimentalteil die Erfahrung, dass eine Person ein Betrüger ist und andere in die Irre führt (absichtlich nicht an Regeln hält, absichtlich falsch oder rein zufällig reagiert), während eine andere Person ehrlich und kooperativ ist (sorgfältig antwortet und richtig reagiert). Im zweiten Experimentalteil werden dann die gefilmten Reaktionen der ehrlichen und unehrlichen Person im Kontext des beobachtungsbasierten Reiz-Reaktions-Paradigmas gezeigt. In einem Gedächtnistest wird außerdem ab und zu abgefragt, wessen Reaktion gerade beobachtet wurde (mögliche Antworten: „der Betrüger“ vs. „der Ehrliche“). Es wird erwartet, dass die Interaktionserfahrung den Abruf von beobachtungsbasierten Reiz-Reaktions-Episoden moduliert: Die Reiz-Reaktions-Bindung sollte nur dann abgerufen werden, wenn die beobachtete Reaktion vom ehrlichen Interaktionspartner stammt, nicht aber, wenn diese vom unehrlichen Interaktionspartner gezeigt wurde. Literatur: Bell, R., Koranyi, N., Buchner, A. & Rothermund, K. (in revision). The implicit cognition of reciprocal exchange: Automatic retrieval of positive and negative experiences with partners in a prisoner’s dilemma game. MS submitted for publication. Dörfler, J., Held, K., Heuß, D., Mrosk, A., & Nitsch, D. (2015). Alles Nachmacher? Ist für das Erlernen von S-R Bindungen eine soziale Komponente notwendig? Poster auf dem 10. Emprakongress 2014, Jena. Giesen. C. (2015). Unveröffentlichtes Ergebnismemo zum Einfluss der visuellen Perspektive auf den Erwerb von D-R Bindungen durch Beobachtung im Videoparadigma“. 6. Kognitive Kontrolle und Inhibition: Entwicklungsbedingte Unterschiede (Carina Giesen) 6.a Entwicklungsbedingte Unterschiede in Inhibitions- und episodischen Abrufprozessen: Eine Frage der Passung zwischen Material und präferierten Repräsentationsart? (1 Person) Typischerweise wird davon ausgegangen, dass sich Prozesse der kognitiven Kontrolle, insbesondere der Inhibition von irrelevanten Informationen, entwicklungsbedingt verändern und damit einen umgekehrt u-förmigen Verlauf aufweisen: So wird angenommen, dass die Inhibitionsfähigkeit sowohl im Kindes- als auch im hohen Erwachsenenalter (60 +) eher schwach ausgeprägt ist (als Folge noch ausstehender Reifungsprozesse bzw. aufgrund von Inhibitionsverlusten im Alter), während sie im jungen und mittleren Erwachsenenalter voll ausgeprägt ist. Das Paradigma von Giesen, Frings, & Rothermund (2012) erlaubt eine prozessreine Erfassung von Inhibition. Dieses Paradigma wurde in einer Arbeit von Weissmann (2015) im vergangenen Jahr an einer Stichprobe von Grundschülern getestet und mit der Leistung von Studierenden verglichen: Die Befunde sind erstaunlich: sie zeigen, dass die Inhibition bei Grundschülern deutlich stärker ausgeprägt ist als bei Studierenden. Dieser Befund widerspricht damit der Annahme, dass Inhibition als Folge von kognitiven Reifungsprozessen erst während des Heranwachsens herausgebildet wird. Ungeklärt ist allerdings, wieso die Inhibitionsleistung der Grundschüler sogar besser war als die der Studierenden. Zum aktuellen Zeitpunkt stellt sich die Frage, inwiefern das Stimulusmaterial diesen unerwarteten Effekt befördert hat: Das Paradigma von Giesen, Frings & Rothermund (2012) wurde „kinderfreundlicher“ gestaltet und verwendete schöne bunte, bildhafte Stimuli (z.B. Äpfel). Es ist bekannt, dass Kinder im Vergleich zu Erwachsenen Informationen eher bildhaft repräsentieren, während Erwachsene eine von perzeptuellen Eindrücken abstrahierte, semantische Repräsentation vorziehen (z.B. das Konzept „Apfel“). In der folgenden Bachelorarbeit soll deswegen das eine semantische Variante des Paradigmas von Weissmann (2015) entwickelt werden, die dann erneut an Grundschülern und jungen Erwachsenen (Studierenden) getestet wird. Spiegelbildlich zu den Befunden von Weissmann (2015) sollte sich nun ein stärkerer Inhibitionseffekt bei den Studierenden im Vergleich zu den Grundschülern zeigen. Literatur Giesen, C., Eberhard, M., & Rothermund, K. (2015). Loss of attentional inhibition in older adults – does it really exist? An experimental dissociation of inhibitory and memory retrieval processes. Psychology & Aging, 30(2), 220-231. doi: 10.1037/pag0000022 Giesen, C., Frings, C., & Rothermund, K. (2012). Differences in the strength of distractor inhibition do not affect distractor-response bindings. Memory & Cognition, 40(3), 373–387. doi:10.3758/s13421-011-0157-1 Weissmann, F. (2015). Entwicklungsbedingte Unterschiede in Inhibitions- und episodischen Abrufprozessen: Test des DRB-Paradigmas an Kindern, Jugendlichen und Studenten. Unveröffentlichte Bachelorarbeit, Universität Jena. 7. Weiterentwicklung der relational responding task zur Stereotypmessung (Florian Müller) In der Psychologie gibt es eine lange Tradition der Verwendung sogenannter impliziter Einstellungsmaße. Diese Maße zielen darauf ab, Einstellungen, Überzeugungen oder Vorurteile von Personen zu erfassen, ohne dass diese durch Faktoren wie soziale Erwünschtheit gestört werden. Ein prominentes Beispiel sind Primingparadigmen zur Erfassung automatischer Stereotypaktivierung. Mit diesen Paradigmen können jedoch - wenn überhaupt - nur Assoziationen zwischen durch Wortelabels repräsentierten Konzepten erfasst werden (Müller & Rothermund, 2014). Um diese Nachteile zu beseitigen wurden Verfahren wie die Relational Responding Task entwickelt (DeHouwer, Heider, Spruyt, Roets & Hughes, 2015). Hier kann die spontane Reaktion der Probanden auf komplexe Sätze erfasst werden. Ziel der Bachelorarbeit soll sein, eine Variante der RRT für die Erfassung von Stereotypen zu prüfen, bei der die ursprüngliche Blockstruktur und die damit einhergehende relativ komplizierte Bearbeitung überflüssig sind. Literatur De Houwer, J., Heider, N., Spruyt, A., Roets, A., & Sughes, S. (2015). The relational responding task: Toward a new implicit measure of beliefs. Frontiers in Psychology, 6:319. doi: http://dx.doi.org/10.3389/fpsyg.2015.00319 Müller, F., & Rothermund, K. (2014). What does it take to activate stereotypes? Simple primes don't seem enough. Social Psychology (Special Issue: Replications of Important Results in Social Psychology), 45(3), 187-93. 8. Psychologische Prozesse beim Online Dating (Florian Müller) Online Dating Plattformen erfreuen sich hoher Beliebtheit bei der Partnersuche (Cacioppo et al., 2013) und bieten die Möglichkeit eine große Anzahl potenzieller Partner zu kontaktieren. Allerdings wäre es denkbar, dass diese überwältigende Menge möglicher Partner die Bereitschaft untergräbt in eine sich entwickelnde Beziehung zu investieren (d.h. reduziertes Commitment). Erste vorliegende Daten sprechen für diesen Effekt („http://www2.unijena.de/svw/allgpsy2/emprakong10/Poster/Gruppe%2013.pdf“). Ziel der Bachelorarbeit soll sein in einer Weiterentwicklung dieses Paradigmas zu untersuchen, welche Prozesse ursächlich für diese Veränderungen im Beziehungscommitment sind. Cacioppo, J. T., Cacioppo, S., Gonzaga, G. C., Ogburn, E. L., & VanderWeele, T. J. (2013). Marital satisfaction and break-ups differ across on-line and off-line meeting venues. PNAS, 110(25), 10135-40. doi: 10.1073/pnas.1222447110 9. Affektives Priming (Klaus Rothermund) Ein Standard-Paradigma zur Analyse affektiver Informationsverarbeitung ist das affektive Priming. Hierbei muß auf ein valentes Target reagiert werden (Evaluationsaufgabe: ist das Target positiv oder negativ?), nachdem unmittelbar zuvor ein valenter Prime präsentiert wurde. Eine immer noch nicht abschließend geklärte Frage betrifft die Mechanismen, die einem affektiven Kongruenzeffekt (schnellere Reaktion auf das Target nach Präsentation eines valenzgleichen Primes im Vergleich zu inkongruenten Prime/Target-Paarungen) zugrunde liegen: Aktivieren Prime und Target unabhängig voneinander Reaktionstendenzen, die zueinander passen oder miteinander in Konflikt stehen (response competition model), oder führt die Präsentation eines valenten primes zu einer Voraktivierung und schnelleren Verarbeitung valenzgleicher Targets (semantic preactivation model)? Werner und Rothermund (2013) entwickelten einen neuen Aufgabentyp (Valent/NeutralEntscheidung), mit dem reaktionsbasierte Effekte unterbunden werden, und konnten keinen affektiven Kongruenzeffekt mehr nachweisen, was gegen eine semantische Voraktivierung valenzgleicher Reize spricht. Im Gegensatz hierzu berichtet Spruyt (2015) mit demselben Paradigma jedoch einen solchen Effekt. Eine mögliche Erklärung der diskrepanten Ergebnisse besteht in der unterschiedlichen Materialauswahl und damit möglichen Störeinflüssen nicht-valenter, semantischer Assoziationen. Die Bachelorarbeit soll ein Anschlußexperiment entwickeln und durchführen, in dem assoziative Beziehungen zwischen valenzgleichen und valenzverschiedenen PrimeTarget-Paaren systematisch variiert werden. Literatur Spruyt, A., & Tibboel, H. (2015). On the automaticity of the evaluative priming effect in the valent/non-valent categorization task: Reply to Rothermund and Werner (2014). PLoS ONE, 10(3), e0121564. doi: 10.1371/journal.pone.0121564 Werner, B., & Rothermund, K. (2013). Attention please: No affective priming effects in a valent/neutral-categorization task. Cognition and Emotion, 27(1), 119-32. 10. Evaluative Konditionierung durch bewertende Reaktionen (Klaus Rothermund) Ein Erklärungsansatz für den Erwerb von Bewertungen (evaluative Konditionierung, EC) ist die Entstehung von Assoziationen zwischen Reizen (Objekten) und bewertenden Reaktionen (EC als S-R Lernen; Gast & Rothermund, 2011). Entsprechend konnte in einer Reihe von Studien konnte gezeigt werden, daß Reize positiver bewertet werden, wenn sie mit einer Annäherungsbewegung gekoppelt wurden, bzw. daß die Bewertung negativer wird, wenn auf den Reiz eine Vermeidungsbewegung gemacht wurde (Huijding et al., 2011; Kawakami et al., 2007; Woud et al., 2013). Was aber macht eine Bewegung zu einer Annäherung bzw. Vermeidung (Eder & Rothermund, 2008)? Und ist es notwendig, daß die Reaktion überhaupt in Richtung auf das entsprechende Objekt erfolgt, oder reicht eine bloße zeitliche Koinzidenz von Objekt und Bewegung, um eine Assoziation mit der Bewertungsreaktion und der entsprechenden Bewertung herzustellen? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, soll in der Bachelorarbeit ein Experiment entwickelt und durchgeführt werden, in dem während der Präsentation neutraler Objekte (z.B. Bilder von Gesichtern) Joystick-Bewegungen ausgeführt werden, die entweder als Annäherungs-/ Vermeidungsreaktionen („hin“ vs. „weg“) oder als neutrale Bewegungen („rechts“ vs. „links“) bezeichnet werden (Eder & Rothermund, 2008). Zusätzlich soll variiert werden, ob die Objekte den Ziel- oder den Ausgangspunkt der Bewegung darstellen. Neben einer Erfassung von Bewertungsveränderungen werden auch Assoziationen zwischen Objekt und Reaktion als Mediator der Bewertungsveränderungen mithilfe eines S-R retrieval Paradigmas erfaßt. Literatur Eder, A. B., & Rothermund, K. (2008). When do motor behaviors (mis)match affective stimuli? An evaluative coding view of approach and avoidance reactions. Journal of Experimental Psychology: General, 137(2), 262-81. Gast, A., & Rothermund, K. (2011). I like it because I said that I like it. Evaluative conditioning effects can be based on stimulus-response learning. Journal of Experimental Psychology: Animal Behavior Processes, 37(4), 466-76. Huijding, J., Muris, P., Lester, K. J., Field, A. P., & Joosse, G. (2011). Training children to approach or avoid novel animals: Effects on self-reported attitudes and fear beliefs and information-seeking behaviors. Behavior Research and Therapy, 49, 606-13. Kawakami, K., Phills, C. E., Steele, J. R., & Dovidio, J. F. (2007). (Close) Distance makes the heart grow fonder: Improving implicit racial attitudes and interracial interactions through approach behaviors. Journal of Personality and Social Psychology, 92(6), 957-71. Woud, M. L., Maas, J., Becker, E. S., & Rinck, M. (2013). Make the manikin move: Symbolic approach–avoidance responses affect implicit and explicit face evaluations. Journal of Cognitive Psychology, 25(6), 738-44.