Infodienst 4 August 2016 www.berufsverband-hauswirtschaft.de (Neues) Lernen Was passiert beim Lernen? Lernen immer und überall Schulungen für Mitarbeiter Neues Fortbildungsprogramm Fit für den Beruf durch „Neues Lernen“ und klassische Seminare Unter dem Motto „Hauswirtschaftliche Kompetenz für Profis“ geht auch im kommenden Jahr das Fortbildungsprogramm des Berufsverbandes Hauswirtschaft an den Start. Die bekannte Kombination aus bewährten und neuen Seminarangeboten wird weitergeführt. Aber auch hier wollen wir Ihnen erste Angebote zum „Neuen Lernen“ präsentieren. Zum ersten Mal bieten wir ein Webinar an und laden Sie auch zum Late-NightLearning ein. Das Seminarprogramm vermittelt Ihnen das Wissen und die Fähigkeiten, die Sie benötigen, um sich auf die sich ständig verändernden Anforderungen in Ihrem Berufsalltag einstellen zu können: Fachkompetenz, Sozialkompetenz und die Fähigkeit, eigene Konzepte zu entwickeln, werden Ihnen von erfahrenen Referentinnen und Referenten vermittelt. Unsere Planung ist noch nicht ganz beendet. Sie können aber mit etwa 35 Seminarangeboten rechnen. Wieder einmal angeboten wird das Thema Arbeitsrecht. Was ändert sich mit der neuen ISO 9001? Das ist für alle hauswirtschaftlichen Führungskräfte, die sich mit Qualitätsmanagement beschäftigen, ein Muss. Neu sind im kommenden Jahr auch drei Tage zur Hygiene in Küche, bei der Reinigung und der Wäschepflege, die Sie miteinander kombinieren können. Das Fortbildungsprogramm 2017 finden Sie als Beilage im nächsten Infodienst. Editorial Christa Anna Fischer Liebe Leserinnen und Leser, von wem haben Sie alles gelernt oder gar neues Wissen aufgenommen? An welche Lehrer denken Sie, wenn Sie an Ihre Schulzeit denken? Mir kommt in der Zeit der Grundschule eine Lehrerin ganz positiv in Erinnerung. So wie diese Lehrerin wollte ich auch werden. Ihre Methoden und Korrektheit haben mir das Lernen leicht gemacht. In ihrem Unterricht hatte ich keine Angst. Im Gegensatz zum Mathelehrer, der uns vor der Klasse an der Tafel „vorführte“. Diese beiden Lehrer arbeiteten nach unterschiedlichen Lerntheorien: Das Modelllernen ist im Gegensatz zur negativen Verstärkung sicher das erfolgreichere Modell. Lernen ist personenabhängig – dass wissen wir heute. Neues zu lernen ist abhängig von der Person, von der wir lernen. Nehmen wir den Menschen positiv an oder haben wir eine hohe Identifikation mit demjenigen, dann fällt das Lernen leichter. So einfach ist das! Lassen Sie uns das im betrieblichen Kontext nutzen. Lernpartnerschaften sind als Tandem oder als Mentoring eine Möglichkeit, wertvolles Wissen im Betrieb zu halten. Eine relativ junge Lerntheorie ist der Konnektivismus, der uns zum Thema neues Lernen in die digitale Lernwelt überführt. Willkommen im Zeitalter von E-Learning, Webinaren und Late-NightLearning. Lesen Sie, wie Digitalisierung und Bildung die Zukunft unserer Arbeit beeinflussen wird. Lernformate wie Design-Thinking-Workshops oder Barcamps führen dazu, dass lebenslanges Lernen zum persönlichen lebenslangen Lernnetzwerk führt. Lernen hört nie auf. Auch Ältere lernen, nur anders. Auch ich habe wieder viel Neues dazu gelernt. Gelerntes mit neuen Informationen zu verknüpfen, war mit viel Aufwand verbunden. Aber: Die Verantwortung für dieses Schwerpunktthema zu haben, war wieder ein enormer Wissenszuwachs für mich persönlich. So lerne ich. Viel Spaß beim Lesen und Lernen. Wir freuen uns, wenn Sie uns ein Feedback geben. Ihre Christa Anna Fischer Infodienst 4/16 3 S. 6 Was passiert beim Lernen? S. 16 Schulungen für Mitarbeiter S. 13 Lernen immer und überall Inhalt 3 Berufsverband Hauswirtschaft auf Facebook Editorial Mit Dank an unsere Sponsoren: Aus der Berufspraxis Grundlagen (Neues) Lernen E-Learning Dienstleistung Methoden Interview Hirnforschung Methoden Lernen International 6 10 13 15 16 20 22 24 27 28 31 32 Lernen ist Leben Digitalisierung und Bildung Volle Flexibilität durch mobile Tauglichkeit Wachstumsmarkt Fernlernen Schulungen vorbereiten und durchführen Lernen nach Feierabend So geht das Lernen leichter Frontalunterricht ist out – Lernen in Bewegung ist in! Kreativ präsentieren – Zuhörer begeistern Bewegungspausen im Seminar Lernen in Lernpartnerschaften Hauswirtschaft in Europa Aus dem Berufsverband Aktuelles 34 35 Karriere Wertgeschätzt & willkommen 36 37 38 39 40 41 42 46 Für Sie notiert 44 Gehört & Gelesen 45 46 Aus den Landesverbänden Frauenrat Aktuelles Bericht von der 208. Präsisidiumssitzung Beruflicher Wiedereinstieg durch Qualifizierung Bildungsmesse und Fachtagung Bayern Rheinland-Pfalz/Saarland Seglerin steuert Frauenlobby Weniger Risiko aus Krankenhausküchen Preis für Engagement gegen Verschwendung Fortbildungen Neue Mitglieder Service Titelfotos: fotolia, clipdealer 4 Infodienst 4/16 Umfrage zu Wäsche im Alten- und Pflegeheim alphabet – Angst oder Liebe Impressum Wegbereiter mit Hang zur Ausdauer gesucht Der Berufsverband Hauswirtscha liebt Menschen mit Visionen und Macher. Wenn Ihnen das eigene Vorwärtskommen noch nicht reicht, dann lassen Sie sich weiter beflügeln und stellen Sie sich der Wahl des (Vize-)Präsidenten oder des Präsidiums. Ab Mai 2017 könnten Ihnen drei spannende Jahre der Weiterentwicklung bevorstehen. Schnuppern Sie unverbindlich hinein und klären Sie Ihre Möglichkeiten. Sie treffen auf Kolleginnen und Kollegen mit reichem Erfahrungsschatz und auf die Unterstützung einer engagierten Geschässtelle. Lust, aber noch keine Ahnung? Infos gibt‘s bei den Vorsitzenden, der Geschässtelle oder unter www.berufsverband-hauswirtscha.de Flotte Feder mit Hang zur Schreibwut gesucht Das Redak-onsteam unserer Verbandszeitschri Infodienst bietet wortgewandten Frauen und Männern die Gelegenheit, journalis-sch ak-v zu werden. Zeigen Sie Ihrem Arbeitgeber, was Sie auch auf diesem Gebiet wortwörtlich drauf haben! Als Exper-n berichten Sie aus der Praxis, recherchieren Inhalte, oder rezensieren Bücher. Überzeugt von Ihrem Auri.? Dann freut sich die Redak-onsgruppe über Ihre Kontaktaufnahme unter [email protected]. „Man kann in Kinder nichts hinein prügeln, aber vieles heraus streicheln.“ Astrid Lindgren xxx Lernen ist Leben Doch was lernen Kinder in der Schule? Anpassung. So meint Erich Wagenhofer, der mit seinem Dokumentarfilm „alphabet – Angst oder Liebe” anhand von Beispielen belegt, wie aus kleinen Genies mit Neugier, Wissensdurst, Kreativität und Talenten angstgesteuerte Vermeidungsexperten werden. Aber in dem Film werden Alternativen aufgeführt: Begeistern statt Belehren, Fördern statt Unterrichten. Fragt man Schüler, was sie mit Lernen in Verbindung bringen, dann erinnern 6 Infodienst 4/16 sie sich meist an bestimmte Lehrer. An gute und nicht gute Lehrer, die Grundschullehrerin (meist sind es Lehrerinnen) hat zu Beginn der Schulzeit in der ersten Klasse lesen, schreiben, rechnen vermittelt. Und Schüler erinnern sich an Fächer, die gemocht werden (z.B. Sport) und an Fächer, die gehasst werden (z.B. Mathe). Fragt man Auszubildende, was sie mit Lernen in Verbindung bringen, so erhält man häufig die Antwort, dass sie in einer dualen Ausbildung die Verknüpfung von Theorie und Praxis begrüßen. Auch hier erkennen die Auszubildenden meist, dass Selbstmotivation und das WIE der Lehrenden (offene oder steuernde Vermittlungsmethoden) entscheidend sind. Fragt man Studenten, was sie mit Lernen in Verbindung bringen, dann erhält man häufig die Antwort: Mit Lernen kann man sich etwas aneignen, um sich zu verbessern. Andererseits ist Lernen anstrengend und manchmal „ätzend”. Es ist aufwändig: Die 10.000-StundenRegel besagt, dass Talent allein nicht Foto: fotolia Wir lernen vom ersten Tag in unserem Leben, wir lernen, wer unsere nächsten Menschen sind, wie und was man isst und ob wir es mögen. Wir lernen, wie wir uns in bestimmten Situationen verhalten, wir lernen Rad fahren und dass man bei Rot stehen bleibt und bei Grün geht. Wir lernen in den verschiedenen Lernphasen von anderen und durch unsere eigenen Erfahrungen, die immer mit Gefühlen in Verbindung gebracht werden. Mal sind wir wissbegierig und wollen etwas unbedingt wissen. Mal interessiert uns das, was man uns beibringen möchte, kein bisschen. Der neugeborene Mensch kommt mit einem bereits fertig angelegten Gehirn auf die Welt. Alles ist angelegt. Neuronen und Faserverbindungen müssen sich aufbauen – durch Lernen. ausreicht um ein erfolgreicher Geschäftsmann, Musiker oder Sportler zu werden (Anmerkung: Anders Ericsson, Ralf Krampe und Clemens Tesch-Römer formulierten 1993 die sogenannte 10.000-Stunden-Regel, die der US-Autor Malcolm Gladwell später in seinem Bestseller „Überflieger: Warum manche Menschen erfolgreich sind – und andere nicht” populär machte.) Viel Wissen wird in Vorlesungen vermittelt und zu einem späteren Zeitpunkt in Klausuren abgefragt. Manche sprechen von „BulimieLernen”. Älter werdende Menschen: „Neues zu lernen, wird schwerer. Wie sollen wir uns das denn alles merken?”, sagen Mitarbeiter, die länger nicht mehr die Schulbank gedrückt haben. Oftmals werden Neuerungen, sei es im technischen Bereich oder bei neuen Arbeitsabläufen, nicht sofort so umgesetzt, wie man sich das als Anleiterin vorstellt. Ein Beispiel ist die Umstellung der Hausreinigung auf ergebnisorientierte Reinigung. Es sind Schulungen notwendig, die diese Personengruppe auch erreicht. Bei einer Weiterbildung muss man das Lernen erst wieder lernen. Mal abgesehen davon, dass man im Gegensatz zur täglichen Arbeit die Lernzeit üblicherweise mehr im Sitzen verbringt. Wie wir in den Artikeln zum bewegten Lernen von Carola Reiner (Seite 24 und 28) lesen, ist das kontraproduktiv. Zum erfolgreichen Lernen gehören Motivation und Interesse, die richtigen Lernmethoden und ein geeigneter Lehrender. Was wir alles lernen können? Lernen wird mit dem Erwerb von Wissen in Verbindung gebracht. Neben dem Erwerb von Wissen sind noch weitere Bereiche wichtig, sie umfassen alle Lebensbereiche. • Verhaltensweisen z.B. Überlebensstrategien • Wissen (Lesen, Schreiben, Sprechen, Fakten) Ganzheitliches Lernen mit Kopf, Herz und Hand • Gefühle z.B. Emotionen, Einstellung zum Leben, zur Moral, zu richtig oder falsch • Soziale Kompetenzen und Fähigkeiten wie Empathie, Teamfähigkeit, Verlässlichkeit, Belastbarkeit, Konfliktfähigkeit, Toleranz oder Hilfsbereitschaft • Bewegung z.B. gehen, Fahrrad fahren, schwimmen, Schleife binden • Bedeutung: Den Wissenszusammenhang von Worten oder Aussagen erlernen, wie zum Beispiel den Sinn einer Redewendung erkennen oder die Wichtigkeit und Tragweite verstehen. Lernen durch Erfahrung Ab wann sprechen wir von lernen? Als gelernt definiert man in der wissenschaftlichen Psychologie jene Verhaltensweisen, die im Laufe des Lebens durch Erfahrung und Übung erworben wurden. Diese Änderungen werden im Zentralnervensystem dauerhaft für einen längeren Zeitraum gespeichert. Explizit ausgeschlossen sind in der Definition menschliche Verhaltensänderungen, die durch Reifung, Ermüdung, Drogeneinfluss oder Ähnliches entstanden sind. Die 4 wichtigsten Aspekte von Erfahrung sind: 1. Erfahrung können wir uns am besten merken. 2. Erfahrungen prägen uns. 3. Erfahrungen geben uns Selbstvertrauen. 4. Erfahrungen sind Lernchancen. Dadurch kommt es zu Verhaltensänderungen bei uns Menschen. Den heute viel zitierten Spruch „Lernen mit Kopf, Herz und Hand” verdanken wir dem Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827). Er war davon überzeugt, dass sich ganzheitliches Lernen und Sinneserfahrungen positiv auf die Lernenden auswirken. Heute können wir diese Forderung nach ganzheitlichem Lernen mit Erkenntnissen aus der Hirn-, Intelligenz- und Lernforschung untermauern. Die damalige Vermutung, dass Kopf, Herz und Hand eine Lerneinheit bilden könnten, ist heute eine wissenschaftlich fundierte Gewissheit. Kopf: Hier wird die kognitive Ebene benannt. Dazu gehört, sich neues Wissen anzueignen und das Fachwissen zu erweitern. Mit dieser Lernebene erwerben wir Fachkompetenz. Herz: Mit dem Herzen lernen. Damit sind die Gefühlsebene, das Denken, und die persönlichen Einstellungen gemeint. Aber auch, wie wir auf andere wirken, gehört zum „Herzlernen” dazu. Affektives Lernen und Soziallernen sind der sozialen Kompetenz und der Persönlichkeitskompetenz zuzuordnen. Hand: Auf dieser Lernebene tun wir etwas mit unseren Händen. Wir lernen und verstehen durch konkretes, praktisches Handeln. Wir sprechen von Handlungskompetenz. Lernen in Lernphasen Je nach Lernstoff, der verarbeitet wird, stehen diese Lernphasen miteinander in Verbindung. Die Reihenfolge der Lernphasen kann unterschiedlich sein. Beispiel: Bedienen einer neuen Scheuersaugmaschine: Durch „Beobachten” bei der Kollegin kann die Mitarbeiterin „Erfahrung” sammeln und dann selbst ausprobieren, also „Machen”. Das Lernen kann aber auch folgendermaßen ablaufen: „Überlegen”, zum Bei- Infodienst 4/16 7 spiel beim Lesen der Gebrauchsanweisung, „Machen”, indem die Scheuersaugmaschine bedient wird und somit „Erfahrung” sammeln. Vielleicht kommt die Mitarbeiterin bei einem auftretenden Problem dazu, zum Beispiel weil die Maschine das Wasser nicht richtig aufsaugt, dass sie weiter „Überlegen” wird, woran das liegen könnte. Wir kennen alle den Spruch: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr”. Dazu haben Wissenschaftler festgestellt, dass dieser Spruch heute so nicht mehr zutrifft: Menschen sind in jedem Alter lernfähig. Auch älter werdende Menschen können noch hinzulernen. Nur lernen Ältere anders, nämlich durch Erfahrungswissen, welches im Laufe des Lebens erworben wurde. Bei der Gedächtnisleistung unterscheidet man zwei unterschiedliche Intelligenzformen: Fluide Intelligenz (fluid: flüssig, fließend): Diese Form kann immer reagieren, kann aktiv auf gespeichertes Wissen zurückgreifen und kann sich in neuen 8 Infodienst 4/16 Situationen orientieren. In jungen Jahren ist die fluide Intelligenz eher ausgebaut, zum Beispiel wenn wir in Schubläden denken. Mit zunehmendem Alter nimmt die fluide Intelligenz ab. Kristalline Intelligenz (kristallin: fest, stockend, starr, punktuell): Hierunter fällt allgemeines Wissen, Sprachfähigkeit und Sprachverständnis, Erfahrungen und das Anwenden von Gelerntem. Die kristalline Intelligenz erhöht sich im Alter (Altersweisheit). Beispiel: Ein Schüler kann sich relativ schnell Jahreszahlen und Fakten über Deutschland im Erdkundeunterricht merken und wiedergeben (fluide Intelligenz). Ein älter werdender Mensch kann Zahlen und Fakten nicht mehr so schnell und leicht lernen. Er verfügt aber über Lebenserfahrung und kann sich selbst an bestimmte Ereignisse in Deutschland erinnern, weil er sie selbst erlebt hat (kristalline Intelligenz). Jedoch ist die Gedächtnisleistung auch davon abhängig, wie es im Leben genutzt wurde. Man kann das Gehirn mit einem Muskel vergleichen. Wird das Gehirn regelmäßig genutzt und trainiert, kann es erhalten werden bzw. sich aufbauen. Unser Gehirn: Zentrale für Denken und Lernen Die Steuerung und Verarbeitung von allem, was wir aufgrund von Lernebenen und Lernphasen lernen können, findet im Gehirn statt. Wie funktioniert unser Gehirn, um die vielfältigen Informationen aufzunehmen und weiterzuleiten? Unser Gehirn ist ein komplexes und das wichtigste Organ des Menschen. Der Energiebedarf unseres Gehirns beträgt zirka 20 Prozent des gesamten täglichen Energiebedarfs. Wir besitzen bereits bei der Geburt die komplette Ausstattung von etwa 100.000 Milliarden Neuronen (Nervenzellen). Diese sind durch Nervenfasern miteinander verbunden. Aufbau und Verknüpfung dieser Nervenfasern sind die Voraussetzung für eine gute Entwicklung des Gehirns und seiner Leistung. Mit Hilfe von chemischen Botenstoffen, den sogenannten Neurotransmittern, werden die elektrischen Impulse von einer Nervenzelle zur nächsten übertragen. Um Reize und Informationen aufzunehmen, benötigt das Gehirn die Informationen der Sinne wie Augen, Ohren, Nase, Zunge und Hände. Man geht davon aus, dass etwa zehn Millionen Informationen pro Sekunde in unser Hirn gelangen. Unglaublich viel! Davon werden aber nur 20 Informationen bewusst weiterverarbeitet, der Rest landet im Unterbewusstsein. Informationsverarbeitung und Informationsspeicherung im Gehirn Das Gedächtnis besitzt die Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten, zu speichern und abzurufen. Wo genau es sich befindet, wissen wir nicht, aber Wissenschaftler können heutzutage dem Gehirn durch bildgebende Verfahren (MRT) „beim Denken zusehen”. Wir werden „ Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.“ Galileo Galilei nicht von unserer Vernunft, sondern maßgeblich von unseren Emotionen gesteuert (Limbisches System). Aus Erinnerungen, die mit Emotionen markiert sind, lernen wir (z.B. der Umgang mit einer heißen Herdplatte). Von der Informationsaufnahme zur Verarbeitung und Speicherung Durch die Sinnesorgane werden Informationen ins sensorische Gedächtnis aufgenommen. Innerhalb einer Sekunde wird die Information entschlüsselt und ins Arbeitsgedächtnis/Kurzzeitgedächtnis verschoben. Von dort gelangt es in das Langzeitgedächtnis, wo es über Jahre gespeichert wird. Aber lange nicht alle Informationen kommen dort an. Wenn wir erworbenes Wissen ins Langzeitgedächtnis ablegen, dienen Eiweißstoffe als sogenannte Gedächtnismoleküle, um Informationen langfristig zu speichern. Da im zunehmenden Alter die körpereigene Produktion von Eiweißstoffen abnimmt, ist es auch verständlich, dass es älteren Menschen oft schwerer fällt, aktuelle Informationen lange im Gedächtnis zu behalten. Foto: clipdealer.de Verschiedene Lerntheorien Behaviorismus: Klassische Konditionierung Die älteste Lerntheorie hat mit dem klassischen Konditionieren durch den russischen Mediziner und Physiologen Iwan Pawlow ihre ersten Erkenntnisse beschrieben. Das Gehirn war noch nicht erforscht, man beschränkte sich darauf, welche Reize zu welchen Reaktionen (Reiz-Reaktions-Lernen) führten. Das Beispiel, das wir alle kennen: Bei einem Glockenton setzt der Speichelfluss des Hundes ein. Es handelt sich um sogenanntes Signallernen. Diese Form des Lernens wird heutzutage bei Ängsten und Phobien eingesetzt und kann in umgekehrter Reihenfolge (wie bei dem Versuch mit dem Hund) zu einer willkommenen Lernerfahrung werden. Behaviorismus: Instrumentelles oder operantes Lernen Diese Lerntheorie geht zurück auf den Psychologen B.F. Skinner. Seine Lernprinzipien beruhen auf Erfahrung, zum Beispiel durch die Skinnerbox. Negative und positive Verstärkung und Bestrafungen verändern den Menschen und führen zu Verhaltensänderungen. Kognitivismus: Lernen am Modell Ein wichtiger Vertreter des Kognitivismus ist der kanadische Psychologe Albert Bandura. Durch Lernen am Modell oder von Vorbildern werden Verhaltensmuster von anderen Personen beobachtet, übernommen und imitiert. Besonders Kinder übernehmen Verhaltensweisen (Rocky-Experiment 1965). Drei Bedingungen sind entscheidend für das Lernen am Modell: Die Person wird für ihr Verhalten (positiv oder negativ) belohnt, die Person hat Macht (dominiert) oder die Person hat Ähnlichkeiten mit der eigenen Person (Geschlecht, Schicksal). Konstruktivismus Als wichtigste Vertreter dieser Lerntheorie gelten Jean Piaget (Lernen) und Paul Watzlawick (Kommunikation und Verhalten). Diese Lerntheorie baut auf das Lernen durch Irritation. Informationen die widersprüchlich sind, führen zu Irritationen und in der Regel zu Frustration oder aber auch zu einer intensiveren Beschäftigung damit. Es wird versucht, den bestehenden Widerspruch aufzulösen. Lernprinzipien, die sich daraus ergeben, sind: Es kann nur verstanden und gelernt werden, was sich mit vorhandenem Wissen verknüpfen lässt und jeder hat sein eigenes Lerntempo. Konnektivismus Die jüngste der Lerntheorien ist der Konnektivismus. Der kanadische Lerntheoretiker George Siemens entwickelte sie im Jahr 2005. Das Lernprinzip dieser Lerntheorie sieht den Menschen beim Lernen in der digitalen Welt als ein vernetztes Individuum. Netzwerke werden gespannt, auf die der Mensch jederzeit zurückgreifen kann, siehe auch MOOC als Lernformat im Artikel „Neues Lernen – Digitalisierung und Bildung mit Blick auf die Zukunft der Arbeit.” Christa Anna Fischer Guy.R. Lefrancois: Psychologie des Lernens, Springer Medizinverlag Heidelberg, 2006 http://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2016/april/expertenfordern-anerkennungssystem-fuer-informellund-non-formal-erworbene-kompetenzen/ Infodienst 4/16 9