Infodienst4 - Berufsverband Hauswirtschaft

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Infodienst 4
August 2016
www.berufsverband-hauswirtschaft.de
(Neues) Lernen
Was passiert
beim Lernen?
Lernen immer
und überall
Schulungen
für Mitarbeiter
Neues Fortbildungsprogramm
Fit für den Beruf durch „Neues Lernen“ und klassische Seminare
Unter dem Motto „Hauswirtschaftliche Kompetenz für Profis“ geht auch im kommenden Jahr das Fortbildungsprogramm des Berufsverbandes Hauswirtschaft an den Start. Die bekannte Kombination aus bewährten
und neuen Seminarangeboten wird weitergeführt. Aber auch hier wollen wir Ihnen erste Angebote zum
„Neuen Lernen“ präsentieren. Zum ersten Mal bieten wir ein Webinar an und laden Sie auch zum Late-NightLearning ein.
Das Seminarprogramm vermittelt Ihnen das Wissen und die Fähigkeiten, die Sie benötigen, um sich auf die
sich ständig verändernden Anforderungen in Ihrem Berufsalltag einstellen zu können: Fachkompetenz, Sozialkompetenz und die Fähigkeit, eigene Konzepte zu entwickeln, werden Ihnen von erfahrenen Referentinnen
und Referenten vermittelt.
Unsere Planung ist noch nicht ganz beendet. Sie können aber mit etwa 35 Seminarangeboten rechnen.
Wieder einmal angeboten wird das Thema Arbeitsrecht. Was ändert sich mit der neuen ISO 9001? Das ist
für alle hauswirtschaftlichen Führungskräfte, die sich mit Qualitätsmanagement beschäftigen, ein Muss.
Neu sind im kommenden Jahr auch drei Tage zur Hygiene in Küche, bei der Reinigung und der Wäschepflege,
die Sie miteinander kombinieren können.
Das Fortbildungsprogramm 2017 finden Sie als Beilage im nächsten Infodienst.
Editorial
Christa Anna
Fischer
Liebe Leserinnen und Leser,
von wem haben Sie alles gelernt oder gar neues Wissen aufgenommen? An welche
Lehrer denken Sie, wenn Sie an Ihre Schulzeit denken? Mir kommt in der Zeit der Grundschule eine Lehrerin ganz positiv in Erinnerung. So wie diese Lehrerin wollte ich auch
werden. Ihre Methoden und Korrektheit haben mir das Lernen leicht gemacht. In ihrem
Unterricht hatte ich keine Angst. Im Gegensatz zum Mathelehrer, der uns vor der Klasse an
der Tafel „vorführte“. Diese beiden Lehrer arbeiteten nach unterschiedlichen Lerntheorien:
Das Modelllernen ist im Gegensatz zur negativen Verstärkung sicher das erfolgreichere
Modell.
Lernen ist personenabhängig – dass wissen wir heute. Neues zu lernen ist abhängig von
der Person, von der wir lernen. Nehmen wir den Menschen positiv an oder haben wir eine
hohe Identifikation mit demjenigen, dann fällt das Lernen leichter. So einfach ist das!
Lassen Sie uns das im betrieblichen Kontext nutzen. Lernpartnerschaften sind als Tandem
oder als Mentoring eine Möglichkeit, wertvolles Wissen im Betrieb zu halten. Eine relativ
junge Lerntheorie ist der Konnektivismus, der uns zum Thema neues Lernen in die digitale
Lernwelt überführt. Willkommen im Zeitalter von E-Learning, Webinaren und Late-NightLearning.
Lesen Sie, wie Digitalisierung und Bildung die Zukunft unserer Arbeit beeinflussen wird.
Lernformate wie Design-Thinking-Workshops oder Barcamps führen dazu, dass lebenslanges Lernen zum persönlichen lebenslangen Lernnetzwerk führt. Lernen hört nie auf.
Auch Ältere lernen, nur anders.
Auch ich habe wieder viel Neues dazu gelernt. Gelerntes mit neuen Informationen zu
verknüpfen, war mit viel Aufwand verbunden. Aber: Die Verantwortung für dieses
Schwerpunktthema zu haben, war wieder ein enormer Wissenszuwachs für mich
persönlich. So lerne ich.
Viel Spaß beim Lesen und Lernen. Wir freuen uns, wenn Sie uns ein Feedback geben.
Ihre
Christa Anna Fischer
Infodienst 4/16 3
S. 6
Was passiert
beim Lernen?
S. 16
Schulungen
für Mitarbeiter
S. 13
Lernen immer
und überall
Inhalt
3
Berufsverband
Hauswirtschaft
auf Facebook
Editorial
Mit Dank an unsere Sponsoren:
Aus der Berufspraxis
Grundlagen
(Neues) Lernen
E-Learning
Dienstleistung
Methoden
Interview
Hirnforschung
Methoden
Lernen
International
6
10
13
15
16
20
22
24
27
28
31
32
Lernen ist Leben
Digitalisierung und Bildung
Volle Flexibilität durch mobile Tauglichkeit
Wachstumsmarkt Fernlernen
Schulungen vorbereiten und durchführen
Lernen nach Feierabend
So geht das Lernen leichter
Frontalunterricht ist out –
Lernen in Bewegung ist in!
Kreativ präsentieren – Zuhörer begeistern
Bewegungspausen im Seminar
Lernen in Lernpartnerschaften
Hauswirtschaft in Europa
Aus dem Berufsverband
Aktuelles
34
35
Karriere
Wertgeschätzt & willkommen
36
37
38
39
40
41
42
46
Für Sie notiert
44
Gehört & Gelesen
45
46
Aus den Landesverbänden
Frauenrat
Aktuelles
Bericht von der 208. Präsisidiumssitzung
Beruflicher Wiedereinstieg
durch Qualifizierung
Bildungsmesse und Fachtagung
Bayern
Rheinland-Pfalz/Saarland
Seglerin steuert Frauenlobby
Weniger Risiko aus Krankenhausküchen
Preis für Engagement gegen Verschwendung
Fortbildungen
Neue Mitglieder
Service
Titelfotos: fotolia, clipdealer
4 Infodienst 4/16
Umfrage zu Wäsche
im Alten- und Pflegeheim
alphabet – Angst oder Liebe
Impressum
Wegbereiter
mit Hang zur Ausdauer gesucht
Der Berufsverband Hauswirtscha liebt Menschen mit
Visionen und Macher. Wenn Ihnen das eigene
Vorwärtskommen noch nicht reicht, dann lassen Sie
sich weiter beflügeln und stellen Sie sich der Wahl des
(Vize-)Präsidenten oder des Präsidiums.
Ab Mai 2017 könnten Ihnen drei spannende Jahre der
Weiterentwicklung bevorstehen. Schnuppern Sie
unverbindlich hinein und klären Sie Ihre Möglichkeiten.
Sie treffen auf Kolleginnen und Kollegen mit reichem
Erfahrungsschatz und auf die Unterstützung einer
engagierten Geschässtelle.
Lust, aber noch keine Ahnung? Infos gibt‘s bei den
Vorsitzenden, der Geschässtelle oder unter
www.berufsverband-hauswirtscha.de
Flotte Feder
mit Hang zur Schreibwut gesucht
Das Redak-onsteam unserer Verbandszeitschri
Infodienst bietet wortgewandten Frauen und
Männern die Gelegenheit, journalis-sch ak-v zu
werden. Zeigen Sie Ihrem Arbeitgeber, was Sie auch
auf diesem Gebiet wortwörtlich drauf haben!
Als Exper-n
berichten Sie aus der Praxis,
recherchieren Inhalte,
oder rezensieren Bücher.
Überzeugt von Ihrem Auri.? Dann freut sich die
Redak-onsgruppe über Ihre Kontaktaufnahme unter
[email protected].
„Man kann in Kinder nichts
hinein prügeln, aber vieles
heraus streicheln.“
Astrid Lindgren
xxx
Lernen ist Leben
Doch was lernen Kinder in der Schule?
Anpassung. So meint Erich Wagenhofer,
der mit seinem Dokumentarfilm „alphabet – Angst oder Liebe” anhand von Beispielen belegt, wie aus kleinen Genies
mit Neugier, Wissensdurst, Kreativität
und Talenten angstgesteuerte Vermeidungsexperten werden. Aber in dem
Film werden Alternativen aufgeführt:
Begeistern statt Belehren, Fördern statt
Unterrichten.
Fragt man Schüler, was sie mit Lernen
in Verbindung bringen, dann erinnern
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sie sich meist an bestimmte Lehrer. An
gute und nicht gute Lehrer, die Grundschullehrerin (meist sind es Lehrerinnen) hat zu Beginn der Schulzeit in
der ersten Klasse lesen, schreiben, rechnen vermittelt. Und Schüler erinnern
sich an Fächer, die gemocht werden
(z.B. Sport) und an Fächer, die gehasst
werden (z.B. Mathe).
Fragt man Auszubildende, was sie mit
Lernen in Verbindung bringen, so erhält
man häufig die Antwort, dass sie in einer
dualen Ausbildung die Verknüpfung von
Theorie und Praxis begrüßen. Auch hier
erkennen die Auszubildenden meist,
dass Selbstmotivation und das WIE der
Lehrenden (offene oder steuernde Vermittlungsmethoden) entscheidend sind.
Fragt man Studenten, was sie mit Lernen
in Verbindung bringen, dann erhält man
häufig die Antwort: Mit Lernen kann
man sich etwas aneignen, um sich zu
verbessern. Andererseits ist Lernen anstrengend und manchmal „ätzend”. Es
ist aufwändig: Die 10.000-StundenRegel besagt, dass Talent allein nicht
Foto: fotolia
Wir lernen vom ersten Tag in unserem Leben, wir lernen, wer unsere
nächsten Menschen sind, wie und was man isst und ob wir es mögen.
Wir lernen, wie wir uns in bestimmten Situationen verhalten, wir lernen
Rad fahren und dass man bei Rot stehen bleibt und bei Grün geht. Wir
lernen in den verschiedenen Lernphasen von anderen und durch unsere
eigenen Erfahrungen, die immer mit Gefühlen in Verbindung gebracht
werden. Mal sind wir wissbegierig und wollen etwas unbedingt wissen.
Mal interessiert uns das, was man uns beibringen möchte, kein bisschen.
Der neugeborene Mensch kommt mit einem bereits fertig angelegten
Gehirn auf die Welt. Alles ist angelegt. Neuronen und Faserverbindungen müssen sich aufbauen – durch Lernen.
ausreicht um ein erfolgreicher Geschäftsmann, Musiker oder Sportler
zu werden (Anmerkung: Anders
Ericsson, Ralf Krampe und Clemens
Tesch-Römer formulierten 1993 die
sogenannte 10.000-Stunden-Regel,
die der US-Autor Malcolm Gladwell
später in seinem Bestseller „Überflieger: Warum manche Menschen
erfolgreich sind – und andere nicht”
populär machte.) Viel Wissen wird in
Vorlesungen vermittelt und zu einem
späteren Zeitpunkt in Klausuren abgefragt. Manche sprechen von „BulimieLernen”.
Älter werdende Menschen: „Neues zu
lernen, wird schwerer. Wie sollen wir
uns das denn alles merken?”, sagen
Mitarbeiter, die länger nicht mehr die
Schulbank gedrückt haben. Oftmals
werden Neuerungen, sei es im technischen Bereich oder bei neuen Arbeitsabläufen, nicht sofort so umgesetzt, wie
man sich das als Anleiterin vorstellt. Ein
Beispiel ist die Umstellung der Hausreinigung auf ergebnisorientierte Reinigung. Es sind Schulungen notwendig,
die diese Personengruppe auch erreicht.
Bei einer Weiterbildung muss man das
Lernen erst wieder lernen. Mal abgesehen davon, dass man im Gegensatz zur
täglichen Arbeit die Lernzeit üblicherweise mehr im Sitzen verbringt. Wie wir
in den Artikeln zum bewegten Lernen
von Carola Reiner (Seite 24 und 28)
lesen, ist das kontraproduktiv. Zum erfolgreichen Lernen gehören Motivation
und Interesse, die richtigen Lernmethoden und ein geeigneter Lehrender.
Was wir alles lernen können?
Lernen wird mit dem Erwerb von
Wissen in Verbindung gebracht. Neben
dem Erwerb von Wissen sind noch weitere Bereiche wichtig, sie umfassen alle
Lebensbereiche.
• Verhaltensweisen z.B. Überlebensstrategien
• Wissen (Lesen, Schreiben, Sprechen,
Fakten)
Ganzheitliches Lernen
mit Kopf, Herz und Hand
• Gefühle z.B. Emotionen, Einstellung
zum Leben, zur Moral, zu richtig
oder falsch
• Soziale Kompetenzen und Fähigkeiten wie Empathie, Teamfähigkeit,
Verlässlichkeit, Belastbarkeit, Konfliktfähigkeit, Toleranz oder Hilfsbereitschaft
• Bewegung z.B. gehen, Fahrrad fahren, schwimmen, Schleife binden
• Bedeutung: Den Wissenszusammenhang von Worten oder Aussagen erlernen, wie zum Beispiel den Sinn
einer Redewendung erkennen oder
die Wichtigkeit und Tragweite verstehen.
Lernen durch Erfahrung
Ab wann sprechen wir von lernen? Als
gelernt definiert man in der wissenschaftlichen Psychologie jene Verhaltensweisen, die im Laufe des Lebens
durch Erfahrung und Übung erworben
wurden. Diese Änderungen werden im
Zentralnervensystem dauerhaft für einen
längeren Zeitraum gespeichert. Explizit
ausgeschlossen sind in der Definition
menschliche Verhaltensänderungen, die
durch Reifung, Ermüdung, Drogeneinfluss oder Ähnliches entstanden sind.
Die 4 wichtigsten Aspekte von Erfahrung sind:
1. Erfahrung können wir uns am besten
merken.
2. Erfahrungen prägen uns.
3. Erfahrungen geben uns Selbstvertrauen.
4. Erfahrungen sind Lernchancen.
Dadurch kommt es zu Verhaltensänderungen bei uns Menschen.
Den heute viel zitierten Spruch
„Lernen mit Kopf, Herz und
Hand” verdanken wir dem Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi
(1746-1827). Er war davon überzeugt, dass sich ganzheitliches
Lernen und Sinneserfahrungen
positiv auf die Lernenden auswirken.
Heute können wir diese Forderung nach
ganzheitlichem Lernen mit Erkenntnissen aus der Hirn-, Intelligenz- und Lernforschung untermauern. Die damalige
Vermutung, dass Kopf, Herz und Hand
eine Lerneinheit bilden könnten, ist
heute eine wissenschaftlich fundierte
Gewissheit.
Kopf: Hier wird die kognitive Ebene
benannt. Dazu gehört, sich neues Wissen anzueignen und das Fachwissen zu
erweitern. Mit dieser Lernebene erwerben wir Fachkompetenz.
Herz: Mit dem Herzen lernen. Damit
sind die Gefühlsebene, das Denken, und
die persönlichen Einstellungen gemeint.
Aber auch, wie wir auf andere wirken,
gehört zum „Herzlernen” dazu. Affektives Lernen und Soziallernen sind der
sozialen Kompetenz und der Persönlichkeitskompetenz zuzuordnen.
Hand: Auf dieser Lernebene tun wir
etwas mit unseren Händen. Wir lernen
und verstehen durch konkretes, praktisches Handeln. Wir sprechen von Handlungskompetenz.
Lernen in Lernphasen
Je nach Lernstoff, der verarbeitet wird,
stehen diese Lernphasen miteinander in
Verbindung. Die Reihenfolge der Lernphasen kann unterschiedlich sein.
Beispiel: Bedienen einer neuen Scheuersaugmaschine: Durch „Beobachten” bei
der Kollegin kann die Mitarbeiterin
„Erfahrung” sammeln und dann selbst
ausprobieren, also „Machen”.
Das Lernen kann aber auch folgendermaßen ablaufen: „Überlegen”, zum Bei-
Infodienst 4/16 7
spiel beim Lesen der Gebrauchsanweisung, „Machen”, indem die Scheuersaugmaschine bedient wird und somit
„Erfahrung” sammeln. Vielleicht kommt
die Mitarbeiterin bei einem auftretenden
Problem dazu, zum Beispiel weil die
Maschine das Wasser nicht richtig aufsaugt, dass sie weiter „Überlegen” wird,
woran das liegen könnte.
Wir kennen alle den Spruch: „Was
Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer
mehr”. Dazu haben Wissenschaftler
festgestellt, dass dieser Spruch heute so
nicht mehr zutrifft: Menschen sind in
jedem Alter lernfähig. Auch älter werdende Menschen können noch hinzulernen. Nur lernen Ältere anders, nämlich
durch Erfahrungswissen, welches im
Laufe des Lebens erworben wurde.
Bei der Gedächtnisleistung unterscheidet man zwei unterschiedliche Intelligenzformen:
Fluide Intelligenz (fluid: flüssig, fließend): Diese Form kann immer reagieren, kann aktiv auf gespeichertes Wissen
zurückgreifen und kann sich in neuen
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Situationen orientieren. In jungen Jahren
ist die fluide Intelligenz eher ausgebaut,
zum Beispiel wenn wir in Schubläden
denken. Mit zunehmendem Alter nimmt
die fluide Intelligenz ab.
Kristalline Intelligenz (kristallin: fest,
stockend, starr, punktuell): Hierunter
fällt allgemeines Wissen, Sprachfähigkeit und Sprachverständnis, Erfahrungen und das Anwenden von Gelerntem.
Die kristalline Intelligenz erhöht sich im
Alter (Altersweisheit).
Beispiel: Ein Schüler kann sich relativ
schnell Jahreszahlen und Fakten über
Deutschland im Erdkundeunterricht
merken und wiedergeben (fluide Intelligenz). Ein älter werdender Mensch
kann Zahlen und Fakten nicht mehr so
schnell und leicht lernen. Er verfügt aber
über Lebenserfahrung und kann sich
selbst an bestimmte Ereignisse in
Deutschland erinnern, weil er sie selbst
erlebt hat (kristalline Intelligenz).
Jedoch ist die Gedächtnisleistung auch
davon abhängig, wie es im Leben genutzt wurde. Man kann das Gehirn mit
einem Muskel vergleichen. Wird das
Gehirn regelmäßig genutzt und trainiert,
kann es erhalten werden bzw. sich aufbauen.
Unser Gehirn:
Zentrale für
Denken und
Lernen
Die Steuerung und Verarbeitung von
allem, was wir aufgrund von Lernebenen und Lernphasen lernen können,
findet im Gehirn statt. Wie funktioniert
unser Gehirn, um die vielfältigen Informationen aufzunehmen und weiterzuleiten? Unser Gehirn ist ein komplexes und
das wichtigste Organ des Menschen.
Der Energiebedarf unseres Gehirns beträgt zirka 20 Prozent des gesamten täglichen Energiebedarfs.
Wir besitzen bereits bei der Geburt die
komplette Ausstattung von etwa 100.000
Milliarden Neuronen (Nervenzellen).
Diese sind durch Nervenfasern miteinander verbunden. Aufbau und Verknüpfung dieser Nervenfasern sind die
Voraussetzung für eine gute Entwicklung des Gehirns und seiner Leistung.
Mit Hilfe von chemischen Botenstoffen,
den sogenannten Neurotransmittern,
werden die elektrischen Impulse von
einer Nervenzelle zur nächsten übertragen. Um Reize und Informationen aufzunehmen, benötigt das Gehirn die Informationen der Sinne wie Augen,
Ohren, Nase, Zunge und Hände.
Man geht davon aus, dass etwa zehn
Millionen Informationen pro Sekunde in
unser Hirn gelangen. Unglaublich viel!
Davon werden aber nur 20 Informationen bewusst weiterverarbeitet, der
Rest landet im Unterbewusstsein.
Informationsverarbeitung und
Informationsspeicherung im Gehirn
Das Gedächtnis besitzt die Fähigkeit,
Informationen zu verarbeiten, zu speichern und abzurufen. Wo genau es sich
befindet, wissen wir nicht, aber Wissenschaftler können heutzutage dem Gehirn
durch bildgebende Verfahren (MRT)
„beim Denken zusehen”. Wir werden
„ Man kann einen Menschen
nichts lehren, man kann ihm
nur helfen, es in sich selbst zu
entdecken.“
Galileo Galilei
nicht von unserer Vernunft, sondern
maßgeblich von unseren Emotionen
gesteuert (Limbisches System). Aus
Erinnerungen, die mit Emotionen markiert sind, lernen wir (z.B. der Umgang
mit einer heißen Herdplatte).
Von der Informationsaufnahme
zur Verarbeitung und Speicherung
Durch die Sinnesorgane werden Informationen ins sensorische Gedächtnis
aufgenommen. Innerhalb einer Sekunde
wird die Information entschlüsselt und
ins Arbeitsgedächtnis/Kurzzeitgedächtnis verschoben. Von dort gelangt es in
das Langzeitgedächtnis, wo es über
Jahre gespeichert wird. Aber lange nicht
alle Informationen kommen dort an.
Wenn wir erworbenes Wissen ins Langzeitgedächtnis ablegen, dienen Eiweißstoffe als sogenannte Gedächtnismoleküle, um Informationen langfristig zu
speichern. Da im zunehmenden Alter die
körpereigene Produktion von Eiweißstoffen abnimmt, ist es auch verständlich, dass es älteren Menschen oft
schwerer fällt, aktuelle Informationen
lange im Gedächtnis zu behalten.
Foto: clipdealer.de
Verschiedene Lerntheorien
Behaviorismus:
Klassische Konditionierung
Die älteste Lerntheorie hat mit dem
klassischen Konditionieren durch den
russischen Mediziner und Physiologen
Iwan Pawlow ihre ersten Erkenntnisse
beschrieben. Das Gehirn war noch nicht
erforscht, man beschränkte sich darauf,
welche Reize zu welchen Reaktionen
(Reiz-Reaktions-Lernen) führten. Das
Beispiel, das wir alle kennen: Bei einem
Glockenton setzt der Speichelfluss des
Hundes ein. Es handelt sich um sogenanntes Signallernen. Diese Form des
Lernens wird heutzutage bei Ängsten
und Phobien eingesetzt und kann in
umgekehrter Reihenfolge (wie bei dem
Versuch mit dem Hund) zu einer willkommenen Lernerfahrung werden.
Behaviorismus: Instrumentelles
oder operantes Lernen
Diese Lerntheorie geht zurück auf den
Psychologen B.F. Skinner. Seine Lernprinzipien beruhen auf Erfahrung, zum
Beispiel durch die Skinnerbox. Negative
und positive Verstärkung und Bestrafungen verändern den Menschen und
führen zu Verhaltensänderungen.
Kognitivismus: Lernen am Modell
Ein wichtiger Vertreter des Kognitivismus ist der kanadische Psychologe
Albert Bandura. Durch Lernen am
Modell oder von Vorbildern werden Verhaltensmuster von anderen Personen beobachtet, übernommen und imitiert.
Besonders Kinder übernehmen Verhaltensweisen (Rocky-Experiment 1965).
Drei Bedingungen sind entscheidend für
das Lernen am Modell: Die Person wird
für ihr Verhalten (positiv oder negativ)
belohnt, die Person hat Macht (dominiert) oder die Person hat Ähnlichkeiten
mit der eigenen Person (Geschlecht,
Schicksal).
Konstruktivismus
Als wichtigste Vertreter dieser Lerntheorie gelten Jean Piaget (Lernen) und
Paul Watzlawick (Kommunikation und
Verhalten). Diese Lerntheorie baut auf
das Lernen durch Irritation. Informationen die widersprüchlich sind, führen
zu Irritationen und in der Regel zu Frustration oder aber auch zu einer intensiveren Beschäftigung damit. Es wird versucht, den bestehenden Widerspruch
aufzulösen. Lernprinzipien, die sich daraus ergeben, sind: Es kann nur verstanden und gelernt werden, was sich mit
vorhandenem Wissen verknüpfen lässt
und jeder hat sein eigenes Lerntempo.
Konnektivismus
Die jüngste der Lerntheorien ist der
Konnektivismus. Der kanadische Lerntheoretiker George Siemens entwickelte
sie im Jahr 2005. Das Lernprinzip dieser
Lerntheorie sieht den Menschen beim
Lernen in der digitalen Welt als ein vernetztes Individuum. Netzwerke werden
gespannt, auf die der Mensch jederzeit
zurückgreifen kann, siehe auch MOOC
als Lernformat im Artikel „Neues
Lernen – Digitalisierung und Bildung
mit Blick auf die Zukunft der Arbeit.”
Christa Anna Fischer
Guy.R. Lefrancois: Psychologie des Lernens,
Springer Medizinverlag Heidelberg, 2006
http://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2016/april/expertenfordern-anerkennungssystem-fuer-informellund-non-formal-erworbene-kompetenzen/
Infodienst 4/16 9
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