52-55 Traubensilber-1

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Pflanzenpower
Die Traubensilberkerze
soll Erkrankungen der
Gebärmutter lindern –
sagen zumindest die
Indianer Nordamerikas.
Westliche Phytotherapeuten halten jedoch
nur die Behebung von
Wechseljahr-Beschwerden
für erwiesen.
Text: Marion Kaden
Foto: Bildagentur Waldhäusl
D
ie Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) gehört zum Heilpflanzen-Schatz der nordamerikanischen Indianer. Sie verwendeten nur die in Scheiben geschnittene
und ohne Sonneneinwirkung getrocknete
Wurzel. Der Erntezeitpunkt der Wurzel
war in der indianischen Heilkunde von
Bedeutung: Sie musste vor Sonnenaufgang geerntet werden. Dann half sie gegen
Menstruationsbeschwerden oder diente
zur Linderung von Geburtsschmerzen.
Wurde sie als Arznei gegen Rheuma,
Arthritis, Asthma, Schlangen- oder Insektenbisse gebraucht, musste zum Erntezeitpunkt die Sonne ihren Höchststand
erreicht haben. Entsprechend verfügten
die Heilkundigen über verschiedene
Behälter mit den zu unterschiedlichen
Zeiten geernteten Wurzeln.
Chrüteregge GESUNDHEIT
gegen Wallungen
Hilfe bei Alkoholvergiftungen
Doch nicht nur getrocknet setzten die
Indianer die Wurzel ein. Die frische Wurzel verarbeiteten sie zu Press-Saft. Diesen
mischten sie entweder mit Ahornsirup
oder Honig und setzten diese Mischung
gegen Husten, Keuchhusten, Leber- oder
Nierenerkrankungen ein.
Über indianische Heiler gelangten
die Traubensilberkerzen-Anwendungen
zu den weissen Siedlerinnen. Sie setzten
die Heilpflanze vor allem gegen Menstruationsbeschwerden und als Stärkungsmittel nach schweren Geburten ein. Amerikanische Ärzte hielten diese Indikationen erstmals 1801 schriftlich fest. Im
Verlauf des 19. Jahrhunderts wandten
sich Ärzte auch den entzündungshemmenden Wirkstoffen bei Arthritis und
Rheuma zu.
Ein trauriges Kapitel schlugen die
Weissen auf, als sie begannen, billigen
Alkohol als Zahlungsmittel für Pelze
oder Waffen einzusetzen: Da Indianer
Alkohol nur schlecht verstoffwechseln
können, erlitten sie beim Alkoholkonsum schwere Vergiftungen. Hier sollen
indianische Heilkundige ihre Landsleute
mit Auszügen von Wurzelpulver versorgt
haben, das in heissem Wasser aufgelöst,
beruhigend und krampflösend wirkte.
Die Wechseljahre
Für Frauen in den Wechseljahren
(Klimakterium) endet die EierstockFunktion und die Bildung von weiblichen Geschlechtshormonen nimmt ab.
Neues Wissen
für den alten Kontinent
Dieser natürliche Vorgang beginnt am
häufigsten zwischen dem 48. und
Im 19. Jahrhundert begannen amerikanische Homöopathen sich mit der Heilpflanze zu beschäftigen. Der wohl berühmteste US-Homöopath, James Taylor
Kent (1849 bis 1916), dokumentierte
praktische Erfahrungen am Kranken,
nahm jedoch noch keine Prüfung am
Gesunden vor, wie sie für eine abschliessende Beurteilung eines homöopathischen
Arzneimittels erforderlich ist. Seine Erkenntnisse gelangten Anfang des 20. Jahrhunderts zu den europäischen Kollegen,
die die Indianerpflanze in Europa bekannt
machten.
In den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts interessierten sich auch Phytotherapeuten für die Traubensilberkerze.
Das «Lehrbuch der biologischen Heilmittel», von Gerhard Madaus 1936
52. Lebensjahr. Die Wechseljahre kündigen sich oft durch unregelmässige,
manchmal auch verstärkte Blutungen
an. Auch Beschwerden wie Hitzewallungen, Erschöpfung, Schlafstörungen
kommen vor. Solche Störungen des
vegetativen Nervensystems verunsichern zwar manche Frauen, sind jedoch
nicht gefährlich oder Ausdruck einer
Krankheit. 25 bis 30 Prozent der Frauen
im Wechsel klagen über starke, 30 Prozent über leichte Beschwerden.
Die Hormonumstellung führt allmählich zu einigen Veränderungen. Beispiel: Die Haut wird dünner, heilt
aber besser. Schleimhäute können
leicht austrocknen, was zum Beispiel Schmerzen beim Sex verursachen kann (siehe auch «Natürlich»
Die spitzen und tief gesägten Blätter der Traubensilberkerze
8-05). Das relative Überwiegen von
Testosteron – im Vergleich zu den
weiblichen Geschlechtshormonen
aus Fettgewebe und Nebennierenrinde – macht Sex jedoch intensiver.
Der Wechsel wird von Frauen unterschiedlich empfunden. Bei der Verarbeitung dieses Lebensabschnitts
spielen viele Faktoren eine Rolle:
Gesundheitszustand, soziale Stellung, Bildung, Glaube, kulturelle
Foto: Beat Ernst, Basel
Unterschiede. Bei starken Beschwerden, bei denen vormals Östrogenpräparate Effekte hatten, können
pflanzliche Hilfsmittel wie Cimicifuga
Beschwerden lindern.
Natürlich | 7-2006 53
GESUNDHEIT Chrüteregge
herausgegeben, spiegelt als umfassendes
Kompendium das damalige wissenschaftlich orientierte Heilpflanzen-Wissen wider. Madaus widmete der Heilpflanze erst
fünf Seiten, weil bis zu dem Zeitpunkt
nur wenig Ärzte Erfahrungen mit der
Pflanze gesammelt und dokumentiert hatten. Madaus trug Berichte von Verordnungen bei Bronchialkatarrhen, Rheumatismus, Neuralgien und Uterus- und
Ovarienbeschwerden zusammen.
Ärzte stellten auch Erfahrungen von
Anwendungen bei Delirium tremens (Alkohol-Delirium), funktioneller Impotenz
Gegen Husten
Die Indianerpflanze Black Cohosh hat viele andere Namen: Rattle Root, Squaw Root, Bugbane,
Bugwort, Rattleweed, Rattlesnake's Root, Rieh
Weed.
Black Cohosh war von 1820 bis 1936 Bestandteil
oder Ohrensausen vor. Seither hat sich in
der Erforschung der Pflanze viel getan –
sie gehört nun zu einer der am besten
untersuchten Pflanzen überhaupt.
Pflanzenwirkstoffe
statt künstlicher Hormone
Seit Ende der 50er-Jahre wurden die
Wirkstoffe der Pflanze systematisch erforscht. Wirksamkeit und Verträglichkeit
der Traubensilberkerze sind in zahlreichen Untersuchungen geprüft worden. Mittlerweile liegen Studiendaten
von mehr als 8000 Frauen vor. Ende der
80er-Jahre wurde die Traubensilberkerze
vom ehemaligen Bundesgesundheitsamt
der Bundesrepublik Deutschland bei
«prämenstruellen und dysmenorrhoischen sowie klimakterisch bedingten
neurovegetativen Beschwerden» positiv,
also als wirksam bei Menstruations- wie
Wechseljahrbeschwerden bewertet.
Wie häufig bei pflanzlichen Präparaten kam seitens der Schulmedizin die
Kritik, dass die Studien nicht die Kriterien
der modernen Medizin erfüllten. Doch
seitdem wissenschaftliche Doppelblindstudien mit einigen Wirkstoffen der Traubensilberkerze vorliegen, sind die kritischen Stimmen leiser geworden. Es lässt
sich sogar eine gegenteilige Tendenz ermitteln: Denn pflanzliche Traubensilberkerzen-Präparate könnten eine Lücke füllen, die durch die Skandale um die Hormonersatztherapie (HRT) während der
letzten Jahre entstanden ist.
der US-amerikanischen Pharmakopoe, das ist
die Liste der für Medikamente zugelassenen
Inhaltsstoffe. Der Pflanze wurden beruhigende,
harntreibende, auswurffördernde und krampflösende Eigenschaften zugeordnet.
Als Inhaltsstoffe sind bekannt: Triterpenglykoside und Cimicifugosid, Harzfraktion
Cimicifugin, Alkaloide, Cytisin, Methylcytisin
sowie Flavonoide. Medizinisch verwendet
wird der getrocknete, nach der Fruchtreife
gesammelte Wurzelstock.
Die Traubensilberkerze war auch als Frauenwurzel bekannt. Trapper fanden einen anderen
Einsatz. Eine überlieferte Rezeptur bei festsitzendem Husten lautet: Zwei Teelöffel des
Wurzelpulvers mit einem halben Liter kochendem Wasser überbrühen. Von diesem Sud dreimal täglich sechs Teelöffel voll kalt trinken.
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Wissenschaftliche
Erkenntnisse
Zur Erinnerung: Im Rahmen der HRT
verordneten Ärzte Frauen weibliche
Geschlechtshormone, um Wechseljahrsbeschwerden zu lindern und vor allem
Krankheiten vorzubeugen, zum Beispiel
Osteoporose oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen (siehe auch «Natürlich» 8-04).
Eine gross angelegte amerikanische
Studie zeigte jedoch, dass die Medikalisierung gesunder Frauen in den Wechseljahren eine tödliche Angelegenheit sein
kann: Etliche Studienteilnehmerinnen
bezahlten mit ihrem Leben oder wurden
schwer krank, weil die künstlichen
Hormone zum Beispiel zu Krebs, Schlaganfällen und anderen Herz-KreislaufErkrankungen geführt hatten.
Bis auf ewig gestrige Gynäkologen,
die HRT weiterhin gegen den Wechsel,
zum Erhalt angeblich schwindender
Weiblichkeit oder als vorbeugendes
Wundermittel empfehlen, verordnen immer mehr Mediziner bei Wechseljahrbeschwerden pflanzliche Präparate mit
so genannter phytoöstrogener Wirkung:
Präparate aus Rotklee («Natürlich» 703), Mönchspfeffer oder eben Traubensilberkerze. In welcher Weise Phytoöstrogene wirken, ist immer noch ungewiss. Während früher von einem direkten
Effekt am Östrogenrezeptor ausgegangen
wurde, bevorzugen Wissenschaftler
heute die These, dass Pflanzenwirkstoffe
die Funktion der Östrogenrezeptoren
teilweise verändern können, zum Beispiel
verstärken oder abschwächen.
Mehrere kontrollierte Studien allein
aus dem letzten Jahr bestätigen entsprechende Aussagen älterer Arbeiten:
So zeigten Ärzte der Hildesheimer
Frauenklinik, dass der alkoholische
Traubensilberkerzen-Auszug Wechseljahrsbeschwerden wie Hitzewallungen
wirksam lindert – besonders zu Beginn
der Wechseljahre.
Keine Krebsförderung
festgestellt
Die Resultate der Wissenschaftler des
pharmazeutischen Instituts der Universität Basel sind ähnlich: Patientinnen
hatten nach Einnahme von CimicifugaExtrakten deutlich weniger Beschwerden
als Frauen, die Placebo bekamen. Am
deutlichsten war der Effekt bei mindestens mittelstarken Beschwerden.
Wissenschaftler vom Department of
Medicine im amerikanischen Evanston
beschäftigten sich mit der Frage, ob
Cimicifuga-Extrakte unter Langzeitanwendung giftig wirken oder gar krebsfördernde Effekte haben. Grund: Wenn
die Pflanze Östrogen-Rezeptoren stimuliert, wie früher angenommen, müsste
es unter der Einnahme zum Beispiel
häufiger zu Brustkrebs kommen – ähnlich wie bei der Hormonersatz-Therapie.
Zum Einsatz kamen Standard-Labortests,
die die Toxizität und die Kanzerogenität
des Extraktes bei Zell-Linien prüften, die
Östrogenrezeptoren tragen. Die sehr aufwändige Arbeit kommt zu dem Schluss,
dass Cimicifuga-Extrakte keine Östrogen-Aktivität entfalten. Die Heilpflanze
Fotos: Beat Ernst, Basel
Chrüteregge GESUNDHEIT
Prächtig: Von Mai bis August blüht die Pflanze üppig bis über zwei Meter Höhe
fördert also nicht die Entstehung oder
Vermehrung von östrogenempfindlichen
Krebszellen.
Trotzdem sollten Frauen, die Brustkrebs hatten und Wechseljahrbeschwerden bekommen, unbedingt mit ihrem
behandelnden Arzt oder Onkologen besprechen, ob Traubensilberkerzen-Extrakt
wirklich ratsam ist. Dies gilt auch und
vor allem für Frauen, die entsprechende
Extrakte rezeptfrei in der Drogerie, Apotheke oder übers Internet erwerben.
Homöopathische Anwendung
Die Traubensilberkerze hat aus homöopathischer Sicht ausgeprägte Wirkungen
auf die weiblichen Geschlechtsorgane,
vor allem auf Gebärmutter und die Eierstöcke. Homöopathische Anwendungen
eignen sich zur Selbstmedikation; Cimicifuga D12, drei Kügelchen, einmal
wöchentlich, maximal drei Monate. Sie
werden bei körperlichen wie seelischen
Beschwerden verabreicht, die im Zusammenhang mit der Regel, den Wechseljahren oder einer Entbindung stehen.
Homöopathische Leitsymptome sind
depressive Stimmung und Beschwerden
vor der Regel, die mit grosser Empfindlichkeit einhergehen sowie Schmerzen,
die sich quer durch das Becken ziehen.
Typisch auch: Je stärker die Blutung,
desto stärker die Beschwerden. Verschlechterung der Beschwerden morgens
oder durch Kälte. Verbesserung durch
Wärme und Essen.
Traubensilberkerze
gegen Insekten
Die Traubensilberkerze gehört zur Familie der Hahnenfussgewächse (Ranunculaceen). Der Gattungsname Cimicifuga
stammt aus dem Lateinischen und ist
aus den Wortbestandteilen cimex
(Wanze) und fuga (Flucht) zusammengesetzt. Die weissen Siedler nutzten
die Pflanze – vielleicht wegen ihres aufdringlichen Geruchs oder ihres Namens –
als Insektenmittel: Sie hängten die Blüten
rechts und links neben den Haustüreingang, um so Schädlinge zu vertreiben.
Der lateinische Wortbestandteil racemosus bedeutet Traube und weist eindeutig
auf den traubigen Blütenstand hin.
Eine Zierde im Garten
Die Traubensilberkerze ist eine üppig
wachsende Pflanze: Sie wird zwischen
90 Zentimeter und unter guten Bedin-
gungen sogar 2,70 Meter hoch. Die
Pflanze ist mit ihren aufrechten Stängeln,
doppelt gefiederten, spitzen und tief
gesägten Blättern unverkennbar. In ihrer
Blütezeit von Mai bis August entwickelt
sie kleine, weissliche Blüten, die in sehr
langen und schmalen Trauben stehen.
Daraus entstehen später so genannte
Balgfrüchte.
Der Wurzelstock ist gross, knollig
und hat lange, dünne Wurzelableger
von schwärzlicher Farbe. Die wilde
Pflanze wurde 1705 erstmals von Botanikern beschrieben und gelangte 1732 als
attraktive, beständige und winterharte
Pflanze in englische Gärten. Damals wie
heute schätzen Gartenfreunde die Silberkerze. Die Staude ist zum Beispiel als
Cimicifuga simplex oder -spectabilis
im Handel erhältlich und gedeiht im
Halbschatten oder Schatten. Die Silberkerze benötigt nährstoffreichen Humusboden und genügend Feuchtigkeit und
entfaltet unter diesen Bedingungen ihre
ganze weissblühende Pracht.
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Infobox
Literatur
• Stammel: «Die Apotheke Manitous – Das Heilwissen der Indianer», Rowohlt Verlag 2000,
ISBN: 3-499-60925-8, Fr. 18.10
• Flück / Jaspersen-Schib: «Unsere Heilpflanzen»,
Ott Verlag 2003,
ISBN: 3-7225-6763-7, Fr. 29.80
• Schilcher: «Kleines Heilkräuter-Lexikon»,
Walter Haedecke Verlag 1999,
ISBN: 3-7750-0316-9, Fr. 21.30
• Wyk / Wink: «Handbuch der Arzneipflanzen»,
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2004,
ISBN: 3-8047-2069-2, Fr. 62.40
• Wichtl: «Teedrogen und Phytopharmaka»,
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2002,
ISBN: 3-8047-1854-X, Fr. 188.80
• Bührer-Lucke: «Wechseljahre ohne Hormone –
Alternativen bei Hitzewallungen und Co.»,
Orlanda Frauenverlag 2004,
ISBN: 3-936937-11-7, Fr. 22.–
• Goldberg / Schreiber: «Pflanzliche Hormone für
eine schöne Haut», Südwest Verlag 2005,
ISBN: 3-517-06835-7, Fr. 19.80
Internet
• www.smgp.ch/medien/medizf/2003/0829.html
• www.netdoktor.de/medikamente/100009686.
htm (Liste mit Präparaten)
• www.medizinfo.de/annasusanna/
wechseljahre/start.shtml
• www.phytohormone.ch/
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