ISSN 1618-6362 Mai 2014 € 2,50 Astrofotografie Beobachtungstipps Das Wesen der Wissenschaft Geologie und Geschichte des Mondes Herausgegeben von der Astronomischen Vereinigung Augsburg e.V. Öffnungszeiten der Sternwarte Diedorf: Freitag ab 20 Uhr Heft 86, Mai 2014 Liebe Leserin, lieber Leser, INHALT das Jahr 2013 war auf unserer Sternwarte in Diedorf recht turbulent, denn der vom Brandschutz geforderte Umbau wirbelte den Sternwartenbetrieb immer wieder gehörig durcheinander. Wenn er nicht sogar ausfallen musste, traf man sich eben auf einer Baustelle. Und im Herbst bescherten uns die turnusmäßigen Vorstandswahlen umfangreiche Veränderungen, so gab u.a. Peter Hamp seine Funktion als 2. Vorsitzender ab und vererbte mir die Redaktion des URANUS. Herzlichen Dank Peter für die Betreuung der letzten sechs Ausgaben unserer Vereinszeitschrift mit vielen interessanten Beiträgen sowohl zu aktuellen Anlässen wie auch aus Forschung und Raumfahrt oder über Neuigkeiten aus dem Vereinsleben. Die Artikel waren informativ und spannend, und auch die Unterhaltung kam nicht zu kurz. Herzlichen Dank auch an die vielen Autoren, die den Erfolg des URANUS überhaupt erst begründen. In dieser Tradition möchte ich die Aufgabe fortsetzen. Herzlichen Dank an alle Autoren und an Udo Till für das mustergültige Layout und die reibungslose, ja erfreuliche Zusammenarbeit. Nachdem heutzutage ein digitaler Vierfarbendruck nur wenig höhere Kosten verursacht, aber ein unvergleichlich höheres Leseerlebnis ermöglicht, haben wir uns hierzu entschlossen. In der Online-Ausgabe (im Mitgliederbereich unserer Homepage unter Uranusarchiv) werden darüber hinaus auch die verlinkten weiterführenden Quellen nutzbar. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen unserer Vereinszeitschrift mit vielen neuen, unterhaltsamen und lehrreichen Informationen. Das Wesen der Wissenschaft Raumfahrt, Kreationismus und der ganze Rest Ihr Wolfgang Mahnkopf 4 Geologie und Geschichte des Mondes Erkentnisse zur Mondgeologie nach den Apollo-Landungen 12 Aufräumen (auf) der Sternwarte Ein künstlerisches Experiment 17 Scharfstellen bei der Astrofotografie Selbstbau und Nutzung einer Bahtinov-Maske 18 Sternbilder - Serpens Beobachtungshinweise für das Sternbild Schlange 22 Alles voller Sterne Astrofotos von Sternhaufen 26 Wenn die Tage länger werden Betrachtungen zur Veränderung der Tageslängen 28 Eine Reisemontierung Was leistet sie, wozu kann sie eingesetzt werden? 30 Neues aus der Forschung Drei Planeten in der habitablen Zone eines nahen Sterns Neue Hinweise auf den Ursprung der kosmischen Strahlung Wetterschichten auf einem Braunen Zwerg Staubige Überraschung um riesige Schwarze Löcher 32 Rätsel 37 Was wäre, wenn? Auswirkungen eines Supernovaausbruchs von Beteigeuze 38 Neues aus der Raumfahrt Noch ein Jahr bis zum Ziel - Sonde New Horizons GAIA hat scharfgestellt 40 Reisen durch das Sonnensystem mal anders Ein Reisebericht zu den Planetenwegen in Göttingen/Minden 44 „Beam me up, Scotty!“ Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Walter in Augsburg 46 Neues aus der Sternwarte und dem Verein Kurzberichte, Tag der offenen Tür, Mitgliederversammlung 49 Impressum 51 Titelbild: M82 mit Supernova SN 2014J Datum: 10.02.2014 Summenbild aus 17 Einzelbildern Belichtung: 5Min/Bild Filter: Clippfilter CLS Ort: Sternwarte Diedorf am 18“ Newton Autor: Ingo Piez Mai 2014, Uranus 86 3 Das Wesen der Wissenschaft Raumfahrt, Kreationismus und der ganze Rest B ei einer Tagung in München zum Thema „Massive Schwarze Löcher und die Entwicklung von Galaxien“ nimmt Prof. Dr. Reinhard Genzel, Direktor des MaxPlanck-Instituts für extra-terrestrische Physik in Garching bei München und Träger des renommierten „Crafoord-Preises“, Stellung zu aktuellen Fragestellungen im Spannungsfeld von Natur- und Geisteswissenschaften. Die Bildende Künstlerin Elizabeth B. Snyder, Beobachterin von Politik und Zeitgeschehen diesseits und jenseits des Großen Teichs, greift die von Prof. Genzel angesprochenen Themen auf und führt diese weiter. Die Interviews führte Alexander Seibold. Abb. 1: Prof. Dr. Reinhard Genzel in seinem Büro im Max-Planck-Institut für extra-terrestrische Physik in der „Wissenschaftsstadt Garching“ bei München. Herr Professor Genzel, was können die Naturwissenschaften leisten, was nicht? Dr. Genzel: Die Naturwissenschaften sind generell zuerst einmal empirisch. Das heißt, wir können neue Entdeckungen machen, von Ereignissen, von Phänomenen im Universum. Und dann können wir versuchen, ob diese wirklich existieren und ob ihre Existenz mit gängigen oder neu erfundenen Theorien übereinstimmen könnte. Wie verhalten sich naturwissenAbb. 2: In dem Roman „Cosm“ ent- die steht bei einer Simulation in einem schaftlichen Modelle Supercollider ein „kugelförmiges, zur Wirklichkeit? kompaktes Gebilde“, das unzerstörIn der Astronomie bar zu sein scheint: Ein Miniaturkosmos, der unserem Universum aufs kommt zuerst die EmpiHaar gleicht. Deutsche Erstausgabe rik. Das heißt also, wir messen und entdecken. Dann kommt die Theorie, um Messungen und Entdeckungen darin einzubetten. Wie weit dürfen hier die Erwartungen reichen? Könnten wir eines Tages ein Universum im Labor züchten, wie es der Physiker Gregory Benford in dem spekulativen Text „COSM“ beschrieben hat? Das ist meistens nicht realistisch. Wir sind in diesen Phänomenen, die wir uns anschauen, so weit weg vom Schuss, dass wir uns damit begnügen müssen, zuzuschauen, es zu verstehen, und dann vielleicht auf andere Dinge zu übertragen. Was ist ihre Motivation? Zeitvertreib, Wissensdrang oder Grundlagenforschung? Alles, und noch dazu viel Spaß. Die Forschung ist etwas Tolles. Etwas Neues zu entdecken, was vorher noch nie jemand wirklich festgestellt hat, ist ein tolles Erlebnis. Welchen Nutzen können Laien aus Ihren Modellen und Überlegungen ziehen? Im Prinzip sind wir dadurch Mensch, dass wir uns fragen, was das Universum ist. Jetzt will ich die Religion nicht hineinbringen, aber das ist natürlich auch ein Teil des Ganzen. Sie leistet ihren Beitrag dazu, das zu verstehen, was um uns herum ist. Und was kann speziell die Wissenschaft zu unserer Sicht auf das Ganze beitragen? Die harten Naturwissenschaften können durch eine Verbindung zwischen Empirie, also Messungen, die wiederholbar sein müssen, und einem theoretischen Grundfestengebäude, das dazu passt, Vorstellungen Abb. 3: Dieser „Winkel“ des Universums erscheint dem menschlichen Auge finster und leer. Das Hubble-Weltraumteleskop jedoch zeigt in diesem winzigen Ausschnitt ein Meer von Galaxien. Um diese bis zu 5 500 Galaxien in einer Entfernung von bis zu 13 Milliarden Lichtjahren sichtbar zu machen, war eine Gesamtbelichtungszeit von zwei Millionen Sekunden nötig. Der hier gezeigte Ausschnitt des Nachthimmels entspricht der Größe eines Tennisballs in einem Abstand von 100 Metern. (Quelle: NASA.) bei HEYNE 5/2000. 4 Uranus 86, Mai 2014 Abb. 4: Die verschiedenen Erscheinungsformen von Galaxien (dt. Milchstraße) – jede von ihnen enthält Planetensysteme, Gasnebel und eine unzählbare Menge Sterne – sind für die wissenschaftliche Astronomie besonders aufschlussreich. Diese beiden Galaxien sind im Begriff, miteinander zu verschmelzen. Während des Millionen Jahre währenden Prozesses bilden sie gigantische Gezeitenarme aus Gas und Staub. (Quelle: ESA) schaffen, die eine neue Form von Wahrheit sind, das heißt, eine Wahrheit, die nicht einfach durch Glauben oder durch irgendeine andere Form der Behauptung widerlegt werden kann. Wie lange gilt eine auf diese Weise gefundene Wahrheit? Das ist eine sehr gute Frage. Viele der Dinge, die wir als Wahrheit sehen, müssen im Laufe der Zeit erweitert werden. Es kommt bei den wirklich harten Fakten relativ selten vor, dass sie umgestoßen werden. Aber es kann passieren. In den meisten Fällen werden die vorhandenen Fakten erweitert; durch neue Vorstellungen und Erkenntnisse. Was ist die Folge, wenn einmal gefundene Wahrheiten wieder stürzen? Wir kennen das klassische Beispiel des ptolemäischen Weltbilds der Griechen. Viele glaubten, dass die Sonne um die Erde kreist. Diese Sichtweise hielt sich so lange, wie man noch keine Messungen hatte, die dagegen sprachen. Als diese Messungen aber vorlagen - in der Zeit von Kopernikus, Tycho Brahe, Galilei - polterte das Weltbild auf einmal. Man konnte nicht umhin, ein neues Gebäude an die Stelle des alten zu setzen. Liegt vor uns wieder ein Wechsel des Weltbildes, ebenso epochal wie jener zu Kopernikus‘ Zeiten? Abb. 5: Kein Stern scheint für immer. Sonnen werden geboren und sterben. Manche verwandeln sich am Ende ihrer Entwicklungsphasen in ein Schwarzes Loch, spezieller Forschungsgegenstand von Prof. Dr. Reinhard Genzel. (Quelle: NASA) Mai 2014, Uranus 86 Wir haben gerade in der Astronomie in den letzten 30 Jahren eine unglaubliche Dichte von neuen Entdeckungen verzeichnet. Nehmen wir einfach die Entwicklung des Universums. Früher, als ich Student war, herrschte auf diesem Gebiet viel Spekulation – es war schon fast Philosophie. Jetzt ist es harte Naturwissenschaft. Wir wissen, wie alt das Universum ist und wissen um den Urknall und die Existenz von Exoplaneten. Die Menschheit hat seit Jahrtausenden darüber spekuliert, ob es möglicherweise andere Welten, andere Planeten außerhalb unseres Sonnensystems gibt. Inzwischen haben wir schon eintausend. Wird es in diesem rasanten Tempo weitergehen? Das ist schwer vorherzusagen. Aber ich glaube, die Geschwindigkeit, mit der wir neue Dinge sehen, ist derart unheimlich, dass wir uns immer näher an den Anfang des gegenwärtigen Universums hin bewegen. Das Wissen um die Existenz von Exoplaneten bedeutet, dass wir natürlich als nächstes erfahren wollen: Gibt es dort chemische Vorgänge, die ähnlich sind wie auf unserer Erde? Ich habe jetzt nicht Leben gesagt, denn das ist noch sehr viel schwieriger. Aber letztendlich ist das natürlich auch der Traum, zu fragen, ob es dort draußen Leben gibt. Abb. 6: Die Astrophysik und Astronomie bedienen sich nicht nur des sichtbaren Bereichs des Lichts. Unter anderem Radiowellen, Gammaund ultraviolette Strahlung werden für die Forschung genutzt; auch der Infrarotbereich des Spektrums: Hier unsere Nachbargalaxie Andromeda (Entfernung: 2,5 Millionen Lichtjahre). (Quelle: NASA) Können Sie eine Perspektive einnehmen, die außerhalb unseres Universums liegt? Nein, weil ich Empiriker bin. Ich kann das erst dann tun, wenn ich Methoden zur Verfügung habe oder auch Vorhersagen, die ich aufgrund einer theoretischen Überlegung prüfen kann; die ich also messen kann. Ich beschäftige mich nicht mit Dingen, mit denen ich nicht realistisch umgehen kann im Sinne einer Messung. Das ist vielleicht ein Zurückziehen auf sichere Positionen, aber das ist Naturwissenschaft. Darf ich eine Abgrenzung vorschlagen? Die Wissenschaft schaut auf die empirisch fassbaren Dinge, die andere Seite der Medaille ist Angelegenheit der Religion. Das ist eine Möglichkeit, sich mit der Sache zu beschäftigen. Damit setzt man aber voraus, dass es etwas gibt, was darüber hinaus geht und Sie betten sozusagen die Naturwissenschaft da hinein. Der Nachteil dieser Vorstellung ist, dass man unter Umständen in eine Situation kommt, in der das Religiöse nach außen gedrängt wird, in die Wissenschaften hinein. Wie verhindert man schädliche Grenzüberschreitungen in die eine oder die andere Richtung? 5 Ich glaube, da gibt es keine unerlaubten Grenzen. Da bin ich mit dem Alten Fritz einer Meinung: Jeder soll nach seiner Fasson selig werden. Es gibt Naturwissenschaftler, auch Nobelpreisträger, die durchaus beides zur selben Zeit machen. Sie haben ein wohlfundiertes religiöses inneres Gebäude, und trotzdem beschäftigen sie sich mit den harten Naturwissenschaften. Ich tue es nicht; ich habe das Bedürfnis im Moment nicht. Aber ich achte solche Naturwissenschaftler, die es tun, ganz genauso wie alle anderen Menschen. Ich glaube, da gibt es in dem Sinne keinen Gegensatz. Ihr Fachgebiet mutet derart komplex an, dass man sich fragt, wie kann jemand, der weder Mathematiker noch Physiker ist, hier noch versuchen mitzudenken? Einfach mit dem normalen Menschenverstand zuhören, zusehen – wir haben ja auch schöne Bilder –, ob das, was man da hört, plausibel ist. Ich glaube, jeder kann ein Gefühl dafür entwickeln, ob das eine Märchengeschichte ist oder ob das sozusagen handfeste Wahrheit ist. Ich meine, die Menschen wissen ja über Technik Bescheid, sie wissen über viele Tatsachen aus den Naturwissenschaften Bescheid. Ich glaube, die Dinge, die wir erforschen, gehen nur unwesentlich wirklich darüber hinaus. Elizabeth B. Snyder gewährt neue Einblicke in die Welt der Raumfahrt und in das US-amerikanische Denken zur Zeit der Apollo-Missionen. Ist die Raumfahrt ein Kind der Science-Fiction? Was lief hinter der politischen Bühne? Hätte ein Wernher von Braun vor tausend Jahren gotische Kathedralen gebaut? Führt uns die Raumfahrt in den globalen Kollaps? Eliza­ beth B. Snyder, geboren 1923 in Breslau, sieht sich als Abb. 7: Die Technik-Ästhetin Elizabeth B. Snyder, geboren 1923 in Breslau, bei einem Symposion im Garten des ökologisch-botanischen Instituts der Universität Bayreuth. Sie befasst sich u.a. auch mit Wissenschaftstheorie, insbesondere den tiefen Gräben, die sich zwischen Natur- und Geisteswissenschaften auftun. 6 Technik-Ästhetin; ihre collageartigen Arbeiten bedienen sich Sujets aus der Luft- und Raumfahrttechnik. Bereits in den 50er Jahren faszinierte sie das amerikanische Raumfahrtprogramm. Seitdem beobachtet sie akribisch die Bemühungen der NATO-Staaten um Fortschritte in der Eroberung des Luftraums und des erdnahen Weltraums. Besonders interessiert sie sich für thematische Bezüge zur Raumfahrt in der modernen Literatur. Aus diesem Blickwinkel wagt sie einen kulturgeschichtlichen Rück- und Ausblick auf den „Weg ins All“ und führt auf diese Weise die Ausführungen von Prof. Genzel anschaulich und kurzweilig weiter. Sie sehen sich als Schülerin von Max Ernst, dem großen deutschen Surrealisten? Synder: Gewissermaßen könnte man das so sagen. Seine Bildwelten faszinieren mich schon seit – lassen sie mich überlegen – seit er 1955 Teilnehmer der documenta 1 war. Die von ihm maßgeblich angewandte Technik der Collage habe ich in mein eigenes Schaffen übernommen. Wie darf man sich das vorstellen? Max Ernst sagte einmal etwa folgendes: „Die Technik der Collage ist die systematische Ausbeutung des zufälligen Zusammentreffens von wesensfremden Realitäten auf einem Blatt Papier, wobei dieses Zusammentreffen durchaus künstlich provoziert sein darf.“ Und genau so verhält es sich bei meinen Arbeiten. Dadurch, dass ich wesensfremde Realitäten miteinander verbinde, entsteht im Betrachter der Funke einer Idee von Verhältnisbeziehungen, die er so und in dieser Weise vorher nicht wahrgenommen hat. Bevor wir auf die Themen zu sprechen kommen, die auch Professor Genzel diskutiert hat, möchte ich gerne noch etwas bei Ihren künstlerischen Arbeiten bleiben: Sie stehen sowohl der Raumfahrt, wie der Science Fiction nahe. Gibt es zwischen beiden eine Beziehung? Hier muss man sich die Anfänge der Science FictionLiteratur ansehen. Der Science Fiction ging es zunächst vor allem darum, sich die technischen Möglichkeiten der Zukunft auszumalen. Denken sie an Jules Verne. Er schrieb seine Romane in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dann ist hier natürlich der deutsche Denker Kurd Laßwitz aus meiner Heimatstadt Breslau zu nennen. Er verfasste um 1900 den Roman „Auf zwei Planeten“. Darin formuliert er die Vision einer einigen, Gott wohlgefälligen Menschheit. Zusammen mit Herbert George Wells gelten Laßwitz und Verne zu Recht als die Väter der Science-Fiction. Was bedeutet dies für die Raumfahrt? Durch die Science Fiction sickerte die Idee der Erreichbarkeit außerirdischer Räume in die Köpfe der technischen Intelligenz. Es gibt auch heute viele Ingenieure, die Science Fiction-Romane als Bettlektüre auf dem Nachttischchen liegen haben. Ich kenne einige solcher Leute persönlich. Und sie alle sitzen an wichtigen Positionen im Raumfahrtgeschäft. Heißt das, dass die Ideen der Science FictionAutoren geradewegs aus den Büchern heraus umgesetzt wurden? Uranus 86, Mai 2014 Natürlich nicht. Ebenso wenig wie wir Künstler, können auch die Autoren nicht in die Zukunft blicken, denn sie sind keine Propheten. Aber Autoren können kreative Menschen inspirieren. Und ich bin sicher, dass genau das bei der Science Fiction der Fall ist, wenn sie beispielsweise von Luft- und Raumfahrttechnikern gelesen wird. Die Ingenieure entnehmen den Romantexten bestimmt keine Betriebsanleitungen für die Raketen von morgen, aber sie können im belletristischen Sandkasten wie in einem Laboratorium ihre vielleicht völlig abgedrehten und verrückten Ideen einem ersten Brauchbarkeitstest unterziehen. Können Sie ein Beispiel nennen? Da fällt mir zuerst das Kino ein. Denken Sie nur an Stanley Kubricks „2001 – A Space Odyssey“. 1965 schwebt als erster Mensch der Russe Alexej Leonow im All außerhalb eines Raumschiffs, wenige Monate später der Amerikaner Edward White. Bald danach beginnt Kubrick in den Londoner Shepperton-Studios mit den Dreharbeiten. 1966 überschlagen sich dann die Erfolgsmeldungen in der Weltraumforschung. Mein Gott, was war das für eine Zeit! Diese Euphorie – so etwas gibt es heute nicht mehr. Amerikanische und sowjetische Sonden erobern den Mond... Und Stanley Kubrick? Er bastelt an der Fertigstellung der SpezialEffekte für „2001“. Und jetzt kommt der Clou: Kubrick benötigt für seine Simulation von Gravitation in einem Raumschiff ein großes Rad, das sich auch wirklich bewegen kann. Die Flugzeugfirma Lockheed baut ihm eine riesige Zentrifuge, die wohl einen Durchmesser von 40 oder 50 Fuß gehabt haben dürfte und sich ganz real drehen konnte. Nach dem Film wurde ernsthaft darüber diskutiert, ob man nicht tatsächlich auf die in „2001“ gezeigte Weise bei langen Reisen in einem Raumschiff künstlich Schwerkraft erzeugen könnte. Und die Luftfahrtfirma? Von welcher Vision war die beseelt? Lockheed wollte einfach die Gelegenheit benutzen, etwas Eigenwerbung zu platzieren. Und das hat sich gelohnt. Der Film „2001 – A Space Odyssey“ wurde allein im nordamerikanischen Raum, nicht sofort, aber mit etwas Verzögerung, zu einem Longseller, einem Kassenschlager. Ich weiß noch ganz genau, wie der Film in die Kinos kam. Es war 1968. Das Buch zum Film schrieb der Science Fiction-Autor Arthur C. Clarke. Davon wurden ruckzuck eine Million Exemplare verkauft. Wohl wenig andere Science Fiction-Filme haben eine derart starke Breitenwirkung entfaltet. Und ich kenne keinen Menschen, der im Bereich Raumfahrt arbeitet, und noch nie etwas von diesem Film gehört hat. Der Film ist dort quasi Allgemeingut. Wenn ein Raumfahrt-Ingenieur zum anderen sagt „Machen wir das so wie in 2001“, dann weiß der andere sofort, was gemeint ist. Kann man sagen, dass die Science Fiction erst durch das Kino eine stärkere Verbreitung gefunden hat? Wohl schon. Zu Zeiten von Wernher von Braun und Hermann Oberth gab es noch kein Star Trek oder Star Wars im Kino. Die Väter der Raumfahrt waren noch auf schriftliche Medien angewiesen, wenn sie von den Mai 2014, Uranus 86 Abb. 8: Eine Collage von Elizabeth B. Snyder im Sinne von Max Ernst. Künstlich provoziert treffen fremde Realitäten auf einem Blatt Papier zusammen. Die Künstlerin sieht ihre Aufgabe darin, dieses Zusammentreffen systematisch auszubeuten, um im Betrachter die Idee von Verhältnisbeziehungen zu erwecken, die er so nicht wahrgenommen hätte. Phantastische Extrapolation und visionäre Hoffnung stehen dabei einer Horrorvorstellung gegenüber: Die Raketentypen V2 und Pershing als Vehikel für den Megatod. fernen Planetenräumen träumen wollten und haben das auch nachweislich getan. Heute ist das anders. Es gibt praktisch täglich auf irgendeinem TV-Kanal Science Fiction zu sehen und deshalb auch jede Menge Gelegenheit für Gedankenspiele und Träumereien im Feld zukünftiger Raumfahrt. Dann hat die Raumfahrt durch Science Fiction-Filme in den 60er Jahren also Rückenwind bekommen und fette Etats kassieren können? Das kann man so wohl nicht sagen. Gut verdient hat eigentlich nur Hollywood. Vermutlich wäre damals ohnehin keiner auf die Idee gekommen, sich der Filmindustrie als einer Art Propaganda-Apparat zu bedienen. Zumindest ist mir kein Fall dieser Art bekannt. Das kam erst später. Zum Beispiel bei Top Gun, als die USStreitkräfte als Sponsor auftraten. Welche Rolle spielt die Science Fiction für die Raumfahrt heute? Seit 1961 gibt es Perry Rhodan, die größte Science Fiction-Serie der Welt. Übrigens eine deutsche Serie. Noch heute erscheint jede Woche ein neuer Roman über den Helden Perry Rhodan, der mit seinen Raumschiffen durch das Weltall reist, tolle Abenteuer erlebt und natürlich permanent die Erde retten muss. Ob diese Heftromane von heutigen Astronauten oder Mitarbeitern der ESA oder NASA konsumiert werden, weiß ich nicht, aber mit Sicherheit streuen sie den RaumfahrtGedanken unters Volk. Sie haben sich einmal über das öffentliche Bewusstsein der raumfahrenden Nationen zur Zeit des Kalten Krieges geäußert. Also der US-amerikanischen und der sowjetischen Bevölkerung. Für das totalitäre System in der UdSSR tue ich mir immer noch schwer, die Stimmung in der Bevölkerung zu beschreiben. Die öffentliche Meinung war von der Partei gelenkt, viele Informationen erreichten nie die Öffentlichkeit. Schauen wir stattdessen nach Amerika. Dort war die Gesellschaft in den 60er Jahren von Rassenunruhen aufgewühlt. Es gab dieses fürchterliche 7 Abb. 9: Es ist dieselbe Kultur. Früher gebar sie gotische Kathedralen, heute gewaltige Raketen. Elizabeth B. Snyder sieht über mehr als eintausend Jahre den gleichen Drang am Werke. Attentat auf Martin Luther King. Man muss es wohl so sagen: Die US-amerikanische Bevölkerung war in ein Spektrum von Strömungen aufgespalten, das von „Flower power“ mit seinen Protesten gegen den Vietnam-Krieg bis zur Begeisterung für das US-Mondlandeprogramm reichte. Und welche Rolle spielte der Kalte Krieg, speziell für das Apollo-Programm? Wenn man über die Entwicklung der Raumfahrt nachdenkt, dann spielt der Kalte Krieg eine enorm wichtige Rolle. Die USA mussten innen- und außenpolitisch zeigen, dass sie der UdSSR überlegen waren. Das Raumfahrtprogramm bot ihnen dafür die ideale Bühne. Um jeden Preis wollte man die Gegenseite übertrumpfen. Kein Wunder, dass es Spekulationen darüber gab und immer noch gibt, ob beispielsweise die Mondlandung inszeniert war. Alles sei in einem Studio gefilmt worden, um der Welt vorgaukeln zu können, wir schaffen es schneller auf den Mond als die Russen. Da fällt mir das Wahrzeichen der Weltausstellung 1964 in New York ein: Der Stahlglobus Unisphere. Die über vierzig Meter hohe Stahlskulptur wurde zum Symbol eines Jahrzehnts im Aufbruch, in dem Satelliten sich von unserem Raumschiff Erde lösen und immer weiter in den Weltraum vorstoßen. Man hätte dieses Riesengebilde aus Stahl damals wohl kaum aufgestellt, wenn man nicht davon ausgegangen wäre, dass die Leute den Gedanken auch verstanden. Zur Zeit der Weltausstellung umkreiste die US-Mondsonde Ranger VI den Mond und funkte die ersten Bilder von der Oberfläche des Erdtrabanten zurück zur Erde. Das war für uns 1964 Tagesgespräch. Die Bilder gingen natürlich durch alle Zeitungen. Es gab bestimmt niemanden, der das nicht auf irgendeine Art und Weise zur Kenntnis genommen hätte. Die US-amerikanische Bevölkerung stand trotz vieler Fehlschläge weitgehend hinter dem Raumfahrtprogramm. Ist dies nicht ungewöhnlich? 8 Mich wundert das eigentlich nicht. Raumfahrt war Chefsache. Es gab keinen US-Präsidenten in dieser Zeit, der nicht persönlich für das Raumfahrtprogramm geworben hätte. Dadurch entstand bei der Bevölkerung der Eindruck, wer gegen die Raumfahrt eingestellt ist, ist kein Patriot. Denken sie nur an JFK, der Anfang der 60er Jahre die Wettlauf-zum-Mond-Parole ausgab. Kennedy löste mit seinem tollkühnen Plan der Eroberung des Mondes eine Welle nationalen Stolzes in den USA aus. Warum identifizierten sich die Leute so extrem damit? Kennedy gab den US-Amerikanern das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Er vermittelte ihnen eine Geschichte, die ihnen gefiel, mit der sie sich identifizieren konnten. Der nordamerikanische Kontinent war vom Atlantik bis zum Pazifik erobert, man wollte und brauchte neue Herausforderungen. Der Flug in den Weltraum bot eine solche Herausforderung. Das klingt ja auch in dem Vorspann zu der Science Fiction-Serie Star Trek an, die Mitte der 60er Jahre ins amerikanische Fernsehen kam: „To boldly go where no man has gone before.“ War die restliche Welt ebenfalls erfasst von dieser Welle der Eroberungsbegeisterung? Die NATO-Bündnispartner haben in den 60er und 70er Jahren sicher mit großem Interesse nach Amerika geschaut. Wohl auch mit besorgtem Blick. Denn viele Menschen fürchteten einen dritten, globalen Krieg und die atomare Bedrohung. Nachdem die Mondlandung geglückt war, reagierte die Weltöffentlichkeit geschlossen positiv? Kann ich mir nicht vorstellen. Warum nicht? Es gab und gibt ganz und gar nicht euphorische Stimmen. Ich selbst zähle mich inzwischen auch dazu. Aber darauf kommen wir bitte später zurück, wenn wir über die Kritik an der Raumfahrt sprechen. Nach der Mondlandung flachte das Interesse der Bevölkerung ab. Kann man das so sagen? Das ist richtig. Die Leute wollen immer etwas Neues sehen. Nach einigen Apollo-Missionen wurde es einfach langweilig. Kein Wunder, dass die letzten geplanten und komplett konzipierten Mond-Lande-Missionen gar nicht mehr durchgeführt wurden. Offenbar verstand es damals bei der NASA niemand, den Nutzen weiterer Mondlandungen der amerikanischen Bevölkerung vor Augen zu führen. Wie beurteilen Sie nun die heutige Zeit? Ist eine oben skizzierte Entwicklung noch einmal möglich, oder wird es die Raumfahrt künftig schwer haben, zum Beispiel was eine Eroberung unseres roten Nachbarplaneten betrifft? Es ist offensichtlich, dass der politische Wille gegenwärtig weder in Amerika, noch in Europa ausreichend vorhanden ist, um ehrgeizige Raumfahrtpläne zu verwirklichen. Eine Marslandung werden wir nicht so bald erleben. Es gab und gibt natürlich führende Staatsmänner, die unreflektierte Reisepläne zum Roten Planeten verkünden. Zum Beispiel ein früherer US-Präsident. Meiner Meinung nach werden solche Äußerungen aus Uranus 86, Mai 2014 politisch-taktischen Gründen lanciert. Man kann mit Visionen von einem Besuch auf dem Mars von außenpolitischen Problemen wunderbar ablenken und sich gleichzeitig als Staatsmann mit Weitblick präsentieren, obwohl einem in Wirklichkeit die Visionen längst abhanden gekommen sind. Welche Chancen geben sie der Raumfahrt jetzt und in der Zukunft? Ich finde, die Raumfahrt passt zu uns. Es ist bestimmt kein Zufall, dass ausgerechnet diejenige Kulturtradition diese riesigen Mondraketen hervorgebracht hat, die auch die Wolkenkratzer, Sendetürme und Strommasten errichtete. Und – ganz wesentlich – im Mittelalter die himmelstürmenden Kathedralen der Gotik. Wenn man einen gotischen Dom betritt, zieht es einen geradezu nach oben. Höchstwahrscheinlich ist es der gleiche Drang, der den Menschen antreibt, einerseits einen „Hohen Dom“ zu errichten und andererseits zu himmlischen Sphären zu reisen. Höre ich Euphorie oder Ironie in ihrer Stimme? Nun, die Raumfahrt ist die perfekte Herausforderung für die technische Intelligenz. Sie bringt ganze Industriezweige in Höchstform. Der Innovationsschub einer einzigen Mission ist atemberaubend. Das ist ganz sicher richtig. Dennoch bin ich der Ansicht, dass die Raumfahrt in der gegenwärtig betriebenen Weise besser unterbleiben sollte. Denn sie wird von unreifen Menschen forciert, betrieben und bezahlt. Sehen sie, wenn eine prosperierende Wirtschaft, eine voranstürmende Technikwissenschaft und eine wohlgenährte Industrie die einzigen Maßstäbe für unser Tun und Handeln darstellen, dann müsste man wohl munter so weitermachen wie bisher. Aber in Wirklichkeit bedeutet das – wie uns Jared Diamond gelehrt hat – den Kollaps, das Ende der Menschheit, vielleicht sogar das Ende allen Lebens auf der Erde. Wenn man eine Ausweich-Erde hätte, wäre das egal, aber die haben wir nicht. Eine Erde zum Ausweichen? Genau. Setzt sich das Artensterben so fort, wie bisher, dann gibt es auf der Erde irgendwann keine frei lebenden Tiere mehr, sondern nur noch Menschen, Haustiere und Schlachtvieh. Der Mensch hat alles erobert, seine Rivalen restlos ausgerottet. Der Mensch erobert die Wüste, der Mensch erobert das Meer, der Mensch erobert den Weltraum. Nur weil wir gegenwärtig am meisten Macht auf diesem Planeten haben, spielen wir die Eroberer. Eine Raumfahrt, die die Ausbeutung anderer Welten im Stil der Ausbeutung der Erde zum Ziel hat, trägt nur den Wahnsinn irdisch-profitgierigen Denkens in das All hinaus. Das sollte besser unterbleiben. Müssten dann nicht ebenso eine ganze Reihe weiterer Industriezweige geschlossen werden? Ich sehe schon die Evakuierungsflotte, die die Leute von hier fort transportiert, weil die Erde nicht mehr bewohnbar ist. In dieser Situation befände sich die Raumfahrt dann kurioserweise in der Rolle als Heilmittel und zugleich als einer der Problemverursacher. Wenn wir mit unserem Heimatplaneten sorgsam umgehen, besteht keine Notwendigkeit, sich nach einem anMai 2014, Uranus 86 deren, erdähnlichen Planeten umzusehen. Wir haben hier alles, was wir brauchen. Die Raumfahrt ist Ausdruck eines Strebens nach immer mehr, immer weiter, immer höher. Wohin uns dieses Streben gebracht hat, sieht zum ersten Mal in aller Deutlichkeit erst unsere Generation. Früher konnte man sich noch einreden, wenn wir nur immer fleißig so weitermachen und weiterforschen, dann kriegen wir alle Schwierigkeiten schon in den Griff. Heute müssen wir erkennen, dass das nicht der Fall ist. Leider verschlimmern sich unsere Probleme mit jeder technischen Anstrengung und jeder Innovation nur noch weiter. Denn unser Bewusstsein hat noch lange nicht die Stufe erklommen, die man als Reife bezeichnen könnte. Und dafür gibt es viele Beispiele. Wir stehen vor ökologischen Umwälzungen, die auch noch unsere Kinder und Enkel betreffen. Gleichzeitig hinterlassen wir ihnen Müll, der in zehntausenden von Jahren immer noch hochgefährlich sein wird. Die Einstellung, wir dürfen alles, was wir können, hat auch die Raumfahrt hervorgebracht. Es wird Zeit, offen darüber nachzudenken und zu sprechen. Worauf führen sie unsere Unreife zurück? Ich sage immer, das Bindeglied zwischen den Menschenaffen und den Menschen, das sind wir, der Homo sapiens. Der Weg zum Menschen ist noch weit. Man Abb. 10: Eine europäische Ariane-Rakete und der Text von Homer, 8. Jahrhundert vor Christus, über die Heimkehr des Odysseus zu Penelope. War es das griechische Denken mit seiner Suche nach den Gründen und seinem Streben nach beweisbarer Mathematik, das zur Luftund Raumfahrttechnik führte? Ist die antike Idee vom „Agon“, vom Wettkampf und Wettstreit, der Auslöser unseres Strebens nach immer mehr, immer weiter, immer höher? 9 sieht das übrigens ganz wunderbar an dem Thema „Schöpfung versus Evolution“. Es wäre zwar wunderbar, noch lange mit Ihnen über Raumfahrt und Ökologie zu plaudern, aber wir sollten jetzt tatsächlich auf die Themen zu sprechen kommen, die uns Professor Genzel vorgegeben hat. Ich denke, da haben wir an dieser Stelle jetzt eine gute Gelegenheit. Ja. Bevor wir losrennen, muss ich allerdings verraten, woher mein Wissen stammt: In die Schule gegangen bin ich bei Peter Sitte, der sich inzwischen ebenfalls des Rentnerdaseins erfreut. In seiner aktiven Zeit als Forscher war er im Feld der Zellbiologie unterwegs. Ok. Zunächst stellt sich die Frage: Gibt es die Evolution wirklich? Seit Darwin wurde immer überzeugender gezeigt, dass die Evolution unserer Lebenswelt ein Faktum ist. Dafür existieren zahllose Belege aus Anatomie und Embryologie, aus Paläontologie und sogar aus der Molekularbiologie. In einigen Fällen hat man Artumwandlungen unmittelbar beobachten können. Die grundlegende Theorie der Evolution hat sich als derart zutreffend erwiesen, dass man sie trotz vieler offener Fragen, auch in wichtigen Punkten, dennoch als Faktum betrachten kann. Dennoch gibt es hier immer wieder Missstimmungen zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, Anzeichen von erschreckender Unreife und unsauberen, unklaren Denkens. Warum ist das so? Naturwissenschaftliche Forschung muss immer überprüfbar sein, muss sich bedingungslos um möglichst weitgehende Objektivität bemühen. Dadurch ist das Weltbild der Naturwissenschaften klar und offen, dynamisch und nie fertig. Gleichzeitig ist es zwangsläufig aber auch ein nüchternes Bild, ohne Sinngebung, ohne Emotion, ohne warmes Gefühl. Es geht eben um Erkennen und nicht um Erleben. In der Naturwissenschaft ist der Mensch nicht das Maß aller Dinge und darf es auch gar nicht sein. Die Weltsicht der Geisteswissenschaften ist ganz anders. Hier steht der Mensch, das Subjekt, im Mittelpunkt. Es geht hier nicht um die Dinge und wie sie funktionieren, sondern darum, was sie uns bedeuten. Und damit schwindet die Objektivität. Dafür aber rückt jener unermessliche Bereich von Leidenschaft und Begeisterung, von Sinn und Hoffnung, kurz: das Aussagen des Unsagbaren in den Blick, der den Naturwissenschaften verschlossen bleibt. Aber Sie haben vorher die Unreife unseres Bewusstseins erwähnt. Wie hängt das jetzt miteinander zusammen? Ich komme gleich dazu. Halten wir fest: Die Naturwissenschaft kann keine Werturteile oder Sinnkriterien begründen. Sie kann dem Menschen nicht sagen, was im moralischen Sinn gut ist. Wenn sie es trotzdem tut, kommt meist etwas Schreckliches heraus, zum Beispiel der Sozialdarwinismus. Darwin hat übrigens nie von einem „Kampf ums Dasein“ gesprochen in dem Sinne, dass der Stärkere den Schwächeren ausbeuten soll bis hin zur Sklaverei oder dass sich hemmungslose Machtmenschen und verblendete Ideologen zu Herrenmenschen erklären und die übrigen in die Gaskammer 10 schicken sollen. Die Naturwissenschaft kann uns genau sagen, wie man – beispielsweise – ein Atomkraftwerk baut, wie man es in Betrieb hält, sogar, was es kostet. Aber ob es gut ist, ein Atomkraftwerk zu bauen, das kann sie uns nicht sagen. Sie nahmen ihren Ausgangspunkt bei der Frage „Schöpfung oder Evolution?“ Ja genau. Wurde die Artenvielfalt auf der Erde erschaffen oder hat sie sich durch Evolution entwickelt? Jetzt passen sie gut auf. Wussten sie, dass die biblischen Schöpfungstexte und Darwins Darstellung der Entstehung der Arten nicht in Konkurrenz zueinander stehen? Nach Ernst P. Fischer sind sie nur komplementäre Formen des Umgangs mit ein und demselben Geheimnis. Die Kreationisten beziehen hier aber andere Positionen. Die Leute, die sie Kreationisten nennen, nehmen die heiligen Texte der Bibel wortwörtlich und bemerken nicht einmal, dass der erste Schöpfungsbericht dem zweiten widerspricht, der im gleichen Buch ein paar Seiten weiter hinten steht. Man darf eben bei der Lektüre des Alten Testaments nie übersehen, dass es zum einen im Orient geschrieben wurde, wo eine Vorliebe für bildhafte, metaphorische Formulierungen dominiert, zum anderen bei uns im Abendland interpretiert wurde, wo der rationalen Eindeutigkeit gehuldigt wird. Die Kreationisten lesen wohl deshalb das alttestamentarische Buch Genesis als Sachkundetext. Carl Friedrich von Weizsäcker hat dazu einmal den denkwürdigen Satz formuliert: Man kann die Bibel entweder ernst nehmen oder wörtlich. Der Papst sieht das aber wohl nicht so, oder? Von wegen! Bereits unter dem vorigen Petrusnachfolger wurde von vatikanischer Seite offiziell gesagt, dass ein auf Zufallsprinzipien beruhender Selektionsprozess als möglicher Weg der Weltentwicklung theo­ logisch unbedenklich ist. Und warum? Weil sich die Schöpfung sehr unterschiedlich vollziehen kann. Auch durch recht verschlungene Kausalketten. Biblische Aussagen wonach der Löwe einmal Vegetarier war und die Welt in sechs Tagen geschaffen wurde, müssen als Bilder verstanden werden, die wichtige theologische Aussagen über Gott enthalten, aber selbstverständlich keine Sachkundetexte sind. In dem Sinne ist die Frage nach Schöpfung ODER Evolution schlicht und einfach falsch gestellt. Ein Missverständnis als Zeichen der Unreife menschlichen Denkens. Habe ich richtig verstanden? Genau. Die so genannten harten Wissenschaften haben sich ihr Terrain selbst abgesteckt. Sie interessieren sich für alles, was sich positiv nachweisen lässt, also alles, was man verifizieren oder falsifizieren kann. Kategorien wie Schöpfung und Erlösung gehören nicht dazu. Naturwissenschaft hat sich für eine ganz bestimmte Seite der Wirklichkeit entschieden - Glaube, Religion und Metaphysik stehen von dort aus gesehen auf einem anderen Blatt. Aber das liegt allein an der verengten rationalistischen Sicht, auf die sich die Naturwissenschaft seit Descartes festgelegt hat. Uranus 86, Mai 2014 Und wenn ein Wissenschaftler sagt, es gibt keinen Gott, weil er nicht nachgewiesen werden kann? Dann ist das in meiner Sicht üble Polemik. Und noch dazu eine, die viel Schaden anrichtet, weil dadurch beispielsweise Leute im mittleren Westen der USA geradezu provoziert werden, sich am Wortlaut des Alten Testaments festzuklammern. Ich sage das ganz deutlich: Es ist kein Wunder, dass Kreationisten auf den Plan treten, wenn Wissenschaftler ihre Stellung missbrauchen und atheistische Privat-Ansichten mit akademischer Autorität propagieren. Ernst zu nehmende Forscher lassen die Existenz jenseitiger, göttlicher Mächte offen. Sie treffen keine Aussage darüber. Jedenfalls verneinen sie sie nicht. Darf ich Sie um ein Resümee bitten? Sie wollten wissen, worauf die Unreife unseres Bewusstseins zurückzuführen ist. Ich kann nur sagen: Wir könnten viel Schaden vermeiden, viel überflüssigen Ballast hinter uns lassen, wenn wir endlich lernen, unberechtigte Grenzüberschreitungen zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zu vermeiden. Denn sie haben nun mal eine unterschiedliche Weltsicht. Solange sich das so verhält, ist es schlicht und einfach unlauter, sich in die jeweils andere Disziplin einzumischen, um sich wichtig zu machen und Fehlschlüsse zu provozieren. Würde man die jeweiligen Zuständigkeitsgrenzen beachten, könnte man sich viel überflüssige Streiterei sparen. Und sie verstehen jetzt sicher, weshalb ich dafür plädiere, Raumfahrt unter bisheriger Zielsetzung und Motivation zu unterlassen. Solange wir in der Weise denken, wie wir es tun, können wir gar nicht anders, als gnadenlos alles erobern, ausbeuten, plattwalzen. Den Wahnsinn irdisch-profitgierigen Denkens tragen wir besser nicht ins All hinaus. Aufräumen (auf) der Sternwarte Inspiriert vom Schweizer Künstler Ursus Wehrli, der zuerst bekannte Kunstwerke und später dann alles von der Nudelsuppe bis zum Weihnachtsbaum aufräumte, machte ich mich ans Aufräumen der Sternwarte. Zuerst der Originalzustand. Dann eine Skizzenzeichnung, die dem Original noch sehr nahe kommt. Als nächstes trennen wir die Striche von den Farben. Die Farben des Bildes werden ordentlich in einer Farbtafel gestapelt. Bleibt noch die verwendeten Striche zu sortieren. Jetzt reicht es der Sternwarte aber! Schluss mit diesem Ordnungsdrang! Angelika Zerbe Mai 2014, Uranus 86 11 Geologie und Geschichte des Mondes nach den Apollo-Landungen 1. Die Mondoberfläche Die Apollo-Astronauten brachten insgesamt 400 kg Mondmaterial zur Erde. Die sowjetischen Sonden Luna 16 und 20 brachten ebenfalls Mondproben von anderen Landeplätzen zur Erde. Nur zwei Fundorte, die von Apollo 16 und Luna 20, liegen auf dem Mond in reinen Terra-Gebieten, den kraterreichen hellen Hochländern des Mondes; die Landeplätze von Apollo 14, 15 und 17 lagen in Übergangsgebieten, die von Apollo 11, 12 und Luna 16 in reinen Mare-Landschaften, dunklen Tiefebenen des Mondes. Die Mondoberfläche ist dunkelgrau bis braun und lässt sich nach dem Eindruck der Astronauten mit „Zementstaub und Basaltsteinen“ vergleichen. Die Schichtung des Materials in den Tiefenproben zeigt vier Abschnitte: • Die oberste, etwa 3 mm starke Schicht besteht aus bräunlich-grauem Staub oder feinkörnigem „Sand“. Durch den unablässigen Hagel von Protonen aus dem Weltall sowie der staubkorngroßen Mikrometeoriten (ca. 1/100 mm) wurde diese Oberflächenschicht zermahlen. • Die zweite, etwa 6 mm starke Schicht war dunkelgrau und leicht verkrustet. Sie brach unter dem menschlichen Fuß wie ein eingetrocknetes Flussbett oder wie verharschter Schnee. • Die dritte Schicht, dunkelgrau bis kakaobraun (ca. 5 - 15 cm stark), zeigte leichte Kohäsion, d.h. Neigung zum Verkleben und Zusammenbacken der Körnchen (durch das Fehlen einer Gashaut, wie sie für Staub im Höchstvakuum typisch ist). • Die vierte Schicht entsprach farblich der dritten Schicht, war jedoch wesentlich schwerer zu durchdringen. Die Röhren für die Tiefenproben konnten mit dem Hammer nur 20 cm (Apollo 11) bzw. 70 cm (Apollo 12) eingetrieben werden, spätere Tiefenproben bis 2 m. Keine der Mondproben stammt von sogenanntem anstehenden Gestein. Alle Proben wurden kleineren, gelegentlich auch größeren Felsbrocken oder losem Material des Regolith entnommen, der komplexen Oberflächenbedeckung aus Gesteinsbruchstücken, „Staub“ und Glas. Beim Meteoriteneinschlag auf der Mondoberfläche wurde Material losgelöst, emporgeworfen und zerbrochen und fiel dann auf die Mond­ oberfläche zurück. Die Oberfläche wurde durch Erosion von Mikrometeoriten und Strahlung geprägt. Weitverbreitete Arten von Regolithpartikeln sind Gläser und Mikrobrekzien. Die Gläser, durch viele weitverbreitete Abbildungen bekannt, treten im Allgemeinen als bunte und ebenmäßige Kügelchen von goldgelber bis oranger und brauner Farbe auf und sind chemisch titanreiche Basalte. Mikrobrekzien bestehen aus kleinen Gesteinstrümmern und Gläsern, die durch die Stoßenergie einschlagender Kleinmeteorite und/oder die hierbei entstehende Wärme zusammgeschweißt wurden. 12 Alle gefundenen Mondproben verdanken ihre Entstehung der unterschiedlichen Ausdifferenzierung bei der Auskühlung der schmelzflüssigen Magma, das bedeutet, dass alle Fundorte in der Frühzeit des Mondes schmelzflüssig waren. Die Mondproben lassen also nicht die Bedingungen bei der Formung des Mondes, aber den ersten Teil seiner Entwicklung erkennen. Der Mond ist also weder ein kalter Großmeteorit, noch ein verkleinertes Abbild unserer Erde. Da er nur ein Viertel so groß wie die Erde ist, war und ist er viel weniger aktiv und enthält auch relativ ältere und einfachere Gesteine. In den Terragebieten finden wir die ersten erkennbaren Stufen der Entwicklung des Mondes. Die Proben aus diesen Gebieten sind die ältesten und lassen den Beginn der Entwicklung unseres Mondes erfassen, obwohl Veränderungen durch spätere intensive Meteoriteneinschläge mit umfangreichem sekundärem Auswurfmaterial die Gesteinseigenschaften beeinflusst haben und die Altersbestimmung zum Teil erschweren. Der Mond zeigt kein nennenswertes Granitvorkommen, nur kleine Graniteinschlüsse waren in einigen Mare-Basalten zu finden. „Auf dem Mond wurde bisher keinerlei Wasser, keine Flüsse und keine im Wasser abgelagerten Sedimente gefunden“ (inzwischen ist Wassereis in tiefen Kratern am Südpol gefunden worden). Ob nennenswerte Mengen von Granit aus basaltischem Magma, dem Hauptprodukt tiefer Vulkane, selbst nach magmatischem Aufschmelzen entstehen können, scheint fraglich. Folgende Arten von Gesteinen kann man auf dem Mond unterscheiden: • Die Basalte der Mondmaria. • Stark feldspatreiche Gesteine, besonders die anorthositischen der Terrae mit sehr hohem Aluminiumgehalt. • Die KREEP-Gesteine, mit einem großen Gehalt an radioaktiven Elementen. Der Name KREEP stammt von ihrem Gehalt an Kalium (= K), seltenen Erden (rare earth elements = REE) und Phosphor (= P). Diese Gesteine wurden im Mare Imbrium und dem Oceanus Procellarum entdeckt, finden sich aber auch in Terra-Gebieten. • Ein Basalt-Typ VHA (= Very High Aluminium), vor allem im Terra-Gebiet um Descartes (Apollo 16) und Apollonius (Luna 20). Die Unterscheidungen sind etwas willkürlich und beruhen nicht auf strukturellen oder texturellen Merkmalen, die in Brekzien nicht vorhanden sind, sondern auf chemischen Unterscheidungsmerkmalen, die sich teilweise überlappen. 2. Das Material der Maria Eisenreiches, siliziumarmes, basaltisches Magma drang in einer Periode zunehmender Erwärmung aus einigen 100 km Tiefe durch Spalten nach oben und Uranus 86, Mai 2014 füllte die durch gewaltige Einschläge entstandenen Hohlformen und andere Tiefflächen. Lavaflüsse bis zu 350 km Länge bei nur 1° Neigung zeigen, wie dünnflüssig derartige Lavamassen gewesen sind. Mare-Basalte von fünf Fundorten besitzen ein Alter von 3,15 bis 3,85 Milliarden Jahren. Diese relativ kleine Zeitspanne gibt uns die Hauptzeit magmatischer Aktivität auf dem Mond an. Zahlreiche einander überlappende Lavaflüsse können nachgewiesen werden, von denen jeder neue Ausbruch auf bereits erstarrte Oberfläche stieß. Die letzten großen Ausbrüche fanden offensichtlich an den Rändern der Mare statt und folgten gelegentlich axialen unterirdischen Kanälen, die später zusammenbrachen. Seismische Messungen haben gezeigt, dass die Maria in ihrer Mitte eine Dicke von etwa 20 bis 50 km haben. Zur Zeit der Entstehung der Mare-Basalte war nicht einmal so viel Wasser verfügbar, dass OH-Verbindungen in den Basalten gebildet werden konnten. Der hohe Anteil von Titan machte manche der Apollo 11-Proben mit ihrem hohen Gehalt an Ilmenit (FeTiO3) schwerer, als es der mittleren Dichte des Mondes entspricht. Ohne Zweifel sind alle Mare-Basalte durch partielles Schmelzen entstanden. Das dunkle Material an den Rändern der Maria war vor den Apollo-Flügen als von jüngeren Ascheströmen stammend aufgefasst worden. Vor allem im NordostTeil der sichtbaren Mondhälfte findet man viele dieser dunklen Stellen, aber auch am Landeort von Apollo 17, dem Taurus-Littrow-Gebiet, sind sie zu finden. Die dunkle Färbung stammt nach Untersuchungen vieler Proben eindeutig nicht von Ascheströmen, sondern von einem höheren Gehalt von Titan und Eisen des Untergrunds, dessen chemische Zusammensetzung sich jedoch nicht grundsätzlich von anderen Typen des Mare-Basalts unterscheidet. Das Alter dieser Proben war mit 3,8 Milliarden Jahren verhältnismäßig hoch. Viel Diskussion gab es wegen der Entdeckung orangefarbenen „Bodens“ in der Nähe des Kraters „Shorty“, einem jungen Krater in der Nähe des Apollo 17-Landegebiets. Es wurde zunächst die Möglichkeit jüngerer Fumarolen mit Wasserbeimengungen, Eisenoxiden und Schwefel diskutiert. Die Untersuchungen der mitgebrachten Proben zeigten aber, dass es sich um gewaltig viele, mikroskopisch kleine Kügelchen und andere Gebilde orangefarbenen Glases handelte, die aus titanreichem Basalt bestehen. Das Alter wurde auf 3,7 Milliarden Jahre bestimmt. Auf der Erde würden solche Gläser bereits nach 100 Millionen Jahren verwittert sein. Auf der trockenen Mondoberfläche konnten sie sich fast 4 Milliarden Jahre erhalten. Schwierig ist es, die starke Anreicherung an solchen Gläsern zu erklären, die hier eine dicke Schicht bilden. Möglicherweise schlug ein Meteor in einen Lavasee und verspritzte eine große Menge der sich schnell zu Glas formenden Tropfen, bevor diese von einer anderen Schicht überdeckt und so vor weiteren chemischen Umsätzen verschont wurden. Ein weiterer Meteorit, der vor nur etwa 30 Millionen Jahren den Krater Shorty erzeugte, legte dann offenbar die ursprüngliche Oberfläche wieder frei. Solche Überlegungen lassen sich aus dem festMai 2014, Uranus 86 gestellten Altersunterschied zwischen dem Wert der Argon-Argon-Methode (3,7 Milliarden Jahre) und dem Strahlungsalter ableiten. 3. Das Material der Terrae ist älter, uneinheitlicher und zerbrochener als das Mare-Material. Während die Maria-Gebiete hauptsächlich basaltische Gesteine mit nur geringen Unterschieden enthalten und nur etwa 4% des Mare-Materials aus den umgebenden Hochländern stammt, lassen uns die Proben aus den Terrae-Gebieten den Beginn der Konsolidierung der Mondkruste erkennen. Terra-Proben bestehen im Wesentlichen aus verfestigtem, durch Bindemittel verkettetem Schutt aus Mineral- und Gesteinsbruchstücken, was bei dem hohen Zerstörungsgrad der Terra-Gebiete durch Einschläge nicht überrascht. Bereits aufgrund der etwa 4% helleren Bestandteile der Apollo 11-Proben hatte man diese als kalziumreiche Pagioklas-Feldspäte mit einigen Prozent Olivin und Pyroxen erkannt. Man nannte sie Anorthosite, da sie entsprechenden Mineralien auf der Erde sehr ähnlich sind. Spätere Apollo-Flüge bestätigten, dass diese Gesteinsart Hauptbestandteil der Hochländer ist. Das war für die Mondforscher eine große Überraschung und von niemandem vorhergesagt worden. Aufgrund dieser Tatsache bringt man jetzt den Erd-Anorthositen größeres Interesse entgegen. Altersbestimmungen an typischen Terra-Gesteinen zeigten ein scharfes Häufigkeitsmaximum zwischen 3,9 und 4 Milliarden Jahren. Man meint, dass der Mond in dieser Zeit eine katstrophenartige Epoche erlitten haben muss, welche die Zeituhren für die Oberflächengesteine neu einstellte und die Brekzien entstehen ließ. Möglicherweise war es ein sehr intensives Meteoritenbombardement, das in den gewaltigen Einschlägen des Mare Imbriums und Mare Orientale seinen Höhepunkt fand. Ohne Zweifel ist der Mond wie Erde und Meteoriten etwa 4,6 Milliarden Jahre alt. Man hatte eine größere Streuung des Alters bei den Terra-Proben vermutet. Jetzt scheint es so, als ob der letzte große Einschlag, der das Mare-Orientale-Becken entstehen ließ, das dortige Material über den ganzen Mond verspritzte und die Schicht der Terra-Gesteine entstehen ließ. Ihr Alter entspricht deshalb dem letzten großen Einschlag. 4. Das Mondinnere aufgrund geophysikalischer Messungen Eine Vielzahl wissenschaftlicher Geräte auf der Mondoberfläche und in ihn umkreisenden Subsatelliten lassen uns etwas über das Innere des Mondes oder seine Umgebung erfahren. Die bei den sechs Mondlandungen aufgestellten Messgeräte sind: • Drei aktive seismische Stationen (d.h. Sprengsätze), mit deren Hilfe Angaben über die oberen 100 m der Mondkruste erhalten wurden; • Vier passive seismische Stationen, die weiterhin Mondbeben und Meteoritenaufschläge registrierten; • Drei Subsatelliten mit Messgeräten für Sonnenwind, kosmische Strahlung, Magnetfeld und Schwerefeld des Mondes; 13 • Vier stationäre Magnetometer zur Messung von Änderungen des Magnetfelds; • Ein Gravimeter (Apollo 17) zur Untersuchung von Gezeiteneffekten; • Drei Wärmeflussmessgeräte, welche Temperaturen in verschiedenen Tiefen angeben; • Laser-Reflektoren, die Laser-Impulse zur Erde zu­ rück­werfen, zur Messung von Abständen, Drehungen und Bewegungen auf Mond und Erde; • Weitere Geräte zur Analyse des Sonnenwinds, lunarer Gase, Ionen und Meteoriteneinschlägen; • Jeweils eine 400 W-Plutoniumbatterie zur Stromversorgung. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Messungen sollen im Folgenden betrachtet werden. Die obersten Schichten des Mondes in der Nähe der Landeplätze von Apollo 14 (Fra Mauro), Apollo 16 (Descartes) und Apollo 17 (Taurus-Littrow) sind mit Hilfe refraktionsseismischer Verfahren untersucht worden. Aktive seismische Experimente: Als Anregung für seismische Wellen dienten kleine Explosionen, ausgelöst durch Schüsse der Astronauten, aber auch eine Art Granatwerfer und Einschläge des Aufstiegsteils der Landefähren. Der Regolith hat in allen drei Gebieten eine Kompressionswellengeschwindigkeit von etwa 100 bis 115 m/s. Darunter zeigen sich bis in etwa 400 m Tiefe Schichten mit rasch zunehmender Geschwindigkeit von 300, 1100 und 4000 m/s. Die gemessenen Geschwindigkeitswerte sind mit dem nach unten abnehmenden Zerstörungsgrad basaltischer Gesteine verträglich und schalten die Möglichkeit des Vorhandenseins einer früher vermuteten Permafrostschicht aus. Passive seismische Experimente: Angaben über tie­ fere Strukturen des Mondes kamen von den vier passiven seismischen Stationen. Vor allem waren es die künstlichen Anregungen seismischer Wellen, die von sechs Einschlägen der Saturn IVb-Raketenstufe 3 und von sechs Einschlägen der nicht mehr benutzten Aufstiegsteile der Landefähren stammten, die an den Stationen gut lesbare Seismogramme erzeugten. Zum Unterschied gegenüber vielen registrierten Mondbeben und Meteoriten sind bei den künstlichen Einschlägen Ort und Zeit der Anregung genau bekannt. So wurden nach und nach die Laufzeit-Kurven immer mehr verdichtet und in recht zuverlässige GeschwindigkeitsTiefenkurven umgewandelt. 5. Kruste und Mantel Nach einem schnellen Anstieg seismischer Geschwindigkeiten bis zu etwa 10 km Tiefe, wie er aus dem aktiven seismischen Experiment berechnet wurde, erhalten wir ab etwa 25 km Tiefe Werte von etwa 7 km/s, wie sie nach Labormessungen dem unzerstörten Material der ANT-Gesteine, z.B. den gabbroiden Anorthositen bei Apollo 16 entsprechen. Zwischen 50 und 65 km Tiefe scheint sich ein recht plötzlicher Anstieg der Geschwindigkeiten auf etwa 7,8 km/s zu vollziehen. Hier beginnt also, ähnlich wie entsprechende Geschwindigkeiten auf der Erde es anzeigen, der Mantel, der vermultich aus Olivinen, Peridotiten und Pyroxenen besteht, wie es 14 sich auch aus petrologischen Befunden andeutet. Eine so starke Ähnlichkeit mit terrestrischen Verhältnissen war zunächst nicht vermutet worden. Eine Differenzierung in Kruste und Mantel scheint ein allgemeiner Prozess terrestrischer Himmelskörper zu sein. Um Informationen über noch tiefere Schichten des Mondes zu gewinnen, reichen die Entfernungen zwischen Stationen und Einschlagsorten der Raketenstufen nicht aus. Durch das Netz der weiter arbeitenden vier seismischen Stationen ist es allerdings möglich geworden, Entfernungen zu Mondbeben und Meteoriteneinschlägen hinreichend genau zu messen, um daraus Laufzeitkurven zu verlängern und tiefer in den Untergrund hineinzuleuchten. Es zeigt sich hieraus, dass mindestens die äußeren 1000 km des Mondes starr sind und dass hier keine Schmelzen größeren Ausmaßes mehr vorhanden sein können. Anzeichen, wie die abnehmende Energie von Scherwellen bei weit entfernten Beben und Einschlägen der Rückseite, deuten darauf hin, dass in den inneren 700 km des Mondes partielles Schmelzen wahrscheinlich ist. Es ist zu hoffen, dass weitere größere Ereignisse auf der Mondrückseite noch während der Lebensdauer der seismischen Stationen diese Vermutungen bestätigt haben. 6. Mondbeben in großer Tiefe Auch Tiefe und Orte der viel diskutierten Mondbeben konnten durch das Stationsnetz wesentlich genauer angegeben werden, als dies vorher möglich war. Die meisten Mondbeben haben Tiefen zwischen 800 und 1200 km, darunter treten offenbar keine Beben mehr auf, ein weiteres Anzeichen für mögliches partielles Schmelzen im Mondinnersten. Im Hinblick auf frühere Abschätzungen konnte also vor allem die Tiefe der Beben besser angegeben werden. Alle anderen Eigenschaften der Beben, insbesondere die starke Ähnlichkeit vieler Bebengruppen, ihre gleiche Polarität und ihr Auftreten bei Perigäum (erdnächste Entfernung des Mondes) wurden durch die neueren Untersuchungen bestätigt. Die Ursachen dieser Beben, von denen viele vom gleichen Ort herkommen, sind immer noch ungeklärt. Möglicherweise kommen Gezeitenkräfte auch für die Energieauslösung in Frage, oder etwa die laufende Fortbewegung des Mondes von der Erde, schwache Konvektionsbewegungen oder ein Tiefvulkanismus, jedenfalls Prozesse, die längs Spalten und Orten von Inhomogenitäten als bebenauslösend wirksam werden. Die gezeitenbedingte Verformung des Mondes beträgt an der Oberfläche je nach Annahmen über die Elastizität des Mondkörpers zwischen 40 cm und 3 m. Sie ist damit von der gleichen Größenordnung wie die der Erde. Zwar sind die gezeitenerzeugenden Kräfte auf dem Mond stärker, doch wirkt diesem Effekt die größere Starrheit des Mondkörpers entgegen. Zeitlich besteht eine gute Korrelation zu den Beobachtungen von Dunstschleiern und kurzzeitigen Leuchterscheinungen. Auch räumlich scheinen diese Beobachtungen sowie die Tiefbeben die Ränder der Maregebiete zu bevorzugen, in denen, wie erwähnt, die Häufigkeit von dunklen, titan- und eisenreichen Basalten besonders groß ist. Möglicherweise sind hier tiefreichende SpalUranus 86, Mai 2014 ten oder Verwerfungen vorhanden. Die anscheinend weiche innerste Schicht des Mondes ab etwa 1000 bis 1200 km entspricht also etwa der Asthenosphäre unserer Erde zwischen etwa 100 und 200 km. Auch Druck und Temperatur sind hier etwa gleich groß. Ein Eisenkern des Mondes, ob fest oder flüssig, existiert sehr wahrscheinlich nicht. 7. Das Magnetfeld Eine der ganz unerwarteten Entdeckungen des Apollo-Programms waren die hohen Magnetisierungswerte der Basalte und Brekzien. Während der Satellit Explorer 35 nur ein bescheidenes Dipolfeld von maximal 5 γ (1 γ = 10-5 Gauß = 10-9 Tesla) festgestellt hatte, wurden am Boden von den Astronauten mit fest installierten und tragbaren Magnetometern Felder bis über 300 γ gemessen. Die Stärke dieser lokalen Felder scheint mit der Mächtigkeit der Brekzien zusammenzuhängen, die mehr freies Eisen als die Basalte besitzen. Im Hochland bei Apollo 16 wurde mit 313 γ das stärkste Feld gemessen, im Apollo 15-Mare-Gebiet mit 4 γ das kleinste. Die Magnetometer der in etwa 100 km Höhe kreisenden Subsatelliten zeigen ähnliche Unterschiede zwischen der marebedeckten Vorderseite und der aus HochlandBrekzien bestehenden Rückseite. Die Magnetisierung der Mondoberfläche ist also zweifellos ein globales Phänomen. Durch Labormessungen lässt sich die ursprüngliche Stärke des Felds, welches die Gesteine vor 3,2 bis 4,1 Milliarden Jahren magnetisiert hat, als sie aus der Schmelze erstarrten, auf 1000 bis 10 000 γ abschätzen. Das Erdfeld hat heute etwa 40 000 γ. Die relativ hohen berechneten Werte des alten Mondfelds sprechen zunächst für seine Entstehung im Inneren des Mondes. Die Entstehung des alten Magnetfelds aus einem Dynamoprozess im Mond­ inneren ist aber wegen der damaligen Temperaturen unwahrscheinlich. Einflüsse eines anfänglich starken Sonnenfelds können nach Beobachtungen an ähnlichen Sternen nicht so stark sein, wie es zur Magnetisierung erforderlich wäre. Doch könnte ein anfänglich kaltes Mondinneres durch ein kurzzeitiges starkes Magnetfeld isotherm magnetisiert worden sein. Vor zwei Jahrhunderten glaubte man, dass das Erdfeld von einer Permanentmagnetisierung seines Inneren herrühre, merkte aber bald, dass der Curie-Punkt (Temperatur, welche die Magnetisierung aufhebt) bereits in 25 km Tiefe überschritten wird. In der Anfangszeit des Mondes können aber solch niedrige Temperaturen im Inneren vorgeherrscht haben. 8. Die Figur des Mondes Neue Informationen über die Figur des Mondes und seines Schwerefelds erbrachte die Verfolgung der Subsatelliten von Apollo 15, 16 und 17 sowie Höhenmessungen mit Lasern von den umkreisenden ApolloRaumschiffen. Mit Hilfe der Laser-Reflektometer wurde der mittlere Monddurchmesser auf 3471,826 km neu festgelegt. Der Schwerpunkt des Mondes fällt nicht mit dem Mittelpunkt seiner Figur zusammen, sondern ist mehr als 2 km nach Osten und mehr als 1 km nach Nor- Mai 2014, Uranus 86 den verlagert. Da das Mondinnere nach seismischen und anderen geophysikalischen Messungen „weich“ ist, kann der Unterschied nur von Inhomogenitäten im äußeren Teil des Mondes herrühren. Die Höhenmessungen zeigten zunächst, dass die der Erde zugewandte Mondseite im Mittel fast 2 km tiefer, die abgewandte (Terra-)Seite 2 km höher liegt als der mittlere Mondradius. Die ringförmigen Maria liegen sogar 4,1 km tiefer, die übrigen etwa 2 bis 2,5 km unter „Normal-Null“. Diese Höhenverteilung lässt sich nur dann mit der Verlagerung des Schwerpunktes in Richtung der tiefer liegenden Mare-Gebiete erklären, wenn man in Hochländern der Rückseite eine etwa doppelt so mächtige Kruste annimmt wie auf der Vorderseite. Offenbar bestimmen also größere Massen mit dichter basaltischer Kruste die größere mittlere Dichte der Vorderseite, in denen die enormen Aufschläge in der Frühzeit des Mondes Material bis zur Rückseite geschleudert haben und durch Aushöhlung, Spaltenbildung und zusätzliche Erwärmung sowohl die Bildung als auch den Aufstieg von Magmen aus großer Tiefe begünstigt haben. Wie erwähnt, flossen einige Millionen Jahre nach den Aufstürzen basische Lavaströme in die Becken, die bis zu mehr als 20 km mächtige Basalte schufen. Isostatische Hebungen, gefolgt von zusätzlichen, letzten Ausbrüchen sowie eine mögliche Umwandlung von Basalt in tieferen Schichten müssen für den Schwereüberschuss (= Mascons) der ringförmigen Marebecken verantwortlich sein. Aussagen, dass der innerste Teil des Mondes heute warm ist, kommen nicht nur von seismischen Messungen, sondern auch von der Beobachtung magnetischer Variationen und besonders von Wärmeflussmessungen. Die anfänglich aus dem magnetischen Verfahren errechneten heutigen Temperaturen für das Mondinnere scheinen etwas zu niedrig gewesen zu sein. Die Wärmeflussmessungen, von 2,8 µW/cm² (0,028 W/m²) bei den Apollo 15- und 17-Landeplätzen deuten höhere Werte im Inneren an, die zwischen 1000 und 1400 °C liegen. Alle Berechnungen der Wärmegeschichte des Mondes führen auf anfänglich sehr hohe, Schmelzen bewirkende Temperaturen für die äußeren Hunderte von Kilometern. Die vermutlich 60 km dicke Feldspat-Kruste erfordert eine mehrere 100 km mächtige Schmelzzone in der Frühzeit. Als weitere Randbedingungen in diese Rechnungen gehen ein: Die kalte, seit drei Milliarden Jahren starre Lithosphäre, die heutigen Grenzen der berechneten Temperatur im Mondinneren und die heutige Konzentration radioaktiver Stoffe an der Oberfläche. Alle thermischen Mondmodelle lassen zwar keine eindeutige Unterscheidung zwischen einem anfänglich kalten oder warmen Mond zu, doch überwiegen die Anzeichen, die für eine kalte Zusammenballung von Material sprechen. 9. Radioaktive Elemente Die Beimengungen von Uran in den Oberflächengesteinen sind nicht überall die gleichen. An einigen Rändern der Maria sind starke Konzentrationen radio­ aktiver Elemente festgestellt worden. Die α-Strahlen- 15 Spektrometer von Apollo 15 und 16 beobachteten Radon 220 und das Tochterelement Polonium 210. Maxima wurden in der Nähe der Krater Aristarchus und Grimaldi gemessen, wo innerhalb der letzten Jahrhunderte eine starke Aktivität von Dunstschleiern und Leuchteffekten beobachtet wurde. Am 11.9.2013 schlug um 2207 MEZ ein Meteorit auf der unbeleuchteten Seite ein, der ca. 450 kg wog und einen 50 m-Krater erzeugte (Helligkeit 2m). Die Vorderseite mit ihren Maria erscheint allgemein radioaktiv „wärmer“ als die Rückseite. Offenbar hat hier ein stärkerer Transport radioaktiver Elemente an die Oberfläche stattgefunden. 10. Die extrem dünne Mondatmosphäre Seit langem war es Konsens, dass der Mond keine Atmosphäre hat und haben kann, weil er aufgrund der geringen Gravitation und der zeitweilig hohen Temperaturen Gase nicht halten kann. Zumindestens keine mit einem Molekulargewicht unterhalb M = 40 (Argon) oder M = 44 (CO2). Es wurden keine Moleküle von Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel oder Chlor gefunden. Und doch muss es Gasreste geben, vor allem durch den rad. Zerfall des Kalium-40 entsteht das Argon-40. Unterstellt man einen Kaliumgehalt wie in der Erdkruste (1,4%), so ergibt sich für ein Gleichgewicht zwischen der Entstehungsrate und dem Diffusionsverlust ins Weltall nach Berechnungen des Verfassers ein Argon-40-Partialdruck von ca. 3 . 10‑10 mbar (ird. UltraHochvakuum!), der durch die Apollo-Experimente bestätigt wurde. Überraschend für die Astronauten war, dass das Argon in der Mondnacht ausfriert (–150 °C) und am Boden haftet! Beim ersten Sonnenstrahl wird es von der Oberfläche abgedampft. Ein weiteres radiogenes Gas ist Radon 220 aus der Uran-Radium-Kette, ferner die Helium-Ionen aus den Alpha-Zerfällen und dem Sonnenwind, die freilich sehr schnell abdiffundieren. Im Jahre 1957 wurde erstmalig in der Nähe des Kraters Alphonsus ein Gasausbruch gefunden (Kosyrew), der vor allem aus Kohlendioxid bestand. 11. Die Entwicklung des Mondes Von Chemie und Alter der Gesteine und der Physik des Mondkörpers ausgehend, von Vergleichen mit Meteoriten, Mars und Erde, entwickelt sich das Bild der Evolution des Mondes und anderer Himmelskörper in unserem Sonnensystem. Wir wissen heute, dass der Mond nicht nur in seiner Dichte, sondern auch in seinem Chemismus sowohl von dem der Erde als auch von dem chondritischer Meteoriten abweicht, die wir als Repräsentanten der kondensierten Elemente unserer Sonne ansehen. Der Mond entstand nach heutiger Vorstellung durch einen Zusammenstoß der noch unfertigen Erde mit einem kleineren Planeten. Mit einiger Sicherheit lässt sich sagen, dass der Mond kein eingefangener meteoritischer Körper des Asteroidengürtels ist. Der Mond ist demnach ein „Ausschleuderungsprodukt“ des genannten Ereignisses, ca. 100 Mio. Jahre nach der Zusammenballung der Erde. Dies ist die Lösung des Problems, wie zwei chemisch und physikalisch verschiedene Körper mehr oder weniger gleichzeitig und im gleichen Abstand von der Sonne aus dem planetaren Nebel heraus entstehen konnten. Wie wir von der dann beginnenden Geschichte des Mondes – nicht derjenigen der Erde – wissen, flogen vor 4,6 bis 4 Milliarden Jahren viele größere Körper in unserem Teil des Sonnensystems umher, wofür die gewaltigen Einschläge der Marebecken Zeugen sind. Vermutlich sind noch größere und noch mehr Körper auf die Erde gefallen. Die anfängliche chemische Entwicklung von Erde und Mond ist in Einzelheiten noch umstritten. Bisher gilt aufgrund des Eisenkerns unserer Erde, dass diese im Anfangsstadium völlig geschmolzen war und sich das flüssige Eisen als häufigstes, schwerstes Material im Inneren festsetzte und einen Mantel von Eisen-Magnesium-Silikaten zurückließ. Für den Mond dürfen wir diese Entwicklung nicht annehmen. Weder besitzt er eine entsprechende Menge Eisen, noch hat er einen merklichen Kern. Neuerdings vermutet man, dass Erde und Mond bereits bei ihrer Entstehung unterschiedliche Materialien aufgesammelt haben. Die Erde begann vielleicht etwas früher aus dem Nebel heraus zu kristallisieren und die meisten schweren Elemente wie Eisen und Nickel sowie flüchtige Stoffe an sich zu ziehen, ohne unbedingt voll aufzuschmelzen. Für den Mond, der sich in Erdnähe formte, waren diese Stoffe nicht mehr verfügbar! Der 1969 in Mexiko gefallene „Allende-Meteorit“, der etwa eine Tonne Material verspritzte, brachte den Forschern, die eben mit der Analyse von Mondproben beschäftigt waren, eine weitere Überraschung: Der kohlige Chondrit stellte sich als eine Mischung von Material dar, das teils bei hohen und teils bei tiefen Tem- Abb. 1: Altersmäßige Entwicklung der Mondoberfläche (A 11...17: Apollo 11...17; L 16/20: Luna 16/20) Procellarum Serenitatis Fra Mauro (Imbrium) Imbrium Caley Descartes (ANT) Differentiation der ersten (Terra)-Kruste 0,5 16 Tranquilitatis Aushöhlung der Mare-Becken A14, A 16, L 20, A 17 4,5 Fecunditatis Füllung der Mare-Becken A11 L 16, A 12, A 15, A 17 1,0 4,0 Gasvulkanismus Milliarden Jahre 1,5 3,5 seit Formung 3,0 vor heute Uranus 86, Mai 2014 peraturen kondensiert war und mit den Elementen Kalzium, Aluminium, Titan, Uran, Thorium und den seltenen Erden genauso angereichert ist, wie die Terragesteine der Hochländer. Dies könnte ein weiteres Anzeichen dafür sein, dass die Hochländer als erste verfestigte Außenhaut des Mondes bei einem ersten, einfachen Aufschmelzprozess vor 4,6 Milliarden Jahren entstanden sind. Von dieser Zeit an übersehen wir die Geschichte des Mondes besser. Obwohl kein festes Mondgestein mit 4,6 Milliarden Jahren Alter gefunden wurde, so zeigen doch die Brekzien der Terrae sowie die Schichtung der äußeren Teile mit ihren Auswurfstoffen, dass die gigantischen Einschläge zwischen 3,9 und 4,2 Milliarden Jahren eine zusätzliche Erwärmung und eine große Anzahl mächtiger Auswurfdecken schufen und die radioaktiven Uhren neu stellten. Das Eindringen der Temperaturwelle nach innen sowie die Erwärmung durch radioaktive Elemente ließen einige 100 Millionen Jahre später als zweiten Schmelzprozess basaltische Laven in einigen 100 km Tiefe entstehen und durch Spalten in die Vertiefungen hochdringen, vorwiegend auf der Vorderseite mit ihrer dünnen und angeschlagenen Kruste. Etwa seit 3,1 Milliarden Jahren ist der äußere Teil des Mondes starr, starrer als Erde und Mars. Das Magnetfeld des Mondes wurde mit weiterer Erwärmung im Inneren immer kleiner. Die sich mit schwerer basaltischer Lava füllenden Tiefgebiete machten diese Seite des Mondes schwerer. Manche Einschläge förderten KREEP-reiches Material zu Tage und verspritzten es strahlenförmig über die Mondoberfläche. Ein Rest Gasvulkanismus scheint sich bis heute gehalten zu haben (CO2). Einen Überblick über die magmatische Aktivität der ersten 1,6 Milliarden Jahre seit Formung des Mondes gibt die beigefügte Abbildung 1. Nach einem Vortrag von A. Kunert an der WilhelmFoerster-Sternwarte in Berlin 1974, ergänzt und erweitert durch Prof. Dr. W. Zumach Quellennachweis A. Meißner, Mondforschung nach Apollo, Umschau in W. u. T., 1974 Abb. 2: Eine moderne Karte der erdzugewandten Seite des Mondes. Apollo 11 bis 17 landeten sicher; Apollo 13 musste wegen einer lebensgefährlichen Panne vorzeitig umkehren. (Bild: NASA) Mai 2014, Uranus 86 17 Astrofotografie S Scharfstellen bei der Astrofotografie eit etwa drei Jahren hat sich im Bereich der DeepSky-Fotografie immer mehr das Fokussieren mithilfe einer Bahtinov-Maske bewährt. Insbesondere bei lichtstarken, schnellen Optiken und in Verbindung mit einer digitalen Spiegelreflex-Kamera stellt dies eine schnelle und zuverlässige Methode zum sicheren Scharfstellen der Optik dar. Im Zeitalter der analogen Fotografie (auch liebevoll „Nassfilm-Fotogra­ fie“ genannt) stellten die meisten Fo­to­grafen ihre Fo­ to­objektive und Teleskope mit zwei verschiedenen Methoden scharf: Entweder es gab eine Abb. 1: Schematische Darstellung einer „Unendlich“-Mar- Bahtinov-Maske. Diese wird vor die Opkierung (wie etwa bei tik des Teleskops gesetzt, und besteht Fotoobjektiven), oder aus senkrechten Kanten (obere Hälfte) man setzte in die Fo- und diagonalen Kanten (untere Hälfte). kalebene eine so genannte Messerschneide ein. Diese Prüfung des Fokus entstammte eigentlich der Überprüfung der optischen Qualität und wurde vom französischen Physiker Foucault entwickelt. Letztendlich sah man aber erst nach der Entwicklung des Films, ob der Fokus genau getroffen oder die Aufnahmen unscharf geworden waren – mit der Konsequenz, dass unter Umständen eine gesamte fotografische Nacht „beim Teufel“ war, also ohne brauchbare Resultate endete. Heutzutage ist dies dank der digitalen Revolution viel einfacher und effektiver. Da man sich sowohl beim Einsatz einer CCD-Kamera wie bei einer digitalen Spiegel-Reflex-Kamera (DSLR) die Aufnahme sofort in Abb. 2: Der Sternhaufen M 41, aufgenommen am 10.02.2013 mit einer FFC 4.0/760mm; Kombination aus 4 Aufnahmen mit je 5 min Belichtungszeit. Obwohl die Nachführung optimal war, sind die Sterne (rechts unten Ausschnittvergrößerung) auffällig groß abgebildet: Die Folge einer nicht exakten Scharfstellung. Aufnahme: Stefan Funk digitaler Form anschauen kann, sieht man auch unmittelbar, ob das Resultat unscharf geworden ist, oder ob die Scharfstellung „passt“. Eine wesentliche Erleichterung stellt hier der so genannte „Live-View“-Modus dar. Das Bild, das die Kamera sieht, kann sozusagen in Echtzeit auf dem Monitor der Kamerarückwand oder auf einem Computerbildschirm dargestellt und analysiert werden. Damit kann man sogar noch vor der Aufnahme kontrollieren, ob die Optik scharf gestellt ist. Die meisten Live-View-Programme erlauben das Vergrößern des Sternbildchens um den Faktor 10, so dass sehr schnell der Fokus kontrolliert und verbessert werden kann. Trotzdem hatte ich immer wieder Schwierigkeiten, eine exakt scharf gestellte Aufnahme zu produzieren. Gründe dafür gab es genug. Welcher nun ausschlaggebend war, habe ich leider nie herausgefunden. So war der Blick auf die Rückwand meines Kameragehäuses alles andere als bequem, wenn mein Stern zum Scharfstellen im Zenit stand, und die Kamera damit fast am Boden hing. Blickte ich dann schräg auf den Monitor, konnte es schon vorkommen, dass ich den Durchmesser des Sternscheibchens verzerrt wahrnahm. Auch Müdigkeit oder leichte Unschärfe beim nächtlichen Sehen spielten dabei sicherlich eine Rolle. Jedenfalls hatte ich immer wieder das Ärgernis, dass meine Sterne „matschig“ wurden, also nicht klein und knackscharf. Damit einher ging immer auch ein Verlust an Details, Auflösung und an schwachen Objekten an der Grenzgröße des mir Möglichen. Selbst als ich das Live-Bild des Sterns beim Scharfstellen auf meinen Computerbildschirm warf, war ich vor diesem Fehler nicht gefeit, wenn auch eine deutliche Verbesserung eintrat. Andere Methoden zum Scharfstellen (wie etwa die von mir bis zur Perfektion angewandte Messerschneiden-Methode) ließen sich leider nicht mehr anwenden: Bei DSLR-Kameras kann man nichts mehr in die Fokalebene hineinstecken oder etwa die Rückwand des Kameragehäuses öffnen. Umso überraschter las ich im Internet im Sommer von einer neuen Methode, die der russische Optik-Spezialist Pavel Bathinov vor etwa drei Jahren entwickelt hatte. Dazu setzte er eine vom ihm entworfene Maske vor sein Fotoobjektiv/Teleskop und stellte anhand verschiedener Beugungsstreben den Stern scharf. Blenden vor der Optik Dass man zum Scharfstellen eine Blende vor die Fotooptik einsetzte, war keine grundsätzlich neue Idee. So gab es bereits seit langen Jahren die Möglichkeit, mit einer so genannten Scheiner-Blende drei Sternchen zu produzieren, die bei idealer Fokallage zu einem einzigen Stern verschmolzen. Ich hatte mich nicht weiter damit beschäftigt, da dies nach meiner Einschätzung immer noch mit einer Fehlertoleranz behaftet war, die ich auch mit der Live-View-Scharfstellung erreichte. 18 Uranus 86, Mai 2014 Die Bahtinov-Maske geht hier einen anderen Weg. Sie erzeugt durch ihr charakteristisches Aussehen diagonale und axiale Beugungsstrahlen, die bei optimaler Scharfstellung durch die Mitte des Sterns laufen. Ist man außerhalb oder innerhalb des Fokus, verläuft der axiale Strahl nicht durch die Mitte des Sterns, was sofort zu erkennen ist. Die Methode wird als sehr präzise und empfindlich geschildert, so dass selbst kleinste Abweichungen vom optimalen Fokus-Punkt sichtbar werden. Ein wenig Theorie Wie genau muss man eigentlich den Fokus beim Fotografieren treffen? Dies hängt von mehreren Faktoren ab, die sich gegenseitig beeinflussen. Die bestimmenden sind dabei: Das Öffnungsverhältnis und das Auflösungsvermögen der Optik bzw. der Kamera. Ist beispielsweise das Auflösungsvermögen der Kamera recht schlecht (wie etwa bei älteren CCD-Kameras), so hat man beim Scharfstellen einen gewissen Spielraum, weil geringe Unschärfen gar nicht am Kamerabild erkannt werden können. Weitere Faktoren sind auch die Qualität der Optik sowie die Luftunruhe, die aber bei der weiteren Diskussion nicht mit einbezogen werden sollen. Das Beugungsscheibchen einer Optik ist bestimmt durch das Öffnungsverhältnis (vorausgesetzt, man hat eine fehlerfreie Optik!). Sein Durchmesser lässt sich näherungsweise mit B = 0.67µm . N angeben, wobei N das Öffnungsverhältnis der Optik ist, also der Quotient Brennweite durch Öffnung. Ist das Auflösungsvermögen der Kamera (also die Pixelgröße) größer als der Durchmesser des Beugungsscheibchen B, dann hat man hier eine gewisse Toleranz beim Scharfstellen. Wie groß die Toleranz tatsächlich ist, lässt sich aus dem Rayleigh-Kriterium für Optiken ableiten. Hier gilt: Fokus-Toleranz ∆ = 2 . λ . N2 wobei λ die verwendete Wellenlänge des Lichts ist. Nimmt man eine typische mittlere Wellenlänge von λ = 500 nm an, so lässt sich die Formel wie folgt vereinfachen: Abb 3: Meine fotografische Ausrüstung. Rechts die Lichtenknecker Flatfield-Kamera mit 190 mm Öffnung und 760 mm Brennweite, N = 4. Links unterhalb davon das Leitrohr (80 mm Refraktor f/12). Am Himmel die Venus-Jupiter-Konjunktion vom März 2012. So kleine Abweichungen überfordern meist schon die Mechanik beim Scharfstellen, da Ungleichmäßig­ keiten, Schneckenfehler oder Gewindespiel solch kleine Schwankungen gar nicht einstellen lassen. Bei meiner Flatfield ist dies jedoch sehr gut möglich. Der Fangspiegel wird hier über eine große Mikrometer-Schraube beim Scharfstellen bewegt, wodurch selbst kleinste Verschiebungen möglich werden. Noch mehr Theorie Wie funktioniert nun eine Bahtinov-Maske? Die Maske oder Blende wird vor dem ersten optischen Element befestigt, praktischerweise also vor der Öffnung des Teleskops. Ich lege sie beispielsweise immer in die Taukappe meiner Flatfield-Kamera unmittelbar vor die Korrekturplatte. Die Maske weist, wie bereits angesprochen, mehrere parallel verlaufende diagonale Streifen und ebensolche Streifen, die senkrecht stehen, auf. An den Kanten wird das einfallende Licht eines hellen Sterns gebeugt und erzeugt ein charakteristisches Strahlenmuster an diesem Stern. Wichtig dabei für das Verständnis: Mehrere parallele Kanten erzeugen nicht mehrere Strahlen, Abb. 4: Die Funktionsweise der Maske. Links dargestellt der schematische Aufbau, rechts der Anblick eines Sterns, dessen Licht an den Kanten der Maske gebeugt wird. Die senkrechten Kanten der Maske erzeugen einen senkrechten Strahl, die schrägen Kanten die beiden diagonalen Strahlen. ∆ ~ 0,001 mm . N2 Man sieht schon, dass bei lichtstarken Optiken, wie sie regelmäßig bei der Astrofotografie zum Einsatz kommen, die Fokus-Toleranz schnell sehr klein wird, und schon kleine Abweichungen zu unscharfen Aufnahmen führen. Bei meiner Flatfield-Kamera, die ich für Deep-SkyAufnahmen benutze, ist das Öffnungsverhältnis N = 760 mm Brennweite / 190 mm Öffnung = 4. Die FokusToleranz beträgt also 0,001 mm . 16 = 0,016 mm. Liegt meine Kamera mit ihrem Sensor also mehr als diesen Wert vom Brennpunkt entfernt, wird das Bild unscharf. Ob diese Unschärfe auch sichtbar wird, hängt nun vom Auflösungsvermögen der Optik und des Sensors ab (siehe oben). Mai 2014, Uranus 86 19 sondern einen einzigen Strahl. Die schräg stehenden Kanten erzeugen also einen diagonal durch den Stern verlaufenden Strahl, während die dazu senkrecht stehenden Kanten einen senkrechten Strahl erzeugen. Je mehr Kanten die Maske hat, desto heller werden die Strahlen. Um nun auch kleinste Unterschiede besser erkennen zu können, erzeugt man mit einer geeigneten Maske zwei Arten von diagonalen Strahlen, die sich im Mittelpunkt des Sterns in einem spitzen Winkel schneiden, und einen dritten Strahl, der genau zwischen den beiden Strahlen liegt. Als bester Wert hat sich ein Winkel zwischen der Senkrechten und den Diagonalstrahlen von jeweils 20° herausgestellt (siehe Abb. 4). Bei größerem Winkel kann das Auge nicht mehr ganz so präzise erkennen, ob der mittlere Strahl genau zwischen den beiden anderen liegt. Ist die punktförmige Lichtquelle (also der Stern; mit einem scheibchenförmigen Planeten funktioniert die Methode nicht!) scharf gestellt, verlaufen alle drei Strahlen genau durch die Mitte des Sterns. Das Prinzip lässt sich – wenn auch schwächer ausgeprägt – an einem Newton-Teleskop überprüfen. Die Fangspiegelstreben zeigen dabei den gleichen Effekt. Nur Mut Zurück zur Bahtinov-Maske. Im Internet hatte ich verschiedene Bastel-Lösungen gesehen, sowie auch mehrere kommerzielle Anbieter, die eine Maske für die jeweilige Optik anfertigen. Diese Kauflösungen kosteten etwa 50€ für meine Öffnung. Da machte mir Tobias Knesch Mut, mich doch mal an einem Selbstbau zu versuchen. Er verwendete eine selbst gefertigte Bahtinov-Maske, die er sich aus einem Getränkekarton geschnitzt hatte. Software-Programme in den verschiedenen Foren im Internet zeigten mir, wie die Maske in etwa aussehen sollte. Charakteristisch sind die diagonalen Streifen in der einen und die senkrechten Streifen in der anderen Hälfte der Maske, die voneinander durch einen Balken getrennt sind. Je mehr Streifen man verwendet (eigentlich ist die Anzahl der Beugungskanten ausschlaggebend), desto heller werden die Beugungsstreifen, mit denen man die Optik scharf stellt. Damit kommen viel mehr Sterne in Frage, an denen man scharfstellen kann, als bei einer Scheiner-Blende, die nur drei kleine Eingangsöffnungen besitzt. Abb. 5: Tobias Kneschs selbst gefertigte Masken, hergestellt aus einem Milchkarton. 20 Abb. 6: Meine eigene Maske, hergestellt aus einer Trennpappe, die sich im Supermarkt in der Getränkeabteilung fand. Die Herstellung meiner eigenen Maske war von zwei Schritten geprägt: Zuerst trial mit eingebautem error, dann der sofortige Erfolg. Ich erzeugte mir eine Maske mit einem InternetProgramm, die ich ausdrucken und als „DurchpausSchablone“ einsetzen wollte. Leider konnte ich mit dem Grafik-Format, das dabei ausgegeben wurde, überhaupt nichts anfangen: Ich konnte das Bild einfach nicht in der Größe ausdrucken, die ich benötigte. Also druckte ich irgendeine Maske aus, die ich als Bild im Internet fand, um mich an ihrer Form zu orientieren. Ich skalierte die Linien auf meine Größe passend und zeichnete sie auf meinen Maskenrohling. Dabei stand die Frage des Materials im Raum. Tobias hatte einen Pappkarton verwendet. Ich nahm mir einen Verpackungskarton einer Büchersendung und schnitt den Karton auf meine Bedürfnisse zu. Leider zeigte sich beim Einschneiden der Streifen schnell, dass dieses Material völlig ungeeignet war. Die eingelegten Luftpolster, die bei einer solchen Verpackung den Inhalt vor Erschütterungen und Druck von außen schützen sollten, zerfaserten beim Schneiden mit einem Messer und lieferten gezackte, ausgebrochene Kanten, die wahrscheinlich kein sauberes Beugungsmuster erzeugen würden. Dieser Karton war also ungeeignet. Was tun? Da fiel mir beim Einkaufen einige Tage später ein Pappkarton auf, der anscheinend deutlich besser geeignet war. Dieser befand sich als Deckel/Boden zwischen verschiedenen Sechserbündeln PET-Flaschen mit Mineralwasser. Das Schöne an dem Karton: er war stabil, ohne Luftpolster und auch groß und damit für größere Optiken geeignet. Zwar war er durch den Transport und das Gewicht der drüber liegenden Flaschen an etlichen Ecken durchgewellt, aber wie sich herausstellte, konnte ich dies mit einer Pressaktion unter einem guten Dutzend schwerer Bücher vollständig ausgleichen. Uranus 86, Mai 2014 Dann zeichnete ich mir die Maske mit Bleistift auf den Pappkarton. Dazu verwendete ich ein Lineal, einen Winkelmesser (für die 20°-Neigung der diagonalen Streifen) und einen Zirkel, um die Maske rund zu machen. Anschließend schnitt ich die Maske und die Streifen aus. Das Ganze dauerte nur etwa eine Stunde, danach war die Maske fertig. Die schöne schwarze Farbe, die die Masken bei kommerziellen Angeboten haben, sparte ich mir komplett. Die Kosten für die Herstellung betrugen damit: 0,00€. Der praktische Einsatz Bei der allernächsten Gelegenheit fokussierte ich mit meiner selbst geschnitzten Maske meine Flatfieldkamera. Dazu stellte ich meine Canon EOS auf Live-View, und überspielte das Bild der Kamera in Echtzeit auf einen daneben stehenden Laptop. Zum Scharfstellen nutzte ich den hellen Stern Arcturus und vergrößerte das Bild auf dem Monitor. Sofort nach Einsetzen der Maske vor die Öffnung der Kamera zeigte sich das mir bereits bekannte Strahlenbild mit dem hellen Stern in der Mitte. Die diagonalen Strahlen liefen in einem Winkel von 40° aufeinander zu. Der mittlere Strahl befand sich dazwischen, jedoch nicht genau in der Mitte. Beim Drehen an der Fokussierschraube veränderte sich der mittlere Strahl sofort. Bereits feinste Veränderungen der Fokuslage waren erkennbar. Einige Male über den Fokus hinaus- und wieder zurückgedreht gaben mir die jeweilige Ablage zu erkennen, und bereits nach wenigen Sekunden (es dauerte wirklich nicht länger) hatte ich den mittleren Strahl genau zwischen die beiden diagonalen platziert. Nun nahm ich die Maske wieder heraus und schoss eine Testaufnahme von wenigen Sekunden Belichtungszeit. Das Ergebnis ist auf Abb. 9 erkennbar. Die schwächeren Sterne waren sehr klein und scharf abgebildet, während der helle Arcturus mit den deutlichen Reflektionen der Fangspiegelhalterung – den „Spikes“ zu sehen war. Auch eine länger belichtete Aufnahme ließ keinen Zweifel: die Methode funktionierte sehr präzise. Nach einigen Einsätzen der Maske und noch mehr Erfahrung kann ich nun für mich behaupten, dass ich meine Methode zum sicheren und präzisen Fokussieren gefunden habe. Ich kann mit einer Genauigkeit scharf stellen, die ich vorher beim Betrachten des Sternbildchens am Monitor nicht mal annähernd erreicht hatte. Der Bereich, in dem das Sternscheibchen als scharf erschien, war dazu einfach zu groß. Abb. 8: Das fokussierte Bild, noch mit Maske, etwa 5 s lang belichtet. Deutlich sind die drei Strahlen sichtbar, die nun – da scharfgestellt – genau symmetrisch zueinander stehen und durch den Mittelpunkt des Sterns laufen. Grenzen beim Einsatz der Maske scheinen sich bei der verwendeten Optik zu ergeben. Zwar funktioniert die Methode auch bei kleinen Öffnungen, wie es sie etwa bei Fotoobjektiven gibt. Da die Maske jedoch einen erheblichen Teil des Lichts wegnimmt, scheint dann im Live-View Modus nicht mehr genügend Licht vorhanden zu sein, um den Stern und die Beugungsstrahlen sichtbar zu machen. Eine mögliche Lösung wäre hier, die Anzahl der Kanten zu erhöhen. Die Maske hat sich als robust und zuverlässig erwiesen. Sollte sie einmal kaputt gehen, etwa durch Tau oder ein Abknicken, kann ich sie mir jederzeit selbst herstellen: Es ist nur ein Gang in die Getränkeabteilung notwendig. Stefan Funk Literatur und Links: • Erik Wischnekwsi, Astronomie in Theorie und Praxis, 6. Auflage 2013 • http://en.wikipedia.org/wiki/Bahntinov_mask • http://www.gerdneumann.net/deutsch/astrofotografie-parts-astrophotography/bahtinov-masksbahtinov-masken.html • Maskengenerator: http://astrojargon.net/MaskGenerator.aspx Hinweise zu Bathtinov-Maske gibt es auch bei www.astronomie.de und www.astrotreff.de Abb. 9: Testaufnahme mit 20 s Belichtungszeit, nach Scharfstellen mit der Bahtinov-Maske. Die schwächeren Sterne werden gut scharf abgebildet. Der helle Stern Arcturus zeigt die bekannten Spikes, die als dünne Strahlen sichtbar sind. Abb. 7: Screenshot während des Scharfstellens. Deutlich sichtbar sind die beiden diagonal verlaufenden Strahlen, sowie der dazwischen laufende senkrechte Strahl. Alle drei Strahlen gehen nicht genau durch den Mittelpunkt des hellen Sterns. Mai 2014, Uranus 86 21 Sternbilder Serpens D as einzige Sternbild am Himmel, das zweigeteilt ist, ist das Sternbild Schlange, lat. Serpens. Es wird durch den Schlangenträger (lat. Ophiuchus) in „Caput“ (den Kopf) und „Cauda“ (den Schwanz) geteilt. Zwar ist diese Teilung hochoffiziell, am Himmel spricht man jedoch häufig nur von einem Sternbild. Es liegt am Rand der Milchstraße und weist eine Reihe von schönen und hellen Objekten auf. Im nun kommenden Frühling und Frühsommer ist es sehr gut zu beobachten. Das hellste Objekt im Sternbild Schlange ist der Kugelsternhaufen M 5. In sehr klaren Nächten habe ich ihn auch schon mit bloßem Auge – dann allerdings als sternförmiges Objekt – sehen können. Im Feldstecher fällt er als diffuses Sternchen auf. Mit dem Teleskop und höherer Vergrößerung zeigt er dann seine ganze Pracht. Er ist einer der größten Kugelsternhaufen des nördlichen Sternhimmels und ist bis in sein Zentrum hinein gut aufgelöst, sodass eine schier unglaubliche Zahl von kleinen Sternchen sichtbar wird. Zum Aufsuchen wandert man am besten von den Sternen α Ser (2m,6), e Ser (3m,7) und ω Ser (5m,2) nach Westen. Alle drei sind in einer klaren Nacht mit bloßem Auge sichtbar. M 5 ist fast genau 8 Grad westlich von ω Ser. Ein Stern 5m, der nur ein knappes halbes Grad südlich von ihm liegt, erleichtert das Auffinden. 22 Abb. 1: Das zweigeteilte Sternbild Schlange. Im westlichen Teil befindet sich der Kugelsternhaufen M 5, im östlichen der Gasnebel M 16. Zur Orientierung sind das Sternbild Schlangenträger sowie die umliegenden Sternbilder eingetragen. Das bekannteste Objekt im Sternbild Schlange ist sicherlich der berühmte Adlernebel M 16. Er liegt im östlichen Teil des Sternbildes, also dem „Schwanz“. Leider gibt es in seiner Umgebung wenig Sterne, die zu ihm führen, dafür aber eine sehr auffallende Struktur Abb 2: Der Kugelsternhaufen M 5, aufgenommen am 2.8.2013 mit einer FFC 4,0/760mm und einer Canon EOS 1000D. 6x 5 min belichtet. Uranus 86, Mai 2014 Abb. 3: Aufsuchkarte für den Kugelsternhaufen M 5 in der Milchstraße: die Sternwolke M 24. Sie ist auch in nur mäßig klaren Nächten als große, längliche Aufhellung in der Milchstraße zu sehen. Wenn man von ihr nach Norden schwenkt, gelangt man zunächst zum hellen Gasnebel M 17, der noch im Sternbild Schützen liegt. Die gleiche Strecke weiter nach Norden schwenkend (von M 24 etwa 5°) erreicht man dann M 16. Für das erste Aufsuchen ist ein lichtstarker Feldstecher immer das Beste. In ihm fällt M 16 sofort als helle, große, diffuse Wolke auf. In kleineren Fernrohren hingegen ist vom Nebel erstmal wenig zu sehen. Vielmehr erkennt man den Sternhaufen, der im Nebel eingebettet ist, und der aus etwa 50 Sternen besteht. In größeren Teleskopen ab etwa 20 cm Öffnung hingegen ist der Nebel als leichte, aber deutliche, großflächige Aufhellung zu sehen. Ein OIII-Filter hilft beim Beobachten des Nebels. Objekt Rektasz. Deklinat. Art M5 15 18 ,6 +02° 05‘ Kugelhaufen h m NGC 5921 15 21 ,9 +05° 04‘ Galaxie h m Hell. 3 ,6 m In sehr klaren Nächten kann man versuchen, im Nebel eine besondere Struktur zu erkennen: Die „Säulen der Schöpfung“, ein aktives Sternentstehungsgebiet im Zentrum des Nebels. Diese dunklen Schläuche wurden durch eine Aufnahme mit dem Hubble Space Telescope berühmt, sind aber auch auf Abb. 6 gut zu erkennen. Ich habe diese dunklen Säulen in meinem 36 cm Teleskop bei hoher Vergrößerung und sehr guten Bedingungen bereits sehen können. Sie erscheinen als dunkle langgezogene Schläuche vor dem etwas helleren Nebelhintergrund. Auch hierbei ist ein Nebelfilter hilfreich. Eine Liste der hellsten Objekte habe ich wie immer beigefügt. Viel Spaß beim Beobachten! Stefan Funk Größe 17,4‘ Beschreibung Heller, großer Kugelhaufen, gut aufgelöst 11 ,7 4,9‘ x 4,2‘ Helle Galaxie, recht groß, sehr heller Kern m NGC 6604 18 18 ,0 -12° 15‘ Sternhaufen 8m,0 4‘ Kleiner Sternhaufen mit 30 Sternen NGC 6605 18 18 ,4 -15° 01‘ Sternhaufen m 6 ,0 15‘ Heller Sternhaufen mit 30 Sternen NGC 6611 18 18 ,8 -13° 48‘ Nebel 6 ,6 35‘ Adlernebel h h h Mai 2014, Uranus 86 m m m m 23 Abb. 4: Aufsuchkarte für M 16. Der untere Teil der Grafik zeigt noch Objekte im Sternbild Schütze wie die Sternwolke M 24, die das Aufsuchen des Adlernebels erleichtern. 24 Uranus 86, Mai 2014 Abb. 5 (links): Eine Übersichtsaufnahme der Milchstraße im Grenzbereich Schütze/Schlange, die fast das gleiche Feld zeigt wie links die Aufsuchkarte. Unterhalb der Bildmitte ist die helle Sternwolke M 24 zu sehen. Knapp links der Bildmitte befindet sich der helle Omeganebel M 17, der noch im Schützen liegt. Rechts oberhalb kommt dann ähnlich hell der Adlernebel M 16. Am oberen Rand ist schwach der große Sternhaufen NGC 6604 zu sehen, der von einem Gasnebel umgeben ist. Die Sternhaufen in der rechten unteren Ecke bzw. am linken Bildrand sind M 23 und M 25. Aufgenommen mit einem 135 mm Teleobjektiv, 30 min belichtet auf Kodak Ektapress 400 im August 1993 in Namibia. Aufnahme: Karl Thurner/ Stefan Funk Abb. 6 (unten): M 16, aufgenommen am 52 cm Newton f/3,7 im Juni 1988 in Puimichel. 20 min belichtet auf Kodak TP 2415 hyp. Deutlich sichtbar sind die „Säulen der Schöpfung“ im Herz des Nebels. Aufnahme: Karl Thurner, Stefan Mayr, Stefan Funk. Mai 2014, Uranus 86 25 Alles voller Sterne M35 Die vier Sternhaufen auf dieser Doppelseite sind das Ergebnis einer einzigen klaren Nacht. Sie zeigen die hellen Sternhaufen M 35 (Zwillinge) M 36, M 37 und M 38 (alle im Fuhrmann). Bereits im Feldstecher sind diese Sternhaufen, die allesamt am Wintersternhimmel nicht weit voneinander entfernt liegen, gut zu sehen. Im Fernrohr entfalten sie dann ihre ganze Pracht. Alle Aufnahmen vom 12.03.2012 aus Lantershofen/Lkr. Ahrweiler. Optik: FFC 4.0/760mm Kamera: Canon EOS 1000D, 800 ASA Belichtungszeiten: M 35: 4x 5 min, M 36: 4x 5 min, M 37: 6x 5 min, M 38: 6x 5 min M36 26 Uranus 86, Mai 2014 M37 Mai 2014, Uranus 86 M38 27 Wenn die Tage länger werden „Weihnachten um an Muggenschritt, Neujahr um an Hahnentritt, Dreikönig um an Hirschensprung, Lichtmess um a ganze Stund.“ Die nördlichsten Städte, die sich etwa auf dem 70. Breitengrad befinden, brauchen also einen vollkommen anderen Merkspruch! Dr. Christine Zerbe Tageslänge Um die Weihnachtszeit – „wenn‘s wieder nauswärts geht“ – ist dieser Spruch oft zu hören. Gemeint ist damit, dass die Tageslänge wieder zunimmt. Zuerst langsam und kaum merklich, dann aber immer schneller. Hält diese Bauernregel einer näheren Überprüfung stand? Die Zunahme der Tageslänge von der Wintersonnwende (21.12.) bis Lichtmess (2.2.) hängt vom Breitengrad ab. Ein Blick in den Kalender oder entsprechende Computerprogramme ergibt für den 48. Breitengrad, also Augsburg, dass die Tageslänge von der Wintersonnwende bis Lichtmess um 72 Minuten zunimmt [1]. Die Regel passt also näherungsweise. Man kann aber noch zusätzlich etwas über die geografische Herkunft des Spruchs herausfinden. Weiter im Norden nimmt die Tageslänge schneller zu. Für den 53. Breitengrad (Bremen) ergibt sich in diesem Zeit14 raum schon eine Zunahme um 1 Stunde 30 Minuten. Daraus kann man schließen, 13 dass die Regel ihren Ursprung nicht im Norden, sondern im Süden Europas hat. 12 Sie ist auch hauptsächlich im Alpenraum verbreitet. 11 Auch die Beobachtung, dass die Tageslänge nicht gleichmäßig zunimmt, 10 stimmt. Um die Sonnwende verlängert sich der Tag zunächst nur um Sekunden. 9 Am 21.3. (Tag- und Nachtgleiche) ist die Änderungsrate maximal. Fast vier Minu8 ten pro Tag sind es bei uns. Danach verlangsamt sich die Zunahme wieder. und am 23. September sind 12 Stunden Tag und 12 Stunden Nacht. Am 21. Juni steht die Sonne im Zenit über dem nördlichen Wendekreis. Die Spitze der gedachten Erdachse am Nordpol zeigt zur Sonne hin. Am 21. Dezember steht die Sonne im Zenit über dem südlichen Wendekreis. Die Erdachse zeigt am Nordpol von der Sonne weg. 3. Die polare Zone zwischen dem Polarkreis und dem Pol (66,5° bis 90° nördliche bzw. südliche Breite). In diesen Regionen existieren zusätzlich Polartag und Polarnacht. In der Polarnacht erscheint die Sonne nicht über dem Horizont, am Polartag geht sie nicht unter. Die Länge dieser Phasen hängt vom Ort ab. An den Polen dauern sie jeweils ein halbes Jahr, am Polarkreis nur einen Tag. 7 0 20 40 60 80 100 Tage seit Wintersonnwende Abb. 1a: Tageslänge in Stunden für die ersten 100 Tage nach der Wintersonnwende, für den 48. Breitengrad Abb. 1b: Zunahme der Tageslänge in Minuten für die ersten 100 Tage nach der Wintersonnwende, für den 48. Breitengrad (nördlich) 4 3,5 tägliche Zunahme der Tageslänge in Minuten Wie ist das eigentlich genau mit der Tageslänge? Wie sieht es damit in Äquatornähe und in Polnähe aus? Wegen der Schiefe der Erdachse um 23,5° kann man auf der Erde drei Beleuchtungszonen unterscheiden: 1. Die tropische Zone zwischen den Wendekreisen (23,5° nördliche bis 23,5° südliche Breite). In dieser Zone gibt es keine Jahreszeiten und die Tage und Nächte sind annähernd (auf dem Äquator sogar genau) gleich lang. 2. Die Mittelbreiten zwischen dem jeweiligen Wendekreis und dem Polarkreis (23,5° bis 66,5° nördliche bzw. südliche Breite). Hier gibt es die uns bekannten vier Jahreszeiten und Tageslängen. Eine typische Beleuchtungssituation markiert jeweils den Beginn einer Jahreszeit. Am 21. März 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 0 20 40 60 80 100 120 Tage seit der Wintersonnwende 28 Uranus 86, Mai 2014 Die genaue Formel zur Berechnung der Tageslänge in Abhängigkeit vom Breitengrad und vom Datum ist recht kompliziert (für Herleitung und Zusammenfassungen siehe [2], [3], [4]). Die Formel für die Länge des lichten Tages von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ist noch übersichtlich: Tageslänge in Stunden = 2 . arccos (- tan ϕ . tan δ)/15° Darin ist δ die Deklination der Sonne am gewünschten Tag und ϕ die geographische Breite des Beobachtungsortes. In dieser Formel werden der Einfluss der Atmosphäre und die Höhe des Beobachtungsortes vernachlässigt. Wir brauchen also noch eine Formel für die Deklination der Sonne: δ = 23,463 . sin(0,96864 . (T - 80,086)) T ist die Anzahl der Tage seit dem 1. Januar. Beispiel: Am 20. März gilt T = 79. Um diese Formel so einfach zu halten, wird unter anderem eine kreisförmige Erdbahn angenommen. Die Kombination der beiden Formeln ergibt die gesuchte Tageslänge. Alle Berechnungen werden in Grad ausgeführt. Beim Vergleich mit den exakten Daten findet man Abweichungen von einigen Minuten. Das liegt an den verwendeten Näherungen. 25 Bild 2 Tageslänge in Stunden ---------: 30° nördl. Breite . . . . . .: 50° nördl. Breite - - - - - : 65,5° nördl. Breite 20 Tageslänge 15 10 5 0 0 50 100 150 200 250 300 350 400 Tag (ab 1. Januar) 25 20 Tageslänge 15 10 Bild 3 Tageslänge in Stunden ---------: 0° nördl. Breite ---------.: 20° nördl. Breite . . . . . . : 70° nördl. Breite - - - - - : 82° nördl. Breite 5 0 0 50 100 150 200 250 300 350 400 Tag (ab 1. Januar) Literatur [1] http://www.calsky.com [2] http://herbert.gandraxa.com/length_of_day.xml, abgerufen am 10.03.14 [3] http://lexikon.astronomie.info/zeitgleichung, abgerufen am 10.03.14 [4] http://de.wikipedia.org/wiki/Tageslänge, abgerufen am 10.03.14 Mai 2014, Uranus 86 Da sich dieses dreidimensionale Problem oft besser durch eine dreidimensionale Darstellung erschließt, sind hier noch zwei Animationen: http://www.youtube.com/watch?v=5Le-unFy18A http://www.youtube.com/watch?v=2eUtJeZdHqQ 29 Marktübersicht Eine Reisemontierung Was leistet sie, wozu kann sie eingesetzt werden? Seit einiger Zeit sind eine ganze Reihe Reisemontierungen auf dem Astro-Markt. Kompakt und in der Bauweise ähnlich sind: Vixen Polarie Star Tracker für ca. 400 €, Nano Tracker von Sightron (im Vertrieb durch Celestron) für ca. 240 € und die Skytracker von Ioptron mit Polsucheraufsatz für ca. 470 €. Alle bestehen aus Schrittmotor, Untersetzung mit Schneckenrad, Basis mit 1/8“ oder 3/8“-Kameragewinde und einer Energieversorgung mit AA Zellen. Auf dem Markt sind noch Alternativen, diese sind aber größer, sperriger und erfüllen nicht meine Vorgabe: Passt wie eine Optik in den Fotorucksack. Der Nanotracker von Sightron aufgerüstet mit Polsucher des Verfassers Im Nanotracker ist für das Einnorden lediglich eine 5 mm-Bohrung vorgesehen. Im Einsatz mit Kugelkopf und Kamera ist diese Lösung kaum praktikabel, denn das Visierloch ist durch den Drei-Wege-Stativkopf und den Kugelkopf für die Kamera entweder verdeckt oder nicht benutzbar. Daher ist (mit Ingos Hilfe) ein einfaches, aber justierbares Sucherfernrohr angebaut. Es erlaubt in den Aufnahmepausen die wichtige Kontrolle der Einnordung, denn gerade ein leichtes Fotostativ kann durch eine kleine Unachtsamkeit schnell verrutschen. Ein Photostativ mit Drei-Wege-Kopf, darauf die Aluschiene für den Tracker und das Sucherfernrohr mit Schnellkupplung. Auf der Schiene der – weiße – Tracker, darauf ein Kugelkopf für die Kamera. Das weiße Abb. 1: Meine Ausrüstung aufgebaut… Abb. 2: …und in Einzelteile zerlegt Kabel führt zum weißen Kästchen für die drei Zellen der Größe AA, hier wird der Tracker auch eingeschaltet. Das schwarze Kabel ist zum Auslösen der Kamera. Falls die Kamera mit ihrer Optik und das Stativ bereits für andere Fotoaufgaben mit dabei sind, beschränkt sich das zusätzliche Gewicht auf 1,3 kg. Da das Sucherfernrohr vor der Aufnahme z.B. an einem hellen Stern an dem Visierloch justiert wird, ist die Konstruktion zerlegt nicht sperrig und passt – nach Vorgabe – in den Fotorucksack. Folgende Teile gehören dazu: • Kurzzeituhr für die Belichtung • rot abgedimmtes Kopflicht • Energieteil des Nanotrackers mit Kabel • Ersatzakkus • Sucherfernrohr • Kugelkopf für die Kamera • Aluschiene mit Halterung • Nanotracker von Sightron (ganz rechts) Was die Montierung leisten kann, zeigt das Milchstraßenmosaik in Abb. 3. Alle Bilder wurden mit 2 min Belichtungszeit und einer Brennweite von 75 mm in Döpshofen aufgenommen. Ein Tipp zur Fokussierung: Wie bei der Fernrohrfotografie wird mit „LiveView“ an einem hellen Stern fokussiert. Sein Seeingscheibchen wird bei kurzer Brennweite so klein, dass er ohne Vergrößerung des Vorschaubilds nicht zu finden ist. Möglichst genau in der Bildmitte taucht er bei „LiveView mal 5“ dann doch auf. Wie groß ist der Gewinn an Aufnahmetiefe? Dies zeigt die Tabelle, die aber nur für eine Deklination von 45 Grad gilt. Daher ist am Beginn jeder Aufnahmesession – zumindest bis genügend Erfahrungswerte vorliegen – ein Test, bis zu welcher Belichtungszeit die Sterne rund bleiben, notwendig. 30 Uranus 86, Mai 2014 Smartphone. Beispielsweise auf der Seite polarfinder. com gibt es die App für alle Handy-Betriebssysteme. Zur Bedienung des Nanotrackers Auf der Energieversorgung befindet sich der An-/ Aus-Schalter. Ein Richtungswechsel für den Südhimmel und die Wahl der halben Sterngeschwindigkeit für Motive mit Vordergrund sind möglich. Andere Geschwindigkeiten, wie z.B. die Mondgeschwindigkeit, sind nur über kryptische Schaltfolgen einstellbar, aber für solch ein Gerät auch nicht erforderlich. Die Bedienungsanleitung ist leider nur in Englisch. Resumee Astrofotografie mit solch einer Montierung macht Laune, denn es ist nicht so viel und so schwere Ausrüstung notwendig, die letztlich nur neben dem PKW „in Stellung gebracht“ werden kann. Auch bei Flugreisen kann dieses Gepäck problemlos mitgenommen werden. Mit dem Einbeziehen von Landschaft gehen die Motive nicht aus. Die Bilder auf der Webseite „Die Welt bei Nacht“ sind Beispiele. Gerhard Grauf Abb. 3: Milchstraßenmosaik aufgenommen mithilfe des Nanotrackers Brennweite f in mm tmax in s (Kamera fest) tmax in s Aufnah(Reisemon- metiefe tierung) größer um 16 28 360 28 16 320 35 13 300 50 9 250 85 6 140 100 4 90 5m,5 6m,7 Tab. 1: Gewinn an Aufnahmetiefe (s.a. Anhang) Als Beispiel: Mit der Reisemontierung erreicht man die 12. Größenklasse (12m). Falls Sie Neubenutzer einer Reisemontierung sind: Brennweiten von 15 bis 50 mm und Belichtungszeiten bis 120 s klappen meist auf Anhieb. Wie werden die Einsatzgrenzen erweitert? Die Einnordung des Trackers liefert die größten Ungenauigkeiten. Der Blick durch die 5 mm-Bohrung des Trackers – mit ca. 50 cm Augenabstand – ergibt einen Winkel von 1,1 Grad, der angebaute Sucher hat einen Bildwinkel von 7,5 Grad. Der Polarstern rotiert auf einem Kreis mit 1,5 Grad Durchmesser um den Himmelspol. Kennt man die Lage des Polarsterns, ausgedrückt am besten als Uhrzeit, so kann man diesen nicht aufs Fadenkreuz, sondern 1/5 nebenhin legen. Die Lage liefert ein Planetariumsprogramm oder eine App fürs Mai 2014, Uranus 86 Quellen und weitere Infos zum Thema: • „Die Welt bei Nacht“ http://www.twanight.org/newTWAN/index.asp • Sterne und Weltraum 01/2014 „Südwärts mit dem Ioptron Skytracker“ • Koch / Martin „Digitale Astrofotografie“ mit Sucharbeit im Buch Erfahrungsberichte zu den Produkten auf den Seiten der Vertreiber, beispielsweise für die Vixen Polarie: intercon-spacetec.de/rat/rat-montierungen/polarie/ oder für die Skytracker von Ioptron www.teleskop-express.de/shop/Bilder/shop/IOptron/ service/skytracker-review.pdf Anhang Ein wenig Theorie, wer keine Mathematik mag, kann den Anhang überlesen. Ist die echte Brennweite der Optik oder die mit dem CropFaktor vervielfachte maßgebend? Für Strichspur-Bedingungen ist sofort klar: Die Bewegung des Sterns auf dem Sensor ist nur von der echten Brennweite abhängig, der Crop-Faktor verkleinert nur das Bildfeld. Bildschärfe und Streuscheibchendurchmesser Über den Durchmesser des Streuscheibchens wird die Schärfe einer Aufnahme definiert: Wird ein Punkt im Gegenstandsraum im Bildraum mit dem Durchmesser des Streuscheibchens abgebildet, so ist er gerade noch scharf. Die Grenzwerte sind für Kleinbild oder Vollformatsensor z = 0,033 mm und für APS C Sensoren z = 0,022 mm (22 μm). Die Beugung ist zur Vereinfachung vernachlässigt. 31 Wie groß ist die maximale Belichtungszeit tmax für runde Sterne bei feststehender Kamera? Die Werte sind überraschend kurz. tmax wird nach der in der Literatur oft zitierten Formel berechnet: [s] γ ist hier der aus dem Streuscheibchen und der Brennweite berechnete Bildwinkel. Die Formel hierzu : ( ) f ist die Objektivbrennweite in mm δ ist die Deklination des Sterns in Grad B ist die Bildgröße, hier der Streuscheibchendurchmesser, denn es soll definiert werden, wann das Bild unscharf wird. Über diese Größe wird die Bildschärfe definiert, denn was ist Schärfe eigentlich? Zur Abschätzung des Gewinns an Tiefe der Aufnahme in Magnituden dient die Formel ( ) Die Spalte der möglichen Belichtungszeiten mit Reisemontierung stammt aus Versuchen des Verfassers. Wie wichtig die genaue Ausrichtung auf den Pol ist, kann aus den modifizierten Gleichungen von Scheiner für die Drift abgeschätzt werden: Drift ν in Bogensec pro Zeitminute. Aufstellfehler ∆ in Azimut und Höhe gleich angenommen in Bogenminuten. Zahlenbeispiel: ∆ = 66 Bogenminuten, Optik f = 50 mm und 4,7μm mal 4,7μm Pixelgröße des Kamerasensors. Es ergibt sich eine Drift von ca. 2,5 Pixel/min oder 11,6 μm/min, das ist der halbe Zerstreuungskreisdurchmesser bei APS C, und damit ist die Grenze für punktförmige Sterne erreicht. Neues aus der Forschung Drei Planeten in der habitablen Zone eines nahen Sterns Gliese 667C erneut unter die Lupe genommen E in Astronomenteam, angeführt von Wissenschaftlern von der Universität Göttingen, hat neue Beobachtungen von Gliese 667C mit bereits vorhandenen Daten des HARPS-Instruments am 3,6-Meter-Teleskop der ESO in Chile kombiniert und konnte so ein Planetensystem mit mindestens sechs Planeten nachweisen. Eine Rekord­ anzahl von drei Planeten dieses Systems sind Super­ erden und liegen zusätzlich in dem Abstandsbereich um den Stern, in dem flüssiges Wasser möglich sein könnte. Dies macht sie zu möglichen Kandidaten für die Existenz von Leben. Es ist zudem das erste Planetensystem mit einer voll besetzten habitablen Zone, das bisher entdeckt wurde. Gliese 667C ist ein sehr gut untersuchter Stern. Mit einer Masse von etwas über einem Drittel der Sonnenmasse ist er Teil eines Dreifachsternsystems mit dem Namen Gliese 667 (abgekürzt auch GJ 667), das sich etwa 22 Lichtjahre entfernt im Sternbild Skorpion befindet. Für einen Stern ist dies sehr nahe – sozusagen in unserer unmittelbaren kosmischen Nachbarschaft – und deutlich näher als die Sternsysteme, die mit Teleskopen wie dem Weltraumteleskop Kepler untersucht werden, das speziell für die Suche nach Exoplaneten entwickelt wurde. Frühere Untersuchungen von Gliese 667C hatten bereits ergeben, dass das Sternsystem drei Planeten beherbergt, von denen sich einer in der habitablen Zone befindet. Nun hat ein Team von Astronomen unter der Leitung von Guillem Anglada-Escudé von der Universität Göttingen und Mikko Tuomi von der Universität Hertfordshire in Großbritannien das System neu untersucht. Dazu haben die Wissenschaftler neue 32 Beobachtungen mit dem HARPS-Instrument mit den Daten des W. M. Keck-Observatoriums, der MagellanTeleskope und des Very Large Telescope der ESO zu den bereits vorhandenen Daten hinzugefügt. Die Gruppe hat dabei Anzeichen von bis zu sieben Planeten um den Stern gefunden. Die Astronomen hatten dazu Radialgeschwindigkeitsmessungen von Gliese 667C erstellt, eine Methode, die oft für die Suche nach Exoplaneten verwendet wird. Sie führten eine Analyse durch, um die Signale der Planeten zu detektieren. Die ersten fünf Signale sind sehr deutlich, während das sechste Signal schwach und das siebte noch schwächer ist. Das System besteht aus drei Supererden in der habitablen Zone, zwei heißen PlaAbb. 1: Diese künstlerische Darstellung illustriert den Anblick des Himmels vom Exoplaneten Gliese 667Cd in Richtung seines Muttersterns Gleise 667C. Im Hintergrund rechts sind die weiter entfernten Sterne des Dreifachsystems (Gliese 667A und Gliese 667B) zu sehen, links steht ein weiterer neu entdeckter Planet, Gliese 667Ce, als Sichel am Himmel. Uranus 86, Mai 2014 neten weiter innen und zwei kühleren Planeten weiter außen. Man kann davon ausgehen, dass die Planeten nahe am Stern und auch die in der habitablen Zone dem Stern immer die selbe Seite zuwenden, so dass ihr Tag und ihr Jahr die gleiche Dauer haben, wobei auf einer Seite dauernder Sonnenschein und auf der anderen dauernde Nacht herrscht. All diese Planeten umkreisen den leuchtschwächsten Stern in einem Dreifachsystem. Von diesen neu entdeckten Planeten aus gesehen würden die beiden anderen Sterne wie ein Paar zusätzlicher Sonnen tagsüber am Himmel aussehen. Nachts würden sie so viel Helligkeit bieten, wie der Vollmond. Die neuen Planeten füllen die habitable Zone von Gliese 667C komplett aus, da es keine weiteren stabilen Umlaufbahnen in dem passenden Entfernungsbereich mehr gibt, auf denen noch ein Planet existieren könnte. „Wir wussten aus früheren Untersuchungen, dass der Stern drei Planeten hat. Also wollten wir überprüfen, ob es noch mehr gibt”, erläutert Tuomi. „Wir haben neue Beobachtungen hinzugenommen und sind die vorhandenen Daten nochmals durchgegangen. So waren wir nicht nur in der Lage, die Existenz dieser drei Planeten zu bestätigen, sondern haben mit Gewissheit zusätzliche Planeten nachgewiesen. Drei massenarme Planeten in der habitablen Zone des Sterns zu finden, ist sehr aufregend!” Drei der Planeten sind bestätigte Supererden – also massenreicher als die Erde, aber gleichzeitig massearm im Vergleich zu mittelgroßen Gasplaneten wie Uranus oder Neptun – die sich in der habitablen Zone des Sterns befinden: Einer dünnen Schale um den Stern, in der Wasser unter geeigneten Bedingungen in flüssiger Form vorkommen könnte. Es ist das erste Mal, dass drei solcher Planeten mit Umlaufbahnen in dieser Zone im selben System gesichtet wurden. „Die Zahl potentiell bewohnbarer Planeten in unserer Galaxis ist unermesslich groß, wenn wir davon ausgehen können, mehrere von ihnen um jeden massearmen Stern zu finden – anstatt uns zehn Sterne anzuschauen um einen potenziell bewohnbaren Planeten zu finden, wissen wir nun, dass es ausreichen kann, wenn wir nur Abb. 2: Diese Grafik zeigt das Planetensystem um Gliese 667C. Eine Rekordanzahl von drei Planeten dieses Systems sind Supererden und liegen zusätzlich in dem Abstandsbereich um den Stern, in dem flüssiges Wasser möglich sein könnte. Dies macht sie zu möglichen Kandidaten für die Existenz von Leben. Es ist zudem das erste Planetensystem mit einer voll besetzten habitablen Zone, das bisher entdeckt wurde. Die ungefähren Größen der Planeten und ihres Muttersterns sind maßstabsgetreu zueinander abgebildet, ihre relativen Abstände zueinander jedoch nicht. einen Stern untersuchen, um mehrere solcher Planeten zu finden”, fügt Koautor Rory Barnes von der University of Washington in den USA hinzu. Kompakte Planetensysteme um sonnenähnliche Sterne sind in der Milchstraße reichlich vorhanden. Planeten, die nahe um solche Sterne kreisen, sind sehr heiß und es ist unwahrscheinlich, dass sie bewohnbar sind. Für kühlere und lichtschwächere Sterne wie Gliese 667C ist das jedoch nicht der Fall. Hier befindet sich die habitable Zone vollständig innerhalb der Merkurbahn, also viel näher am Stern als es für unsere Sonne der Fall ist. Im Sonnensystem kreist die Venus nahe am Innenrand der habitablen Zone und der Mars nahe am Außenrand. Die genaue Ausdehnung der habitablen Zone hängt dabei von vielen Faktoren ab. Das System von Gliese 667C ist das erste Beispiel für ein System, in dem ein solcher massearmer Stern mehrere Planeten in der habitablen Zone beherbergt, die möglicherweise Gesteinsplaneten sind. Quelle: ESO Press Release Neue Hinweise auf geheimnisvollen Ursprung der kosmischen Strahlung Das VLT untersucht die Überreste einer mittelalterlichen Supernova D etaillierte Beobachtungen der Überbleibsel einer Supernova mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO haben neue Hinweise auf den Ursprung der kosmischen Strahlung geliefert. Erstmals wurden Anzeichen von schnellen Teilchen gefunden, die so etwas wie die Vorläufer der kosmischen Strahlung sein könnten. Im Jahr 1006 n. Chr. leuchtete am Südhimmel ein neuer Stern auf, der heller als der Planet Venus wurde und vielleicht sogar die Helligkeit des Mondes erreichte. Dieses Ereignis wurde an vielen Orten auf der Welt beobachtet, zumal der neue Stern im Maximum seiner Helligkeit nachts Schatten warf und sogar am Taghimmel sichtbar blieb. Viel später wurde der geMai 2014, Uranus 86 naue Ort dieser Supernova, die von den Astronomen die Bezeichnung SN 1006 erhielt, im südlichen Sternbild Lupus (Wolf) identifiziert. An dieser Stelle wurde eine leuchtende Schale aus expandierender Materie entdeckt, die den Überrest der gewaltigen Explosion darstellt. Schon seit langem vermutet man, dass solche Supernovaüberreste die Orte sind, an denen ein Teil der sogenannten kosmischen Strahlung erzeugt wird – hochenergetische Teilchen, die von außerhalb des Sonnensystems stammen und sich beinahe mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Die Details dieses Prozesses sind jedoch immer noch rätselhaft. 33 Abb. 1: Dieses eindrucksvolle Bild wurde aus Einzelaufnahmen verschiedener Teleskope im Weltall und auf dem Erdboden erstellt. Es zeigt den Supernovaüberrest SN 1006 im Radiobereich, im Röntgenlicht und im sichtbaren Licht. Ein von Sladjana Nikolić vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg geleitetes Astronomenteam hat mit dem Instrument VIMOS am VLT den tausend Jahre alten Supernova-Überrest SN 1006 genauer als je zuvor unter die Lupe genommen. Das Ziel der Forscher war es, herauszufinden, was genau an der Stelle geschieht, an der das bei der Supernova mit hoher Geschwindigkeit herausgeschleuderte Material auf die im Vergleich dazu nahezu stillstehende interstellare Materie trifft. An dieser Stelle bildet sich eine sogenannte Schockfront aus, die sich mit hoher Geschwindigkeit ausdehnt und Ähnlichkeit mit dem Überschallknall eines Düsenflugzeugs hat. Sie könnte als kosmischer Teilchenbeschleuniger an der Erzeugung der kosmischen Strahlung beteiligt sein. Dem Team gelang es, erstmals Informationen zur Materie im Schock zu sammeln, und dabei nicht nur eine Stelle der Schockfront zu vermessen, sondern eine ganze Karte der Eigenschaften des Gases und ihrer räumlichen Variationen zu erstellen. Daraus ergaben sich wichtige Hinweise auf eine mögliche Lösung des Rätsels der kosmischen Strahlung. Zur Überraschung der beteiligten Wissenschaftler gibt es Anzeichen für eine große Zahl von schnellen Protonen im Gas der Schockregion. Diese Protonen 34 bezeichnet man als suprathermisch, da sie sich viel schneller bewegen als man allein an Hand der Temperatur der Materie erwarten würde. Bei diesen Protonen handelt es sich noch nicht um die kosmische Strahlung selbst, sondern um Vorläuferteilchen (engl. „seed particles“), die anschließend durch Wechselwirkung mit der Schockfront auf die erforderlichen hohen Energien beschleunigt werden und als Teilchenstrahlung hinaus in den Raum fliegen können. Nikolić erklärt: „Dies ist das erste Mal, dass wir die physikalischen Prozesse in und um die Schockregion genauer untersuchen konnten. Wir haben dabei Hinweise auf die Existenz einer Region gefunden, die offenbar auf genau jene Weise erwärmt wird, wie man es erwarten würde, wenn dort Protonen existieren, welche die Energie aus direkt hinter der Schockfront gelegenen Regionen in die Bereiche direkt vor dem Schock transportieren.“ Bei der Studie wurde erstmals ein IntegralfeldSpektrograf verwendet, um die Eigenschaften einer Supernova-Schockfront derart detailliert zu untersuchen. Dabei wird das Licht, das auf jeden Pixel fällt, in seine Spektralfarben zerlegt. Jedes dieser Spektren wird dann registriert. Bei der anschließenden Analyse können so zum Beispiel räumlich aufgelöste Karten der Geschwindigkeitsverteilung oder der chemischen Zusammensetzung des beobachteten Objekts gewonnen werden. Das Bild links auf Abb. 2 zeigt den gesamten Supernova-Rest, und ist identisch mit Abb. 1. Die zweite Aufnahme von links ist ein Ausschnitt aus dem ganz linken Bild (mit einem weißen Kästchen markiert). Es zeigt die Schockfront, wo das Gas der Supernova mit dem interstellaren Medium kollidiert. Rechts davon ist das Gesichtsfeld des VIMOS Spektrografen zu sehen. Die kleinen Elemente, die auf der Aufnahme zu sehen sind, können von diesem Instrument gleichzeitig spektral analysiert werden. Dies ist auf der rechten Aufnahme dargestellt. Sie zeigt eine Karte der Verbreiterung der Spektrallinien (hervorgerufen durch unterschiedliche Geschwindigkeiten), was auf die Anwesenheit von hochenergetischen Protonen schließen lässt. Quelle: ESO Press Release Abb. 2: Detailaufnahme der hellen Kante am oberen Rand des Supernovarestes (vgl. auch Abb. 1), sowie eine räumliche Spektralaufnahme der Region mit dem Integralfeld-Spektografen. Uranus 86, Mai 2014 NASA-Teleskope erkennen Wetterschichten auf einem Braunen Zwerg Abb. 1: Künstlerische Darstellung 2MASSJ22282889-431026. M des Braunen Zwerges it dem Spitzer-Teleskop und dem Hubble Weltraumteleskop der NASA haben Forscher die stürmische Atmosphäre eines Braunen Zwerges untersucht. Sie erstellten die bis dato detaillierteste „Wetterkarte” bei einem solchen Objekt. Die Ergebnisse zeigen, dass es auf diesem exotischen Objekt Wolken gibt, die etwa Planetengröße haben und von Winden angetrieben werden. Braune Zwerge bestehen wie normale Sterne aus Gas. Da sie aber nicht über genügend Masse verfügen, verschmelzen sie in ihrem Inneren keinen Wasserstoff, um Energie zu erzeugen. Diese Objekte werden manchmal als „Versager-Sterne” bezeichnet und ähneln eher den Gasplaneten in unserem Sonnensystem. Die neuen Forschungsergebnisse beleuchten nicht nur die Natur dieser Braunen Zwerge, sondern ermöglichen auch ein besseres Verständnis der äußeren Planeten unseres Sonnensystems. Mit den beiden genannten Teleskopen gelang es den Forschern, auf verschiedene Wolkenschichten zu blicken. Dazu beobachteten sie gleichzeitig den Braunen Zwerg mit dem etwas sperrigen Namen „2MASSJ22282889-431026“. Sie konnten erkennen, dass seine Helligkeit im Laufe der Zeit schwankte, mit einer Periode von etwa 90 Minuten. Diese Schwankungen kamen durch die Rotation des Körpers zustande. Aber überraschenderweise änderte sich die Helligkeit auch je nach beobachteter Wellenlänge im infraroten Licht. Diese Helligkeitsschwankungen lassen sich dadurch erklären, dass man verschiedene Schichten der sich schnell bewegenden Atmosphäre beobachtet. Die Strukturen dabei sind etwa so groß wie unsere Erde. Die Schichten werden sichtbar, weil Hubble und Spitzer in verschiedenen Wellenlängen beobachteten. Das Licht wurde dann in den oberen Schichten durch Wasserdampf und Methan absorbiert, während es bei anderen Wellenlängen ungehindert aus dem Inneren entweichen konnte. Im Gegensatz zu den aus Wasser bestehenden Wolken der Erde oder den Methan-Wolken auf Jupiter, bestehen die Wolken bei Braunen Zwergen aus heißen Sandkörnern, flüssigen Eisentröpfchen und anderen exotischen Materialien. Mai 2014, Uranus 86 Abb. 2: Simultane Helligkeitsmessungen an 2MASSJ22282889-431026 mit beiden Teleskopen. Da der Braune Zwerg sich etwa in 1,4 Stunden um seine eigene Achse dreht, schwankt seine Helligkeit mit der gleichen Periode. Erstaunlicherweise treten die Helligkeitsmaxima bei unterschiedlichen Wellenlängen nicht gleichzeitig auf – die Phasen sind zueinander verschoben. Den Forschern gelang mit dieser Untersuchung erstmals ein simultaner Blick in die verschiedenen Wolkenschichten eines Braunen Zwerges. Obwohl diese Objekte im Vergleich zu normalen Sternen relativ kühl sind, beträgt ihre mittlere Temperatur immer noch etwa 600 – 700°C. Bei den Beobachtungen konnten Strukturen erkannt werden, die vielleicht dem Großen Roten Fleck auf dem Jupiter ähneln, wenn sie auch deutlich größer sind. Die Helligkeitsschwankungen zeigen, wie die Wolkenschichten vertikal aufgebaut sind. Aufgrund dieser Untersuchungsergebnisse sind nun weitere Beobachtungskampagnen bei anderen, nahe gelegenen Braunen Zwergen geplant. Quelle: NASA/JPL/University of Arizona Abb. 3: Künstlerische Darstellung der Atmosphäre des Braunen Zwerges 2MASSJ22282889-431026, der das Ziel der Messkampagne war. 35 Staubige Überraschung um riesige Schwarze Löcher M it einem Interferometer-Instrument am Very Large Telescope der ESO ist es gelungen, die bisher detailliertesten Beobachtungen von Staubwolken um große Schwarze Löcher in den Zentren von aktiven Galaxien zu machen. Jedoch sah das Ergebnis anders aus als erwartet. Der Staub erschien nicht als leuchtender doughnutförmiger Staubring um das Schwarze Loch. Vielmehr scheint es, dass der meiste Staub oberhalb und unterhalb des Staubringes zu finden ist. Dies bedeutet, dass der Staub als kühler Materiewind vom Schwarzen Loch weggeblasen wird. Dies ist mit den bisherigen Theorien nicht so leicht zu erklären. In den letzten zwanzig Jahren hatten die Astronomen in beinahe allen Zentren der Galaxien ein großes Schwarzes Loch entdeckt. Einige dieser Schwarzen Löcher nehmen an Masse zu, indem sie Materie aus ihrer Umgebung ansaugen, was sie zu den leuchtkräftigsten Objekten des Universums macht: Die so genannten aktiven galaktischen Kerne (Active Galactic Nuclei = AGN). Die zentralen Gebiete dieser Energiemonster sind von einem doughnut-förmigen Staubring umgeben. Der Staub wird aus seiner Umgebung angezogen, ganz ähnlich wie Wasser, das in einem Waschbecken in den Abfluss gezogen wird. Dieser Staub besteht aus Silikaten und Kohlenstoff-Körnern – also Mineralien, die auch auf der Erde vorkommen. Der Rauch einer Kerze ist diesem kosmischen Kohlenstoff sehr ähnlich, obwohl die Rauchpartikel etwa zehn mal größer sind als die Körner des kosmischen Kohlenstoffs. Bisher nahm man an, dass der meiste Teil der Infrarot-Strahlung aus den AGN dieser Staubringe herrührte. Aber neue Beobachtungen der nahen aktiven Galaxie NGC 3783 mit dem VLT Interferometer der ESO auf dem Cerro Paranal in Chile überraschten die Forscher. Obwohl der heiße Anteil des Staubs – zwischen 700 und 1000 Grad Celsius heiß und im nahen Infraroten strahlend – einen Staubring bildet, konnten sie große Mengen an kühlerem Staub oberhalb und unterhalb des Rings bei Wellenlängen von 8-13 Mikrometern nachweisen. Zum ersten Mal konnten hierbei gleichzeitige hoch aufgelöste Beobachtungen von Staub bei Zimmertemperatur wie auch von heißem Staub um einen AGN gemacht werden. Der neu entdeckte Staub bildet einen kühlen Materiestrom weg vom Schwarzen Loch. Dieser Materiewind muss eine wichtige Rolle in der komplexen Beziehung zwischen dem Schwarzen Loch und seiner Umgebung spielen. Das Schwarze Loch zieht mit seinem schier un- 36 stillbaren Appetit Materie aus seiner Umgebung an. Die intensive Strahlung, die dabei entsteht, scheint jedoch auch Materie von ihm wegzublasen. Bisher weiß man nicht, wie diese beiden Prozesse zusammenhängen, und es dem Schwarzen Loch erlauben, sich in der Galaxie zu entwickeln und zu wachsen. Aber dieser Materiewind trägt zum weiteren Verständnis dieser Objekte bei. Um die zentrale Region der Galaxie NGC 3783 zu untersuchen, nutzten die Forscher die kombinierte Auflösung des VLT. Wenn man die vier einzelnen Teleskope zusammenschaltet, haben sie die gleiche Auflösung wie ein einzelnes Teleskop mit 130 Metern Durchmesser. Prinzipiell funktioniert dies auch mit kleineren Teleskopen. Durch die große Spiegelfläche der Einzelteleskope des VLT (je 8,2 Meter) kommt jedoch genügend Licht zusammen, um auch schwächere Objekte untersuchen zu können. Daher konnten im vorliegenden Fall Gebiete untersucht werden, die dem Abstand der Sonne zu ihren Nachbarsternen entspricht – also nur wenige Lichtjahre groß sind, und dies über eine Entfernung von mehreren zig Millionen Lichtjahren. Die Ergebnisse beinhalten einen gewissen Widerspruch. Sie zeigen, dass Staub vom Schwarzen Loch durch die immens große Strahlung weggeblasen wird. Auf der anderen Seite wachsen die Schwarzen Löcher in den Galaxien weiter an und gewinnen an Masse. Der entdeckte Staubwind muss nun in die Betrachtungen mit einbezogen werden. Quelle: ESO Press Release Diese künstlerische Darstellung zeigt die Umgebung des supermassiven Schwarzen Lochs im Zentrum von NGC 3783. Neue Untersuchungen haben gezeigt, dass dort nicht nur ein Staubring existiert, sondern auch ein Wind aus kühlem Staub entlang der Polarregionen des Objektes. Uranus 86, Mai 2014 Sebastian Rink Mai 2014, Uranus 86 37 Was wäre, wenn? D ie Supernova in der Galaxie M 82 – entdeckt am 15. Januar – ist in aller Munde, man kann sie beobachten und auch fotografieren. Dies ist Anlass zur Frage: Wenn eine Supernova in unserer Umgebung, sozusagen in unserem kosmischen Vorgarten, hochgeht, was passiert hier auf unserer Erde? Konkret wird der Stern Beteigeuze als Beispiel herangezogen, er wird in Fachkreisen als „aussichtsreicher Kandidat“ gesehen. Wann es allerdings soweit ist, darüber gibt es noch keinen Konsens, von innerhalb der nächsten 1 000 Jahre bis frühestens in 100 000 Jahren liegen die Schätzungen. Der Stern Beteigeuze oder α Orionis (im Sternbild Orion) ist ein roter Überriese, er ist 700-mal größer als die Sonne, hat etwa 20 Sonnenmassen und leuchtet etwa 10 000 mal heller als sie. Mit einem Abstand von 640 Lichtjahren ist er sozusagen nahe bei uns. Beteigeuze ist neben den Sternen Mira und Atair einer der wenigen, der mit heutiger Teleskoptechnik als Fläche sichtbar ist. Auf Erläuterungen über den Mechanismus, der bei einer Supernova Typ II (hydrodynamische SN) abläuft, wird nachfolgend verzichtet, denn es werden ausschließlich die Auswirkungen auf unsere Erde besprochen werden. Endstadium ist bei der „SN Beteigeuze“ massebedingt ein stellares schwarzes Loch. Eine wichtige Auswirkung für die Berufsastronomen von heute: Zwar kann das Aufleuchten heute genauso wenig exakt vorhergesagt werden wie bei der SN im Abb. 2: Der Stern Beteigeuze heute. Er „kocht und wabert“ schon, wann kommt er? 38 Abb. 1: Supernova SN 2014J in M 82 Jahre 1054, jedoch sind die Köpfe der Astronomen heute – im Gegensatz zu dem des kaiserlichen Hofastronomen in China – in Sicherheit. Als erstes erreichen uns die Gravitationswellen (Ausbreitung mit Lichtgeschwindigkeit) des zusammenstürzenden Zentralbereichs. Der Nachweis der resultierenden Raumverzerrung scheint bei der geringen Entfernung mit allen Detektortypen möglich. Für eine SN in unserer Milchstraße wird ein Gravitationsstrahlenausbruch mit einer Dauer zwischen 1 Millisekunde und bis zu 1 Sekunde sowie einer relativen Raumverzerrung h ~ 10-17 erwartet. Weiterentwickelte Detektoren von Typ „Weber gekühlt“ (Empfindlichkeit h ~ 3 . 10-17) und Laserinterferometriedetektoren (Empfindlichkeit h ~ 10-21) wie GEO 600 bei Hannover oder die beiden LIGO-Geräte mit 4 000 m Armlänge in den USA weisen die „SN Beteigeuze“ sicher nach. Danach kommt der Neutrinoschauer auf der Erde an, die Neutrinos transportieren 99 % der Energie des Ausbruchs. Wegen des sehr kleinen Wirkungsquerschnitts (sogar der Erdkörper ist kein Hindernis) hat der Schauer keine Auswirkungen auf die Biosphäre der Erde. Hochwillkommen wäre der Schauer für die Neutrinodetektoren (Kamiokande in Japan, Mont Blanc Underground Neutrino Observatory etc.), denn bisher wurden nur ca. 22 Neutrinos aus der SN 1987A in der großen Magellanschen Wolke nachgewiesen. Kontrovers diskutiert werden die Auswirkungen des Gamma Bursts (Ausstoß höchst energetischer elektromagnetischer Strahlung), der mit einer SN Typ II einher geht. Ein ausreichend naher (kleiner 50 Lichtjahre) Gammablitz bildet in der Erdatmosphäre durch Photodissoziation aus Sauerstoff und Stickstoff das Gas Stickoxid. Dies würde die Ozonschicht schwer schädigen, größere Mengen NO oxidieren zur salpetrigen Säure, eine Schädigung der Biosphäre ist dann sicher. Von der „SN Beteigeuze“ geht aber keine Gefahr aus, bedingt durch die größere Entfernung und die Lage der Rotationsachse von Beteigeuze, denn die Gammablitze werden bevorzugt in Achsrichtung ausgestoßen. Uranus 86, Mai 2014 Anhang 1 Abschätzung des Durchmessers Ø des Supernovaüberrestes Beteigeuze ist 640 LJ oder 6,06 . 1018 m entfernt. Ein (kugelförmiges) Objekt mit 20“ Ø hat dann einen echten Ø von 6 . 1014 m. Die Formel: Ø = 2 . tan (0,0028°) . 6,06 . 1018 m. Um sich auf diesen Ø aufzublähen, sind ca. 2 Jahre notwendig. Die Formel: 6 . 1014 m/10 . 106 m/s = 6 . 107 s = 694 Tage. Abb. 3: Der Krebsnebel, Rest der SN des Jahres 1054. Die damals auch am Taghimmel als heller Punkt sichtbare Supernova war ein unheilbringendes Zeichen. Etwa drei Stunden nach Ankunft der Neutrinos beginnt der Ausbruch im sichtbaren Spektralbereich. Die Leuchtkraft steigt um etwa den Faktor 16 000 an, aus dem +0,5m hellen Stern wird einer mit –9,5 bis –10,5m Helligkeit. Die „SN Beteigeuze“ leuchtet so hell wie der Halbmond, ist als punktförmiges Objekt auch am Taghimmel nicht zu übersehen. Etwa 50 Tage lang bleibt diese Helligkeit nahezu konstant. Ab wann ist der Supernovaüberrest mit Amateurteleskopen aufzulösen? Beteigeuze hat einen Winkeldurchmesser von 0,05 Bogensekunden. In der ersten Phase von ca. 200 Jahren Dauer breitet sich die Schockwelle aus stellarem Material mit etwa 10 000 km/s radial aus. Einen Winkeldurchmesser von 20 Bogensekunden (von der Erde aus) erreicht der SNR nach ca. 2 Jahren, ab dann wird er zum besten Objekt aller Zeiten auf den Amateursternwarten! Zusammengefasst: Eine „SN Beteigeuze“ hätte auf die Biosphäre der Erde und damit auf den Homo sapiens kaum schädigenden Einfluss, für die Astrophysik wäre sie der Glücksfall schlechthin. Gerhard Grauf Quellennachweise • • • • • • • Wikipedia: Artikel über Beteigeuze http://wikipedia.org/wiki/Beteigeuze Unsöld Baschek: „Der neue Kosmos“, Springer Verlag, 2005 Hanselmeier: „Einführung in Astronomie und Astrophysik“, Spektrum Akademischer Verlag, 2007 Prof. Dr. S. Schönert, Übungen zur Astroteilchenphysik 2 „Neutrinofluss“, TUM, SS 2011 Abb. 1: Ingo Piez sen. Abb. 2: ESO VLT, (CC) Creative Commons License Abb. 3: Hubble Space Teleskop, (CC) Creative Commons License Mai 2014, Uranus 86 Anhang 2 Wie bestimmt sich der Helligkeitsanstieg in Mag? Die Helligkeit der Sterne wird in Größenklassen angegeben, die Einheit ist Magnitudo oder mag oder einfach m. Die Skala ist an das menschliche Auge angepasst, die Strahlungsstärke I vermittelt die Formel m2–m1 = 2,5 . log (I2 / I1). Wird nur die Helligkeitsänderung gesucht, so passt die Formel ∆m = 2,5 . log (∆I) besser. Für die „SN Beteigeuze“ folgt dann ∆m = 2,5 . log (16 000) = +10,5m Anstieg der Helligkeit. Anhang 3 Zu den Gravitationswellen Jede beschleunigt bewegte Masse strahlt – eine Folgerung aus der allgemeinen Relativitätstheorie – Gravitationswellen aus. Deren Intensität ist aber extrem gering. In großer Entfernung von der Quelle vereinfacht sich die Riemann-Metrik. Es darf – grob – mit einem Mittelwert h gerechnet werden, die durchlaufende Welle verhält sich ähnlich einer Gezeitenkraft. Die Änderung der Länge ist damit proportional zur Länge l des Messapparates, also ∆l= h . l. h ist dann die relative Verzerrung und kann als Amplitude der Gravitationswelle bezeichnet werden. Auch die große Armlänge l der Messapparaturen erklärt sich so (bei LIGO l = 4000 m!) und ist notwendig, um den sehr kleinen Effekt zu messen. Anhang 4 Zum Neutrionfluss oder wie wir tagtäglich unter Beschuss stehen Die Sonne – deren Kern – ist für uns die stärkste Neutrinoquelle. Durch die Kernfusion, die der Sonne ihre Energie liefert, resultiert auf der Erde ein Neutrinofluss von 6,6 . 1014 Teilchen pro s und m2. Egal von wo kommend, unten oder oben, etwa 200 Trillionen (200 000 000 000 000 000 000) dieser „Geistteilchen“ fliegen in jeder Sekunde durch uns durch. Eine SN setzt etwa 0,9 . 1058 Neutrinos frei. Der Neutrinoschauer einer SN dauert etwa 10 s. Dann kann, mit der „Hüllkugelfläche“ aus dem Abstand zur „SN Beteigeuze“ der spezifische Fluss auf der Erde abgeschätzt werden. Die Rechnung dazu ist: 0,9 . 1058 / 10 s . 4 . π . (640 LJ)2. Mit 1 Lichtjahr = 9,47 . 1015 m ergibt sich ein Fluss von etwa 1,95 . 1018 Neutrinos pro s und m2. Das ist – für einige Sekunden – etwa 3000-mal so viel wie von der Sonne, aber auch das halten wir noch aus! Für diejenigen, die sich mit so etwas auskennen nur eine grobe Abschätzung; „Feinheiten“ wie die unterschiedliche Energie oder die Neutrino-Oszillationen sind vernachlässigt. 39 Neues aus der Raumfahrt Noch ein Jahr bis zum Ziel A m 14. Juli 2015 wird die NASA-Sonde New Horizons den mittlerweile zum Planetoiden degradierten Pluto erreichen. Dort draussen am Rande des bekannten Sonnensystems war bisAbb. 1: Start der Sonde New Hori- her noch kein Satellit. zons am 19.01.2006 an Bord einer Insofern darf man geAtlas IV Rakete spannt sein, wie der etwa 2000 km große Planetoid aussehen wird, und was es in der enormen Kälte von -240 °C zu entdecken geben wird. Die Sonde wird nächstes Jahr gerade noch rechtzeitig eintreffen: Aufgrund der immer größer werdenden Entfernung von Pluto zur Sonne wird es auf ihm auch immer kälter. Die dünne Atmosphäre, die man dort nachweisen konnte, wird demzufolge in den nächsten Jahrzehnten ausfrieren, was die Untersuchungsmöglichkeiten erheblich einschränken wird. Die Sonde startete am 19. Januar 2006 zu ihrer langen Reise. Seitdem hat sie nähere Begegnungen mit dem Riesenplaneten Jupiter sowie dem Asterioden APL hinter sich gebracht. Diese kurzen Unterbrechungen 40 der ansonsten eher langweiligen Reise nutzte das Sondenteam am JPL, um Verfahren zu üben und die Sonde auf ihren „Gesundheitszustand“ zu überprüfen. Die Sonde und ihre Instumente Da sich wahrscheinlich so bald keine andere Sonde zum Pluto aufmachen wird, stattete man New Horizons mit einer ganzen Reihe von Instrumenten aus. • Ralph: Eine Kamera, um Farbbilder von Pluto im sichtbaren und infraroten Licht zu machen. Die Öffnung der Optik beträgt 6 cm – wenig genug für die schwachen Lichtverhältnisse in mehr als 5 Milliarden km Entfernung von der Sonne. Das Instrument ist auch dafür ausgelegt, mittels Spektralanalyse bestimmte Moleküle wie etwa Methan nachzuweisen. • Alice ist ein UV-Spektrometer, mit dem die dünne Atmosphäre von Pluto näher untersucht werden soll. • REX ist mehr oder weniger ein Radiosender. Dessen Radiostrahlen sollen mithilfe der 2,1 m großen Hauptantenne durch die Atmosphäre geschickt werden. Auf der Erde werden diese Radiosignale Uranus 86, Mai 2014 • • • • dann mit den großen Antennen des Deep Space Networks der NASA aufgefangen und weiter analysiert. Dadurch kann ebenfalls die Atmosphäre auf ihre Bestandteile untersucht werden. Das Instrument mit der höchsten Auflösung ist LORRI. Die Abkürzung steht für „Long Range Reconnaissance Imager”. Es besteht aus einem Teleskop mit etwa 20 cm Öffnung und einer CCDKamera. Die Auflösung der Kamera wird dann während des Vorbeifluges bei etwa 100 m liegen. Das SWAP-Instrument (Solar Wind Around Pluto) misst geladene Teilchen, die von der Sonne kommen. Falls Pluto ein Magnetfeld hat, wird sich dieses damit nachweisen lassen. Mit PEPSSI (Pluto Energetic Particle Spectrometer Science Investigation) werden Teilchen, die von der Atmosphäre Plutos entweichen und durch den Sonnenwind elektrisch geladen werden, untersucht. Das letzte Instrument ist SDC, der Student Dust Counter. Dieses Instrument, das die Staubkonzentration während des gesamten Fluges von New Horizons misst, ist ein Studenten-Projekt der Universität von Colorado in Boulder. . Das weitere Vorgehen Seit dem 17. Januar 2014 befindet sich New Horizons wieder in einem „Winterschlaf“. Dieser soll die Instru- Abb. 2: Die Instrumente der Sonde New Horizons mente schonen, sodass die Ausfallwahrscheinlichkeit – die auf einer so langen und anspruchsvollen Reise immer gegeben ist – nochmals verringert wird. 12 Tage zuvor war die Sonde jedoch für Tests und Korrekturen „aufgeweckt” worden. Die Antenne der Sonde wurde auf die Erde ausgerichtet, und neue Kommandos an den Bordrechner übermittelt. Ende Juni wird die Sonde erneut aktiviert werden. Dann wird New Horizons auf Pluto ausgerichtet werden, und zwar bereits mithilfe der bordeigenen Instrumente. Ein sorgfältiger Test aller Systeme an Bord wird ebenfalls durchgeführt, und bereits erste wissenschaftliche Untersuchungen, wie etwa Helligkeitsmessungen der Rotation von Pluto und seinem größten Mond Charon. Zwischen dem 29. August und dem 7. Dezember 2014 wird die Sonde wiederum „schlafen”, um dann endgültig aufgeweckt zu werden. Die Arbeiten für den Anflug beginnen am 12. Januar 2015. Der Höhepunkt erfolgt dann am 14. Juli 2015 mit dem Vorbeiflug an Pluto. Stefan Funk (Bilder: NASA/JPL) Abb. 3: Der Weg der Sonde durch unser Sonnensystem Mai 2014, Uranus 86 41 GAIA hat scharfgestellt D er Satellit GAIA der Europäischen Weltraumagentur ESA nimmt seine Optik schrittweise in Betrieb. Mithilfe des Satelliten will die ESA etwa eine Milliarde Sterne präzise vermessen. Das erste scharfe Bild der Optik ist somit ein wichtiger Meilenstein im Projekt. Wenn GAIA seinen Routinebetrieb aufnimmt, wird der Satellit eine enorme Datenmenge produzieren. Daher werden nur kleine Ausschnitte in der Mitte des gewaltigen Gesichtsfeldes der Optik als Bild für weitere Analysen zur Erde gesendet werden. Diese Testaufnahme, die im Rahmen der Feinabstimmung und –justage der Optik gewonnen wurde, ist eines der ersten Bilder, die GAIA erstellte. Es wird ironischerweise auch eines der letzten Bilder dieser Art sein, da es nicht vorgesehen ist, Bilder mit voller Auflösung zur Erde zu senden. Abb. 1: Start von GAIA an der Spitze einer Sojus-Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou. Abb. 2: Die Testaufnahme zeigt den Kugelsternhaufen NGC 1818 in der Magellanschen Wolke, einer Nachbargalaxie unserer Milchstraße. GAIA wurde am 19. Dezember 2013 gestartet. Seine Position im Weltraum liegt bei einem sogenannten Lagrange-Punkt, hier bei dem L2-Punkt, etwa 1,5 Millionen km auf der Linie Sonne-Erde von der Erde entfernt. Dort heben sich die Anziehungskräfte von Erde und Sonne mit den Fliehkräften des Satelliten genau auf, was dem Satelliten dort eine besondere Stabilität verleiht. Der spiegelbildliche L1-Punkt auf der Seite, die der Sonne zugewandt ist, hätte die gleiche stabilisierende Funktion. Das Ziel der GAIA-Mission ist, die bisher genaueste Karte der Milchstraße zu erzeugen. Dazu wird der Satellit die genauen Positionen und die Bewegungen von etwa 1% der Sterne der Milchstraße vermessen – das sind immerhin etwa 1 Milliarde Sterne! Diese Messungen werden dann helfen, die Entwicklung unserer Heimatgalaxie besser zu verstehen. Da GAIA diese Aufgabe immer wieder durchführen wird, wird jeder von GAIA erfasste Stern in den nächsten fünf Jahren etwa 70-mal vermessen werden. Zusätzlich zur Position und zur Bewegung wird GAIA auch weitere Größen der Sterne wie etwa Helligkeit, Temperatur und chemische Zusammensetzung bestimmen. Die Kamera Um dieses Ziel zu erreichen, rotiert GAIA langsam um seine eigene Achse. Die beiden Teleskope werden dabei langsam über den Himmel geschwenkt und wer- 42 Uranus 86, Mai 2014 Abb. 4: Satellit GAIA nach seiner Entfaltung Abb. 3: Montage von GAIA auf der Spitze der Sojus-Rakete fen ihr eingefangenes Licht auf eine CCD-Kamera mit etwa einer Milliarde Pixel. Doch zunächst müssen diese Teleskope justiert und scharf gestellt werden. Zusätzlich werden die Instrumente an Bord kalibriert. Dieser Prozess wird einige Monate in Anspruch nehmen, bevor das eigentliche Missionsziel in Angriff genommen werden kann. In diesem Zeitraum für Tests nahm das GAIA-Missionsteam den Kugelsternhaufen NGC 1818 auf. Das gezeigte Bild ist übrigens nur ein kleiner Ausschnitt des Gesamt-Gesichtsfeldes der Optik: Nur etwas weniger als 1% des Gesichtsfeldes werden hier gezeigt! Noch sind die Justagearbeiten allerdings nicht abgeschlossen. Innerhalb der ersten sechs Monate werden alle Sterne, die während der Mission vermessen werden sollen, einmal fotografiert sein. Dann beginnt in den weiteren fünf Jahren der Prozess der Verifizierung und Messung von Veränderungen. Am Ende werden aus den kleinen Positionsänderungen auch die Bewegungen und die Entfernungen der Sterne ableitbar sein. Etwa drei Jahre später ist dann die Veröffentlichung der endgültigen Ergebnisse der Mission vorgesehen. Zwischenzeitlich werden sich schnell verändernde Ereignisse bekannt gegeben, wie etwa Supernovae. Am Ende wird das GAIA Datenarchiv die unglaubliche Datenmenge von etwa einer Million Gigabytes umfassen, was etwa der Speicherkapazität von 200 000 DVD entspricht. Quelle: ESA Drei Wissenschaftler beweisen Schottland Ein Astronom, ein Physiker und ein Mathematiker sind in Schottland unterwegs. Da sehen sie auf einer Anhöhe ein schwarzes Schaf stehen. „Ich wusste gar nicht, dass die Schafe in Schottland schwarz sind“, sagt der Astronom (der, wie gewohnt, einen Einzelfall zu einer Klasse erhebt). „Aber Herr Kollege, wie können Sie so etwas sagen“, moniert der Physiker. „Alles, was Sie sagen können, ist: In Schottland gibt es ein schwarzes Schaf“. Der Mathematiker ist damit noch nicht zufrieden. „Was Sie, Herr Kollege, wirklich sagen können, ist: In Schottland gibt es mindestens ein Schaf, das auf minMai 2014, Uranus 86 destens einer Seite schwarz ist“. (Viele Existenzsätze der höheren Mathematik verweisen auf „mindestens ein“ Element mit den geforderten Eigenschaften; ohne das „mindestens“ könnte „ein“ Element auch die Zahl „nur eines“ bedeuten). Kleine Testfrage für Hobby-Astronomen: Wie viele Fälle kennen Sie, wo ein Exemplar stellvertretend für eine ganze Klasse (von Fixsternen) steht (z.B. δ Cepheiden, W-Viriginis-Sterne u.a.)? Prof. Dr. Walter Zumach 43 Reisen durch das Sonnensystem mal anders – ein Reisebericht W ährend einer Geschäftsreise bin ich in den Sturm „Christian“ gelangt. Dieser brachte in Norddeutschland den Zugverkehr zum Erliegen. Ich hatte Glück im Unglück, denn ich strandete mit meinem ICE in Göttingen. Nachdem ich mein Hotel umgebucht hatte, verließ ich auch anschließend den Zug. Am nächsten Tag, als ich meine Reise fortsetzte, ging ich durch die Innenstadt zum Bahnhof. Plötzlich stieß ich auf ein Bronzekunstwerk. Nach näherer Betrachtung las ich „Merkur“. Ich dachte mir: „Oh mein Gott, warum habe ich das gestern nicht entdeckt?“ Ich stellte fest, dass ich mich im „Göttinger Sonnensystem“ befand. Nach ungefähr weiteren 30 Metern habe ich auch das Zentralgestirn gefunden. Der Planetenweg hat einen Maßstab von 1:2 Milliarden und kann von der Sonne bis zum Pluto in gut einer Stunde begangen werden. Dargestellt wird das Sonnensystem auf bronzenen Stelen. Sie enthalten eine maßstabsgetreue Kugel, allgemeine Informationen und einen Übersichtsplan, wo sich die anderen Objekte in der Stadt befinden. Nähere Informationen können im Internet unter http://www.planetarium-goettingen.de/Planetenweg/ nachgelesen werden. Am Bahnhofsvorplatz entdeckte ich wieder ein „astronomisches Gebäude“. Abgebildet auf dem spitzkegeligen Dach war der Tierkreis. Welche Bedeutung das Gebäude hat, wusste ich nicht. Mein Zug fuhr schließlich in wenigen Minuten ab. Durch das Internet fand ich später heraus, dass das Gebäude ein allgemeiner Infopavillon ist, der an die Wiederentdeckung des Zwergplaneten Ceres im Jahre 1801 durch Carl Friedrich Gauß erinnert. Das spitzkegelige Dach ist mit dem Tierkreis geschmückt. Zudem verläuft eine rote Linie zwischen den Sternbildern Stier und Jungfrau. Sie ist die Bahn von Ceres zwischen Entdeckung und Wiederauffindung. Abb. 2a/b: Infopavillon mit Tierkreis, Göttingen 44 Abb. 1: Planetenweg, Göttingen (Quelle: Förderkreis Planetarium Göttingen) Am Bahnsteig angekommen, stieg ich dann in den ICE ein und setzte zum „transdimensionalen Sprung“ in das „Mindener Sonnensystem“ an. Trotz der Auswirkungen des Sturms kam ich pünktlich in Minden an und erledigte als erstes meine Pflichten. Zu Beginn des Feierabends machte ich mich auf den Weg zum Hotel. So, nun jetzt das Gepäck ablegen und los zur „Mindener Sonne“. Der Planetenweg hat einen Maßstab von 1:1 Milliarde. Er wurde von hiesigen Firmen gespendet und von den Schülern und Eltern des Besselgymnasiums 1996 zum 150. Todestag von Friedrich Wilhelm Bessel erbaut. Die Sonne befindet sich vor dem Preußen-Museum. Nach einem ca. 20-minütigen Fußmarsch habe ich sie dann auch erreicht. Die Sonne auf der Vorderseite ist mit ein paar astronomischen Daten beschriftet und auf der Rückseite mit einer fremdartigen „außerirdischen“ Schrift, die ich nicht entziffern konnte. Somit stellte ich fest, dass es in diesem Sonnensystem feindselige Außerirdische gibt, die über „Hochdruckfarbkanonen“ verfügen. Im Anschluss „reiste“ ich weiter zum Merkur. Mit ungefähr 5facher Lichtgeschwindigkeit erreichte ich in ca. 38 Sekunden den Planeten und schwenkte in einen Standard-Orbit von einer Million Kilometer Abstand ein. Ich las alle Daten und ging wieder auf Überlichtgeschwindigkeit. Wieder eine gute halbe Minute später erreichte ich die Venus und reiste dann auch weiter zur Uranus 86, Mai 2014 Abb. 3a: Sonne vor dem Preußen-Museum, Minden Erde, die sogar einen Weltraumbahnhof besitzt, ich meinte natürlich, es befindet sich ein Parkplatz in der Nähe. Also nun weiter zum letzten inneren und gleichzeitig zum ersten oberen Planeten, nämlich dem Mars. Als ich dort ankam fand ich Zerstörung vor. Der Planet wurde auch mit den Hochdruckfarbkanonen beschossen. Vielleicht ist das die Heimatwelt der aggressiven Spezies. Bis jetzt war es einfach die Planeten zu finden, da sie sich alle auf dem Simeonsplatz vor dem Preußen-Museum befinden. Jetzt geht die Schnitzeljagd los. Jupiter befindet sich laut der Beschreibung von Wikipedia im „Glacis“. Da sich ein Geschäftsgebäude meiner Firma in der Straße namens Weserglacis befindet, kannte ich den groben Weg. Anfänglich suchte ich zwischen Wald und Weser­ ufer. Schwierig wurde es, da neben der beginnenden Dämmerung auch noch die „Lichtverschmutzer“ auf dem Weg fehlten. In nahezu völliger Dunkelheit und einsetzendem Regen suchte ich im Naherholungsgebiet weiter. Auf einmal begann der Boden einige Meter vor mir zu spiegeln und ich dachte mir: „Die Aliens könnten angreifen, regnen tut’s und nun ist vor mir auch noch der „flüssige Raum“ (Fluß Abb. 3b: Rückseite der Sonne mit Bastau und der Schwa- Hochdruckfarbkanonenbeschuss, nenteich). Wenn ich Minden jetzt da hineingelange, na dann viel Spaß! Also roter Alarm. Mit größtmöglicher Vorsicht setzte ich die Reise fort. Mein Handy als Navigationscomputer war nutzlos, denn die Dunkeladaption meiner Augen war wichtiger. Kurz vor der Glacisbrücke habe ich den Jupiter gefunden. Roter Alarm Ende. Gefreut habe ich mich wie ein Schnitzel, doch die Freude ebbte auch im gleichen Moment ab. Neben den „interplanetaren“ Einflüssen (Verwitterung) machten auch die Außerirdischen dem Gasriesen zu schaffen. So nun weiter zum Saturn. Zurückgekehrt auf gesicherte Wege, schaltete ich wieder meinen Navigationscomputer ein. „Lieutenant Google“ nannte mir die Position. Es war die alte Fischerstadt. Fischerstadt, Fischerglacis, da ist doch mein Hotel? Mir ging ein Licht auf. Als ich den Saturn erreicht habe, der übrigens noch nicht von den Außerirdischen geschändet wurde, stellte ich fest, dass eine weitere Reise zum Uranus Sinn machte. Die Zeit war noch nicht so sehr fortgeschritten, es regnete nicht mehr und der Rückweg ist nicht so weit. Um unsere Vereinszeitschrift zu Abb. 4: Plan des Planetenwegs in Minden ehren, begab ich (Quelle: Google Maps) mich auf die Suche nach Uranus. Wieder „Lieutenant Google“: „Uranus befindet sich in der Nähe der Schachtschleuse“. Also weiter auf dem Weg des Weserradweges. Nach einiger Zeit erreichte ich den Pumpenwerkskanal, den ich für die Schachtschleuse hielt. Ich untersuchte das Gebiet, ging einen Hügel hinauf und was war da wieder? Links, flüssiger Raum, vor mir, auch flüssiger Raum. Ich war am Wasserstraßenkreuz des Mittellandkanals angekommen. Wieder Alarmstufe Rot, Finger weg vom Navigationscomputer, sonst kann es zu Ende sein. Ich verließ das Wasserstraßenkreuz wieder und versuchte mit „Lieutenant Google“ via GPS den Uranus zu suchen. Was ist dann passiert? In einem Industriegebiet gab es kein Weiterkommen. Somit habe ich den Missionsabbruch angeordnet und begab mich zur Saturn-Raumstation, ich meine zu meinem Hotel. Dort angekommen bekam ich die Auskunft, dass der Uranus nicht erreicht werden konnte, da das Gebiet wegen Bauarbeiten gesperrt war. Ich begab mich in mein Hotelzimmer und mit Abendessen und einer Dusche (Andocken, betanken und Reinigung des Raumschiffs) endet auch dieser Bericht. Fazit meines Ausfluges: Es war eine abenteuerliche Erkundung des Sonnensystems, da ich mich nicht richtig auf den Planetenweg vorbereitet hatte. Ich bin davon ausgegangen, dass an den einzelnen Stationen ein Hinweis auf die nächste Station vorhanden ist. Viel Spaß hatte ich auf jeden Fall und kann es nur weiterempfehlen, fremde Planetenwege zu begehen. In Minden war ich nicht das letzte Mal und ich werde das äußere Sonnensystem dann weiter erkunden. Martin Frey Abb. 3c: Weltraumbahnhof Erde, Minden Mai 2014, Uranus 86 45 „Beam me up, Scotty!“ Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Walter in Augsburg E inmal mit Star Trek durch das Universum beamen. Hierzu hatte die Astronomische Vereinigung Augsburg (AVA) mit der Hochschule Augsburg zum Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Walter (s. Kasten unten) in den Hörsaal der Hochschule eingeladen. Auf dem breiten Flur vor den Eingängen zum Hörsaal hatte die AVA eine Fotoausstellung selbst hergestellter astronomischer Bilder eingerichtet. Da konnte man die Flugrichtung der abendlichen Reise schon einmal anschauen, von heimischen Gefilden auf der Erde mit Polarlichtern, an den Planeten unseres Sonnen­ systems und unserem Mutterstern vorbei, aus unserer Galaxis hinaus zu weiteren Galaxien und in den Deep Sky hinein. Schon am Nachmittag erschienen viele der eingeladenen Astronomenfreunde benachbarter Vereinigungen, um sich mit unseren Astrofotografen im Angesicht der herrlichen Bilder fachlich über Belange der Astronomie und Astrofotografie auszutauschen. Weitere Gespräche gab es dann bei Semmel und Brezen zur Stärkung vor der abendlichen Veranstaltung des ungemein kurzweiligen, unterhaltsamen und lehrreichen Vortrags von Prof. Dr. Ulrich Walter zur Physik von Star Trek. Der Hörsaal platzte aus allen Nähten: Nicht nur die über 260 regulären Sitzplätze, nein, auch die Treppenzugänge links und rechts im Hörsaal waren mit Zuhörern und Zuhörerinnen besetzt, und die letzten Gäste mussten dann in den offenen Türen mit Stehplätzen vorlieb nehmen. Der Vortrag begann mit einigen Paukenschlägen: Eigentlich sei es ein Männervortrag, weil Männer Star Trek lieben, und alles Vorzutragende sei wahr, aber ist es auch Realität? Und ohne viel Formeln und mathematisches Rüstzeug würden alle Anwesenden nach der Veranstaltung Einsteins Relativitätstheorie verstanden haben, behauptete und fragte Prof. Walter. Und los geht’s! Man sieht die U.S.S. Enterprise des Commanders James Tiberius Kirk zwischen einigen hübschen Planeten im Weltraum schweben. Doch wo sind die Treibstofftanks? Bei einer Reise bis an den Abb. 1: Unsere Bilderausstellung an der Hochschule Abb. 2: Udo Till und seine Frau verkaufen Eintrittskarten an der Kasse Rand des Universums will die Star Trek Crew ja mit sehr hoher Geschwindigkeit (v) vorankommen. Bei einer Geschwindigkeit v von nur 90% der Lichtgeschwindigkeit (c) und Richtungswechseln wäre mit herkömmlichen Antrieben das Verhältnis von Treibstoffgewicht zum Raumschiffgewicht 95,25%, weil sich das Verhältnis aus [ ( ) ] errechnet. „Je schneller, desto schlimmer“, beschreibt Prof. Walter das Verhältnis. Dann sehen wir den jungen Astronauten Walter wie er im Raumschiff der Schwerelosigkeit ausgesetzt ist. Aber warum schwebt die Star Trek Crew nicht in ihrem Raumschiff? Denn überall im Weltraum ist man schwerelos, weil die Gravitationskraft eines massereichen Körpers durch die Zentrifugalkraft des ihn umkreisenden Raumschiffs ausgeglichen bzw. bei dessen Davonflug durch seine Trägheit aufgehoben wird. Die pseudowissenschaftlichen Erklärungen für die nicht schwebende Crew im Star Trek TNG:TM (The Next Generation, Technical Manual) S. 158 sind also ein rechter Schmarrn, und vermutlich als Begründung notwendig, „weil die Schwerelosigkeit im Studio nicht realisierbar wäre“. Abb. 3: Der Hörsaal war voll besetzt 46 Uranus 86, Mai 2014 Abb. 4: Titelbild des Vortrags von Prof. Dr. Ulrich Walter Also trotz dieser Widersprüche fliegen wir gedanklich mit der U.S.S. Enterprise mal mit Lichtgeschwindigkeit los. Bei einem Blick zurück vom entferntesten Klein-Planeten Sedna auf unser Sonnensystem sind die Sonne und unsere Nachbarplaneten nur noch als winzige Punkte erkennbar, und wir sind in 10 Stunden 1013 m = 10 Mrd. km geflogen. Schon die fünf nächsten Sterne um unsere Sonne herum erreichen wir erst in 10 Jahren in einem Abstand von 1017 m = 100 000 Mrd. km, oder wie Astronomen abgekürzt sagen, von 10 Lj. Doch allein um unsere Galaxis zu durchqueren, bräuchte man 100 000 Lj. Und insbesondere um von unserer Heimat in einem äußeren Spiralarm unserer Galaxis – der habitablen Zone der Milchstraße – hinaus in die Weiten des Universums zu gelangen, fragen wir uns, ob wir nicht wie Commander Kirk und seine Crew mit Überlichtgeschwindigkeit durchs All vorankommen müssten. Geht das? Einsteins berühmte Formel zur Speziellen Relativitätstheorie lautet: Und für v = c lässt sich jeder Ort im Universum in Null Zeit erreichen. Weniger als Null geht nicht, denn nichts fliegt schneller als Lichtgeschwindigkeit. Also brauchen wir zum Durchqueren des Universums auch keinen Warpantrieb für Überlichtgeschwindigkeit. Schon mit weniger als Lichtgeschwindigkeit ist gemäß relativistischer Theorie die Raumfahrt ein Jungbrunnen, und zwar tatsächlich. Den Gangunterschied zweier Systeme mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten hat man mit Atomuhren gemessen. Und bei der D2-Mission mit Walter Ulrich an Bord betrug die Flugzeit T = 810 000 s, und er ist tatsächlich jünger geblieben, um – 0,000254 Sekunden! Das war deutlich am Puffy Face des Raumfahrers Ulrich zu sehen: Nur lag das in Wirklichkeit an der Flüssigkeitsverteilung in der Haut bei Schwerelosigkeit. Wenn also relativistische Geschwindigkeiten ausreichen, um das Universum zu durchstreifen, müssen wir uns nach entsprechenden Antriebsenergien für die notwendigen Beschleunigungen umsehen. Wäre √ wobei τ die Eigenzeit des Reisenden ist und t die Referenzzeit eines entfernten Beobachters, z.B. von einem mit einem Fernrohr auf der Erde. Daraus ergibt sich für v → c, dass die erlebte Zeit im Raumschiff Null wird. Abb. 5: Das Raumschiff Enterprise Mai 2014, Uranus 86 Abb. 6: Prof. Dr. Ulrich Walter in Aktion Antimaterie etwa zum Durchqueren der Milchstraße mit der Beschleunigung 1 g eine solche Alternative? Nach Einstein wäre dann die erlebte Zeit auf der Erde 100 000 Jahre bei einer erreichten Geschwindigkeit von 0,99999999997 c des Raumschiffes, und die in ihm erlebte Zeit wäre 11,9 Jahre bei einer im Raumschiff erlebten Geschwindigkeit von 12,2 c. Nur bräuchten wir für eine solche Reise mit einem Materie-Antimaterie Antrieb einen 27 . 27 . 27 km großen Tank. Und die Entfernungen in unserem Universum sind um ein Vielfaches größer. Könnten wir da nicht Wurmlöcher als Abkürzung nehmen? Wurmlöcher verbinden Schwarze Löcher, die Materie verschlingen, mit Weißen Löchern, die Materie ausspeien. „Wurmlöcher sind Einbahnstraßen“. Darum rät Prof. Walter: „Wenn Sie in die Nähe eines Wurmlochs kommen, fliegen Sie da nie rein“. Solch ein Wurmloch ist die Einstein-Rosen-Brücke, die zwei entfernte Welten miteinander verbindet. Doch bevor 47 Abb. 7: Die Vorsitzende Christine Zerbe dankt Prof. Walter ein Raumschiff hindurch gelangen könnte, verjüngt sich das Wurmloch, reißt ab und bildet zwei getrennte Singularitäten. Das könnte mit Negativer Energie, die abstoßender Gravitation entspricht, verhindert werden. Doch die Quantentheorie schränkt die Größe und Dauer Negativer Energie stark ein. Um einen Schlund mit einem Durchmesser von nur 2 m zu erzeugen, ist ein Energieband von nur 10-21 m (100 Milliardstel eines Atomdurchmessers) notwendig, mit einem Betrag, der der in einem Jahr erzeugten Energie von 10 Milliarden Sternen gleichkommt. Bleibt da Commander Kirk und seiner Crew nur die Verwendung eines Warp-Antriebes zum Durchfliegen von Wurmlöchern? Der Warp Drive soll eine Warpblase erzeugen, bei der das RaumzeitGefüge in Flugrichtung kontrahiert – also der Abstand zum Zielort verringert – und an der Rückseite wieder gedehnt wird. Leider sind für eine Blase mit 200 m Durchmesser einige Sonnenmassen Negativer Masse notwendig, und an den Rändern würde die Krümmung des Raumes (= Gezeitenkräfte) die Enterprise zerreissen. Wenn das auch nicht geht, ist Beamen vielleicht der letzte Ausweg? Beamen ist die Übertragung eines Körpers zu einem anderen entfernten Ort. Doch auch hier Über den Referenten: Prof. Dr. Ulrich Walter wurde am 9. Februar 1954 geboren. Er erwarb 1980 sein Diplom in Physik an der Universität Köln. Dort promovierte er auch 1985. Danach forschte er zwei Jahre in den USA. 1987 wurde Walter als Astronaut für die D2-Mission ausgewählt und begann mit dem Training. Ende April 1993 brach er zusammen mit Hans Schlegel und fünf US-amerikanischen Astronauten an Bord des Space Shuttles Columbia in Richtung Erdumlaufbahn auf. Rund 90 Experimente betreuten Schlegel und Walter während des zehntägigen Fluges, wobei die meisten aus den Sparten Biologie und Materialwissenschaften stammten. Dabei arbeiteten sie im europäischen 48 gibt es unüberwindbare Probleme: Erstens das No-Clone Theorem der Physik und Zweitens: Ein menschlicher Körper besteht aus etwa 1027 Atomen, die sich in Quantenzuständen (Bits) befinden können. Um diese Informationsmenge bei 1 Giga-Giga-Giga-Giga-GigaGiga-Giga-Giga-Giga bps zu übertragen, bräuchte der Beamvorgang immer noch etwa Sekunden, also weit länger als das Alter unseres Universums! Lassen wir gedanklich das Raumschiff U.S.S. Enterprise dennoch in die Weiten unseres bekannten Universums weiterreisen, so durchquerten wir zunächst einen Raum von 10 Mio. Lj mit 103 Galaxien und 1014 Sternen, und wir könnten einzelne Galaxien gut auseinanderhalten. In einem Raum von 1 Mrd. Lj mit 105 Galaxien und 1016 Sternen werden netzartige Strukturen in der Verteilung der Materie erkennbar. Und schließlich endet die Reise mit einem erneuten Paukenschlag, denn Ulrich Walter stellte die Vermutung eines unendlichen Raumzeitvolumens in den Raum. Im Anschluss folgte prompt eine ausgiebige, lebhafte Diskussion mit vielen Fragen und Antworten, bevor Ulrich Walter mit Familie und einer großen Schar von Mitgliedern unserer AVA im griechischen Restaurant in der Nachbarschaft der Hochschule den interessanten Abend ausklingen ließen. Hier in der Gaststätte war auch eine Reihe von Frauen dabei, die diesen Vortrag ebenso gern verfolgten wie die Männer, weil auch sie die Episoden von Star Trek lieben. Wolfgang Mahnkopf Bildquellennachweis Bilder 1, 2, 3, 6 und 7 von Thomas Winterer Bilder 4 und 5 aus der Präsentation von Prof. Ulrich Walter Raumlabor Spacelab, das bis zu seinem letzten Einsatz 1998 insgesamt 22‑mal ins All flog. Nach seinem Flug schied Walter aus dem deutschen Raumfahrerkader aus und leitete vier Jahre lang das Satellitenbildarchiv des DLR im bayerischen Oberpfaffenhofen. Ab 1998 arbeitete er bei IBM Deutschland. Seit März 2003 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München. Dort forscht er an Satellitensystemen, insbesondere für robotische Anwendungen und an bemannten Raumfahrtsystemen. Außerdem untersucht er Mikrometeoriteneinschläge in Raumfahrzeuge. Dr. Christine Zerbe Uranus 86, Mai 2014 Neues von der Sternwarte und aus dem Verein Besucherstatistik 2013 Die anfangs noch bestehende Besucherbeschränkung und später dann die Bauarbeiten wirkten sich auch 2013 negativ auf die Besucherzahlen aus. Es gab nur ein leichtes Plus gegenüber den geringen Vorjahreszahlen. Es kamen insgesamt 1121 Besucher (+ 10%). Allerdings zeigen schon die ersten Monate des Jahres 2014, dass sich dieser Trend umkehrt. Wir rechnen für 2014 mit einem deutlichen Plus bei den Besucherzahlen. Regelmäßige Veranstaltungen •Vereinsausflug: Wegen des arbeitsintensiven Umbaus der Sternwarte planten wir keinen Vereinsausflug. Stattdessen besuchten wir an einem Samstag­nachmittag im August 2013 die Buchloer Sternfreunde. Nach der Besichtigung der außerhalb von Buchloe gelegenen Sternwarte wurde die lebhafte Diskussion beim gemeinsamen Abendessen in einem Restaurant fortgesetzt. •Beobachtungsnacht: Auch 2013 wollten wir uns auf dem Auerberg treffen. Wir hatten diesmal sogar zwei Ausweichtermine vorgesehen. Leider war an allen drei Terminen das Wetter schlecht, so dass es keine Beobachtungsnacht gab. •Ferienprogramme: Im August und September boten wir Termine für Gruppen aus Augsburg (2x), Königsbrunn (2x), Neusäß, Ustersbach und Diedorf an, die gut nachgefragt waren. •Botanischer Garten: An drei Abenden waren wir mit unseren Teleskopen bei den Beleuchtungs­ abenden vertreten. Das Wetter ließ nicht immer astronomische Beobachtungen zu, doch auch der Blick durch ein Fernrohr auf Bäume fand Anklang bei den Besuchern. •Astronomietag: Der jährliche Astronomietag war diesmal am 16. März 2013. Da sich der Andrang, wie in den letzten Jahren auch schon, in Grenzen hielt, überlegen wir uns für 2014 ein neues Konzept. •Kulturmeile: Die Teilnahme an der Kulturmeile am 3. Oktober hat schon Tradition. Vor allem Diedorfer finden an diesem Abend den Weg zu uns. Mai 2014, Uranus 86 Abb. 1: Einige Teilnehmer beim monatlich stattfindenden Aktiventreffen (von links: Herbert Klinger, Thomas Winterer, Heike und Alexander Schwarz, Wolfgang Mahnkopf) •Jungbürgerempfang: Am 13. Januar 2014 erhielten 20 junge Diedorfer ihren Jungbürgerbrief bei einem Empfang auf der Sternwarte. Neben den Bürgermeistern waren auch etliche Gemeinderäte anwesend. Unser Beitrag bestand aus einer kurzen Planetariumsführung. Die geplante Himmelsbeobachtung fiel dem schlechten Wetter zum Opfer. •Spiegelschleifgruppe: Die Gruppe hat sich auch 2013 regelmäßig getroffen. Die Spiegel nähern sich allmählich ihrer Vollendung, so dass aus der Schleifnun eine Teleskopbaugruppe wird. •Jugendgruppe: Etwa einmal pro Monat trafen sich mal mehr, mal weniger Jugendliche, um sich mit einem astronomischen Thema näher zu beschäftigen. Im Juni boten wir einen Besuch im Planetarium Augs­burg mit Blick hinter die Kulissen an, der sehr gut ankam. •Aktiventreffen: An jedem ersten Montag im Monat treffen sich die aktiven Mitglieder, um Pläne für die Zukunft zu schmieden. Dabei kommt auch der gemütliche Teil nicht zu kurz. Abb. 2: Gruppenbild beim Besuch in Buchloe 49 Mitgliederhauptversammlung am 26. Oktober 2013 Udo Till, der 1. Vorsitzende, gab einen Rückblick über die letzten beiden Jahre. Neben den üblichen Aktivitäten, wurden diesmal vor allem die größtenteils von der Gemeinde Diedorf finanzierten Brandschutzmaßnahmen erwähnt. Die Mitgliederzahlen sind in den letzten beiden Jahren leicht gesunken, von 146 auf 141. Pro Jahr kommen ca. 1000 Besucher auf die Sternwarte. Danach folgte der Bericht der 1. Kassiererin Simona Polle. In den letzten beiden Jahren hat sich das Gesamtvermögen des Vereins nur geringfügig verändert. Da nach der letzten Hauptversammlung im Jahr 2011 beide Kassenprüfer zurückgetreten sind, hatte Frank Zehetmair das Amt des Kassenprüfers kommissarisch übernommen. Die Rückbestätigung für die Annahme des Amtes stand noch aus und wurde in der Versammlung nachgeholt. Der Kassenprüfer lobte die Kassenführung und fand nichts zu beanstanden. Der Antrag auf Entlastung des Vorstands wurde einstimmig angenommen. Bis auf die 2. Kassiererin und den Schriftführer standen alle Posten turnusgemäß zur Wahl an. Nach der Abstimmung setzt sich der Vorstand jetzt wie folgt zusammen: 1. Vorsitzende Christine Zerbe 2. Vorsitzender Thomas Winterer 1. Kassierer Udo Till 2. Kassiererin Irina Thurner Jugendgruppenleiter Martin Frey Schriftführer Erwin Kietsch wissenschaftliche Beisitzer: Rochus Geißlinger, Karl Thurner Beiräte: Peter Hamp, Tobias Knesch, Wolfgang Mahnkopf, Stefan Mayr, Patrick Müller, Ingo Piez, Alexander Schwarz Kassenprüfer: Simona Polle, Frank Zehetmair. Abb. 3: Der neu gewählte Vorstand; hintere Reihe von links: Alexander Schwarz, Rochus Geißlinger, Tobias Knesch, Patrick Müller, Ingo Piez, Martin Frey, Peter Hamp, Frank Zehetmair, Simona Polle, Karl Thurner. Vorne von links: Wolfgang Mahnkopf, Udo Till, Christine Zerbe, Thomas Winterer, Irina Thurner. Zum Abschluss der harmonisch verlaufenen Hauptversammlung dankte die neue Vereinsvorsitzende, Christine Zerbe, den von ihren Funktionen zurückgetretenen Vorstandsmitgliedern für die geleistete Arbeit in den zurückliegenden Jahren. Sie war angetan von der Bereitschaft, in anderer Funktion dennoch weiter aktiv mitzuarbeiten. Als kleine Aufmerksamkeit überreichte sie den aus ihren alten Ämtern scheidenden Vorstandsmitgliedern Udo Till, Peter Hamp und Simona Polle mit Süßem gefüllte Tüten. Tag der offenen Tür Nachdem die Umbauarbeiten im Herbst großteils abgeschlossen waren, wollten wir unsere Sternwarte in neuem Glanz der Öffentlichkeit präsentieren. Dazu veranstalteten wir am 23. November 2013 einen Tag der offenen Tür. Abb. 4: Auch die jüngsten Besucher sind von den Fernrohren fasziniert 50 Am Donnerstag vorher fand bereits eine Feier für die Vereinsmitglieder statt. Mit einem Glas Sekt wurden die Mitglieder empfangen und konnten sich gleich bei einem Rundgang einen ersten Eindruck von den Räumen verschaffen. Es ging weiter mit der Begrüßung durch Christine Zerbe und einem Grußwort des zweiten Bürgermeisters Peter Högg. Anschließend zeigte Udo Till einen kurzen Rückblick auf die Baumaßnahmen. Nach einer Pause, gestärkt von einem leckeren Imbiss, gab es einen Vortrag über die griechischen Sagen, die hinter den Namen von Sternbildern stehen, ergänzt durch interessante Objekte in diesen Sternbildern. In einer Planetariumsführung wurden die angesprochenen Sternbilder dann auch gleich gezeigt. Der Ausblick von Thomas Winterer auf geplante Projekte rundete den Abend ab. Der Samstag begann für uns damit, Kuchen zu backen, Butterbrezen und Wurstsemmeln herzurichten, Tische aufzubauen und Broschüren zu stapeln. Pünktlich bis 15 Uhr war alles vorbereitet. Die Besucher konnten kommen. Damit welche kommen, verteilten Uranus 86, Mai 2014 Impressum ISSN 1618-6362 Augsburg 2014 Herausgeber: Abb. 5: Die Spiegelschleifvorführungen fanden großes Interesse wir im Vorfeld viele Plakate und Flyer. Darin kündig­ ten wir Vorträge zum Komet ISON, zur Einführung in die Astronomie und zur Abwehr von Asteroiden an. Auch die Augsburger Allgemeine unterstützte uns mit Artikeln. Der Andrang war zeitweise tatsächlich sehr groß. Bei den ersten Vorträgen und Planetariums-Vorführungen reichten die Stühle nicht aus. Ein Highlight gleich am Eingang war die Demonstration der Spiegelschleifer. Dank der Spende eines Spiegelrohlings durch Markus Happach konnten die Besucher auch selbst Hand anlegen und das Schleifen ausprobieren. Das Wetter war nicht für Himmelsbeobachtungen geeignet, trotzdem waren die Teleskope ständig umlagert. Gegen Abend ließ der Andrang nach, so dass dann auch Zeit für längere Gespräche blieb und wir schon allmählich aufräumen konnten. Fazit: Eine gelungene Veranstaltung, die unseren Bekanntheitsgrad in der Region erhöhte, und die vor allem ohne die Mithilfe vieler aktiver Vereinsmitglieder nicht möglich gewesen wäre. Dr. Christine Zerbe Als neue Mitglieder begrüßen wir: 590 591 592 593 594 595 596 597 598 599 600 601 602 603 604 605 606 607 608 609 610 611 612 613 614 Birgit Rink Florian Rink Sebastian Rink Tobias Rink Jonas Rink Angelika Zerbe Patrick Andreas Müller Wilhelm Ziegler Christian Hilfrich Marius Octavian Frey Manfred Walbiner Heike Schwarz Gisela Mahnkopf Reiner Spannagel Brigitte Beck Wilhelm Schütz Herbert Klinger Alexander Groos Moritz Weber Javier Lacalle Muerza Manuela Rauch Maximilian Lacalle Rauch Julian Lacalle Rauch Nicolás Lacalle Rauch Lennox Schmid Mai 2014, Uranus 86 Astronomische Vereinigung Augsburg e.V. Pestalozzistraße 17a 86420 Diedorf Telefon (08238) 7344 Telefax (03212)1168819 E-Mail [email protected] Internet http://www.sternwarte-diedorf.de Redaktion: Wolfgang Mahnkopf Layout: Udo Till 1. Vorsitzende Dr. Christine Zerbe 2. Vorsitzender Thomas Winterer 1. Kassierer Udo Till 2. Kassiererin Irina Thurner Jugendgruppenleiter Martin Frey Schriftführer Erwin Kietsch Kontakt: [email protected] Mitgliedsbeitrag des Vereins (jährlich) Erwachsene Schüler/Studenten € 30,€ 15,- Öffnungszeiten der Sternwarte Freitag ab 20 Uhr Gruppen nach Vereinbarung Bankverbindung IBAN DE38720700240045715000 BIC DEUTDEDB720 Bank Deutsche Bank Augsburg 51