Astrofotografie Beobachtungstipps Das Wesen der Wissenschaft

Werbung
ISSN 1618-6362
Mai 2014
€ 2,50
Astrofotografie
Beobachtungstipps
Das Wesen der Wissenschaft
Geologie und Geschichte des Mondes
Herausgegeben von der
Astronomischen Vereinigung Augsburg e.V.
Öffnungszeiten der Sternwarte Diedorf: Freitag ab 20 Uhr
Heft 86, Mai 2014
Liebe Leserin, lieber Leser,
INHALT
das Jahr 2013 war auf unserer Sternwarte in Diedorf recht turbulent, denn
der vom Brandschutz geforderte Umbau wirbelte den Sternwartenbetrieb
immer wieder gehörig durcheinander.
Wenn er nicht sogar ausfallen musste,
traf man sich eben auf einer Baustelle.
Und im Herbst bescherten uns die turnusmäßigen Vorstandswahlen umfangreiche Veränderungen, so gab u.a. Peter
Hamp seine Funktion als 2. Vorsitzender
ab und vererbte mir die Redaktion des
URANUS. Herzlichen Dank Peter für
die Betreuung der letzten sechs Ausgaben unserer Vereinszeitschrift mit vielen
interessanten Beiträgen sowohl zu aktuellen Anlässen wie auch aus Forschung
und Raumfahrt oder über Neuigkeiten
aus dem Vereinsleben. Die Artikel waren informativ und spannend, und auch
die Unterhaltung kam nicht zu kurz.
Herzlichen Dank auch an die vielen Autoren, die den Erfolg des URANUS überhaupt erst begründen. In dieser Tradition möchte ich die Aufgabe fortsetzen.
Herzlichen Dank an alle Autoren und an
Udo Till für das mustergültige Layout
und die reibungslose, ja erfreuliche Zusammenarbeit. Nachdem heutzutage ein
digitaler Vierfarbendruck nur wenig höhere Kosten verursacht, aber ein unvergleichlich höheres Leseerlebnis ermöglicht, haben wir uns hierzu entschlossen.
In der Online-Ausgabe (im Mitgliederbereich unserer Homepage unter Uranusarchiv) werden darüber hinaus auch
die verlinkten weiterführenden Quellen
nutzbar.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen unserer Vereinszeitschrift mit vielen
neuen, unterhaltsamen und lehrreichen
Informationen.
Das Wesen der Wissenschaft
Raumfahrt, Kreationismus und der ganze Rest
Ihr Wolfgang Mahnkopf
4
Geologie und Geschichte des Mondes
Erkentnisse zur Mondgeologie nach den Apollo-Landungen
12
Aufräumen (auf) der Sternwarte
Ein künstlerisches Experiment
17
Scharfstellen bei der Astrofotografie
Selbstbau und Nutzung einer Bahtinov-Maske
18
Sternbilder - Serpens
Beobachtungshinweise für das Sternbild Schlange
22
Alles voller Sterne
Astrofotos von Sternhaufen
26
Wenn die Tage länger werden
Betrachtungen zur Veränderung der Tageslängen
28
Eine Reisemontierung
Was leistet sie, wozu kann sie eingesetzt werden?
30
Neues aus der Forschung
Drei Planeten in der habitablen Zone eines nahen Sterns
Neue Hinweise auf den Ursprung der kosmischen Strahlung
Wetterschichten auf einem Braunen Zwerg
Staubige Überraschung um riesige Schwarze Löcher
32
Rätsel
37
Was wäre, wenn?
Auswirkungen eines Supernovaausbruchs von Beteigeuze
38
Neues aus der Raumfahrt
Noch ein Jahr bis zum Ziel - Sonde New Horizons
GAIA hat scharfgestellt
40
Reisen durch das Sonnensystem mal anders
Ein Reisebericht zu den Planetenwegen in Göttingen/Minden
44
„Beam me up, Scotty!“
Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Walter in Augsburg
46
Neues aus der Sternwarte und dem Verein
Kurzberichte, Tag der offenen Tür, Mitgliederversammlung
49
Impressum
51
Titelbild: M82 mit Supernova SN 2014J
Datum: 10.02.2014
Summenbild aus 17 Einzelbildern
Belichtung: 5Min/Bild
Filter: Clippfilter CLS
Ort: Sternwarte Diedorf am 18“ Newton
Autor: Ingo Piez
Mai 2014, Uranus 86
3
Das Wesen der Wissenschaft
Raumfahrt, Kreationismus und der ganze Rest
B
ei einer Tagung in München zum Thema „Massive
Schwarze Löcher und die Entwicklung von Galaxien“
nimmt Prof. Dr. Reinhard Genzel, Direktor des MaxPlanck-Instituts für extra-terrestrische Physik in Garching bei München und Träger des renommierten „Crafoord-Preises“, Stellung zu aktuellen Fragestellungen im
Spannungsfeld von Natur- und Geisteswissenschaften.
Die Bildende Künstlerin Elizabeth B. Snyder, Beobachterin von Politik und Zeitgeschehen diesseits und jenseits
des Großen Teichs, greift die von Prof. Genzel angesprochenen Themen auf und führt diese weiter.
Die Interviews führte Alexander Seibold.
Abb. 1: Prof. Dr. Reinhard Genzel in seinem Büro im Max-Planck-Institut für extra-terrestrische Physik in der „Wissenschaftsstadt Garching“
bei München.
Herr Professor Genzel, was können die Naturwissenschaften leisten, was nicht?
Dr. Genzel: Die Naturwissenschaften sind
generell zuerst einmal
empirisch. Das heißt,
wir können neue Entdeckungen
machen,
von Ereignissen, von
Phänomenen im Universum. Und dann können wir versuchen, ob
diese wirklich existieren und ob ihre Existenz mit gängigen oder
neu erfundenen Theorien übereinstimmen
könnte.
Wie verhalten sich
naturwissenAbb. 2: In dem Roman „Cosm“ ent- die
steht bei einer Simulation in einem schaftlichen Modelle
Supercollider ein „kugelförmiges,
zur Wirklichkeit?
kompaktes Gebilde“, das unzerstörIn der Astronomie
bar zu sein scheint: Ein Miniaturkosmos, der unserem Universum aufs kommt zuerst die EmpiHaar gleicht. Deutsche Erstausgabe rik. Das heißt also, wir
messen und entdecken. Dann kommt die Theorie, um
Messungen und Entdeckungen darin einzubetten.
Wie weit dürfen hier die Erwartungen reichen?
Könnten wir eines Tages ein Universum im Labor züchten, wie es der Physiker Gregory Benford in dem spekulativen Text „COSM“ beschrieben hat?
Das ist meistens nicht realistisch. Wir sind in diesen
Phänomenen, die wir uns anschauen, so weit weg vom
Schuss, dass wir uns damit begnügen müssen, zuzuschauen, es zu verstehen, und dann vielleicht auf andere Dinge zu übertragen.
Was ist ihre Motivation? Zeitvertreib, Wissensdrang oder Grundlagenforschung?
Alles, und noch dazu viel Spaß. Die Forschung ist
etwas Tolles. Etwas Neues zu entdecken, was vorher
noch nie jemand wirklich festgestellt hat, ist ein tolles
Erlebnis.
Welchen Nutzen können Laien aus Ihren Modellen und Überlegungen ziehen?
Im Prinzip sind wir dadurch Mensch, dass wir uns
fragen, was das Universum ist. Jetzt will ich die Religion nicht hineinbringen, aber das ist natürlich auch ein
Teil des Ganzen. Sie leistet ihren Beitrag dazu, das zu
verstehen, was um uns herum ist.
Und was kann speziell die Wissenschaft zu unserer Sicht auf das Ganze beitragen?
Die harten Naturwissenschaften können durch eine
Verbindung zwischen Empirie, also Messungen, die
wiederholbar sein müssen, und einem theoretischen
Grundfestengebäude, das dazu passt, Vorstellungen
Abb. 3: Dieser „Winkel“ des Universums erscheint dem menschlichen
Auge finster und leer. Das Hubble-Weltraumteleskop jedoch zeigt in
diesem winzigen Ausschnitt ein Meer von Galaxien. Um diese bis zu
5 500 Galaxien in einer Entfernung von bis zu 13 Milliarden Lichtjahren sichtbar zu machen, war eine Gesamtbelichtungszeit von zwei Millionen Sekunden nötig. Der hier gezeigte Ausschnitt des Nachthimmels
entspricht der Größe eines Tennisballs in einem Abstand von 100 Metern. (Quelle: NASA.)
bei HEYNE 5/2000.
4
Uranus 86, Mai 2014
Abb. 4: Die verschiedenen Erscheinungsformen von Galaxien (dt. Milchstraße) – jede von ihnen enthält Planetensysteme, Gasnebel und eine
unzählbare Menge Sterne – sind für die wissenschaftliche Astronomie
besonders aufschlussreich. Diese beiden Galaxien sind im Begriff, miteinander zu verschmelzen. Während des Millionen Jahre währenden
Prozesses bilden sie gigantische Gezeitenarme aus Gas und Staub.
(Quelle: ESA)
schaffen, die eine neue Form von Wahrheit sind, das
heißt, eine Wahrheit, die nicht einfach durch Glauben
oder durch irgendeine andere Form der Behauptung
widerlegt werden kann.
Wie lange gilt eine auf diese Weise gefundene
Wahrheit?
Das ist eine sehr gute Frage. Viele der Dinge, die wir
als Wahrheit sehen, müssen im Laufe der Zeit erweitert werden. Es kommt bei den wirklich harten Fakten
relativ selten vor, dass sie umgestoßen werden. Aber es
kann passieren. In den meisten Fällen werden die vorhandenen Fakten erweitert; durch neue Vorstellungen
und Erkenntnisse.
Was ist die Folge, wenn einmal gefundene
Wahrheiten wieder stürzen?
Wir kennen das klassische Beispiel des ptolemäischen
Weltbilds der Griechen. Viele glaubten, dass die Sonne
um die Erde kreist. Diese Sichtweise hielt sich so lange, wie man noch keine Messungen hatte, die dagegen
sprachen. Als diese Messungen aber vorlagen - in der
Zeit von Kopernikus, Tycho Brahe, Galilei - polterte
das Weltbild auf einmal. Man konnte nicht umhin, ein
neues Gebäude an die Stelle des alten zu setzen.
Liegt vor uns wieder ein Wechsel des Weltbildes, ebenso epochal wie jener zu Kopernikus‘
Zeiten?
Abb. 5: Kein Stern scheint für immer. Sonnen werden geboren und
sterben. Manche verwandeln sich am Ende ihrer Entwicklungsphasen
in ein Schwarzes Loch, spezieller Forschungsgegenstand von Prof. Dr.
Reinhard Genzel. (Quelle: NASA)
Mai 2014, Uranus 86
Wir haben gerade in der Astronomie in den letzten
30 Jahren eine unglaubliche Dichte von neuen Entdeckungen verzeichnet. Nehmen wir einfach die Entwicklung des Universums. Früher, als ich Student war,
herrschte auf diesem Gebiet viel Spekulation – es war
schon fast Philosophie. Jetzt ist es harte Naturwissenschaft. Wir wissen, wie alt das Universum ist und
wissen um den Urknall und die Existenz von Exoplaneten. Die Menschheit hat seit Jahrtausenden darüber
spekuliert, ob es möglicherweise andere Welten, andere
Planeten außerhalb unseres Sonnensystems gibt. Inzwischen haben wir schon eintausend.
Wird es in diesem rasanten Tempo weitergehen?
Das ist schwer vorherzusagen. Aber ich glaube, die
Geschwindigkeit, mit der wir neue Dinge sehen, ist
derart unheimlich, dass wir uns immer näher an den
Anfang des gegenwärtigen Universums hin bewegen.
Das Wissen um die Existenz von Exoplaneten bedeutet,
dass wir natürlich als nächstes erfahren wollen: Gibt
es dort chemische Vorgänge, die ähnlich sind wie auf
unserer Erde? Ich habe jetzt nicht Leben gesagt, denn
das ist noch sehr viel schwieriger. Aber letztendlich ist
das natürlich auch der Traum, zu fragen, ob es dort
draußen Leben gibt.
Abb. 6: Die Astrophysik und Astronomie bedienen sich nicht nur des
sichtbaren Bereichs des Lichts. Unter anderem Radiowellen, Gammaund ultraviolette Strahlung werden für die Forschung genutzt; auch der
Infrarotbereich des Spektrums: Hier unsere Nachbargalaxie Andromeda (Entfernung: 2,5 Millionen Lichtjahre). (Quelle: NASA)
Können Sie eine Perspektive einnehmen, die
außerhalb unseres Universums liegt?
Nein, weil ich Empiriker bin. Ich kann das erst dann
tun, wenn ich Methoden zur Verfügung habe oder auch
Vorhersagen, die ich aufgrund einer theoretischen
Überlegung prüfen kann; die ich also messen kann. Ich
beschäftige mich nicht mit Dingen, mit denen ich nicht
realistisch umgehen kann im Sinne einer Messung. Das
ist vielleicht ein Zurückziehen auf sichere Positionen,
aber das ist Naturwissenschaft.
Darf ich eine Abgrenzung vorschlagen? Die
Wissenschaft schaut auf die empirisch fassbaren
Dinge, die andere Seite der Medaille ist Angelegenheit der Religion.
Das ist eine Möglichkeit, sich mit der Sache zu beschäftigen. Damit setzt man aber voraus, dass es etwas gibt, was darüber hinaus geht und Sie betten sozusagen die Naturwissenschaft da hinein. Der Nachteil
dieser Vorstellung ist, dass man unter Umständen in
eine Situation kommt, in der das Religiöse nach außen
gedrängt wird, in die Wissenschaften hinein.
Wie verhindert man schädliche Grenzüberschreitungen in die eine oder die andere Richtung?
5
Ich glaube, da gibt es keine unerlaubten Grenzen. Da
bin ich mit dem Alten Fritz einer Meinung: Jeder soll
nach seiner Fasson selig werden. Es gibt Naturwissenschaftler, auch Nobelpreisträger, die durchaus beides
zur selben Zeit machen. Sie haben ein wohlfundiertes
religiöses inneres Gebäude, und trotzdem beschäftigen
sie sich mit den harten Naturwissenschaften. Ich tue es
nicht; ich habe das Bedürfnis im Moment nicht. Aber
ich achte solche Naturwissenschaftler, die es tun, ganz
genauso wie alle anderen Menschen. Ich glaube, da gibt
es in dem Sinne keinen Gegensatz.
Ihr Fachgebiet mutet derart komplex an, dass
man sich fragt, wie kann jemand, der weder Mathematiker noch Physiker ist, hier noch versuchen mitzudenken?
Einfach mit dem normalen Menschenverstand zuhören, zusehen – wir haben ja auch schöne Bilder –, ob das,
was man da hört, plausibel ist. Ich glaube, jeder kann
ein Gefühl dafür entwickeln, ob das eine Märchengeschichte ist oder ob das sozusagen handfeste Wahrheit
ist. Ich meine, die Menschen wissen ja über Technik
Bescheid, sie wissen über viele Tatsachen aus den Naturwissenschaften Bescheid. Ich glaube, die Dinge, die
wir erforschen, gehen nur unwesentlich wirklich darüber hinaus.
Elizabeth B. Snyder gewährt neue Einblicke in
die Welt der Raumfahrt und in das US-amerikanische
Denken zur Zeit der Apollo-Missionen. Ist die Raumfahrt ein Kind der Science-Fiction? Was lief hinter der
politischen Bühne? Hätte ein Wernher von Braun vor
tausend Jahren gotische Kathedralen gebaut? Führt
uns die Raumfahrt in den globalen Kollaps? Eliza­
beth B. Snyder, geboren 1923 in Breslau, sieht sich als
Abb. 7: Die Technik-Ästhetin Elizabeth B. Snyder, geboren 1923 in
Breslau, bei einem Symposion im Garten des ökologisch-botanischen
Instituts der Universität Bayreuth. Sie befasst sich u.a. auch mit Wissenschaftstheorie, insbesondere den tiefen Gräben, die sich zwischen
Natur- und Geisteswissenschaften auftun.
6
Technik-Ästhetin; ihre collageartigen Arbeiten bedienen sich Sujets aus der Luft- und Raumfahrttechnik.
Bereits in den 50er Jahren faszinierte sie das amerikanische Raumfahrtprogramm. Seitdem beobachtet
sie akribisch die Bemühungen der NATO-Staaten um
Fortschritte in der Eroberung des Luftraums und des
erdnahen Weltraums. Besonders interessiert sie sich
für thematische Bezüge zur Raumfahrt in der modernen Literatur. Aus diesem Blickwinkel wagt sie einen
kulturgeschichtlichen Rück- und Ausblick auf den
„Weg ins All“ und führt auf diese Weise die Ausführungen von Prof. Genzel anschaulich und kurzweilig
weiter.
Sie sehen sich als Schülerin von Max Ernst,
dem großen deutschen Surrealisten?
Synder: Gewissermaßen könnte man das so sagen.
Seine Bildwelten faszinieren mich schon seit – lassen
sie mich überlegen – seit er 1955 Teilnehmer der documenta 1 war. Die von ihm maßgeblich angewandte
Technik der Collage habe ich in mein eigenes Schaffen
übernommen.
Wie darf man sich das vorstellen?
Max Ernst sagte einmal etwa folgendes: „Die Technik der Collage ist die systematische Ausbeutung des
zufälligen Zusammentreffens von wesensfremden Realitäten auf einem Blatt Papier, wobei dieses Zusammentreffen durchaus künstlich provoziert sein darf.“ Und
genau so verhält es sich bei meinen Arbeiten. Dadurch,
dass ich wesensfremde Realitäten miteinander verbinde, entsteht im Betrachter der Funke einer Idee von
Verhältnisbeziehungen, die er so und in dieser Weise
vorher nicht wahrgenommen hat.
Bevor wir auf die Themen zu sprechen kommen, die auch Professor Genzel diskutiert hat,
möchte ich gerne noch etwas bei Ihren künstlerischen Arbeiten bleiben: Sie stehen sowohl der
Raumfahrt, wie der Science Fiction nahe. Gibt
es zwischen beiden eine Beziehung?
Hier muss man sich die Anfänge der Science FictionLiteratur ansehen. Der Science Fiction ging es zunächst
vor allem darum, sich die technischen Möglichkeiten
der Zukunft auszumalen. Denken sie an Jules Verne.
Er schrieb seine Romane in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts. Dann ist hier natürlich der deutsche
Denker Kurd Laßwitz aus meiner Heimatstadt Breslau
zu nennen. Er verfasste um 1900 den Roman „Auf zwei
Planeten“. Darin formuliert er die Vision einer einigen,
Gott wohlgefälligen Menschheit. Zusammen mit Herbert George Wells gelten Laßwitz und Verne zu Recht
als die Väter der Science-Fiction.
Was bedeutet dies für die Raumfahrt?
Durch die Science Fiction sickerte die Idee der Erreichbarkeit außerirdischer Räume in die Köpfe der
technischen Intelligenz. Es gibt auch heute viele Ingenieure, die Science Fiction-Romane als Bettlektüre auf
dem Nachttischchen liegen haben. Ich kenne einige solcher Leute persönlich. Und sie alle sitzen an wichtigen
Positionen im Raumfahrtgeschäft.
Heißt das, dass die Ideen der Science FictionAutoren geradewegs aus den Büchern heraus
umgesetzt wurden?
Uranus 86, Mai 2014
Natürlich nicht. Ebenso wenig wie wir Künstler,
können auch die Autoren nicht in die Zukunft blicken,
denn sie sind keine Propheten. Aber Autoren können
kreative Menschen inspirieren. Und ich bin sicher, dass
genau das bei der Science Fiction der Fall ist, wenn sie
beispielsweise von Luft- und Raumfahrttechnikern
gelesen wird. Die Ingenieure entnehmen den Romantexten bestimmt keine Betriebsanleitungen für die Raketen von morgen, aber sie können im belletristischen
Sandkasten wie in einem Laboratorium ihre vielleicht
völlig abgedrehten und verrückten Ideen einem ersten
Brauchbarkeitstest unterziehen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Da fällt mir zuerst das Kino ein. Denken Sie nur
an Stanley Kubricks „2001 – A Space Odyssey“. 1965
schwebt als erster Mensch der Russe Alexej Leonow
im All außerhalb eines Raumschiffs, wenige Monate
später der Amerikaner Edward White. Bald danach
beginnt Kubrick in den Londoner Shepperton-Studios
mit den Dreharbeiten. 1966 überschlagen sich dann
die Erfolgsmeldungen in der Weltraumforschung. Mein
Gott, was war das für eine Zeit! Diese Euphorie – so
etwas gibt es heute nicht mehr. Amerikanische und
sowjetische Sonden erobern den Mond... Und Stanley
Kubrick? Er bastelt an der Fertigstellung der SpezialEffekte für „2001“. Und jetzt kommt der Clou: Kubrick
benötigt für seine Simulation von Gravitation in einem
Raumschiff ein großes Rad, das sich auch wirklich bewegen kann. Die Flugzeugfirma Lockheed baut ihm
eine riesige Zentrifuge, die wohl einen Durchmesser
von 40 oder 50 Fuß gehabt haben dürfte und sich ganz
real drehen konnte. Nach dem Film wurde ernsthaft
darüber diskutiert, ob man nicht tatsächlich auf die
in „2001“ gezeigte Weise bei langen Reisen in einem
Raumschiff künstlich Schwerkraft erzeugen könnte.
Und die Luftfahrtfirma? Von welcher Vision
war die beseelt?
Lockheed wollte einfach die Gelegenheit benutzen,
etwas Eigenwerbung zu platzieren. Und das hat sich
gelohnt. Der Film „2001 – A Space Odyssey“ wurde allein im nordamerikanischen Raum, nicht sofort, aber
mit etwas Verzögerung, zu einem Longseller, einem
Kassenschlager. Ich weiß noch ganz genau, wie der
Film in die Kinos kam. Es war 1968. Das Buch zum
Film schrieb der Science Fiction-Autor Arthur C. Clarke. Davon wurden ruckzuck eine Million Exemplare
verkauft. Wohl wenig andere Science Fiction-Filme haben eine derart starke Breitenwirkung entfaltet. Und
ich kenne keinen Menschen, der im Bereich Raumfahrt
arbeitet, und noch nie etwas von diesem Film gehört
hat. Der Film ist dort quasi Allgemeingut. Wenn ein
Raumfahrt-Ingenieur zum anderen sagt „Machen wir
das so wie in 2001“, dann weiß der andere sofort, was
gemeint ist.
Kann man sagen, dass die Science Fiction erst
durch das Kino eine stärkere Verbreitung gefunden hat?
Wohl schon. Zu Zeiten von Wernher von Braun und
Hermann Oberth gab es noch kein Star Trek oder Star
Wars im Kino. Die Väter der Raumfahrt waren noch
auf schriftliche Medien angewiesen, wenn sie von den
Mai 2014, Uranus 86
Abb. 8: Eine Collage von Elizabeth B. Snyder im Sinne von Max Ernst.
Künstlich provoziert treffen fremde Realitäten auf einem Blatt Papier
zusammen. Die Künstlerin sieht ihre Aufgabe darin, dieses Zusammentreffen systematisch auszubeuten, um im Betrachter die Idee von Verhältnisbeziehungen zu erwecken, die er so nicht wahrgenommen hätte.
Phantastische Extrapolation und visionäre Hoffnung stehen dabei einer Horrorvorstellung gegenüber: Die Raketentypen V2 und Pershing
als Vehikel für den Megatod.
fernen Planetenräumen träumen wollten und haben
das auch nachweislich getan. Heute ist das anders. Es
gibt praktisch täglich auf irgendeinem TV-Kanal Science Fiction zu sehen und deshalb auch jede Menge
Gelegenheit für Gedankenspiele und Träumereien im
Feld zukünftiger Raumfahrt.
Dann hat die Raumfahrt durch Science Fiction-Filme in den 60er Jahren also Rückenwind
bekommen und fette Etats kassieren können?
Das kann man so wohl nicht sagen. Gut verdient hat
eigentlich nur Hollywood. Vermutlich wäre damals ohnehin keiner auf die Idee gekommen, sich der Filmindustrie als einer Art Propaganda-Apparat zu bedienen.
Zumindest ist mir kein Fall dieser Art bekannt. Das
kam erst später. Zum Beispiel bei Top Gun, als die USStreitkräfte als Sponsor auftraten.
Welche Rolle spielt die Science Fiction für die
Raumfahrt heute?
Seit 1961 gibt es Perry Rhodan, die größte Science
Fiction-Serie der Welt. Übrigens eine deutsche Serie.
Noch heute erscheint jede Woche ein neuer Roman über
den Helden Perry Rhodan, der mit seinen Raumschiffen durch das Weltall reist, tolle Abenteuer erlebt und
natürlich permanent die Erde retten muss. Ob diese
Heftromane von heutigen Astronauten oder Mitarbeitern der ESA oder NASA konsumiert werden, weiß ich
nicht, aber mit Sicherheit streuen sie den RaumfahrtGedanken unters Volk.
Sie haben sich einmal über das öffentliche Bewusstsein der raumfahrenden Nationen zur Zeit
des Kalten Krieges geäußert. Also der US-amerikanischen und der sowjetischen Bevölkerung.
Für das totalitäre System in der UdSSR tue ich mir
immer noch schwer, die Stimmung in der Bevölkerung
zu beschreiben. Die öffentliche Meinung war von der
Partei gelenkt, viele Informationen erreichten nie die
Öffentlichkeit. Schauen wir stattdessen nach Amerika.
Dort war die Gesellschaft in den 60er Jahren von Rassenunruhen aufgewühlt. Es gab dieses fürchterliche
7
Abb. 9: Es ist dieselbe Kultur. Früher gebar sie gotische Kathedralen,
heute gewaltige Raketen. Elizabeth B. Snyder sieht über mehr als eintausend Jahre den gleichen Drang am Werke.
Attentat auf Martin Luther King. Man muss es wohl
so sagen: Die US-amerikanische Bevölkerung war in
ein Spektrum von Strömungen aufgespalten, das von
„Flower power“ mit seinen Protesten gegen den Vietnam-Krieg bis zur Begeisterung für das US-Mondlandeprogramm reichte.
Und welche Rolle spielte der Kalte Krieg, speziell für das Apollo-Programm?
Wenn man über die Entwicklung der Raumfahrt
nachdenkt, dann spielt der Kalte Krieg eine enorm
wichtige Rolle. Die USA mussten innen- und außenpolitisch zeigen, dass sie der UdSSR überlegen waren.
Das Raumfahrtprogramm bot ihnen dafür die ideale Bühne. Um jeden Preis wollte man die Gegenseite
übertrumpfen. Kein Wunder, dass es Spekulationen darüber gab und immer noch gibt, ob beispielsweise die
Mondlandung inszeniert war. Alles sei in einem Studio
gefilmt worden, um der Welt vorgaukeln zu können,
wir schaffen es schneller auf den Mond als die Russen.
Da fällt mir das Wahrzeichen der Weltausstellung 1964
in New York ein: Der Stahlglobus Unisphere. Die über
vierzig Meter hohe Stahlskulptur wurde zum Symbol
eines Jahrzehnts im Aufbruch, in dem Satelliten sich
von unserem Raumschiff Erde lösen und immer weiter
in den Weltraum vorstoßen. Man hätte dieses Riesengebilde aus Stahl damals wohl kaum aufgestellt, wenn
man nicht davon ausgegangen wäre, dass die Leute
den Gedanken auch verstanden. Zur Zeit der Weltausstellung umkreiste die US-Mondsonde Ranger VI den
Mond und funkte die ersten Bilder von der Oberfläche
des Erdtrabanten zurück zur Erde. Das war für uns
1964 Tagesgespräch. Die Bilder gingen natürlich durch
alle Zeitungen. Es gab bestimmt niemanden, der das
nicht auf irgendeine Art und Weise zur Kenntnis genommen hätte.
Die US-amerikanische Bevölkerung stand
trotz vieler Fehlschläge weitgehend hinter dem
Raumfahrtprogramm. Ist dies nicht ungewöhnlich?
8
Mich wundert das eigentlich nicht. Raumfahrt war
Chefsache. Es gab keinen US-Präsidenten in dieser
Zeit, der nicht persönlich für das Raumfahrtprogramm
geworben hätte. Dadurch entstand bei der Bevölkerung
der Eindruck, wer gegen die Raumfahrt eingestellt ist,
ist kein Patriot. Denken sie nur an JFK, der Anfang
der 60er Jahre die Wettlauf-zum-Mond-Parole ausgab.
Kennedy löste mit seinem tollkühnen Plan der Eroberung des Mondes eine Welle nationalen Stolzes in den
USA aus.
Warum identifizierten sich die Leute so extrem
damit?
Kennedy gab den US-Amerikanern das Gefühl, etwas
Besonderes zu sein. Er vermittelte ihnen eine Geschichte, die ihnen gefiel, mit der sie sich identifizieren konnten. Der nordamerikanische Kontinent war vom Atlantik bis zum Pazifik erobert, man wollte und brauchte
neue Herausforderungen. Der Flug in den Weltraum
bot eine solche Herausforderung. Das klingt ja auch in
dem Vorspann zu der Science Fiction-Serie Star Trek
an, die Mitte der 60er Jahre ins amerikanische Fernsehen kam: „To boldly go where no man has gone before.“
War die restliche Welt ebenfalls erfasst von dieser Welle der Eroberungsbegeisterung?
Die NATO-Bündnispartner haben in den 60er und
70er Jahren sicher mit großem Interesse nach Amerika
geschaut. Wohl auch mit besorgtem Blick. Denn viele
Menschen fürchteten einen dritten, globalen Krieg und
die atomare Bedrohung.
Nachdem die Mondlandung geglückt war, reagierte die Weltöffentlichkeit geschlossen positiv?
Kann ich mir nicht vorstellen.
Warum nicht?
Es gab und gibt ganz und gar nicht euphorische Stimmen. Ich selbst zähle mich inzwischen auch dazu. Aber
darauf kommen wir bitte später zurück, wenn wir über
die Kritik an der Raumfahrt sprechen.
Nach der Mondlandung flachte das Interesse
der Bevölkerung ab. Kann man das so sagen?
Das ist richtig. Die Leute wollen immer etwas Neues
sehen. Nach einigen Apollo-Missionen wurde es einfach
langweilig. Kein Wunder, dass die letzten geplanten
und komplett konzipierten Mond-Lande-Missionen gar
nicht mehr durchgeführt wurden. Offenbar verstand es
damals bei der NASA niemand, den Nutzen weiterer
Mondlandungen der amerikanischen Bevölkerung vor
Augen zu führen.
Wie beurteilen Sie nun die heutige Zeit? Ist
eine oben skizzierte Entwicklung noch einmal
möglich, oder wird es die Raumfahrt künftig
schwer haben, zum Beispiel was eine Eroberung
unseres roten Nachbarplaneten betrifft?
Es ist offensichtlich, dass der politische Wille gegenwärtig weder in Amerika, noch in Europa ausreichend
vorhanden ist, um ehrgeizige Raumfahrtpläne zu verwirklichen. Eine Marslandung werden wir nicht so bald
erleben. Es gab und gibt natürlich führende Staatsmänner, die unreflektierte Reisepläne zum Roten Planeten
verkünden. Zum Beispiel ein früherer US-Präsident.
Meiner Meinung nach werden solche Äußerungen aus
Uranus 86, Mai 2014
politisch-taktischen Gründen lanciert. Man kann mit
Visionen von einem Besuch auf dem Mars von außenpolitischen Problemen wunderbar ablenken und sich
gleichzeitig als Staatsmann mit Weitblick präsentieren,
obwohl einem in Wirklichkeit die Visionen längst abhanden gekommen sind.
Welche Chancen geben sie der Raumfahrt jetzt
und in der Zukunft?
Ich finde, die Raumfahrt passt zu uns. Es ist bestimmt
kein Zufall, dass ausgerechnet diejenige Kulturtradition diese riesigen Mondraketen hervorgebracht hat,
die auch die Wolkenkratzer, Sendetürme und Strommasten errichtete. Und – ganz wesentlich – im Mittelalter die himmelstürmenden Kathedralen der Gotik.
Wenn man einen gotischen Dom betritt, zieht es einen
geradezu nach oben. Höchstwahrscheinlich ist es der
gleiche Drang, der den Menschen antreibt, einerseits
einen „Hohen Dom“ zu errichten und andererseits zu
himmlischen Sphären zu reisen.
Höre ich Euphorie oder Ironie in ihrer Stimme?
Nun, die Raumfahrt ist die perfekte Herausforderung
für die technische Intelligenz. Sie bringt ganze Industriezweige in Höchstform. Der Innovationsschub einer
einzigen Mission ist atemberaubend. Das ist ganz sicher
richtig. Dennoch bin ich der Ansicht, dass die Raumfahrt in der gegenwärtig betriebenen Weise besser unterbleiben sollte. Denn sie wird von unreifen Menschen
forciert, betrieben und bezahlt. Sehen sie, wenn eine
prosperierende Wirtschaft, eine voranstürmende Technikwissenschaft und eine wohlgenährte Industrie die
einzigen Maßstäbe für unser Tun und Handeln darstellen, dann müsste man wohl munter so weitermachen
wie bisher. Aber in Wirklichkeit bedeutet das – wie uns
Jared Diamond gelehrt hat – den Kollaps, das Ende der
Menschheit, vielleicht sogar das Ende allen Lebens auf
der Erde. Wenn man eine Ausweich-Erde hätte, wäre
das egal, aber die haben wir nicht.
Eine Erde zum Ausweichen?
Genau. Setzt sich das Artensterben so fort, wie bisher, dann gibt es auf der Erde irgendwann keine frei lebenden Tiere mehr, sondern nur noch Menschen, Haustiere und Schlachtvieh. Der Mensch hat alles erobert,
seine Rivalen restlos ausgerottet. Der Mensch erobert
die Wüste, der Mensch erobert das Meer, der Mensch
erobert den Weltraum. Nur weil wir gegenwärtig am
meisten Macht auf diesem Planeten haben, spielen
wir die Eroberer. Eine Raumfahrt, die die Ausbeutung
anderer Welten im Stil der Ausbeutung der Erde zum
Ziel hat, trägt nur den Wahnsinn irdisch-profitgierigen
Denkens in das All hinaus. Das sollte besser unterbleiben.
Müssten dann nicht ebenso eine ganze Reihe
weiterer Industriezweige geschlossen werden?
Ich sehe schon die Evakuierungsflotte, die die Leute
von hier fort transportiert, weil die Erde nicht mehr
bewohnbar ist. In dieser Situation befände sich die
Raumfahrt dann kurioserweise in der Rolle als Heilmittel und zugleich als einer der Problemverursacher.
Wenn wir mit unserem Heimatplaneten sorgsam umgehen, besteht keine Notwendigkeit, sich nach einem anMai 2014, Uranus 86
deren, erdähnlichen Planeten umzusehen. Wir haben
hier alles, was wir brauchen. Die Raumfahrt ist Ausdruck eines Strebens nach immer mehr, immer weiter,
immer höher. Wohin uns dieses Streben gebracht hat,
sieht zum ersten Mal in aller Deutlichkeit erst unsere Generation. Früher konnte man sich noch einreden, wenn wir nur immer fleißig so weitermachen und
weiterforschen, dann kriegen wir alle Schwierigkeiten
schon in den Griff. Heute müssen wir erkennen, dass
das nicht der Fall ist. Leider verschlimmern sich unsere
Probleme mit jeder technischen Anstrengung und jeder
Innovation nur noch weiter. Denn unser Bewusstsein
hat noch lange nicht die Stufe erklommen, die man als
Reife bezeichnen könnte. Und dafür gibt es viele Beispiele. Wir stehen vor ökologischen Umwälzungen, die
auch noch unsere Kinder und Enkel betreffen. Gleichzeitig hinterlassen wir ihnen Müll, der in zehntausenden von Jahren immer noch hochgefährlich sein wird.
Die Einstellung, wir dürfen alles, was wir können, hat
auch die Raumfahrt hervorgebracht. Es wird Zeit, offen darüber nachzudenken und zu sprechen.
Worauf führen sie unsere Unreife zurück?
Ich sage immer, das Bindeglied zwischen den Menschenaffen und den Menschen, das sind wir, der Homo
sapiens. Der Weg zum Menschen ist noch weit. Man
Abb. 10: Eine europäische Ariane-Rakete und der Text von Homer,
8. Jahrhundert vor Christus, über die Heimkehr des Odysseus zu Penelope. War es das griechische Denken mit seiner Suche nach den Gründen und seinem Streben nach beweisbarer Mathematik, das zur Luftund Raumfahrttechnik führte? Ist die antike Idee vom „Agon“, vom
Wettkampf und Wettstreit, der Auslöser unseres Strebens nach immer
mehr, immer weiter, immer höher?
9
sieht das übrigens ganz wunderbar an dem Thema
„Schöpfung versus Evolution“.
Es wäre zwar wunderbar, noch lange mit Ihnen
über Raumfahrt und Ökologie zu plaudern, aber
wir sollten jetzt tatsächlich auf die Themen zu
sprechen kommen, die uns Professor Genzel vorgegeben hat. Ich denke, da haben wir an dieser
Stelle jetzt eine gute Gelegenheit.
Ja. Bevor wir losrennen, muss ich allerdings verraten, woher mein Wissen stammt: In die Schule gegangen bin ich bei Peter Sitte, der sich inzwischen ebenfalls des Rentnerdaseins erfreut. In seiner aktiven Zeit
als Forscher war er im Feld der Zellbiologie unterwegs.
Ok. Zunächst stellt sich die Frage: Gibt es die Evolution wirklich? Seit Darwin wurde immer überzeugender
gezeigt, dass die Evolution unserer Lebenswelt ein
Faktum ist. Dafür existieren zahllose Belege aus Anatomie und Embryologie, aus Paläontologie und sogar
aus der Molekularbiologie. In einigen Fällen hat man
Artumwandlungen unmittelbar beobachten können.
Die grundlegende Theorie der Evolution hat sich als
derart zutreffend erwiesen, dass man sie trotz vieler
offener Fragen, auch in wichtigen Punkten, dennoch
als Faktum betrachten kann.
Dennoch gibt es hier immer wieder Missstimmungen
zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, Anzeichen von erschreckender Unreife und unsauberen,
unklaren Denkens. Warum ist das so? Naturwissenschaftliche Forschung muss immer überprüfbar sein,
muss sich bedingungslos um möglichst weitgehende
Objektivität bemühen. Dadurch ist das Weltbild der
Naturwissenschaften klar und offen, dynamisch und
nie fertig. Gleichzeitig ist es zwangsläufig aber auch
ein nüchternes Bild, ohne Sinngebung, ohne Emotion,
ohne warmes Gefühl. Es geht eben um Erkennen und
nicht um Erleben.
In der Naturwissenschaft ist der Mensch nicht das
Maß aller Dinge und darf es auch gar nicht sein. Die
Weltsicht der Geisteswissenschaften ist ganz anders.
Hier steht der Mensch, das Subjekt, im Mittelpunkt.
Es geht hier nicht um die Dinge und wie sie funktionieren, sondern darum, was sie uns bedeuten. Und damit schwindet die Objektivität. Dafür aber rückt jener
unermessliche Bereich von Leidenschaft und Begeisterung, von Sinn und Hoffnung, kurz: das Aussagen des
Unsagbaren in den Blick, der den Naturwissenschaften
verschlossen bleibt.
Aber Sie haben vorher die Unreife unseres Bewusstseins erwähnt. Wie hängt das jetzt miteinander zusammen?
Ich komme gleich dazu. Halten wir fest: Die Naturwissenschaft kann keine Werturteile oder Sinnkriterien begründen. Sie kann dem Menschen nicht sagen,
was im moralischen Sinn gut ist. Wenn sie es trotzdem
tut, kommt meist etwas Schreckliches heraus, zum
Beispiel der Sozialdarwinismus. Darwin hat übrigens
nie von einem „Kampf ums Dasein“ gesprochen in dem
Sinne, dass der Stärkere den Schwächeren ausbeuten
soll bis hin zur Sklaverei oder dass sich hemmungslose
Machtmenschen und verblendete Ideologen zu Herrenmenschen erklären und die übrigen in die Gaskammer
10
schicken sollen. Die Naturwissenschaft kann uns genau sagen, wie man – beispielsweise – ein Atomkraftwerk baut, wie man es in Betrieb hält, sogar, was es
kostet. Aber ob es gut ist, ein Atomkraftwerk zu bauen,
das kann sie uns nicht sagen.
Sie nahmen ihren Ausgangspunkt bei der Frage „Schöpfung oder Evolution?“
Ja genau. Wurde die Artenvielfalt auf der Erde erschaffen oder hat sie sich durch Evolution entwickelt?
Jetzt passen sie gut auf. Wussten sie, dass die biblischen
Schöpfungstexte und Darwins Darstellung der Entstehung der Arten nicht in Konkurrenz zueinander stehen? Nach Ernst P. Fischer sind sie nur komplementäre
Formen des Umgangs mit ein und demselben Geheimnis.
Die Kreationisten beziehen hier aber andere
Positionen.
Die Leute, die sie Kreationisten nennen, nehmen die
heiligen Texte der Bibel wortwörtlich und bemerken
nicht einmal, dass der erste Schöpfungsbericht dem
zweiten widerspricht, der im gleichen Buch ein paar
Seiten weiter hinten steht. Man darf eben bei der Lektüre des Alten Testaments nie übersehen, dass es zum
einen im Orient geschrieben wurde, wo eine Vorliebe
für bildhafte, metaphorische Formulierungen dominiert, zum anderen bei uns im Abendland interpretiert
wurde, wo der rationalen Eindeutigkeit gehuldigt wird.
Die Kreationisten lesen wohl deshalb das alttestamentarische Buch Genesis als Sachkundetext. Carl Friedrich von Weizsäcker hat dazu einmal den denkwürdigen Satz formuliert: Man kann die Bibel entweder
ernst nehmen oder wörtlich.
Der Papst sieht das aber wohl nicht so, oder?
Von wegen! Bereits unter dem vorigen Petrusnachfolger wurde von vatikanischer Seite offiziell gesagt,
dass ein auf Zufallsprinzipien beruhender Selektionsprozess als möglicher Weg der Weltentwicklung theo­
logisch unbedenklich ist. Und warum? Weil sich die
Schöpfung sehr unterschiedlich vollziehen kann. Auch
durch recht verschlungene Kausalketten. Biblische
Aussagen wonach der Löwe einmal Vegetarier war und
die Welt in sechs Tagen geschaffen wurde, müssen als
Bilder verstanden werden, die wichtige theologische
Aussagen über Gott enthalten, aber selbstverständlich
keine Sachkundetexte sind. In dem Sinne ist die Frage
nach Schöpfung ODER Evolution schlicht und einfach
falsch gestellt.
Ein Missverständnis als Zeichen der Unreife
menschlichen Denkens. Habe ich richtig verstanden?
Genau. Die so genannten harten Wissenschaften haben sich ihr Terrain selbst abgesteckt. Sie interessieren
sich für alles, was sich positiv nachweisen lässt, also
alles, was man verifizieren oder falsifizieren kann. Kategorien wie Schöpfung und Erlösung gehören nicht
dazu. Naturwissenschaft hat sich für eine ganz bestimmte Seite der Wirklichkeit entschieden - Glaube,
Religion und Metaphysik stehen von dort aus gesehen
auf einem anderen Blatt. Aber das liegt allein an der
verengten rationalistischen Sicht, auf die sich die Naturwissenschaft seit Descartes festgelegt hat.
Uranus 86, Mai 2014
Und wenn ein Wissenschaftler sagt, es gibt keinen Gott, weil er nicht nachgewiesen werden
kann?
Dann ist das in meiner Sicht üble Polemik. Und noch
dazu eine, die viel Schaden anrichtet, weil dadurch
beispielsweise Leute im mittleren Westen der USA geradezu provoziert werden, sich am Wortlaut des Alten
Testaments festzuklammern. Ich sage das ganz deutlich: Es ist kein Wunder, dass Kreationisten auf den
Plan treten, wenn Wissenschaftler ihre Stellung missbrauchen und atheistische Privat-Ansichten mit akademischer Autorität propagieren. Ernst zu nehmende
Forscher lassen die Existenz jenseitiger, göttlicher
Mächte offen. Sie treffen keine Aussage darüber. Jedenfalls verneinen sie sie nicht.
Darf ich Sie um ein Resümee bitten?
Sie wollten wissen, worauf die Unreife unseres Bewusstseins zurückzuführen ist. Ich kann nur sagen:
Wir könnten viel Schaden vermeiden, viel überflüssigen Ballast hinter uns lassen, wenn wir endlich lernen,
unberechtigte Grenzüberschreitungen zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zu vermeiden. Denn sie
haben nun mal eine unterschiedliche Weltsicht. Solange sich das so verhält, ist es schlicht und einfach unlauter, sich in die jeweils andere Disziplin einzumischen,
um sich wichtig zu machen und Fehlschlüsse zu provozieren. Würde man die jeweiligen Zuständigkeitsgrenzen beachten, könnte man sich viel überflüssige Streiterei sparen. Und sie verstehen jetzt sicher, weshalb ich
dafür plädiere, Raumfahrt unter bisheriger Zielsetzung
und Motivation zu unterlassen. Solange wir in der Weise denken, wie wir es tun, können wir gar nicht anders,
als gnadenlos alles erobern, ausbeuten, plattwalzen.
Den Wahnsinn irdisch-profitgierigen Denkens tragen
wir besser nicht ins All hinaus.
Aufräumen (auf) der Sternwarte
Inspiriert vom Schweizer Künstler
Ursus Wehrli, der zuerst bekannte
Kunstwerke und später dann alles
von der Nudelsuppe bis zum Weihnachtsbaum aufräumte, machte ich
mich ans Aufräumen der Sternwarte.
Zuerst der Originalzustand. Dann
eine Skizzenzeichnung, die dem Original noch sehr nahe kommt. Als
nächstes trennen wir die Striche von
den Farben. Die Farben des Bildes
werden ordentlich in einer Farbtafel
gestapelt. Bleibt noch die verwendeten Striche zu sortieren. Jetzt reicht
es der Sternwarte aber! Schluss mit
diesem Ordnungsdrang!
Angelika Zerbe
Mai 2014, Uranus 86
11
Geologie und Geschichte des Mondes
nach den Apollo-Landungen
1. Die Mondoberfläche
Die Apollo-Astronauten brachten insgesamt 400 kg
Mondmaterial zur Erde. Die sowjetischen Sonden
Luna 16 und 20 brachten ebenfalls Mondproben von
anderen Landeplätzen zur Erde. Nur zwei Fundorte,
die von Apollo 16 und Luna 20, liegen auf dem Mond in
reinen Terra-Gebieten, den kraterreichen hellen Hochländern des Mondes; die Landeplätze von Apollo 14, 15
und 17 lagen in Übergangsgebieten, die von Apollo 11,
12 und Luna 16 in reinen Mare-Landschaften, dunklen
Tiefebenen des Mondes. Die Mondoberfläche ist dunkelgrau bis braun und lässt sich nach dem Eindruck
der Astronauten mit „Zementstaub und Basaltsteinen“
vergleichen. Die Schichtung des Materials in den Tiefenproben zeigt vier Abschnitte:
• Die oberste, etwa 3 mm starke Schicht besteht aus
bräunlich-grauem Staub oder feinkörnigem „Sand“.
Durch den unablässigen Hagel von Protonen aus
dem Weltall sowie der staubkorngroßen Mikrometeoriten (ca. 1/100 mm) wurde diese Oberflächenschicht
zermahlen.
• Die zweite, etwa 6 mm starke Schicht war dunkelgrau und leicht verkrustet. Sie brach unter dem
menschlichen Fuß wie ein eingetrocknetes Flussbett
oder wie verharschter Schnee.
• Die dritte Schicht, dunkelgrau bis kakaobraun (ca.
5 - 15 cm stark), zeigte leichte Kohäsion, d.h. Neigung zum Verkleben und Zusammenbacken der
Körnchen (durch das Fehlen einer Gashaut, wie sie
für Staub im Höchstvakuum typisch ist).
• Die vierte Schicht entsprach farblich der dritten
Schicht, war jedoch wesentlich schwerer zu durchdringen. Die Röhren für die Tiefenproben konnten
mit dem Hammer nur 20 cm (Apollo 11) bzw. 70 cm
(Apollo 12) eingetrieben werden, spätere Tiefenproben bis 2 m.
Keine der Mondproben stammt von sogenanntem
anstehenden Gestein. Alle Proben wurden kleineren,
gelegentlich auch größeren Felsbrocken oder losem
Material des Regolith entnommen, der komplexen
Oberflächenbedeckung aus Gesteinsbruchstücken,
„Staub“ und Glas. Beim Meteoriteneinschlag auf der
Mondoberfläche wurde Material losgelöst, emporgeworfen und zerbrochen und fiel dann auf die Mond­
oberfläche zurück. Die Oberfläche wurde durch Erosion
von Mikrometeoriten und Strahlung geprägt. Weitverbreitete Arten von Regolithpartikeln sind Gläser und
Mikrobrekzien. Die Gläser, durch viele weitverbreitete
Abbildungen bekannt, treten im Allgemeinen als bunte
und ebenmäßige Kügelchen von goldgelber bis oranger
und brauner Farbe auf und sind chemisch titanreiche Basalte. Mikrobrekzien bestehen aus kleinen Gesteinstrümmern und Gläsern, die durch die Stoßenergie einschlagender Kleinmeteorite und/oder die hierbei
entstehende Wärme zusammgeschweißt wurden.
12
Alle gefundenen Mondproben verdanken ihre Entstehung der unterschiedlichen Ausdifferenzierung bei
der Auskühlung der schmelzflüssigen Magma, das bedeutet, dass alle Fundorte in der Frühzeit des Mondes
schmelzflüssig waren. Die Mondproben lassen also
nicht die Bedingungen bei der Formung des Mondes,
aber den ersten Teil seiner Entwicklung erkennen.
Der Mond ist also weder ein kalter Großmeteorit,
noch ein verkleinertes Abbild unserer Erde. Da er
nur ein Viertel so groß wie die Erde ist, war und ist er
viel weniger aktiv und enthält auch relativ ältere und
einfachere Gesteine. In den Terragebieten finden wir
die ersten erkennbaren Stufen der Entwicklung des
Mondes. Die Proben aus diesen Gebieten sind die ältesten und lassen den Beginn der Entwicklung unseres
Mondes erfassen, obwohl Veränderungen durch spätere
intensive Meteoriteneinschläge mit umfangreichem sekundärem Auswurfmaterial die Gesteinseigenschaften
beeinflusst haben und die Altersbestimmung zum Teil
erschweren. Der Mond zeigt kein nennenswertes Granitvorkommen, nur kleine Graniteinschlüsse waren in
einigen Mare-Basalten zu finden.
„Auf dem Mond wurde bisher keinerlei Wasser, keine
Flüsse und keine im Wasser abgelagerten Sedimente
gefunden“ (inzwischen ist Wassereis in tiefen Kratern
am Südpol gefunden worden). Ob nennenswerte Mengen von Granit aus basaltischem Magma, dem Hauptprodukt tiefer Vulkane, selbst nach magmatischem
Aufschmelzen entstehen können, scheint fraglich. Folgende Arten von Gesteinen kann man auf dem Mond
unterscheiden:
• Die Basalte der Mondmaria.
• Stark feldspatreiche Gesteine, besonders die anorthositischen der Terrae mit sehr hohem Aluminiumgehalt.
• Die KREEP-Gesteine, mit einem großen Gehalt an
radioaktiven Elementen. Der Name KREEP stammt
von ihrem Gehalt an Kalium (= K), seltenen Erden
(rare earth elements = REE) und Phosphor (= P).
Diese Gesteine wurden im Mare Imbrium und dem
Oceanus Procellarum entdeckt, finden sich aber
auch in Terra-Gebieten.
• Ein Basalt-Typ VHA (= Very High Aluminium), vor
allem im Terra-Gebiet um Descartes (Apollo 16) und
Apollonius (Luna 20).
Die Unterscheidungen sind etwas willkürlich und beruhen nicht auf strukturellen oder texturellen Merkmalen, die in Brekzien nicht vorhanden sind, sondern
auf chemischen Unterscheidungsmerkmalen, die sich
teilweise überlappen.
2. Das Material der Maria
Eisenreiches, siliziumarmes, basaltisches Magma
drang in einer Periode zunehmender Erwärmung aus
einigen 100 km Tiefe durch Spalten nach oben und
Uranus 86, Mai 2014
füllte die durch gewaltige Einschläge entstandenen
Hohlformen und andere Tiefflächen. Lavaflüsse bis zu
350 km Länge bei nur 1° Neigung zeigen, wie dünnflüssig derartige Lavamassen gewesen sind. Mare-Basalte
von fünf Fundorten besitzen ein Alter von 3,15 bis
3,85 Milliarden Jahren. Diese relativ kleine Zeitspanne
gibt uns die Hauptzeit magmatischer Aktivität auf dem
Mond an. Zahlreiche einander überlappende Lavaflüsse können nachgewiesen werden, von denen jeder neue
Ausbruch auf bereits erstarrte Oberfläche stieß. Die
letzten großen Ausbrüche fanden offensichtlich an den
Rändern der Mare statt und folgten gelegentlich axialen unterirdischen Kanälen, die später zusammenbrachen. Seismische Messungen haben gezeigt, dass die
Maria in ihrer Mitte eine Dicke von etwa 20 bis 50 km
haben.
Zur Zeit der Entstehung der Mare-Basalte war nicht
einmal so viel Wasser verfügbar, dass OH-Verbindungen
in den Basalten gebildet werden konnten. Der hohe Anteil von Titan machte manche der Apollo 11-Proben mit
ihrem hohen Gehalt an Ilmenit (FeTiO3) schwerer, als
es der mittleren Dichte des Mondes entspricht. Ohne
Zweifel sind alle Mare-Basalte durch partielles Schmelzen entstanden.
Das dunkle Material an den Rändern der Maria war
vor den Apollo-Flügen als von jüngeren Ascheströmen
stammend aufgefasst worden. Vor allem im NordostTeil der sichtbaren Mondhälfte findet man viele dieser
dunklen Stellen, aber auch am Landeort von Apollo 17, dem Taurus-Littrow-Gebiet, sind sie zu finden.
Die dunkle Färbung stammt nach Untersuchungen
vieler Proben eindeutig nicht von Ascheströmen, sondern von einem höheren Gehalt von Titan und Eisen
des Untergrunds, dessen chemische Zusammensetzung
sich jedoch nicht grundsätzlich von anderen Typen des
Mare-Basalts unterscheidet. Das Alter dieser Proben
war mit 3,8 Milliarden Jahren verhältnismäßig hoch.
Viel Diskussion gab es wegen der Entdeckung orangefarbenen „Bodens“ in der Nähe des Kraters „Shorty“,
einem jungen Krater in der Nähe des Apollo 17-Landegebiets. Es wurde zunächst die Möglichkeit jüngerer
Fumarolen mit Wasserbeimengungen, Eisenoxiden
und Schwefel diskutiert. Die Untersuchungen der mitgebrachten Proben zeigten aber, dass es sich um gewaltig viele, mikroskopisch kleine Kügelchen und andere
Gebilde orangefarbenen Glases handelte, die aus titanreichem Basalt bestehen. Das Alter wurde auf 3,7 Milliarden Jahre bestimmt. Auf der Erde würden solche
Gläser bereits nach 100 Millionen Jahren verwittert
sein. Auf der trockenen Mondoberfläche konnten sie
sich fast 4 Milliarden Jahre erhalten. Schwierig ist es,
die starke Anreicherung an solchen Gläsern zu erklären, die hier eine dicke Schicht bilden. Möglicherweise schlug ein Meteor in einen Lavasee und verspritzte
eine große Menge der sich schnell zu Glas formenden
Tropfen, bevor diese von einer anderen Schicht überdeckt und so vor weiteren chemischen Umsätzen verschont wurden. Ein weiterer Meteorit, der vor nur
etwa 30 Millionen Jahren den Krater Shorty erzeugte,
legte dann offenbar die ursprüngliche Oberfläche wieder frei. Solche Überlegungen lassen sich aus dem festMai 2014, Uranus 86
gestellten Altersunterschied zwischen dem Wert der
Argon-Argon-Methode (3,7 Milliarden Jahre) und dem
Strahlungsalter ableiten.
3. Das Material der Terrae
ist älter, uneinheitlicher und zerbrochener als das
Mare-Material. Während die Maria-Gebiete hauptsächlich basaltische Gesteine mit nur geringen Unterschieden enthalten und nur etwa 4% des Mare-Materials aus
den umgebenden Hochländern stammt, lassen uns die
Proben aus den Terrae-Gebieten den Beginn der Konsolidierung der Mondkruste erkennen. Terra-Proben
bestehen im Wesentlichen aus verfestigtem, durch Bindemittel verkettetem Schutt aus Mineral- und Gesteinsbruchstücken, was bei dem hohen Zerstörungsgrad der
Terra-Gebiete durch Einschläge nicht überrascht. Bereits aufgrund der etwa 4% helleren Bestandteile der
Apollo 11-Proben hatte man diese als kalziumreiche
Pagioklas-Feldspäte mit einigen Prozent Olivin und
Pyroxen erkannt. Man nannte sie Anorthosite, da sie
entsprechenden Mineralien auf der Erde sehr ähnlich
sind. Spätere Apollo-Flüge bestätigten, dass diese Gesteinsart Hauptbestandteil der Hochländer ist. Das
war für die Mondforscher eine große Überraschung
und von niemandem vorhergesagt worden. Aufgrund
dieser Tatsache bringt man jetzt den Erd-Anorthositen
größeres Interesse entgegen.
Altersbestimmungen an typischen Terra-Gesteinen
zeigten ein scharfes Häufigkeitsmaximum zwischen 3,9
und 4 Milliarden Jahren. Man meint, dass der Mond in
dieser Zeit eine katstrophenartige Epoche erlitten haben muss, welche die Zeituhren für die Oberflächengesteine neu einstellte und die Brekzien entstehen ließ.
Möglicherweise war es ein sehr intensives Meteoritenbombardement, das in den gewaltigen Einschlägen des
Mare Imbriums und Mare Orientale seinen Höhepunkt
fand. Ohne Zweifel ist der Mond wie Erde und Meteoriten etwa 4,6 Milliarden Jahre alt. Man hatte eine
größere Streuung des Alters bei den Terra-Proben vermutet. Jetzt scheint es so, als ob der letzte große Einschlag, der das Mare-Orientale-Becken entstehen ließ,
das dortige Material über den ganzen Mond verspritzte
und die Schicht der Terra-Gesteine entstehen ließ. Ihr
Alter entspricht deshalb dem letzten großen Einschlag.
4. Das Mondinnere aufgrund geophysikalischer
Messungen
Eine Vielzahl wissenschaftlicher Geräte auf der
Mondoberfläche und in ihn umkreisenden Subsatelliten lassen uns etwas über das Innere des Mondes oder
seine Umgebung erfahren. Die bei den sechs Mondlandungen aufgestellten Messgeräte sind:
• Drei aktive seismische Stationen (d.h. Sprengsätze),
mit deren Hilfe Angaben über die oberen 100 m der
Mondkruste erhalten wurden;
• Vier passive seismische Stationen, die weiterhin
Mondbeben und Meteoritenaufschläge registrierten;
• Drei Subsatelliten mit Messgeräten für Sonnenwind,
kosmische Strahlung, Magnetfeld und Schwerefeld
des Mondes;
13
• Vier stationäre Magnetometer zur Messung von Änderungen des Magnetfelds;
• Ein Gravimeter (Apollo 17) zur Untersuchung von
Gezeiteneffekten;
• Drei Wärmeflussmessgeräte, welche Temperaturen
in verschiedenen Tiefen angeben;
• Laser-Reflektoren, die Laser-Impulse zur Erde zu­
rück­werfen, zur Messung von Abständen, Drehungen und Bewegungen auf Mond und Erde;
• Weitere Geräte zur Analyse des Sonnenwinds, lunarer Gase, Ionen und Meteoriteneinschlägen;
• Jeweils eine 400 W-Plutoniumbatterie zur Stromversorgung.
Die wichtigsten Ergebnisse dieser Messungen sollen
im Folgenden betrachtet werden. Die obersten Schichten des Mondes in der Nähe der Landeplätze von Apollo 14 (Fra Mauro), Apollo 16 (Descartes) und Apollo 17
(Taurus-Littrow) sind mit Hilfe refraktionsseismischer
Verfahren untersucht worden.
Aktive seismische Experimente: Als Anregung für
seismische Wellen dienten kleine Explosionen, ausgelöst durch Schüsse der Astronauten, aber auch eine Art
Granatwerfer und Einschläge des Aufstiegsteils der
Landefähren. Der Regolith hat in allen drei Gebieten
eine Kompressionswellengeschwindigkeit von etwa 100
bis 115 m/s. Darunter zeigen sich bis in etwa 400 m Tiefe Schichten mit rasch zunehmender Geschwindigkeit
von 300, 1100 und 4000 m/s. Die gemessenen Geschwindigkeitswerte sind mit dem nach unten abnehmenden
Zerstörungsgrad basaltischer Gesteine verträglich und
schalten die Möglichkeit des Vorhandenseins einer früher vermuteten Permafrostschicht aus.
Passive seismische Experimente: Angaben über tie­
fere Strukturen des Mondes kamen von den vier passiven seismischen Stationen. Vor allem waren es die
künstlichen Anregungen seismischer Wellen, die von
sechs Einschlägen der Saturn IVb-Raketenstufe 3 und
von sechs Einschlägen der nicht mehr benutzten Aufstiegsteile der Landefähren stammten, die an den Stationen gut lesbare Seismogramme erzeugten. Zum Unterschied gegenüber vielen registrierten Mondbeben
und Meteoriten sind bei den künstlichen Einschlägen
Ort und Zeit der Anregung genau bekannt. So wurden
nach und nach die Laufzeit-Kurven immer mehr verdichtet und in recht zuverlässige GeschwindigkeitsTiefenkurven umgewandelt.
5. Kruste und Mantel
Nach einem schnellen Anstieg seismischer Geschwindigkeiten bis zu etwa 10 km Tiefe, wie er aus dem aktiven seismischen Experiment berechnet wurde, erhalten wir ab etwa 25 km Tiefe Werte von etwa 7 km/s, wie
sie nach Labormessungen dem unzerstörten Material
der ANT-Gesteine, z.B. den gabbroiden Anorthositen
bei Apollo 16 entsprechen. Zwischen 50 und 65 km Tiefe
scheint sich ein recht plötzlicher Anstieg der Geschwindigkeiten auf etwa 7,8 km/s zu vollziehen. Hier beginnt
also, ähnlich wie entsprechende Geschwindigkeiten auf
der Erde es anzeigen, der Mantel, der vermultich aus
Olivinen, Peridotiten und Pyroxenen besteht, wie es
14
sich auch aus petrologischen Befunden andeutet. Eine
so starke Ähnlichkeit mit terrestrischen Verhältnissen
war zunächst nicht vermutet worden. Eine Differenzierung in Kruste und Mantel scheint ein allgemeiner
Prozess terrestrischer Himmelskörper zu sein.
Um Informationen über noch tiefere Schichten des
Mondes zu gewinnen, reichen die Entfernungen zwischen Stationen und Einschlagsorten der Raketenstufen nicht aus. Durch das Netz der weiter arbeitenden
vier seismischen Stationen ist es allerdings möglich
geworden, Entfernungen zu Mondbeben und Meteoriteneinschlägen hinreichend genau zu messen, um daraus Laufzeitkurven zu verlängern und tiefer in den
Untergrund hineinzuleuchten. Es zeigt sich hieraus,
dass mindestens die äußeren 1000 km des Mondes
starr sind und dass hier keine Schmelzen größeren
Ausmaßes mehr vorhanden sein können. Anzeichen,
wie die abnehmende Energie von Scherwellen bei weit
entfernten Beben und Einschlägen der Rückseite, deuten darauf hin, dass in den inneren 700 km des Mondes
partielles Schmelzen wahrscheinlich ist. Es ist zu hoffen, dass weitere größere Ereignisse auf der Mondrückseite noch während der Lebensdauer der seismischen
Stationen diese Vermutungen bestätigt haben.
6. Mondbeben in großer Tiefe
Auch Tiefe und Orte der viel diskutierten Mondbeben konnten durch das Stationsnetz wesentlich
genauer angegeben werden, als dies vorher möglich
war. Die meisten Mondbeben haben Tiefen zwischen
800 und 1200 km, darunter treten offenbar keine Beben mehr auf, ein weiteres Anzeichen für mögliches
partielles Schmelzen im Mondinnersten. Im Hinblick
auf frühere Abschätzungen konnte also vor allem die
Tiefe der Beben besser angegeben werden. Alle anderen Eigenschaften der Beben, insbesondere die starke
Ähnlichkeit vieler Bebengruppen, ihre gleiche Polarität und ihr Auftreten bei Perigäum (erdnächste Entfernung des Mondes) wurden durch die neueren Untersuchungen bestätigt. Die Ursachen dieser Beben, von
denen viele vom gleichen Ort herkommen, sind immer
noch ungeklärt. Möglicherweise kommen Gezeitenkräfte auch für die Energieauslösung in Frage, oder etwa
die laufende Fortbewegung des Mondes von der Erde,
schwache Konvektionsbewegungen oder ein Tiefvulkanismus, jedenfalls Prozesse, die längs Spalten und Orten von Inhomogenitäten als bebenauslösend wirksam
werden. Die gezeitenbedingte Verformung des Mondes
beträgt an der Oberfläche je nach Annahmen über die
Elastizität des Mondkörpers zwischen 40 cm und 3 m.
Sie ist damit von der gleichen Größenordnung wie die
der Erde. Zwar sind die gezeitenerzeugenden Kräfte
auf dem Mond stärker, doch wirkt diesem Effekt die
größere Starrheit des Mondkörpers entgegen. Zeitlich
besteht eine gute Korrelation zu den Beobachtungen
von Dunstschleiern und kurzzeitigen Leuchterscheinungen. Auch räumlich scheinen diese Beobachtungen
sowie die Tiefbeben die Ränder der Maregebiete zu bevorzugen, in denen, wie erwähnt, die Häufigkeit von
dunklen, titan- und eisenreichen Basalten besonders
groß ist. Möglicherweise sind hier tiefreichende SpalUranus 86, Mai 2014
ten oder Verwerfungen vorhanden. Die anscheinend
weiche innerste Schicht des Mondes ab etwa 1000 bis
1200 km entspricht also etwa der Asthenosphäre unserer Erde zwischen etwa 100 und 200 km. Auch Druck
und Temperatur sind hier etwa gleich groß. Ein Eisenkern des Mondes, ob fest oder flüssig, existiert sehr
wahrscheinlich nicht.
7. Das Magnetfeld
Eine der ganz unerwarteten Entdeckungen des Apollo-Programms waren die hohen Magnetisierungswerte
der Basalte und Brekzien. Während der Satellit Explorer 35 nur ein bescheidenes Dipolfeld von maximal 5 γ
(1 γ = 10-5 Gauß = 10-9 Tesla) festgestellt hatte, wurden
am Boden von den Astronauten mit fest installierten
und tragbaren Magnetometern Felder bis über 300 γ
gemessen. Die Stärke dieser lokalen Felder scheint mit
der Mächtigkeit der Brekzien zusammenzuhängen, die
mehr freies Eisen als die Basalte besitzen. Im Hochland
bei Apollo 16 wurde mit 313 γ das stärkste Feld gemessen, im Apollo 15-Mare-Gebiet mit 4 γ das kleinste. Die
Magnetometer der in etwa 100 km Höhe kreisenden
Subsatelliten zeigen ähnliche Unterschiede zwischen
der marebedeckten Vorderseite und der aus HochlandBrekzien bestehenden Rückseite.
Die Magnetisierung der Mondoberfläche ist also
zweifellos ein globales Phänomen. Durch Labormessungen lässt sich die ursprüngliche Stärke des Felds,
welches die Gesteine vor 3,2 bis 4,1 Milliarden Jahren
magnetisiert hat, als sie aus der Schmelze erstarrten,
auf 1000 bis 10 000 γ abschätzen. Das Erdfeld hat heute etwa 40 000 γ. Die relativ hohen berechneten Werte
des alten Mondfelds sprechen zunächst für seine Entstehung im Inneren des Mondes. Die Entstehung des
alten Magnetfelds aus einem Dynamoprozess im Mond­
inneren ist aber wegen der damaligen Temperaturen
unwahrscheinlich. Einflüsse eines anfänglich starken
Sonnenfelds können nach Beobachtungen an ähnlichen Sternen nicht so stark sein, wie es zur Magnetisierung erforderlich wäre. Doch könnte ein anfänglich kaltes Mondinneres durch ein kurzzeitiges starkes
Magnetfeld isotherm magnetisiert worden sein. Vor
zwei Jahrhunderten glaubte man, dass das Erdfeld von
einer Permanentmagnetisierung seines Inneren herrühre, merkte aber bald, dass der Curie-Punkt (Temperatur, welche die Magnetisierung aufhebt) bereits in
25 km Tiefe überschritten wird. In der Anfangszeit des
Mondes können aber solch niedrige Temperaturen im
Inneren vorgeherrscht haben.
8. Die Figur des Mondes
Neue Informationen über die Figur des Mondes
und seines Schwerefelds erbrachte die Verfolgung der
Subsatelliten von Apollo 15, 16 und 17 sowie Höhenmessungen mit Lasern von den umkreisenden ApolloRaumschiffen. Mit Hilfe der Laser-Reflektometer wurde der mittlere Monddurchmesser auf 3471,826 km neu
festgelegt. Der Schwerpunkt des Mondes fällt nicht mit
dem Mittelpunkt seiner Figur zusammen, sondern ist
mehr als 2 km nach Osten und mehr als 1 km nach Nor-
Mai 2014, Uranus 86
den verlagert. Da das Mondinnere nach seismischen
und anderen geophysikalischen Messungen „weich“
ist, kann der Unterschied nur von Inhomogenitäten im
äußeren Teil des Mondes herrühren.
Die Höhenmessungen zeigten zunächst, dass die der
Erde zugewandte Mondseite im Mittel fast 2 km tiefer, die abgewandte (Terra-)Seite 2 km höher liegt als
der mittlere Mondradius. Die ringförmigen Maria liegen sogar 4,1 km tiefer, die übrigen etwa 2 bis 2,5 km
unter „Normal-Null“. Diese Höhenverteilung lässt sich
nur dann mit der Verlagerung des Schwerpunktes in
Richtung der tiefer liegenden Mare-Gebiete erklären,
wenn man in Hochländern der Rückseite eine etwa
doppelt so mächtige Kruste annimmt wie auf der Vorderseite. Offenbar bestimmen also größere Massen mit
dichter basaltischer Kruste die größere mittlere Dichte
der Vorderseite, in denen die enormen Aufschläge in
der Frühzeit des Mondes Material bis zur Rückseite
geschleudert haben und durch Aushöhlung, Spaltenbildung und zusätzliche Erwärmung sowohl die Bildung
als auch den Aufstieg von Magmen aus großer Tiefe begünstigt haben. Wie erwähnt, flossen einige Millionen
Jahre nach den Aufstürzen basische Lavaströme in die
Becken, die bis zu mehr als 20 km mächtige Basalte
schufen. Isostatische Hebungen, gefolgt von zusätzlichen, letzten Ausbrüchen sowie eine mögliche Umwandlung von Basalt in tieferen Schichten müssen für
den Schwereüberschuss (= Mascons) der ringförmigen
Marebecken verantwortlich sein.
Aussagen, dass der innerste Teil des Mondes heute
warm ist, kommen nicht nur von seismischen Messungen, sondern auch von der Beobachtung magnetischer Variationen und besonders von Wärmeflussmessungen. Die anfänglich aus dem magnetischen
Verfahren errechneten heutigen Temperaturen für
das Mondinnere scheinen etwas zu niedrig gewesen
zu sein. Die Wärmeflussmessungen, von 2,8 µW/cm²
(0,028 W/m²) bei den Apollo 15- und 17-Landeplätzen
deuten höhere Werte im Inneren an, die zwischen 1000
und 1400 °C liegen. Alle Berechnungen der Wärmegeschichte des Mondes führen auf anfänglich sehr hohe,
Schmelzen bewirkende Temperaturen für die äußeren
Hunderte von Kilometern. Die vermutlich 60 km dicke
Feldspat-Kruste erfordert eine mehrere 100 km mächtige Schmelzzone in der Frühzeit.
Als weitere Randbedingungen in diese Rechnungen
gehen ein: Die kalte, seit drei Milliarden Jahren starre Lithosphäre, die heutigen Grenzen der berechneten
Temperatur im Mondinneren und die heutige Konzentration radioaktiver Stoffe an der Oberfläche. Alle
thermischen Mondmodelle lassen zwar keine eindeutige Unterscheidung zwischen einem anfänglich kalten
oder warmen Mond zu, doch überwiegen die Anzeichen, die für eine kalte Zusammenballung von Material
sprechen.
9. Radioaktive Elemente
Die Beimengungen von Uran in den Oberflächengesteinen sind nicht überall die gleichen. An einigen
Rändern der Maria sind starke Konzentrationen radio­
aktiver Elemente festgestellt worden. Die α-Strahlen-
15
Spektrometer von Apollo 15 und 16 beobachteten
Radon 220 und das Tochterelement Polonium 210.
Maxima wurden in der Nähe der Krater Aristarchus
und Grimaldi gemessen, wo innerhalb der letzten Jahrhunderte eine starke Aktivität von Dunstschleiern und
Leuchteffekten beobachtet wurde. Am 11.9.2013 schlug
um 2207 MEZ ein Meteorit auf der unbeleuchteten Seite ein, der ca. 450 kg wog und einen 50 m-Krater erzeugte (Helligkeit 2m). Die Vorderseite mit ihren Maria
erscheint allgemein radioaktiv „wärmer“ als die Rückseite. Offenbar hat hier ein stärkerer Transport radioaktiver Elemente an die Oberfläche stattgefunden.
10. Die extrem dünne Mondatmosphäre
Seit langem war es Konsens, dass der Mond keine Atmosphäre hat und haben kann, weil er aufgrund der
geringen Gravitation und der zeitweilig hohen Temperaturen Gase nicht halten kann. Zumindestens keine
mit einem Molekulargewicht unterhalb M = 40 (Argon) oder M = 44 (CO2). Es wurden keine Moleküle von
Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel oder Chlor
gefunden. Und doch muss es Gasreste geben, vor allem
durch den rad. Zerfall des Kalium-40 entsteht das Argon-40. Unterstellt man einen Kaliumgehalt wie in der
Erdkruste (1,4%), so ergibt sich für ein Gleichgewicht
zwischen der Entstehungsrate und dem Diffusionsverlust ins Weltall nach Berechnungen des Verfassers ein
Argon-40-Partialdruck von ca. 3 . 10‑10 mbar (ird. UltraHochvakuum!), der durch die Apollo-Experimente bestätigt wurde. Überraschend für die Astronauten war,
dass das Argon in der Mondnacht ausfriert (–150 °C)
und am Boden haftet! Beim ersten Sonnenstrahl wird
es von der Oberfläche abgedampft. Ein weiteres radiogenes Gas ist Radon 220 aus der Uran-Radium-Kette,
ferner die Helium-Ionen aus den Alpha-Zerfällen und
dem Sonnenwind, die freilich sehr schnell abdiffundieren. Im Jahre 1957 wurde erstmalig in der Nähe des
Kraters Alphonsus ein Gasausbruch gefunden (Kosyrew), der vor allem aus Kohlendioxid bestand.
11. Die Entwicklung des Mondes
Von Chemie und Alter der Gesteine und der Physik des Mondkörpers ausgehend, von Vergleichen mit
Meteoriten, Mars und Erde, entwickelt sich das Bild
der Evolution des Mondes und anderer Himmelskörper in unserem Sonnensystem. Wir wissen heute, dass
der Mond nicht nur in seiner Dichte, sondern auch in
seinem Chemismus sowohl von dem der Erde als auch
von dem chondritischer Meteoriten abweicht, die wir
als Repräsentanten der kondensierten Elemente unserer Sonne ansehen. Der Mond entstand nach heutiger Vorstellung durch einen Zusammenstoß der noch
unfertigen Erde mit einem kleineren Planeten. Mit einiger Sicherheit lässt sich sagen, dass der Mond kein
eingefangener meteoritischer Körper des Asteroidengürtels ist. Der Mond ist demnach ein „Ausschleuderungsprodukt“ des genannten Ereignisses, ca. 100 Mio.
Jahre nach der Zusammenballung der Erde. Dies ist die
Lösung des Problems, wie zwei chemisch und physikalisch verschiedene Körper mehr oder weniger gleichzeitig und im gleichen Abstand von der Sonne aus dem
planetaren Nebel heraus entstehen konnten. Wie wir
von der dann beginnenden Geschichte des Mondes –
nicht derjenigen der Erde – wissen, flogen vor 4,6 bis
4 Milliarden Jahren viele größere Körper in unserem
Teil des Sonnensystems umher, wofür die gewaltigen
Einschläge der Marebecken Zeugen sind. Vermutlich
sind noch größere und noch mehr Körper auf die Erde
gefallen. Die anfängliche chemische Entwicklung von
Erde und Mond ist in Einzelheiten noch umstritten.
Bisher gilt aufgrund des Eisenkerns unserer Erde,
dass diese im Anfangsstadium völlig geschmolzen war
und sich das flüssige Eisen als häufigstes, schwerstes
Material im Inneren festsetzte und einen Mantel von
Eisen-Magnesium-Silikaten zurückließ. Für den Mond
dürfen wir diese Entwicklung nicht annehmen. Weder
besitzt er eine entsprechende Menge Eisen, noch hat
er einen merklichen Kern. Neuerdings vermutet man,
dass Erde und Mond bereits bei ihrer Entstehung unterschiedliche Materialien aufgesammelt haben. Die
Erde begann vielleicht etwas früher aus dem Nebel heraus zu kristallisieren und die meisten schweren Elemente wie Eisen und Nickel sowie flüchtige Stoffe an
sich zu ziehen, ohne unbedingt voll aufzuschmelzen.
Für den Mond, der sich in Erdnähe formte, waren diese
Stoffe nicht mehr verfügbar!
Der 1969 in Mexiko gefallene „Allende-Meteorit“,
der etwa eine Tonne Material verspritzte, brachte den
Forschern, die eben mit der Analyse von Mondproben
beschäftigt waren, eine weitere Überraschung: Der
kohlige Chondrit stellte sich als eine Mischung von Material dar, das teils bei hohen und teils bei tiefen Tem-
Abb. 1: Altersmäßige Entwicklung der Mondoberfläche (A 11...17: Apollo 11...17; L 16/20: Luna 16/20)
Procellarum
Serenitatis
Fra Mauro
(Imbrium)
Imbrium
Caley
Descartes (ANT)
Differentiation der
ersten (Terra)-Kruste
0,5
16
Tranquilitatis
Aushöhlung der
Mare-Becken
A14, A 16, L 20, A 17
4,5
Fecunditatis
Füllung der Mare-Becken
A11
L 16, A 12, A 15, A 17
1,0
4,0
Gasvulkanismus
Milliarden Jahre
1,5
3,5
seit Formung
3,0
vor heute
Uranus 86, Mai 2014
peraturen kondensiert war und mit den Elementen
Kalzium, Aluminium, Titan, Uran, Thorium und den
seltenen Erden genauso angereichert ist, wie die Terragesteine der Hochländer. Dies könnte ein weiteres
Anzeichen dafür sein, dass die Hochländer als erste
verfestigte Außenhaut des Mondes bei einem ersten,
einfachen Aufschmelzprozess vor 4,6 Milliarden Jahren entstanden sind. Von dieser Zeit an übersehen wir
die Geschichte des Mondes besser. Obwohl kein festes
Mondgestein mit 4,6 Milliarden Jahren Alter gefunden
wurde, so zeigen doch die Brekzien der Terrae sowie
die Schichtung der äußeren Teile mit ihren Auswurfstoffen, dass die gigantischen Einschläge zwischen 3,9
und 4,2 Milliarden Jahren eine zusätzliche Erwärmung
und eine große Anzahl mächtiger Auswurfdecken schufen und die radioaktiven Uhren neu stellten. Das Eindringen der Temperaturwelle nach innen sowie die
Erwärmung durch radioaktive Elemente ließen einige
100 Millionen Jahre später als zweiten Schmelzprozess
basaltische Laven in einigen 100 km Tiefe entstehen
und durch Spalten in die Vertiefungen hochdringen,
vorwiegend auf der Vorderseite mit ihrer dünnen und
angeschlagenen Kruste. Etwa seit 3,1 Milliarden Jahren ist der äußere Teil des Mondes starr, starrer als
Erde und Mars. Das Magnetfeld des Mondes wurde
mit weiterer Erwärmung im Inneren immer kleiner.
Die sich mit schwerer basaltischer Lava füllenden
Tiefgebiete machten diese Seite des Mondes schwerer.
Manche Einschläge förderten KREEP-reiches Material zu Tage und verspritzten es strahlenförmig über die
Mondoberfläche. Ein Rest Gasvulkanismus scheint sich
bis heute gehalten zu haben (CO2). Einen Überblick
über die magmatische Aktivität der ersten 1,6 Milliarden Jahre seit Formung des Mondes gibt die beigefügte
Abbildung 1.
Nach einem Vortrag von A. Kunert an der WilhelmFoerster-Sternwarte in Berlin 1974, ergänzt und
erweitert durch Prof. Dr. W. Zumach
Quellennachweis
A. Meißner, Mondforschung nach Apollo, Umschau in
W. u. T., 1974
Abb. 2: Eine moderne Karte der erdzugewandten
Seite des Mondes. Apollo 11 bis 17 landeten sicher; Apollo 13 musste wegen
einer lebensgefährlichen Panne
vorzeitig umkehren.
(Bild: NASA)
Mai 2014, Uranus 86
17
Astrofotografie
S
Scharfstellen bei der Astrofotografie
eit etwa drei Jahren hat sich im Bereich der DeepSky-Fotografie immer mehr das Fokussieren mithilfe
einer Bahtinov-Maske bewährt. Insbesondere bei lichtstarken, schnellen Optiken und in Verbindung mit einer
digitalen Spiegelreflex-Kamera stellt dies eine schnelle
und zuverlässige Methode zum sicheren Scharfstellen
der Optik dar.
Im Zeitalter der
analogen
Fotografie (auch liebevoll
„Nassfilm-Fotogra­
fie“ genannt) stellten
die
meisten
Fo­to­grafen ihre Fo­
to­objektive und Teleskope mit zwei
verschiedenen Methoden scharf: Entweder es gab eine
Abb. 1: Schematische Darstellung einer
„Unendlich“-Mar- Bahtinov-Maske. Diese wird vor die Opkierung (wie etwa bei tik des Teleskops gesetzt, und besteht
Fotoobjektiven), oder aus senkrechten Kanten (obere Hälfte)
man setzte in die Fo- und diagonalen Kanten (untere Hälfte).
kalebene eine so genannte Messerschneide ein. Diese
Prüfung des Fokus entstammte eigentlich der Überprüfung der optischen Qualität und wurde vom französischen Physiker Foucault entwickelt. Letztendlich sah
man aber erst nach der Entwicklung des Films, ob der
Fokus genau getroffen oder die Aufnahmen unscharf
geworden waren – mit der Konsequenz, dass unter Umständen eine gesamte fotografische Nacht „beim Teufel“ war, also ohne brauchbare Resultate endete.
Heutzutage ist dies dank der digitalen Revolution
viel einfacher und effektiver. Da man sich sowohl beim
Einsatz einer CCD-Kamera wie bei einer digitalen
Spiegel-Reflex-Kamera (DSLR) die Aufnahme sofort in
Abb. 2: Der Sternhaufen M 41, aufgenommen am 10.02.2013 mit
einer FFC 4.0/760mm; Kombination aus 4 Aufnahmen mit je 5 min
Belichtungszeit. Obwohl die Nachführung optimal war, sind die Sterne
(rechts unten Ausschnittvergrößerung) auffällig groß abgebildet: Die
Folge einer nicht exakten Scharfstellung. Aufnahme: Stefan Funk
digitaler Form anschauen kann, sieht man auch unmittelbar, ob das Resultat unscharf geworden ist, oder ob
die Scharfstellung „passt“. Eine wesentliche Erleichterung stellt hier der so genannte „Live-View“-Modus
dar. Das Bild, das die Kamera sieht, kann sozusagen in
Echtzeit auf dem Monitor der Kamerarückwand oder
auf einem Computerbildschirm dargestellt und analysiert werden. Damit kann man sogar noch vor der
Aufnahme kontrollieren, ob die Optik scharf gestellt
ist. Die meisten Live-View-Programme erlauben das
Vergrößern des Sternbildchens um den Faktor 10, so
dass sehr schnell der Fokus kontrolliert und verbessert
werden kann.
Trotzdem hatte ich immer wieder Schwierigkeiten,
eine exakt scharf gestellte Aufnahme zu produzieren.
Gründe dafür gab es genug. Welcher nun ausschlaggebend war, habe ich leider nie herausgefunden. So war
der Blick auf die Rückwand meines Kameragehäuses
alles andere als bequem, wenn mein Stern zum Scharfstellen im Zenit stand, und die Kamera damit fast am
Boden hing. Blickte ich dann schräg auf den Monitor,
konnte es schon vorkommen, dass ich den Durchmesser des Sternscheibchens verzerrt wahrnahm. Auch
Müdigkeit oder leichte Unschärfe beim nächtlichen Sehen spielten dabei sicherlich eine Rolle. Jedenfalls hatte ich immer wieder das Ärgernis, dass meine Sterne
„matschig“ wurden, also nicht klein und knackscharf.
Damit einher ging immer auch ein Verlust an Details,
Auflösung und an schwachen Objekten an der Grenzgröße des mir Möglichen. Selbst als ich das Live-Bild
des Sterns beim Scharfstellen auf meinen Computerbildschirm warf, war ich vor diesem Fehler nicht gefeit,
wenn auch eine deutliche Verbesserung eintrat.
Andere Methoden zum Scharfstellen (wie etwa die
von mir bis zur Perfektion angewandte Messerschneiden-Methode) ließen sich leider nicht mehr anwenden:
Bei DSLR-Kameras kann man nichts mehr in die Fokalebene hineinstecken oder etwa die Rückwand des
Kameragehäuses öffnen.
Umso überraschter las ich im Internet im Sommer
von einer neuen Methode, die der russische Optik-Spezialist Pavel Bathinov vor etwa drei Jahren entwickelt
hatte. Dazu setzte er eine vom ihm entworfene Maske
vor sein Fotoobjektiv/Teleskop und stellte anhand verschiedener Beugungsstreben den Stern scharf.
Blenden vor der Optik
Dass man zum Scharfstellen eine Blende vor die Fotooptik einsetzte, war keine grundsätzlich neue Idee. So
gab es bereits seit langen Jahren die Möglichkeit, mit
einer so genannten Scheiner-Blende drei Sternchen zu
produzieren, die bei idealer Fokallage zu einem einzigen Stern verschmolzen. Ich hatte mich nicht weiter
damit beschäftigt, da dies nach meiner Einschätzung
immer noch mit einer Fehlertoleranz behaftet war, die
ich auch mit der Live-View-Scharfstellung erreichte.
18
Uranus 86, Mai 2014
Die Bahtinov-Maske geht hier einen anderen Weg.
Sie erzeugt durch ihr charakteristisches Aussehen diagonale und axiale Beugungsstrahlen, die bei optimaler Scharfstellung durch die Mitte des Sterns laufen.
Ist man außerhalb oder innerhalb des Fokus, verläuft
der axiale Strahl nicht durch die Mitte des Sterns, was
sofort zu erkennen ist. Die Methode wird als sehr präzise und empfindlich geschildert, so dass selbst kleinste
Abweichungen vom optimalen Fokus-Punkt sichtbar
werden.
Ein wenig Theorie
Wie genau muss man eigentlich den Fokus beim
Fotografieren treffen? Dies hängt von mehreren Faktoren ab, die sich gegenseitig beeinflussen. Die bestimmenden sind dabei: Das Öffnungsverhältnis und das
Auflösungsvermögen der Optik bzw. der Kamera.
Ist beispielsweise das Auflösungsvermögen der Kamera recht schlecht (wie etwa bei älteren CCD-Kameras), so hat man beim Scharfstellen einen gewissen
Spielraum, weil geringe Unschärfen gar nicht am Kamerabild erkannt werden können. Weitere Faktoren
sind auch die Qualität der Optik sowie die Luftunruhe,
die aber bei der weiteren Diskussion nicht mit einbezogen werden sollen.
Das Beugungsscheibchen einer Optik ist bestimmt
durch das Öffnungsverhältnis (vorausgesetzt, man hat
eine fehlerfreie Optik!). Sein Durchmesser lässt sich
näherungsweise mit
B = 0.67µm . N
angeben, wobei N das Öffnungsverhältnis der Optik ist, also der Quotient Brennweite durch Öffnung.
Ist das Auflösungsvermögen der Kamera (also die Pixelgröße) größer als der Durchmesser des Beugungsscheibchen B, dann hat man hier eine gewisse Toleranz
beim Scharfstellen. Wie groß die Toleranz tatsächlich
ist, lässt sich aus dem Rayleigh-Kriterium für Optiken
ableiten. Hier gilt:
Fokus-Toleranz ∆ = 2 . λ . N2
wobei λ die verwendete Wellenlänge des Lichts ist.
Nimmt man eine typische mittlere Wellenlänge von
λ = 500 nm an, so lässt sich die Formel wie folgt vereinfachen:
Abb 3: Meine fotografische Ausrüstung. Rechts die Lichtenknecker
Flatfield-Kamera mit 190 mm Öffnung und 760 mm Brennweite, N = 4.
Links unterhalb davon das Leitrohr (80 mm Refraktor f/12). Am Himmel die Venus-Jupiter-Konjunktion vom März 2012.
So kleine Abweichungen überfordern meist schon
die Mechanik beim Scharfstellen, da Ungleichmäßig­
keiten, Schneckenfehler oder Gewindespiel solch kleine
Schwankungen gar nicht einstellen lassen. Bei meiner
Flatfield ist dies jedoch sehr gut möglich. Der Fangspiegel wird hier über eine große Mikrometer-Schraube beim Scharfstellen bewegt, wodurch selbst kleinste
Verschiebungen möglich werden.
Noch mehr Theorie
Wie funktioniert nun eine Bahtinov-Maske?
Die Maske oder Blende wird vor dem ersten optischen
Element befestigt, praktischerweise also vor der Öffnung des Teleskops. Ich lege sie beispielsweise immer
in die Taukappe meiner Flatfield-Kamera unmittelbar
vor die Korrekturplatte.
Die Maske weist, wie bereits angesprochen, mehrere
parallel verlaufende diagonale Streifen und ebensolche
Streifen, die senkrecht stehen, auf. An den Kanten wird
das einfallende Licht eines hellen Sterns gebeugt und
erzeugt ein charakteristisches Strahlenmuster an diesem Stern. Wichtig dabei für das Verständnis: Mehrere parallele Kanten erzeugen nicht mehrere Strahlen,
Abb. 4: Die Funktionsweise der Maske. Links dargestellt der schematische Aufbau, rechts der Anblick eines Sterns, dessen Licht an den
Kanten der Maske gebeugt wird. Die senkrechten Kanten der Maske
erzeugen einen senkrechten Strahl, die schrägen Kanten die beiden
diagonalen Strahlen.
∆ ~ 0,001 mm . N2
Man sieht schon, dass bei lichtstarken Optiken, wie
sie regelmäßig bei der Astrofotografie zum Einsatz
kommen, die Fokus-Toleranz schnell sehr klein wird,
und schon kleine Abweichungen zu unscharfen Aufnahmen führen.
Bei meiner Flatfield-Kamera, die ich für Deep-SkyAufnahmen benutze, ist das Öffnungsverhältnis N =
760 mm Brennweite / 190 mm Öffnung = 4. Die FokusToleranz beträgt also 0,001 mm . 16 = 0,016 mm. Liegt
meine Kamera mit ihrem Sensor also mehr als diesen
Wert vom Brennpunkt entfernt, wird das Bild unscharf.
Ob diese Unschärfe auch sichtbar wird, hängt nun vom
Auflösungsvermögen der Optik und des Sensors ab
(siehe oben).
Mai 2014, Uranus 86
19
sondern einen einzigen Strahl. Die schräg stehenden
Kanten erzeugen also einen diagonal durch den Stern
verlaufenden Strahl, während die dazu senkrecht stehenden Kanten einen senkrechten Strahl erzeugen. Je
mehr Kanten die Maske hat, desto heller werden die
Strahlen.
Um nun auch kleinste Unterschiede besser erkennen
zu können, erzeugt man mit einer geeigneten Maske
zwei Arten von diagonalen Strahlen, die sich im Mittelpunkt des Sterns in einem spitzen Winkel schneiden,
und einen dritten Strahl, der genau zwischen den beiden Strahlen liegt. Als bester Wert hat sich ein Winkel
zwischen der Senkrechten und den Diagonalstrahlen
von jeweils 20° herausgestellt (siehe Abb. 4). Bei größerem Winkel kann das Auge nicht mehr ganz so präzise
erkennen, ob der mittlere Strahl genau zwischen den
beiden anderen liegt.
Ist die punktförmige Lichtquelle (also der Stern;
mit einem scheibchenförmigen Planeten funktioniert
die Methode nicht!) scharf gestellt, verlaufen alle drei
Strahlen genau durch die Mitte des Sterns. Das Prinzip lässt sich – wenn auch schwächer ausgeprägt – an
einem Newton-Teleskop überprüfen. Die Fangspiegelstreben zeigen dabei den gleichen Effekt.
Nur Mut
Zurück zur Bahtinov-Maske. Im Internet hatte ich
verschiedene Bastel-Lösungen gesehen, sowie auch
mehrere kommerzielle Anbieter, die eine Maske für
die jeweilige Optik anfertigen. Diese Kauflösungen
kosteten etwa 50€ für meine Öffnung. Da machte mir
Tobias Knesch Mut, mich doch mal an einem Selbstbau zu versuchen. Er verwendete eine selbst gefertigte
Bahtinov-Maske, die er sich aus einem Getränkekarton
geschnitzt hatte.
Software-Programme in den verschiedenen Foren im
Internet zeigten mir, wie die Maske in etwa aussehen
sollte. Charakteristisch sind die diagonalen Streifen in
der einen und die senkrechten Streifen in der anderen
Hälfte der Maske, die voneinander durch einen Balken
getrennt sind. Je mehr Streifen man verwendet (eigentlich ist die Anzahl der Beugungskanten ausschlaggebend), desto heller werden die Beugungsstreifen,
mit denen man die Optik scharf stellt. Damit kommen
viel mehr Sterne in Frage, an denen man scharfstellen
kann, als bei einer Scheiner-Blende, die nur drei kleine
Eingangsöffnungen besitzt.
Abb. 5: Tobias Kneschs selbst gefertigte Masken, hergestellt aus einem
Milchkarton.
20
Abb. 6: Meine eigene Maske, hergestellt aus einer Trennpappe, die sich
im Supermarkt in der Getränkeabteilung fand.
Die Herstellung meiner eigenen Maske war von zwei
Schritten geprägt: Zuerst trial mit eingebautem error,
dann der sofortige Erfolg.
Ich erzeugte mir eine Maske mit einem InternetProgramm, die ich ausdrucken und als „DurchpausSchablone“ einsetzen wollte. Leider konnte ich mit
dem Grafik-Format, das dabei ausgegeben wurde,
überhaupt nichts anfangen: Ich konnte das Bild einfach nicht in der Größe ausdrucken, die ich benötigte.
Also druckte ich irgendeine Maske aus, die ich als Bild
im Internet fand, um mich an ihrer Form zu orientieren. Ich skalierte die Linien auf meine Größe passend
und zeichnete sie auf meinen Maskenrohling. Dabei
stand die Frage des Materials im Raum. Tobias hatte
einen Pappkarton verwendet. Ich nahm mir einen Verpackungskarton einer Büchersendung und schnitt den
Karton auf meine Bedürfnisse zu. Leider zeigte sich
beim Einschneiden der Streifen schnell, dass dieses
Material völlig ungeeignet war. Die eingelegten Luftpolster, die bei einer solchen Verpackung den Inhalt
vor Erschütterungen und Druck von außen schützen
sollten, zerfaserten beim Schneiden mit einem Messer und lieferten gezackte, ausgebrochene Kanten, die
wahrscheinlich kein sauberes Beugungsmuster erzeugen würden. Dieser Karton war also ungeeignet. Was
tun?
Da fiel mir beim Einkaufen einige Tage später ein
Pappkarton auf, der anscheinend deutlich besser geeignet war. Dieser befand sich als Deckel/Boden zwischen
verschiedenen Sechserbündeln PET-Flaschen mit Mineralwasser. Das Schöne an dem Karton: er war stabil,
ohne Luftpolster und auch groß und damit für größere
Optiken geeignet. Zwar war er durch den Transport
und das Gewicht der drüber liegenden Flaschen an etlichen Ecken durchgewellt, aber wie sich herausstellte,
konnte ich dies mit einer Pressaktion unter einem guten Dutzend schwerer Bücher vollständig ausgleichen.
Uranus 86, Mai 2014
Dann zeichnete ich mir die Maske mit Bleistift auf
den Pappkarton. Dazu verwendete ich ein Lineal, einen Winkelmesser (für die 20°-Neigung der diagonalen
Streifen) und einen Zirkel, um die Maske rund zu machen. Anschließend schnitt ich die Maske und die Streifen aus. Das Ganze dauerte nur etwa eine Stunde, danach war die Maske fertig. Die schöne schwarze Farbe,
die die Masken bei kommerziellen Angeboten haben,
sparte ich mir komplett. Die Kosten für die Herstellung
betrugen damit: 0,00€.
Der praktische Einsatz
Bei der allernächsten Gelegenheit fokussierte ich mit meiner selbst geschnitzten Maske meine
Flatfieldkamera. Dazu stellte ich meine Canon EOS
auf Live-View, und überspielte das Bild der Kamera in
Echtzeit auf einen daneben stehenden Laptop. Zum
Scharfstellen nutzte ich den hellen Stern Arcturus und
vergrößerte das Bild auf dem Monitor. Sofort nach Einsetzen der Maske vor die Öffnung der Kamera zeigte
sich das mir bereits bekannte Strahlenbild mit dem
hellen Stern in der Mitte. Die diagonalen Strahlen liefen in einem Winkel von 40° aufeinander zu. Der mittlere Strahl befand sich dazwischen, jedoch nicht genau
in der Mitte.
Beim Drehen an der Fokussierschraube veränderte
sich der mittlere Strahl sofort. Bereits feinste Veränderungen der Fokuslage waren erkennbar. Einige Male
über den Fokus hinaus- und wieder zurückgedreht gaben mir die jeweilige Ablage zu erkennen, und bereits
nach wenigen Sekunden (es dauerte wirklich nicht länger) hatte ich den mittleren Strahl genau zwischen die
beiden diagonalen platziert.
Nun nahm ich die Maske wieder heraus und schoss
eine Testaufnahme von wenigen Sekunden Belichtungszeit. Das Ergebnis ist auf Abb. 9 erkennbar. Die
schwächeren Sterne waren sehr klein und scharf abgebildet, während der helle Arcturus mit den deutlichen
Reflektionen der Fangspiegelhalterung – den „Spikes“
zu sehen war. Auch eine länger belichtete Aufnahme
ließ keinen Zweifel: die Methode funktionierte sehr
präzise.
Nach einigen Einsätzen der Maske und noch mehr
Erfahrung kann ich nun für mich behaupten, dass ich
meine Methode zum sicheren und präzisen Fokussieren
gefunden habe. Ich kann mit einer Genauigkeit scharf
stellen, die ich vorher beim Betrachten des Sternbildchens am Monitor nicht mal annähernd erreicht hatte.
Der Bereich, in dem das Sternscheibchen als scharf erschien, war dazu einfach zu groß.
Abb. 8: Das fokussierte Bild, noch mit Maske, etwa 5 s lang belichtet.
Deutlich sind die drei Strahlen sichtbar, die nun – da scharfgestellt –
genau symmetrisch zueinander stehen und durch den Mittelpunkt des
Sterns laufen.
Grenzen beim Einsatz der Maske scheinen sich bei
der verwendeten Optik zu ergeben. Zwar funktioniert
die Methode auch bei kleinen Öffnungen, wie es sie
etwa bei Fotoobjektiven gibt. Da die Maske jedoch einen
erheblichen Teil des Lichts wegnimmt, scheint dann im
Live-View Modus nicht mehr genügend Licht vorhanden zu sein, um den Stern und die Beugungsstrahlen
sichtbar zu machen. Eine mögliche Lösung wäre hier,
die Anzahl der Kanten zu erhöhen.
Die Maske hat sich als robust und zuverlässig erwiesen. Sollte sie einmal kaputt gehen, etwa durch Tau
oder ein Abknicken, kann ich sie mir jederzeit selbst
herstellen: Es ist nur ein Gang in die Getränkeabteilung notwendig.
Stefan Funk
Literatur und Links:
• Erik Wischnekwsi, Astronomie in Theorie und Praxis, 6. Auflage 2013
• http://en.wikipedia.org/wiki/Bahntinov_mask
• http://www.gerdneumann.net/deutsch/astrofotografie-parts-astrophotography/bahtinov-masksbahtinov-masken.html
• Maskengenerator: http://astrojargon.net/MaskGenerator.aspx
Hinweise zu Bathtinov-Maske gibt es auch bei www.astronomie.de und www.astrotreff.de
Abb. 9: Testaufnahme mit 20 s Belichtungszeit, nach Scharfstellen mit
der Bahtinov-Maske. Die schwächeren Sterne werden gut scharf abgebildet. Der helle Stern Arcturus zeigt die bekannten Spikes, die als
dünne Strahlen sichtbar sind.
Abb. 7: Screenshot während des Scharfstellens. Deutlich sichtbar sind
die beiden diagonal verlaufenden Strahlen, sowie der dazwischen laufende senkrechte Strahl. Alle drei Strahlen gehen nicht genau durch
den Mittelpunkt des hellen Sterns.
Mai 2014, Uranus 86
21
Sternbilder
Serpens
D
as einzige Sternbild am Himmel, das zweigeteilt ist,
ist das Sternbild Schlange, lat. Serpens. Es wird
durch den Schlangenträger (lat. Ophiuchus) in „Caput“
(den Kopf) und „Cauda“ (den Schwanz) geteilt. Zwar ist
diese Teilung hochoffiziell, am Himmel spricht man jedoch häufig nur von einem Sternbild. Es liegt am Rand
der Milchstraße und weist eine Reihe von schönen und
hellen Objekten auf. Im nun kommenden Frühling und
Frühsommer ist es sehr gut zu beobachten.
Das hellste Objekt im Sternbild Schlange ist der Kugelsternhaufen M 5. In sehr klaren Nächten habe ich
ihn auch schon mit bloßem Auge – dann allerdings als
sternförmiges Objekt – sehen können. Im Feldstecher
fällt er als diffuses Sternchen auf. Mit dem Teleskop
und höherer Vergrößerung zeigt er dann seine ganze
Pracht. Er ist einer der größten Kugelsternhaufen des
nördlichen Sternhimmels und ist bis in sein Zentrum
hinein gut aufgelöst, sodass eine schier unglaubliche
Zahl von kleinen Sternchen sichtbar wird.
Zum Aufsuchen wandert man am besten von den
Sternen α Ser (2m,6), e Ser (3m,7) und ω Ser (5m,2) nach
Westen. Alle drei sind in einer klaren Nacht mit bloßem
Auge sichtbar. M 5 ist fast genau 8 Grad westlich von
ω Ser. Ein Stern 5m, der nur ein knappes halbes Grad
südlich von ihm liegt, erleichtert das Auffinden.
22
Abb. 1: Das zweigeteilte Sternbild Schlange. Im westlichen Teil befindet sich der Kugelsternhaufen M 5, im östlichen der Gasnebel M 16.
Zur Orientierung sind das Sternbild Schlangenträger sowie die umliegenden Sternbilder eingetragen.
Das bekannteste Objekt im Sternbild Schlange ist
sicherlich der berühmte Adlernebel M 16. Er liegt im
östlichen Teil des Sternbildes, also dem „Schwanz“.
Leider gibt es in seiner Umgebung wenig Sterne, die zu
ihm führen, dafür aber eine sehr auffallende Struktur
Abb 2: Der Kugelsternhaufen M 5, aufgenommen am 2.8.2013 mit einer FFC 4,0/760mm und einer Canon EOS 1000D. 6x 5 min belichtet.
Uranus 86, Mai 2014
Abb. 3: Aufsuchkarte für den Kugelsternhaufen M 5
in der Milchstraße: die Sternwolke M 24. Sie ist auch
in nur mäßig klaren Nächten als große, längliche Aufhellung in der Milchstraße zu sehen. Wenn man von
ihr nach Norden schwenkt, gelangt man zunächst zum
hellen Gasnebel M 17, der noch im Sternbild Schützen
liegt. Die gleiche Strecke weiter nach Norden schwenkend (von M 24 etwa 5°) erreicht man dann M 16.
Für das erste Aufsuchen ist ein lichtstarker Feldstecher immer das Beste. In ihm fällt M 16 sofort als helle, große, diffuse Wolke auf. In kleineren Fernrohren
hingegen ist vom Nebel erstmal wenig zu sehen. Vielmehr erkennt man den Sternhaufen, der im Nebel eingebettet ist, und der aus etwa 50 Sternen besteht. In
größeren Teleskopen ab etwa 20 cm Öffnung hingegen
ist der Nebel als leichte, aber deutliche, großflächige
Aufhellung zu sehen. Ein OIII-Filter hilft beim Beobachten des Nebels.
Objekt
Rektasz. Deklinat. Art
M5
15 18 ,6 +02° 05‘ Kugelhaufen
h
m
NGC 5921 15 21 ,9 +05° 04‘ Galaxie
h
m
Hell.
3 ,6
m
In sehr klaren Nächten kann man versuchen, im Nebel eine besondere Struktur zu erkennen: Die „Säulen
der Schöpfung“, ein aktives Sternentstehungsgebiet im
Zentrum des Nebels. Diese dunklen Schläuche wurden
durch eine Aufnahme mit dem Hubble Space Telescope
berühmt, sind aber auch auf Abb. 6 gut zu erkennen.
Ich habe diese dunklen Säulen in meinem 36 cm Teleskop bei hoher Vergrößerung und sehr guten Bedingungen bereits sehen können. Sie erscheinen als dunkle
langgezogene Schläuche vor dem etwas helleren Nebelhintergrund. Auch hierbei ist ein Nebelfilter hilfreich.
Eine Liste der hellsten Objekte habe ich wie immer
beigefügt.
Viel Spaß beim Beobachten!
Stefan Funk
Größe
17,4‘
Beschreibung
Heller, großer Kugelhaufen, gut aufgelöst
11 ,7 4,9‘ x 4,2‘ Helle Galaxie, recht groß, sehr heller Kern
m
NGC 6604 18 18 ,0
-12° 15‘ Sternhaufen
8m,0
4‘
Kleiner Sternhaufen mit 30 Sternen
NGC 6605 18 18 ,4
-15° 01‘ Sternhaufen
m
6 ,0
15‘
Heller Sternhaufen mit 30 Sternen
NGC 6611 18 18 ,8
-13° 48‘ Nebel
6 ,6
35‘
Adlernebel
h
h
h
Mai 2014, Uranus 86
m
m
m
m
23
Abb. 4: Aufsuchkarte für M 16. Der untere Teil der Grafik zeigt noch
Objekte im Sternbild Schütze wie die Sternwolke M 24, die das Aufsuchen des Adlernebels erleichtern.
24
Uranus 86, Mai 2014
Abb. 5 (links): Eine Übersichtsaufnahme der Milchstraße im Grenzbereich
Schütze/Schlange, die fast das gleiche Feld zeigt wie links die Aufsuchkarte. Unterhalb der Bildmitte ist
die helle Sternwolke M 24 zu sehen.
Knapp links der Bildmitte befindet
sich der helle Omeganebel M 17, der
noch im Schützen liegt. Rechts oberhalb kommt dann ähnlich hell der
Adlernebel M 16. Am oberen Rand ist
schwach der große Sternhaufen NGC
6604 zu sehen, der von einem Gasnebel umgeben ist. Die Sternhaufen
in der rechten unteren Ecke bzw. am
linken Bildrand sind M 23 und M 25.
Aufgenommen mit einem 135 mm
Teleobjektiv, 30 min belichtet auf Kodak Ektapress 400 im August 1993
in Namibia. Aufnahme: Karl Thurner/
Stefan Funk
Abb. 6 (unten): M 16, aufgenommen
am 52 cm Newton f/3,7 im Juni 1988
in Puimichel. 20 min belichtet auf Kodak TP 2415 hyp. Deutlich sichtbar
sind die „Säulen der Schöpfung“ im
Herz des Nebels.
Aufnahme: Karl Thurner, Stefan Mayr,
Stefan Funk.
Mai 2014, Uranus 86
25
Alles voller Sterne
M35
Die vier Sternhaufen auf dieser Doppelseite sind das Ergebnis einer einzigen
klaren Nacht. Sie zeigen die hellen Sternhaufen M 35 (Zwillinge) M 36, M 37 und
M 38 (alle im Fuhrmann). Bereits im
Feldstecher sind diese Sternhaufen, die
allesamt am Wintersternhimmel nicht
weit voneinander entfernt liegen, gut zu
sehen. Im Fernrohr entfalten sie dann
ihre ganze Pracht. Alle Aufnahmen vom
12.03.2012 aus Lantershofen/Lkr. Ahrweiler.
Optik: FFC 4.0/760mm
Kamera: Canon EOS 1000D, 800 ASA
Belichtungszeiten: M 35: 4x 5 min,
M 36: 4x 5 min, M 37: 6x 5 min, M 38:
6x 5 min
M36
26
Uranus 86, Mai 2014
M37
Mai 2014, Uranus 86
M38
27
Wenn die Tage länger werden
„Weihnachten um an Muggenschritt,
Neujahr um an Hahnentritt,
Dreikönig um an Hirschensprung,
Lichtmess um a ganze Stund.“
Die nördlichsten Städte, die sich etwa auf dem
70. Breitengrad befinden, brauchen also einen vollkommen anderen Merkspruch!
Dr. Christine Zerbe
Tageslänge
Um die Weihnachtszeit – „wenn‘s wieder nauswärts
geht“ – ist dieser Spruch oft zu hören. Gemeint ist damit, dass die Tageslänge wieder zunimmt. Zuerst langsam und kaum merklich, dann aber immer schneller.
Hält diese Bauernregel einer näheren Überprüfung
stand?
Die Zunahme der Tageslänge von der Wintersonnwende (21.12.) bis Lichtmess (2.2.) hängt vom Breitengrad ab. Ein Blick in den Kalender oder entsprechende
Computerprogramme ergibt für den 48. Breitengrad,
also Augsburg, dass die Tageslänge von der Wintersonnwende bis Lichtmess um 72 Minuten zunimmt [1].
Die Regel passt also näherungsweise.
Man kann aber noch zusätzlich etwas über die geografische Herkunft des Spruchs herausfinden. Weiter
im Norden nimmt die Tageslänge schneller zu. Für den
53. Breitengrad (Bremen) ergibt sich in diesem Zeit14
raum schon eine Zunahme um 1 Stunde
30 Minuten. Daraus kann man schließen,
13
dass die Regel ihren Ursprung nicht im
Norden, sondern im Süden Europas hat.
12
Sie ist auch hauptsächlich im Alpenraum
verbreitet.
11
Auch die Beobachtung, dass die Tageslänge nicht gleichmäßig zunimmt,
10
stimmt. Um die Sonnwende verlängert
sich der Tag zunächst nur um Sekunden.
9
Am 21.3. (Tag- und Nachtgleiche) ist die
Änderungsrate maximal. Fast vier Minu8
ten pro Tag sind es bei uns. Danach verlangsamt sich die Zunahme wieder.
und am 23. September sind 12 Stunden Tag und
12 Stunden Nacht. Am 21. Juni steht die Sonne im
Zenit über dem nördlichen Wendekreis. Die Spitze
der gedachten Erdachse am Nordpol zeigt zur Sonne hin. Am 21. Dezember steht die Sonne im Zenit
über dem südlichen Wendekreis. Die Erdachse zeigt
am Nordpol von der Sonne weg.
3. Die polare Zone zwischen dem Polarkreis und dem
Pol (66,5° bis 90° nördliche bzw. südliche Breite). In
diesen Regionen existieren zusätzlich Polartag und
Polarnacht. In der Polarnacht erscheint die Sonne
nicht über dem Horizont, am Polartag geht sie nicht
unter. Die Länge dieser Phasen hängt vom Ort ab.
An den Polen dauern sie jeweils ein halbes Jahr, am
Polarkreis nur einen Tag.
7
0
20
40
60
80
100
Tage seit Wintersonnwende
Abb. 1a: Tageslänge in Stunden für die ersten 100 Tage nach der Wintersonnwende, für
den 48. Breitengrad
Abb. 1b: Zunahme der Tageslänge in Minuten für die ersten 100 Tage nach der Wintersonnwende, für den 48. Breitengrad (nördlich)
4
3,5
tägliche Zunahme der Tageslänge in Minuten
Wie ist das eigentlich genau mit der
Tageslänge? Wie sieht es damit in Äquatornähe und in Polnähe aus? Wegen der
Schiefe der Erdachse um 23,5° kann man
auf der Erde drei Beleuchtungszonen unterscheiden:
1. Die tropische Zone zwischen den Wendekreisen (23,5° nördliche bis 23,5°
südliche Breite). In dieser Zone gibt
es keine Jahreszeiten und die Tage
und Nächte sind annähernd (auf dem
Äquator sogar genau) gleich lang.
2. Die Mittelbreiten zwischen dem jeweiligen Wendekreis und dem Polarkreis (23,5° bis 66,5° nördliche bzw.
südliche Breite). Hier gibt es die uns
bekannten vier Jahreszeiten und Tageslängen. Eine typische Beleuchtungssituation markiert jeweils den
Beginn einer Jahreszeit. Am 21. März
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
0
20
40
60
80
100
120
Tage seit der Wintersonnwende
28
Uranus 86, Mai 2014
Die genaue Formel zur Berechnung der Tageslänge
in Abhängigkeit vom Breitengrad und vom Datum ist
recht kompliziert (für Herleitung und Zusammenfassungen siehe [2], [3], [4]). Die Formel für die Länge
des lichten Tages von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ist noch übersichtlich:
Tageslänge in Stunden = 2 . arccos (- tan ϕ . tan δ)/15°
Darin ist δ die Deklination der Sonne am gewünschten Tag und ϕ die geographische Breite des Beobachtungsortes. In dieser Formel werden der Einfluss der
Atmosphäre und die Höhe des Beobachtungsortes vernachlässigt.
Wir brauchen also noch eine Formel für die Deklination der Sonne: δ = 23,463 . sin(0,96864 . (T - 80,086))
T ist die Anzahl der Tage seit dem 1. Januar. Beispiel:
Am 20. März gilt T = 79.
Um diese Formel so einfach zu halten, wird unter anderem eine kreisförmige Erdbahn angenommen. Die
Kombination der beiden Formeln ergibt die gesuchte
Tageslänge. Alle Berechnungen werden in Grad ausgeführt. Beim Vergleich mit den exakten Daten findet
man Abweichungen von einigen Minuten. Das liegt an
den verwendeten Näherungen.
25
Bild 2 Tageslänge in Stunden
---------: 30° nördl. Breite
. . . . . .: 50° nördl. Breite
- - - - - : 65,5° nördl. Breite
20
Tageslänge
15
10
5
0
0
50
100
150
200
250
300
350
400
Tag (ab 1. Januar)
25
20
Tageslänge
15
10
Bild 3 Tageslänge in Stunden
---------: 0° nördl. Breite
---------.: 20° nördl. Breite
. . . . . . : 70° nördl. Breite
- - - - - : 82° nördl. Breite
5
0
0
50
100
150
200
250
300
350
400
Tag (ab 1. Januar)
Literatur
[1] http://www.calsky.com
[2] http://herbert.gandraxa.com/length_of_day.xml,
abgerufen am 10.03.14
[3] http://lexikon.astronomie.info/zeitgleichung,
abgerufen am 10.03.14
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Tageslänge,
abgerufen am 10.03.14
Mai 2014, Uranus 86
Da sich dieses dreidimensionale Problem oft besser
durch eine dreidimensionale Darstellung erschließt,
sind hier noch zwei Animationen:
http://www.youtube.com/watch?v=5Le-unFy18A
http://www.youtube.com/watch?v=2eUtJeZdHqQ
29
Marktübersicht
Eine Reisemontierung
Was leistet sie, wozu kann sie eingesetzt werden?
Seit einiger Zeit sind eine ganze Reihe Reisemontierungen auf dem Astro-Markt. Kompakt und in der Bauweise ähnlich sind: Vixen Polarie Star Tracker für ca.
400 €, Nano Tracker von Sightron (im Vertrieb durch
Celestron) für ca. 240 € und die Skytracker von Ioptron
mit Polsucheraufsatz für ca. 470 €. Alle bestehen aus
Schrittmotor, Untersetzung mit Schneckenrad, Basis
mit 1/8“ oder 3/8“-Kameragewinde und einer Energieversorgung mit AA Zellen. Auf dem Markt sind noch
Alternativen, diese sind aber größer, sperriger und erfüllen nicht meine Vorgabe: Passt wie eine Optik in den
Fotorucksack.
Der Nanotracker von Sightron aufgerüstet mit
Polsucher des Verfassers
Im Nanotracker ist für das Einnorden lediglich eine
5 mm-Bohrung vorgesehen. Im Einsatz mit Kugelkopf
und Kamera ist diese Lösung kaum praktikabel, denn
das Visierloch ist durch den Drei-Wege-Stativkopf und
den Kugelkopf für die Kamera entweder verdeckt oder
nicht benutzbar. Daher ist (mit Ingos Hilfe) ein einfaches, aber justierbares Sucherfernrohr angebaut. Es
erlaubt in den Aufnahmepausen die wichtige Kontrolle der Einnordung, denn gerade ein leichtes Fotostativ
kann durch eine kleine Unachtsamkeit schnell verrutschen.
Ein Photostativ mit Drei-Wege-Kopf, darauf die Aluschiene für den Tracker und das Sucherfernrohr mit
Schnellkupplung. Auf der Schiene der – weiße – Tracker, darauf ein Kugelkopf für die Kamera. Das weiße
Abb. 1: Meine Ausrüstung aufgebaut…
Abb. 2: …und in Einzelteile zerlegt
Kabel führt zum weißen Kästchen für die drei Zellen
der Größe AA, hier wird der Tracker auch eingeschaltet. Das schwarze Kabel ist zum Auslösen der Kamera.
Falls die Kamera mit ihrer Optik und das Stativ
bereits für andere Fotoaufgaben mit dabei sind, beschränkt sich das zusätzliche Gewicht auf 1,3 kg. Da
das Sucherfernrohr vor der Aufnahme z.B. an einem
hellen Stern an dem Visierloch justiert wird, ist die
Konstruktion zerlegt nicht sperrig und passt – nach
Vorgabe – in den Fotorucksack.
Folgende Teile gehören dazu:
• Kurzzeituhr für die Belichtung
• rot abgedimmtes Kopflicht
• Energieteil des Nanotrackers mit Kabel
• Ersatzakkus
• Sucherfernrohr
• Kugelkopf für die Kamera
• Aluschiene mit Halterung
• Nanotracker von Sightron (ganz rechts)
Was die Montierung leisten kann, zeigt das Milchstraßenmosaik in Abb. 3. Alle Bilder wurden mit 2 min
Belichtungszeit und einer Brennweite von 75 mm in
Döpshofen aufgenommen.
Ein Tipp zur Fokussierung: Wie bei der Fernrohrfotografie wird mit „LiveView“ an einem hellen Stern
fokussiert. Sein Seeingscheibchen wird bei kurzer
Brennweite so klein, dass er ohne Vergrößerung des
Vorschaubilds nicht zu finden ist. Möglichst genau in
der Bildmitte taucht er bei „LiveView mal 5“ dann doch
auf.
Wie groß ist der Gewinn an Aufnahmetiefe?
Dies zeigt die Tabelle, die aber nur für eine Deklination von 45 Grad gilt. Daher ist am Beginn jeder Aufnahmesession – zumindest bis genügend Erfahrungswerte
vorliegen – ein Test, bis zu welcher Belichtungszeit die
Sterne rund bleiben, notwendig.
30
Uranus 86, Mai 2014
Smartphone. Beispielsweise auf der Seite polarfinder.
com gibt es die App für alle Handy-Betriebssysteme.
Zur Bedienung des Nanotrackers
Auf der Energieversorgung befindet sich der An-/
Aus-Schalter. Ein Richtungswechsel für den Südhimmel und die Wahl der halben Sterngeschwindigkeit
für Motive mit Vordergrund sind möglich. Andere Geschwindigkeiten, wie z.B. die Mondgeschwindigkeit,
sind nur über kryptische Schaltfolgen einstellbar, aber
für solch ein Gerät auch nicht erforderlich. Die Bedienungsanleitung ist leider nur in Englisch.
Resumee
Astrofotografie mit solch einer Montierung macht
Laune, denn es ist nicht so viel und so schwere Ausrüstung notwendig, die letztlich nur neben dem PKW „in
Stellung gebracht“ werden kann. Auch bei Flugreisen
kann dieses Gepäck problemlos mitgenommen werden.
Mit dem Einbeziehen von Landschaft gehen die Motive
nicht aus. Die Bilder auf der Webseite „Die Welt bei
Nacht“ sind Beispiele.
Gerhard Grauf
Abb. 3: Milchstraßenmosaik aufgenommen mithilfe des Nanotrackers
Brennweite
f in mm
tmax in s
(Kamera
fest)
tmax in s
Aufnah(Reisemon- metiefe
tierung)
größer um
16
28
360
28
16
320
35
13
300
50
9
250
85
6
140
100
4
90
5m,5
6m,7
Tab. 1: Gewinn an Aufnahmetiefe (s.a. Anhang)
Als Beispiel: Mit der Reisemontierung erreicht man
die 12. Größenklasse (12m).
Falls Sie Neubenutzer einer Reisemontierung sind:
Brennweiten von 15 bis 50 mm und Belichtungszeiten
bis 120 s klappen meist auf Anhieb.
Wie werden die Einsatzgrenzen erweitert?
Die Einnordung des Trackers liefert die größten Ungenauigkeiten. Der Blick durch die 5 mm-Bohrung des
Trackers – mit ca. 50 cm Augenabstand – ergibt einen
Winkel von 1,1 Grad, der angebaute Sucher hat einen
Bildwinkel von 7,5 Grad. Der Polarstern rotiert auf
einem Kreis mit 1,5 Grad Durchmesser um den Himmelspol. Kennt man die Lage des Polarsterns, ausgedrückt am besten als Uhrzeit, so kann man diesen nicht
aufs Fadenkreuz, sondern 1/5 nebenhin legen. Die Lage
liefert ein Planetariumsprogramm oder eine App fürs
Mai 2014, Uranus 86
Quellen und weitere Infos zum Thema:
• „Die Welt bei Nacht“
http://www.twanight.org/newTWAN/index.asp
• Sterne und Weltraum 01/2014
„Südwärts mit dem Ioptron Skytracker“
• Koch / Martin „Digitale Astrofotografie“
mit Sucharbeit im Buch
Erfahrungsberichte zu den Produkten auf den Seiten
der Vertreiber, beispielsweise für die Vixen Polarie:
intercon-spacetec.de/rat/rat-montierungen/polarie/
oder für die Skytracker von Ioptron
www.teleskop-express.de/shop/Bilder/shop/IOptron/
service/skytracker-review.pdf
Anhang
Ein wenig Theorie, wer keine Mathematik mag, kann
den Anhang überlesen.
Ist die echte Brennweite der Optik oder die mit dem CropFaktor vervielfachte maßgebend?
Für Strichspur-Bedingungen ist sofort klar: Die Bewegung des Sterns auf dem Sensor ist nur von der echten Brennweite abhängig, der Crop-Faktor verkleinert
nur das Bildfeld.
Bildschärfe und Streuscheibchendurchmesser
Über den Durchmesser des Streuscheibchens wird die
Schärfe einer Aufnahme definiert: Wird ein Punkt im
Gegenstandsraum im Bildraum mit dem Durchmesser
des Streuscheibchens abgebildet, so ist er gerade noch
scharf. Die Grenzwerte sind für Kleinbild oder Vollformatsensor z = 0,033 mm und für APS C Sensoren z =
0,022 mm (22 μm). Die Beugung ist zur Vereinfachung
vernachlässigt.
31
Wie groß ist die maximale Belichtungszeit tmax für runde
Sterne bei feststehender Kamera?
Die Werte sind überraschend kurz. tmax wird nach der in
der Literatur oft zitierten Formel berechnet:
[s]
γ ist hier der aus dem Streuscheibchen und der Brennweite berechnete Bildwinkel. Die Formel hierzu :
(
)
f ist die Objektivbrennweite in mm
δ ist die Deklination des Sterns in Grad
B ist die Bildgröße, hier der Streuscheibchendurchmesser, denn es soll definiert werden, wann das Bild
unscharf wird. Über diese Größe wird die Bildschärfe
definiert, denn was ist Schärfe eigentlich?
Zur Abschätzung des Gewinns an Tiefe der Aufnahme in
Magnituden dient die Formel
(
)
Die Spalte der möglichen Belichtungszeiten mit Reisemontierung stammt aus Versuchen des Verfassers.
Wie wichtig die genaue Ausrichtung auf den Pol ist,
kann aus den modifizierten Gleichungen von Scheiner
für die Drift abgeschätzt werden:
Drift ν in Bogensec pro Zeitminute.
Aufstellfehler ∆ in Azimut und Höhe gleich angenommen in Bogenminuten. Zahlenbeispiel: ∆ = 66 Bogenminuten, Optik f = 50 mm und 4,7μm mal 4,7μm
Pixelgröße des Kamerasensors. Es ergibt sich eine
Drift von ca. 2,5 Pixel/min oder 11,6 μm/min, das ist der
halbe Zerstreuungskreisdurchmesser bei APS C, und
damit ist die Grenze für punktförmige Sterne erreicht.
Neues aus der Forschung
Drei Planeten in der habitablen Zone eines nahen Sterns
Gliese 667C erneut unter die Lupe genommen
E
in Astronomenteam, angeführt von Wissenschaftlern
von der Universität Göttingen, hat neue Beobachtungen von Gliese 667C mit bereits vorhandenen Daten
des HARPS-Instruments am 3,6-Meter-Teleskop der ESO
in Chile kombiniert und konnte so ein Planetensystem
mit mindestens sechs Planeten nachweisen. Eine Rekord­
anzahl von drei Planeten dieses Systems sind Super­
erden und liegen zusätzlich in dem Abstandsbereich um
den Stern, in dem flüssiges Wasser möglich sein könnte.
Dies macht sie zu möglichen Kandidaten für die Existenz
von Leben. Es ist zudem das erste Planetensystem mit
einer voll besetzten habitablen Zone, das bisher entdeckt
wurde.
Gliese 667C ist ein sehr gut untersuchter Stern. Mit
einer Masse von etwas über einem Drittel der Sonnenmasse ist er Teil eines Dreifachsternsystems mit dem
Namen Gliese 667 (abgekürzt auch GJ 667), das sich
etwa 22 Lichtjahre entfernt im Sternbild Skorpion befindet. Für einen Stern ist dies sehr nahe – sozusagen
in unserer unmittelbaren kosmischen Nachbarschaft –
und deutlich näher als die Sternsysteme, die mit Teleskopen wie dem Weltraumteleskop Kepler untersucht
werden, das speziell für die Suche nach Exoplaneten
entwickelt wurde.
Frühere Untersuchungen von Gliese 667C hatten
bereits ergeben, dass das Sternsystem drei Planeten
beherbergt, von denen sich einer in der habitablen
Zone befindet. Nun hat ein Team von Astronomen unter der Leitung von Guillem Anglada-Escudé von der
Universität Göttingen und Mikko Tuomi von der Universität Hertfordshire in Großbritannien das System
neu untersucht. Dazu haben die Wissenschaftler neue
32
Beobachtungen mit dem HARPS-Instrument mit den
Daten des W. M. Keck-Observatoriums, der MagellanTeleskope und des Very Large Telescope der ESO zu
den bereits vorhandenen Daten hinzugefügt. Die Gruppe hat dabei Anzeichen von bis zu sieben Planeten um
den Stern gefunden.
Die Astronomen hatten dazu Radialgeschwindigkeitsmessungen von Gliese 667C erstellt, eine Methode,
die oft für die Suche nach Exoplaneten verwendet wird.
Sie führten eine Analyse durch, um die Signale der Planeten zu detektieren. Die ersten fünf Signale sind sehr
deutlich, während das sechste Signal schwach und das
siebte noch schwächer ist. Das System besteht aus drei
Supererden in der habitablen Zone, zwei heißen PlaAbb. 1: Diese künstlerische Darstellung illustriert den Anblick des Himmels vom Exoplaneten Gliese 667Cd in Richtung seines Muttersterns
Gleise 667C. Im Hintergrund rechts sind die weiter entfernten Sterne
des Dreifachsystems (Gliese 667A und Gliese 667B) zu sehen, links
steht ein weiterer neu entdeckter Planet, Gliese 667Ce, als Sichel am
Himmel.
Uranus 86, Mai 2014
neten weiter innen und zwei kühleren Planeten weiter
außen. Man kann davon ausgehen, dass die Planeten
nahe am Stern und auch die in der habitablen Zone
dem Stern immer die selbe Seite zuwenden, so dass ihr
Tag und ihr Jahr die gleiche Dauer haben, wobei auf einer Seite dauernder Sonnenschein und auf der anderen
dauernde Nacht herrscht.
All diese Planeten umkreisen den leuchtschwächsten
Stern in einem Dreifachsystem. Von diesen neu entdeckten Planeten aus gesehen würden die beiden anderen Sterne wie ein Paar zusätzlicher Sonnen tagsüber
am Himmel aussehen. Nachts würden sie so viel Helligkeit bieten, wie der Vollmond. Die neuen Planeten füllen die habitable Zone von Gliese 667C komplett aus,
da es keine weiteren stabilen Umlaufbahnen in dem
passenden Entfernungsbereich mehr gibt, auf denen
noch ein Planet existieren könnte.
„Wir wussten aus früheren Untersuchungen, dass der
Stern drei Planeten hat. Also wollten wir überprüfen, ob
es noch mehr gibt”, erläutert Tuomi. „Wir haben neue
Beobachtungen hinzugenommen und sind die vorhandenen Daten nochmals durchgegangen. So waren wir
nicht nur in der Lage, die Existenz dieser drei Planeten
zu bestätigen, sondern haben mit Gewissheit zusätzliche
Planeten nachgewiesen. Drei massenarme Planeten in
der habitablen Zone des Sterns zu finden, ist sehr aufregend!”
Drei der Planeten sind bestätigte Supererden – also
massenreicher als die Erde, aber gleichzeitig massearm
im Vergleich zu mittelgroßen Gasplaneten wie Uranus oder Neptun – die sich in der habitablen Zone des
Sterns befinden: Einer dünnen Schale um den Stern,
in der Wasser unter geeigneten Bedingungen in flüssiger Form vorkommen könnte. Es ist das erste Mal,
dass drei solcher Planeten mit Umlaufbahnen in dieser
Zone im selben System gesichtet wurden.
„Die Zahl potentiell bewohnbarer Planeten in unserer
Galaxis ist unermesslich groß, wenn wir davon ausgehen können, mehrere von ihnen um jeden massearmen
Stern zu finden – anstatt uns zehn Sterne anzuschauen
um einen potenziell bewohnbaren Planeten zu finden,
wissen wir nun, dass es ausreichen kann, wenn wir nur
Abb. 2: Diese Grafik zeigt das Planetensystem um Gliese 667C. Eine
Rekordanzahl von drei Planeten dieses Systems sind Supererden und
liegen zusätzlich in dem Abstandsbereich um den Stern, in dem flüssiges Wasser möglich sein könnte. Dies macht sie zu möglichen Kandidaten für die Existenz von Leben. Es ist zudem das erste Planetensystem mit einer voll besetzten habitablen Zone, das bisher entdeckt
wurde. Die ungefähren Größen der Planeten und ihres Muttersterns
sind maßstabsgetreu zueinander abgebildet, ihre relativen Abstände
zueinander jedoch nicht.
einen Stern untersuchen, um mehrere solcher Planeten
zu finden”, fügt Koautor Rory Barnes von der University of Washington in den USA hinzu.
Kompakte Planetensysteme um sonnenähnliche
Sterne sind in der Milchstraße reichlich vorhanden.
Planeten, die nahe um solche Sterne kreisen, sind sehr
heiß und es ist unwahrscheinlich, dass sie bewohnbar
sind. Für kühlere und lichtschwächere Sterne wie Gliese 667C ist das jedoch nicht der Fall. Hier befindet sich
die habitable Zone vollständig innerhalb der Merkurbahn, also viel näher am Stern als es für unsere Sonne
der Fall ist. Im Sonnensystem kreist die Venus nahe am
Innenrand der habitablen Zone und der Mars nahe am
Außenrand. Die genaue Ausdehnung der habitablen
Zone hängt dabei von vielen Faktoren ab.
Das System von Gliese 667C ist das erste Beispiel für
ein System, in dem ein solcher massearmer Stern mehrere Planeten in der habitablen Zone beherbergt, die
möglicherweise Gesteinsplaneten sind.
Quelle: ESO Press Release
Neue Hinweise auf geheimnisvollen Ursprung der kosmischen Strahlung
Das VLT untersucht die Überreste einer mittelalterlichen Supernova
D
etaillierte Beobachtungen der Überbleibsel einer Supernova mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO
haben neue Hinweise auf den Ursprung der kosmischen
Strahlung geliefert. Erstmals wurden Anzeichen von
schnellen Teilchen gefunden, die so etwas wie die Vorläufer der kosmischen Strahlung sein könnten.
Im Jahr 1006 n. Chr. leuchtete am Südhimmel ein
neuer Stern auf, der heller als der Planet Venus wurde und vielleicht sogar die Helligkeit des Mondes erreichte. Dieses Ereignis wurde an vielen Orten auf der
Welt beobachtet, zumal der neue Stern im Maximum
seiner Helligkeit nachts Schatten warf und sogar am
Taghimmel sichtbar blieb. Viel später wurde der geMai 2014, Uranus 86
naue Ort dieser Supernova, die von den Astronomen
die Bezeichnung SN 1006 erhielt, im südlichen Sternbild Lupus (Wolf) identifiziert. An dieser Stelle wurde
eine leuchtende Schale aus expandierender Materie
entdeckt, die den Überrest der gewaltigen Explosion
darstellt.
Schon seit langem vermutet man, dass solche Supernovaüberreste die Orte sind, an denen ein Teil
der sogenannten kosmischen Strahlung erzeugt wird
– hochenergetische Teilchen, die von außerhalb des
Sonnensystems stammen und sich beinahe mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Die Details dieses Prozesses
sind jedoch immer noch rätselhaft.
33
Abb. 1: Dieses eindrucksvolle Bild wurde aus Einzelaufnahmen verschiedener Teleskope im Weltall und auf dem Erdboden erstellt. Es
zeigt den Supernovaüberrest SN 1006 im Radiobereich, im Röntgenlicht und im sichtbaren Licht.
Ein von Sladjana Nikolić vom Max-Planck-Institut
für Astronomie in Heidelberg geleitetes Astronomenteam hat mit dem Instrument VIMOS am VLT den
tausend Jahre alten Supernova-Überrest SN 1006
genauer als je zuvor unter die Lupe genommen. Das
Ziel der Forscher war es, herauszufinden, was genau
an der Stelle geschieht, an der das bei der Supernova
mit hoher Geschwindigkeit herausgeschleuderte Material auf die im Vergleich dazu nahezu stillstehende
interstellare Materie trifft. An dieser Stelle bildet sich
eine sogenannte Schockfront aus, die sich mit hoher
Geschwindigkeit ausdehnt und Ähnlichkeit mit dem
Überschallknall eines Düsenflugzeugs hat. Sie könnte
als kosmischer Teilchenbeschleuniger an der Erzeugung der kosmischen Strahlung beteiligt sein.
Dem Team gelang es, erstmals Informationen zur
Materie im Schock zu sammeln, und dabei nicht nur
eine Stelle der Schockfront zu vermessen, sondern eine
ganze Karte der Eigenschaften des Gases und ihrer
räumlichen Variationen zu erstellen. Daraus ergaben
sich wichtige Hinweise auf eine mögliche Lösung des
Rätsels der kosmischen Strahlung.
Zur Überraschung der beteiligten Wissenschaftler
gibt es Anzeichen für eine große Zahl von schnellen
Protonen im Gas der Schockregion. Diese Protonen
34
bezeichnet man als suprathermisch, da sie sich viel
schneller bewegen als man allein an Hand der Temperatur der Materie erwarten würde.
Bei diesen Protonen handelt es sich noch nicht um
die kosmische Strahlung selbst, sondern um Vorläuferteilchen (engl. „seed particles“), die anschließend durch
Wechselwirkung mit der Schockfront auf die erforderlichen hohen Energien beschleunigt werden und als
Teilchenstrahlung hinaus in den Raum fliegen können.
Nikolić erklärt: „Dies ist das erste Mal, dass wir die
physikalischen Prozesse in und um die Schockregion
genauer untersuchen konnten. Wir haben dabei Hinweise auf die Existenz einer Region gefunden, die offenbar auf genau jene Weise erwärmt wird, wie man es
erwarten würde, wenn dort Protonen existieren, welche die Energie aus direkt hinter der Schockfront gelegenen Regionen in die Bereiche direkt vor dem Schock
transportieren.“
Bei der Studie wurde erstmals ein IntegralfeldSpektrograf verwendet, um die Eigenschaften einer
Supernova-Schockfront derart detailliert zu untersuchen. Dabei wird das Licht, das auf jeden Pixel fällt,
in seine Spektralfarben zerlegt. Jedes dieser Spektren
wird dann registriert. Bei der anschließenden Analyse
können so zum Beispiel räumlich aufgelöste Karten der
Geschwindigkeitsverteilung oder der chemischen Zusammensetzung des beobachteten Objekts gewonnen
werden.
Das Bild links auf Abb. 2 zeigt den gesamten Supernova-Rest, und ist identisch mit Abb. 1. Die zweite
Aufnahme von links ist ein Ausschnitt aus dem ganz
linken Bild (mit einem weißen Kästchen markiert). Es
zeigt die Schockfront, wo das Gas der Supernova mit
dem interstellaren Medium kollidiert. Rechts davon ist
das Gesichtsfeld des VIMOS Spektrografen zu sehen.
Die kleinen Elemente, die auf der Aufnahme zu sehen
sind, können von diesem Instrument gleichzeitig spektral analysiert werden. Dies ist auf der rechten Aufnahme dargestellt. Sie zeigt eine Karte der Verbreiterung
der Spektrallinien (hervorgerufen durch unterschiedliche Geschwindigkeiten), was auf die Anwesenheit von
hochenergetischen Protonen schließen lässt.
Quelle: ESO Press Release
Abb. 2: Detailaufnahme der hellen Kante am oberen Rand des Supernovarestes (vgl. auch Abb. 1), sowie eine räumliche Spektralaufnahme
der Region mit dem Integralfeld-Spektografen.
Uranus 86, Mai 2014
NASA-Teleskope erkennen Wetterschichten auf einem Braunen Zwerg
Abb. 1:
Künstlerische
Darstellung
2MASSJ22282889-431026.
M
des
Braunen
Zwerges
it dem Spitzer-Teleskop und dem Hubble Weltraumteleskop der NASA haben Forscher die stürmische Atmosphäre eines Braunen Zwerges untersucht.
Sie erstellten die bis dato detaillierteste „Wetterkarte”
bei einem solchen Objekt. Die Ergebnisse zeigen, dass es
auf diesem exotischen Objekt Wolken gibt, die etwa Planetengröße haben und von Winden angetrieben werden.
Braune Zwerge bestehen wie normale Sterne aus
Gas. Da sie aber nicht über genügend Masse verfügen,
verschmelzen sie in ihrem Inneren keinen Wasserstoff,
um Energie zu erzeugen. Diese Objekte werden manchmal als „Versager-Sterne” bezeichnet und ähneln eher
den Gasplaneten in unserem Sonnensystem. Die neuen
Forschungsergebnisse beleuchten nicht nur die Natur
dieser Braunen Zwerge, sondern ermöglichen auch ein
besseres Verständnis der äußeren Planeten unseres
Sonnensystems.
Mit den beiden genannten Teleskopen gelang es
den Forschern, auf verschiedene Wolkenschichten
zu blicken. Dazu beobachteten sie gleichzeitig den
Braunen Zwerg mit dem etwas sperrigen Namen
„2MASSJ22282889-431026“. Sie konnten erkennen,
dass seine Helligkeit im Laufe der Zeit schwankte, mit
einer Periode von etwa 90 Minuten. Diese Schwankungen kamen durch die Rotation des Körpers zustande. Aber überraschenderweise änderte sich die
Helligkeit auch je nach beobachteter Wellenlänge im
infraroten Licht.
Diese Helligkeitsschwankungen lassen sich dadurch erklären, dass man verschiedene Schichten der
sich schnell bewegenden Atmosphäre beobachtet. Die
Strukturen dabei sind etwa so groß wie unsere Erde.
Die Schichten werden sichtbar, weil Hubble und Spitzer in verschiedenen Wellenlängen beobachteten. Das
Licht wurde dann in den oberen Schichten durch Wasserdampf und Methan absorbiert, während es bei anderen Wellenlängen ungehindert aus dem Inneren entweichen konnte.
Im Gegensatz zu den aus Wasser bestehenden Wolken der Erde oder den Methan-Wolken auf Jupiter,
bestehen die Wolken bei Braunen Zwergen aus heißen
Sandkörnern, flüssigen Eisentröpfchen und anderen
exotischen Materialien.
Mai 2014, Uranus 86
Abb. 2: Simultane Helligkeitsmessungen an 2MASSJ22282889-431026
mit beiden Teleskopen. Da der Braune Zwerg sich etwa in 1,4 Stunden
um seine eigene Achse dreht, schwankt seine Helligkeit mit der gleichen Periode. Erstaunlicherweise treten die Helligkeitsmaxima bei unterschiedlichen Wellenlängen nicht gleichzeitig auf – die Phasen sind
zueinander verschoben.
Den Forschern gelang mit dieser Untersuchung erstmals ein simultaner Blick in die verschiedenen Wolkenschichten eines Braunen Zwerges. Obwohl diese
Objekte im Vergleich zu normalen Sternen relativ kühl
sind, beträgt ihre mittlere Temperatur immer noch
etwa 600 – 700°C.
Bei den Beobachtungen konnten Strukturen erkannt werden, die vielleicht dem Großen Roten Fleck
auf dem Jupiter ähneln, wenn sie auch deutlich größer
sind. Die Helligkeitsschwankungen zeigen, wie die Wolkenschichten vertikal aufgebaut sind. Aufgrund dieser
Untersuchungsergebnisse sind nun weitere Beobachtungskampagnen bei anderen, nahe gelegenen Braunen Zwergen geplant.
Quelle: NASA/JPL/University of Arizona
Abb. 3: Künstlerische Darstellung der Atmosphäre des Braunen
Zwerges 2MASSJ22282889-431026, der das Ziel der Messkampagne
war.
35
Staubige Überraschung um riesige Schwarze Löcher
M
it einem Interferometer-Instrument am Very Large
Telescope der ESO ist es gelungen, die bisher detailliertesten Beobachtungen von Staubwolken um große
Schwarze Löcher in den Zentren von aktiven Galaxien zu
machen. Jedoch sah das Ergebnis anders aus als erwartet. Der Staub erschien nicht als leuchtender doughnutförmiger Staubring um das Schwarze Loch. Vielmehr
scheint es, dass der meiste Staub oberhalb und unterhalb des Staubringes zu finden ist. Dies bedeutet, dass
der Staub als kühler Materiewind vom Schwarzen Loch
weggeblasen wird. Dies ist mit den bisherigen Theorien
nicht so leicht zu erklären.
In den letzten zwanzig Jahren hatten die Astronomen
in beinahe allen Zentren der Galaxien ein großes
Schwarzes Loch entdeckt. Einige dieser Schwarzen Löcher nehmen an Masse zu, indem sie Materie aus ihrer
Umgebung ansaugen, was sie zu den leuchtkräftigsten
Objekten des Universums macht: Die so genannten
aktiven galaktischen Kerne (Active Galactic Nuclei =
AGN). Die zentralen Gebiete dieser Energiemonster
sind von einem doughnut-förmigen Staubring umgeben. Der Staub wird aus seiner Umgebung angezogen,
ganz ähnlich wie Wasser, das in einem Waschbecken in
den Abfluss gezogen wird. Dieser Staub besteht aus Silikaten und Kohlenstoff-Körnern – also Mineralien, die
auch auf der Erde vorkommen. Der Rauch einer Kerze
ist diesem kosmischen Kohlenstoff sehr ähnlich, obwohl die Rauchpartikel etwa zehn mal größer sind als
die Körner des kosmischen Kohlenstoffs.
Bisher nahm man an, dass der meiste Teil der Infrarot-Strahlung aus den AGN dieser Staubringe herrührte. Aber neue Beobachtungen der nahen aktiven
Galaxie NGC 3783 mit dem VLT Interferometer der
ESO auf dem Cerro Paranal in Chile überraschten die
Forscher. Obwohl der heiße Anteil des Staubs – zwischen 700 und 1000 Grad Celsius heiß und im nahen
Infraroten strahlend – einen Staubring bildet, konnten sie große Mengen an
kühlerem Staub oberhalb
und unterhalb des Rings bei
Wellenlängen von 8-13 Mikrometern nachweisen. Zum
ersten Mal konnten hierbei
gleichzeitige hoch aufgelöste
Beobachtungen von Staub
bei Zimmertemperatur wie
auch von heißem Staub um
einen AGN gemacht werden.
Der neu entdeckte Staub
bildet einen kühlen Materiestrom weg vom Schwarzen
Loch. Dieser Materiewind
muss eine wichtige Rolle in
der komplexen Beziehung
zwischen dem Schwarzen
Loch und seiner Umgebung
spielen. Das Schwarze Loch
zieht mit seinem schier un-
36
stillbaren Appetit Materie aus seiner Umgebung an.
Die intensive Strahlung, die dabei entsteht, scheint jedoch auch Materie von ihm wegzublasen. Bisher weiß
man nicht, wie diese beiden Prozesse zusammenhängen, und es dem Schwarzen Loch erlauben, sich in der
Galaxie zu entwickeln und zu wachsen. Aber dieser
Materiewind trägt zum weiteren Verständnis dieser
Objekte bei.
Um die zentrale Region der Galaxie NGC 3783 zu untersuchen, nutzten die Forscher die kombinierte Auflösung des VLT. Wenn man die vier einzelnen Teleskope
zusammenschaltet, haben sie die gleiche Auflösung wie
ein einzelnes Teleskop mit 130 Metern Durchmesser.
Prinzipiell funktioniert dies auch mit kleineren Teleskopen. Durch die große Spiegelfläche der Einzelteleskope des VLT (je 8,2 Meter) kommt jedoch genügend
Licht zusammen, um auch schwächere Objekte untersuchen zu können. Daher konnten im vorliegenden Fall
Gebiete untersucht werden, die dem Abstand der Sonne zu ihren Nachbarsternen entspricht – also nur wenige Lichtjahre groß sind, und dies über eine Entfernung
von mehreren zig Millionen Lichtjahren.
Die Ergebnisse beinhalten einen gewissen Widerspruch. Sie zeigen, dass Staub vom Schwarzen Loch
durch die immens große Strahlung weggeblasen wird.
Auf der anderen Seite wachsen die Schwarzen Löcher
in den Galaxien weiter an und gewinnen an Masse. Der
entdeckte Staubwind muss nun in die Betrachtungen
mit einbezogen werden.
Quelle: ESO Press Release
Diese künstlerische Darstellung zeigt die Umgebung des supermassiven Schwarzen Lochs im Zentrum von NGC 3783. Neue Untersuchungen haben gezeigt, dass dort nicht nur ein Staubring existiert,
sondern auch ein Wind aus kühlem Staub entlang der Polarregionen
des Objektes.
Uranus 86, Mai 2014
Sebastian Rink
Mai 2014, Uranus 86
37
Was wäre, wenn?
D
ie Supernova in der Galaxie M 82 –
entdeckt am 15. Januar – ist in aller
Munde, man kann sie beobachten und
auch fotografieren. Dies ist Anlass zur Frage: Wenn eine Supernova in unserer Umgebung, sozusagen in unserem kosmischen
Vorgarten, hochgeht, was passiert hier auf
unserer Erde?
Konkret wird der Stern Beteigeuze als
Beispiel herangezogen, er wird in Fachkreisen als „aussichtsreicher Kandidat“
gesehen. Wann es allerdings soweit ist,
darüber gibt es noch keinen Konsens,
von innerhalb der nächsten 1 000 Jahre
bis frühestens in 100 000 Jahren liegen
die Schätzungen.
Der Stern Beteigeuze oder α Orionis (im Sternbild
Orion) ist ein roter Überriese, er ist 700-mal größer
als die Sonne, hat etwa 20 Sonnenmassen und leuchtet
etwa 10 000 mal heller als sie. Mit einem Abstand von
640 Lichtjahren ist er sozusagen nahe bei uns. Beteigeuze ist neben den Sternen Mira und Atair einer der
wenigen, der mit heutiger Teleskoptechnik als Fläche
sichtbar ist.
Auf Erläuterungen über den Mechanismus, der bei
einer Supernova Typ II (hydrodynamische SN) abläuft,
wird nachfolgend verzichtet, denn es werden ausschließlich die Auswirkungen auf unsere Erde besprochen werden. Endstadium ist bei der „SN Beteigeuze“
massebedingt ein stellares schwarzes Loch.
Eine wichtige Auswirkung für die Berufsastronomen
von heute: Zwar kann das Aufleuchten heute genauso
wenig exakt vorhergesagt werden wie bei der SN im
Abb. 2: Der Stern Beteigeuze heute. Er „kocht und wabert“ schon, wann
kommt er?
38
Abb. 1: Supernova SN 2014J in M 82
Jahre 1054, jedoch sind die Köpfe der Astronomen heute – im Gegensatz zu dem des kaiserlichen Hofastronomen in China – in Sicherheit.
Als erstes erreichen uns die Gravitationswellen (Ausbreitung mit Lichtgeschwindigkeit) des zusammenstürzenden Zentralbereichs. Der Nachweis der resultierenden Raumverzerrung scheint bei der geringen
Entfernung mit allen Detektortypen möglich. Für eine
SN in unserer Milchstraße wird ein Gravitationsstrahlenausbruch mit einer Dauer zwischen 1 Millisekunde
und bis zu 1 Sekunde sowie einer relativen Raumverzerrung h ~ 10-17 erwartet. Weiterentwickelte Detektoren von Typ „Weber gekühlt“ (Empfindlichkeit h ~
3 . 10-17) und Laserinterferometriedetektoren (Empfindlichkeit h ~ 10-21) wie GEO 600 bei Hannover oder die
beiden LIGO-Geräte mit 4 000 m Armlänge in den USA
weisen die „SN Beteigeuze“ sicher nach.
Danach kommt der Neutrinoschauer auf der Erde
an, die Neutrinos transportieren 99 % der Energie des
Ausbruchs. Wegen des sehr kleinen Wirkungsquerschnitts (sogar der Erdkörper ist kein Hindernis) hat
der Schauer keine Auswirkungen auf die Biosphäre der
Erde. Hochwillkommen wäre der Schauer für die Neutrinodetektoren (Kamiokande in Japan, Mont Blanc
Underground Neutrino Observatory etc.), denn bisher
wurden nur ca. 22 Neutrinos aus der SN 1987A in der
großen Magellanschen Wolke nachgewiesen.
Kontrovers diskutiert werden die Auswirkungen des
Gamma Bursts (Ausstoß höchst energetischer elektromagnetischer Strahlung), der mit einer SN Typ II einher geht. Ein ausreichend naher (kleiner 50 Lichtjahre)
Gammablitz bildet in der Erdatmosphäre durch Photodissoziation aus Sauerstoff und Stickstoff das Gas
Stickoxid. Dies würde die Ozonschicht schwer schädigen, größere Mengen NO oxidieren zur salpetrigen
Säure, eine Schädigung der Biosphäre ist dann sicher.
Von der „SN Beteigeuze“ geht aber keine Gefahr aus,
bedingt durch die größere Entfernung und die Lage der
Rotationsachse von Beteigeuze, denn die Gammablitze
werden bevorzugt in Achsrichtung ausgestoßen.
Uranus 86, Mai 2014
Anhang 1 Abschätzung des Durchmessers Ø des
Supernovaüberrestes
Beteigeuze ist 640 LJ oder 6,06 . 1018 m entfernt.
Ein (kugelförmiges) Objekt mit 20“ Ø hat dann einen echten Ø von 6 . 1014 m. Die Formel: Ø = 2 . tan
(0,0028°) . 6,06 . 1018 m. Um sich auf diesen Ø aufzublähen, sind ca. 2 Jahre notwendig. Die Formel:
6 . 1014 m/10 . 106 m/s = 6 . 107 s = 694 Tage.
Abb. 3: Der Krebsnebel, Rest der SN des Jahres 1054. Die damals auch
am Taghimmel als heller Punkt sichtbare Supernova war ein unheilbringendes Zeichen.
Etwa drei Stunden nach Ankunft der Neutrinos beginnt der Ausbruch im sichtbaren Spektralbereich. Die
Leuchtkraft steigt um etwa den Faktor 16 000 an, aus
dem +0,5m hellen Stern wird einer mit –9,5 bis –10,5m
Helligkeit. Die „SN Beteigeuze“ leuchtet so hell wie der
Halbmond, ist als punktförmiges Objekt auch am Taghimmel nicht zu übersehen. Etwa 50 Tage lang bleibt
diese Helligkeit nahezu konstant.
Ab wann ist der Supernovaüberrest mit Amateurteleskopen aufzulösen? Beteigeuze hat einen Winkeldurchmesser von 0,05 Bogensekunden. In der ersten Phase
von ca. 200 Jahren Dauer breitet sich die Schockwelle
aus stellarem Material mit etwa 10 000 km/s radial aus.
Einen Winkeldurchmesser von 20 Bogensekunden (von
der Erde aus) erreicht der SNR nach ca. 2 Jahren, ab
dann wird er zum besten Objekt aller Zeiten auf den
Amateursternwarten!
Zusammengefasst: Eine „SN Beteigeuze“ hätte auf
die Biosphäre der Erde und damit auf den Homo sapiens kaum schädigenden Einfluss, für die Astrophysik
wäre sie der Glücksfall schlechthin.
Gerhard Grauf
Quellennachweise
•
•
•
•
•
•
•
Wikipedia: Artikel über Beteigeuze
http://wikipedia.org/wiki/Beteigeuze
Unsöld Baschek: „Der neue Kosmos“, Springer
Verlag, 2005
Hanselmeier: „Einführung in Astronomie und
Astrophysik“, Spektrum Akademischer Verlag,
2007
Prof. Dr. S. Schönert, Übungen zur Astroteilchenphysik 2 „Neutrinofluss“, TUM, SS 2011
Abb. 1: Ingo Piez sen.
Abb. 2: ESO VLT, (CC) Creative Commons License
Abb. 3: Hubble Space Teleskop, (CC) Creative
Commons License
Mai 2014, Uranus 86
Anhang 2 Wie bestimmt sich der Helligkeitsanstieg
in Mag?
Die Helligkeit der Sterne wird in Größenklassen angegeben, die Einheit ist Magnitudo oder mag oder einfach
m. Die Skala ist an das menschliche Auge angepasst,
die Strahlungsstärke I vermittelt die Formel m2–m1 =
2,5 . log (I2 / I1). Wird nur die Helligkeitsänderung gesucht, so passt die Formel ∆m = 2,5 . log (∆I) besser. Für
die „SN Beteigeuze“ folgt dann ∆m = 2,5 . log (16 000)
= +10,5m Anstieg der Helligkeit.
Anhang 3 Zu den Gravitationswellen
Jede beschleunigt bewegte Masse strahlt – eine Folgerung aus der allgemeinen Relativitätstheorie – Gravitationswellen aus. Deren Intensität ist aber extrem
gering. In großer Entfernung von der Quelle vereinfacht sich die Riemann-Metrik. Es darf – grob – mit
einem Mittelwert h gerechnet werden, die durchlaufende Welle verhält sich ähnlich einer Gezeitenkraft. Die
Änderung der Länge ist damit proportional zur Länge l
des Messapparates, also ∆l= h . l.
h ist dann die relative Verzerrung und kann als Amplitude der Gravitationswelle bezeichnet werden. Auch
die große Armlänge l der Messapparaturen erklärt sich
so (bei LIGO l = 4000 m!) und ist notwendig, um den
sehr kleinen Effekt zu messen.
Anhang 4 Zum Neutrionfluss oder wie wir tagtäglich
unter Beschuss stehen
Die Sonne – deren Kern – ist für uns die stärkste
Neutrinoquelle. Durch die Kernfusion, die der Sonne
ihre Energie liefert, resultiert auf der Erde ein Neutrinofluss von 6,6 . 1014 Teilchen pro s und m2.
Egal von wo kommend, unten oder oben, etwa 200
Trillionen (200 000 000 000 000 000 000) dieser „Geistteilchen“ fliegen in jeder Sekunde durch uns durch.
Eine SN setzt etwa 0,9 . 1058 Neutrinos frei. Der Neutrinoschauer einer SN dauert etwa 10 s. Dann kann,
mit der „Hüllkugelfläche“ aus dem Abstand zur „SN
Beteigeuze“ der spezifische Fluss auf der Erde abgeschätzt werden. Die Rechnung dazu ist: 0,9 . 1058 /
10 s . 4 . π . (640 LJ)2. Mit 1 Lichtjahr = 9,47 . 1015 m ergibt sich ein Fluss von etwa 1,95 . 1018 Neutrinos pro s
und m2. Das ist – für einige Sekunden – etwa 3000-mal
so viel wie von der Sonne, aber auch das halten wir
noch aus! Für diejenigen, die sich mit so etwas auskennen nur eine grobe Abschätzung; „Feinheiten“ wie die
unterschiedliche Energie oder die Neutrino-Oszillationen sind vernachlässigt.
39
Neues aus der Raumfahrt
Noch ein Jahr bis zum Ziel
A
m 14. Juli 2015 wird
die NASA-Sonde New
Horizons den mittlerweile zum Planetoiden
degradierten Pluto erreichen. Dort draussen
am Rande des bekannten
Sonnensystems war bisAbb. 1: Start der Sonde New Hori- her noch kein Satellit.
zons am 19.01.2006 an Bord einer Insofern darf man geAtlas IV Rakete
spannt sein, wie der etwa
2000 km große Planetoid aussehen wird, und was es in
der enormen Kälte von -240 °C zu entdecken geben wird.
Die Sonde wird nächstes Jahr gerade noch rechtzeitig eintreffen: Aufgrund der immer größer werdenden
Entfernung von Pluto zur Sonne wird es auf ihm auch
immer kälter. Die dünne Atmosphäre, die man dort
nachweisen konnte, wird demzufolge in den nächsten
Jahrzehnten ausfrieren, was die Untersuchungsmöglichkeiten erheblich einschränken wird.
Die Sonde startete am 19. Januar 2006 zu ihrer langen Reise. Seitdem hat sie nähere Begegnungen mit
dem Riesenplaneten Jupiter sowie dem Asterioden APL
hinter sich gebracht. Diese kurzen Unterbrechungen
40
der ansonsten eher langweiligen Reise nutzte das Sondenteam am JPL, um Verfahren zu üben und die Sonde
auf ihren „Gesundheitszustand“ zu überprüfen.
Die Sonde und ihre Instumente
Da sich wahrscheinlich so bald keine andere Sonde
zum Pluto aufmachen wird, stattete man New Horizons mit einer ganzen Reihe von Instrumenten aus.
• Ralph: Eine Kamera, um Farbbilder von Pluto im
sichtbaren und infraroten Licht zu machen. Die
Öffnung der Optik beträgt 6 cm – wenig genug
für die schwachen Lichtverhältnisse in mehr als
5 Milliarden km Entfernung von der Sonne. Das
Instrument ist auch dafür ausgelegt, mittels Spektralanalyse bestimmte Moleküle wie etwa Methan
nachzuweisen.
• Alice ist ein UV-Spektrometer, mit dem die dünne
Atmosphäre von Pluto näher untersucht werden
soll.
• REX ist mehr oder weniger ein Radiosender. Dessen Radiostrahlen sollen mithilfe der 2,1 m großen Hauptantenne durch die Atmosphäre geschickt
werden. Auf der Erde werden diese Radiosignale
Uranus 86, Mai 2014
•
•
•
•
dann mit den großen Antennen des Deep Space
Networks der NASA aufgefangen und weiter analysiert. Dadurch kann ebenfalls die Atmosphäre auf
ihre Bestandteile untersucht werden.
Das Instrument mit der höchsten Auflösung ist
LORRI. Die Abkürzung steht für „Long Range
Reconnaissance Imager”. Es besteht aus einem
Teleskop mit etwa 20 cm Öffnung und einer CCDKamera. Die Auflösung der Kamera wird dann
während des Vorbeifluges bei etwa 100 m liegen.
Das SWAP-Instrument (Solar Wind Around Pluto)
misst geladene Teilchen, die von der Sonne kommen. Falls Pluto ein Magnetfeld hat, wird sich
dieses damit nachweisen lassen.
Mit PEPSSI (Pluto Energetic Particle Spectrometer Science Investigation) werden Teilchen, die
von der Atmosphäre Plutos entweichen und durch
den Sonnenwind elektrisch geladen werden, untersucht.
Das letzte Instrument ist SDC, der Student Dust
Counter. Dieses Instrument, das die Staubkonzentration während des gesamten Fluges von New Horizons misst, ist ein Studenten-Projekt der Universität von Colorado in Boulder. .
Das weitere Vorgehen
Seit dem 17. Januar 2014 befindet sich New Horizons
wieder in einem „Winterschlaf“. Dieser soll die Instru-
Abb. 2: Die Instrumente der Sonde New Horizons
mente schonen, sodass die Ausfallwahrscheinlichkeit
– die auf einer so langen und anspruchsvollen Reise
immer gegeben ist – nochmals verringert wird. 12 Tage
zuvor war die Sonde jedoch für Tests und Korrekturen
„aufgeweckt” worden. Die Antenne der Sonde wurde
auf die Erde ausgerichtet, und neue Kommandos an
den Bordrechner übermittelt.
Ende Juni wird die Sonde erneut aktiviert werden.
Dann wird New Horizons
auf Pluto ausgerichtet
werden, und zwar bereits
mithilfe der bordeigenen
Instrumente. Ein sorgfältiger Test aller Systeme
an Bord wird ebenfalls
durchgeführt, und bereits erste wissenschaftliche
Untersuchungen,
wie etwa Helligkeitsmessungen der Rotation von
Pluto und seinem größten Mond Charon.
Zwischen dem 29. August und dem 7. Dezember 2014 wird die Sonde
wiederum
„schlafen”,
um dann endgültig aufgeweckt zu werden. Die
Arbeiten für den Anflug
beginnen am 12. Januar 2015. Der Höhepunkt
erfolgt dann am 14. Juli
2015 mit dem Vorbeiflug
an Pluto.
Stefan Funk
(Bilder: NASA/JPL)
Abb. 3: Der Weg der Sonde durch
unser Sonnensystem
Mai 2014, Uranus 86
41
GAIA hat scharfgestellt
D
er Satellit GAIA der Europäischen Weltraumagentur ESA
nimmt seine Optik schrittweise in
Betrieb. Mithilfe des Satelliten will
die ESA etwa eine Milliarde Sterne
präzise vermessen. Das erste
scharfe Bild der Optik ist somit ein
wichtiger Meilenstein im Projekt.
Wenn GAIA seinen Routinebetrieb aufnimmt, wird der Satellit
eine enorme Datenmenge produzieren. Daher werden nur kleine
Ausschnitte in der Mitte des gewaltigen Gesichtsfeldes der Optik als
Bild für weitere Analysen zur Erde
gesendet werden.
Diese Testaufnahme, die im
Rahmen der Feinabstimmung und
–justage der Optik gewonnen wurde, ist eines der ersten Bilder, die
GAIA erstellte. Es wird ironischerweise auch eines der letzten Bilder
dieser Art sein, da es nicht vorgesehen ist, Bilder mit voller Auflösung
zur Erde zu senden.
Abb. 1: Start von GAIA an der Spitze einer
Sojus-Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou.
Abb. 2: Die Testaufnahme zeigt den Kugelsternhaufen NGC 1818 in
der Magellanschen Wolke, einer Nachbargalaxie unserer Milchstraße.
GAIA wurde am 19. Dezember 2013 gestartet. Seine Position im Weltraum liegt bei einem sogenannten
Lagrange-Punkt, hier bei dem L2-Punkt, etwa 1,5 Millionen km auf der Linie Sonne-Erde von der Erde entfernt. Dort heben sich die Anziehungskräfte von Erde
und Sonne mit den Fliehkräften des Satelliten genau
auf, was dem Satelliten dort eine besondere Stabilität
verleiht. Der spiegelbildliche L1-Punkt auf der Seite,
die der Sonne zugewandt ist, hätte die gleiche stabilisierende Funktion.
Das Ziel der GAIA-Mission ist, die bisher genaueste
Karte der Milchstraße zu erzeugen. Dazu wird der Satellit die genauen Positionen und die Bewegungen von
etwa 1% der Sterne der Milchstraße vermessen – das
sind immerhin etwa 1 Milliarde Sterne! Diese Messungen werden dann helfen, die Entwicklung unserer
Heimatgalaxie besser zu verstehen. Da GAIA diese
Aufgabe immer wieder durchführen wird, wird jeder
von GAIA erfasste Stern in den nächsten fünf Jahren
etwa 70-mal vermessen werden. Zusätzlich zur Position und zur Bewegung wird GAIA auch weitere Größen
der Sterne wie etwa Helligkeit, Temperatur und chemische Zusammensetzung bestimmen.
Die Kamera
Um dieses Ziel zu erreichen, rotiert GAIA langsam
um seine eigene Achse. Die beiden Teleskope werden
dabei langsam über den Himmel geschwenkt und wer-
42
Uranus 86, Mai 2014
Abb. 4: Satellit GAIA nach seiner Entfaltung
Abb. 3: Montage von GAIA auf der Spitze der Sojus-Rakete
fen ihr eingefangenes Licht auf eine CCD-Kamera mit
etwa einer Milliarde Pixel.
Doch zunächst müssen diese Teleskope justiert und
scharf gestellt werden. Zusätzlich werden die Instrumente an Bord kalibriert. Dieser Prozess wird einige
Monate in Anspruch nehmen, bevor das eigentliche
Missionsziel in Angriff genommen werden kann.
In diesem Zeitraum für Tests nahm das GAIA-Missionsteam den Kugelsternhaufen NGC 1818 auf. Das
gezeigte Bild ist übrigens nur ein kleiner Ausschnitt
des Gesamt-Gesichtsfeldes der Optik: Nur etwas weniger als 1% des Gesichtsfeldes werden hier gezeigt!
Noch sind die Justagearbeiten allerdings nicht abgeschlossen.
Innerhalb der ersten sechs Monate werden alle
Sterne, die während der Mission vermessen werden
sollen, einmal fotografiert sein. Dann beginnt in den
weiteren fünf Jahren der Prozess der Verifizierung
und Messung von Veränderungen. Am Ende werden
aus den kleinen Positionsänderungen auch die Bewegungen und die Entfernungen der Sterne ableitbar
sein. Etwa drei Jahre später ist dann die Veröffentlichung der endgültigen Ergebnisse der Mission vorgesehen. Zwischenzeitlich werden sich schnell verändernde
Ereignisse bekannt gegeben, wie etwa Supernovae.
Am Ende wird das GAIA Datenarchiv die unglaubliche Datenmenge von etwa einer Million Gigabytes
umfassen, was etwa der Speicherkapazität von 200 000
DVD entspricht.
Quelle: ESA
Drei Wissenschaftler beweisen Schottland
Ein Astronom, ein Physiker und ein Mathematiker
sind in Schottland unterwegs. Da sehen sie auf einer
Anhöhe ein schwarzes Schaf stehen.
„Ich wusste gar nicht, dass die Schafe in Schottland
schwarz sind“, sagt der Astronom (der, wie gewohnt,
einen Einzelfall zu einer Klasse erhebt).
„Aber Herr Kollege, wie können Sie so etwas sagen“,
moniert der Physiker. „Alles, was Sie sagen können,
ist: In Schottland gibt es ein schwarzes Schaf“.
Der Mathematiker ist damit noch nicht zufrieden.
„Was Sie, Herr Kollege, wirklich sagen können, ist: In
Schottland gibt es mindestens ein Schaf, das auf minMai 2014, Uranus 86
destens einer Seite schwarz ist“. (Viele Existenzsätze
der höheren Mathematik verweisen auf „mindestens
ein“ Element mit den geforderten Eigenschaften; ohne
das „mindestens“ könnte „ein“ Element auch die Zahl
„nur eines“ bedeuten).
Kleine Testfrage für Hobby-Astronomen: Wie viele
Fälle kennen Sie, wo ein Exemplar stellvertretend für
eine ganze Klasse (von Fixsternen) steht (z.B. δ Cepheiden, W-Viriginis-Sterne u.a.)?
Prof. Dr. Walter Zumach
43
Reisen durch das Sonnensystem mal anders –
ein Reisebericht
W
ährend einer Geschäftsreise bin ich in
den Sturm „Christian“ gelangt. Dieser
brachte in Norddeutschland den Zugverkehr zum Erliegen. Ich hatte Glück im Unglück, denn ich strandete mit meinem ICE
in Göttingen.
Nachdem ich mein Hotel umgebucht
hatte, verließ ich auch anschließend den
Zug. Am nächsten Tag, als ich meine Reise fortsetzte, ging ich durch die Innenstadt zum Bahnhof. Plötzlich stieß ich
auf ein Bronzekunstwerk. Nach näherer
Betrachtung las ich „Merkur“. Ich dachte
mir: „Oh mein Gott, warum habe ich das
gestern nicht entdeckt?“ Ich stellte fest,
dass ich mich im „Göttinger Sonnensystem“ befand. Nach ungefähr weiteren 30
Metern habe ich auch das Zentralgestirn
gefunden.
Der Planetenweg hat einen Maßstab von
1:2 Milliarden und kann von der Sonne bis
zum Pluto in gut einer Stunde begangen
werden. Dargestellt wird das Sonnensystem auf bronzenen Stelen. Sie enthalten
eine maßstabsgetreue Kugel, allgemeine
Informationen und einen Übersichtsplan,
wo sich die anderen Objekte in der Stadt
befinden. Nähere Informationen können im Internet
unter http://www.planetarium-goettingen.de/Planetenweg/ nachgelesen werden.
Am Bahnhofsvorplatz entdeckte ich wieder ein „astronomisches Gebäude“. Abgebildet auf dem spitzkegeligen Dach war der Tierkreis. Welche Bedeutung das
Gebäude hat, wusste ich nicht. Mein Zug fuhr schließlich in wenigen Minuten ab. Durch das Internet fand
ich später heraus, dass das Gebäude ein allgemeiner
Infopavillon ist, der an die Wiederentdeckung des
Zwergplaneten Ceres im Jahre 1801 durch Carl Friedrich Gauß erinnert. Das
spitzkegelige Dach ist
mit dem Tierkreis geschmückt. Zudem verläuft eine rote Linie zwischen den Sternbildern
Stier und Jungfrau. Sie
ist die Bahn von Ceres
zwischen Entdeckung
und Wiederauffindung.
Abb. 2a/b: Infopavillon mit
Tierkreis, Göttingen
44
Abb. 1: Planetenweg, Göttingen (Quelle: Förderkreis Planetarium Göttingen)
Am Bahnsteig angekommen, stieg ich dann in den
ICE ein und setzte zum „transdimensionalen Sprung“
in das „Mindener Sonnensystem“ an. Trotz der Auswirkungen des Sturms kam ich pünktlich in Minden
an und erledigte als erstes meine Pflichten. Zu Beginn
des Feierabends machte ich mich auf den Weg zum
Hotel. So, nun jetzt das Gepäck ablegen und los zur
„Mindener Sonne“. Der Planetenweg hat einen Maßstab von 1:1 Milliarde. Er wurde von hiesigen Firmen
gespendet und von den Schülern und Eltern des Besselgymnasiums 1996 zum 150. Todestag von Friedrich
Wilhelm Bessel erbaut.
Die Sonne befindet sich vor dem Preußen-Museum.
Nach einem ca. 20-minütigen Fußmarsch habe ich sie
dann auch erreicht. Die Sonne auf der Vorderseite ist
mit ein paar astronomischen Daten beschriftet und auf
der Rückseite mit einer fremdartigen „außerirdischen“
Schrift, die ich nicht entziffern konnte. Somit stellte ich
fest, dass es in diesem Sonnensystem feindselige Außerirdische gibt, die über „Hochdruckfarbkanonen“ verfügen. Im Anschluss „reiste“ ich weiter zum Merkur. Mit
ungefähr 5facher Lichtgeschwindigkeit erreichte ich in
ca. 38 Sekunden den Planeten und schwenkte in einen
Standard-Orbit von einer Million Kilometer Abstand
ein. Ich las alle Daten und ging wieder auf Überlichtgeschwindigkeit. Wieder eine gute halbe Minute später
erreichte ich die Venus und reiste dann auch weiter zur
Uranus 86, Mai 2014
Abb. 3a: Sonne vor dem Preußen-Museum, Minden
Erde, die sogar einen
Weltraumbahnhof besitzt, ich meinte natürlich, es befindet sich ein
Parkplatz in der Nähe.
Also nun weiter zum
letzten inneren und
gleichzeitig zum ersten
oberen Planeten, nämlich dem Mars. Als ich
dort ankam fand ich
Zerstörung vor. Der Planet wurde auch mit den
Hochdruckfarbkanonen beschossen. Vielleicht ist das
die Heimatwelt der aggressiven Spezies. Bis jetzt war
es einfach die Planeten zu finden, da sie sich alle auf
dem Simeonsplatz vor dem Preußen-Museum befinden.
Jetzt geht die Schnitzeljagd los. Jupiter befindet sich
laut der Beschreibung von Wikipedia im „Glacis“. Da
sich ein Geschäftsgebäude meiner Firma in der Straße
namens Weserglacis befindet, kannte ich den groben
Weg. Anfänglich suchte ich zwischen Wald und Weser­
ufer. Schwierig wurde es, da neben der beginnenden
Dämmerung auch noch die „Lichtverschmutzer“ auf
dem Weg fehlten. In nahezu völliger Dunkelheit und
einsetzendem
Regen
suchte ich im Naherholungsgebiet
weiter.
Auf einmal begann der
Boden einige Meter vor
mir zu spiegeln und ich
dachte mir: „Die Aliens
könnten angreifen, regnen tut’s und nun ist
vor mir auch noch der
„flüssige Raum“ (Fluß Abb. 3b: Rückseite der Sonne mit
Bastau und der Schwa- Hochdruckfarbkanonenbeschuss,
nenteich). Wenn ich Minden
jetzt da hineingelange,
na dann viel Spaß! Also roter Alarm. Mit größtmöglicher Vorsicht setzte ich die Reise fort. Mein Handy als
Navigationscomputer war nutzlos, denn die Dunkeladaption meiner Augen war wichtiger. Kurz vor der Glacisbrücke habe ich den Jupiter gefunden. Roter Alarm
Ende. Gefreut habe ich mich wie ein Schnitzel, doch die
Freude ebbte auch im gleichen Moment ab. Neben den
„interplanetaren“ Einflüssen (Verwitterung) machten
auch die Außerirdischen
dem Gasriesen zu schaffen. So nun weiter zum
Saturn. Zurückgekehrt
auf gesicherte Wege,
schaltete ich wieder meinen
Navigationscomputer ein. „Lieutenant
Google“ nannte mir
die Position. Es war die
alte Fischerstadt.
Fischerstadt, Fischerglacis, da ist
doch mein Hotel?
Mir ging ein Licht
auf. Als ich den
Saturn erreicht
habe, der übrigens noch nicht
von den Außerirdischen geschändet wurde, stellte
ich fest, dass eine
weitere
Reise
zum Uranus Sinn
machte. Die Zeit
war noch nicht
so sehr fortgeschritten, es regnete nicht mehr
und der Rückweg
ist nicht so weit.
Um unsere Vereinszeitschrift zu Abb. 4: Plan des Planetenwegs in Minden
ehren, begab ich (Quelle: Google Maps)
mich auf die Suche nach Uranus. Wieder „Lieutenant Google“: „Uranus befindet sich in der Nähe der Schachtschleuse“.
Also weiter auf dem Weg des Weserradweges. Nach
einiger Zeit erreichte ich den Pumpenwerkskanal,
den ich für die Schachtschleuse hielt. Ich untersuchte
das Gebiet, ging einen Hügel hinauf und was war da
wieder? Links, flüssiger Raum, vor mir, auch flüssiger
Raum. Ich war am Wasserstraßenkreuz des Mittellandkanals angekommen. Wieder Alarmstufe Rot, Finger
weg vom Navigationscomputer, sonst kann es zu Ende
sein. Ich verließ das Wasserstraßenkreuz wieder und
versuchte mit „Lieutenant Google“ via GPS den Uranus zu suchen. Was ist dann passiert? In einem Industriegebiet gab es kein Weiterkommen. Somit habe ich
den Missionsabbruch angeordnet und begab mich zur
Saturn-Raumstation, ich meine zu meinem Hotel. Dort
angekommen bekam ich die Auskunft, dass der Uranus nicht erreicht werden konnte, da das Gebiet wegen Bauarbeiten gesperrt war. Ich begab mich in mein
Hotelzimmer und mit Abendessen und einer Dusche
(Andocken, betanken und Reinigung des Raumschiffs)
endet auch dieser Bericht.
Fazit meines Ausfluges: Es war eine abenteuerliche
Erkundung des Sonnensystems, da ich mich nicht
richtig auf den Planetenweg vorbereitet hatte. Ich bin
davon ausgegangen, dass an den einzelnen Stationen
ein Hinweis auf die nächste Station vorhanden ist. Viel
Spaß hatte ich auf jeden Fall und kann es nur weiterempfehlen, fremde Planetenwege zu begehen. In Minden war ich nicht das letzte Mal und ich werde das äußere Sonnensystem dann weiter erkunden.
Martin Frey
Abb. 3c: Weltraumbahnhof
Erde, Minden
Mai 2014, Uranus 86
45
„Beam me up, Scotty!“
Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Walter in Augsburg
E
inmal mit Star Trek durch das Universum beamen.
Hierzu hatte die Astronomische Vereinigung Augsburg (AVA) mit der Hochschule Augsburg zum Vortrag
von Prof. Dr. Ulrich Walter (s. Kasten unten) in den Hörsaal der Hochschule eingeladen.
Auf dem breiten Flur vor den Eingängen zum Hörsaal hatte die AVA eine Fotoausstellung selbst hergestellter astronomischer Bilder eingerichtet. Da konnte
man die Flugrichtung der abendlichen Reise schon einmal anschauen, von heimischen Gefilden auf der Erde
mit Polarlichtern, an den Planeten unseres Sonnen­
systems und unserem Mutterstern vorbei, aus unserer
Galaxis hinaus zu weiteren Galaxien und in den Deep
Sky hinein. Schon am Nachmittag erschienen viele der
eingeladenen Astronomenfreunde benachbarter Vereinigungen, um sich mit unseren Astrofotografen im
Angesicht der herrlichen Bilder fachlich über Belange
der Astronomie und Astrofotografie auszutauschen.
Weitere Gespräche gab es dann bei Semmel und Brezen zur Stärkung vor der abendlichen Veranstaltung
des ungemein kurzweiligen, unterhaltsamen und lehrreichen Vortrags von Prof. Dr. Ulrich Walter zur Physik
von Star Trek.
Der Hörsaal platzte aus allen Nähten: Nicht nur die
über 260 regulären Sitzplätze, nein, auch die Treppenzugänge links und rechts im Hörsaal waren mit Zuhörern und Zuhörerinnen besetzt, und die letzten Gäste
mussten dann in den offenen Türen mit Stehplätzen
vorlieb nehmen.
Der Vortrag begann mit einigen Paukenschlägen: Eigentlich sei es ein Männervortrag, weil Männer Star
Trek lieben, und alles Vorzutragende sei wahr, aber ist
es auch Realität? Und ohne viel Formeln und mathematisches Rüstzeug würden alle Anwesenden nach der
Veranstaltung Einsteins Relativitätstheorie verstanden haben, behauptete und fragte Prof. Walter.
Und los geht’s! Man sieht die U.S.S. Enterprise des
Commanders James Tiberius Kirk zwischen einigen
hübschen Planeten im Weltraum schweben. Doch wo
sind die Treibstofftanks? Bei einer Reise bis an den
Abb. 1: Unsere Bilderausstellung an der Hochschule
Abb. 2: Udo Till und seine Frau verkaufen Eintrittskarten an der Kasse
Rand des Universums will die Star Trek Crew ja mit
sehr hoher Geschwindigkeit (v) vorankommen. Bei einer Geschwindigkeit v von nur 90% der Lichtgeschwindigkeit (c) und Richtungswechseln wäre mit herkömmlichen Antrieben das Verhältnis von Treibstoffgewicht
zum Raumschiffgewicht 95,25%, weil sich das Verhältnis aus
[
( ) ]
errechnet. „Je schneller, desto schlimmer“, beschreibt
Prof. Walter das Verhältnis. Dann sehen wir den jungen
Astronauten Walter wie er im Raumschiff der Schwerelosigkeit ausgesetzt ist. Aber warum schwebt die Star
Trek Crew nicht in ihrem Raumschiff? Denn überall
im Weltraum ist man schwerelos, weil die Gravitationskraft eines massereichen Körpers durch die Zentrifugalkraft des ihn umkreisenden Raumschiffs ausgeglichen bzw. bei dessen Davonflug durch seine Trägheit
aufgehoben wird. Die pseudowissenschaftlichen Erklärungen für die nicht schwebende Crew im Star Trek
TNG:TM (The Next Generation, Technical Manual)
S. 158 sind also ein rechter Schmarrn, und vermutlich
als Begründung notwendig, „weil die Schwerelosigkeit
im Studio nicht realisierbar wäre“.
Abb. 3: Der Hörsaal war voll besetzt
46
Uranus 86, Mai 2014
Abb. 4: Titelbild des Vortrags von Prof. Dr. Ulrich Walter
Also trotz dieser Widersprüche fliegen wir gedanklich mit der U.S.S. Enterprise mal mit Lichtgeschwindigkeit los. Bei einem Blick zurück vom entferntesten
Klein-Planeten Sedna auf unser Sonnensystem sind
die Sonne und unsere Nachbarplaneten nur noch als
winzige Punkte erkennbar, und wir sind in 10 Stunden
1013 m = 10 Mrd. km geflogen. Schon die fünf nächsten Sterne um unsere Sonne herum erreichen wir erst
in 10 Jahren in einem Abstand von 1017 m = 100 000
Mrd. km, oder wie Astronomen abgekürzt sagen, von
10 Lj. Doch allein um unsere Galaxis zu durchqueren,
bräuchte man 100 000 Lj. Und insbesondere um von
unserer Heimat in einem äußeren Spiralarm unserer
Galaxis – der habitablen Zone der Milchstraße – hinaus
in die Weiten des Universums zu gelangen, fragen wir
uns, ob wir nicht wie Commander Kirk und seine Crew
mit Überlichtgeschwindigkeit durchs All vorankommen müssten. Geht das? Einsteins berühmte Formel
zur Speziellen Relativitätstheorie lautet:
Und für v = c lässt sich jeder Ort im Universum in
Null Zeit erreichen. Weniger als Null geht nicht, denn
nichts fliegt schneller als Lichtgeschwindigkeit. Also
brauchen wir zum Durchqueren des Universums auch
keinen Warpantrieb für Überlichtgeschwindigkeit.
Schon mit weniger als Lichtgeschwindigkeit ist gemäß relativistischer Theorie die Raumfahrt ein Jungbrunnen, und zwar tatsächlich. Den Gangunterschied
zweier Systeme mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten hat man mit Atomuhren gemessen. Und bei
der D2-Mission mit Walter Ulrich an Bord betrug die
Flugzeit T = 810 000 s, und er ist tatsächlich jünger
geblieben, um – 0,000254 Sekunden! Das war deutlich
am Puffy Face des Raumfahrers Ulrich zu sehen: Nur
lag das in Wirklichkeit an der Flüssigkeitsverteilung in
der Haut bei Schwerelosigkeit.
Wenn also relativistische Geschwindigkeiten ausreichen, um das Universum zu durchstreifen, müssen
wir uns nach entsprechenden Antriebsenergien für
die notwendigen Beschleunigungen umsehen. Wäre
√
wobei τ die Eigenzeit des Reisenden ist und t die Referenzzeit eines entfernten Beobachters, z.B. von einem
mit einem Fernrohr auf der Erde. Daraus ergibt sich
für v → c, dass die erlebte Zeit im Raumschiff Null wird.
Abb. 5: Das Raumschiff Enterprise
Mai 2014, Uranus 86
Abb. 6: Prof. Dr. Ulrich Walter in Aktion
Antimaterie etwa zum Durchqueren der Milchstraße
mit der Beschleunigung 1 g eine solche Alternative?
Nach Einstein wäre dann die erlebte Zeit auf der Erde
100 000 Jahre bei einer erreichten Geschwindigkeit
von 0,99999999997 c des Raumschiffes, und die in ihm
erlebte Zeit wäre 11,9 Jahre bei einer im Raumschiff
erlebten Geschwindigkeit von 12,2 c. Nur bräuchten
wir für eine solche Reise mit einem Materie-Antimaterie Antrieb einen 27 . 27 . 27 km großen Tank. Und die
Entfernungen in unserem Universum sind um ein Vielfaches größer.
Könnten wir da nicht Wurmlöcher als Abkürzung
nehmen? Wurmlöcher verbinden Schwarze Löcher, die
Materie verschlingen, mit Weißen Löchern, die Materie ausspeien. „Wurmlöcher sind Einbahnstraßen“.
Darum rät Prof. Walter: „Wenn Sie in die Nähe eines
Wurmlochs kommen, fliegen Sie da nie rein“. Solch
ein Wurmloch ist die Einstein-Rosen-Brücke, die zwei
entfernte Welten miteinander verbindet. Doch bevor
47
Abb. 7: Die Vorsitzende Christine Zerbe dankt Prof. Walter
ein Raumschiff hindurch gelangen könnte, verjüngt
sich das Wurmloch, reißt ab und bildet zwei getrennte
Singularitäten. Das könnte mit Negativer Energie, die
abstoßender Gravitation entspricht, verhindert werden. Doch die Quantentheorie schränkt die Größe und
Dauer Negativer Energie stark ein. Um einen Schlund
mit einem Durchmesser von nur 2 m zu erzeugen, ist
ein Energieband von nur 10-21 m (100 Milliardstel eines
Atomdurchmessers) notwendig, mit einem Betrag, der
der in einem Jahr erzeugten Energie von 10 Milliarden
Sternen gleichkommt. Bleibt da Commander Kirk und
seiner Crew nur die Verwendung eines Warp-Antriebes
zum Durchfliegen von Wurmlöchern? Der Warp Drive
soll eine Warpblase erzeugen, bei der das RaumzeitGefüge in Flugrichtung kontrahiert – also der Abstand
zum Zielort verringert – und an der Rückseite wieder
gedehnt wird. Leider sind für eine Blase mit 200 m
Durchmesser einige Sonnenmassen Negativer Masse
notwendig, und an den Rändern würde die Krümmung
des Raumes (= Gezeitenkräfte) die Enterprise zerreissen.
Wenn das auch nicht geht, ist Beamen vielleicht der
letzte Ausweg? Beamen ist die Übertragung eines Körpers zu einem anderen entfernten Ort. Doch auch hier
Über den Referenten:
Prof. Dr. Ulrich Walter wurde am 9. Februar 1954
geboren. Er erwarb 1980 sein Diplom in Physik an
der Universität Köln. Dort promovierte er auch 1985.
Danach forschte er zwei Jahre in den USA. 1987
wurde Walter als Astronaut für die D2-Mission ausgewählt und begann mit dem Training. Ende April
1993 brach er zusammen mit Hans Schlegel und fünf
US-amerikanischen Astronauten an Bord des Space
Shuttles Columbia in Richtung Erdumlaufbahn auf.
Rund 90 Experimente betreuten Schlegel und Walter
während des zehntägigen Fluges, wobei die meisten
aus den Sparten Biologie und Materialwissenschaften
stammten. Dabei arbeiteten sie im europäischen
48
gibt es unüberwindbare Probleme:
Erstens das No-Clone Theorem der
Physik und Zweitens: Ein menschlicher Körper besteht aus etwa 1027
Atomen, die sich in
Quantenzuständen (Bits) befinden können. Um diese Informationsmenge
bei 1 Giga-Giga-Giga-Giga-GigaGiga-Giga-Giga-Giga bps zu übertragen, bräuchte der Beamvorgang
immer noch etwa Sekunden, also weit länger als das Alter
unseres Universums!
Lassen wir gedanklich das Raumschiff U.S.S. Enterprise dennoch in
die Weiten unseres bekannten Universums weiterreisen, so durchquerten wir zunächst einen Raum
von 10 Mio. Lj mit 103 Galaxien
und 1014 Sternen, und wir könnten
einzelne Galaxien gut auseinanderhalten. In einem
Raum von 1 Mrd. Lj mit 105 Galaxien und 1016 Sternen werden netzartige Strukturen in der Verteilung
der Materie erkennbar. Und schließlich endet die Reise
mit einem erneuten Paukenschlag, denn Ulrich Walter
stellte die Vermutung eines unendlichen Raumzeitvolumens in den Raum. Im Anschluss folgte prompt eine
ausgiebige, lebhafte Diskussion mit vielen Fragen und
Antworten, bevor Ulrich Walter mit Familie und einer
großen Schar von Mitgliedern unserer AVA im griechischen Restaurant in der Nachbarschaft der Hochschule den interessanten Abend ausklingen ließen.
Hier in der Gaststätte war auch eine Reihe von Frauen
dabei, die diesen Vortrag ebenso gern verfolgten wie die
Männer, weil auch sie die Episoden von Star Trek lieben.
Wolfgang Mahnkopf
Bildquellennachweis
Bilder 1, 2, 3, 6 und 7 von Thomas Winterer
Bilder 4 und 5 aus der Präsentation von Prof. Ulrich
Walter
Raumlabor Spacelab, das bis zu seinem letzten Einsatz 1998 insgesamt 22‑mal ins All flog.
Nach seinem Flug schied Walter aus dem deutschen
Raumfahrerkader aus und leitete vier Jahre lang das
Satellitenbildarchiv des DLR im bayerischen Oberpfaffenhofen. Ab 1998 arbeitete er bei IBM Deutschland. Seit März 2003 ist er Inhaber des Lehrstuhls
für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München. Dort forscht er an Satellitensystemen,
insbesondere für robotische Anwendungen und an bemannten Raumfahrtsystemen. Außerdem untersucht
er Mikrometeoriteneinschläge in Raumfahrzeuge.
Dr. Christine Zerbe
Uranus 86, Mai 2014
Neues von der Sternwarte
und aus dem Verein
Besucherstatistik 2013
Die anfangs noch bestehende Besucherbeschränkung
und später dann die Bauarbeiten wirkten sich auch
2013 negativ auf die Besucherzahlen aus. Es gab nur
ein leichtes Plus gegenüber den geringen Vorjahreszahlen. Es kamen insgesamt 1121 Besucher (+ 10%).
Allerdings zeigen schon die ersten Monate des Jahres
2014, dass sich dieser Trend umkehrt. Wir rechnen für
2014 mit einem deutlichen Plus bei den Besucherzahlen.
Regelmäßige Veranstaltungen
•Vereinsausflug: Wegen des arbeitsintensiven
Umbaus der Sternwarte planten wir keinen Vereinsausflug. Stattdessen besuchten wir an einem
Samstag­nachmittag im August 2013 die Buchloer
Sternfreunde. Nach der Besichtigung der außerhalb
von Buchloe gelegenen Sternwarte wurde die lebhafte Diskussion beim gemeinsamen Abendessen in
einem Restaurant fortgesetzt.
•Beobachtungsnacht: Auch 2013 wollten wir uns
auf dem Auerberg treffen. Wir hatten diesmal sogar
zwei Ausweichtermine vorgesehen. Leider war an
allen drei Terminen das Wetter schlecht, so dass es
keine Beobachtungsnacht gab.
•Ferienprogramme: Im August und September boten wir Termine für Gruppen aus Augsburg (2x), Königsbrunn (2x), Neusäß, Ustersbach und Diedorf an,
die gut nachgefragt waren.
•Botanischer Garten: An drei Abenden waren
wir mit unseren Teleskopen bei den Beleuchtungs­
abenden vertreten. Das Wetter ließ nicht immer astronomische Beobachtungen zu, doch auch der Blick
durch ein Fernrohr auf Bäume fand Anklang bei den
Besuchern.
•Astronomietag: Der jährliche Astronomietag war
diesmal am 16. März 2013. Da sich der Andrang, wie
in den letzten Jahren auch schon, in Grenzen hielt,
überlegen wir uns für 2014 ein neues Konzept.
•Kulturmeile: Die Teilnahme an der Kulturmeile am
3. Oktober hat schon Tradition. Vor allem Diedorfer
finden an diesem Abend den Weg zu uns.
Mai 2014, Uranus 86
Abb. 1: Einige Teilnehmer beim monatlich stattfindenden Aktiventreffen (von links: Herbert Klinger, Thomas Winterer, Heike und Alexander
Schwarz, Wolfgang Mahnkopf)
•Jungbürgerempfang: Am 13. Januar 2014 erhielten 20 junge Diedorfer ihren Jungbürgerbrief bei
einem Empfang auf der Sternwarte. Neben den Bürgermeistern waren auch etliche Gemeinderäte anwesend. Unser Beitrag bestand aus einer kurzen Planetariumsführung. Die geplante Himmelsbeobachtung
fiel dem schlechten Wetter zum Opfer.
•Spiegelschleifgruppe: Die Gruppe hat sich auch
2013 regelmäßig getroffen. Die Spiegel nähern sich
allmählich ihrer Vollendung, so dass aus der Schleifnun eine Teleskopbaugruppe wird.
•Jugendgruppe: Etwa einmal pro Monat trafen sich
mal mehr, mal weniger Jugendliche, um sich mit
einem astronomischen Thema näher zu beschäftigen. Im Juni boten wir einen Besuch im Planetarium
Augs­burg mit Blick hinter die Kulissen an, der sehr
gut ankam.
•Aktiventreffen: An jedem ersten Montag im Monat
treffen sich die aktiven Mitglieder, um Pläne für die
Zukunft zu schmieden. Dabei kommt auch der gemütliche Teil nicht zu kurz.
Abb. 2: Gruppenbild beim Besuch in Buchloe
49
Mitgliederhauptversammlung am 26. Oktober 2013
Udo Till, der 1. Vorsitzende, gab einen Rückblick
über die letzten beiden Jahre. Neben den üblichen Aktivitäten, wurden diesmal vor allem die größtenteils
von der Gemeinde Diedorf finanzierten Brandschutzmaßnahmen erwähnt. Die Mitgliederzahlen sind in
den letzten beiden Jahren leicht gesunken, von 146
auf 141. Pro Jahr kommen ca. 1000 Besucher auf die
Sternwarte. Danach folgte der Bericht der 1. Kassiererin Simona Polle. In den letzten beiden Jahren hat
sich das Gesamtvermögen des Vereins nur geringfügig
verändert.
Da nach der letzten Hauptversammlung im Jahr
2011 beide Kassenprüfer zurückgetreten sind, hatte
Frank Zehetmair das Amt des Kassenprüfers kommissarisch übernommen. Die Rückbestätigung für die
Annahme des Amtes stand noch aus und wurde in der
Versammlung nachgeholt. Der Kassenprüfer lobte die
Kassenführung und fand nichts zu beanstanden. Der
Antrag auf Entlastung des Vorstands wurde einstimmig angenommen. Bis auf die 2. Kassiererin und den
Schriftführer standen alle Posten turnusgemäß zur
Wahl an. Nach der Abstimmung setzt sich der Vorstand
jetzt wie folgt zusammen:
1. Vorsitzende
Christine Zerbe
2. Vorsitzender
Thomas Winterer
1. Kassierer Udo Till
2. Kassiererin
Irina Thurner
Jugendgruppenleiter Martin Frey
Schriftführer
Erwin Kietsch
wissenschaftliche Beisitzer: Rochus Geißlinger, Karl
Thurner
Beiräte: Peter Hamp, Tobias Knesch, Wolfgang Mahnkopf, Stefan Mayr, Patrick Müller, Ingo Piez, Alexander
Schwarz
Kassenprüfer: Simona Polle, Frank Zehetmair.
Abb. 3: Der neu gewählte Vorstand; hintere Reihe von links: Alexander
Schwarz, Rochus Geißlinger, Tobias Knesch, Patrick Müller, Ingo Piez,
Martin Frey, Peter Hamp, Frank Zehetmair, Simona Polle, Karl Thurner. Vorne von links: Wolfgang Mahnkopf, Udo Till, Christine Zerbe,
Thomas Winterer, Irina Thurner.
Zum Abschluss der harmonisch verlaufenen Hauptversammlung dankte die neue Vereinsvorsitzende,
Christine Zerbe, den von ihren Funktionen zurückgetretenen Vorstandsmitgliedern für die geleistete Arbeit
in den zurückliegenden Jahren. Sie war angetan von
der Bereitschaft, in anderer Funktion dennoch weiter
aktiv mitzuarbeiten. Als kleine Aufmerksamkeit überreichte sie den aus ihren alten Ämtern scheidenden
Vorstandsmitgliedern Udo Till, Peter Hamp und Simona Polle mit Süßem gefüllte Tüten.
Tag der offenen Tür
Nachdem die Umbauarbeiten im Herbst großteils
abgeschlossen waren, wollten wir unsere Sternwarte
in neuem Glanz der Öffentlichkeit präsentieren. Dazu
veranstalteten wir am 23. November 2013 einen Tag
der offenen Tür.
Abb. 4: Auch die jüngsten Besucher sind von den Fernrohren fasziniert
50
Am Donnerstag vorher fand bereits eine Feier für die
Vereinsmitglieder statt. Mit einem Glas Sekt wurden
die Mitglieder empfangen und konnten sich gleich bei
einem Rundgang einen ersten Eindruck von den Räumen verschaffen. Es ging weiter mit der Begrüßung
durch Christine Zerbe und einem Grußwort des zweiten
Bürgermeisters Peter Högg. Anschließend zeigte Udo
Till einen kurzen Rückblick auf die Baumaßnahmen.
Nach einer Pause, gestärkt von einem leckeren Imbiss, gab es einen Vortrag über die griechischen Sagen,
die hinter den Namen von Sternbildern stehen, ergänzt durch interessante Objekte in diesen Sternbildern. In einer Planetariumsführung wurden die angesprochenen Sternbilder dann auch gleich gezeigt. Der
Ausblick von Thomas Winterer auf geplante Projekte
rundete den Abend ab.
Der Samstag begann für uns damit, Kuchen zu backen, Butterbrezen und Wurstsemmeln herzurichten,
Tische aufzubauen und Broschüren zu stapeln. Pünktlich bis 15 Uhr war alles vorbereitet. Die Besucher
konnten kommen. Damit welche kommen, verteilten
Uranus 86, Mai 2014
Impressum
ISSN 1618-6362
Augsburg 2014
Herausgeber:
Abb. 5: Die Spiegelschleifvorführungen fanden großes Interesse
wir im Vorfeld viele Plakate und Flyer. Darin kündig­
ten wir Vorträge zum Komet ISON, zur Einführung
in die Astronomie und zur Abwehr von Asteroiden an.
Auch die Augsburger Allgemeine unterstützte uns mit
Artikeln.
Der Andrang war zeitweise tatsächlich sehr groß. Bei
den ersten Vorträgen und Planetariums-Vorführungen
reichten die Stühle nicht aus. Ein Highlight gleich am
Eingang war die Demonstration der Spiegelschleifer.
Dank der Spende eines Spiegelrohlings durch Markus
Happach konnten die Besucher auch selbst Hand anlegen und das Schleifen ausprobieren.
Das Wetter war nicht für Himmelsbeobachtungen
geeignet, trotzdem waren die Teleskope ständig umlagert. Gegen Abend ließ der Andrang nach, so dass dann
auch Zeit für längere Gespräche blieb und wir schon
allmählich aufräumen konnten.
Fazit: Eine gelungene Veranstaltung, die unseren
Bekanntheitsgrad in der Region erhöhte, und die vor
allem ohne die Mithilfe vieler aktiver Vereinsmitglieder
nicht möglich gewesen wäre.
Dr. Christine Zerbe
Als neue Mitglieder begrüßen wir:
590
591
592
593
594
595
596
597
598
599
600
601
602
603
604
605
606
607
608
609
610
611
612
613
614
Birgit Rink
Florian Rink
Sebastian Rink
Tobias Rink
Jonas Rink
Angelika Zerbe
Patrick Andreas Müller
Wilhelm Ziegler
Christian Hilfrich
Marius Octavian Frey
Manfred Walbiner
Heike Schwarz
Gisela Mahnkopf
Reiner Spannagel
Brigitte Beck
Wilhelm Schütz
Herbert Klinger
Alexander Groos
Moritz Weber
Javier Lacalle Muerza
Manuela Rauch
Maximilian Lacalle Rauch
Julian Lacalle Rauch
Nicolás Lacalle Rauch
Lennox Schmid
Mai 2014, Uranus 86
Astronomische Vereinigung Augsburg e.V.
Pestalozzistraße 17a
86420 Diedorf
Telefon (08238) 7344
Telefax (03212)1168819
E-Mail [email protected]
Internet
http://www.sternwarte-diedorf.de
Redaktion: Wolfgang Mahnkopf
Layout: Udo Till
1. Vorsitzende
Dr. Christine Zerbe
2. Vorsitzender
Thomas Winterer
1. Kassierer
Udo Till
2. Kassiererin
Irina Thurner
Jugendgruppenleiter
Martin Frey
Schriftführer
Erwin Kietsch
Kontakt: [email protected]
Mitgliedsbeitrag des Vereins (jährlich)
Erwachsene   Schüler/Studenten  
€ 30,€ 15,-
Öffnungszeiten der Sternwarte
Freitag ab 20 Uhr
Gruppen nach Vereinbarung
Bankverbindung
IBAN DE38720700240045715000
BIC
DEUTDEDB720
Bank Deutsche Bank Augsburg
51
Herunterladen