Forum 4: Informelle Lernprozesse – Jugendliche als Akteure

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Forum 4: Informelle
Lernprozesse –
Jugendliche als Akteure
– Zugänge zum informellen Lernen im Kontext von Freizeit
Prof. Dr. Marius Harring
14. – 16. Oktober 2015
Lyon
Inhalt
1
Ausgangslage
- das Verständnis von Freizeit
- informelle Bildung in der Freizeit – ein empirischer Stand der Forschung
2
Theoretischer Bezugsrahmen
- das Kapitalkonstrukt in der Theorie der Sozialen Praxis (Bourdieu)
3
Fragestellungen
4
Methodisches Vorgehen
5
Ergebnisse
6
Erkenntnisgewinn für die Praxis
Marius Harring
2
1 Ausgangslage
- das Verständnis von Freizeit -
-
Transformationsprozess von Freizeit
-
Prägnanteste Veränderung: Abkopplung von der Arbeit
-
Heutiges Verständnis: Eigene und eigenverantwortliche, subjektive
Verfügbarkeit von Zeit (Prahl 2010, 409; Nahrstedt 1990)
-
Einschränkung: „Emanzipation“ von Freizeit nur auf der
Funktionsebene.
 Entgrenzung von Freizeit und Arbeit (z.B. Tokarski 2000, 103)
(Stichwort: „Das Hobby zum Beruf machen“)
(vgl. Opaschowski 2006, 32f.)
Marius Harring
3
1 Ausgangslage
- das Verständnis von Freizeit -
-
Funktionen: Regeneration (Rekreation), Selbstverwirklichung,
Konsum, Bildung, Bewegung (z.B. Sport), Interaktions- und
Kommunikation sowie Passivität (vgl. Prahl 2010, 2002)
-
Neuere theoretische wie empirische Ansätze: Freizeit als Lernfeld
für (a) alle Gesellschaftsmitglieder im Sinne des Lebenslagen
Lernens und (b) für Kinder und Jugendliche im Speziellen im
Sinne informeller Bildungsprozesse
Marius Harring
4
1 Ausgangslage
- informelle Bildung in der Freizeit -
Kritik
- Trennschärfe sowohl theoretisch als auch empirisch nicht gegeben
- Das Suggerieren eines „neuen“ Bildungsbegriffs
Chance
- Beitrag zur Sichtbarkeit des immensen Potenzials
- Theoretische Arbeiten seit Beginn des 21. Jahrhunderts:
Dohmen 1999a, Dohmen 2001; BMFSFJ 2002, 153 ff.; Fischer 2003; Hungerland/Overwien
2004; Otto/Rauschenbach 2004; Tully 2004; Stecher 2005; BMFSFJ 2005; Tully 2006;
Rauschenbach/Düx/Sass 2007; Harring/Rohlfs/Palentien 2007; Bollweg 2008; Brodowski et al.
2009; Grunert 2011; Bollweg/Otto 2011
- Empirische Arbeiten seit Beginn des 21. Jahrhunderts:
insbesondere Studien des DJI (vgl. DJI 2000; Furtner-Kallmünzer et al. 2002;
Hössl 2006; Lipski 2004 etc.)
Marius Harring
5
Sport/
Medien/Musik
/ Nebenjobs
(Wahler/Tully/Preiß
2008; Tully 2007;
Tully/Wahler 2006)
Verein /
freiwilliges
Engagement
Peers
(Hansen 2008, 2010;
Neuber et al. 2010; Düx
et al. 2008; Sass 2007;
Düx/Sass 2006, 2005;
Hübner 2010)
empirische
Studien
Jugendkulturen/-szenen
(Informelles Lernen)
(Pfaff 2009; Pfaff 2008a; Pfaff 2008b; Pfaff 2006;
Adler 2006 et al.; Hitzler/Pfadenhauer 2006; Schäfer
2010a; Schäfer 2010b)
Peers und schulische Bildung
2008; Krüger/Deppe 2008; 2010;
Krüger/Köhler/Zschach 2007)
Peers und politische Orientierung
Selbstgesteuerte Mediennutzung und
inf. Lernen (Pietraß/Schmidt/Tippelt 2005)
LAN-Partys
(Vogelgesang 2004)
Web-2.0-Medien
et al. 2008)
(Jadin/Zöserl 2009; Kleimann
(Krüger et al.
(Böhm-Kasper 2010, 2006; Helsper et al. 2006)
Familie
Medien
(Büchner/Brake 2006;
Büchner(Wahl 2005;
Richter 2008;
Smolka/Rupp 2007)
Schnittstelle: Peers & Familie
(Fend 1998,
2003; Reinders 2006; Stecher 2001; BeckertZieglschmid 2006)
Internet
(Raufelder et al. 2009; Feil et al. 2009;
Tillmann 2008)
Medienhandeln/Medienkompetenz
(Treumann/Meister/Sander et al. 2007)
Marius Harring
6
1 Ausgangslage
- das Hauptanliegen -
Zentrales Anliegen der Studie:
Analyse der Bedingungsfaktoren der theoretisch und empirisch
aufgeführten Potenziale, die von Freizeit speziell für Bildungsprozesse
in der Jugendphase ausgehen
Marius Harring
7
2 Theoretischer Bezugsrahmen
- Theorie der Sozialen Praxis (Pierre Bourdieu) -
Ausgangspunkt
- Grundannahmen über die Beschaffenheit der sozialen Welt als
Zusammenspiel von Akteur und Struktur
- Im Zentrum: Analyse subjektiver und objektiver Sozialstrukturen,
kultureller Wirklichkeit(en) und wirksamer Mechanismen.
Primäres Ziel: Erklärung sozialer Ungleichheiten
- Zentrale sich reziprok bedingende Elemente: „Habitus“, „Feld“
(sozialer Raum) und „Kapital“
Marius Harring
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3 Fragestellungen
1) In welcher Weise deuten sich unterschiedliche Freizeitwelten und eine
Heterogenität im Freizeitverhalten Jugendlicher vor dem Hintergrund
freizeitkontextueller Ausgangsbedingungen, die sich in der Angebotsstruktur
eines Stadtteils widerspiegeln, an?
2) Wie bilden sich die drei Kapitalsorten – das soziale, das kulturelle und das
ökonomische Kapital – im Kontext jugendlicher Freizeitwelten ab?
3) Welche Interdependenzen lassen sich zwischen dem sozialen, kulturellen
und ökonomischen Kapital in Bezug auf mögliche heterogene Freizeitwelten
Jugendlicher beobachten?
4) Welche pädagogischen Konsequenzen erscheinen im Hinblick auf eine
Förderung des sozialen und kulturellen Kapitals möglich?
Marius Harring
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4 Methodisches Vorgehen
Quantitative Studie
Instrument: standardisierter Fragebogen
Ort: vier Schulen in zwei Bremer Stadtteilen in benachteiligter Lage
Stichprobe: Klumpen-Stichprobe
Anzahl der Probanden: 520 Schülerinnen und Schüler
Soziodemografische Struktur der Stichprobe
Alter: 10 bis 22 Jahre / Jahrgänge 5 bis 13
Geschlecht: 46,7% männliche / 53,3% weibliche Jugendliche
Schulform: Hauptschule (9,8%)/Realschule (23,3%)/Gymnasium (37,7%)/
Gesamtschule (29,2%)
Nationale Herkunft: 42,9% der Schülerinnen und Schüler weisen einen
Migrationshintergrund auf
Marius Harring
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4 Methodisches Vorgehen
- Operationalisierung -
Konstrukt
soziales Kapital
kulturelles Kapital
ökonomisches Kapital
Merkmal
Interaktionen innerhalb der Peer
Group und Familie
Zeitliche Dispositionsmöglichkeiten
Favorisierte Freizeitaktivitäten/räume
Finanzielle
und materielle Ressourcen
Variable / Item
(exemplarische Darstellung)
Wie häufig verbringst Du Deine Freizeit mit bester
Freundin/Partner/Eltern/reinen Mädchenclique etc.?
Wo triffst Du Dich in der Regel mit Freunden/Clique?
Wie viel Zeit bleibt Dir nach der Schule und Deinen
Hausaufgaben täglich für Deine Freizeit?
Welche der folgenden Tätigkeiten machst Du regelmäßig
in Deiner Freizeit?
Wie viel Geld hast Du in der Woche für Deine Hobbies
und Deinen persönlichen Bedarf zur Verfügung?
Hast Du einen eigenen Computer?
N (= 520)
Prozent
Soziales Kapital
Kulturelles Kapital
Ökonomisches Kapital
Die
peerorientierten
Allrounder
Die
passiven
Medienfreaks
Die
schulkontext.
Freizeitnutzer
Die
bildungselitären
Freizeitgestalter
Die
Organisierten
149
28,7%
132
25,4%
141
27,1%
35
6,7%
63
12,1%
-vielschichtige
Freundschaften/Cliquen/
Partnerschaften/
- vertrauensbasierte
Eltern-Kind-Beziehungen
- intraethnische u.
geschlechtshomogene
Freundschaften
- breit gefächerte
innerfamiliale soziale
Netzwerke
- Familie als zentraler
informeller Bildungsort
- geringere
Peereinbindung (nur
Schule)
- zumeist dyadische
Freundschaftsbeziehung
- soziale Einbindungen
in freundschaftliche,
partnerschaftliche und
familiäre Kontexte ohne
statistische Relevanz
- vor allem intraethnisch
- geschlechtsheterogene
Freundschaften/Cliquen,
die außerhalb der Schule
aufgenommen werden
- Partnerschaften
- Familie als Moratorium,
aber kein Freizeitort
- Fokussierung auf die
organisierte und
strukturierte Freizeit:
Jugendclubs,
Jugendverbände u.
Vereine stellen die
primären Freizeitwelten
dar.
- Sportaktivitäten stehen
im Zentrum
- Interesse an politischer
Bildung
- hohe zeitliche
Dispositionsmöglichkeit
- breiter Aktivitätsradius
- hohe Anzahl an
favorisierten
Freizeitaktivitäten/
-räumen
- sehr hohe zeitliche
Dispositionsmöglichkeit
- eingeschränkte
Freizeitwelten
- passives
Freizeitverhalten
- enorm hoher
Medienkonsum
- sehr geringe zeitliche
Dispositionsmöglichkeit
- Einbindung in
Haushaltspflichten
- in fast allen
Freizeitkategorien zum
Teil hoch signifikant
unterrepräsentiert
- geringe zeitliche
Dispositionsmöglichkeit
- bewusste und gezielte
Auswahl von Freizeit
- Rezeption von
Printmedien
- Musikinteresse
-Computer als Werkzeug
- Bildungsorientierung
als Leitgedanke, der das
Freizeitverhalten
determiniert
hohe finanzielle
Ressourcen (Grund:
Ausübung bezahlter
Nebentätigkeit)
- durchschnittliche
Taschengeldhöhe
- enorm hohe
Ausstattung mit
Unterhaltungsmedien
-durchschnittliche
Taschengeldhöhe
- unterdurchschnittliche
Ausstattung mit
Unterhaltungsmedien
- durchschnittliche
Taschengeldhöhe
- Ausübung bezahlter
Nebentätigkeit
- durchschnittliche
weiblich
männlich
weiblich
weiblich
männlich
leichte Dominanz der
16- bis 22-Jährigen
13- bis 15-Jährige
10- bis 12-Jährige
16- bis 18-Jährige
Alle Altersklassen
Dominanz der
Gymnasiasten
Gesamt- und
Realschule
Gesamtschule
Gymnasium
Hauptschule
ohne Mig.H.
mit Mig.H.
kein signifikanter
Unterschied
ohne Mig.H.
mit Mig.H.
Taschengeldhöhe
Soziodemografische Struktur
Geschlecht
Altersklassen
Formaler Bildungsstand
Nationale Herkunft
5 Ergebnisse
1
Die freizeitkontextuelle Heterogenität bildet sich im Hinblick auf
die den Jugendlichen zur Verfügung stehenden sozialen, kulturellen und
ökonomischen Kapitalien ab. Wechselseitigkeit: horizontal und vertikal
2
Horizontale Interdependenz: Das soziale und kulturelle Kapital stehen in
einem reziproken Beziehungsverhältnis zueinander
3
Vertikale Interdependenz: Der Besitz bzw. das Fehlen von (sozialen und
kulturellen) Kapitalgütern scheint im Bourdieuschen Sinne einen
unmittelbaren Einfluss auf das „Bildungskapital“ (hier: informelle
Bildungsprozesse) zu haben.
4
Reziprozität zwischen dem sozialen und kulturellen Kapital folgt keinen
kausalen Zusammenhängen.
In den meisten Fällen lässt sich der Auslösemechanismus empirisch
trennscharf nicht benennen
Marius Harring
13
6 Erkenntnisgewinn für die Praxis
Ansatz:
Kein ausschließliches Wissenschaftsinteresse
 Verortung in der pädagogischen Handlungsforschung
 effektive Schulentwicklung erwirken
Resultierendes Projekt:
„Kooperation Jugendverbände und Schule“
-
Expertinnen und Experten der außerschulischen Bildungsarbeit
den hohen sozialräumlichen Wirkungscharakter der Schule und die
Expertise der Jugendverbände nutzen
Erschließung neuer Freizeiträume | Initiierung von Bildungsprozessen
Marius Harring
14
6 Erkenntnisgewinn für die Praxis
Optimierung
-
Spezieller Blick auf Kinder und Jugendliche /
Orientierung an den Stärken und Bedürfnissen
-
Verzahnung zwischen formaler, non-formaler und
informeller Bildung
Marius Harring
15
Literatur
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Marius Harring
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Marius Harring
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Marius Harring
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