Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 9. Aufbau- und Verbindungstechnik 9.1 Einführung Wir haben uns im Kapitel 8 im wesentlichen mit den digitalen Grundschaltungen beschäftigt. Nur am Rande wurden Aspekte der Verbindung solcher monolithisch integrierter Grundschaltungen untereinander erwähnt, und dann im wesentlichen mit Blick auf ICs. Für den Aufbau von Systemen stehen heute aber mehrere "Ebenen" der Verbindungstechnik zur Verfügung. Im Überblick könnte man diese wie folgt gliedern: 1. Verbindungsleitungen auf dem IC Hier stehen für den Entwurf anwendungsspezifischer ICs heute bis zu fünf metallische Verbindungslagen übereinander zur Verfügung. 2. Verbindungen von ICs zur Außenwelt Die Verbindung nach außen erfolgt durch Einsetzen des ICs in ein Gehäuse (Package). Die Verbindung vom IC zum Gehäuse (Package) wird in der Regel durch dünne Golddrähte (Bonddrähte) hergestellt. Das Gehäuse wird direkt oder mittels eines Stecksockels mit einer Platine (Board) verbunden. Es werden heute Gehäuse mit ganz unterschiedlicher Gestaltung der Pins und mit Pin-Zahlen bis etwa 500 angeboten, in Ausnahmefällen sind bis zu ca. 1000 Pins möglich. Gehäuse- Pins Bonddrähte die Cavity Abb. 9.1: IC- mit Gehäuse und Bond-Anschlüssen Dual in-Line-Gehäuse Pin-Grid-Array cavity Abb. 9.2: Gehäuse-Formen Das Standard-Gehäuse von SSI- bis MSI-Bausteinen ist das Dual-in-line-Gehäuse (DIL), von dem es Versionen mit bis zu ca. 100 Pins gibt. Die Pins sind zur Durchkontaktierung oder für das Einsetzen in Sockel geeignet. Andere Gehäuse-Formen haben Pins, die sich direkt auf der Oberfläche einer Platine anschließen lassen. Für Gehäuse mit Pin-Zahlen von mehr als 100 werden rechteckige "Nagelbretter" verwendet, zum Beispiel auch für moderne Prozessoren (Pentium etc.), die als Pin Grid Array (PGA) bezeichnet werden. 1 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 3. Multi-Chip Module (second level packaging) In der Technik der Multi-Chip Module (MCMs), auch als "Chip-Carrier" bezeichnet, werden mehrere Chips direkt (ohne Gehäuse) auf ein Trägersubstrat aufgebracht. Dies ist entweder ein Keramik-Träger, manchmal auch ein anderes Silizium-Substrat. Auf solchen Substraten kommen dann wiederum bis zu 10 metallische Verdrahtungsebenen übereinander vor. Vertikal werden diese durch sogenannte "Vias" verbunden, das sind spezielle Kontakte zwischen metallischen Verdrahtungsebenen, die sogar „vergraben“ angelegt sein können. Ein solcher Chip-Carrier kann dann in ein großes Gehäuse eingesetzt und mit der Platine verbunden werden. Chip3 Chip1 Chip4 Chip2 Chip 5 Interconnects MCM Chip Chip Abb. 9.3: Multi-Chip Modul (MCM) mit Multi-Level-Verdrahtung 4. Platinen (Boards) In der seit den 60er Jahren üblichen Technik der "gedruckten Schaltungen" wird eine KuststoffTräger für die elektronischen Bauelemente verwendet. In den Anfängen der Technik war eine Seite den Bauelementen vorbehalten, die Rückseite der Platine trug die "aufgeduckte" metallische Verdrahtung. Zum Anschluß von Bauelementen wurden deren Gehäuse-Anschlüsse in Bohrungen zur Rückseite der Platine geführt und dort verlötet. Einseitig bestückte Platine IC IC (mit Package) Platine Durchkontaktierung metalische Leiter Zweiseitig bestückte Platine IC IC IC IC (Surface Mounted Devices- SMD-Technologie) Abb. 9.4: Platinen mit ein- und zweiseitiger Bestückung 2 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Bald kamen sogenannte "Multi-Layer-Platinen" hinzu, welche nicht nur 1 bis 2 metallische Verbindungsebenen an der Oberfläche der Platine besitzen, sondern im inneren weitere "vergrabene" metallische Leitungsebenen bereitstellen. Insbesondere in der Großrechner- Technologie waren und sind Platinen mit 10 bis 15 metallischen Verdrahtungsebenen, von denen jeweils eine oder mehrere für VDD- bzw. GND reserviert waren, Stand der Technik. Es gibt dabei sowohl vertikale metallische Verbindungen mit Kontakt zur Oberfläche (Vias) als auch, zumindest bei einigen Herstellern, "vergrabene" Vias. Die Gehäuse von ICs werden entweder direkt mit Anschlüssen auf der Platine verlötet oder in Sockel gesteckt, die ihrerseits mit Platine fest verbunden sind. Vorteil eines Anschlußes über Sockel ist die schnelle Austauschbarkeit von Bauelementen, in PCs sind die Prozessoren (immer) und die SpeicherBausteine (meistens) gesockelt, nachteilig ist der höhere Preis, aber auch die geringere Zuverlässigkeit der Verbindungen und die schlechteren elektrischen Eigenschaften. Um die immer komplexer werdenden Anschlüsse von ICs auf den Platinen verdrahten zu können, werden zunehmend Gehäuse mit dünneren Pins und engeren Zwischenräumen verwendet. Damit sinkt auch die parasitäre Kapazität dieser Baugruppen, sie sind also bei höheren Frequenzen betreibbar. Andererseits sind inzwischen die Leitungen so dünn und die Leitungsabstände so gering, daß man mit konventionellen Techniken (Lötkolben) kaum noch Reparaturen ausführen kann. 5. Racks, Backplane Größere Elektronik-Systeme werden in Schränken untergebracht. Die Anschlüsse der einzelnen Platinen nach außer werden auf eine Steckerleiste gelegt. Eine Anordnung, welche wiederum diese Platinen miteienander verbindet, nennt man "Backplane". Die mechanischen Anordnungen zum Festhalten der Platinen werden auch als "Racks" bezeichnet. 9.2 Leitungen 9.2.1 Einführung In der Digitaltechnik hat man es sich (im Gegensatz zur Analogtechnik) lange erlauben können, die Verbindungsleitungen zwischen den aktiven Bauelementen stark zu idealisieren. Bei Taktraten in digitalen Systemen von 100 MHz und darüber ist eine derartige Abstraktion nicht mehr möglich. Hier ist nun eine wesentlich genauere Modellierung von Leitungen vorgesehen, wie sie in der analogen Hochfrequenztechnik schon lange praktiziert wird. Es gibt eine einfache Faustformel für die "untere Grenze" für eine solche Betrachtung. Sie erklärt sich aus der Theorie der elektromagnetischen Wellen. Die Theorie der Wellen auf Leitungen und im Freiraum geht zunächst fast immer von Sinus-förmigen Strömen und Spannungen aus. Andere periodische Signale kann man stets aus einer Überlagerung von Sinus-Schwingungen unterschiedlicher Frequenz modellieren. Eine Wechselstrom mit der Frequenz f (entsprechend der Anzahl der Polaritätswechslel pro Sekunde) ist stets verknüpft mit elektromagnetischen Welle der Länge l . Bei Wellen, die sich im Freiraum ausbreiten, gilt stets: f * l = c. Dabei ist c die Lichtgeschwindigkeit, im Freiraum beträgt diese etwa 3* 10**8 m/ s. Wie man in der Physik gelernt haben sollte, sind elektrische Signale ein Teil des sogenannten elektromagnetischen Spektrum. 3 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Frequenz W e llenlänge bis 100 Hz > 3000 km 100 Hz bis 30 kHz bis 10 km Bezeichnung Anwendung Techn. W echselstrom Energietechnik Tonfrequenz Audio-Technik 30 kHz bis 300 kHz bis 1 km Langwelle Rundfunk 300 kHz bis 3 MHz bis 100 m M ittelwelle Rundfunk 3 MHz bis 30 MHz bis 10 m Kurzwelle Rundfunk, Sprechfunk 3 0 M H z b i s 3 0 0 M H zb is 1 m 300 MHz bis 3 GHz bis 10 cm 3 GHz bis 30 GHz bis 1 cm 30 GHz bis 300 GHz bis 1 mm bis 1 um bis 0,1 um Dezimeterwellen Zentimeterwellen Millimeterwellen Richtfunk, Satellitenfunk, TV Richtfunk, Radar, Sat. TV Radar, Meßtechnik Infrarot Licht-Optik Abb. 9.5: Elektromagnetisches Spektrum Aus Gründen, die wir später noch diskutieren wollen, kann eine elektromagnetische Schwingung, wie sie Träger (fast) aller digitalen und analogen Informationsübertragung ist, entweder als freie Welle im Raum (Radiowellen, Mikrowellen Licht) oder als Schwingungsvorgang auf Leitungen vorkommen. Dabei ist die Wellenlänge auf der Leitung in der Regel nochmals um den Faktor 2-3 kleiner als die entsprechende Wellenlänge im Freiraum. Typischerweise muß man sich um Leitungseigenschaften dann nicht kümmern, wenn die Wellenlänge des Signals mindestens 10-fach größer ist als die Ausdehnungen des technischen Systems, in dem man arbeitet. In der 50 Hz-Starkstromtechnik liegt die Wellenlänge bei 6000 km. Deshalb treten bei Überlandleitungen mit Längen von einigen 100 km durchaus WellenEigenschaften auf. Eine Überlandleitung für Drehstrom von Hamburg nach Kairo ist deshalb kaum realisierbar. In der Digitaltechnik werden heute bei Prozessoren Taktfrequenzen um 300 MHz erreicht, was einer Freiraum-Wellenlänge von 1 m entspricht. Auf Kunststoff-Platinen erreicht die Wellenlänge dann Werte um 30 bis 50 cm. Nimmt man noch die in den steilen Flanken digitaler Signale „verborgenen“ Oberwellen hinzu, so treten durchaus Frequenzen um 1 GHz mit Wellenlängen von 30 cm (im Freiraum) bzw. um 10 cm (im Dielektrikum) auf. Leitungslängen auf Platinen erreichen oft Längen von 20 bis 30 cm, und selbst Taktleitungen auf ICs können einige cm lang werden. Damit ist die heutige Digitaltechnik durchaus in Dimensionen vorgestoßen, die zur sogenannten "Hochfrequenztechnik" gehören. Man kann die Verhältnisse auch anders herum beschreiben. Im Vakuum legt ein elektrisches Signal entsprechend der Lichtgeschwindigkeit eine Strecke von 3 * 10**8 m zurück. Pro Nanosekunde sind dies nur noch 30 cm im Vakuum oder in Luft, etwa 10 cm bei realen Leitungen, z. B. auch auf Platinen. Andererseits haben schnelle Gatter (z. B. ECL-Logik) Schaltzeiten um 0,1 ns, was Laufstrecken um 1 cm entspricht ! Zumindest für Platinen und zunehmend auch für ICs wird damit weniger die Schaltzeit der Gatter bestimmend für die Laufzeit von Signalen, sondern die Länge der Verbindungsleitungen! Hier liegt der Grund, weshalb die hochintegrierten CMOS-Mikroprozessoren seit Beginn der 90er Jahre den weniger hoch integrierbaren Computer-Mainframes auf der Basis schneller bipolarer Schaltungen erfolgreich Konkurrenz machen! Wir wollen uns deshalb nachfolgend mit den Eigenschaften elektrischer Leitungen befassen. 4 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 9.2.2 Leitungen und Wellenleiter Grundsätzlich kann man jeden Transportvorgang von elektrischer Energie mit Wechselstrom als Ausbreitung einer Welle auffassen. Ein sich änderndes elektrisches Feld erzeugt dabei immer auch ein wiederum veränderliches magnetisches Feld und umgekehrt. Die magnetischen und die elektrischen Feldlinien stehen stets senkrecht aufeinander. Beschrieben wird das Verhalten elekrischer und magnetischer Felder und deren Wechselwirkungen durch die Maxwell`schen Gleichungen. Diese Wellen sind dabei entweder "frei" oder durch Leitungsstrukturen geführt. Abb. 9.6 zeigt einige praktisch wichtige Leitungsstrukturen. Innenleiter Außenberandung Zweidraht-Leitung Koaxialleitung Hohlleiter Dielektrikum metallische Berandung Mikro-Streifenleitung Abb. 9.6: Leitungsstrukturen Eine Leitung ist aus der Sicht des Hochfrequenztechnikers eine Struktur, die zur Führung einer elektromagnetischen Welle geeignet ist. Man unterscheidet zwischen Leitungen, die eine zweifache Berandung besitzen, und Wellenleitern, bei denen nur eine Berandung vorhanden ist. Zweifach berandet sind die Zweidrahtleitung, die Koaxialleitung und die Mikro-Streifenleitung. Dagegen hat der Rechteck-Hohlleiter nur eine einfache Berandung. Energie wird stets nur dort transportiert, wo gleichzeitig das elektrische und das magnetische Feld der Welle ungleich null sind. Außerdem stehen die Linien des elektrischen und des magnetischen Feldes stets senkrecht aufeinander. Nimmt man näherungsweise an, daß metallische Leitungen eine unendlich hohe Leitfähigkeit besitzen, so ist im inneren solcher Leiter das elektrische Feld immer gleich null, es wird also dort auch keine Energie transportiert. Energietransport findet deshalb bei realen Leitungen fast ausschließlich im dielektrischen Isolator-Stoff zwischen den metallischen Berandungen statt! Im realen Fall dringt das elektrische Feld nur mehr oder weniger tief in die Oberfläche eine Leiters ein. Die sogenannte Skin-Tiefe ist die Tiefe, bei der der Wert z. B. des elektischen Wertes an der Oberfläche auf 1/e abgefallen ist. Die Skintiefe sinkt zu höheren Frequenzen mit der Wurzel aus der Frequenz. Bei hohen Frequenzen dringt also der Strom viel weniger tief in den Leiter ein, er konzentriert sich an dessen Oberfläche. Ist diese Oberfläche nicht ideal, also z. B. uneben, so ergeben sich daraus schon steigende Leitungsverluste bei höheren Frequenzen. Die Modellvorstellung von der "geführten Welle" ist also richtiger als die des Energietransports mittels des Stromes durch die Leitungen. Das heißt also, daß sich z. B. in ICs der Energietransport im Silizium und im Silizium-Dioxid vollzieht, weniger in den Leitungen! 5 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Dielektrikum Metall Bandleitung E (x) x Rechteck-Hohlleiter E (x) x Abb. 9.7: Vergleich zwischen konventioneller Leitung und Wellenleiter Abb. 9.7 zeigt eine Bandleitung im Vergleich zu einem Rechteck-Hohlleiter (im Querscnitt dargestellt). Das elektrische Feld ist über die Breite der Leitung etwa konstant (stimmt nicht ganz). Ein solcher zweifach berandeter Leiter kann elektrische Spannungen und Ströme ab der Frequenz null (Gleichstrom) transportieren. Im Wellenleiter sehen die Verhältnisse ganz anders aus. Erstens kann man dort keine "Spannung" zwischen den separaten metallischen Leitern definieren, wohl aber ein elektrisches (und magnetisches) Feld. Dieses muß aber in der Berandung null sein. Genauer: Die tangentiale Komponente des elektrischen Feldes ist an der Berandung gleich null, wenn diese ideal leitend ist. Näherungsweise nimmt man das aber auch bei guten Leitern (Kupfer) und hohen Frequenzen an. Damit kann eine solche Hohlleitung nur eine Welle transportieren, deren halbe Wellenlänge in die Hohlleitung "paßt". Jeder einfach berandete Wellenleiter hat im Gegensatz zu "konventionellen" Leitungen eine untere Grenzfrequenz. Unterhalb dieser Frequenz ist auf dem Leiter keine Welle ausbreitungsfähig, erfolgt also auch kein Energietransport. Beim Hohlleiter mit einer Kantenlänge von 15 cm wird man also annehmen, daß seine untere Grenzfrequenz entsprechend einer Wellenlänge von 30 cm liegt, das ist für 1 GHz (für Luft im Leiter) der Fall. Typische Wellenleiter zeigt Abb. 9.8. Ein Wellenleiter benötigt nicht mal eine metallische Berandung, er funktioniert sogar mit zwei verschiedenen dielektrischen Stoffen. Von genau diesem Typ sind die optischen Wellenleiter der Glasfaser-Technologie. Dort breitet sich die Welle entweder entlang der metallischen Oberfläche aus (Oberflächen-Wellenleiter), oder sie wird zwischen den Grenzschichten von zwei Dielektrika hin- und her reflektiert (dielektrische Wellenleiter). Im letzten Fall wird also kein Metall zur Führung der Welle benötigt. Solche Leitungsmechanismen werden in GlasfaserKabeln verwendet, wo man dann Wellen im Bereich des sichtbaren Lichtes verwenden kann (Wellenlängen um 0,5 Mikrometer). Hier treten nur extrem geringe Dämpfungen auf, eine Welle kann also ein Signal ohne Zwischenverstärker über extrem lange Entfernungen transportieren. 6 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Dielektrischer Wellenleiter Oberflächen-Wellenleiter Dielektrikum 1 Dielektrikum Dielektrikum 2 Metall Abb. 9.8: Wellenleiter-Typen Wir wollen an dieser Stelle keine optische Nachrichtentechnik treiben, aber auch die Schaltungsstrukturen der Mikroelektronik gehorchen der Theorie der elektromagnetischen Wellen. Leitung (Metall) Si O2 Silizium E Ground-Plane (Metall) Abb. 9.9: Ausbreitung auf IC-Strukturen Eine einzelne Leitung auf einem Silizium-Substrat mit SiO2-Isolierschicht zeigt im Querschnitt Abb. 9.9. Die Wellenausbreitung und damit der Energietransport findet sowohl im Silizium-Dioxid als auch im Silizium statt. Silizium ist aber kein guter Isolator, sondern ein schwacher Leiter. Damit erzeugt Silizium Verluste bei der Wellenausbreitung, die Amplitude der Welle wird reduziert. Silizium wirkt als "verlustbehaftetes" Dielektrikum. Hier kommt der Skin-Effekt sichtbar zum Tragen: Bei niedrigen Frequenzen findet die Wellenausbreitung zwischen dem metallischen Streifen an der Oberfläche und der FrundMetallisierung statt. Bei hohen Frequenzen wird die Skin-Tiefe im schwach leitenden Silizium so gering, daß sich die Welle zwischen dem Silizium und dem obene Metall-Streifen ausbreitet. Sie kann dann aus der gewünschten Leitungsstruktur (z. B. auf dem IC) heraus und in ganz andere Richtungen laufen. Typischerweise führt das zu unerwünschten Kopplungen zwischen verschiedenen Leitungen. Für Hochfrequenz.-Schaltungen ist deshalb ein Substrat aus Silizium nicht ideal, Gallium-Arsenid mit seiner viel geringeren Leitfähigkeit hat dort eindeutige Vorteile. Gerade dieser Nachteil wird aber unter bestimmten Umständen zum Vorteil. Si O2 E Ground-Plane (Metall) Abb. 9. 10: Gekoppelte Leitungen 7 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Auf einem integrierten Schaltkreis laufen metallische Leiterbahnen über mehr oder weniger Entfernungen parallel. Dabei werden die von den Strömen und Spannungen auf der einen Leitung erzeugten elektrischen und magnetischen Felder auch benachbarte Leitungen beeinflussen. Abb. 9.10 zeigt zwei gekoppelte Leitungen. Die Linien des elektrischen Feldes einer Leitung konzentrieren sich im Material mit der höheren Dielektrizitätszahl, werden also bevorzugt im Si und im SiO2 und weniger in Luft verlaufen. Silizium ist ein schwacher Leiter, deshalb erzeugt das elektrische Feld einen geringen Stromfluß zwischen den Leitern. Die Welle verliert an Amplitude und wird abgedämpft. Dies gilt auch für den Teil des elektrischen Feldes, der eine Kopplung zwischen den Leitungen bewirken würde. Makroskopisch bedeutet diese Eigenschaft, daß man sich im Silizium bezüglich der Kopplung zwischen Leitungen, in der Nachrichtentechnik oft als "Übersprechen" bezeichnet, lange Zeit viel weniger Sorgen machen mußte als bei Leitungen auf nahezu verlustfreien Dielektrika, z. B. auch Gallium-Arsenid, Teflon oder Saphir (Al2O3). Erst bei Leitungsabständen unter ca. 0,5 Mikrometern werden auch in Silizium-Schaltkreisen parasitäte Effekte dieser Art zunehmend wichtig. Für Frequenzen oberhalb von ca. 300 MHz kann aber auch ein Wellentyp auftreten, für den sich das Silizium verhält wie eine Leiter. Diese Welle wird also vorwiegend zwischen dem metallischen Leiterstreifen und der Oberfläche des Siliziums verlaufen. Im GHz-Bereich sind darüber hinaus noch Wellentypen vorstellbar, welche sich an den Grenzflächen zwischen metallischem Leiter und Dielektrikum ausbreiten. Die Effekte, die bei höheren Frequenzen in auf Leitungsstrukturen auftreten, kann man wie folgt summieren: − Ansteigende Dämpfung durch dielektrische Verluste und Anregung höherer Wellentypen − Verstärkte Effekte der Kopplung zwischen verschiedenen Leitungen − Verstärkte Abstrahlung durch Umwandlung in Wellen, die sich im Freiraum ausbreiten. Diese Effekte treten sowohl auf Platinen als auch auf ICs auf, wobei wegen der größeren Abmessungen Platinen bei etwa 100 MHz schon massiv betroffen sind. Dann, wenn Leitungsstrukturen etwa einer viertel- bis einer halben Wellenlänge entsprechen, wirken Leitungen auch als Antennen: Sie wandeln leitungsgeführte Wellentypen in Freiraum-Wellentypen um. Die klassische Hochfrequenztechnik hat in der Vergangenheit Berechnungsverfahren für homogene und teilweise inhomogen Wellenleiter entwickelt. Viele dieser Verfahren arbeiten aber mit der Näherung von nahezu verlustlosen Leitungen, was zumindest für ein Silizium-Substrat nicht gilt. Diese Verfahren sind darüber hinaus so aufwendig, daß sie bei den vielfachen Wechselwirkungen zwischen Leitungen auf ICs und den inhomogenen Strukturen dort nicht mehr anwendbar sind. 9.2.3 TEM-Leitungen Man unterscheidet bei geführten elektromagnetischen Wellen grundsätzlich drei Typen: − Transversal-elekrische (TE)- Wellen besitzen eine elektrische Feldkomponente nur senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Welle − Transversal-magnetische (TM)-Wellen besitzen eine magnetische Feldkomponente nur senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Welle. TE- und TM-Wellen sind typischerweise solche, die nur oberhalb einer gewissen unteren Grenzfrequenz angeregt werden. Sie sind bezüglich ihrer Eigenschaften (auch Ausbreitungsgeschwindigkeit) von der Frequenz abhängig. Die Abhängigkeit der Ausbreitungseigenschaften von der Frequenz nennt man „Dispersion“. 8 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Auf zweifach metallischen verlustlosen Leitungen existiert auch ein sogenannter transversal elektromagnetischer Wellentyp (TEM-Welle). Hier existieren sowohl elektrische als auch magnetische Felder nur senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Dieser Wellentyp hat keine untere Grenzfrequenz und ist bezüglich der Ausbreitungseigenschaften frequenzunabhängig. Wellentypen auf technischen zweifach berandeten Leitungen entsprechen oft annähernd dem TEMTyp, obwohl reale Leitungen nie verlustlos sind. Sie werden deshalb oft als Quasi-TEM-Leitungen bezeichnet . Die Koaxialleitung entspricht der TEM-Näherung recht gut und ist deshalb bis zu Frequenzen im GHz-Bereich einsetzbar. Sie kann auch Gleichstrom übertragen. Nicht ganz so gut sind die Zweidraht-Leitung und die Mikro-Streifenleitung. Bei ausreichend hohen Frequenzen werden auf solchen Leitungen auch Nicht-TEM-Wellen ausbreitungsfähig, ein Teil der Energie geht in diese Wellen-Typen über. Dadurch enstehen stark erhöhte Verluste. Z. B. kann ab einigen GHz eine Koaxial-Leitung auch als runde Hohleitung wirken, sie weist dann höhere Verluste auf. Für Mikrowellen-Schaltungen hat man deshalb schon seit langer Zeit Hohlleitungen verwendet. Bei TEM-Leitungen kann man einen sogenannten"Wellenwiderstand" ZL der Leitung definieren, der das Verhältnis der elektrischen zur magnetischen Feldstärke auf der Leitung angibt. Er wird wie beim elektrischen Widerstand üblich in Ohm gemessen. Der Wellenwiderstand ergibt sich aus dem Verhältnis der elektrischen zur magnetischen Feldstärke der Welle und ist damit vom Dielektrikum der Leitung abhängig. Für eine Welle, die sich im Freiraum ausbreitet, also nicht durch Leitungen oder Dielektrika geführt ist, gibt man oft einen sogenannten Freiraum-Wellenwiderstand von 377 Ohm an. TEM-Leitungen haben in der Regel einen Wellenwiderstand von 200 bis 300 Ohm für die ZweidrahtLeitung und ca. 50 bis 120 Ohm für Koaxialleitungen und Streifenleitungen. Die Auswirkungen auf die Schaltungstechnik werden anschließend behandelt.. 9.2.4 Leitungs-Ersatzschaltbild Bezüglich der Leitungseigenschaften "im Detail" wollen wir uns auf die Quasi-TEM-Leitungen beschränken, weil vorrangig dieser Typ für die Digitaltechnik von Bedeutung ist. Die Digitaltechnik verlangt nämlich die Übertragung von Signalen, die immer Spannungswerte größer-gleich null Volt sind und damit "unsymmetrisch" bezüglich einer 0-Volt-Spannung. Solche Signale lassen sind nur durch Leitungen übertragen, die auch Gleichstrom (also f = 0) führen können. Deshalb scheiden alle Wellenleiter mit unterer Grenzfrequenz aus. Von einer solchen Leitung betrachten wir zunächst ein kurzes Stück der Länge dx. (Abb. 9.11). 1 2 ZL 1' 2' dx X i (x,t) R' L' u(x, t) i + di G' C' u + du dx Abb. 9.11: Quasi-TEM-Leitung und Ersatzschaltbild für ein Segment 9 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Es weist in Längsrichtung eine Induktivität L' und einen Widerstand R' auf. Zwischen den Leitern existiert im allgemeinen Fall neben einer Kapazität C' auch ein Ableitwiderstand G'. Eigentlich sind diese Elemente auf der Leitung kontinuierlich verteilt. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Induktivitätsbelag L', einem Widerstandsbelag R' und einem Kapazitätsbelag C', den die Leitung in kontinuierlicher Form aufweist. Eine solche Leitung hat prinzipiell einen Tiefpaß-Charakter. Sie wird hohe Signalfrequenzen stärker dämpfen als niedrige. Außerdem wird sie typischerweise eine Verzögerung eines Ausgangssignals gegenüber einem Eingangssignal bewirken. Die Verhältnisse zwischen Strom und Spannung auf der Leitung werden, abgeleitet vom Segment der Länge dx, durch zwei Leitungsgleichungen beschrieben: − du/dx = R' i + L' di / dt − di / dx = G' u + C' du / dt Durch Einsetzen erhält man die sogenannte "Telegrafengleichung": d2i / dx2 = L' C' d2u / dt2 + (R' C' + G' L') du / dt + R' G ' u Spannungen und Ströme sind damit sowohl orts- als auch zeitabhängig. Einige Eigenschaften und Lösungen dieser Differentialgleichung kann man am besten für die verlustlose Leitung darstellen. Mit R' = G' = O vereinfacht sich die Telegrafengleichung zu: d2i / dx2 = L' C' d2u / dt2 Die Größe v = 1 / (L' C')1/2 ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit eines Signals auf der Leitung. Die Lösung dieser Gleichung läßt sich stets aufspalten in eine vorwärts (hin)- und eine rückwärts laufende Welle: u (x, t) = uh (x-vt) + ur (x + vt). i (x, t) = ih (x-vt) - ir (x + vt) v heißt auch die "Phasenbeschwindigkeit" der Welle. 1 2 ZL 1' 2' X u (x) i (x) uh (x-vt) ih(x-vt) x ur (x+vt) ir (x + vt) x Abb. 9.12: Hin- und rücklaufende Welle 10 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Die Größe ZL = (L' / C')1/2 ist für die verlustlose Leitung ein realer, von der Signalfrequenz unabhängiger Wert. Sie wird als der Wellenwiderstand der Leitung bezeichnet. Für die verlustbehaftete Leitungen wird ZL komplex und von der Frequenz abhängig. Der Wellenwiderstand ist der Widerstand (also das Verhältnis Spannung zu Strom), das man am Anfang einer Leitung mißt, wenn sie mit demselben Widerstand am Ende abgeschlossen ist. Man kann auch sagen, daß ZL der Widerstand ist, den man am Anfang einer sehr langen verlustbehafteten Leistung messen würde. 9.2.5 Transformationen, Anpassung, Reflexionen Wir haben festgestellt, daß es auf jeder Leitung eine hin- und eine rücklaufende Welle geben kann. Ob und mit welcher Amplitude die rücklaufende Welle auftritt, hängt von den Widerstandsverhältnissen am Leitungsende und von der Dämpfung auf der Leitung ab (Abb. 9.13). Anpassung ZL 1 2 u u0(t) ZL ZL uh(x,t) x 1' 2' Leerlauf ZL X 1 2 u u0(t) ZL uh (x,t) ur (x,t) x 1' Abb. 9.13: Angepaßte und leerlaufende Leitung Hat man ein Leitung mit einem Widerstand abgeschlossen, der ihrem Wellenwiderstand gleich ist, so tritt nur die hinlaufende Welle auf . Man spricht dann von "Anpassung". Für die Betrachtung einiger praktisch wichtiger Sonderfälle nehmen wir zunächst eine verlustlose Leitung an. An deren Ende sei ein Leerlauf, d. h. die Leitung hat einen unendlich hohen Abschlußwiderstand. Dann muß notwendigerweise der Strom auf der Leitung bei x = l den Wert null haben. Dies ist durch eine entsprechende Überlagerung der hin-und der rücklaufenden Welle erreichbar, die am Ende der Leitung die Bedingung hat: ih + ir = 0 Daraus folgt notwendigerweise: ur = uh Am Ende der Leitung erhält man einen "Stromknoten" und einen "Spannungsbauch" mit doppelter Amplitude u (l) = 2 uh. 11 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Kurzschluß ZL 1 2 u u0(t) ZL uh (x,t) 1' ur (x,t) x X Kurzschluß ZL 1 2 u u0(t) ZL Z Z > ZL uh (x,t) ur (x,t) ur (x,t) 1' x Z < ZL X Abb. 9.14: Kurzgeschlossene Leitung Den komplementären Fall zeigt Abb. 9.14. Wenn die Leitung am Ende kurzgeschlossen ist, so wird dort notwendigerweise die Spannung null. Dann wird: u (l) = uh + ur= 0 ur = - uh Entsprechend addieren sich die Ströme am Leitungsende zum doppelten Wert: i (l) = ih - ir = 2ih Für den allgemeinen Fall eines Abschlußwiderstandes Z wird ein Reflexionsfaktor r für das Leitungsende definiert: Z - ZL r = __________ mit ur = r uh, Z + ZL ir = -r ih Für den Sonderfall des Leerlaufs wird r = 1, für den Kurzschluß gilt entsprechend r = -1. Bei Anpassung gilt r = 0. Die Verhältnisse am Leitungsende haben weitergehende Auswirkungen entlang der Leitung, da sich dort die hin- und die rücklaufende Welle überlagern. Wir betrachten die Vorgänge zunächst für eine sinus-förmige Anregung am Anfang der Leitung. Dann hat die Welle auf der Leitung eine LeitungsWellenlänge lg. Diese ist bestimmt durch die Frequenz und durch die Kapazitäts- und Induktivitätsbeläge der Leitung: lg = c / f = c0 / f (er + mr)**1/2 Dabei ist c0 die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum (etwa 3 * 10**8 m/s), c die Lichtgeschwindigkeit im Stoff mit der relativen Dielektrizitätskonstante er und der sogenannten Permeabilität mr. Damit gehen die dielektrischen bzw. magnetischen Eigenschaften des jeweiligen Materials in die Eigenschaften der Leitung (Wellenlänge, Ausbreitungsgeschwindigkeit) ein. 12 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Nehmen wir zunächst den Fall des offenen Leitungsendes an: Am Leitungsende überlagern sich die hin- und die rücklaufende Welle zu doppelter Spannung und Null-Wert des Stromes. Eine Strecke von einer Viertel-Wellenlänge vom Leitungsende entfernt bewirkt diese Überlagerung aber genau den umgekehrten Fall. Hier hat sich die Überlagerung der Wellen so transformiert, daß ein Knoten der Spannung und ein Bauch des Stromes auftritt. Entlang der Leitung entsteht eine sogenannte "stehende Welle". Ein Kurzschluß am Leitungsende mit StromBauch und Spannungsknoten transformiert sich entsprechend in einen Quasi-Leerlauf eine ViertelWellenlänge davor auf der Leitung. u (x) Kurzschluß am Leitungsende Betrag X lg / 2 u (x) Leerlauf am Leitungsende Betrag X Abb. 9.15: Stehende Welle auf einer fehlangepaßten Leitung Mit Spannungen und Strömen transformiert sich entsprechend auch der Widerstand, den man entlang der Leitung messen würde. Z (l) (Betrag) l - lg /4 l x lg / 2 Abb. 9.16: Transformation des Widerstandes auf einer Leitung Für die Praxis hat dieses Verhalten von Leitungen ganz erhebliche Auswirkungen. Fehlanpassung Rg 1 u0(t) 2 Zi ZL Z 1' X Abb. 9.17: Fehlangepaßte Leitung 13 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Der Widerstand Zi, den ein Generator am Anfang einer Leitung sieht (Abb. 9.17) kann bei Fehlanpassung am Ende in erheblichem Umfang schwanken. Dies bewirkt, daß bei einem Generator mit dem Innenwiderstand Rg und der Leerlaufspannung U0 nur ein Bruchteil der verfügbaren Leistung über die Leitung übertragen werden kann. In den Extremfällen Zi = 0 oder Zi = unendlich überträgt die Leitung gar keine Leistung. Sie wirkt wie ein Schwingkreis, der elektrische oder magnetische Energie nur speichert und in die eine bzw. andere Form umsetzt. In der Nachrichtentechnik ist es deshalb notwendig, Leitungen so zu betreiben, daß sowohl der Innenwiderstand des Generators Rg als auch der Lastwiderstand Z möglichst genau dem Wert des Wellenwiderstandes der Leitung entsprechen. Werte des Wellenwiderstandes liegen bei Koaxialleitungen meistens zwischen ca. 50 Ohm und 100 Ohm, wobei 50 Ohm ein sehr gebräuchlicher Wert ist, bei Zweidraht-Leitungen meistens zwischen ca. 200 und 300 Ohm. Generatoren für die Signalübertragung auf Leitungen und, für ausreichend hohe Frequenzen, auch schon auf Platinen müssen dem Wellenwiderstand entsprechende Ströme "treiben" können. Dazu benötigen CMOS-Schaltungen sehr große Verstärkerstufen, dagegen können ECL-Logikgatter teilweise sogar 50 Ohm-Leitungen direkt ansteuern. Wenn auf einer Übertragungsstrecke Leitungen mit unterschiedlichen Wellenwiderständen verwendet werden, entstehen an den Übergangsstellen Reflexionen. Es wird jeweils nur ein Teil der Eingangsleistung weiter übertragen, ein anderer Teil der Leistung wird reflektiert. Die reflektierten Wellen werden sowohl Störimpulse auf Leitungen erzeugen (z. B. "Geisterbilder beim Fernsehen), sie werden aber auch von einem Generator (Sender) erzeugte Energie in diesen zurücktransportieren, was zur thermischen Überlastung und Zerstörung führen kann. Hochfrequnzleitungen müssen deshalb stets "angepaßt" betrieben werden. Die Anpassung kann man durch Zuschaltung von Leitungsstücken oder Widerständen erreichen. Rg Anpassungsglied 1 2 R1 Zi ZL1 R2 Z ZL2 1' X Abb. 9. 18: Anpassung durch Widerstände Das Anpassungsglied muß dafür sorgen, daß der Ausgang der Leitung auf der linken Seite (Abb. 9. 18) am Ausgang den eigenen Wellenwiderstand "sieht". Natürlich führt die Anpassungsschaltung mit Widerständen dazu, daß stets ein Teil der vom Generator erzeugten Leistung in den Anpassungswiderständen verloren geht. Dafür ist die Anpassung breitbandig wirksam. Rg Anpassungsglied 1 u0(t) 2 Zi ZL1 ZLT Z ZL2 1' lg / 4 Abb. 9.19: Anpassung durch Leitungs-Transformator 14 X Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Eine altenative Lösung zeigt Abb. 9. 19. Man verwendet ein Leitungsstück von einer ViertelWellenlänge, deren Wellenwiderstand ZLT = (ZL1 * ZL2)**1/2 beträgt. Diese Anpassung ist nur bei der Frequenz ideal wirksam, bei der das Transformationsstück eine Viertel-Wellenlänge lang ist, wirkt also schmalbandig. Dafür wird bei der richtigen Frequenz alle Energie von linken auf das rechte Leitungsstück übertragen. Die Hochfrequenztechnik kennt noch eine paar weitere Varianten, um mit Leitungsstücken bestimmter Länge eine Anpassung zu erreichen. Da hier keine Spezialvorlesung über Hochfrequenztechnik gehalten werden soll, wollen wir noch auf eine paar praktische Aspekte eingehen: Wir haben bereits die Modellvorstellung diskutiert, daß eine Welle durch die jeweilige Leitungsstruktur "geführt" wird. In der Praxis sind bei hohen Frequenzen alle Inhomogenitäten von Leitungen (Biegungen, Knicke usw.) Ursache für die Abstrahlung von Energie. Abstrahlung am offenen Leitungs-Biegung Leitungsende Abstrahlung Ausbreitung Ausbreitung Abstrahlung Reflexion Abb. 9.20: Leitungs-Diskontinuitäten Offene Leitungsenden wirken in der Praxis nicht wie ideale Leerläufe, sondern haben einen endlichen Widerstand dadurch, daß ein Teil der Energie in eine Welle im Freiraum umgesetzt wird, man bekommt eine Antenne. Echte Antennen sind so ausgebildet, daß sie einen kontinuierlichen Übergang zwischen dem Wellenwiderstand der Leitung (z. B. 50 Ohm) und dem des freien Raumes (377 Ohm) erzeugen. Im Ersatzschaltbild ist dann die Leitung mit einem realen Widerstand, dem sogenannten "Strahlungswiderstand" der Antenne, abgeschlossen. Wenn man einen "Leerlauf" auf der Leitung realisieren will, wird dazu eine kurzgeschlossene Leitung von einer Viertel-Wellenlänge benötigt. Über den Effekt der Impedanztransformation erfolgt dann die Umwandlung des Kurzschlußes in einen Leerlauf eine Viertel-Wellenlänge vom Leitungsende entfernt. 9.2.6 Gekoppelte Leitungen In der Praxis der Schaltungstechnik ist nie "eine Leitung allein". Die typische Leitungsstruktur auf einer Platine zeigt Abb. 9.21. Leiterbahnen Kopplungs-Kapazität Ck Dielektrikum Grund-Metallisierung Leitung 1 Ck Leitung 2 Abb. 9.21: Gekoppelte Streifenleitungen 15 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Jede Leitung besteht aus einem Leitungsstreifen und der gemeinsamen Grund-Metallisierung (Ground Plane). Eine solche Struktur bezeichnet man in der Hochfrequenztechnik als MikroStreifenleitung oder "Mikrostrip-Leitung". Man verwendet als Dielektrikum meistens einen guten Isolator mit hoher relativer Dielektrizitätszahl. Dann verläuft die Wellenausbreitung größtenteils im Dielektrikum, entsprechend verkürzt sich die Leitungswellenlänge gegenüber der im Freiraum um einen Faktor, der sich aus der Wurzel aus der relativen Dielektrizitätszahl er ergibt. Normale Dielektrika haben relative Konstanten er etwa zwischen 3 und 10. Wird ein magnetisches Material verwendet, z. B. magnetische Keramik, so hat dieses eine "relative Permeabilität" mr . Dann errechnet sich die Wellenlänge auf der Leitung lg zu: lg = lo /(er + mr)**1/2 Für ICs sind die Leitungsstrukturen (Abb. 9. 22) ähnlich bis auf 3 wesentliche Unterschiede: − es treten geschichtete Dielektrika aus Silizium- und Silizium-Dioxid (an der Oberfläche) auf, − Silizium ist kein guter Isolator, deshalb treten sogenannte "dielektrische Verluste" und dort, wo die SiO2-Schicht fehlt, auch Querströme zwischen den Leitern auf, − Transistoren, Dioden etc. erzeugen vielfältige Inhomogenitäten der Leitungsstruktur. Kopplungs-Kapazität Ck SiO2 Silizium Grund-Metallisierung Abb. 9.22: Gekoppelte Streifenleitung auf geschichtetem Dielektrikum Für den Transport von Energie über längere Strecken als ein paar Zentimeter eignet sich diese Leitungsstruktur wegen der Dämpfung bei hohen Frequenzen nicht. Die Kopplung zwischen benachbarten Leitungen kann sowohl über Kapazitäten zwischen den Leitungen, also über das elektrische Feld, als auch über gekoppelte Leitungsinduktivitäten und damit das magnetische Feld erfolgen. Abb. 9.23 zeigt, daß in beiden Fällen unterschiedliche Wellentypen angeregt werden, man spricht von Gleich- bzw. Gegentakt-Welle. Gleichtakt-Welle Kopplungskapazität Ck Elektr. Feld Dielektrikum Grund-Metallisierung Gegentakt-Welle Magnetisches Feld Elektr. Feld Dielektrikum Grund-Metallisierung Abb. 5.23: Gleich- und Gegentaktwelle auf gekoppelten Mikrostrip-Leitungen 16 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 In der digitalen Elektronik und insbesondere in der IC-Technik überwiegt der Effekt der elektrischen Kopplung über Kapazitäten bei weitem, da sowohl die Streu-Induktivitäten der Leitungen als auch die Stromstärken recht klein sind. Günstig wirkt sich hier die Schwächung des elektrischen Feldes beim durch Verluste beim Silizium aus, während bei "guten" dielektrischen Substraten die Koppeleffekte beträchtlich sein können. Man nutzt diese Koppeleffekte in der Mikrowellentechnik sogar gezielt in sogenannten "Richtkopplern" aus. 2 4 lg / 2 1 Leitung A 3 Leitung B Abb. 9.24: Richtkoppler aus Streifenleitungen In dieser Struktur wird eine Welle, die auf der Leitung A am Tor 1 eintritt, zum Teil auf die Leitung B übergekoppelt. Im Bereich der Resonanzfrequenz tritt aber die Leistung nur an den Toren 2 und 3 auf, während Tor 4 isoliert ist. Deshalb spricht man hier von einem "Richtkoppler". Je nachdem, wie hoch die Leistung am Tor 3 gegenüber der Eingangsleistung am Tor 1 ist, liegt ein 3dB, 10 dB, 20 dB usw. Richtkoppler vor. In gleicher Weise ist Tor 3 von Tor 2 entkoppelt. Die Leitungskopplung hat insbesondere in digitalen Schaltungen einige unangenehme Auswirkungen. Bei Leitungen, die über eine längere Strecke parallel laufen, werden Signale der einen Leitung auf die andere übertragen. Man nennt diesen aus der klassischen Nachrichtentechnik bekannten Effekt "Übersprechen". Es ist deshalb nicht ratsam, auf einer Platine oder einem IC eine Leitung mit analogen Signalen neben einer digitalen Signalleitung zu verlegen. Die Verfälschung der analogen Signale wäre unvermeidlich. Die Kopplungseffekte werden stärker mit − sinkendem Abstand der betroffenen Leitungen − wachsender Länge der gekoppelten Leitungen − steileren Flanken der digitalen Signale. Auf solche Effekte ist beim Layout von Platinen und (neuerdings) auch von ICs Rücksicht zu nehmen. Insbesondere gefährdet sind Signalleitungen, die über längere Abschnitte neben den Taktleitungen einer digitalen Schaltung verlaufen. Mit Verbindungslängen von mehreren cm schon auf den ICs spielen Kopplungseffekte bei schnellen Digitalschaltungen eine zunehmende Rolle als "parasitärer Effekt". Sie müssen beim physikalischen Entwurf berücksichtigt werden, was zur Zeit noch jenseits der Fähigkeiten der rechnergestützten Entwurfswerkzeuge für die Layout-Synthese ist. Auch Layout-Werkzeuge für den Platinen-Entwurf "kennen" in der Regel noch keine parasitären Effekte auf Leitungen, sondern orientieren sich rein geometrisch. Deshalb muß heute noch in der Regel der Platinen-Entwerfer "kritische" Leitungen bezüglich Laufzeit und Kopplungseffekten interaktiv verlegen. 17 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Eine wichtige Rolle spielt die "Ground Plane". Die als "Masse" oder "Erde" wirkende Fläche erzeugt die "definierte" Leitungsstruktur. Hinleitung 1 Hinleitung 2 Ck Dielektrikum Rückleitung Abb. 9.25: Ungünstige Leitungsstruktur Jedes elektrische Signal auf einer Quasi-TEM-Leitung benötigt eine zweifache Berandung. In einer Struktur nach Abb. 9. 25 fehlt die "Ground Plane" als Rückleitung. In diesem Fall tritt eine im Vergleich zur definierten Leitungsstruktur verringerte Kapazität zwischen der Hin- und der Rückleitung auf, die in der Tendenz zu verstärkter Leitungskopplung führt. Die Bereitstellung einer homogenen, großflächigen und möglichst niederohmigen "Ground Plane" ist wesentliche Voraussetzung für die Funktion schneller digitaler und analoger Schaltungen. Bei einer gemeinsamen Spannungsversorgung für digitale und analoge Baugruppen auf Platinen oder ICs werden trotzdem in der Regel Stromspitzen auf den Versorgungsleitungen auftreten, welche analoge Schaltungen empfindlich stören können. Deshalb werden Spannungsversorgung und MasseAnschluß oft für digitale bzw. analoge Baugruppen getrennt ausgeführt. Masse-Leitungen auf Platinen und in Systemen sollten, wo möglich, sternförmig aufgebaut werden. Ein Gegenbeispiel zeigt Abb. 9. 26. GND-Netz IC SteckerIC leiste IC IC IC Abb. 9.26: Brummschleife Die Masseleitung ist als Schleife ausgeführt. Bei sehr tiefen Frequenzen kann diese Leitung als Induktionsschleife wirken, also wie eine Spule mit einer Windung. Die Schaltung ist anfällig gegen niederfrequente Eigenschwingungen. Masseleitung und Versorgungsspannung sollten in elektronischen Systemen stets so miteinander verbunden werden, daß zwischen ihnen keine hochfrequenten Signale transportiert werden können. Dazu sind spezielle Maßnahmen notwendig. Im Netztteil, aber auch auf der Platine wird ein größerer Kondensator zwischen GND und VDD geschaltet. Er dient dazu, bei Stromspitzen, welche die ICs ziehen, als Puffer zu wirken, der das Abfallen der Versorgungsspannung verhindern soll. 18 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 VDD-Netz IC SteckerIC leiste IC IC IC Abb. 9.27: Abblockung von ICs auf einer Platine Leider wirken große Elektrolyt-Kondensatoren bei Frequenzen von oberhalb ca. 1 MHz nicht als Kondensatoren, sondern als Induktivitäten. Aus diesem Grund wird jeder IC-Baustein zusätzlich nochmals mit einem keramischen Kondensator von ca. 10 bis 50 nF Kapazität versehen. 9.2.7 Resonanzstrukturen Schaltungen, die Kondensatoren und Induktivitäten enthalten, besitzen einen Eingangswiderstand, der von der Frequenz abhängig ist. In der Elektrotechnik wird dabei der Wechselstrom-Widerstand auch als "Impedanz" bezeichnet. Die einfachste Schaltung dieser Art ist der L-C-Schwingkreis (Abb. 9.28). Sein Eingangswiderstand erreicht einen Maximalwert bei der sogenannten "Resonanzfrequenz": fr = 1/(2 p (L C)**1/2) Für den verlustlosen Schwingkreis wird der Eingangswiderstand dabei unendlich hoch, für den realen Kreis erreicht er Werte von vielen kOhm. Im Resonanzfall wird periodisch die Energie des elektrischen Feldes vollständig in die des magnetischen Feldes umgesetzt und umgekehrt. Solche "Resonanzen" kennen wir auch von schwingfähigen mechanischen Systemen. Solche Kreise werden in der Nachrichtentechnik verwendet, um aus einem Signal eine bestimmte Schwingfrequenz auszufiltern. Parallel-Schwingkreis Leitungsresonator 1 C Zin 1' L Lochkopplung Hohlraumresonator Abb. 9.28: Resonanzstrukturen 19 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Z fr f Abb. 9.29: Eingangsimpedanz eines Resonanzkreises Mittels kurzgeschlossener Leitungsstücke lassen sich ebenfalls Resonanzkreise realisieren. Ein Leitungsstück, das an zwei Enden kurzgeschlossen ist und in der Mitte kontaktiert wird, hat eine solche Resonanz bei einer Frequenz, die einer halben Wellenlänge entspricht. Entsprechend kann man auch mit einem Hohlleiter einen Hohlraum-Resonator bauen. Das ist dann effektiv eine Leitungsstruktur in Form eines Quader-förmigen Hohlraumes, die als Resonator wirkt. Gekoppelt wird der Resonator über kleine Löcher an den Stirn-Flächen. Gerade die Tatsache, daß eine rechteckiges Blechgehäuse, bei der richtigen Frequenz angeregt, als Hohlraum-Resonator workt und eine hohe Schwingungsampitude aufbauen kann, ist nicht trivial. In heutigen elektronischen Systemen muß einiger Aufwand betrieben werden, um die parasitäre Abstrahlung von Hochfrequenz-Energie zu verhindern. Zwecks Abschirmung werden dazu auch geschlossene Blech-Gehäuse verwendet, z. B. in den Schalt-Netzteilen heutiger PCs. Sie sollen die Abstrahlung nach außen, ggf. aber auch Einstreuungen von außen verhindern. Dagegen wird eine Schaltung, die "zufällig" in einem Blechgehäuse bei der Resonanzfrequenz angeregt wird, sogar über die Netz- oder Masseleitung hohe Amplituden an Störstrahlung abgeben können. 9.2.8 Leitungen in lokalen Netzen Planare Leitungsstrukturen vom Typ "Mikro-Strip" wird man in der Regel auf Platinen und ICs finden. Für Signalübetragung in lokalen Netzen eignen sich diese Leitungstypen nicht, da die Abschirmung gegen Störeinflüße von außen ungenügend ist. Verwendet wird dann die Koaxialleitung (für Frequenzen bis ca. 1 GHz) oder eine Zweidrahtleitung (bis ca. 200 MHz). Koaxialleitung Dielektrikum u (t) Metall t Differential-Ansteuerung Zweidraht-Leitung Abb. 9.30: Leitungsformen für lokale Netzwerke 20 Informatik V, Kap. 9, WS 98/99 Der Wellenwiderstand bei Koaxialleitungen beträgt in der Regel 50 bis 75 Ohm, während ZweidrahtLeitungen etwa 200 bis 250 Ohm besitzen. Solche unterschiedlichen Leitungen sind also nicht direkt miteinander verknüpfbar, sondern benötigen spezielle Anpassungsglieder. Zweidrahtleitungen sind oft noch miteinender verdrillt ("Twisted Pair") und werden mit symmetrischer Gegentakt-Ansteuerung betrieben, wenn eine zusätzliche Verknüpfung der "Ground Plane" existiert. Beide Optionen verbessern die Störfestigkeit der Zweidrahtleitung gegen Einkopplungen von außen erheblich. Für Signale im GHz-Bereich werden oft noch spezielle Koaxialleitungen benutzt (bis ca. 10 GHz),, darüber herrschen Wellenleiter vor. Die Informationsübetragung über weitere Strecken bei Frequenzen über 1 GHz erfolgt oft drahtlos im sogenannten "Richtfunk". Ab etwa 12 GHz werden elektromagnetische Wellen zunehmend von der Erdatmosphäre absorbiert. Die Glasfaserkabel der optischen Nachrichtentechnik sind koxial ausgeführte dielektrische Wellenleiter. 21