21/STATE_astma_forweb 19.11.2004 9:53 Uhr Seite 34 Asthma Etwa acht bis zwölf Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Österreich leiden an Asthma. Obwohl Asthma in mehr als 95 Prozent der Fälle erfolgreich behandelt werden kann, wird die Erkrankung nur bei einem Drittel der Betroffenen richtig diagnostiziert. Von Manfred Götz und Angela Zacharasiewicz* Aktuelle Entwicklungen Entsprechend den Kriterien der Internationalen Studie über Asthma und Allergie im Kindes- und Jugendalter (ISAAC) leiden in Österreich etwa acht bis zwölf Prozent der Kinder und Jugendlichen an Asthma bronchiale. Beunruhigenderweise weist nur rund ein Drittel tatsächlich die richtige Diagnose auf, wovon etwa die Hälfte keine entsprechende antiasthmatische Therapie erhält. Nach wie vor herrscht somit 1 österreichische ärztezeitung 21 10. november 2004 21/STATE_astma_forweb 19.11.2004 9:53 Uhr Seite 35 DFP - Literaturstudium bei Kindern und Jugendlichen eine deutliche Unterdiagnostik und Untertherapie. Auch die häufigen vielfach vernachlässigten leichten und mittelschweren Asthma-Varianten müssen erfasst und behandelt werden, damit Lungenwachstum und somatische Entwicklung ungestört ablaufen. Kindliches Asthma kann bei ausreichender Therapieadhärenz heute in mehr als 95 Prozent der Fälle erfolgreich behandelt werden, Optimismus ist daher angezeigt. Besondere Probleme stellen Kinder in den ersten Lebensjahren dar, bei denen die Diagnosestellung schwierig ist, sowie Jugendliche, bei denen Therapieunwille und Tabakkonsum erschwerend sind. Pathophysiologie/ Immunologie/Genetik Asthma ist eine entzündliche Erkrankung der Atemwege mit daraus resultierender variabler Atemwegsobstruktion und bronchialer Hyperreagibilität gegenüber zahlreichen Stimuli. Typische Änderungen der Atemwegsmorphologie („airway remodelling“) werden als zeitabhängige Prozesse in der Asthmaentwicklung erst nach der Kindheit erwartet. Neue Daten weisen jedoch auf einen bereits frühzeitigen (antagonistischen ) Einfluss von epidermalem Wachstumsfaktor (EGF) und transformierendem Wachstumsfaktor (TGF-b) hin, der ein embryonal aktives Kommunikationssystem zwischen Epithel und Mesenchymzellen reaktivieren könnte. Dieses Kommunikationssystem (die epitheliale-mesen- chymale trophische Einheit EMTU) kann bei Geburt aktiviert bleiben oder reaktiviert werden und schon bei Kindern für ein Atemwegs-Remodelling verantwortlich sein. as Giemen („wheezing“, pfeifende Atmung), Husten und Atemnot das Hauptcharakteristikum. Asthma ist wahrscheinlich, wenn folgende Symptome vorliegen: Die erhöhte Produktion von IgE, Zytokinen, Chemokinen, Überproduktion von Schleim, Atemwegsobstruktion, Eosinophilie und vermehrte Atemwegsreagibilität auf bronchokonstriktorische Substanzen sind die heute akzeptierten Hauptcharakteristika der asthmatischen Antwort. TH-2 Zellen dürften Asthma durch die Sekretion von proinflammatorischen Zytokinen (IL-4, -5, -9, -10, -13, -25) induzieren, wobei IL-4 und besonders IL-13 die zentralen Regulatoren in der Pathogenese sind. Zusätzlich sind Chemokine als potente Leukozytenattraktanten für die entzündliche Natur der Erkrankung verantwortlich. Quantifizierungen der entzündlichen Natur von Asthma, Therapiemonitoring, klinische Kontrolle und Vorhersage von Exazerbationen könnten in Zukunft auch bei Kindern durch die Messung exhalierter Stickoxide (eNO) einfacher werden, wenn auch die Ergebnisse noch nicht ganz überzeugend und allgemein praktikabel sind. = Episodisches (transientes) Giemen, verlängerte erschwerte Ausatmung, Enge in der Brust, Atemnot; = Husten ohne klinisch gesicherten Infekt der oberen Luftwege, Husten beim Lachen/Weinen; = Verstärkung der Symptome bei körperlicher Belastung (zum Beispiel Turnen /Sport); = Verstärkung in der Nacht; = zusätzliches Vorhandensein von allergischer Rhinitis/Pollinose und/oder atopischer(m) Dermatitis/Ekzem; = positive Familienanamnese für Asthma oder/und Allergie. Klinik Die Diagnose Asthma wird für eine Reihe phänotypisch ähnlicher, von der Physiologie und Immunologie/Allergie aber unterschiedlicher Erscheinungsbilder verwendet. Klinisch sind die Tri- österreichische ärztezeitung 21 10. november 2004 Zur Graduierung des Schweregrades von Asthma hat sich folgende Differenzierung bewährt, wobei Beschwerdehäufigkeit und Beschwerdeintensität wechseln können (Tab. 1). Die Rolle der Lungenfunktion sollte mehr als bisher berücksichtigt werden, die Feststellung der Lebensqualität beinhaltet Leistungsfähigkeit und Befindlichkeit und ist eher von Bedeutung bei der Beurteilung Adoleszenter als bei Kindern. Husten als isolierte Asthmamanifestation wird derzeit eher als postvirales Phänomen oder als Problem im HNOBereich („post-nasal drip“) interpre- 2 21/STATE_astma_forweb 19.11.2004 9:53 Uhr tiert. Um Husten als eine isolierte Asthma-Variante („Cough variant asthma“) nachzuweisen, kann eine pharmakologische Bronchoprovokation mit Methacholin informativ sein. Postviraler Husten weist deutlich häufiger negative Bronchoprovokationsergebnisse auf als Asthma. „Asthma“ in der Kleinkindeszeit Die Hauptursache für frühkindliche obstruktive Episoden sind rezidivierende Virusinfektionen mit generell guter Prognose („infektassoziierte obstruktive Bronchitiden ohne interkurrente Symptome“). Derartige Kinder verlieren ihr „Asthma“ und sind mit Eintritt in die Schule in rund 60 Prozent weitgehend beschwerdefrei. Als Auslöser für Atemwegsobstruktionen spielt die Allergie in den ersten Jahren im Vergleich zu Virusinfekten eine untergeordnete Rolle. RSV-bedingte Bronchiolitiden können eine etwa bis zum zwölften Lebensjahr dauernde bronchiale Überempfindlichkeit auslösen. Die Gründe, warum nicht alle RSV-Bronchiolitiden zu einer reaktiven Atemwegserkrankung führen, sind unklar. Dieser „RSV-Asthma-Link“ scheint keine Langzeitfolgen jenseits des zwölften Seite 36 Lebenjahres nach sich zu ziehen. Bei atopischen Kindern (nachgewiesen durch positiven Allergietest, Klinik oder Anamnese) beginnen die klinischen Probleme etwas später; es besteht jedoch eine eindeutige Tendenz, dass die Problematik weiterhin besteht. Sie stellen die eigentliche asthmatische Gruppe dar. Die Allergie stellt somit einen ganz wesentlichen Faktor für die Langzeitentwicklung und -prognose dar. Die Familienanamnese gibt entsprechende Hinweise, Zeichen der Atopie sind häufig vorhanden (Haut und HNO-Organe). Asthma beim Vorschulkind Beim Vorschulkind nehmen virale Infekte als Auslöser obstruktiver Episoden unverändert einen hohen Stellenwert ein. Husten bei Infekten und anstrengungsbedingte Kurzatmigkeit dominieren. Wichtig ist die Frage nach Giemen ohne virale Infekte. Wenn ja, ist die Diagnose Asthma wahrscheinlicher. Auch Giemen nach Lachen oder Weinen ist ein relativ verlässlicher Hinweis auf Asthma. Aufgrund einer mangelnden Kooperation sind verlässliche Untersuchungen der Lungenfunktion noch die Ausnahme. Ohne Nachweis einer Allergie verlieren auch weiterhin viele dieser Kinder ihre Beschwerden. Allergiker hingegen zeigen zunehmend deutliche Symptome als Ausdruck einer bronchialen Entzündung. Asthma beim Schulkind Ab dem Schulalter ist die Diagnose Asthma relativ leicht zu stellen und kann durch Allergietests und Spirometrie untermauert werden. Kurzatmigkeit durch körperliche Belastung (Schulturnen!), Husten, Giemen mit und ohne virale Infekte sind die Hauptcharakteristika. Beschwerden während der Nacht erhärten die Diagnose. Erneut wird die Diagnose durch eine positive Familienanamnese sowie durch atopische Manifestationen an Haut und im HNO Bereich untermauert. Anstrengungsasthma (EIA) ist in der Regel Teil kindlichen Asthmas auch ohne körperliche Belastung. Nur selten handelt es sich um ein isoliertes Phänomen, hervorgerufen durch Flüssigkeitsverlust und Abkühlung der Atemwege bei Hyperventilation. Da es gut behandelbar ist, stellt es keine Kontraindikation gegen die Teilnahme am Schulturnen dar. Therapeutisch kann EIA in der Regel rasch mit zwei bis drei Hüben eines kurzwirksamen Beta2-Mimetikums behoben werden. Präventiv ist die Verwendung von Cromonen oder Schweregrade bei kindlichem Asthma Schweregrad Symptomatik Lungenfunktion Lebensqualität (ab dem 5.Lebensjahr) I Infrequentes episodisches Asthma Episodisch Husten/leichte Atemnot Intervall > 1-2Monate nur episodisch obstruktiv, im Intervall o.B. FEV1> 80%, MEF25-75>60% nicht beeinträchtigt II Häufig episodisches oder leichtes persistierendes Asthma Intervall zwischen Episoden < 1-2Monate oder an mehreren Tagen/Woche oder in den Nächten Symptome nur episodisch obstruktiv, im Intervall geringgradig obstruktiv FEV1<80% u/o MEF25-75<60% nicht oder nur teilweise beeinträchtigt III Schweres persistierendes Asthma Symptome an den meisten Tagen u/o Nächten im Intervall obstruktiv FEV1 <60%, MEF25-75<40% beeinträchtigt FEV1: forcierter Atemstoß in einer Sekunde MEF25-75 : Maximaler exspiratorischer Fluss zwischen 25 und 75 Prozent der Vitalkapazität (wird bei Kindern seltener erhoben!) 3 Tab. 1 österreichische ärztezeitung 21 10. november 2004 21/STATE_astma_forweb 19.11.2004 9:53 Uhr von kurz wirksamen Beta2-Mimetika etwa zehn bis 15 Minuten vor der Belastung wirksam. Auch lang wirksame Beta2 -Mimetika wie Formoterol etwa 30 Minuten vor der Belastung stellen einen wirksamen Schutz dar. Inhalative Steroide führen bereits nach einigen Tagen zu einer deutlichen Verringerung der bronchospastischen Reaktion. Montelukast stellt eine zuverlässige Prävention bei EIA dar. Differenzialdiagnosen Gedeihstörungen, wiederholte bakterielle Infektionen, Erbrechen, Reflux, anfallsartige zyanotische Episoden oder akut einsetzende Symptome müssen neben Asthma an andere Ursachen denken lassen. Weiterführende Untersuchungen beinhalten vor allem Thoraxröntgen, Schweißtest, Immunologie, Ausschluss eines gastroösophagealen Refluxes, aber auch zusätzliche bildgebende Verfahren und Bronchoskopie. Eine Beurteilung des HNOBereiches sollte integraler Bestandteil jeder Asthmaabklärung sein. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen sind = Säuglingsbronchiolitis (RSV/virus-bedingt) = Tracheo- und Bronchomalazien, -stenosen, -kompressionen = Endobronchiale Fremdkörper = Neubildungen (Polypen, Papillome) = Rezidivierende Aspirationen = Gastroösophagealer Reflux = Cystische Fibrose = Kardiovaskuläre Missbildungen und Anomalien der großen Gefäße = Interstitielle Lungenerkrankungen = Zilienfunktionsstörungen (morphologisch, funktionell) = Infektionen (RSV, Mykoplasmen, Chlamydien, Tuberkulose) Seite 38 den, da Manifestationen und Schweregrad beim selben Patienten wechseln können. Als unterstützende Untersuchungen sind heranzuziehen: Lungenfunktionsuntersuchung FEV1- oder Peak-flow-Werte mit mehr als 20 Prozent Variabilität sowie eine mindestens 20prozentige Bronchodilatation nach einem Beta2-Mimetikum unterstützen die Diagnose. Die Spirometrie sollte großzügig und wiederholt eingesetzt werden, da sie über eine intermittierende oder Langzeittherapie zu entscheiden hilft. Zum Ausschluss einer pulmonalen Überblähung ist auch bei Kindern die Ganzkörperplethymographie wünschenswert. Kinder unter fünf Jahren sind in der Regel zu wenig kooperativ, so dass erhobene Befunde mit Zurückhaltung interpretiert werden müssen. Spezialisierte Untersuchungen beim Säugling/Kleinkind helfen bei der Diagnosesicherung eines Asthma wenig, sind aber für den Nachweis enger Atemwege von Interesse. Bronchoprovokationen Eine standardisierte positive Bronchoprovokation mit Pharmaka wie Methacholin oder Histamin sowie nicht-pharmakologisch mit kalter Luft, der Inhalation hypertoner Kochsalzlösungen oder Laufen unterstützt die Asthmadiagnose (beweisen sie aber nicht). Bronchoprovokationen sind bei Kindern zur Diagnosefindung relativ selten notwendig und bleiben Zweifelsfällen vorbehalten. Nicht pharmakologische Methoden sind wahrscheinlich spezifischer in der Aussage und vorzuziehen. Allergiediagnostik Diagnosesicherung Asthma ist eine klinische Diagnose unterschiedlicher Ausprägung und variabler Klinik. Korrekterweise sollte vom Asthmasyndrom gesprochen wer- 4 Der frühe Nachweis von nutritiven oder inhalativen Sensibilisierungen durch serologische und Hauttestungen mit Schlüsselallergenen wird ebenso wie atopische Dermatitis, allergische Rhini- tis und eine für Allergie positive Familienanamnese als wichtiger Prädiktor für die Diagnose eines Asthma und für persistierende Symptome herangezogen. Der Wandel von nutritiven zu inhalativen Sensibilisierungen tritt ab dem zweiten Lebensjahr ein. Wenn auch die Haustierhaltung nicht a priori abzulehnen ist, so muss doch klinisch die Möglichkeit der Entwicklung einer Allergie berücksichtigt werden. Symptome wie Niesanfälle, Husten und Atemnot in Tiernähe oder bei Beschäftigung mit dem Tier müssen erfragt werden. Therapiestrategien Patientenschulung und Selbstmanagement Kinder, Jugendliche und Angehörige sollten rasch gut über Asthma Bescheid wissen und in der Lage sein, Therapiemodifikationen selbst zu treffen (Notfallsmedikation, Anfallsbeherrschung, Umweltgestaltung, Tierhaltung, Rauchen etc.). Dazu sind regelmäßige fortlaufende Patientenschulungen notwendig. Speziell geschulte Trainer stellen die beste Form der Wissens- und Handlungsvermittlung dar. Der Arbeitskreis für Asthmaschulung im Kindes- und Jugendalter der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie hat die Strukturierung und Qualitätssicherung derartiger Maßnahmen erarbeitet. Pharmakotherapie Sie beruht auf der Akutintervention bei obstruktiven Episoden und einem entzündungshemmenden Langzeitmanagement. Bei der überwiegenden Zahl der Kinder und Jugendlichen ist die Therapie als Langzeitmanagement zu strukturieren, bei dem zusätzlich je nach Bedarf akute Interventionen erfolgen. Im Step-up Verfahren wird die optimale Therapie zur Stabilisierung angestrebt, Therapiereduktionen (Stepdown) sind nach Normalisierung der Lungenfunktion und klinischer Beschwerdefreiheit für mindestens zwei österreichische ärztezeitung 21 10. november 2004 21/STATE_astma_forweb 19.11.2004 9:53 Uhr bis vier Monate stufenweise möglich. Die angegebenen Medikamente stellen Beispiele dar; Dosierungen sind vor der Anwendung zu überprüfen. Jüngste Änderungen des Österreichischen Konsensus der Behandlung des kindlichen Asthmas aus dem Jahr 2003 beruhen auf der Eingliederung der Kombinationspräparate in die Therapiestrategien. Ein einfaches „Stufenschema“ bietet einen Leitfaden für die antiinflammatorische/antiobstruktive Therapie (siehe Tab. 2 ). Seite 40 Besonderheiten bei der Therapie 1) Die alleinige Verwendung von inhalativen Beta2-Mimetika ist nur bei seltenem episodischem Asthma (Beschwerden seltener als alle vier bis sechs Wochen) gerechtfertigt, sofern die Lungenfunktion im Intervall keinen Hinweis auf eine Luftwegsobstruktion ergibt. Unter den prompt wirksamen Bronchodilatatoren sind unverändert Salbutamol (zum Beispiel Sultanol®) oder Terbutalin (Bricanyl®) zu nennen. Therapieabstufung (“Stufenschema”) Infrequentes episodisches Asthma: Frequente episodische Symptome Cromone (DNCG 3 x 10 mg; Nedocromil 2 x 4 mg) Oder Niederdosierte inhalative Steroide (Budesonid ≤ 0,4mg/d oder Fluticason ≤ 0,2mg/d) bei fehlender ausreichender Besserung nach sechs Wochen mit inhalativem Steroid Zugabe eines lang wirksamen Beta2-Mimetikums (Formoterol 2 x 4,5µg oder Salmeterol 2 x 0,05mg) Oder Alternativ: Kombinationspräparat aus ICS plus LABA Persistierendes Asthma Niedrig dosiertes inhalatives Steroid plus Leukotrienrezeptorantagonist 4mg/d ab drei Jahren 5mg/d ab sechs Jahren 10mg/d ab 15 Jahren Oder Kombinationspräparat (ICS plus LABA) plus Leukotrienrezeptorantagonist Bei unzureichender Besserung nach sechs Wochen Erhöhte inhalative Steroiddosis plus langwirksamem Beta2-Mimetikum (Kombinationspräparat) plus LTRA Oder Erhöhte inhalative Steroiddosis plus LRTA Bei unzureichender Besserung nach sechs Wochen Add-on Therapien ausschöpfen (LRTA, LABA, Theophyllin) Bei unzureichender Besserung nach sechs Wochen Orales Steroid zusetzen 5 2) Die Entscheidung für eine antiinflammatorische Behandlung erfolgt zur Vermeidung von Spätfolgen bereits bei seltenem episodischem Asthma und mehrfach episodischem obstruktivem Lungenfunktionsbefund. Ist unklar, welchem Schweregrad das Asthma zuzuordnen ist, erfolgt die prospektive Führung eines Beschwerdetagebuches über drei Monate. 3) Die antiinflammatorische Therapie besteht aus nichtsteroidalen Cromonen oder niederdosierten inhalativen Steroiden. Die Richtlinien der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde und der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie empfehlen derzeit noch einen Therapiebeginn mit nichtsteroidalen Entzündungshemmern [DNCG (zum Beispiel Intal® Dosieraerosol mit Fisonair® Vorschaltkammer) 3 x 10 mg oder Nedocromil (Tilade® mit Fisonair® Vorschaltkammer) 2 x 4 mg]. Bei klinisch und lungenfunktionell fehlender Stabilisierung nach maximal sechs Wochen werden niederdosierte inhalative Steroide angeschlossen: Budesonid (Pulmicort® Turbohaler 2 x 0.1 (- 0.2)mg) oder Fluticason (Flixotide® Diskus 2 x 0.05 (-0.1)mg). Es soll immer versucht werden, mit der niedrigsten Dosis inhalativer Steroide auszukommen. intermittierende inhalative Beta2-Mimetika ICS = inhalatives Glukokortikosteroid, LABA = langwirksames Beta-2 Mimetikum LTRA = Leukotrienrezeptorantagonist Für Formoterol (Foradil® und Oxis®) mehren sich die Hinweise, dass auch Säuglinge und Kleinkinder aufgrund des raschen Wirkungseintrittes eine sichere länger dauernde Bronchodilatation erfahren. Die Zulassung für diesen Altersbereich wäre wünschenswert. Tab. 2 4) Es bestehen keine Bedenken, primär mit inhalativen Steroiden zu beginnen und nach Stabilisierung auf nichtsteroidale Substanzen zurückzugehen. International sind die Cromone deutlich in den Hintergrund getreten und scheinen in einzelnen nationalen Therapie-Leitlinien nicht mehr auf. Langzeitstudien zeigten, dass bei mildem bis mittelschwerem Asthma im Vergleich österreichische ärztezeitung 21 10. november 2004 21/STATE_astma_forweb 19.11.2004 9:53 Uhr Seite 41 DFP - Literaturstudium zu Placebo weder Budesonide noch Nedocromil eine Verbesserung der Lungenfunktion nach sich zogen, wohingegen Budesonide die Atemwegshyperreaktivität verringerte und gegenüber Placebo oder Nedocromil eine bessere Asthmakontrolle nach sich zog. 5) Besteht nach sechs Wochen einer Inhalationsbehandlung mit einem niederdosierten steroidalen Entzündungshemmer keine Stabilisierung, so wird eine Zusatztherapie („add-on“ Therapie) eingesetzt: = Langzeitwirksame Beta 2-Mimetika: Formoterol 6µg/12µg 1 - 2 x/Tag (Oxis® oder Foradil® bei Kindern ab sechs Jahren) oder Salmeterol (Serevent®) 2 x 0,05 mg/Tag bei Kindern ab vier Jahren. = Leukotrienrezeptorantagonisten: Montelukast (Singulair®) 4mg/5mg Kautabl. 1 x /Tag (meist abends). = Evtl. retardierte Theopyllinpräparate oral (z.B. Euphyllin®, Theospirex®, Unifyl®, Respicur® u.a.) 15 mg/kg/Tag in zwei Dosen im Verhältnis 1 : 2. Unter den Add-on Substanzen weisen lang wirksame Beta2-Mimetika ein ausgezeichnetes Profil für Patientenzufriedenheit, Bronchodilatation und günstige Wirkung auf die Lungenfunktion auf. Fixe Kombinationen von lang wirksamen Beta2-Mimetika und topischen Steroiden können eine Therapievereinfachung darstellen. Die Kombinationspräparate sind unbedingt vor einer bloßen Dosissteigerung des inhalativen Steroids einzusetzen. Wiewohl die fixe Kombination eine gewisse Beschränkung der individuellen Therapieführung nach sich ziehen kann, so unterstützt sie doch die Therapieadhärenz und hat somit auch in der Pädiatrie einen gesicherten Stellenwert bekommen. forderlich. Dies trifft auch bei beabsichtigten Dosierungssteigerungen inhalativer Steroide über die oben angegebenen nieder dosierten Mengen zu! Therapie bei Säuglingen und kleinen Kindern Innerhalb der ersten drei Lebensjahre werden offensichtlich virusbedingte obstruktive Episoden primär nur mit einem Beta2-Mimetikum therapiert. Es muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass Therapieempfehlungen für obstruktive Episoden in den ersten Lebensjahren vielfach auf Empirie beruhen und entsprechende Studien fehlen oder widersprüchlich sind. Folgendes Vorgehen kann für die ersten Lebensjahre empfohlen werden ➥ bei akuter obstruktiver Episode (auch wiederholt) • Beta-2 Agonist zur Bronchodilatation/Salbutamol ➥ Nur bei Giemen mindestens einmal pro Woche ohne virale Infektion: • Steroid (inhalativ) Die Praxis der Gabe eines oralen Steroids durch einige Tage bei virusinduziertem Giemen im Gefolge einer Infektion der oberen Luftwege scheint aufgrund rezenter Daten nicht mehr gerechtfertigt, da im Vergleich zu Placebo selbst bei atopischer Disposition keine günstigeren Ergebnisse erzielt werden konnten. Medikamentenapplikation 6) Treten bei Therapien Probleme auf, fehlt der Erfolg, bestehen Zweifel an der Diagnose, der Therapieadhärenz oder an der korrekten Durchführung der Therapie, so ist die konsiliare Vorstellung bei einer spezialisierten Asthmaeinheit/einem Spezialisten er- Viele Therapieversager sind schlicht auf falsche oder inadäquate Inhalationsmethoden zurückzuführen! Um eine optimale endobronchiale Deposition zu erzielen, ist die Anwendungsart besonders wichtig. österreichische ärztezeitung 21 10. november 2004 1) Inhalierhilfen (Spacer) in Form von Vorsatzkammern vor Dosieraerosolen sind bis zum fünften bis siebenten Lebensjahr die idealen Applikatoren (Flixotide® 2 x 0.05 (- 0.1) mg Dosieraerosol mit Babyhaler® oder Volumatic® Vorschaltkammern; Pulmicort® Dosieraerosol 2 x 0.2 mg mit Minispacer® (Abb.)oder Nebulator® Vorschalthilfen. 2) Kinder ab fünf bis sieben Jahren verwenden nach Einschulung Applikatoren wie Turbohaler oder Diskus! Besteht keine Akzeptanz für die verschiedenen Inhalierhilfen, so kann eine Inhalation mit Pulmicort® Suspension zur Inhalation 2 x 0.25 bis 2 x 0.5mg (oder mit Tilade® Inhalationslösung ab dem zweiten Lebensjahr 2 x 2 ml ) unter Verwendung eines elektrischen Kompressorgerätes (zum Beispiel PariInhalierboy®) erfolgen. Der inspirationsgetriggerte Autohaler® (für das in der Pädiatrie schon etwas verlassene Beclomethason) wird überraschend gut angenommen. 3) Rund 50 Prozent der Säuglinge und Kleinkinder scheinen ein elektri- 6 21/STATE_astma_forweb 19.11.2004 9:53 Uhr sches Aerosolgerät (Kompressortyp) besser zu akzeptieren als eine Inhalierhilfe. Zur Optimierung der Deposition sollten die zur Vernebelung gelangenden Flüssigkeitsmengen in der Medikamentenkammer des Kompressorgerätes nicht geringer als 3 ml sein, was eine Volumsergänzung mit 0,9% NaCl-Lösung erforderlich macht. Die MundNasen-Maske muss sowohl bei Inhalierhilfen (Vorschaltkammern) als auch bei Kompressorgeräten dicht anliegen! erwartet. Hoffnungen bestehen auch, dass Montelukast die Dauer und Schwere von viral bedingten Atemwegsobstruktionen der ersten Lebensjahre günstig beeinflussen könnte, wodurch sich eine breite Indikationserweiterung ergäbe. Der größte Compliancefördernde Vorteil von Montelukast liegt derzeit wohl in der oralen Verwendung einmal pro Tag. 4) Ärzte sollten mit den verschriebenen Inhalationsformen gut vertraut sein und die Anwendung sicher demonstrieren können. Omalizumab (Xolair®) ist ein humanisierter monoklonaler anti-IgE Antikörper, der an frei zirkulierendes IgE bindet und die Freisetzung entzündlicher Mediatoren (Histamin, Leukotriene) hemmt. Die Anwendung erfolgt subkutan alle vier Wochen, die Verträglichkeit ist sehr gut. Erste Studien bei Asthma zeigen auch bei Kindern einen Kortison-sparenden Effekt. Neue Entwicklungen der Therapie Montelukast Die Zulassung des Leukotrienrezeptorantagonisten (LTRA) Montelukast (Singulair® 5 mg Kautabletten ab sechs Jahren, Singulair® 4 mg ab drei Jahren, die Zulassung einer Granulatform für jüngere Kinder ist beantragt) stellt grundsätzlich eine Bereicherung der Therapiemöglichkeiten dar. Wirkungen konnten bis jetzt vor allem beim anstrengungsbedingten Asthma und bei der allergenbedingten Frühund Spät-Bronchokonstriktion gesichert werden. Zusätzlich bestehen bei Erwachsenen Hinweise auf eine Steroid- und Beta-Agonisten-einsparende Wirkung. Die Wirkungsweise der LTRA beruht auf einer Entzündungshemmung und Minderung der Bronchokonstriktion. Aus aktueller Sicht stellt Montelukast eine gesicherte Zusatztherapie bei unzureichend wirkenden inhalativen Steroiddosen (normale Dosierung) dar. Dass eine primäre Monotherapie mit Montelukast bei leichtem oder mittelschwerem Asthma wirksam ist, scheint aufgrund vorläufiger Daten möglich. Längere Erfahrungen sind wünschenswert und Ergebnisse entsprechender Studien werden dringend 7 Seite 42 Omalizumab Die Substanz wurde in Österreich vor kurzem zugelassen, größere Erfahrungen bei asthmatischen Kindern fehlen allerdings noch. Wiewohl es zu einer Absenkung der Gesamt-IgE Werte kommt, ist der Stellenwert innerhalb der Asthmamedikamente noch offen. Die Zahl potenzieller kindlicher Patienten ist aufgrund der etablierten gut wirksamen Pharmakotherapeutika als eher klein einzuschätzen. Spezifische Immuntherapie SIT/SLIT Die Praxis der spezifischen Allergieimpfung (spezifischen Immuntherapie; SIT) umfasst die subkutane Zufuhr langsam steigender Dosen eines Allergen-Extrakts über die Dauer von zwei bis drei Jahren zur Ausbildung einer immunologischen Toleranz und der Verminderung allergischer Symptome bei nachfolgender Allergenexposition. Dieses Ziel kann für Inhalationsallergene wie Hausstaubmilbe oder Pollen bei allergischer Rhinitis oder allergischem Asthma klinisch als erreicht betrachtet werden. Dies gilt vor allem bei Anwendung in Kombination mit anderen Therapiemaßnahmen, seltener bei Einsatz als einzigem Therapeutikum. Die Immuntherapie steht keinesfalls in Konkurrenz zur Pharmakotherapie, sondern ist eine ergänzende kausale Therapie. Sie ist die einzige Therapieform, die den Verlauf allergischer Erkrankungen ändern und bei der Indikation allergische Rhinitis das Auftreten von Asthma signifikant verringern kann. Die oft gegen die Impfung argumentierten Nebenwirkungen der SIT liegen bei Kombination mit einer Antihistaminika-Prämedikation deutlich unter einem Prozent. Die WHO und internationale allergologische und pneumologische Gesellschaften haben die spezifische Immuntherapie bei Asthma ausdrücklich als wirksam akzeptiert. Als Alternative zur SIT kann bei Inhalationsallergien vor allem bei Kindern eine sublinguale Immuntherapie (SLIT) durchgeführt werden, die in ihrer Wirksamkeit der SIT klinisch etwas unterlegen zu sein scheint, aber praktisch und nebenwirkungsfrei ist. Neue Entwicklungen gehen zu einer oralen SIT mit allergenhältigen Kapseln. *) Univ. Prof. Manfred Götz, Dr. Angela Zacharasiewicz; Wilhelminenspital der Stadt Wien/Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde mit Lungen- und Infektionskrankheiten, 1171 Wien; Tel. 01/49 159/28 08; e-mail: [email protected] Lecture Board: Univ. Prof. Dr. Thomas Frischer, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde AKH Wien/Abt. für Allgemeine Pädiatrie, Univ. Doz. Dr. Wolfgang Pohl, LKH Grimmenstein/Abteilung für Pulmologie Univ. Prof. Dr. Hartmut Zwick, Krankenhaus Lainz der Stadt Wien/Abteilung für Lungenkrankheiten Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft für Pneumologie der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde Diesen Artikel finden sie auch im Web unter www. arztakademie.at österreichische ärztezeitung 21 10. november 2004