Adipositaskonzept Kantonsspital Nidwalden Abteilung für Allgemeine und Viszerale Chirurgie Behandlungsmöglichkeiten von Übergewicht Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie 1. Geschichte und heutige Strukturen ‚Nicht mehr hungern und nicht mehr durch die Steppe laufen bedeutet in der heutigen Zeit Adipositas’ (krankhaftes Übergewicht) Unsere Vorfahren waren Jäger und Sammler, die schwer arbeiteten und sich eiweissreich ernährten. Sie entwickelten sogenannte Sparsamkeitsgene um die Energie für schlechte Zeiten speichern zu können. So kam es vor, dass sie zum Teil während Tagen keine Mahlzeiten einnehmen konnten. Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Nutzung vor ungefähr 8000 Jahren führte zu täglicher und kohlenhydratreicher Ernährung, welche die Bauchspeicheldrüse zur regelmässigen Insulinsekretion stimuliert (zuckersenkendes Hormon). Später im 20. Jahrhundert kam die Industrialisierung. Umstellung der Nahrung auf sogenannte „Fast Food“ Nahrung, seit ungefähr 50 Jahren. Die Menschen sind in Hektik, haben keine Zeit mehr zum Essen. Die sitzende Tätigkeit mit Bewegungsmangel ergibt die sogenannte endemische Fettleibigkeit. Ein grosser Teil der Bevölkerung heutzutage nimmt im Verlauf des Lebens kontinuierlich an Gewicht zu und die erhöhte Fettmasse führt bei vielen zu schweren Begleiterkrankungen wie Zucker (Diabetes), andere Stoffwechselstörungen, hoher Blutdruck (Hypertonie) oder sogenanntes Schlafapnoe-Syndrom mit Schnarchen. Nur die Chirurgie hat sich, langfristig gesehen, als effektiv bei der Behandlung von starkem Übergewicht bewährt (NIH Consensus Conference Statement, 1991). Ebenfalls werden die Begleiterkrankungen massiv gebessert oder verschwinden sogar. Henrikson führte 1950 die erste Übergewichtsoperation durch, indem er ein Stück Dünndarm entfernte. Es wurden weitere Operationstechniken entwickelt, die zunächst alle „offen“, d.h. mit einem grossen Schnitt durchgeführt wurden. Erst mit der Entwicklung der endoskopischen Chirurgie konnte diese Operationstechnik auch laparaskopisch angeboten werden. Dadurch wurden die anfänglich massiven Infektionen deutlich minimiert. Zu Beginn war das Magenband der Favorit. Das Magenband hat jedoch leider eine schlechte Langzeitprognose mit zahlreichen Spätkomplikationen. Deshalb wird es heutzutage praktisch nur noch an wenigen Spitälern angeboten. Der derzeitige Standardeingriff ist der laparaskopische proximale Magenbypass. Die erste bariatrische Operation am Kantonsspital Nidwalden wurde am 26. Mai 1997 durchgeführt. Das Kantonsspital Nidwalden hat den Nachteil, dass es sich um ein relativ kleines Spital in einem kleinen Einzugsgebiet (Kantonsgrenzen) handelt. Dementsprechend wurden die Operationen nicht in grosser Zahl durchgeführt. In den letzten Jahren hat uns in verdankenswerter Weise Dr. med. G. Teufelberger ein erfahrener bariatrischer Chirurg aus Muri und Baden (Aargau), bei diesen Operationen tatkräftig unterstützt. Durch die neue Zusammenarbeit mit dem Luzerner Kantonsspital (LUNIS Projekt 2011) ist erstmals die Möglichkeit entstanden, unser Spital mit einer grösseren Klinik zu vernetzen. Und so ist die Idee entstanden, die bariatrische Chirurgie des Kantonsspitals Nidwalden in das Adipositaskonzept vom Luzerner Kantonsspital zu integrieren. Die Vision ist ein zentralschweizerisches Adipositaskonzept. Dr. med. Martin Sykora, leitender Arzt des Adipositaszentrums Luzern unterstützt uns nun neu tatkräftig bei der Behandlung von Adipositaspatienten. Mit dem zentralschweizerischen Adipositaskonzept kann die chirurgische Adipositasbehandlung an drei Standorten angeboten werden. Zentraler Standort ist das Luzerner Kantonsspital, das auch als Referenzzentrum und primärer Ansprechpartner dient. Dieses Zentrum in Luzern steht unter der Leitung von Dr. med. Martin Sykora. Ein weiteres Referenzzentrum ist in Sursee unter der Leitung von Dr. med. Alessandro Wildiesen entstanden. Seit Ende 2011 ist auch Stans angeschlossen und unter der Leitung von Dr. med. Rudolf Herzig als Primärzentrum anerkannt. Demzufolge können Patienten aus der Innerschweiz frei wählen, an welchem Adipositaszentrum sie operiert werden möchten. Die Behandlungsstandards sind an allen drei Orten gleich. Im Augenblick ist es so, dass Dr. med. Martin Sykora bei fast allen bariatrischen Operation im Kantonsspital Nidwalden dabei ist um unsere Erfahrung zu fördern. Es werden bereits zahlreiche Patienten aus dem Kanton Luzern und weiterer Umgebung der Innerschweiz bei uns am Kantonsspital Nidwalden in Stans durch Dr. med. Martin Sykora operiert. Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 2 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie 2. Prozessablauf der bariatrischen Patienten im Kantonsspital Nidwalden Prozess Organisation/Durchführung I. Erstkonsultation beim Hausarzt und Anmeldung an die interdisziplinäre Adipositassprechstunde Kantonsspital Luzern. Bei Entscheid zur Operation Anmeldung in die Sprechstunde Chirurgie Dr. med. Rudolf Herzig Co-Chefarzt Chirurgie, Kantonsspital Nidwalden. Erstes orientierendes Gespräch und Information und Dokumentation des Patienten. Luzerner Kantonsspital Interdisziplinäre Sprechstunde Sekretariat Telefon direkt 041 205 45 24 Fax 041 205 24 84 [email protected] Sekretariat Chirurgie Frau Monika Müller Telefon direkt 041 618 18 33 Fax 041 618 18 39 Mail: [email protected] II. Der Patient wünscht die Operation und die interdisziplinäre Sprechstunde in Luzern hat den Patienten ebenfalls für die Operation qualifiziert und der Patient hat sich zur weiteren Abklärung entschieden. Diese wird möglichst wohnortsnah durchgeführt (Nidwalden). Anmeldung in Spezialsprechstunden bei Dr. med. Roman Gaudenz, Leitender Arzt Medizin, Kantonsspital Nidwalden. Endokrinologe bei speziellen Fragestellungen. Bei Bedarf Psychologisch-Psychiatrische Abklärung vor einer allfälligen Operation. III. Ambulante präoperative Untersuchungen (möglichst wohnortnah) gemäss Vorgaben der Swiss Study Group for Morbid Obesity (SMOB). Bei Erfüllung der Vorgaben und Einverständnis des Patienten Anmeldung der Kostengutsprache an den Vertrauensarzt der Krankenkasse des Patienten. Durchgeführte Untersuchungen: - Gastroskopie mit Heliobacter pylori Test Lungenfunktionsprüfung bei speziellen Fällen Schlafapnoe-Abklärung Ultraschall Abdomen 1 bis 2 Termine Ernährungsberatung präoperativ Frau Sandra Hürst, dipl. Ernährungsberaterin FH [email protected] Telefon direkt 041 618 14 76 Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 Sekretariat Medizin Frau Ruth Unternährer Telefon direkt 041 618 18 23 Fax 041 618 18 29 Mail: [email protected] Dr. med. Armin Walter Ärztlicher Leiter Psychiatrie & Psychotherapie Kantonsspital Nidwalden Telefon direkt 041 612 32 12 Fax 041 512 32 14 Mail: [email protected] Medizinische Klinik Kantonsspital Nidwalden Dr. med. Roman Gaudenz Leitender Arzt Medizin Kantonsspital Nidwalden Sekretariat Medizin Frau Ruth Unternährer Telefon direkt 041 618 18 23 Fax 041 618 18 29 [email protected] 3 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie Bei Bedarf spezielle Abklärungen resp. Betreuung: Psychologische Betreuung Dr. med. Armin Walter Ärztlicher Leiter Psychiatrie & Psychotherapie Kantonsspital Nidwalden Telefon direkt 041 612 32 12 Fax 041 512 32 14 [email protected] Kardiologische Betreuung Dr. med. Christian Schüpfer Co-Chefarzt Medizin Kantonsspital Nidwalden Telefon direkt 041 612 20 40 Fax 041 612 20 41 [email protected] Endokrinologie : Anmeldung via Sekretariat Medizin Frau Ruth Unternährer Telefon direkt 041 618 18 23 Fax 041 618 18 29 [email protected] IV. Eintreffen der vollständigen Untersuchungsergebnisse Monika Müller, Sekretariat Chirurgie [email protected] V. Abwarten des Eintreffens der Kostengutsprache durch Vertrauensarzt der Krankenkasse Monika Müller, Sekretariat Chirurgie [email protected] Dr. med. Rudolf Herzig Co-Chefarzt Chirurgie VI. Präoperatives Gespräch zur Festlegung der Operationsmethode und des Operationszeitpunktes in Stans Anästhesie ca. 2 Wochen präoperativ mit Anästhesieaufklärung, etc. Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 Monika Müller, Sekretariat Chirurgie [email protected] mit Planung folgender Punkte: Nochmalige SS bei Operateur (Dr. R. Herzig) Termin ca. 2 Wochen vor OP in die Anästhesiesprechstunde gegebenenfalls fehlende Untersuchungen ergänzen Stationärer Aufenthalt Eintrag ins RAP Bettenplanung Festlegung radiologische Kontrolle einen Tag postoperativ (Zettel ausgefüllt). Anmeldung an Radiologie Kantonsspital Nidwalden. OPS-Anmeldung via RAP bei Beat Bösch OPZ Ernährungsberatung Kantonsspital Nidwalden Frau Sandra Hürst Assistenzärzte Chirurgische Klinik Bettendisposition (mit Angabe Operations-Termin und Versicherungsklasse) Telefon direkt 041 618 19 30 Sekretariat Anästhesie Frau Karin Jakober 4 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie - Labor: Hb, Tc, Quick, Krea, Kalium, Natrium, Blutzucker, Leberenzyme, HbA1c, CRP Telefon direkt 041 618 18 61 [email protected] - ev. EKG, ev. Röntgen-Thorax, ev. weitere Untersuchungen veranlassen - chirurgischer UA für Statuserhebung Telefon intern 1915 VII. Stationäre Aufnahme am KSNW direkt am Operationstag (in Ausnahmefällen ein Tag vor OP) mit: Patientenanmeldung Kantonsspital Nidwalden - OP-Aufklärung (mit persönlicher Unterschrift), - Anästhesieaufklärung, -Pflegegespräch, Kontrolle der Befunde, Ernährungsberatung VIII. Operation: Präoperativ Anlage von AV-Pumpen Strümpfe (pneumatische Pumpe an den Beinen zur Thromboseprophylaxe, Blasenkatheter, Lagerung mit Fussstützen und fixierten Beinen flach, Beine gespreizt) Postoperativ: Belassen der AV-Pumpe, Laborkontrolle bei Bedarf, Mobilisation und schluckweise Tee (Fast Track). Thromboseprophylaxe 5`000 IE am Abend. IX. 1. Postoperativer Tag Mobilisation, Ziehen des Blasenkatheters, Gastrografinschluck im Röntgen, Kostaufbau nach Schema (wenn KM Schluck IO.), Entfernung Blutungsdrainage, Belassen der AV-Pumpe im Bett bis ausreichende Mobilisation, 5`000 IE Fragmin am Abend . X. Weiterer stationärer Aufenthalt: Weiter Mobilisation unter Umständen mit Hilfestellung der Physiotherapie. Kostaufbau nach Schema. Ernährungsberatung. Ev. endokrinologisches Konsil zur Anpassung der Medikamente (Insulin). 7`500 IE Fragmin ab 2.postop. Tag am Abend OP Zentrum Stans IPS Intensivpflegestation Röntgenabteilung Bettenstation Bettenstation Entlassung ca. 3 – 5 Tage nach Operation, AUF 3-4 Wochen, 7`500 IE Fragmin für 14 Tage. 1. Sprechstundentermin 6 Wochen postoperativ bei Dr. med. Rudolf Herzig (Patienten von Dr. M. Sykora werden in Luzern nachkontrolliert). Hausarztkontrollen erstmalig nach 4 – 5 Tagen Keine Fadenentfernung notwendig (Nähte versenkt). Wunden abkleben mit Steristrip für 3 -4 Wochen. Sekretariat Chirurgie Frau Monika Müller Telefon direkt 041 618 18 33 Fax 041 618 18 39 Mail: [email protected] Patienten von Dr. M. Sykora: Mitteilung des Nachkontrolltermins im Adipositaszentrum in Luzern Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 5 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie XI. Nachkontrollen: Patient verpflichtet sich für die ersten 5 Jahre zur Nachkontrolle (Vorgabe SMOB)! Sport: Nach Entlassung sofort möglich. Bauchtraining sachte beginnen, nicht übertreiben. Ernährungsberatung wohnortnah Operateur im KSNW nach 4 – 6 Wochen, 3, 6, 9 und 12 Monate, danach jährlich Hausarzt zur Laborkontrolle Psychologische Betreuung wenn notwendig Dr. med. Kerstin Heering Sekretariat Chirurgie Frau Monika Müller Telefon direkt 041 618 18 33 Fax 041 618 18 39 Mail: [email protected] Diabetologie (Zuckersprechstunde) Bei Diabetiker: Anmeldung bei Diafit Rehabilitationsprogramm ist empfehlenswert. PD Dr. med. Chr. Henzen CA Diabetologie LUKS Sekretariat Kardiologie Praxis Dr. Schüpfer KSNW T: 041/612 20 40 F: 041/612 20 41 Mail: [email protected] 3. Adipositasadressen Kantonsspital Nidwalden Dr. med. Rudolf Herzig Co-Chefarzt Allgemeine- und Viszeralchirurgie Leiter Adipositaszentrum Stans Mail: [email protected] Kantonsspital Nidwalden 6370 Stans Dr. med. Kerstin Heering Adipositas-Spezialsprechstunden, Diafit und Nachkontrollen bariatrische Operationen im Kantonsspital Nidwalden Stans Sekretariat Chirurgie Monika Müller Telefon 041 618 18 33 [email protected] Dr. med. Roman Gaudenz Leitender Arzt Medizin Sekretariat Medizin Frau Ruth Unternährer Telefon direkt 041 618 18 23 Fax 041 618 18 29 [email protected] Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 6 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie Operationszentrum Stans Beat Bösch Leiter Operationszentrum Telefon direkt 041 618 15 00 [email protected] Anästhesie Frau Dr. med. Charlotte Meier Chefärztin Anästhesie Telefon direkt 041 618 18 60 [email protected] Ernährungsberatung Frau Sandra Hürst, dipl. Ernährungsberaterin FH Telefon direkt 041 618 14 76 [email protected]/ernä[email protected] Bettendisposition Frau Andrea Hunziker Telefon direkt 041 618 19 30 [email protected] Physiotherapie John Breed, dipl. Physiotherapeut HF Leitung Physiotherapie Telefon direkt 041 618 17 40 [email protected] Diafit – Rehabilitätsprogramm bei Diabetes mellitus Dr. med. Christian Schüpfer Co-Chefarzt Medizin Sekretariat Telefon direkt 041 612 20 40 Fax 041 612 20 41 [email protected] Sozialdienst Frau Ruth Christen, Sozialarbeiterin FH Telefon direkt 041 618 18 85 [email protected] Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 7 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie 4. Konservative Therapie der Adipositas Übergewicht ist eines der grössten gesundheitlichen Probleme der modernen westlichen Gesellschaft und betrifft 1,7 Milliarden Personen weltweit. Man spricht von einer eigentlichen Epidemie. In der Schweiz sind 37,3% der Bevölkerung übergewichtig (1992: 30,3%). Die vielen Folgekrankheiten wie erhöhter Blutdruck, Zuckerkrankheit, erhöhte Blutfette, Herzinfarkt, Hirninfarkt und ähnliches haben eine eminente sozioökonomische Bedeutung, da sich die Kosten des Übergewichtes in der Schweiz auf 5,7 Milliarden Franken jährlich belaufen. Konservative Therapiemassnahmen (Diät, Medikamente, Verhaltensmassnahmen) sind langfristig in weniger als 4% erfolgreich. Da es sich bei der Chirurgie um einen endgültigen und schwierigen Eingriff handelt, steht vor jeder chirurgischen Therapie zunächst ein konservativer Therapieversuch. BMI-Berechnung Kategorie nach WHO BMI (Kilo/m2) Normalgewicht 18,5 – 24,9 Übergewicht 25,0 – 29,9 Adipositas Grad I 30,0 – 34,9 Adipositas Grad II 35,0 – 39,9 Adipositas Grad III >40,0 (Adipositas per magna/morbide Adipositas) Super Obesitas 50,0 – 59,9 Super super Obesitas >60,0 Die alleinige konservative, nicht operative Therapie ist gemäss internationalem Konsens zur Adipositasbehandlung bei allen Patienten mit einem BMI von unter 40 indiziert. Eine grosse Multizenter-Studie konnte vor Jahren schon statistisch zeigen, dass bei Patienten mit einem BMI über 35 konservative diätetische Therapiemassnahmen zur Gewichtsreduktion aufgrund des sogenannten ‚Jojo-Effektes’ keine bleibende Gewichtsreduktion bewirken können. Als Jojo-Effekt bezeichnet man den Wiederanstieg des Körpergewichtes nach vorerst erfolgreicher Gewichtsabnahme. Zunächst sollte jedoch jeder Patient, auch bei einem BMI über 35 versuchen das Gewicht auf konservativem Weg zu stabilisieren oder zu reduzieren. Erfolgreiche langzeitige Gewichtsabnahmen sind von vornherein nicht ausgeschlossen. Die konservativen Massnahmen zielen auf die Reduktion der aufgenommenen Energiemenge durch die Nahrung und einer vermehrten Energieverbrennung des Körpers. Sie benötigen also eine Unterstützung durch einen Ernährungsberater und einen Personaltrainer (z. B. Physiotherapie). Der Energieumsatz in Ruhe eines jeden einzelnen Menschen ist verschieden hoch, dementsprechend muss auch die Nahrungsaufnahme individuell angepasst werden. Zudem steht das Erlernen von gesundem Essverhalten im Vordergrund. Die Konsumation von versteckten Kalorien oder Einnahme von Kalorien bei speziellen Gelegenheiten (Fernseher etc.) soll mindestens eingedämmt werden. Die psychologische Betreuung spielt ebenso eine wichtige Rolle, vor allem bei Patienten mit gewissen Esstypen. Das übermässige Essen kann zur Konfliktbewältigung oder zum Abbau von Frustrationen nach schlechten Erlebnissen eingesetzt werden. Adipositas kommt familiär gehäuft vor. Dabei spielen erlernte familiäre Verhaltensmuster eine wichtige Rolle (z. B. zu viel Süssigkeiten). Deshalb sollte eine konservative Adipositasbehandlung auch immer das familiäre Umfeld einbeziehen. Bei Adipositas in der Kindheit sollte frühzeitig Hilfe gesucht werden. Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 8 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie Adipöse Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre werden im Kinderspital Luzern in der Adipositas-Sprechstunde betreut. Dr. med. Paolo Tonella Oberarzt Pädiatrische Endokrinologie Leiter der Adipositas-Sprechstunde für Kinder und Jugendliche Sekretariate Tagesklinik Kinderspital Telefon-Nummer 041 205 31 66 Medikamentöse Therapie Orlistat (Xenical®) hemmt die Fettverdauung im Darm und somit auch die Aufnahme von Fetten aus dem Darm in den Körper. Weitere Substanzen wie Reduktil etc. wurden wegen schweren Nebenwirkungen bereits vom Markt genommen. Es gilt also heutzutage folgende Grundregel bei BMI unter 35 konservative Therapie, BMI über 35 eher operative Therapien. 5. Operative Therapie Die Adipositaschirurgie (bariatrische Chirurgie) ist bis heutzutage die nachhaltigste Therapie der Krankheit Adipositas. Die Adipositaschirurgie setzt sich zum Ziel dem Patienten eine nachhaltige und langfristige Gewichtsreduktion zu ermöglichen, zudem können viele Folgekrankheiten die durch die Adipositas verursacht werden mindestens verbessert oder sogar geheilt werden. Voraussetzungen für eine bariatrische Operation gemäss Richtlinien SMOB Group 2011 www.smob.ch • • BMI ≥35 2-jährige adäquate Therapie zur Gewichtsreduktion war erfolglos, bei einem BMI >50 ist die Dauer von 12 Monaten Diät ausreichend Bedingungen für eine bariatrische Operation Die Operation darf nur in einem zertifizierten Adipositaszentrum, das über ein interdisziplinäres Team mit der notwendigen Erfahrung verfügt, durchgeführt werden. Das Kantonsspital Nidwalden ist ein sogenanntes Primärzentrum. Ein Primärzentrum beinhaltet folgende Vorgaben: • • • • • • • • Eingriffe mit Magenband (wird praktisch nicht mehr durchgeführt) Laparoskopisch proximaler Magenbypass Sleeve-Magen Operation (Schlauchmagen) BMI <50 Alter 18 – 65 Jahre Keine Revisionseingriffe Mindestfallzahl: 25 Eingriffe pro Jahr Zusammenarbeit mit Adipositas Referenzzentrum in Luzern Die chirurgische Therapie ist nicht als Erstlinien-Therapie anzusehen. Bei Kindern und Jugendlichen sollte die Operationsindikation mit Zurückhaltung gestellt werden und zunächst sind sie dem Pädiater (s. oben) vorzustellen. Sie werden nur in einem Adipositasreferenzzentrum operiert. Ebenfalls werden Patienten, die älter als 65 Jahre sind nur an einem Adipositasreferenzzentrum operiert. Der Patient/die Patientin verpflichtet sich zu einer regelmässigen Kontrolle von mindestens 5 Jahren (schriftliche Einwilligungserklärung). Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 9 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie Begleitkrankheiten und Komplikationen von Übergewicht und krankhafter Adipositas: • • • • • • • • • • • • • • • Störungen des Kohlehydrat-Stoffwechsels (Diabetes mellitus Typ II, gestörte Glucosetoleranz) Andere metabolische Störungen (Dyslipidämie, Hyperuricämie, Störungen der Hämostase) Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) Kardiovaskuläre Erkrankungen (z. B. koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, Herzinsuffizienz) Karzinome (Krebs z. B. Ovarien, Brust, Prostata, Niere, Darm) Hormonelle Störungen (Polyzystisches Ovar Syndrom, erniedrigte Testosteronspiegel bei Männern) Pulmonale Komplikationen (Dyspnoe, Hypoventilations- und Schlafapnoesyndrom) Gastrointestinale Erkrankungen (z. B. Cholecystolithiasis, akute und chronische Cholecystitiden) Refluxkrankheit Nicht alkoholische Fettleber Hepatitis (NASH) Degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates (z. B. Arthrosen, Wirbelsäulensyndrome) Erhöhtes Operations- und Narkoserisiko Allgemeine Beschwerden (Gelenksbeschwerden, Belastungsdyspnoe, Atemnot schon bei leichter körperlicher Anstrengung, verstärktes Schwitzen) Psycho-soziale Konsequenzen (erhöhte Depressivität und Ängstlichkeit, soziale Diskriminierung, Selbstwertverminderung) Einschränkung der Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) Kontraindikationen (Ablehnungsgründe) für eine bariatrische Operation: • • • • • • • • • • • Fehlende 2-jährige adäquate Therapie zur Gewichtsreduktion resp. weniger als 1 Jahr bei einem BMI >50 Ausgeprägte Niereninsuffizienz (Kreatinin >300 mmol/l ohne Nierenersatztherapie) Koronare Herzkrankheit (instabile Angina pectoris, Status nach kürzlichem Herzinfarkt, d.h. weniger als 3 Monate. Der Ausschluss erfolgt nur nach kardiologischer und/oder anästhesiologischer Beurteilung) Leberzirrhose Child B/C Morbus Crohn (allfälliger Einschluss nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Gastroenterologen) Status nach LE innerhalb 6 Monate nach Ereignis Krebspatienten (nach Besprechung mit dem Onkologen) Ernsthaftes, nicht auf das Übergewicht zurückführendes, behandlungsbedürftiges, psychisches Leiden, das in den letzten zwei Jahren zu Dekompensationen geführt hat Chronischer Substanzabusus Mangelnde Compliance (versäumte Termine, Unfähigkeit zu kooperieren, etc.) Von Facharzt bestätigter Mangel an Einsichtigkeit in die Auflagen und Bedingungen für die postoperativen Therapien (Nachkontrollen, Substitution) Wichtig ist zu wissen, dass zwischen 1. Sprechstunde mit Orientierung über die Möglichkeiten der bariatrischen Chirurgie und dem definitiven Operationstermin gut 3 bis 6 Monate vergehen können. Für die Abklärung und die Indikation zur Operation brauchen wir eine genügende Zeitspanne. In dieser Zeit kann sich der Patient immer überlegen, ob er die Operation durchführen lassen möchte und ob das wirklich für ihn die richtige Behandlung ist. Jederzeit kann er während der Abklärung aus dem Prozess aussteigen. Die präoperativen Abklärungen die durchgeführt werden, sind nochmals aufgelistet. Familien- und Sozialanamnese, Entwicklung und Lebensphasen des Patienten mit Essgewohnheiten und Esstyp. Abklärung von Begleiterkrankungen des Patienten Labor, ev. Röntgen-Thorax und EKG Bei Bedarf psychiatrisches oder psychosomatisches Konsilium Obere Panendoskopie inkl. Heliobacter pylori (Magenspiegelung) Optimierung in der Therapie der Begleiterkrankung zur Risikoverminderung des Eingriffes Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 10 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie Feststellung des anästhesiologischen Risikos: Belastungs-EKG, Lungenfunktion, allenfalls nächtliche Pulsoxymetrie Fakultativ Schlaflabor-Abklärungen bei Verdacht auf Schlafapnoe Körperfettmasse, Knochendensitometrie, Energiemessungen und allenfalls komplexe Laboruntersuchungen wie Leptin, Ghrelin, GLP-1, PY, GIP Spitalaufenthalt (Ziele und Vorgehen) Der Patient tritt direkt am Morgen für die Operation ein (Bei längerer Anfahrt oder auf speziellen Wunsch darf der Patient auch jederzeit am Nachmittag des Vortages eintreten). Nach der Operation bleibt der Patient während einer Nacht auf der Intensivstation. Ziel ist Frühmobilisation und von Beginn weg Einleitung einer Physiotherapie damit der Patient schnell wieder auf die Beine kommt. Am 1. postoperative Tag findet die Röntgenkontrolle statt und anschliessend die Verlegung auf die Abteilung. Am Nachmittag Besuch der Ernährungsberatung mit Kostaufbau und vor allem Aufzeigen der Veränderungen im langfristigen Essverhalten. Diese Termine mit der Ernährungsberatung werden in regelmässiger Folge auch postoperativ weiter durchgeführt. Medikation Thromboembolieprophylaxe am Anfang Vakuum-Pumpen-Strümpfe. Vitaminsubstitution. Bei Entlassung sind die Termine für die Nachsorge organisiert und die Medikamente bei Austritt festgelegt. Operationsmethoden In Stans bieten wir drei Operationsmethoden an: A Das Magenband B Der Magen-Bypass C Der Schlauch-Magen (Sleeve Resection) Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 11 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie A Das Magenband Bereits 1982 gab es eine erste Magenplastik mit Band (Mason). Das Magenband besteht aus Silikon, wird ringförmig um den obersten Teil des Magens platziert, so dass ein kleiner Vormagen mit Inhalt von 3 – 4 ‚Ravioli’ ausgeschaltet wird. Über ein Schlauchsystem steht das Magenband mit dem Reservoir-System in Verbindung, welches unter der Haut eingepflanzt wird. Das Reservoir-System kann von aussen mit einer Nadel durch die Haut angestochen werden und dadurch wird das Magenband sukzessiv postoperativ enger gestellt. Bei Bedarf kann es auch wieder weiter gestellt werden. Die Anatomie des Magens wird eigentlich nicht verändert und theoretisch könnte das Magenband allenfalls später wieder entfernt werden. Die Wirkungsweise beruht dadurch, dass durch die Einschnürung des Magens durch das Band weniger Nahrung in den Körper aufgenommen werden kann. Das Magenband ist eigentlich nur für Vielesser geeignet, da es ein frühes Sättigungsgefühl erzeugt. Es verlangt aber eine ausgeprägte Essdisziplin. Durch das Einnehmen von kalorienreichen Getränken, kann das Magenband „überlistet“ werden. Ausserdem hat das Magenband leider sehr viele Spätkomplikationen wie Entzündungen, Verschiebungen oder Durchwanderung des Magenbandes. Etwa 40% der Magenbänder müssen somit wieder entfernt werden. Diese Operation wird am Kantonsspital Nidwalden in Stans nur noch in Ausnahmefällen angeboten. Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 12 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie B Magen-Bypass Der Magenbypass ist aktuell der häufigste Eingriff am Kantonsspital Nidwalden. Es handelt sich hier um den sogenannten „Gold-Standard“ Eingriff. Er wird in verschiedenen Varianten angeboten. Wir führen bei uns vor allem den laparoskopischen proximalen Magenbypass durch, dabei wird 1,5 Meter Dünndarm ausgeschaltet. Es handelt sich um einen Kombinationseingriff von Restriktion (kleiner Vormagen) mit einer Malabsorption (Ausschalten von 1,5 Meter Dünndarm) und hat dadurch einen sehr guten Erfolg. Der Magen wird sehr weit oben durchtrennt und mit einer Dünndarmschlinge verbunden, die ebenso vorher durchtrennt wurde. Dadurch können nur noch kleine Mahlzeiten eingenommen werden und das Sättigungsgefühl stellt sich früh ein. Dann wird 1,5 Meter Dünndarm ausgeschaltet und die Verdauungssäfte von Leber und Bauchspeicheldrüse werden weiter unten im Dünndarm wieder eingeleitet durch eine Seit-zu-Seit Verbindung mit dem Dünndarm. Der Magenbypass weist durch diese Kombination von Restriktion und Malabsorption sehr gute Langszeitresultate auf. Die Lebensqualität beim Bypass wird von den meisten Patienten als gut beschrieben. Man kann mit dem Magenbypass ca. 65% des Übergewichtes verlieren, zudem können die meisten Folgekrankheiten des Übergewichtes stark verbessert oder geheilt werden z.B. kann die Zuckerkrankheit nach dem Magenbypass in fast 95% der Fälle geheilt werden. Zu den seltenen Komplikationen des Magenbypass gehören Nachblutung und Nahtbrüche. Diese Anastomosen Insuffizienzen treten in der Regel nur in den ersten Tagen bei ungefähr 1 – 1,5% der operierten Patienten auf, können aber schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Zu den Spätkomplikationen nach Magenbypass gehören vor allem die Mangelernährungen, Vitaminmangelsymptome, Blutarmut (Anämie), Osteoporose, Gallen- oder Nierensteine. Alle diese Komplikationen lassen sich jedoch vermeiden, wenn die regelmässigen Kontrolltermine beim Arzt und bei der Ernährungsberatung eingehalten werden und die entsprechende medikamentöse Substitution eingenommen wird. Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 13 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie C Schlauch-Magen (Sleeve Resection) Diese Operationsmethode wurde ursprünglich nur als vorübergehender Eingriff bei Hochrisiko-Patienten oder bei sehr dicken Patienten durchgeführt. Da der Eingriff erst seit ungefähr 2006 durchgeführt wird, sind Spätresultate noch nicht bekannt. Bei dieser sogenannten Sleeve Resection wird ein dünner Magenschlauch gebildet. Der grosse Teil des Magens (Aussenseite) wird dabei entfernt und aus dem Körper geborgen. Zusätzlich hat die Sleeve-Gastrektomie eine hormonelle Wirkung, da das Hungerhormon (Ghrelin), welches im Fundus (im oberen Magenanteil) vorhanden ist, mit entfernt wird. Dadurch hat man weniger Hunger. Die Operation weist vergleichbar gute Resultate im Gewichtsabnehmverlauf auf wie der Magen-Bypass und hat ebenfalls eine gute Lebensqualität. Über die Langzeitresultate lassen sich im Gegensatz zum Magen-Bypass noch keine definitiven Angaben machen, da diese Operation wie oben angegeben noch relativ neu ist. Durch den Schlauchmagen können die Patienten auch weniger und kleinere Mahlzeiten einnehmen. Zu den seltenen Komplikationen nach Schlauchmagenoperation gehören die Nachblutungen in den ersten 24 Stunden und das Aufgehen der Klammernaht am Magen in den ersten 10 Tagen. Zu den seltenen Spätkomplikationen gehören Blutarmut und Vitaminmangel. Die Folgeerscheinungen lassen sich vermeiden bei Einhaltung von regelmässigen Kontrollterminen und Einnahme der verordneten Substitutionspräparate (siehe unten). Falls der Schlauchmagen nach Jahren zu keinem befriedigenden Gewichtsverlust führt kann er später in einen Bypass umgewandelt werden. Der Schlauchmagen wird heutzutage vor allem bei Risikopatienten und bei jungen Patienten eingesetzt. Bei Patienten mit einem Zwerchfellbruch (Hiatushernie, Refluxkrankheit) ist diese Methode nicht geeignet. Da durch den Zwerchfellbruch immer wieder Magensäure zurückfliessen kann. Die Kombination einer Antirefluxoperation mit einer Sleeve Resektion bringt leider nur vorübergehende Besserung durch die Gewichtsreduktion. Nach 5 Jahren muss bei einem Viertel der Patienten eine klinische Verschlechterung bzw. eines Refluxrezidives gerechnet werden. Nach einer Sleeve-Gastrektomie weisen interessanterweise Patienten zu einem hohen Prozentsatz ein asymptomatischer, aber instrumentell nachweisbarer, höhergradiger Säurereflux auf. Dieses Problem tritt bei einem Magenbypass nicht auf. Es gibt noch weitere bariatrische Operationen, die vor allem bei sehr adipösen Patienten mit BMI >50 angewendet werden und die aber nur in einem Referenzzentrum (Bsp. Luzern) angewendet werden. Diese sind nur der Vollständigkeit halber kurz aufgeführt: Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 14 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie A Distaler Magen-Bypass Die biliäre Dünndarmschlinge wird viel weiter unten als beim Bypass wieder mit alimentärer Schlinge zusammengeführt. Dadurch wird noch weniger Nahrung durch den Dünndarm aufgenommen (Common channel wird kürzer. B Biliopancreatische Diversion (Scopinaro) Diese so genannte biliopankreatische Teilung (Biliopancreatic Diversion = BPD) stellt eine Weiterentwicklung des intestinalen Bypasses dar und wurde seit 1976 von Nicola Scopinaro in Genua (Italien) entwickelt, der eine beachtliche Patientenzahl (ca. 2000) im Langzeitverlauf überblickt. Sie hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Roux-en-Y-Magenbypass. Dabei handelt es sich um eine anspruchsvolle und wegen der möglichen Komplikationen nach der Operation und im Langzeitverlauf potentiell gefährlichere, in Bezug auf den Gewichtsverlust aber äußerst effektive Therapie. Das Prinzip beruht weniger auf einer Nahrungsrestriktion – Magenverkleinerung durch eine distale Gastrektomie – ähnlich dem Magenbypass –, das heißt die untere Magenteilentfernung mit Belassen eines Restmagens, das ein definiertes Volumen von 200 bis 250 ml aufweist – und einer Mangelverdauung. Die Rekonstruktion der Darmkontinuität erfolgt durch Verbindung des Restmagens mit dem Dünndarm. Das Halten des Gewichtes erfolgt durch die biliopankreatische Diversion (Umleitung der Verdauungssäfte) über eine permanente, selektive Malabsorption (verringerte Aufnahme). Dabei wird der proximale (obere), ausgeschaltete Dünndarmanteil, der sämtliche Verdauungsfermente aus der Bauchspeicheldrüse und die Galle aus der Leber enthält, wiederum mit dem unteren Dünndarm verbunden (rund 50 cm vor dem Übergang in den Dickdarm). Damit ist die resorptive Dünndarmfläche für Fette und Stärke, die den Verdauungssaft aus dem Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 15 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie Pankreas und die Gallensäuren aus der Leber benötigen, so stark verkleinert, dass nur eine kleine Menge „verdaut“ und somit in den Körper aufgenommen werden kann. Die Eiweißaufnahme aus dem Darm hingegen erfährt geringfügigere Reduktion und einfache Zuckerverbindungen werden ungehindert aufgenommen. C Duodenal Switch-Operation Der Duodenal Switch (= duodenale Umstellung) basiert auf dem Prinzip der biliopankreatischen Diversion und ist eine Fortentwicklung dieser effektiven Technik. Beim „Duodenal Switch“ ist jedoch der Magenpförtner (Pylorus) vorhanden, der ein „Dumping“ (Sturzentleerung von Zucker aus dem Restmagen mit nachfolgender Blutzuckerregulation und Nebeneffekten, wie Übelkeit und Schweißausbruch) verhindert. Der Schlauchmagen hat ein Volumen von etwa 100 ml. Die Technik wurde ursprünglich von Tom R. DeMeester zur Behandlung des Gallerefluxes entwickelt. Der Duodenalstumpf wird verschlossen und das postpylorische Duodenum (Zwölffingerdarm) wird mit dem Ileum (Teil des Dünndarms) verbunden. Der sogenannte Common Channel misst dabei im Gegensatz zur Biliopankreatischen Diversion 100 cm. Im Jahr 1988 hat Douglas Hess (Ohio, USA) als erster Chirurg die Kombination mit dem BPD zur Gewichtsreduktion in „offener Technik“ vorgenommen. Die Ergebnisse hinsichtlich Gewichtsverlust und der Lebensqualität (Essverhalten) waren überzeugend. Michael Gagner (New York, USA) hat diesen Eingriff 1999 als erster Chirurg laparaskopisch durchgeführt. Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 16 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie 6. Ernährung (vor und nach bariatrischen Eingriffen) In der Zwischenzeit sind die Untersuchungen abgeschlossen. Es wurde festgelegt, dass eine bariatrische Operation notwendig ist. Es wurde auch eventuell bereits besprochen, welche bariatrische Operation durchgeführt wird und die Kostengutsprache der Krankenkasse ist ebenfalls eingetroffen. Ein Operationstermin wurde bereits mit dem Kantonsspital Nidwalden in Stans vereinbart. Als nächstes möchten Sie wissen: Wie bereite ich mich auf diesen bariatrischen Eingriff vor? 6a) Präoperative Massnahmen und Ernährung Bei allen Arten bariatrischer Eingriffe ist die Vorbereitung identisch. Untersuchungen wurden bei Ihnen ja bereits durchgeführt. In einigen Fällen kann es passieren, dass Sie vom Arzt nochmals zu einem Spezialisten wie z. B. einem Lungenfacharzt oder Kardiologen überwiesen werden. Während Ihres Gespräches mit Ihrem Arzt müssen Sie auf jeden Fall erwähnen, welche Medikamente Sie in welchen Dosierungen einnehmen (auch Nahrungsergänzungsmittel und Vitamine). Ausserdem müssen Sie bisherige Krankheiten, Operationen und allergische Reaktionen erwähnen, auch diejenigen, welche in Ihrer Kindheit stattgefunden haben. Diese Informationen sind für den behandelnden Arzt wie auch für den Anästhesisten sehr wichtig. Nach einer solchen Untersuchung wird ein Gespräch mit dem Chirurgen stattfinden, indem der Arzt Sie über die verschiedenen Methoden bariatrischer Chirurgie aufklärt. Er wird die für Sie passende Behandlungsmethode finden und Ihnen die Risiken erklären. Es kann z. B. während der Operation passieren, dass eine Laparotomie (Bauchschnitt) notwendig wird. Dann können, falls Gallensteine vorhanden sind, diese evtl. direkt in der gleichen Operation entfernt werden. Ausserdem kann im Falle einer nicht geklärten Leberkrankheit eine Gewebsprobe entnommen werden. Während der Operation besteht auch in seltenen Fällen eine Notwendigkeit einer Bluttransfusion. Ausserdem muss vom Patienten eine schriftliche Erklärung vorliegen, dass er über mögliche Risiken und Komplikationen aufgeklärt wurde. Der Patient erklärt sich mit seiner Unterschrift einverstanden während 5 Jahren postoperativ Nachkontrollen durchführen zu lassen. Der Arzt wird Sie auch darüber aufklären, dass nach der Operation Schmerzen und Brennen im Bereich der Operationswunde, erhöhte Temperatur und Übelkeit auftreten können, die allerdings nach einiger Zeit verschwinden sollten. Es wäre sehr wünschenswert, dass vor der Operation ebenfalls eine Diät eingehalten wird. Wir nennen sie LED-Diät oder Low Energie Diät. Dies hängt damit zusammen, dass Patienten, die an Übergewicht leiden in der Regel eine Fettleber haben. Das bedeutet, dass zuviel Fett in den Leberzellen vorhanden ist. Deswegen ist die Leber z. T. stark vergrössert. Eine solche grosse fette Leber kann häufig während der Operation zu Schwierigkeiten führen, da ihre linke Hälfte die Speiseröhre und den Magen verdeckt. Deshalb lohnt es sich immer, diese Diät vor der Operation einzuhalten. Wir empfehlen also, mindestens 2 Wochen, besser 4 Wochen vor der Operation das strikte Einhalten einer eiweissreichen und fettarmen oder sogar fettfreien Diät unter gleichzeitiger Einnahme von Multivitaminen und Multimineralpräparaten. Vermeiden Sie unbedingt auch Alkohol und vor allem Nikotin für die Dauer von je 4 Wochen vor und möglichst auch nach einer solchen Operation. Lassen Sie sich bei Bedarf vom Hausarzt oder auch von uns rechtzeitig medizinische Kompressionsstrümpfe der Klasse II verschreiben, da die Standardstrümpfe zur Thromboseprophylaxe im Spital häufig nicht hinreichend passen. Schliesslich raten wir auch zum Absetzen von Medikamenten, die den Fettstoffwechsel beeinflussen (sogenannte Statine). Diese sollten mindestens 3 Wochen vor und nach der Operation abgesetzt werden. Gegebenenfalls müssen auch Metformin (Zuckertablette 3 Tage) und Aspirin cardio (1 Woche) vor der Operation abgesetzt werden. Dies ist aber nicht regelmässig notwendig, deshalb fragen Sie uns bitte rechtzeitig. Eine Woche vor der Operation müssen Östrogene (weibliche Sexualhormone) abgesetzt werden. Essen und trinken Sie nichts ab Mitternacht beziehungsweise am Morgen vor der Operation. Falls der Arzt oder der Anästhesist Ihnen vor der Operation Medikamente gibt, dürfen Sie sie mit einem Schluck Wasser zu sich nehmen. Durch all diese Massnahmen können Operations- und Narkoserisiken nachweislich gesenkt werden. Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 17 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie Beispiele für eine LED-Diät: Eiweiss 200 Gramm Hühnchenbrust Fettarmes Fleisch 1 Tasse fettarme Milch Kohlenhydrate 2 – 3 Portionen à ½ Tasse wie Reis, Nudeln, Brot, Kartoffeln Gemüse 2 – 3 Portionen à ½ Tasse gekochtes oder gedünstetes Gemüse oder Salat Obst 2 – 3 Portionen à ½ Tasse oder eine halbe Frucht, Äpfel, Zitrusfrüchte oder Obst aus der Dose Suppe 1 Tasse Gemüsesuppe Kohlenhydratfreie Getränke Kalorienfreie Getränke sind sehr wichtig. Sie können Wasser und zuckerfreie Getränke unbegrenzt trinken. Fett Fett darf nur minimal gegessen werden. Während der Diät darf keine Butter oder Mayonnaise dem Essen beigemischt werden. Es darf nur fettfreier Quark gegessen werden sowie der möglichst fettärmste Yoghurt. Verzichten Sie auf Kekse, Sahne, Schokolade, Torten, Kuchen und ähnliche Produkte sowie auch Eis und MilchShakes. 6b) Ernährung nach bariatrischer Operation Ziele der Ernährungs- und Verhaltungsempfehlungen bekannt Schnelle Heilung und Erholung Gute Verträglichkeit der Nahrung Verhinderung von Beschwerden Deutliche Einschränkung der Energiezufuhr Langfristige Änderung des Essverhaltens Kostaufbau nach der Operation beinhaltet drei Phasen 1. Kostaufbau während des Spitalaufenthaltes 2. Der weitere Kostaufbau zu Hause 3. Der Übergang zur gesunden und ausgewogenen Ernährung Kostaufbau nach der Operation Operationstag schluckweise Tee, Wasser (ohne Kohlensäure) 1. Tag Klare flüssige Kost Tee, Wasser (ohne Kohlensäure) oder fettfreie Bouillon 1-2 Enlive Plus (Trinknahrung) 2.Tag Flüssige Kost 1-2 Enlive Plus (Trinknahrung) 3. - 6.Tag ¼ Portion Feinpürierte Kost ohne Suppe, ohne Dessert 1-2 Enlive Plus oder Fresubin Protein Drink (Trinknahrung) Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 18 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie 7.-14.Tag ¼ Portion weiche Kost ab 15.Tag Übergang zur normalen ausgewogenen Ernährung 1. Tag nach der Operation: klare flüssige Kost langsam und schluckweise trinken! Mahlzeit Ernährung Frühstück Tee oder Wasser Mittagessen Tee, Wasser oder fettfreie Bouillon 1 Enlive Plus Nachtessen Tee, Wasser oder fettfreie Bouillon 1 Enlive Plus 2. Tag nach der Operation: flüssige Kost langsam und schluckweise trinken! Dazwischen schluckweise Wasser ohne Kohlensäure oder Tee ohne Zucker Mahlzeit Ernährung Frühstück 2 dl Milch mit Ovomaltine/Caotina oder 2 dl Milchkaffee Znüni 1 Enlive Plus oder Fresubin Protein Mittagessen 2 dl Cremesuppe passiert Zvieri 1 Enlive Plus oder Fresubin Protein Nachtessen 2 dl Milch mit Ovomaltine/Caotina oder 2 dl Milchkaffee 2 dl Cremesuppe passiert 3.- 6 Tag nach der Operation: Feinpürierte Kost Als feinpürierte Ernährung bezeichnet man Speisen, die keine Stücke enthalten und ohne Kauarbeit schluckbar sind Auf Trink- Essabstand achten Mahlzeit Frühstück Ernährung Milch mit Ovomaltine oder Milchkaffee 1 Quark oder 1 Joghurt oder 1 Apfelmus oder 1 Brei Znüni (1 Trinknahrung Enlive Plus oder Fresubin Protein) Mittagessen ¼ Portion Eiweissbeilage gemixt ¼ Portion Stärkebeilage gemixt ¼ Portion Gemüse gemixt Zvieri (1 Trinknahrung Enlive Plus oder Fresubin Protein) Nachtessen ¼ Portion Eiweissbeilage gemixt ¼ Portion Stärkebeilage gemixt ¼ Portion Gemüse gemixt Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 19 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie 7.-14. Tag nach der Operation: weiche Kost Sie erhalten vor dem Spitalaustritt von der Ernährungsberatung Unterlagen zu dieser Kostform. Ernährung und Verhalten langfristig o Zwei Wochen nach der Operation gibt es keine Ernährungseinschränkungen mehr. Versuchen Sie möglichst gesund und ausgewogen zu essen o Essen sie sehr langsam und kauen Sie alles sehr gut o Sie werden nach der Operation nur noch kleine Mengen (aufs Mal) essen können. Diese Menge entspricht am Anfang max. ¼ einer "normalen" Portion, oder 2 bis 3 Esslöffel jeder Mahlzeitenkomponente. Die Mengen sollten nicht mehr als verdoppelt werden o Essen Sie 3 Hauptmahlzeiten. Zwischenmahlzeiten können Sie nach Bedarf einsetzen o Eiweiss ist der wichtigste Baustoff für unseren Körper. Muskel, Knochen, Haut, Haare, Hormone, Enzyme etc. bestehen aus Eiweiss. Um bei der Gewichtsreduktion möglichst viel Fettmasse abzubauen und die fettfreie Masse zu erhalten, ist eine ausreichende Eiweisszufuhr wichtig. Essen Sie deshalb mindestens bei jeder Hauptmahlzeit etwas Eiweisshaltiges. Gute Eiweisslieferanten sind, mageres Fleisch, Fisch, Eier, Milch, Jogurt, Quark, Käse oder Tofu o Trinken Sie 1.5 - 2 Liter pro Tag. Geeignete Getränke sind Tee ohne Zucker, Mineralwasser ohne oder mit wenig Kohlensäure, stark verdünnte Frucht- und Gemüsesäfte, ab und zu light - Getränke mit weniger als 1.5 g Kohlenhydrate pro Deziliter o Es ist sinnvoll 15 Minuten vor und 30 Minuten nach einer Mahlzeit nicht zu trinken (siehe mögliche Beschwerden) o Um eine ausreichende Vitamin- und Mineralstoffzufuhr zu gewährleisten ist es nötig täglich ein Multivitaminpräparat mit Mineralstoffen zu nehmen. Zum Beispiel: Supradyn® o Es gibt Lebensmittel, welche beim Essen Probleme bereiten können. Meiden Sie diese Speisen vorerst und probieren Sie nach 1-2 Wochen diese Lebensmittel wieder in Ihren Speiseplan einzubauen o Um die Gewichtsreduktion zu unterstützen und das Gewicht langfristig in einem gesunden Bereich halten zu können ist die Bewegung unerlässlich. Beginnen Sie langsam und vorsichtig mit Bewegung/Sport und steigern sie die Trainingseinheiten und – Dauer mit der Zeit o Die Körperpflege ist auch ein wichtiger Punkt. Die Haut kann je nach Veranlagung mehr oder weniger unter der schnellen Gewichtsreduktion leiden. Gute Körpercremen können hautstraffend, durchblutungsfördernd und feuchtigkeitsspendend wirken Mögliche Beschwerden Erbrechen Schweissausbrüche, Schwindel, Herzklopfen, Schwäche, Blässe oder Übelkeit ca. 15 Minuten nach der Nahrungsaufnahme (Frühdumping) Schweissausbrüche, Zittern, Heisshunger oder Schwächegefühl ca. 1-2 Stunden nach der Nahrungsaufnahme Verdauungsbeschwerden, welche mehr als eine Woche bestehen Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 20 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie Oft sind diese Beschwerden die Folge von ungeeignetem Essverhalten wie: zu wenig gekaut zu grosses Volumen herunter geschluckt zu schnell gegessen zu viel gegessen zum Essen getrunken zu viel Süsses oder Fetthaltiges gegessen Deshalb ist die erste Massnahme das Überprüfen des Essverhaltens! Sollten Sie mehrmals täglich auch flüssige und pürierte Speisen erbrechen müssen, melden Sie sich beim Arzt. Sollten Sie Ihr Essverhalten angepasst haben und die Beschwerden weiter bestehen, führen Sie ein EssBeschwerde-Tagebuch, welches Sie in die Kontrolle zur Ernährungsberatung mitnehmen können. Folgende Hinweise sind zu beachten: o o o o o o o o o Beim Essen von „fasrigem‘‘ Fleisch können kurz nach der Operation Probleme auftauchen. Sehr gut geeignet sind Hackfleischgerichte, Schinken und Pouletbrust. Kurz nach der Operation kann Salat noch Mühe bereiten. Oftmals werden die Salatblätter nicht gut genug zerkaut. Es kann sein, dass nach der Operation Milch und Milchprodukte Beschwerden verursachen. Aufgrund des darin enthaltenen Milchzuckers, welcher nicht mehr oder nur erschwert aufgespaltet werden kann, können Symptome wie Übelkeit, Durchfall oder Bauchkrämpfe entstehen. In diesem Falle können lactosefreie Produkte, welche sowohl in Coop wie auch Migros erhältlich sind, Abhilfe schaffen. Teilweise kann zuviel Kohlensäure zu Aufstoßen und Blähungen führen. In diesem Falle sollten Getränke mit nur wenig oder ohne Kohlensäure verwendet werden. Sollte die Nahrung einmal stecken bleiben, so regieren Sie folgendermassen: Stoppen Sie sofort die Nahrungsaufnahme und versuchen Sie schluckweise zu trinken. Falls innerhalb der nächsten vier bis sechs Stunden auch durch Flüssigkeit keine Besserung eintritt, kontaktieren Sie den Arzt. Ein wichtiger Punkt ist die Körperpflege. In der Regel wird die Haut durch den raschen Gewichtsverlust leicht austrocknen. Indem Sie eine gute Bodylotion verwenden, können Sie Ihrem Körper die Aufnahme von Feuchtigkeit von aussen ermöglichen. Regelmässige körperliche Aktivität unterstützt eine aktive Rückbildung der Hautfalten. Folgende Nahrungsmittel können Probleme verursachen: (Gemäss Angaben von betroffenen Patienten) o o o o o o o o o o o o o Austern sollten nicht mehr gegessen werden, da sie in der Regel im Ganzen geschluckt werden Bananen sind schon weich und werden deshalb häufig nicht gut gekaut Blattspinat ist fasrig, deshalb gut kauen und kleine Bissen nehmen Blumenkohl mit Storzen kann er stecken bleiben, abschneiden Bohnen, dick aufpassen, dass keine hinunterrutschen. Sie haben genau die richtige Grösse, um dicht zu machen Broccoli mit Storzen kann er stecken bleiben, abschneiden Brotanschnitte müssen auf Grund der Kruste sehr gut gekaut werden Crevetten festes Fleisch, besonders gut kauen Haselnüsse, Nüsse rutschen leicht runter und stecken fest, vorsichtig sein Hummer festes Fleisch, besonders gut kauen Lauch ist sehr fasrig, schwierig zu kauen Spargeln sind sehr fasrig, schwierig zu kauen Grüne Bohnen fasrig, ev. lange Fäden Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 21 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie o o o o o o o o o o o o o Kirschen Kerne werden leicht verschluckt, können stecken bleiben Mirabellen Kerne werden leicht verschluckt, können stecken bleiben Pfifferlinge mit Storzen können sie stecken bleiben, abschneiden Champignons, klein rutschen gerne von alleine, einzeln essen und kauen Pilze allgemein sind schwer zu essen, da sie etwas fasrig sind Reis wird oft nur einfach runtergeschluckt Rohschinken ist sehr fasrig und teilweise zäh Rotkraut ist fasrig, gut kauen, kleine Bissen nehmen Sauerkraut ist fasrig, gut kauen, kleine Bissen nehmen Teigwaren vor allem Spaghetti und lange Teigwaren rutschen leicht hinunter, immer nur 2 --- 3 Teigwaren pro Bissen und gut kauen Tintenfisch festes, fast gummiartiges Fleisch, sehr schwierig, geht jedoch Vollkornbrot muss gut gekaut werden Weissbrot, Gipfel ist schon weich, deshalb vergisst man oft das Kauen Tagesbeispiel einer Reduktionskost bei Magen-Bypass Jeweils eine Stunde nach den Mahlzeiten schluckweise trinken: täglich Vitamin- und Mineralstoffpräparat (z.B. All in One von Migros) täglich ½ Liter Buttermilch oder anderes Magermilchgetränk (Buttermilch und Magermilchgetränke stellen eine Zwischenmahlzeit dar) Tee, Wasser, Bouillon, Light-Getränk, Kaffee Eiweiss in Gramm Vor dem Frühstück: Schluckweise Tee oder Kaffee mit Magermilch 7.2 g Frühstück: 1 Scheibe feines Vollkornbrot oder 2 Knäckebrot oder 2 EL Flocken, Magerquark, 0.2 %-Fett-Joghurt, Hüttenkäse, Magerkäse, Blanc Battu 1.5 g 7.2 g Ev. Znüni: 2 dl Buttermilch oder andere Magermilchgetränke, Magerjoghurt oder Magerquark 7.2 g Mittagessen: 1 EL mageres Fleisch, Poulet, Fisch, Tofu, Ei oder Magerkäse 6.4 g Fettarme Sauce 1 EL Kartoffeln, Polenta, Teigwaren, Risotto, Hirse oder Brot 0.6 g 1 EL Gemüse oder Salat 0.3 g ½ TL Olivenöl für die Zubereitung ½ Stück Obst oder 2 EL Früchtequark oder 2 EL 0.2 %-Fett-Creme 3.6 g Ev. Zvieri: 2 dl Buttermilch oder andere Magermilchgetränke, Magerjoghurt oder Magerquark 7.2 g Abendessen: 1 kleines Stück mageres Fleisch, Magerkäse, Thon naturel, Fisch oder Ei 6.4 g 1 dünne Scheibe feines Vollkornbrot oder 2 Knäckebrot mit magerem Belag 1.5 g 1 EL Gemüsesalat 0.3 g ½ TL Rapsöl für die Salatsauce ½ Stück Obst 0.5 g Ev. Spätimbiss: 2 dl Buttermilch oder andere Magermilchgetränke, Magerjoghurt oder Magerquark 7.2 g Total = 63,7 g Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 22 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie Das Wichtigste in Kürze: ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ Die Portionen möglichst klein halten Langsam essen und bewusst kauen Nicht zum Essen trinken Fettarme Lebensmittel und Zubereitungsarten bevorzugen Zuckerfreie Getränke wählen; den Konsum von Süssigkeiten stark reduzieren Vitamin- und Mineralstoffzufuhr ergänzen 7. Nachkontrollen Bereits vor der Operation verpflichten Sie sich während 5 Jahren zur Nachkontrolle zu kommen. Es liegt in Ihrem Interesse, diese Kontrolltermine einzuhalten. Durch den veränderten Nahrungskreislauf können bei nicht beachten der Grundregeln, schwere Defiziterkrankungen als Folge auftreten. Sie werden auch bereits bei Spitalaustritt Nahrungsmittelergänzungszusätze erhalten. Diese sind im Folgenden angeführt. Es folgt nun eine Aufzählung von möglichen Defiziten durch Makro- und Mikronährstoffmängel mit Symptomen und Ursachen. Diese sind der Vollständigkeit aufgeführt. Hier kann bei Bedarf nachgelesen werden. Bei den bariatrischen Operationsverfahren kann durch die reduzierte Nahrungszufuhr besonders ein Mangel an Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen entstehen. Einseitige Ernährung und wiederholtes Erbrechen können dies verstärken. Nach der Therapie mit einem verstellbaren Magenband allein ist die tägliche Einnahme eines Multivitaminpräparates ausreichend. Nach den grösseren Eingriffen wie Schlauchmagen und Magenbypass-Operation muss neben Calcium, Eisen und B-Vitaminen routinemässig Vitamin B12 parenteral (Spritze) zugeführt werden. Diese Substitution hat auch bei normalen Laborparametern ca. alle 3 Monate zu erfolgen. Vitamin B12 und Folsäure sind entscheidend an der DNA-Synthese (Eiweiss) beteiligt, besonders nach der Magenbypass-Operation tritt ein Mangel auf. Typische Symptome sind Anämie (Blutarmut), Müdigkeit, Blässe, Leistungsschwäche, Schleimhautveränderungen und Durchfälle. Aber auch neurologische Symptome können auftreten wie Gangunsicherheit sowie schmerzhaftes Kribbeln an Händen und Füssen. Die empfohlene Tagesdosis für Folsäure beträgt nach einem Magenbypass 400 µg. Vitamin B1 (Thiamin) beeinflusst neben der Funktion von Herz und Magen-Darm-Trakt besonders das Nervensystem. Die rechtzeitige Diagnose eines Mangels und entsprechende Substitution schützen vor Schäden wie Hirnfunktionsstörungen (Wernicke Enzephalopathie). Thiamin ist wasserlöslich und wird physiologisch durch ein aktives Transportsystem im Dünndarm resorbiert. Die empfohlene Tagesdosis bei Frauen beträgt 1,1 mg, bei Männern 1,2 – 1,5 mg. In 1000 kcal pro Tag müssen also 0,5 mg Vitamin B1 enthalten sein. Ein ThiaminMangel ist auch ein Indikator für andere Vitamin B-Defizite. Da Eisen zum grossen Teil im Zwölffingerdarm aufgenommen wird, kann es hier zum Mangel nach Magenbypass-Operation kommen. Reicht die Zufuhr per os nicht aus, müssen Infusionen zur Vermeidung von Blutarmut, Schwäche, Brüchigkeit der Nägel und Haare sowie Mundwinkelrisse verabreicht werden. Nach einem Roux-en-Y-Magenbypass beträgt die Inzidenz eines Eisenmangels etwa 52% nach 2 Jahren. Die empfohlene Tagesdosis oral beträgt für Männer 10 mg, für Frauen im gebärfähigen Alter 15 mg. Die zusätzliche Einnahme von Vitamin C kann die Eisenresorption verbessern. Durch die verminderte Fettverwertung ist die Aufnahme fettlöslicher Vitamin (A, B, E und K) herabgesetzt. Die empfohlene Tagesdosis an Vitamin A beträgt 1 mg. Ein Vitamin D-Mangel wird durch Calcium-Mangel weiter verstärkt. Das kann zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus führen (Überfunktion der Nebenschilddrüse). Bei Kindern und Erwachsenen liegt der Vitamin D-Bedarf bis zum 50. Lebensjahr etwa bei 400 – 500 E pro Tag. Bis zum Alter von 75 Jahren erhöht er sich auf 700 E pro Tag. Darüber auf 1000 E pro Tag. Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 23 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie Hinsichtlich der Vitamin K-Versorgung ist die Datenlage noch spärlich. In einzelnen Studien wurde bei 50 – 70% der Patienten ein Mangel drei bis vier Jahre postoperativ nachgewiesen. Jedoch kam es bei keinem Patienten zu Gerinnungsstörungen. Ein Vitamin E-Mangel ist aufgrund der Gabe von Multivitaminpräparaten selten. Ein Zink-Mangel tritt häufig nach Magenbypass-Operationen auf. Die Zinkresorption ist an die Fettresorption gekoppelt. Wenn Haarausfall auftritt ist eine Substitution empfohlen. Aktuell sind folgende Supplementations-Empfehlungen nach einem laparoskopischen Magenbypass gültig: Nährstoff – Vitamin – Mineral Mögliche laborgestützte Supplementation Protein 50 – 60 mg/Tag, Kostzusammenstellung, Essreihenfolge Eisen 50 – 100 mg/Tag (600 mg/Tag oral insbesondere prämenopausale Frauen) Vitamin B12 1000 µg Vitarubin Depot® i.m. alle 3 Monate (bei antikoagulierten auch s.c.) Folsäure 400 µg pro Tag oral Calcium 1000 – 2000 mg pro Tag oral (1 tbl Calcimagon D3 täglich) Vitamin D 400 E pro Tag oral <60 Jahre 700 E pro Tag oral >60 Jahre Übrige Vitamine Täglich handelsübliche Multivitaminpräparate: Supradyn® erhältlich in der Drogerie (teure Variante) 1 Tablette pro Tag A-Z Multivitamin + Mineral von Coop oder Actilife All in One von Migros (günstige Varianten) 2 Tabletten pro Tag oder 20 g Jemalt® / Tag Blutuntersuchungen in der Nachsorge Ein Teil der notwendigen Laborkontrollen ergibt sich aus den oben erwähnten Mangelerscheinungen. Die Untersuchungen sind in der Regel in den ersten Jahren alle 6 Monate und dann mindestens ein Mal pro Jahr notwendig. Folgende Laborwerte gehören dazu: • • • • • • • • • • • Blutbild Elektrolyte Parathormon Standardgerinnungsparameter Calcium Eisen Ferritin Vitamin B12 Vitamin D Eiweiss Glucose Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 24 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie Einflüsse auf Folgekrankheiten der Adipositas nach bariatrischen Eingriffen Das Ziel der bariatrischen Chirurgie ist ein vernünftiges Körpergewicht zu erzielen um die krankmachenden Folgen des Übergewichtes zu reduzieren, damit Sie eine normale Lebenserwartung erzielen können. Die Folgekrankheiten und Verbesserungen sind unten angeführt. Nach mehreren Studien werden über 70% insulinpflichtiger Adipositas-Patienten mit Diabetes mellitus Typ II von ihrer Stoffwechselerkrankung nach Magenbypass geheilt. Dies sind aber erst kurzfristige Resultate und müssen deshalb mit Vorbehalt interpretiert werden. Die Verbesserung der Triglycerid-Spiegel und des HDL-Cholesterins (Fettstoffwechsel) sind nach allen Verfahren mit erfolgreicher Gewichtsreduktion signifikant. Ebenso günstig wirken sich die adipositaschirurgischen Eingriffe mit Gewichtsabnahme auf vorbestehende Hochdruckerkrankungen (Hypertonie) aus. So gehört die Blutdrucküberwachung ebenso zur Nachsorge wie natürlich auch die Messung des Operationserfolges mit Hinblick auf den Gewichtsverlust (BMI). Bei vorbestehender, nicht alkoholischer Steatohepatitis (NASH) kann die Leberfunktion durch operativ induzierten Gewichtsverlust gebessert werden. Dies ist ebenfalls durch Studien belegt und ein entsprechendes Laborscreening ist bei solchen Patienten sinnvoll. Da die Hyperuricäme (erhöhte Harnsäure im Blut, Gicht) Bestandteil des metabolischen Syndroms ist, kann auch die Bestimmung der Harnsäure ein Mass für den Operationserfolg sein. Somit werden nach Operationen mit erfolgreichem Gewichtsverlust und konsekutiver Verbesserung der Adipositas-Folgeerkrankungen, viele vorher notwendige Medikamente verzichtbar. Dennoch müssen unter Umständen nach entsprechenden Kontrollen der genannten Laborwerte im Einzelfall medikamentöse Massnahmen weitergeführt werden. Die Dosis der Medikamente muss entsprechend angepasst werden. Es muss auch darauf geachtet werden, dass die Magenpassagezeit durch z. B. einen Magenbypass verkürzt ist. Durch die Ausschaltung eines Teils des Dünndarmes kommt es zur Oberflächverkleinerung und damit auch zur verzögerten Resorption der Medikamente mit entsprechenden notwendigen Anpassungen der Dosierung. Durch den raschen Gewichtsverlust kann es nach bariatrischen Eingriffen zur Entstehung von Gallensteinen kommen oder dann können bereits vorhandene Gallensteine Symptome machen. In diesem Falle müssen weitere Abklärungen und Massnahmen (ev. Gallenblasenoperation) getroffen werden. Zusammenfassung Nachsorge und Vorgehen nach bariatrischer Operation Beachten Sie die generellen Empfehlungen zur Ernährung nach Magenbypass, Sie werden in regelmässigen Abständen durch unsere Ernährungsberaterin am Kantonsspital Nidwalden aufgeboten Eine Thromboseprophylaxe ist postoperativ für zwei Wochen fortzuführen (bei offener Operation länger) Täglich sollten 60 Gramm Protein zugeführt werden Eine mindestens 2-jährige Medikation mit einem Magenschutz (z. B. Pantozol ®40 mg) sollte erfolgen Bitte beachten Sie die notwendige Supplementation von Vitaminen und Mineralstoffen, diese werden Ihnen bereits bei Spitalaustritt abgegeben Geplante Vorstellung in der Sprechstunde erstmalig nach ungefähr 6 Wochen postoperativ. Im 1. Jahr sollten zwei bis drei Nachkontrollen im Adipositas-Zentrum erfolgen. Ab dem 2. Jahr sollte eine mindestens einjährliche Vorstellung bei uns erfolgen (Labor alle 6 bis 12 Monate). Die Laborkontrollen können normalerweise durch den Hausarzt durchgeführt werden Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 25 Behandlungsrichtlinien Abteilung für allgemeine a llgemeine und viszerale Chirurgie Wir danken Ihnen nochmals, dass Sie uns Ihr Vertrauen schenken und sich zu einer bariatrischen Operation am Kantonsspital Nidwalden entschlossen haben. Wir werden unser Bestes geben, damit die Operation ein voller Erfolg wird. Im beiliegenden Qualitätssicherungsbogen erklären Sie sich mit der Aufklärung und Vorbereitung zur Operation einverstanden. Viel Glück für eine schlanke und gesunde Zukunft! Dr. med. Rudolf Herzig Adipositaskonzept/Chirurgische Klinik/Dr. med. R. Herzig/Version 2.1 26