CLASS : aktuell Aktuelle Konzerte: 20. 10. 2016 Hall in Tirol, Österreich 25. 06. 2017 Garmisch-Partenkirchen ( Richard Strauss Tage ) 28. 06. 2017 Schloss Wolkenburg, Sachsen ( Verein „artis causa“) Foto: Arturo Fuentes 08. 10. 2016 Weiden ( Abschlusskonzert der Max Reger Tage ) Robert Oberaigner und Michael Schoech Reger heute: Frisch. Leidenschaftlich. Mitreißend. Max Reger Neueinspielung der Klarinettensonaten ‚‚S chön, werde ich auch solche zwei Dinger schreiben!“ kommentierte Reger eine Aufführung mit Brahms´ Klarinettensonaten. Und hielt nur wenige Wochen später Wort: Gleich im Doppelpack komponierte er seine ersten beiden Klarinettensonaten op. 49. Robert Oberaigner, junger Soloklarinettist in der Dresdner Staatskapelle, und ARD-Preisträger Michael Schoech präsentieren diesen Geniestreich zusammen mit der Sonate op. 107, und wie sie das tun, sollte auch eingefleischte Reger-Skeptiker bekehren. Als willkommene Zugaben runden „Tarantella“ und „Albumblatt“ mit unerwartetem Tonfall das klarinettistische Oeuvre des Oberpfälzer Meisters ab. Schon der Beginn von op. 49 / Nr. 1 nimmt absolut gefangen: „ Allegro affannato“ schreibt Reger den Ausführenden vor, und wie Oberaigner und Schoech den Charakter irgendwo zwischen „atemlos“, „gehetzt“ und „bedrückt“ einfangen, muss man gehört haben. Von ganz besonderem Reiz ist die Einflechtung des Volkslieds „Ach, wie ist´s möglich denn“ im zweiten Satz, eine Passage, die auch schon die Zeitzeugen der Uraufführung tief berührt hat. Regers dritte Sonate, etwa acht Jahre nach den ersten beiden entstanden, erzielt ihre Wirkung auf gänzlich andere Weise: Von klassizistischer Übersichtlichkeit, überzeugt das Werk mit einer Klarheit und Einfachheit von größter Meisterschaft. Die Uraufführung, bei der auch der Widmungsträger Großherzog Ernst Ludwig zu Hessen zugegen war, muss ein überwältigender Erfolg gewesen sein. Kein Wunder – man höre nur einmal den Schluss des ersten Satzes: Wie Oberaigner und Schoech das ersterbende Ende gestalten, hat ganz große Klasse! Die beiden bilden ein kammermusikalisches Traumpaar, wie es selten zu finden ist. Da werden Klangfarben und Ausdrucksgesten übernommen und weitergereicht, dass es eine Freude ist; man überbietet sich in dynamischer Expression – bei Reger ein absolutes Markenzeichen – und findet auch im Unbestimmt-Suchenden zu einer gemeinsamen Haltung. Oberaigners` „Gerold“ Klarinette und der Steinway „Manfred Bürki“ von 1901 sind im luxuriösen 2+2+2-Klang mit feinsten Raumwirkungen auf Super Audio CD eingefangen. Fazit: So klingt Reger heute. Frisch, leidenschaftlich, mitreißend. Lisa Eranos Max Reger (1873 - 1916) Sämtliche Werke für Klarinette und Klavier Robert Oberaigner, Klarinette Michael Schoech, Klavier MDG 903 1963-6 (Hybrid-SACD) 8 AUSGABE 2016 /3 CLASS : aktuell CLASS: aktuell 3 / 2016 Inhalt Im Musikunterricht haben wir einmal gelernt, dass es genau zwei Tongeschlechter gibt – Dur („hart“) und Moll („weich“). Nun ist es mit den Geschlechtern so eine Sache, wie wir heute wissen. Es gibt da eben kein Entweder-oder, Schwarz oder Weiß. Heute unterscheiden wir biologisches und soziales Geschlecht, sprechen von Inter- und Transsexuellen, von Transgendern, Gender-Crossern und Cross-Dressern. Und warum, bitte, sollte das bei den Tongeschlechtern anders sein? Die alten Griechen zum Beispiel, die auch mit Hermaphroditen und sexuellen Metamorphosen vertraut waren, kannten nicht nur zwei, sondern gleich sieben unterschiedlich gebaute Tonleitern. Der Philosoph Platon lobte die ermutigende Kraft des dorischen Modus und den milde stimmenden Einfluss der phrygischen Skala. Dagegen hätte er die ionische, lydische und mixolydische Tonleiter am liebsten verbieten lassen. In der indischen und arabischen Musik sind sie übrigens noch heute in Gebrauch. Man kann alle sieben altgriechischen Modi auf den weißen Tasten des Klaviers spielen. Gender Diversity Aber wenn wir die beiden Halbtonschritte der Dur- und Mollskala ein wenig näher zusammenschieben, erhalten wir sogar noch 14 weitere Tonleitern oder Geschlechtervariationen. Eine davon heißt „alterierte Skala“, eine andere „Melodisch Moll“. Fügen wir dagegen in unsere siebentönige Leiter einen Hiatus ein, eine übergroße Sekunde, ergeben sich noch einmal 140 neue Tongeschlechter, darunter „Harmonisch Dur“ und „Harmonisch Moll“, die jüdischen Skalen „Phrygisch-Dominant“ und „Mi Sheberach“, die aufsteigende Enigmatische Leiter, das sogenannte „Blues-Dur“ oder auch verschiedene arabische Maqamat (Modi) wie Sikah und Higaz. Mit zwei Hiatus erhalten wir weitere 105 Tonleiter - Variationen wie die absteigende Enigmatische Leiter, das politisch unkorrekt bezeichnete „Zigeuner - Dur“ und „Zigeuner - Moll“ sowie diverse Skalen indischer Ragamusik. Soll ich fortfahren? Theoretisch nämlich gibt es 462 Möglichkeiten, innerhalb einer chromatischen Oktave eine siebentönige Tonleiter zu bilden. Von wegen zwei Geschlechter! Und wissen Sie was? Tonleitern müssen gar nicht immer sieben Töne haben. Deshalb benutzen wir Begriffe wie Hexatonik und Pentatonik: Auch sechs oder fünf Töne können eine Leiter bilden. Rechnet man die Extremfälle mit ein – nämlich die komplette chromatische Skala bzw. nur ein einziger Ton pro Oktave –, dann erhält man die sagenhafte Zahl von 2048 möglichen Tonleitern mit dem Ambitus einer Oktave. Mathematiker können das gerne nachprüfen anhand des Pascalschen Dreiecks, zwölfte Zeile von oben. Soll ich immer noch weitermachen? Dann so: Auch Tonleitern mit einem größeren oder kleineren Umfang als der Oktave sind natürlich denkbar – sogar solche mit unendlichem Ambitus. Außerdem müssen sich Tonleitern gar nicht grundsätzlich an die chromatische Skala halten: Viertel- und Mikrotöne finden wir bei John Cage und Morton Feldman ebenso wie in vielen außereuropäischen Musikkulturen. Diese Riesenzahl der Tongeschlechter sollte uns lehren, auch bei unseren Mitmenschen die Vielfalt und das Allerlei zu schätzen. 4 Lebensfreude in Gelb Amaryllis Quartett vollendet seine erfolgreiche CD-Farbenreihe 6 Venus & Adonis Weltpremiere der ersten englischsprachigen Oper 7 Unbegreifliche Schönheit Efa Hoffmann singt Lieder von Schumann und Brahms 8 Regers Klarinettensonaten – leidenschaftlich und mitreißend von Robert Oberaigner und Michael Schoech 9 Fantasien, Rhapsodien & Tagträume Arabella Steinbachers Vorlieben 10 „...zu tun, was uns fasziniert“ Die Berliner Philharmoniker mit eigenem CD-Label 11 Debut – Werke für Gitarre Jonas Khalils vermittelt einen Kosmos von Gefühlen 12 Eine musikalische Freundschaft Julia Fischer und Daniel Müller-Schott 13 Zeit für Reger Opus Vocale präsentiert eine Werkschau 14 Eine musikalische Verbrüderung gelingt Elisaveta Blumina mit ihrem neuesten Album 15 Schumann – neue Verve für die romantische Welt durch Cappella Aquileia und Markus Bosch 16 Musik von Les Six Miki Aoki im Paris um 1920 17 Fingerfertig, leichtfüßig und livehaftig Vladimir Soltans beeindruckendes Klarinettendebut 18 CLASS stellt vor: Preisträger des ECHO Klassik 2016 22 Klassik: XL ECHO Klassik-Preisträger im Konzert 27 Classical: NEXT 2016 Die Klassikwelt trifft sich in Rotterdam 28 Im Blickpunkt Neuheiten vorgestellt von CLASS Impressum Herausgeber /Verlag: CLASS e.V. Association of Classical Independents in Germany Bachstraße 35, 32756 Detmold Tel. 05231- 938922 [email protected] Redakteur (v.i.S.d.P): Dr. Rainer Kahleyss Anzeigen: Gabriele Niederreiter Grafische Gestaltung: Ottilie Gaigl Druck: Westermann Druck, Braunschweig Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Lächelnd am Fuße aller Tonleitern grüßt Sie Hans-Jürgen Schaal Druckauflage: 133.600 2. Quartal 2016 ISSN: 2195-0172 Titel-Foto: Tobias Wirth geprüfte Auflage Alle Tonträger dieser Ausgabe finden Sie auch unter www.bielekat.de AUSGABE 2016 /3 3 2 0 16 / N r. 3 CLASS : aktuell Association of Classical Independents in Germany Gelb wie Lebensfreude Amaryllis Quartett Klassik: XL ECHO Klassik - Preisträger in Konzert | Efa Hoffmann Lieder von Schumann und Brahms | Arabella Steinbacher Vorlieben | Berliner Philharmoniker Eigenes Label | Opus Vocale Zeit für Reger | Elisaveta Blumina Musikalische Verbrüderung