Erfahrungen Beispiele Anregungen Produktdesign-Kompetenz für den Mittelstand 1 Professionell die Zukunft gestalten Designkompetenz Eine Information für den Mittelstand, herausgegeben vom VDID Verband Deutscher Industrie Designer e.V. / Bayern, gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie Inhalt Vorwort 1 Einleitung Standortbestimmung 2 1 Strategie Zielsicher und flexibel in die Zukunft 6 2 Produktgestaltung Die Kunden sehen das Gesamte 12 3 Corporate Design Das überzeugende Bild 14 4 Corporate Identity Die Unternehmenskultur, die Erfolg erzeugt 18 5 Ethik Design. Ethik. Nachhaltiger Erfolg 20 6 Designgeschichte Unverzichtbar in der modernen Zivilisation 24 7 Visuelle Wahrnehmung Das Sehen. Ursache und Wirkung 28 8 Glossar Wichtige Fachbegriffe im Design 30 Kontaktadressen 32 Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, professionelles Design hilft Unternehmen entscheidend dabei, ihre Produkte wirkungsvoll im Markt zu platzieren. Dennoch: Dass ein Designprojekt ein Erfolg wird, ist das Ergebnis einer perfekten Gemeinschaftsleistung der verschiedenen Beteiligten im Unternehmen – Produktentwickler und Konstrukteure, Vertrieb und Marketing, Technischer Service und nicht zuletzt die Produktion – mit den Industriedesignern. Sie alle verfügen über Kenntnisse und Erfahrungen, die in das Designkonzept einfließen müssen. Damit der Prozess konstruktiv und effizient abläuft und die strategischen Wegmarken des Unternehmens verwirklicht werden, ist die Mitwirkung der Geschäftsleitung an Designprojekten unerlässlich. Alle werden an einem Strang ziehen. Dafür sollte ihnen auch eine gemeinsame Wissensbasis zum Thema Industriedesign gegeben werden; das erleichtert gemeinsame Diskussionen und Entscheidungsfindungen. Diesem Zweck dient diese Broschüre. Sie gibt einen Überblick zu den wichtigsten Themen und räumt die verbreitetsten Vorurteile aus. Es ist Zeit, die Zukunft zu entwerfen. Wir unterstützen Sie gerne dabei. Peter Knopp Vorsitzender VDID Verband Deutscher Industrie Designer / Bayern 1 Standortbestimmung Einleitung Hohe Designqualität entsteht durch ein systematisches, strategisch durchdachtes Vorgehen. Schöpfen Sie die Möglichkeiten des Designs schon aus? Prüfen Sie es selbst. Die Design-Checkliste erleichtert Ihnen die Standortbestimmung. Die Bewertung +3 steht für „innovativ, auf dem Markt ohne Vergleich, von den Zielgruppen stark beachtet“. 0 bedeutet „übliche Eigenschaft, wird von allen Anbietern erwartet“. -3 heißt „keine oder nur eine völlig unzulängliche Lösung, negative Folgen für das Unternehmen absehbar“. In allen Fragen den Maximalwert +3 zu erlangen ist unwahrscheinlich, aber unter +1 sollte die Bewertung auch nicht liegen. Es empfiehlt sich, die Checkliste durch mehrere Personen unabhängig voneinander bearbeiten zu lassen. Produktentwickler, Designer und Vertriebsfachleute u. a. m. haben unterschiedliche Erfahrungshorizonte und kommen auf manchen Feldern zu unterschiedlichen Bewertungen. Daraus lassen sich oft wertvolle Hinweise gewinnen, die dann zu entscheidenden Verbesserungen führen. 2 1 2 Kundenorientierung Markt und Wettbewerbsbewusstsein Überzeugt das Design mit den Wertemerkmalen und Stilformen, die typisch für die Zielgruppen des Produkts sind? Sieht man Ihrem Produkt an, dass es reizvoll und eine Bereicherung des Marktes ist? -3 -2 -1 0 +1 +2 -2 -1 0 +1 +2 -2 -1 0 +1 +2 +3 +3 Vermittelt das Design eloquent und glaubhaft die Qualität und Leistungsfähigkeit des Produkts, die den Kunden wichtig sind? -3 -3 Ist das Design Ihrer Produkte prägnant und im Wettbewerbsumfeld spontan wahrnehmbar? -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 +3 Weist es eine interessante Individualität auf, die das Produkt unverwechselbar und einprägsam macht? Trägt das Design im besten Sinn zur sicheren Anwendung des Produkts bei? -3 -2 -1 0 +1 +2 -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 +3 Repräsentiert das Design die Preisklasse (Wertigkeit), in der Ihre Marke und das Produkt beheimatet sind? Unterstützt das Design die intuitive Handhabung und Benutzung des Produkts? Sind die Bedienungsabläufe und Bedienungselemente selbsterklärend? -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 Sorgt die Gestaltung der Benutzeroberfläche für eine möglichst geringe physische und intellektuelle Beanspruchung der Anwender? -3 -2 -1 0 +1 +2 -2 -1 0 +1 +2 -2 -1 0 +1 +2 -1 0 +1 +2 +3 Macht das Design anschaulich, dass das Produkt aktuell und zeitgemäß ist? Signalisiert es den Fortschritt gegenüber den Vorgängerprodukten? Kennzeichnet es überzeugend seine Positionierung innerhalb Ihres Sortiments? -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 Wenn das Produkt exportiert wird: Berücksichtigt die Gestaltung die Normen und kulturellen Eigenheiten (Sprache, Formen- und Farbsymbolik etc.) der Importmärkte? -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 +3 Halten die Designlösungen den Gebrauchsbelastungen angemessen stand (Feuchtigkeitsresistenz, kratzfeste Oberflächen etc.)? -3 -2 +3 Fördert das Design die effiziente Pflege und Wartung des Produkts (schmutzabweisende Materialien, gute Zugänglichkeit von Komponenten für Servicemaßnahmen etc.)? -3 -3 Nutzt das Design die positiven Übertragungseffekte einer Herkunftskultur? -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 +3 3 3 4 Wirtschaftlichkeit, Produzierbarkeit und Handling Ethik-, Sozial- und Umweltverträglichkeit Ist ein Zielpreis definiert, an dem die Zielkosten der Herstellung des Designs ausgerichtet werden können? Ist das Design zu angemessenen Kosten herstellbar? Erfüllt das Produkt die Erwartungen, die das Design weckt? -3 -2 -1 0 +1 +2 -2 -1 0 +1 +2 -2 -1 0 +1 +2 -1 0 +1 +2 +3 Hilft das Design, den Sinn des Produkts zu erkennen und zu bejahen? -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 +3 Sind das Produktdesign und die Verpackung (Transportbzw. Präsentationsverpackung) aufeinander abgestimmt? Unterstützt das Produktdesign eine raumökonomische Verpackung? -3 -2 +3 Nutzt das Design intelligent die vorhandenen Produktionsmöglichkeiten bzw. unterstützt es den Einsatz neuer Herstellungsverfahren und Materialien? -3 -3 +3 Sind die eingesetzten stilistischen Effekte der Bedeutung des Produkts und den Bedürfnissen des Publikums angemessen? -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 Erfüllt das Design die Anforderungen bezüglich der Nachhaltigkeit? -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 Sind ggf. die erforderlichen Vorrichtungen für den Transport berücksichtigt? -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 Sind Gehäuse, Bedienoberflächen und andere für das Design relevante Elemente ressourcen- und energieschonend ausgelegt? -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 Unterstützt das Design die effiziente Entsorgung (Trennung der Materialien etc.)? -3 4 -2 -1 0 +1 +2 +3 5 Unternehmensidentität und Identifikation der Mitarbeiter Werden die Innovationskraft und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens durch das Design glaubwürdig vermittelt? -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 Entspricht das Design dem Stil des Unternehmens? -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 Wird das Design den Wertevorstellungen des Unternehmens gerecht? -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 Falls Ihr Unternehmen bereits über ein Corporate Design bzw. über ein sortimentdurchgängiges Design verfügt: Integriert sich das Produktdesign überzeugend in das Design des Gesamtsortiments? -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 5 1 Zielsicher und flexibel in die Zukunft Strategie Eine Designstrategie kann heute weniger denn je als starrer Fahrplan in eine ferne Zukunft gehandhabt werden. Angesichts der wechselhaften wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen halten sich Unternehmen verschiedene Handlungsoptionen offen und operieren mit Strategien, die an unterschiedliche Szenarien angepasst werden können. Die Wahl der Mittel ist flexibel und die Wege sind variabel, damit an den Anliegen und Zielen festgehalten werden kann. Umso wichtiger ist es, die Fixpunkte zu klären, an welchen sich die langfristige Entwicklung ausrichten soll. Für die Nachhaltigkeit des Erfolgs ist es sehr hilfreich, sich einige Prinzipien zu vergegenwärtigen und individuelle Lösungen (beziehungsweise eine Lösungsphilosophie) zu entwickeln. Was heißt Geschmack? Bei der Entwicklung und Entscheidung von Designstrategien ist Geschmack ein problematisches Kriterium. Im Zusammenhang mit Design besagt „mein Geschmack“ lediglich, dass der Anblick beim jeweiligen Betrachter ganz allgemein Wohlbehagen auslöst. Geschmack ist mithin eine undifferenzierte Angelegenheit. Entwickler und Entscheider in Designprozessen sollten nicht blind ihrem diffusen Wohlgefühl folgen, sondern klären, in welchem Sinn das Design Werte und Stilpräferenzen des Unternehmens widerspiegelt – die mit den Erwartungen der Kunden übereinstimmen müssen. Designentwicklungen, vor allem jene mit strategischer Ausrichtung, sind in dieser Weise von abwechselnd kreativen und analytischen Schritten bestimmt. Design ist praktisch Design ist praktisch und brauchbar, wenn die Gestaltung frühzeitig in die Produktentwicklung einbezogen wird. Das Design vermittelt den Kunden und Anwendern den intuitiven Zugang zum Produkt, hilft das Produkt zu verstehen und es sicher und effizient zu handhaben. Bei der Entwicklung von Designstrategien ist die Steigerung des Gebrauchswertes eine wichtige Position. Sinn. Sinnlichkeit. Symbole schaffen Die Gestalt der Dinge ist mehr als effektvolle Äußerlichkeit. Das Aussehen vermittelt auf sinnlichen, nicht rationalen Wegen Werte und Einstellungen, die von den Betrachtern intuitiv erfasst werden. Sie gehen dabei offensiv vor und suchen nach zeichenhafter Wiedergabe der Wertevorstellungen, die sie aktuell beschäftigen. Bei der Entwicklung des Designs steht deshalb immer die Frage im Raum, was die potenziellen Kunden in der Gestaltung entdecken – oder im Extrem: hineininterpretieren – können. Die Akzeptanz des Designs beinhaltet die Zustimmung zu dessen nonverbalen Botschaften – wer die Botschaft nicht teilen mag, lehnt auch die Gestaltung ab. Bevor man eine Strategie festlegen kann, muss man erst einmal definieren, welche Werte vermittelt werden sollen. Ziel ist es, eine Gestaltung zu finden, die als Symbol und Wertesinnbild breite Anerkennung findet. 6 Stimmungen modulieren Design gestaltet nicht nur äußere Formen, sondern auch innere Stimmungen. Die Gestaltung der Dinge, mit denen man sich umgibt, hat nachweislich Einfluss auf die persönliche Stimmung. Das Aussehen wirkt suggestiv, kann ebenso entspannen wie die Konzentration fördern und eher zu Heiterkeit oder zu Entschlossenheit beitragen. Die Wirkung kann eine erstaunliche Tiefe erreichen und zum Beispiel das Selbstgefühl beeinflussen: „Ich bin…“ (zum Beispiel „sehr rational“, „schöpferisch“, „modern“ usw.). Bei Kaufentscheidungen sind die Stimmungsimpulse, die vom Design ausgehen, ein gewichtiges Kriterium. Bei der Strategie ist deshalb zu klären, zu welchen Stimmungslagen die potenziellen Kunden „Verstärker“ suchen. Wertvolle soziale Funktionen Design intensiviert die Beziehung des Kunden zu „seinem“ Produkt. Zugleich aber nutzt der Kunde das Design der Produkte, die er besitzt, als Zeichensprache, um seine Individualität auszudrücken. Mit der Kennzeichnung seiner Individualität macht er sich – willentlich – erkennbar für andere Menschen. Viele Menschen miteinander wiederum gebrauchen gemeinsame Designobjekte, um ihre Zusammengehörigkeit auszudrücken, den Zusammenhalt untereinander zu stärken und die Unterscheidung gegenüber anderen Gruppen zu illustrieren. „Ich“, „wir“ und „ihr“: Zu jeder Designstrategie gehört die Definition, für wen das Design bestimmt ist, welchen Gruppen sich die Zielpersonen zugehörig fühlen und von welchen sie sich abgrenzen wollen. Im Laufe der Karriere einer Marke kann es notwendig werden, die Zielgruppen zu wechseln. In der Regel jedoch gilt: Langfristige Treue zu den Kunden zahlt sich aus, gerade im Design. Identitäten differenzieren Für wen steht das Design? Für die Marke, unter deren Flagge es läuft, oder für die Kunden, die es anwenden und sich zueigen machen? Wenn die Werte des Unternehmens und die des Kunden deckungsgleich sind, ist der Idealfall gegeben – das Design repräsentiert dann beide. Wo immer es möglich ist, sollte diese Wertekongruenz freigelegt und betont werden. In manchen Fällen liegen die Interessen der Kunden und die Aufgaben des Unternehmens zu weit auseinander – ein Kosmetikhersteller ist notwendigerweise eher technoid, die Anwender der Parfüms und Lotionen sind es eventuell überhaupt nicht. Dann empfiehlt sich der Aufbau einer Produktmarke, die von den kundenrelevanten Werten geprägt ist, sowie die EInführung einer Unternehmensmarke, die seinen professionstypischen Werten gerecht wird. Schnittmengen wird es zwischen den Marken geben; diese werden im Design beider Marken gespiegelt. 7 Wechselspiel im Wettbewerb Auf dem Markt ist man selten allein auf weiter Flur, der Wettbewerb ist nie weit. Vor allem ist er den potenziellen Kunden gegenwärtig. Sie registrieren, was man ihnen anbietet, und sehen es im Umfeld der Wettbewerbsangebote. Diese Zusammenführung, die in den Köpfen der Kunden stattfindet, muss man nutzen: Die eigenen Produkte sollen sich durch ihre Andersartigkeit von den Wettbewerbsprodukten abheben – sie werden konsequent als „Kontrastmittel“ einbezogen, durch die bestimmte Merkmale der eigenen Produkte noch deutlicher hervorgehoben werden. In diesem Sinn geht man dem Wettbewerb nicht aus dem Weg, sondern sucht ihn geradezu. Individualisierungsstrategien werden deshalb so angelegt, dass die Kontrastwirkung des Wettbewerbsdesigns die Attraktivität des eigenen Designs steigert. Kontinuität und Mythos Nicht nur in der Medizin, auch im Design sind Placebo-Effekte zu beobachten: Der Glaube des Probanden daran, dass eine besondere Wirkung zu erwarten sei, führt dazu, dass die Wirkung bei ihm tatsächlich eintritt. So wird ein Produktdesign als Symbol für eine bestimmte Wertevorstellung intensiv erlebt, wenn konkrete Erfahrungen mit dem Produkt und rationale Faktoren für dieselben Werte sprechen. Auch die Stimmungsbeeinflussung fällt eindeutiger aus, wenn der Glaube an die Wirkung von vornherein gegeben ist. Dieser Effekt ist typisch für jeden Mythos. Damit diese selbstverstärkenden Kräfte zur Geltung kommen, ist darauf zu achten, dass die Strategie auf einem klaren Konzept von den Werten und Wirkungszielen fußt, dass das Konzept konsequent angewandt wird – und dass keinerlei Schwächung der Glaubwürdigkeit auftritt. Kontinuität ist in diesem Sinn ein Schlüssel zum Aufbau eines Designmythos, der reale Wirkung entfaltet. 8 9 Professionelles Design fördert den wirtschaftlichen Erfolg auf außerordentlich vielseitige Weise. Es macht das Produkt begehrenswerter und stützt damit zugleich die Preisakzeptanz. Der Aufwand, der des Designs wegen betrieben werden muss, ist vergleichsweise gering; die wirtschaftlichen Vorteile überwiegen in der Regel bei weitem. Nicht umsonst gilt kompetentes Design als einer der effizientesten Wege zur Erhöhung des Ertrags. Natürlich: Die primäre Aufgabe des Produktdesigns ist es, die Anwendungsfreundlichkeit und die Attraktivität des Produkts für die Benutzer auf ein möglichst hohes Niveau zu heben. Zugleich jedoch trägt es maßgeblich dazu bei, die Durchsetzungsfähigkeit des Produkts im Markt zu stärken: Die Qualität des Designs ist eine Trumpfkarte des Anbieters im Wettbewerb. Marktdurchdringung mit Design ■ Das Produkt hört nach dem Ver- kauf nicht auf, den Hersteller zu repräsentieren und für ihn zu werben, wenn das Design eine entsprechende langlebige Qualität aufweist: Über den gesamten Lebenszyklus kommen neben den Käufern andere Personen mit ihm in Berührung, die oft potenzielle Kunden sind. ■ Neue Technologien wie die Or- ganic Light Emitting Diode (O-LED) von Osram, etablieren sich trotz ihrer funktionalen Vorteile nicht unbedingt leicht im Markt. Das Industriedesign leistet häufig Geburtshelferdienste, vor allem dann, wenn die Vorteile der Technik erst im anschaulichen Gebrauch beeindrucken. Die Gestaltung des Produkts kann ausschlaggebend für den Kauf sein, in der Anwendung folgt dann die Begeisterung für die technische Innovation – die dann ihre Anhänger im Markt findet. 10 ■ Das Design leistet Überzeugungsarbeit: Professionellem Design entnehmen Kunden intuitiv die wichtigsten Botschaften zum Produkt – von dem Zweck, dem es dient, über seine bedeutendsten Qualitäten und seine preisliche Positionierung bis hin zur Zielgruppe, für die es bestimmt ist. Die Lehmann Schleifspindel ist ein sowohl für Zahnlabors als auch für Gießereien hervorragend geeignet. Das Design sorgt dafür, dass beide Gruppen das Produkt als hochwertig und zu ihrer Branche gehörig erleben. Die eine Lösung verschafft den Zugang zu zwei differenten Märkte. ■ Die Aufmerksamkeit des Ziel- publikums zu gewinnen ist sozusagen die erste Aufgabe, die das Produktdesign bei seinem öffentlichen Auftreten erfüllt: Das Design verleiht dem Produkt ein Gesicht, das Beachtung erfährt. Der Auftritt in einem belebten Flughafen verlangt nach anderen Lösungen als die Positionierung in einer konzentriert technischen Umgebung. Besonders herausfordernd ist die Aufgabe, wenn sich das Produkt am Point of Sale direkt gegen Wettbewerbsangebote durchsetzen muss – es später aber, in der Gebrauchsumgebung des Kunden, angemessen und nicht „lärmend“ erscheinen soll. Spezielle Verpackungen – wie beim Kress 1-2 Fix Bohrer – helfen, den Zielkonflikt zu lösen. 11 2 Die Kunden sehen das Gesamte Produktgestaltung Das Produkt ist das maßgebliche Bindeglied zwischen dem Hersteller und seinen Kunden. Konsumenten interpretieren das Design als ein Sinnbild für ganzheitliche Qualität. An der Gestaltung ermisst der Kunde spontan, ob es der Hersteller versteht, eine Vielzahl von Einzelleistungen zu einem hochwertigen Ganzen zusammenzuführen. Der Mensch schaut und verlässt sich zunehmend auf das, was er sieht, und prüft bei der Kaufentscheidung immer weniger nach, was das Produkt tatsächlich leistet. Das Design wird quasi als Bürge herangezogen. Dass die Designqualität als ein Indiz für die Produktqualität insgesamt genutzt werde, prognostizierte der renommierte Wirtschaftsautor und Unternehmensberater Tom Peters schon 1997. Die Bedeutung der traditionellen Qualitäten wie technische Leistung, Solidität und Langlebigkeit zog er nicht in Zweifel. Doch sind die Unterschiede der Angebote mit diesen Kriterien vergleichsweise gering, und der Vorsprung des einen Anbieters wird von den anderen meist schnell aufgeholt. Technischer Fortschritt wird deshalb nur zurückhaltend honoriert. In Verbindung mit professionellem Design ist jedoch oft eine überraschend hohe Preisakzeptanz festzustellen. Auf immer mehr Märkten wird Design sogar zu dem wettbewerbsentscheidenden Faktor. Träger nonverbaler Botschaften 12 Hochwertige Gestaltung – professionelles Design – steigert die Qualität eines Produkts in vielfältiger Weise. Design informiert ohne Worte über den Hersteller, über den Zweck des Produkts, seine besonderen Eigenschaften und Vorzüge. Design verleiht dem Produkt einen selbsterklärenden Charakter: Man sieht ihm an, wie es zu bedienen ist, und die ergonomische Gestaltung gewährleistet eine leichte, sichere Handhabung. Das Design signalisiert darüber hinaus, welcher „geistigen Heimat“ es zuzuordnen ist: ob einer rationalen Welt, in der die Dinge durchdacht und an vernunftbetonenden Maßstäben ausgerichtet sind, oder einer gefühlsbetonten, die beispielsweise offen für Leidenschaften und Genusserlebnisse ist, oder einer esoterischen, oder, oder ... Die Möglichkeiten sind vielfältig und immer davon abhängig, für wen die Produkte konzipiert sind – und von wem sie stammen. Design hinterlässt immer, gewollt oder unbeabsichtigt, eine geistige Signatur, die enormen Einfluss auf die Marktreaktionen nehmen kann. Erlebnis Produktdesign Gebrauch Zweckversprechen erfüllen Seiner heute so großen Bedeutung wird das Design nur gerecht, wenn es Sinn und Zweck des Produkts überzeugend unterstützt. Bei Investitionsgütern muss sich das Design durch nüchterne, greifbare Vorteile legitimieren; erst dann gilt visuelle Attraktivität als echter Wert. Fun-Produkte müssen „funny“ aussehen, um die Identität des Objekts zu vermitteln. Beide Fälle sind eine Herausforderung an die Teamarbeit von Technikern und Designern – und eine große Chance für Unternehmen, ihre Kompetenz marktwirksam darzustellen. Produktdesign und Wirtschaftlichkeit Die Investition in Produktgestaltung ist eine der effizientesten Investitionen überhaupt – wenige andere Qualitätsaspekte werden auf dem Markt so unmittelbar ersichtlich, und zudem sind die Gestehungskosten vergleichsweise niedrig. Unternehmen, die in Design investieren, begründen dies deshalb sowohl mit marktstrategischen als auch mit ökonomischen Argumenten. 13 3 Das überzeugende Bild Corporate Design Die visuelle Identität Jedes Unternehmen hat eine visuelle Identität. Sie entsteht unwillkürlich aus all den Dingen, die das Unternehmen in der Öffentlichkeit sichtbar machen. Was sich dem Auge anbietet, wird intuitiv gedeutet – das ist ein unbewusster Vorgang im Gehirn, der sich nicht unterdrücken lässt. Ein durchgestaltetes, stimmiges Erscheinungsbild zeugt von Qualitäts- und Ordnungsbewusstsein und macht Leistungsorientierung glaubwürdig. Das Instrument zur Steuerung eines gut organisierten, anspruchsvollen visuellen Auftritts ist das Corporate Design. Es sorgt dafür, dass alle gestalteten Dinge des Unternehmens ein schlüssiges, überzeugendes Bild abgeben. Sinn und formale Festlegung Das Corporate Design legt zwar bestimmte formale Elemente fest – wie die Hausfarben, die zu verwendenden Schriften und typische Proportionen. Entscheidender ist jedoch der Sinn, den die Gestaltung vermittelt: die Botschaft. Sie besteht aus Aussagen, die nach der Überzeugung des Unternehmens auch noch in fünf und mehr Jahren als gehaltvolle Mitteilungen verstanden werden. Bei einem Unternehmen, das sein Vorgehen vorrangig auf eine Marketingstrategie aufbaut, kann die Marktpositionierung als Quelle zur Formulierung der Botschaft dienen. Bei einem Markenhersteller bildet die Botschaft den Kern der Marke. Bei Unternehmen mit Corporate-IdentityStrategie resultiert die Botschaft zudem aus dem Selbstbild und der Vision des Unternehmens. Die Gestaltung macht diese Botschaft in unaufdringlicher Weise erlebbar, ohne den Verstand zur Entschlüsselung zu nötigen, aber doch so intensiv, dass ein – unverwechselbarer – emotionaler Begriff entsteht. Das ganzheitliche Bild Das Corporate Design wird vor allem bei den Dingen angewandt, die direkt Einfluss auf den Absatzerfolg nehmen. Von entscheidender Bedeutung ist die Gestaltung der Produkte: Sie unterstützt die Kaufmotivation des Kunden unmittelbar und sendet über die gesamte Nutzungszeit imageprägende Signale. Ähnlich intensive Kaufentscheidungsimpulse gehen von den Verpackungen, den Werbemedien und der Präsentation im Handel aus. Zudem widmet sich das Corporate Design den Printmedien und virtuellen Medien, die das Vertrauen der Kunden fördern und die Kundenbindung stärken, von Bedienungsanleitungen über Imagemedien bis zu dem Material, das der Service den Kunden übergibt. Die Weichen zum Erfolg werden innerhalb des Unternehmens gestellt. Deshalb liegt es in der Logik des Erfolgsstrebens, das Corporate Design auch unternehmensintern konsequent anzuwenden: Die Mitarbeiter sollen vor Augen haben, welcher Geist im Haus herrscht und gepflegt wird. 14 Wirtschaftliche Vorteile des Corporate Design Das Corporate Design (CD) ist ein System, dessen Entwicklung zunächst Investitionen erfordert und nach der Einführung zur Rationalisierung in den Gestaltungsprozessen führt. In gesamtwirtschaftlicher Sicht sind die Investitionskosten vergleichsweise niedrig. Denn: Corporate Design unterstreicht die Individualität des Unternehmens und fördert so die Selbstbehauptung im Wettbewerb. Qualität, die sofort erkennbar ist, unterstützt eine Politik höherer Preise. Das Corporate Design stärkt zudem das Selbstbewusstsein der Organisation; auch spornt es im Sinn eines visuellen Coaching zu Sorgfalt und Qualitätsstreben an und trägt so zur Steigerung der internen Effizienz bei. Die Phasen der CD-Entwicklung Das Corporate Design wird in mehreren Stufen entwickelt. In der Vorphase werden die Kernbotschaften geklärt, Möglichkeiten zur formalen Bezugnahme auf das bisherige Design der Produkte und des Unternehmens untersucht, Wettbewerbsabgrenzungen bestimmt und erste Lösungsmodelle erarbeitet. Sehr günstig ist es, wenn in dieser Phase Produktdesigner, Grafikdesigner und nach Möglichkeit auch Innenarchitekten parallel an der Umsetzung derselben Botschaft arbeiten; dabei lassen sich Stärken und Schwächen in der Koordination ermitteln und Perfektionierungen vornehmen. In der Hauptphase werden die Erfahrungen ausgewertet und ein Regelwerk zum Corporate Design formuliert. Den Mittelpunkt bildet dabei die Erläuterung des Sinngehalts und der Botschaft. Die wichtigsten formalen Merkmale werden systematisiert und als Richtlinien definiert. Anschließend beginnt die Umsetzung in allen gestaltbaren Bereichen. Das Corporate Design wird je nach Branche in kürzeren oder längeren Intervallen überarbeitet, wobei die Botschaft beibehalten, die Ausdrucksmittel aber gemäß einer lebendigen, bruchlosen Weiterentwicklung nach aktuellen Kriterien modifiziert werden. Kommunikationsmedien Produkt Fuhrpark Architektur Corporate Design Geschäftsformulare Interior 15 Industriedesigner befassen sich leidenschaftlich mit technischen Fragen – und sind zudem Meister im Erfassen und Gestalten von Emotionen. Sie stützen sich auf umfassende fachliche Kenntnisse und vertrauen gleichermaßen auf die Ratio, auf Erfahrung und auf die Intuition. Sie entwickeln Visionen des Produkts und beachten von vornherein die harten Fakten der aktuellen Produktionsmöglichkeiten. Sie streben eine Reproduktion in möglichst großen Stückzahlen an, versuchen aber etwas zu schaffen, das jeden einzelnen Kunden bewegt und erfüllt. Sie konzentrieren sich intensiv auf das eine neue Produkt, als sei es ein Solitär, und sorgen zugleich für dessen systematische Einbindung in die Sortimentumgebung und in die Markenstrategie des Unternehmens. Sie kreieren innovative Formen und berücksichtigen dabei die umweltverträgliche Entsorgung, die ganz am Ende des Lebenszyklus steht. Industriedesigner arbeiten ganzheitlich und mehrdimensional. Auch im übertragenen Sinn des Wortes. Dem entsprechend umfassend sind die Aufgaben, die sie für ihre Kunden übernehmen. Experten der Ganzheitlichkeit ■ Industriedesigner befassen sich mit dem Produkt in seiner ästhetischen und anwendungstechnichen Gesamtheit. Ihre Auftraggeber beziehen von ihnen Anregungen zu innovativen Lösungen im Detail. In verschiedenen Branchen sind sie auch Impulsgeber und Ideenlieferanten für neue Produkte. ■ Von der Ausbildung an widmen sich Industriedesigner den Themen Material- und Verfahrenswahl, Produzierbarkeit und Senkung der Kosten. Viele Beispiele belegen ihre Kompetenz in diesen Fragen, so auch der Rheometer von Thermo Haake. Mit ihm wird die Viskosität flüssiger Stoffe gemessen. Auf Empfehlung der Industriedesigner ersetzte der Hersteller Graugussteile durch Elemente aus einem Mineralgusswerkstoff. So wurde u.a. die Attraktivität erhöht, die Montage erleichtert und ein Arbeitsgang eliminiert. 16 ■ Industriedesigner haben ethische Anforderungen zu erfüllen, so zum Beispiel bezüglich der Schonung der Umwelt und der zurückhaltenden Inanspruchnahme der natürlichen Ressourcen. Eine aktuelle Herausforderung ist die Vermeidung von Ausgrenzungen: Produkte müssen für möglichst alle Menschen anwendbar sein, ungeachtet ihres Alters, ihrer kulturellen Herkunft oder eventueller Handicaps. ■ Produkte sind Gegenstände, die sich im Gebrauch beweisen müssen. Auch vermeintlich einfache Dinge wie ein Esslöffel oder eine Kanne – so die CULT von Arzberg – verlangen viel ergonomisches Know-how der Industriedesigner. In anderen Fällen ist das Produkt an Arbeitsabläufe anzupassen. Weitere Kriterien zur Optimierung der Anwendung sind das Handling, die Berücksichtigung von Einflüssen der Anwendungsumgebung. ■ Die Botschaft, die nach außen gerichtet ist, wirkt auch nach innen. Das Design einer Maschine, die den Kunden (und Wettbewerbern) die Aktualität und Qualität der technischen Ausstattung des Betriebs signalisiert, stärkt auch das professionelle Selbstwertgefühl der Mitarbeiter. So befassen sich Industriedesigner auch mit Motivationsaufgaben. ■ Design wirkt. Die Käufer setzen Produkte ein, um sich Anderen gegenüber deutlich zu machen und zu positionieren. Im Privaten wird die Vermittlung der Individualität im komplexeren Sinn gepflegt. Im Geschäftlichen stehen Kompetenz und Unternehmenskultur im Blickpunkt des Interesses. Industriedesigner machen aus ausdruckslosen Gebrauchsgegenständen kommunizierende Dinge. 17 4 Die Unternehmenskultur, die Erfolg erzeugt Corporate Identity Die Leistungsfähigkeit und der Erfolg des Unternehmens werden durch Unternehmenskultur entscheidend gefördert, wenn die Kultur mit den Aufgaben und dem Zielgruppenmilieu des Unternehmens harmoniert. Denn in der Kultur manifestieren sich Werte, die das Tun suggestiv lenken und die Sorgfalt und Nachdrücklichkeit, mit der man es umsetzt, bedeutend beeinflussen. Zugleich bilden die gelebten Werte bei den Kunden elementare Gründe, sich mit dem Unternehmen zu identifizieren. Unternehmenskultur mit Weitblick gestalten Damit die Unternehmenskultur nicht dem Zufall folgt, sondern sich zielgerichtet entwickelt, setzt man „Corporate Identity“ ein. Corporate Identity ist ein aus Methoden und Instrumenten bestehendes System, das dazu taugt, ausgewählte Werte mit langfristiger Perspektive im Unternehmensalltag zu verwurzeln. Der Faktor „Zeit“ spielt dabei eine wesentliche Rolle – wie immer, wenn es um Kultur geht: Sie entsteht erst durch Verinnerlichung der Werte durch die betroffenen Personen. Instrumente der Kulturgestaltung Die Systemwelt der Corporate Identity besteht aus perspektivischen Darstellungen und daraus abgeleiteten konkreten Umsetzungsanweisungen. Die wichtigsten perspektivischen Darstellungen sind die Definition der Unternehmenswerte, die Unternehmensvision und die Mission des Unternehmens. Die Vision beschreibt, wohin sich das Unternehmen innerhalb einer benannten Zeitspanne entwickeln soll; dabei wird auch skizziert, wie das Umfeld des Unternehmens dann sein wird. In der Mission werden die großen Aufgaben benannt, in deren Dienst sich das Unternehmen gegenüber seinen Bezugsgruppen – Kunden, Mitarbeitern, Eigentümern, Partnern, Gesellschaft – stellt. Sie beinhaltet durchaus einen idealistischen Willen; in ihm liegen der soziale Wert des Unternehmens und seine gesellschaftliche Funktion begründet. Ideeller Überbau Corporate Values Corporate Visions Corporate Mission Regularien zur Umsetzung Corporate Marketing 18 Corporate Branding Corporate Communications Corporate Design Corporate Behaviour Corporate Culture Werte Handlung Visualisierung Emotion Verschiedene pragmatische Regularien dienen dazu, das Verhalten des Unternehmens als Ganzes und aller Einzelpersonen auf die Werte des Unternehmens und seine Ziele zu konzentrieren. Dazu gehören die Corporate Communications, die Corporate Culture, das Corporate Behavior, heute immer öfter das Corporate Marketing sowie die Corporate Finance und vor allem das Corporate Design. Botschaft und (Leit-) Bilder Menschen und Gemeinschaften brauchen Sinnbilder. Design erreicht die un- und halbbewusste Wahrnehmung. Zudem kann es als ausstrahlendes Medium am Produkt, an den Verkaufsstellen und im Unternehmen dauerhaft präsent sein. So zeitigt es eine nachhaltige mentale Wirkung. Deshalb ist das Corporate Design, das die Leitbegriffe ohne Worte in Botschaften umsetzt, ein unerlässlicher Bestandteil der Corporate-Identity-Technik. Das Corporate (Identity) Design vermittelt die unverwechselbaren Unternehmens- und Markenwerte dem Markt und nach innen, in das Unternehmen hinein. Im Unterschied zum „einfachen“ Corporate Design basiert dieses Designsystem auf der Ermittlung explizit jener Werte, die für die Unternehmenskultur stehen und den Kunden als Identifikationsgegenstand wichtig sind. 19 5 Design. Ethik. Nachhaltiger Erfolg Ethik Den größten Erfolg und die aussichtsreichste Zukunft haben erfahrungsgemäß jene Unternehmen, die Design als ganzheitliche Aufgabe praktizieren. Natürlich können mit Design vordergründige Effekte erzeugt werden, die ein spontanes Besitzbegehren wecken. Der Missbrauch dieser Eigenschaft wird zumeist jedoch durch kurzlebige Akzeptanz bei den Kunden bestraft, wodurch die wirtschaftliche Bilanz ins Negative kippt. Nachhaltiger Erfolg hingegen basiert auf ethisch umsichtigem und verantwortungsbewusstem Handeln. Verantwortung gegenüber den Kunden Design fasziniert und weckt nur die Erwartungen, die es in der realen Anwendung tatsächlich erfüllen kann: Man erhält den Wert, den das Design mit visuellen Botschaften angekündigt hat. Es hat in diesem Sinn eine grundsätzlich dienende Funktion. Das Produkt hilft den Interessenten, die Zweckbestimmung des Produkts schnell zu erkennen, seine Qualität intuitiv einzuschätzen, seine Aktualität zu bewerten und seinen Wert / Preis einzuordnen. Die Benutzer unterstützt Design durch eine gute Bedienerführung und durch geringe physische, psychische und intellektuelle Beanspruchungen in der Anwendung. Es erleichtert im Rahmen der Machbarkeit die sichere Handhabung und Erfüllung der Aufgaben, deretwegen man das Produkt erwirbt. Mitarbeiter bedenken Produkte sind Symbole der gemeinschaftlichen Leistungen im Unternehmen. Die Produkte und Leistungen in einer hochwertigen visuellen Gestaltung zu sehen, ist für alle Mitwirkenden ein bestärkendes Erlebnis. Der persönliche Anteil am offenkundig beeindruckenden Erzeugnis stärkt das Selbstwertgefühl, motiviert zu neuen Leistungen und gibt Anlass, das Bemühen um Fehlervermeidung zu steigern. Das Investieren in Design ist nicht zuletzt auch ein sinnstiftendes Engagement zugunsten der Mitarbeiter. Das Design als ideeller Wert kommt auch den externen langjährigen Partnern zugute, die sich mit dem Unternehmen identifizieren. Verantwortung gegenüber der Umwelt Design beeinflusst unvermeidbar die natürliche Umwelt, direkt und indirekt. Es animiert zum Erwerb neuer Produkte und trägt damit zur Steigerung des Ressourcenverbrauchs und der Emission von Schadstoffen bei. Die daraus resultierende Belastung der Umwelt verlangt nach einer verantwortungsbewussten Produkt- und Marktkonzeption, die den Wert des neuen Produkts für die Menschen in ein vertretbares Verhältnis zu dem Energie- und Ressourcenverbrauch und den Emissionen stellt. In allen Prozessstufen, von der Entstehung des Produkts bis zu seinem Recycling, ist für eine möglichst hohe Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit zu sorgen. 20 Gesellschaftliche Verantwortung Industrielle Güter bestimmen das Gesicht der modernen Gesellschaft in erheblichem Maß. Insofern es entsprechend ausgelegt ist, trägt Design spürbar dazu bei, dass diese Gesellschaft als integer und wertebewusst erlebbar wird. In der Designentwicklung wird diesem Anspruch Rechnung getragen. Auch zeittypische Entwicklungen sind einzubeziehen. So ist zu berücksichtigen, dass die wirtschaftliche Globalisierung zu einer exorbitanten Vergrößerung des Produktangebots bei gleichzeitiger Verkürzung der Produktzyklen geführt hat. Angesichts der extrem erhöhten Vielfalt erfahren die menschlichen Wahrnehmungskapazitäten eine bis dato unbekannte Belastung. Jedes einzelne Produkt und jedes Medium muss sich der Aufgabe stellen, die schon sprichwörtliche Reizüberflutung der Menschen einzudämmen und das Bombardement mit visuellen Effekten zu reduzieren. „Konzentration auf das Entscheidende“ lautet die Lösung, wenn die Summe der Effekte zwar deutlich verringert, die Prägnanz im Wettbewerbsvergleich aber dennoch hoch sein soll. Kulturbewusstsein Design verleiht den Gütern der Alltagskultur Gestalt. Damit ist Design selbst ein Kulturträger. Alle, die Design einsetzen, müssen sich bewusst sein, dass ihre Gestaltung nicht nur für ihre Produkte und ihr Unternehmen steht, sondern darüber hinaus auch als Teil des Ganzen an der großen, gesamthaften Kultur mitwirkt. In diesem Zusammenhang ist bei allen Designentscheidungen nicht nur zu prüfen, ob sie Wettbewerbs- und Absatzvorteile bieten, sondern auch, ob sie einen positiven kulturellen Beitrag liefern. Der internationale Dachverband der Industriedesigner (ICSID) bekennt sich darüber hinaus zu Einfluss, den Design auf die Identitätsbildung sowohl von Nationen als auch von Regionen und kulturellen Untergruppen hat. Wer Design einsetzt, ist aufgefordert, sowohl die eigene kulturelle Herkunft zu berücksichtigen als auch die kulturellen Voraussetzungen der künftigen Kunden zu beachten. Sozialpsychologische Wirkung Ökologische Wirkung Design Kulturelle Wirkung Ökonomische Wirkung 21 Ob es sich um Möbel und Gebrauchsgegenstände für den Haushalt, um Unterhaltungselektronik, Automobile oder Werkzeuge für die Anwendung in der Freizeit oder im Beruf handelt: Der Mehrwert Design ist gefragt. Auch im Business-to-Business-Geschäft. Im Investitionsgüterbereich. Sogar im Baumaschinenmarkt, wo Laien doch meinen, dass in dieser nüchternen, robusten Umgebung für differenzierte Gestaltung kein Platz sei. Weit gefehlt. Die Professionalisierung des Designs schreitet hier in einer Geschwindigkeit voran, wie in wenigen anderen Branchen. In nahezu allen Produktmärkten gibt es ein Publikum, das auf anspruchsvolle Gestaltung gut anspricht. Es sind auch Strukturen vorhanden, über die das Publikum direkt erreicht werden kann. Für Marketing und Vertrieb können sie ein effizientes Mittel bei der Vermarktung professionell gestalteter Produkte sein. Der direkte Draht zum Design-orientierten Publikum ■ Auszeichnungen von renommier- ten Designinstitutionen bestätigen die Qualität der Gestaltung. Dies kommt jenen Menschen entgegen,die sich auf ihr eigenes Urteil nicht unbedingt verlassen wollen; Zertifikate verleihen ihnen die gewünschte Sicherheit. Für den Handel sind die Auszeichnungen willkommene Verkaufshilfen. Die Kosten, die mit der Teilnahme an Designwettbewerben verbunden sind, werden in Relation zu den MarketingEffekten bewertet. 22 ■ Designzentren sind Treffpunkte für Menschen und Unternehmen, die ein besonderes Interesse an hochwertiger Gestaltung verbindet. Viele Marken, die heute für ihr Design einen guten Namen in der Szene haben, entwickelten ihr Ansehen über Aktivitäten und die stetige Präsenz im Umfeld der Designzentren. ■ In vielen Märkten haben sich in- zwischen Segmente gebildet, die für ambitioniertes Design stehen. Bei Gebrauchsgütern ist dies schon länger der Fall; im Investitionsgütermarkt ist eine ähnliche Tendenz zu beobachten. Den höchsten Standard trifft man jedoch in der Ausstattung des Wohnbereichs und von Büros an. Hier bestehen auch spezialisierte Vertriebskanäle, die den direkten Zugang zum Designaffinen Publikum haben. Sie dienen, neben ihrer Funktion für den Verkauf, auch als Plattform zur Positionierung der Marke im Bewusstsein der Zielgruppe. 23 6 Unverzichtbar in der modernen Zivilisation Designgeschichte Niedergang und Avantgarde Die Profession „Designer“ ist jung. Der Bedarf nach dieser Kompetenz kam überhaupt erst auf, als die Industrialisierung sich durchsetzte. Denn mit der Mechanisierung und Massenproduktion wurde die Formgebung den Handwerkern, die ihr Produkt bis dahin selbst gefertigt hatten, aus der Hand genommen. Die Entwicklung von Vorlagen für die serielle Herstellung übernahmen „modeler“, wie die Prototypenbauer in England zunächst genannt wurden. Sie hatten weder einen nennenswerten Einfluss auf die Waren, die hergestellt wurden, noch waren sie ihrer beruflichen Herkunft nach besonders schöpferisch. So fabrizierte die junge Industrie mit avantgardistischen Mitteln Alltagsgegenstände, die keineswegs so visionär wie die Produktionstechnik waren. Im Gegenteil: Sie fixierten sich auf populäre historische Vorlagen. Deren augenfälligstes Merkmal waren üppige Ornamente, die mit den Herstellverfahren nur grobschlächtig reproduziert werden konnten. In Massen entstanden Konsumgüter in einer miserablen Qualität, die aber vergleichsweise wenig kosteten und so insbesondere in weniger kaufkräftigen Schichten Verbreitung fanden. Die in Massen hergestellten Produkte galten wegen ihrer rohen Gestalt bald als Beleg für die kulturelle Verwahrlosung, die mit der Industrialisierung einherging. Dieser Verfall der Alltagskultur wurde mit Sorge beobachtet. Viele sahen in ihm den Vorboten von gesellschaftlichem Zerfall und Anarchie, so zum Beispiel die Arts and Crafts-Bewegung. Andere standen der Masse minderwertiger Waren ebenso ablehnend gegenüber, waren aber getrieben von einem entschiedenen Kulturoptimismus. Sie erkannten in der Technisierung den Beginn eines neuen Zeitalters, das die Überwindung menschlicher und sozialer Willkür versprach. Die einen wie die anderen verstanden die Ästhetisierung der Alltagswelt als ein Mittel, das die Menschen pädagogisch zu einem besseren Leben führt. Sie lehnten historistischen Pomp ebenso ab wie die Banalität, die unter dem Diktat der industriellen Produktion entstand, und wirkten auf die Schaffung eines neuen Formideals hin. Arts&Crafts Thonet Industrialisierung 1830 24 1860 1870 Werkbund 1900 Neue Form, neues Denken In Deutschland fiel die Idee einer neuen, vom Traditionsballast befreiten Gestaltung auf fruchtbaren Boden. Der 1907 gegründete Deutsche Werkbund verstand Gestaltungsqualität als moralisches Anliegen. Er proklamierte eine neue Formgebung, die zweckmäßig, materialgerecht, der Konstruktion entsprechend und in diesem Sinn „sachlich“ sein sollte. Einer der Protagonisten, Peter Behrens, schuf als Berater von AEG eine beispielgebend durchgängige, moderne Gestaltung, die als Vorläufer des Corporate Designs gilt. Der Ansatz, den der Werkbund vertrat, stieß auf eine nachhaltige internationale Resonanz, auch in den USA. In Skandinavien ist die Wirkung bis heute erkennbar. Das Bauhaus (Weimar, Dessau, Berlin) schloss nahtlos an den Werkbund an. Es wurde zwischen 1919 und 1933 zum Zentrum dieser Bewegung. Die abgeklärte, strikt funktionale Form stand für Objektivität und Wahrhaftigkeit: Die Gestaltung wurde als „ehrlich“ verstanden, wenn sie das Produkt als das zeigte, was es seiner Zweckbestimmung nach war und wozu es diente. Zugleich feierten die Gestalter die Technik als verheißungsvolle zivilisatorische Errungenschaft. Innovation und Innovationsersatz Der idealistische Designansatz nach deutschem Muster faszinierte weltweit die intellektuelle Elite. Aber es waren Amerikaner, die dem Design auf breiter Front zum Durchbruch verhalfen – mit sehr pragmatischen Motiven und Methoden: Kommerzielle Interessen machten sich die Möglichkeiten der Gestaltung zunutze. Raymond Loewy, seinerzeit eine der Koryphäen des Berufsstandes und eine der ersten internationalen Kultfiguren des Designs überhaupt, gelang mit der Coca-Cola-Flasche ein Meilenstein im Konsumgüterdesign. General Motors führte das „Facelift“ im Sinn der Produktkosmetik ein und erfand damit einen Weg, den Lebenszyklus von Produkten mit vergleichsweise geringem Aufwand zu verlängern. In der Wirtschaftskrise zu Beginn der dreißiger Jahre, als ein Produktüberangebot herrschte und zugleich kaum Mittel für wirklich innovative Entwicklungen verfügbar waren, wurde Design zum Gegenstand aggressiver Marketingstrategien. HfG Ulm Bauhaus 1920 Bel Design 1950 1960 Retrodesign Anything goes Pop Art Autorendesign Post-Moderne 1970 1980 2000 25 Inspirierendes Italien Nach dem 2. Weltkrieg verlagerte sich das internationale Zentrum des Designs nach Italien. Experimentierfreudig und innovativ, sinnlich und stilsicher setzte das italienische Design in der Mode und der Möbelbranche bald internationale Standards. Gestalter des Bel Design verstanden es in pionierhafter Weise, bei der Produktgestaltung kommerzielle Interessen mit kulturellen Intentionen zu verbinden. Designer wie Battista „Pinin“ Farina, Nuccio Bertone, Flaminio Bertoni, Giovanni Michelotti und Franco Scaglione verliehen Alfa Romeo und Citroën, Ferrari, Fiat, Lancia und Maserati ein aufregendes, unverwechselbares Gesicht und verhalfen dem Design im Automobilmarkt zu neuer Bedeutung. Der Büromaschinenhersteller Olivetti machte den Bereich gewerblicher Güter zum Gegenstand moderner Gestaltung. Die heutige Auffassung, Design als Mittel zur Erhöhung der Lebensqualität und Förderung der Unternehmenskultur zu sehen, wurde in Italien geboren. Das engagierte, sinnenfrohe Design entsprach der großen Erleichterung und dem Optimismus, die in den fünfziger Jahren das gesellschaftliche Klima im westlichen Europa bestimmten. Italienisches Design wurde zu einem Mythos und Designkompetenz zu einem Pfeiler des Erfolgs der dortigen Industrie. Die Moral der Dinge Mit der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Ulm entstand etwa zur selben Zeit in Deutschland ein Impulsgeber des Designs von kulturhistorischem Rang. Die HfG, die sich ausdrücklich in die Nachfolge des Bauhauses stellte, war der Industrie zugewandt und an ihren Produktionsmethoden sehr interessiert, doch entschieden konsumkritisch und gesellschaftspolitisch engagiert. Dem ganzheitlichen Ansatz entsprechend, hielten auch die Geisteswissenschaften Einzug in den Lehrplan, wie Philosophie und Soziologie. Damit setzte sie einen Meilenstein in der modernen Designausbildung. Auch entstand hier der Ansatz, Design als Systemkonzept zu verstehen; mit der Firma Braun, Hersteller – u. a. von Konsumelektronikprodukten, wurde die Idee in beispielgebender Weise realisiert. Mit dem Systemansatz schuf die HfG Ulm die Basis für das kreativ organisierte Corporate Design. Das Tabu im Visier Die eruptiven gesellschaftlichen Entwicklungen, die im Westen seit den sechziger Jahren auftraten, schlugen massiv auf das Designverständnis durch. Mit der Parole „Anything goes“ – alles ist möglich – wurden gezielt formale Traditionen attackiert. Insbesondere der Funktionalismus geriet als vermeintlicher Mechanismus gesellschaftlichen Zwangs und der Verneinung der Gefühlswelt ins Fadenkreuz. Die Formensprache wurde bunt und schrill, teilweise beeinflusst durch die Pop Art. Diese Entwicklung mündete in die Postmoderne des Designs. Sie formierte sich in den achtziger Jahren in Italien, repräsentativ vertreten durch die Gruppe Memphis, deren Spiritus rector Ettore Sottsass war. Sie spielte virtuos mit Zitaten historischer Formen, gab sich unbekümmert und war doch höchst intellektuell. Man vergnügte sich mit paradoxer Formgebung, gemäß der Devise: Glaube nicht, was du siehst. Im Design klafften Schein und Sein willentlich weit auseinander – und diese Kluft eröffnete das ironische Zeitalter. In Deutschland flackerte zu dieser Zeit ein anarchischer, provokanter und destruktiver Stil auf, der in der Düsseldorfer Ausstellung „Wohnen von Sinnen“ eine große öffentliche Bühne erhielt. 26 Verwirbelungen und weltweiter Wandel Ende der achtziger Jahre implodierten die makropolitischen Gegebenheiten. Der Ostblock löste sich auf, die Dipolarität, die zugleich Bedrohung und Vereinheitlichung innerhalb der Blöcke bedeutete, verschwand. Mit der Auflösung der globalen politischen Strukturen verloren auch die innergesellschaftlichen Gefüge an Bindekraft. In den neunziger Jahren parzelliert sich die Gesellschaft in immer kleiner dimensionierte Milieus. Diese pflegen teils sehr eigenständige Wertepräferenzen. Dieser Entwicklung entsprechend fächerten sich die Designtrends in eine kaum mehr zu überblickende Vielfalt an Linien auf. Zu den größeren Strömungen zählt die immense Popularität des Autorendesigns, zu deren Protagonisten Alessi aus Italien zählt. Aus dem Punk ging das Trash-Design hervor, das als satirische Antithese zur „Guten Form“ die Integrität der Gestaltung grundsätzlich infrage stellt und den guten Geschmack herausfordert. Schließlich etablierte sich auch das Retrodesign. Das Retrodesign benutzt die Designgeschichte als unermesslich variantenreichen Musterkatalog. Aus ihm zitierte man, ignorierte aber radikal den gesellschaftlichen Wertekontext, für den das Vorbild seinerzeit stand. Man nahm die Zeichen – und demonstrierte, dass man um ihre geschichtliche Bedeutung nicht wusste oder nicht wissen wollte. So trat man „befreit von geistigen Fesseln“ in das „neue Jahrtausend“ ein oder gab es zumindest vor. Die Abwendung von den Traditionswerten oder gar deren Umdeutung steht wohl in einem direkten Zusammenhang mit der Globalisierung. Alle Regionen der Erde haben ihren Status einer kulturellen Enklave verloren. Die Konfrontation mit bislang Fremdem gehört zum Alltag. Vor der kulturellen Begegnung gibt es kein Entrinnen. Im Design spiegeln sich die Faszination am Fremden und die Suche nach Arrangements mit dem Unbekannten. Die Annäherung beginnt im Äußerlichen, verharrt nicht selten auch im Oberflächlichen, kombiniert Versatzstücke zu einem bizarren Gemenge der Stile. Doch entsteht so auch ein Kreolismus, in dem die Anfänge einer Weltkultur keimen. Jenseits der großen soziokulturellen Entwicklungen fasste Designkompetenz im Bereich der Investitionsgüter feste Wurzeln. Dieser Mehrwert, der vor allem im hohen Gebrauchsnutzen der Produkte fassbar ist, gehört heute zum Pflichtprogramm bei internationalen Marktstrategien. 27 7 Das Sehen. Ursache und Wirkung Visuelle Wahrnehmung Design ist die Ordnung des Sichtbaren in Abstimmung auf das Sehen – die visuelle Wahrnehmung – des Menschen. Es bereitet die Dinge so auf, dass wir sie spontan deuten und eine sichere Beziehung zu ihnen finden können. Im Lauf der Evolution haben sich die Vorfahren des Menschen auf den Gesichtssinn spezialisiert. Rund 75% der Informationen, die er aufnimmt, bezieht er über das Sehen. Von keinem anderen Sinn – beispielsweise Hören oder Riechen – machen wir Menschen so intensiv Gebrauch, um uns in unserer Umwelt zu orientieren. Dementsprechend hoch leistungsfähig ist die visuelle Wahrnehmung. Das Gehirn sieht, nicht das Auge Wir sehen und betreiben dabei ein Informations- und Interpretationsmanagement in Höchstgeschwindigkeit. Und merken doch nur den kleinsten Teil davon. Auf einen einzelnen bewusst wahrgenommenen Reiz kommen über 30.000, die wir in Sekundenbruchteilen verarbeiten, ohne dass unser Bewusstsein belastet würde. An den Ergebnissen des rasanten Dechiffrierens hat das Bewusstsein dann doch Anteil: in Form von Einstellungen und Stimmungen, die wir gegenüber dem aufbauen, was wir vor uns sehen. Wir kennen gewissermaßen unser Urteil, nehmen aber am Prozess kaum (bewusst) teil. Geleistet wird diese Informationsverarbeitung vom Gehirn; mehr als die Hälfte der Gehirnkapazität ist direkt oder indirekt daran beteiligt. Die Augen – sie sind entwicklungsgeschichtlich Ausstülpungen des Zwischenhirns – sind nicht in der Lage, das Gesehene eigenständig zu identifizieren. Sie operieren wie technische Sensoren des Gehirns. Effizienz und Mustererkennung Die visuelle Wahrnehmung ist ein hochkomplexer Prozess der Informationsverarbeitung. Sie funktioniert ähnlich der technischen Mustererkennung. Bestimmte Bilder sind im Gehirn angelegt und mit Bedeutungen verknüpft. An die Bedeutungen sind teilweise spezielle re-aktive Handlungen, wie erhöhte Aufmerksamkeit oder der Fluchtreflex, gebunden. Ein Teil des „Musterkatalogs“ ist instinkthaft verwurzelt und angeboren – zum Beispiel das Bild des Rachens eines Löwen ebenso wie das Lächeln eines Kindes. Allein zur menschlichen Physiognomie sind im Gehirn über 10.000 definierte Ausdrücke (Freude, Wut, Melancholie etc.) bildhaft abgelegt. Den weitaus größeren Teil der Muster eignet man sich jedoch im Laufe des Lebens an. Dabei werden ebenso emotionale Eindrücke wie auch rationale Erkenntnisse mit den dazugehörigen Bildern verknüpft. Beim Anlegen eines neuen Musters greift das Gehirn, wo irgend möglich, auf eine bereits bestehende Vorlage zurück und stellt davon ein entsprechend modifiziertes Duplikat her. Die Fähigkeit, Bilder und Inhalte zu einer Einheit zu verknüpfen, wird in der frühen Kindheit erlernt. Bis ins Alter von ca. fünf Jahren ist das Gehirn dabei am produktivsten. Später fällt dies deutlich schwerer. Bildbasiertes Beim Sehvorgang wird permanent zwischen der Umgebung und den verfügbaren Mustern Informationsmanagement abgeglichen. Der Vorgang ist höchst ökonomisch, denn so müssen nur die Daten neu aufgenommen werden, die im „Speicher“ noch nicht vorhanden sind. Vielfach sehen wir also nicht die Wirklichkeit um uns herum, sondern die weitgehend gleichen Bilder, die wir be- 28 reits im Kopf haben. Der Wahrnehmungsprozess erreicht auf diese Weise extrem hohe Geschwindigkeiten. Allerdings führt der Rückgriff auf vorhandene Muster auch zu „falschen Bildern“ – vor allem, wenn nur flüchtig geschaut wird. Die Polizei kämpft mit diesem Phänomen im Zusammenhang mit irrigen Erinnerungen von Zeugen an Tatort und Täter. Und natürlich ist auch jeder Produktanbieter davon betroffen: Ohne ausreichende Individualisierung gelangt sein Produkt nicht mit authentischem Bild ins Gedächtnis der Zielpersonen. Auch beim Abruf gespeicherter Informationen spielt das Bild eine besondere Rolle. Denn alle abstrakten Informationen und Erlebnisse verbindet das Gehirn nach Möglichkeit mit sinnlichen Ankermotiven: Geschmack, Gerüchen, Klängen und Bildern, die in einem plausiblen Zusammenhang mit dem Vorgang stehen, der „archiviert“ werden soll. Begegnet man erneut den Ankermotiven, sind spontan die mit ihm abgelegten Informationen als Gefühl oder Gedanke gegenwärtig. Dieser Mechanismus der sinnlichen Verknüpfung stammt aus Zeiten, da der Mensch noch keiner war. Aber bis heute zeitigt er Wirkung: Die Besonderheiten eines Produkts sind leichter merkbar – und abrufbar –, wenn das Produkt über ein individuelles, unverwechselbares Design verfügt. Einfluss auf die Befindlichkeit Sehen bewegt, in vielschichtiger Weise. Mit dem Auge aufgenommene Impulse werden u. a. dem Limbischen System zugeführt, das mit den emotionserzeugenden Hirnarealen verknüpft ist. Wie sehr Stimmungen durch das Gesehene gefärbt werden, kennt man: heller Raum – dunkler Raum, heiteres Gesicht – aggressive Physiognomie, kostbare Anmutung – desolate Erscheinung. Die Stimmungsimpulse können intensiv sein. Auf bestimmte Reize reagiert das Belohnungszentrum sogar mit der Ausschüttung von Dopamin, das Glücksgefühle auslöst. Selbst der Körper wird, ohne physische Berührung, durch das Gesehene in seiner Befindlichkeit beeinflusst. Kraft oder Appetit kann geweckt werden. In gewisser Weise sind wir dem Sehen schutzlos ausgeliefert. Denn die visuelle Wahrnehmung ist mit dem entwicklungsgeschichtlich sehr alten Reptilienhirn verbunden und erfolgt unwillkürlich. Man kann nicht willentlich kontrollieren, was wie verarbeitet werden soll und was nicht. Das bürdet Designern eine besondere Verantwortung auf, denn es können auch negative Auswirkungen auftreten. So sind Fälle psychosomatischer Erkrankungen bekannt, die auf eine ungeeignete Arbeitsplatzgestaltung zurückgehen. Auf das Aussehen muss man achten. Visuelle Dialoge Menschen deuten nicht nur ihre Umwelt mittels der visuellen Wahrnehmung, sondern setzen selbst mit sichtbaren Elementen Zeichen, „Botschaften ohne Worte“, die an andere Personen gerichtet sind. Sie beherrschen eine hoch entwickelte visuelle Rhetorik, mit der sie ebenso über ihre momentane Stimmungslage wie auch über ihre Wertevorstellungen Auskunft geben. Es braucht Dinge, die als Symbole den differenzierten visuellen Dialog unterstützen. Eine wesentliche Qualität des Designs ist seine besondere soziokulturelle Ausdruckskraft. 29 8 Wichtige Fachbegriffe im Design Glossar Design Im Englischen steht „design“ für jede Art Entwurf, der auf rationalen Auseinandersetzungen basiert; in diesem Sinn ist auch ein Entwicklungsingenieur ein Designer. Im deutschsprachigen Raum hat sich „Design“ als Synonym für „visuelle Gestaltung“ etabliert. Kommunikationsdesign Das Kommunikationsdesign gestaltet die Medien, mit welchen Informationen und Botschaften vermittelt werden sollen: Broschüren, Anzeigen und Plakate ebenso wie – jeweils als Untergruppen des Kommunikationsdesigns – Verpackungen, virtuelle Medien und visuelle Leitsysteme. Webdesign Webdesign ist die übliche Bezeichnung für die visuelle Gestaltung von Internetseiten. Streng genommen bezieht sich der Begriff nur auf Sites des World Wide Web (www). Webdesign ist am Schnittpunkt zwischen Kommunikationsdesign und Interface-Design angesiedelt. Interface-Design Interface-Design steht allgemein für die funktionale Gestaltung von Bedieneroberflächen von Geräten und Anlagen aller Art. Gebräuchlich ist der Begriff vor allem bei elektronischen Medien (Software etc.). Produktdesign Das Produktdesign widmet sich der Gestaltung von – überwiegend dreidimensionalen – Produkten. Das Produktdesign gliedert sich in die Gestaltung von seriell gefertigten Gütern (Industriedesign) und in das Design von Produkten, die in kleinen und kleinsten Auflagen hergestellt werden (z. B. Schmuck). Industriedesign Das Industriedesign steht für ein Design, das auf seriell hergestellte Güter spezialisiert ist. Der Erwerb umfassender Kenntnisse über Materialien, Fertigungsverfahren und Produktionsmethoden zählt bei Industriedesignern zum Ausbildungsstandard. 30 Designerprodukt Die seriöse Variante des Designerprodukts ist ein professionell gestaltetes Produkt, das mit dem Namen eines meist prominenten Designers vermarktet wird. Landläufig wird auch ein Produkt als „Designerprodukt” bezeichnet, das vorrangig interessante visuelle Effekte bietet, dabei aber die Zweckmäßigkeit vernachlässigt. Branding Branding ist der englische Begriff für „Markenführung“. In der angloamerikanischen Tradition ist das Branding beim Marketing angesiedelt; der massive Medieneinsatz nimmt beim Aufbau der Marke eine zentrale Rolle ein. Markenführung Bei der Markenführung nach mitteleuropäischer Tradition liegt der Schwerpunkt auf dem Produkt und seinen besonderen Eigenschaften; dem Marketing kommt nur eine stützende Funktion zu. Methodisch ist die europäische Markenführung bedeutend unschärfer definiert als das hoch systematisierte Branding. Corporate Design Corporate Design steht für ein Gestaltungssystem, das sich auf alle wesentlichen Elemente des visuellen Auftretens eines Unternehmens erstreckt. Im Idealfall reicht es vom Produktdesign sowie der Gestaltung der Printmedien und der elektronischen Medien bis zur Architektur und der Gestaltung der Verkaufs-, Verwaltungs- und Produktionsräume des Unternehmens. Corporate Identity Corporate Identity strebt danach, alle Elemente, die ein Unternehmen erkennbar und typisch machen, nach einem definierten Wertekodex zu ordnen. Umgesetzt werden die Werte anhand von Leitlinien, u. a. für das Führungs- und das allgemeine Unternehmensverhalten (Corporate Behaviour), die Kommunikation (Corporate Communication) und das kulturelle und karitative Engagement des Unternehmens. Das Corporate Design als wichtiger Teilbereich der Corporate Identity übersetzt die Werte in sichtbare (und somit fühlbare) Formen. Psychografie Beschreibung der seelischen Eigenheiten, Wertevorstellungen, Lebenseinstellungen und Stilvorlieben einer Person oder einer Gemeinschaft. Anhand der Psychografie wird das emotionale Profil von Zielgruppen anschaulich gemacht. Olfaktorik Der Geruchssinn nimmt einen großen Einfluss auf die Sympathie, die ein Produkt gewinnt. Grundsätzlich von Bedeutung ist dieser Faktor bei der Auswahl von Materialien und Oberflächenbehandlungen. In manchen Branchen werden inzwischen gezielt Duftstoffe eingesetzt. Semantik Das Aussehen der Dinge vermittelt Bedeutungen (beispielsweise „Solidität“, „Dynamik“, „mediterraner Esprit“). Semantik entspricht dem Begriff „Bedeutungsgehalt“. Bei der Vorbereitung eines Designprojekts ist die Beschreibung des semantischen Profils („Welche Aussagen soll das Design vermitteln?“) ein marketingstrategisch entscheidender Schritt. Styling / Stilistik Der Begriff steht für das formalästhetische Gestaltungskonzept (ausgewählte Farbkombinationen, typische Proportionsverhältnisse etc.). Usability Usability ist der inzwischen weit verbreitete Begriff für „Gebrauchstauglichkeit“. Die Usability schließt alle Eigenschaften eines Produkts ein, die seine Nützlichkeit für den Gebrauch durch Menschen ausmachen (Zweckentsprechung, Ergonomie, Handling etc.). Ergonomie Die Ergonomie beschreibt speziell die Abstimmung eines Produkts auf den Menschen mit dem Ziel der möglichst geringen physischen, intellektuellen und mentalen Beanspruchung bei der Produktanwendung. Haptik Tasten und Greifen erzeugen eine subtile, intensive Begegnung mit dem Produkt. Die Oberflächenbeschaffenheit ist deshalb ein hochrangiges Element bei Qualitätsstrategien. Akustik Käufer und Benutzer eines Produkts nutzen den Klang als Qualitätsindikator (z.B. beim Schließen einer Schublade oder von Klappen und Türen). Das weniger hohe Ansehen beispielsweise von Blech und Kunststoffen liegt nicht zuletzt an dem für sie typischen Klangbild. Designstrategie Von Designstrategie ist zu sprechen, wenn ein definiertes Ziel (z. B. „die Positionierung eines Produkts nach oben verschieben“) mit dem Instrument „Design“ in geplanten taktischen Maßnahmen und Schritten (beispielsweise „Anmutung modernisieren“, „Wertigkeit erhöhen“) verwirklicht werden soll. Designmanagement Das Designmanagement koordiniert alle das Design betreffenden Ziele und Aufgaben. Insbesondere ist das Designmanagement die Schnittstelle zwischen den Designern und der Unternehmensführung, dem Marketing, der Produktentwicklung, der Produktion und dem Vertrieb. Das Designmanagement leitet die Designprojekte und überwacht die Einhaltung von Marken- / Corporate DesignRichtlinien. Universal Design Universal Design steht für den erklärten Ansatz, im Design jede Ausgrenzung von Menschen zu vermeiden, die über andere als die üblichen Voraussetzungen verfügen. So sollen Produkte, Medien und architektonische Einrichtungen auch von Menschen aus anderen Kulturen, ebenso von alten oder kranken Menschen oder von Personen mit Handicaps möglichst ohne Einschränkungen gebraucht beziehungsweise in Anspruch genommen werden können. 31 Kontaktadressen Ansprechpartner für weitere Informationen zum Thema Industriedesign in Bayern VDID Verband Deutscher Industrie Designer e.V. / Bayern Peter Knopp Schloss Euernbach 85298 Scheyern [email protected] Tel.: 08445 91006 Fax: 08445 91007 www.mursch-knopp.de IHK Aschaffenburg Silke Heinbücher [email protected] Tel.: 06021 880115 www.aschaffenburg.ihk.de Gesamtverband: VDID Verband Deutscher Industrie Designer e. V. Geschäftsstelle Markgrafenstraße 15 10969 Berlin [email protected] Tel.: +49 30 740 785 56 Fax: +49 30 740 785 59 www.vdid.de IHK Coburg Rico Seyd [email protected] Tel.: 09561 742646 www.coburg.ihk.de Bayerischer Handwerkstag M. A. Wolfgang Lösche [email protected] Tel.: 089 5119241 www.hwk-muenchen.de IHK München & Oberbayern Dr. Tina Emslander [email protected] Tel.: 089 5116394 www.muenchen.ihk.de Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie Referat VIII / 1, Dr. Ronald Mertz [email protected] Tel.: 089 21622672 www.stmwivt.bayern.de IHK Niederbayern Dieter Hilgärtner [email protected] Tel.: 0851 507347 www.passau.ihk.de bayern design gmbh Dr. Silke Claus [email protected] Tel.: 0911 24022302 www.bayern-design.de Bayern Innovativ GmbH Barbara Geyer [email protected] Tel.: 0911 20671382 www.bayern-innovativ.de 32 IHK Augsburg & Schwaben [email protected] Tel.: 0821 3162371 www.schwaben.ihk.de IHK Mittelfranken Dr. Udo H. Raab [email protected] Tel.: 0911 1335376 www.nuernberg.ihk.de IHK Oberfranken Norbert Raps [email protected] Tel.: 0921 886104 www.bayreuth.ihk.de IHK Regensburg Josef Beimler [email protected] Tel.: 0941 5694241 www.regensburg.ihk.de IHK Würzburg-Schweinfurt Oliver Freitag [email protected] Tel.: 0931 4194327 www.wuerzburg.ihk.de Ausbildungsstätten: Hochschule Coburg www.fh-coburg.de/sgip Hochschule München www.design.hm.edu TU München www.id.ar.tum.de Impressum Herausgeber: VDID Verband Deutscher Industrie Designer e.V. / Bayern 2010 Förderung: Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie Autor: Ralph Habich www.habich-ci.de Gestaltung: Designgruppe Flath & Frank www.designgruppe.de Bildnachweis: S. 8: Audi AG, Land Rover Deutschland GmbH S. 9: C. Josef Lamy GmbH, Faber-Castell AG, Gigaset Communications GmbH, Hagenuk / ITM Einkaufs GmbH S. 10-11: Kaeser Kompressoren GmbH, OSRAM GmbH, Kress-elektrik GmbH & Co.KG, Bulthaup GmbH & Co.KG, Sixt AG, Lehmann Präzision GmbH S. 16-17: Nils Holger Moormann GmbH, Thermo Haake GmbH, Arzberg-Porzellan GmbH, Sentel Communications GmbH, Felder KG, Steelcase Werndl AG S. 19: Audi AG S. 22-23: Rat für Formgebung, iF Industrie Forum Design e.V., Red Dot GmbH & Co.KG, bayern design gmbh, Design Center Stuttgart, Cairo AG Topdeq GmbH S. 29: Steelcase Werndl AG, Fritz Hansen Druck: Engagierte Mitarbeiter, hohe Qualitätsund Umweltschutzstandards (ISO 9000, ProzessStandard Offset, FSC-/PEFC-Zertifizierung) und modernste Technologie garantieren Ihnen einen perfekten Service. www.universalmedien.de 1 Professionell die Zukunft gestalten Designkompetenz 2 Maßgeschneidert für den Markt Design-Marketing 3 Design. Funktion und Sinnbild Marke 4 Designprojekte präzise steuern Management