MBA-Fernstudienprogramm Modul B 01/I Economics I – Mikroökonomie Microeconomics Relevante Rahmenbedingungen des Managementhandelns I – Economics Reiner Clement Prof. Dr. Reiner Clement Schwerpunkte in Lehre und Forschung: • • • Volkswirtschaftslehre Außenwirtschaft Internet-Ökonomie Clement, Reiner: Economics I - Mikroökonomie - Microeconomics; Relevante Rahmenbedingungen des Managementhandelns – Economics; Schriften des MBA-Fernstudienprogrammes, Modul B01/I; Koblenz 2014 2007 Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen – ZFH 4. Auflage 2012 / D1.14 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung und des Nachdrucks, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Text, Abbildung und Programme wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet. Das MBA-Fernstudienprogramm und die Autorinnen und Autoren können jedoch für eventuell verbleibende fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische noch irgendeine andere Haftung übernehmen. Herausgeber: MBA-Fernstudienprogramm Prof. Dr. Thomas Mühlencoert / Prof. Dr. Rüdiger Falk (Studiengangsleitung) Fachbereich Betriebs- und Sozialwirtschaft Hochschule Koblenz, RheinAhrCampus Joseph-Rovan-Allee 2 • 53424 Remagen Vertrieb: Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen - ZFH - Koblenz Leiter: Prof. Dr. Ralf Haderlein Anschrift: Zentralstelle für Fernstudien an Fachhochschulen - ZFH Konrad-Zuse-Straße 1 • 56075 Koblenz • Tel.: 0261/91538-0 Titelgestaltung: MBA-Fernstudienprogramm Mikroökonomie Lernziele Vorbemerkung: Diese Kurseinheit behandelt ausgewählte Grundlagen der Mikroökonomie ausschließlich am Beispiel von Gütermärkten. Die Analyse von anderen Märkten, z.B. Arbeits-, Kapital- und Versicherungsmärkten, würde den Rahmen dieses Lehrbriefs sprengen. Auch damit verbundene Themen wie Risikoeinstellung, unterschiedliche Informationsverteilung, die Ausgestaltung von Lohnsystemen und Vergütungsstrukturen werden daher ausgeklammert. Nicht behandelt werden zudem die verschiedenen Formen des Marktversagens (u.a. externe Effekte, öffentliche Güter). Sie werden in Lehrbrief Economics IV „Sustainable Economics“ (Nachhaltige Ökonomie) aufgegriffen. Nach dem Studium der Kurseinheit soll deutlich werden, dass mikroökonomische Regeln auch Ihr persönliches Verhalten in vielen Lebensbereichen beeinflussen. Dazu zählt u.a. das Denken in Alternativen oder das Treffen von Entscheidungen auf Basis von ökono-mischen Anreizen. sich das Güterangebot von Unternehmen auf Basis von Kostendeterminanten des Produktionsprozesses ergibt. Bedürfnisse, Preise, Einkommen und soziale Einflussfaktoren die Güternachfrage der Haushalte bestimmen. Angebot und Nachfrage durch die Preisbildung in Übereinstimmung gebracht werden. staatliche Eingriffe in den Marktprozess (Steuern, Höchst- und Mindestpreise) die Allokation und Verteilung verändern. sich die Verhaltensweisen der Unternehmen und die damit ver-bundenen Marktergebnisse in verschiedenen Marktformen unter-scheiden. Eine Zusammenfassung der einzelnen Kapitel, Übungsaufgaben und dazugehörigen Lösungshinweise finden Sie am Ende des Lehrbriefs. I Mikroökonomie Symbolverzeichnis εA εx εxz εy ∆ α Angebotselastizität Direkte Preiselastizität der Nachfrage Indirekte Preiselastizität der Nachfrage Einkommenselastizität diskrete Veränderung Abschreibungen A A(x) BM BO DFK DP DVK DTK E E’ EE FK G GP GRTS GRS K K(x) K’ KR MOB N(x) PAF PR S SA SE TK U U’ VK Y Produktionsfaktor Arbeit Angebot eines Gutes x Betriebsminimum Betriebsoptimum Durchschnittliche Fixkosten Durchschnittsprodukt Durchschnittliche variable Kosten Durchschnittliche Gesamtkosten Erlös Grenzerlös Einkommenseffekt Fixkosten Gewinn Grenzprodukt Grenzrate der technischen Substitution Grenzrate der Substitution Produktionsfaktor Kapital Produktionskosten eines Gutes x Grenzkosten Konsumentenrente Mindestoptimale Betriebsgröße Nachfrage eines Gutes x Preis-Absatz-Funktion Produzentenrente Sparen Steueraufkommen Substitutionseffekt Totale Kosten Präferenzstruktur, Nutzen Grenznutzen Variable Kosten Einkommen d f l i p q r s x t stetige Veränderung (Ableitung) funktionale Beziehung Lohnsatz Zins Preis eines Gutes Einsatzmenge eines Produktionsfaktors Preis eines Produktionsfaktors Steuersatz Menge eines Gutes x Zeitindex IV Mikroökonomie Kapitel 1 Einführung 1.1 Regeln mikroökonomischen Denkens Die Mikroökonomie ist definiert als die Wissenschaft von der Funktionsweise der Märkte und der Institutionen wirtschaftlichen Handelns (Clement (2012)). Wie jede Wissenschaft basiert sie - auf Beobachtung (Erfassung von Daten), - der Formulierung von Hypothesen (Theorienbildung), - der empirischen Überprüfung der Hypothesen (Falsifizierung). Die dazu konstruierten Modelle vereinfachen die Realität. Häufig werden nur zwei Güter oder zwei Länder betrachtet oder gelten alle Wirtschaftssubjekte als vollständig informiert. Modelle müssen abstrahieren und bis zu einem gewissen Grad „unrealistisch“ sein. Nur vereinfachte Bilder sind hilfreich. Ein Modell, das die gesamte Realität abbildet ist nicht nützlicher als eine Landkarte im Maßstab 1 : 1 – so die englische Ökonomin Joan Robinson. Mikroökonomisches Denken lässt sich anhand von einigen zentralen Regeln verdeutlichen (Abb. 1.1; vgl. dazu auch Mankiw/Taylor (2008)). 1. Menschen stehen aufgrund der Knappheit vor Güterabwägungen. 2. Entscheidungen führen zu Opportunitätskosten. Regeln 3. Rational entscheidende Menschen denken in Grenzbegriffen. 4. Durch Handel, Spezialisierung und Arbeitsteilung kann es uns besser gehen. 5. Märkte und Wettbewerb sind häufig gut für die Organisation der Wirtschaft. 6. Menschen reagieren auf Anreize. 7. Märkte sind häufig durch Informations- und Anreizprobleme sowie Risiko gekennzeichnet. 8. Märkte sind geprägt durch unvollkommenen Wettbewerb und strategisches Verhalten. 9. Externe Effekte führen zum Versagen von Märkten. Gleiches gilt für öffentliche Güter und Allmendegüter, denen keine Eigentumsrechte zugeordnet sind. 10. Regierungen können manchmal die Marktergebnisse verbessern. Abbildung 1.1: Regeln mikroökonomischen Denkens Regel Nr. 1.: Menschen stehen aufgrund der Knappheit vor Güterabwägungen In jeder Wirtschaftsordnung sind folgende Fragen zu beantworten (Abb. 1.2): Was soll in welchen Mengen produziert werden? Wie soll produziert werden? Wie sollen die produzierten Güter und die entstandenen Faktoreinkommen verteilt werden? 1 Modellcharakter Mikroökonomie Allokation Die beiden ersten Grundfragen betreffen die Allokation von Gütern, die dritte Grundfrage die Distribution (Verteilung). Der Begriff Allokation beschreibt sowohl den Zustand als auch den Prozess, wie Güter effizienten Verwendungen zugeordnet sind oder werden. Das grundlegende ökonomische Problem aller Gesellschaften resultiert aus der Diskrepanz zwischen den Bedürfnissen der Menschen und den zur Befriedigung dieser Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mitteln (Knappheit). Bedürfnisse Ressourcen Was soll in welchen Mengen produziert werden? Knappheit Allokation Effiziente Produktion, Entlohnung der Produktionsfaktoren Güter Faktorentlohnung Verteilung über den Marktmechanismus (korrigiert durch staatliche Eingriffe) Mit welcher Technologie und mit welchen Inputs soll produziert werden? – Wo und wann? € € € € Wie sollen die produzierten Güter und entstandenen Faktoreinkommen verteilt werden? (Distribution) Abbildung 1.2: Grundfragen der Wirtschaftswissenschaften Güter und Bedürfnisse müssen je nach Fragestellung konkretisiert werden, da sie unterschiedliche Ausprägungen aufweisen (Tab. 1.1). Kriterium Verfügbarkeit Güter und Bedürfnisse Ausschluss möglich, Rivalität im Konsum Beschaffenheit Zweck Güter Ausprägung Frei Begrenzt Ja Nein Gemischt Materiell Immateriell Konsum Produktion Art Freies Gut Wirtschaftsgut Privates Gut Öffentliches Gut Mautgut Allmendegut Kriterium Befriedigung Sachgut Dienstleistung Konsumgut Investitionsgut Stofflichkeit Tabelle 1.1: Güter und Bedürfnisse 2 „Stufe“, Hierarchie (Pyramide) Bewusstheit Bedürfnisse Ausprägung Individuell Kollektiv Existenz Sicherheit Beispiel Essen, Reisen Infrastruktur Nahrung Versicherung Sozial Verwirklichung Anerkennung Talententfaltung Materiell Immateriell Offen Latent PKW Liebe Lob, Nahrung „im Hinterkopf“ Mikroökonomie In der Regel wird unterstellt, dass die Bedürfnisse der Menschen unbegrenzt sind. Ökonomisch relevant sind Bedürfnisse vor allem dann, wenn sie sich in konkreter Nachfrage niederschlagen (Bedarf). Soweit die Bedürfnisse nicht mit einer entsprechenden Kaufkraft verbunden werden, sind sie überwiegend nicht Gegenstand der ökonomischen Analyse. So mag es auch in Entwicklungsländern ein Bedürfnis nach PKW geben. Fehlendes Einkommen lässt aber daraus keinen Bedarf erwachsen. Ebenfalls nicht Gegenstand der ökonomischen Analyse sind die immateriellen Bedürfnisse (z.B. Liebe, Geborgenheit), auch wenn diese das tägliche Leben mitprägen. Gleichzeitig sind die Güter und Ressourcen, mit denen diese Bedürfnisse befriedigt werden können, knapp. Diese Knappheit lässt sich ökonomisch nicht beseitigen, sie lässt sich aber bewirtschaften. Dazu sind die Ressourcen effizient einzusetzen, wenn Verschwendung vermieden werden soll. Aus der Diskrepanz zwischen endlichen Ressourcen und den größeren Bedürfnissen resultiert der Sachverhalt, dass Alternativen gegeneinander abzuwägen sind. Regel Nr. 2.: Entscheidungen führen zu Opportunitätskosten Die Abwägung von Alternativen führt zu Zielkonflikten. Wenn Sie sich für etwas entscheiden, geben Sie gleichzeitig etwas anderes dafür auf. Das, was Sie aufgeben, entspricht den Opportunitätskosten bzw. Alternativkosten einer Handlung. Die Wahlentscheidung lässt sich im Modell der Produktionsmöglichkeitenkurve (Transformationskurve) veranschaulichen (Abb. 1.3). Sie stellt alle Güterkombinationen dar, die in einer Volkswirtschaft erzeugt werden können. Dabei unterstellen wir, dass die Ausstattung mit Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapitel, Technologie) gegeben ist und die Faktoren wahlweise zur Produktion von Nahrungsmitteln oder PKW eingesetzt werden können. Realisierbar und zugleich effizient sind die Kombinationen A1 bis A5. Extreme Punkte sind A1 (nur Produktion von Nahrungsmitteln) und A5 (nur PKW-Produktion). Nicht erreichbar ist die Kombination C, weil die vorhandenen Produktionsfaktoren nicht ausreichen, um diese Güterkombination herzustellen. Dazu müsste sich die Kurve nach außen verschieben. Eine solche Verschiebung entspricht einem Wirtschaftswachstum. Punkt B zeigt uns den Fall der Unterbeschäftigung von Produktionsfaktoren (Arbeitslosigkeit). Dieser Punkt entspricht zugleich einer ineffizienten Güterkombination. Bewegen wir uns auf der Kurve z.B. von A2 nach A3, belaufen sich die Alternativkosten auf 5 Einheiten Nahrungsmittel für eine Mehrproduktion von 8 PKW. 3 Bedarf Knappheit Alternativen und Opportunitätskosten Mikroökonomie Der Quotient ist (vgl. Tab. 1.2): - 5/8 = - 0,63 ∆x2 ∆x1/x2 Nahrungsmittel PKW ∆x1 (x2) (x1) A1 25 0 A2 22 9 -3 +9 - 0,33 A3 17 17 -5 +8 - 0,63 A4 10 24 -7 +7 -1 A5 0 30 - 10 +6 - 1,67 Hinweis: Sie können die Alternativkosten auch als Quotient ∆x2/∆x1 ermitteln. Üblich ist jedoch die Betrachtung ∆x1/∆x2. Punkt Tabelle 1.2: Nahrungsmittel 25 Zahlenbeispiel zu den Produktionsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft A1 22 A2 20 C 17 A3 15 B Produktionsmöglichkeitenkurve A4 10 5 A5 0 5 A1 – A5 realisierbar und effizient A1 nur Nahrungsmittelproduktion A5 nur PKW-Produktion 10 15 17 20 24 30 PKW B ineffizient, Unterbeschäftigung von Produktionsfaktoren C durch vorhandene Kombination nicht realisierbar Abbildung 1.3: Produktionsmöglichkeiten(kurve) einer Volkswirtschaft Grenzrate der Transformation Regel Nr. 3.: Rational entscheidende Menschen denken in Grenzbegriffen Die Tabelle und die Kurve zeigen, dass zwischen Nahrungsmitteln und PKW zu wählen ist. Werden mehr Nahrungsmittel (PKW) produziert, ist auf die Produktion von PKW (Nahrungsmitteln) zu verzichten. Dieser Verzicht entspricht den Alternativkosten. Die Steigung der Produktionsmöglichkeitenkurve, auch als Grenzrate der Transformation bezeichnet, weist typischerweise eine negative Steigung auf, also einen von links oben nach rechts unten fallenden Verlauf. Die Grenzrate der Transformation entspricht dem Verhältnis der beiden Mengenänderungen: - dx1/dx2 4 Mikroökonomie Im Fall einer linearen Funktion bleibt das Transformationsverhältnis unverändert, es liegen also konstante Alternativkosten vor. Häufig tritt jedoch der Fall des nach außen gekrümmten, d.h. des konkaven Verlaufs auf. Hier verändert sich der Betrag der Steigung entlang des fallenden Verlaufs der Funktion schrittweise. Den Grund dafür liefert das Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs, auch als Ertragsgesetz bekannt. Dies bedeutet, dass die Erträge durch einen zusätzlichen Input an Produktionsfaktoren geringer werden, je mehr Faktorleistungen in einer bestimmten Produktion bereits vorhanden sind. Abnehmende Grenzerträge treten dann auf, wenn bei der Produktion eines Gutes weniger geeignete Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital und Boden) eingesetzt werden müssen. Regel Nr. 4.: Durch Handel, Spezialisierung und Arbeitsteilung kann es uns besser gehen Wir wollen unser vorheriges Beispiel erweitern und die Nahrungsmittelproduktion näher betrachten (vgl. Mankiw/Taylor (2008), Kapitel 3). Dazu nehmen wir an, dass es nur zwei Nahrungsmittel (Fleisch, Kartoffeln) gibt, die von zwei Personen A und B konsumiert werden (Tab. 1.3). Beide Personen unterscheiden sich in ihren Fähigkeiten, die beiden Güter zu produzieren. Wir unterstellen, dass beide Personen 8 Stunden am Tag arbeiten können: Person A kann in 8 Stunden 8 Pfund Fleisch (F) oder 32 Pfund Kartoffeln (K) herstellen, bzw. jede Kombination dazwischen (z.B. 4 Pfund Fleisch, 16 Pfund Kartoffeln): 480 = 60F + 15K Person B kann in 8 Stunden 24 Pfund Fleisch oder 48 Pfund Kartoffeln herstellen, bzw. jede Kombination dazuwischen (z.B. 12 Pfund Fleisch, 24 Pfund Kartoffeln): 480 = 20F + 10K Arbeitszeit für 1 Pfund Produktionsmenge in 8 Stunden Restriktion Fleisch Kartoffeln Fleisch Kartoffeln Person A 60 Minuten 15 Minuten 8 Pfund 32 Pfund 480 = 60F + 15K Person B 20 Minuten 10 Minuten 24 Pfund 48 Pfund 480 = 20F + 10K Tabelle 1.3: Zahlenbeispiel zur Arbeitsteilung Im Fall der Selbstversorgung (Autarkie) entspricht die Produktion dem Konsum (Abb. 1.4). Wir können die damit verbundenen Güterkombinationen in unser Modell der Produktionsmöglichkeitenkurve übertragen, die hier einen linearen Verlauf hat. 5 Grenzerträge Arbeitsteilung Mikroökonomie Fleisch (Pfund) 24 Fleisch (Pfund) 24 Produktion und Konsum ohne Tausch (Person A) Produktion und Konsum ohne Tausch (Person B) 16 16 12 8 8 4 0 8 16 24 0 32 8 Kartoffeln (Pfund) 24 Kartoffeln (Pfund) Fleisch Kartoffeln Person A 4 16 Person B 12 24 Insgesamt 16 40 32 40 48 Abbildung 1.4: Produktion und Konsum im Fall der Autarkie Produktivität Sie können erkennen, dass Person B sowohl Fleisch als auch Kartoffeln in einer geringeren Zeit herstellen kann als Person A. Ökonomisch gesprochen hat Person B einen absoluten Vorteil. Ein solcher Vorteil gibt Auskunft über die Produktivität, d.h. das Verhältnis von eingesetzten Ressourcen (z.B. Arbeit, Kapital) je Einheit des Outputs. Wir können aber auch die Opportunitätskosten als Vergleichsmaßstab heranziehen. Dazu fragen wir, was aufgegeben werden muss, um etwas anderes zu erlangen (Regel Nr. 2). In unserem Beispiel müssen wir berechnen, wie viele Einheiten Kartoffeln bzw. Fleisch aufgegeben werden müssen, um eine Einheit Fleisch bzw. Kartoffeln zu produzieren (Tab. 1.4). Opportunitätskosten für 1 Pfund Fleisch Kartoffeln (in Pfund Kartoffeln) (in Pfund Fleisch) Person A 4 ¼ Person B ½ 2 Tabelle 1.4. Opportunitätskosten Komparative Vorteile Es wird deutlich, dass Person A gemessen an den Opportunitätskosten einen Vorteil bei der Produktion von Kartoffeln hat (¼ < ½), während B einen solchen Vorteil bezogen auf die Produktion von Fleisch besitzt (2 < 4). Diese Vorteile werden als komparative Vorteile bezeichnet. Sie sind die Grundlage von Spezialisierung und Handel. Wenn potentielle Handelspartner unterschiedliche Opportunitätskosten aufweisen, können beide Produzenten durch Handel Vorteile erzielen. Dieser Sachverhalt gilt auch bezogen auf unser Beispiel (Tab. 1.5). 6 Mikroökonomie Person A Kartoffeln 16 Pfund Fleisch 4 Pfund Produktion, Konsum ohne Handel Produktion Handel (auch Ex- und Import) Konsum Handelsgewinn, Konsumanstieg Fleisch 12 Pfund 0 Pfund Erhält 5 Pfund 32 Pfund Gibt 15 Pfund 5 Pfund + 1 Pfund 17 Pfund + 1 Pfund Handel 18 Pfund Gibt 5 Pfund 13 Pfund + 1Pfund Person B Kartoffeln 24 Pfund 12 Pfund Bekommt 15 Pfund 27 Pfund + 3 Pfund Tabelle 1.5: Spezialisierungsvorteile des Handels Durch den Handel können Konsum und Produktion nun auseinander fallen. Insgesamt sind die Produktion und die Gesamtwohlfahrt gestiegen (Abb. 1.5). Dieser Sachverhalt gilt nicht nur für Zwei-Personen-Beispiele, sondern er lässt sich auch auf Volkswirtschaften und den internationalen Handel übertragen. Die Zuwächse an Wohlfahrt müssen sich nicht gleichmäßig auf Personen oder Volkswirtschaften verteilen. Fragen der gerechten Verteilung werden häufig ausgeblendet. Fleisch (Pfund) Fleisch (Pfund) 24 24 Konsum nach Tausch (Person A) 16 Konsum nach Tausch (Person B) Arbeitsteilung und Spezialisierung (13/27) 16 12 8 8 (5/17) 4 0 8 16 24 0 32 8 Kartoffeln (Pfund) 24 32 40 48 Kartoffeln (Pfund) Fleisch Kartoffeln Abbildung 1.5: Person A 5 17 Person B 13 27 Insgesamt 18 44 Produktion und Konsum im Fall des Handels und der Arbeitsteilung Regel Nr. 5.: Märkte und Wettbewerb sind häufig gut für die Organisation der Wirtschaft Zu klären bleibt die Tauschrate der beiden Güter, d.h. die Preisrelation. Sie muss zwischen den Opportunitätskosten der beiden Produktionen liegen. Damit stellen beide Produzenten sicher, dass sie einen Vorteil aus dem Handel ziehen. 7 Mikroökonomie Der Preis von Fleisch muss sich demnach im Bereich von 2 bis 4 bzw. der Preis von Kartoffeln im Bereich von ¼ < ½ bewegen. Diese Koordinationsaufgabe erfolgt durch Märkte. Das Modell des Kreislaufdiagramms veranschaulicht, wie Güterströme bzw. Geldströme zwischen Haushalten und Unternehmen fließen (Abb. 1.6). Vollkommener Wettbewerb unter den Unternehmen sorgt für eine effiziente Produktion und für ein optimales PreisLeistungs-Verhältnis der angebotenen Güter. Idealtypisch werden die Unternehmen genau die Güter anbieten, die den höchsten Gewinn versprechen und den höchsten Preis erzielen. Darüber hinaus werden die Güter mit derjenigen Technologie produziert, die bei gegebenen Faktorpreisen die geringsten Kosten verursacht (Produktionseffizienz). Insgesamt werden knappe volkswirtschaftliche Ressourcen zur Produktion derjenigen Güter eingesetzt, die in einer Volkswirtschaft den Haushalten den höchsten Nutzen stiften (Allokationseffizienz). Nutzenmaximierung Haushalte Angebot Nachfrage Faktoreinkommen Lohn/ Zins Faktormärkte Konsumausgaben Gütermärkte Gewinne Faktorkosten Güter preise Erlöse Angebot Nachfrage Unternehmen Güter- und Geldströme Gewinnmaximierung Monetäre Ströme (Werte) [Dimension: Geldeinheit/Zeiteinheit] Reale Ströme (Mengen)[Dimension: Mengeneinheit/Zeiteinheit] Informationen (Preise) [Dimension: Geldeinheit/Mengeneinheit] Der Wert der monetären Ströme ergibt sich als Produkt aus Mengen und Preisen. Abbildung 1.6: Kreislaufdiagramm von Güter- und Faktormärkten Die Entscheidungen der Haushalte und der Unternehmen werden über den Lenkungsmechanismus der Marktpreise koordiniert. Das Gegenstück zum Marktmechanismus wäre eine zentrale Planung, die sich historisch jedoch als nicht erfolgreich erwiesen hat. Märkte entsprechen graphisch dem Schnittpunkt von Marktangebots- und Marktnachfragefunktion (Abb. 1.7) bzw. algebraisch der Auflösung entsprechender Gleichungssysteme. 8 Mikroökonomie Preis Angebot p* Nachfrage Menge x* p* = Gleichgewichtspreis x* = Gleichgewichtsmenge Abbildung 1.7: Gütermarkt und Marktgleichgewicht Regel Nr. 6.: Menschen reagieren auf Anreize Ökonomisches Handeln wird durch materielle Anreize (z.B. Preise), immaterielle Anreize und soziale Normen bzw. Institutionen geprägt. Nehmen wir an, dass die Nachfrage nach Nahrungsmitteln (Fleisch, Kartoffeln) aufgrund des Wachstums der Bevölkerung steigt. Graphisch verschiebt sich dadurch die Nachfragekurve nach rechts oben (Abb. 1.8). Preis Angebotsausweitung pneu plangfristig p* Angebot Nachfrage x* xlangfristig Menge Abbildung 1.8: Kurz- und langfristige Veränderung eines Marktgleichgewichts Kann das Angebot kurzfristig nicht ausgeweitet werden, steigen die Nahrungsmittelpreise. Steigende Preise haben Anpassungsreaktionen zur Folge und übernehmen eine ökonomische Anreizfunktion. Zum einen werden die Nachfrager vielleicht ihre Ernährungsgewohnheiten ändern (z.B. weniger Fleisch konsumieren) oder vermehrt andere Nahrungsmittel konsumieren. Für die Produzenten signalisieren die steigenden Preise zusätzliche Aussichten auf Gewinn. Gewinne sind wichtige Anreize, die Unternehmen für das eingegangene Risiko entschädigen. 9 Ökonomische Anreize Mikroökonomie Langfristig kann sich das Angebot ausweiten. Kurz- und langfristige Betrachtungen sind analytischer Natur und können nicht immer mit konkreten Zeiträumen (z.B. Monaten oder Jahren) verbunden werden. Regel Nr. 7.: Märkte sind häufig durch Informations- und Anreizprobleme sowie Risiko gekennzeichnet Informationen sind eine wichtige Entscheidungsgrundlage im Alltag. Ihre Beschaffung ist jedoch mit Kosten verbunden und in vielen Fällen gar nicht möglich. Auf einzelnen Märkten sind die Marktteilnehmer unterschiedlich informiert. Die asymmetrische Informationsverteilung beeinflusst das Verhalten der Beteiligten. Nutzt die besser informierte Marktseite einen Informationsvorsprung aus, sind die Marktergebnisse verzerrt. Die unterschiedliche Informationsverteilung kann zu Konflikten in Leistungs- und Vertragsbeziehungen führen. Die Lösung der Konflikte erfordert häufig institutionelle Regelungen. Unsicherheit und Risiko Unvollkommene Märkte und strategisches Verhalten Marktversagen Viele Entscheidungen von Menschen auf Märkten sind durch Unsicherheit geprägt. Als Risiko wird die Möglichkeit bezeichnet, dass das Ergebnis einer Handlung nicht den erwarteten Ausgang hat. Die meisten Menschen sind risikoscheu. Sie erhalten z.B. lieber 1.000 € mit Sicherheit als 2.000 € mit einer Wahrscheinlichkeit von 50%. Zur Absicherung von Risiken gibt es z.B. Versicherungen. Sie haben einen wichtigen Einfluss auf das Verhalten der Versicherten und können dieses in Richtung Sorglosigkeit verändern. Regel Nr. 8.: Märkte sind geprägt durch unvollkommenen Wettbewerb und strategisches Verhalten Häufig sind Märkte unvollkommen. Die Produktdifferenzierung gewährt Konsumenten eine vielfältige Auswahl von Gütern, die sich teilweise austauschen lassen. Jeder Anbieter hat dann die Möglichkeit, seine Preise im Hinblick auf Reaktionen und Aktionen von Konkurrenten zu beeinflussen. Im Extrem entstehen monopolähnliche Situationen. In manchen Situationen hängt das Resultat der Handlung einzelner Akteure wesentlich vom Verhalten anderer Akteure ab. In solchen Fällen spielt strategisches Denken eine zentrale Rolle. Absprachen und Kartellbildung können zu Benachteiligung von Marktteilnehmern führen. Regel Nr. 9.: Externe Effekte, öffentliche Güter und Allmendegüter führen zum Versagen von Märkten Externalitäten bestehen aus Kosten und Nutzen, die nicht über Marktpreise abgegolten werden. Ursächlich sind fehlende Eigentumsrechte. Im Fall von negativen (positiven) externen Effekten werden aus gesellschaftlicher Sicht zu hohe Kosten (zu wenig Nutzen) realisiert, da die Entscheidungen der Marktteilnehmer nur private Kategorien berücksichtigen. 10 Mikroökonomie Im Fall von öffentlichen Gütern können Nutzer nicht von der Nutzung ausgeschlossen werden und es liegt keine Rivalität im Konsum vor. Obwohl die Nutzer ein Interesse an der Bereitstellung eines solchen Gutes haben (z.B. Landesverteidigung), will niemand seine wahre Zahlungsbereitschaft offenbaren bzw. einen Marktpreis entrichten. Ein Allmendegut ist ein Gut, von dessen Nutzung niemand ausgeschlossen werden kann, um welches aber eine Rivalität zwischen den Nutzern herrscht. Diese Situation führt tendenziell zur Übernutzung von gesellschaftlichen Ressourcen (z.B. den Fischbeständen der Weltmeere). Regierungen können manchmal die Marktergebnisse verbessern Ziel des Wirtschaftens ist letztendlich die Erhöhung der Wohlfahrt. Dieser Begriff beschreibt nicht nur materielle, sondern auch immaterielle Werte wie z.B. Sicherheit, Gerechtigkeit oder die Bewahrung einer intakten Umwelt. Derartige Ziele sind häufig Anlass für Eingriffe des Staates in die Preisbildung. So könnte der Staat z.B. der Auffassung sein, dass die Preise für Nahrungsmittel aus sozialpolitischen Erwägungen eine bestimmte Höhe nicht überschreiten dürfen. In diesem Fall würden Höchstpreise festgelegt, die unterhalb des Gleichgewichtspreises bei freier Preisbildung liegen (Abb. 1.9). Konsequenz ist, dass die Nachfrage das Angebot übersteigt, d.h. ein Nachfrageüberhang vorliegt. Dieser Nachfrageüberhang muss dann durch andere als preisliche Maßnahmen abgebaut werden. Öffentliche Güter Regel Nr. 10.: Preis Angebot palt Höchstpreis Nachfrage xalt Menge Angebot < Nachfrage Abbildung 1.9: Höchstpreis als Beispiel für staatliche Eingriffe Die Aussage, dass der Staat die Marktergebnisse verbessern will, heißt nicht, dass dies auch geschieht. Staatliche Eingriffe können sogar das Gegenteil von dem bewirken, was eigentlich angestrebt wird. In diesem Fall liegt ein Staatsversagen vor. Es ist Aufgabe der Ökonomie, zu beurteilen, ob und inwieweit eine politische Maßnahme geeignet ist, die Wohlfahrt zu fördern. 11 Staatseingriffe und Staatsversagen Mikroökonomie 1.2 Methoden Die Mikroökonomie beschäftigt sich vorrangig mit der Frage, wie Märkte funktionieren, unter welchen Bedingungen Probleme in der Marktkoordination auftreten und wie sich diese lösen lassen. Die dabei verwendeten Methoden lassen sich am Beispiel des Marktes von Studierendenwohnungen deutlich machen (Varian (2011), Kap. 1). Modellbildung Optimierung 1. Modellbildung, exogene und endogene Variable Zunächst müssen wir den Markt genauer beschreiben. In einer Stadt mit z.B. 25.000 Studierenden und 10.000 Wohnungen geht dies nicht im Detail. Wir müssen uns also auf die wesentlichen Aspekte beschränken. Wir könnten also annehmen, dass die Wohnungen bis auf die Lage identisch sind. Es gibt Wohnungen, die in der Nähe der Hochschule (innerer Ring) und die weiter entfernt liegen (äußerer Ring). Wer keine Wohnung in der Nähe der Hochschule erhält, muss sich im äußeren Ring eine Wohnung suchen. Im äußeren Ring gibt es eine größere Zahl an Wohnungen, die auch preiswerter sind. Ausgehend von diesem Beispiel lassen sich Bausteine eines Modells entwickeln (Abb. 1.10). Fragestellung: Wie verläuft die Preisbildung für Wohnungen im inneren Ring? Exogene Variable sind Größen, die wir als gegeben betrachten. Sie werden außerhalb des Modells bestimmt. Dazu zählt im Beispiel der Preis für Wohnungen, die weiter von der Hochschule entfernt liegen. Endogene Variable: Dies sind Variable, die wir im Modell erklären wollen. Im vorliegenden Fall geht es um die Preisbildung für Wohnungen, die nahe an der Hochschule liegen. Positive Analyse: In diesem Fall fragen wir z.B. danach, wie die Wohnungen zugeteilt werden (Allokation). Hier können Angebot und Nachfrage aber auch andere Faktoren eine Rolle spielen. Wir interessieren uns nur für ökonomische Mechanismen und verzichten auf Werturteile. Normative Analyse: In diesem Fall würden wir Werturteile abgeben und z.B. die Mechanismen der Preisbildung bewerten. Partialanalyse: Wir analysieren nur den Markt für Wohnungen im inneren Ring. Totalanalyse: Werden mehrere Märkte und Zusammenhänge zwischen ihnen betrachtet, so handelt es sich um eine Totalanalyse (z.B. zwischen den Teilmärkten der Studierendenwohnungen im inneren und äußeren Ring). 2. Optimierung Mikroökonomisches Denken basiert häufig auf dem Prinzip der Optimierung. Jede Person trifft für sich die beste Entscheidung. 12 Mikroökonomie Studierende wählen die Wohnung aus, die sie sich leisten können und die am ehesten ihren Vorstellungen entspricht. Anbieter wählen die für sie beste Angebotsmenge und/oder den für sie besten Angebotspreis. Diese Annahmen erscheinen grundsätzlich vernünftig. Andere Verhaltensweisen müssen erklärt werden. Die Mikroökonomie unterstellt also, dass rational handelnde Menschen ihre eigenen Interessen verfolgen (Homo Oeconomicus). Homo Oeconomicus Modell Exogen: 20 Km Preis für Wohnungen, die weiter von der Hochschule entfernt liegen. Endogen: Preis für Wohnungen, die nahe bei der Hochschule liegen. Äußerer Ring p (€/m2) A(x) 7 N(x) x [Anzahl Wohnungen] Abbildung 1.10: Mikroökonomische Theoriebildung 3. Nachfrage und Angebot Wir können die Studierenden nach ihren Zahlungsbereitschaften für Wohnungen fragen und sie danach ordnen. Bei einem gegebenen Preis für Wohnungen im inneren Ring von z.B. 7 € je m2 würden dann alle eine Wohnung erhalten, deren Zahlungsbereitschaft darüber liegt. Alle anderen müssten eine Wohnung im äußeren Ring suchen. Bei einer großen Zahl von Studierenden verläuft die Nachfrage stetig und fallend. Bezogen auf das Angebot an Wohnungen können wir unterstellen, dass es eine große Zahl von Vermietern im Wettbewerb gibt, die die höchst möglichen Preise durchsetzen wollen. Wenn die potentiellen Mieter gut informiert sind, werden alle Wohnungen im inneren Ring zum Wettbewerbspreis von hier 7 € je m2 vermietet. 4. Gleichgewicht und Anpassungsprozesse Durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage kommt es zu einem Gleichgewicht. Beim Gleichgewichtspreis haben weder Mieter noch Vermieter einen Grund ihr Verhalten zu ändern – daher der Begriff Gleichgewicht: Wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt, können die Preise der Wohnungen erhöht werden. Liegt das Angebot oberhalb der Nachfrage, kommt es zum Leerstand und die Preise werden in der Regel durch die Vermieter gesenkt. 13 Nachfrage und Angebot Gleichgewicht Mikroökonomie Analyseformen CeterisparibusMethode 5. Analyseformen Für die mikroökonomische Analyse ist häufig der Zeitaspekt wichtig. Wenn das Angebot an Zimmern kurzfristig nicht ausgeweitet werden kann, verläuft die Angebotsfunktion senkrecht. Langfristig kann das Angebot jedoch z.B. durch Neubauten erweitert werden (Abb. 1.11). In diesem Fall verschiebt sich die Angebotsfunktion nach rechts und der Gleichgewichtspreis kann sinken. Die Betrachtung solcher Veränderungen des Marktes ist Gegenstand der komparativ-statischen Analyse. Hier werden das ursprüngliche und das neue Gleichgewicht miteinander verglichen. Die Prozesse der Anpassung an das neue Gleichgewicht bleiben außen vor. Dazu benötigen wir eine dynamische Analyse. 6. Ceteris-paribus-Methode Die nicht im Modell behandelten Einflüsse werden gedanklich ausgeblendet. Diese Ausklammerung ist als Ceteris-paribus-Methode (c.p.) bekannt („unter sonst gleichen Bedingungen“). Bisher haben wir unterstellt, dass sich die Preise für Studierendenwohnungen nur in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage bilden. In der Regel ist die Preisbildung aber auch von anderen Faktoren abhängig. Im Modell lässt sich die Bildung eines Gleichgewichtspreises hingegen nur unter Anwendung dieser Klausel betrachten. Andere Faktoren wie das Einkommen, die Preise anderer Güter, staatliche Einflüsse wie eine Zweitwohnungssteuer oder die Vorgabe von Mietobergrenzen bleiben ebenso außen vor wie die Vergabe von Wohnungen nach anderen Kriterien als dem Preis (z.B. Vergabe aufgrund persönlicher Präferenzen oder persönlicher Beziehungen). 1. Wettbewerbsmarkt (kurzfristig) p (€/m2) 2. Wettbewerbsmarkt (langfristig) p (€/m2) Neubau von Wohnungen 7 (komparative Statik) 5 7 x x [Anzahl Wohnungen] [Anzahl Wohnungen] 4. Mietpreiskontrolle (Staatliche Regulierung) 3. Gewinnmaximierung (Monopolfall) p (€/m2) p (€/m2) 9 7 7 6 p●x x Abbildung 1.11: 14 Mikroökonomische Analyseformen und Allokationsmechanismen Mikroökonomie 7. Vergleich der Allokationsmechanismen In der Regel werden verschiedene Allokationsmechanismen miteinander verglichen (positive Analyse) und bewertet (normative Analyse). So können wir vergleichen: Preisbildung von Studierendenwohnungen im Wettbewerb mit Einheitsmiete je m2. Preisbildung von Studierendenwohnungen, wenn nur wenige Anbieter existieren bzw. im Extrem ein einziger Anbieter (Monopol) den Markt dominiert und die Preise festsetzen kann. Preisbildung von Studierendenwohnungen, wenn die Stadt Obergrenzen vorgibt oder die Mietpreise kontrolliert. 8. Bewertung der Allokationsmechanismen Um die Mechanismen vergleichen zu können, benötigen wir einen Bezugspunkt. Dieser findet sich häufig im Konzept der Pareto-Effizienz. In diesem Fall kann man nur dann eine Person besser stellen, wenn man eine andere schlechter stellt. Bezogen auf unser Beispiel würde Pareto-Effizienz vorliegen, wenn alle Wohnungen im inneren Ring im Wettbewerb an die Personen mit der höchsten Zahlungsbereitschaft zugeteilt werden. Leerstände von Wohnungen, willkürliche Zuteilungen oder nicht-wettbewerbliche Strukturen würden hingegen nicht zur Pareto-Effizienz führen. 9. Analytisches Vorgehen Die Modellbildung ist analytisch geprägt. Dabei ist die Mathematik häufig ein hilfreiches Werkzeug. Die Annahmen werden transparent und sind nachvollziehbar. Hypothesen lassen sich dadurch leichter empirisch überprüfen. Allerdings macht die Anwendung von Mathematik aus einem Modell noch keine „gute Theorie“. Entscheidend ist der ökonomische Gehalt. 10. Empirische Überprüfung Ökonomische Theorien basieren auf Erfahrungswissen und sollen mit der Empirie in Übereinstimmung stehen. Im Idealfall kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen Theoriebildung und empirischer Überprüfung durch Konfrontation mit den Fakten, Test der Hypothesen und zur Veränderung der Theorie. Diese Vorgehensweise ist aufgrund der Komplexität ökonomischer Prozesse nicht einfach und anders als z.B. in der Physik ist kein „luftleerer“ Raum herstellbar. Allerdings macht dieser Sachverhalt die ökonomische Theorie in der Anwendung spannend. Übungsaufgaben 1.1: Regeln mikroökonomischen Denkens 1.2: Opportunitätskosten 15 Allokationsmechanismen ParetoEffizienz