Die Folge 1 zum Internationalen Polarjahr 2007/08 erschien in der Geographischen Rundschau 59 (2007) Heft 3, S. 64-65 Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet das deutsche IPJ-Komitee in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 beginnt und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 1: Zur Geschichte der Internationalen Polarjahre Das 1. Internationale Polarjahr 1882-1883 fand timen Observatoriums in Hamburg, einen ähnlichen ohne den Mann statt, der es auf den Weg gebracht Vorschlag für die Südhemisphäre gemacht. Bis zum 2. hatte. Carl Weyprecht, der den Grundstein für die Internationalen Meteorologischen Kongress im April systematische moderne Erforschung der Polargebiete 1879 in Rom wurde das Vorhaben skizziert. Eine in gelegt hatte, starb am 29. März 1881. Rom gegründete Internationale Polarkommission unter Weyprecht (1838 in Darmstadt geboren) trat mit 18 der Leitung von Georg von Neumayer sollte das nun so Jahren in die österreichische Kriegsmarine ein und genannte Internationale Polarjahr vorbereiten. Deutfiel durch seine organisatorische Wissenschaftler beteiligten sche Begabung, seine Charaksich mit zwei Expeditionen: Auf terstärke und ungewöhnliche Baffin Island (Nordost-Kanada) Führungsqualitäten auf. Sein im Kingua-Fjord und auf der Ziel wurde es, die Erforschung Inselgruppe South Georgia im der Nordpolargebiete voranzuSüdatlantik wurde je eine Statreiben. Bei der österreichischtion für meteorologische und ungarischen Expedition 1872magnetische Messungen betrie1874 verlor er zwar nahe der ben. Insgesamt nahmen an den von ihm entdeckten Inselgruppe Untersuchungen vom 1. August Franz-Josef-Land sein Schiff 1882 bis 31. August 1883 elf „Tegethoff”, aber er leitete aus Länder mit zwölf Stationen in Die Deutsche Station Kingua-Fjord im Cumberdiesen Erfahrungen wesentliche der Arktis und zwei Stationen land-Golf auf Baffin Island (Nordost-Kanada). Grundsätze für zukünftige Arkauf der Südhalbkugel teil. Lithographie von H. Denys. (Quelle: Neumayer tis-Expeditionen ab: Das 2. Internationale Polar1891) jahr 1932-1933 ging wieder auf einen deutschen Vorschlag zurück. Es sollte sich noch 1. Die arktische Forschung ist für die Kenntnis von Naturgesetzen von höchster Wichtigkeit. stärker als das erste auf die Erfassung meteorologischer 2. Die geographische Entdeckung in jenen Regionen und magnetischer Daten konzentrieren. Trotz finanziist nur insofern von höherem Wert, als durch sie das eller Probleme nahmen zwischen dem 1. August 1932 Feld für die wissenschaftliche Forschung in engerem und dem 31. August 1933 Teilnehmer aus 44 Ländern teil, die insgesamt 27 Beobachtungsstationen in der Sinne vorbereitet wird. 3. Die arktische Detailtopographie ist nebensächlich. Arktis betrieben. Von deutscher Seite wurden Routi4. Der geographische Pol besitzt für die Wissenschaft nemessungen intensiviert und einige Wissenschaftler keinen höheren Wert als jeder andere in höheren Breiten nahmen an Arktis-Expeditionen anderer Länder teil. gelegene Punkt. Das Internationale Geophysikalische Jahr 5. Die Beobachtungsstationen sind, abgesehen von 1957-1958 umfasste auch die beiden Polargebiete der Breite, um so günstiger, je intensiver die Erscheiund gilt deshalb ebenfalls als Internationales Polarjahr. nungen, deren Studium angestrebt wird, auf ihnen Der Zeitraum wurde auf 18 Monate verlängert, um in auftreten. beiden Polarregionen ein komplettes Jahr für Unter6. Vereinzelte Beobachtungsreihen haben mehr relasuchungen zur Verfügung zu haben. Zwischen dem tiven Wert. 1. Juli 1957 und dem 31. Dezember 1958 nahmen 67 Aus diesen Erkenntnissen heraus setzte er sich für Nationen mit etwa 4000 Stationen teil. In dieser Zeit den Aufbau von Observatorien in der gesamten Arktis wurden vor allem auf dem antarktischen Kontinent neue ein, die mindestens ein Jahr lang gleichzeitig meteoBeobachtungsstationen eingerichtet, z.B. die US-amerologische und magnetische Messungen durchführen rikanische Station McMurdo, die heute das Eingangstor sollten. Diese Empfehlung trug er bei der 48. Tagung in diesen Sektor der Antarktis ist. Direkte politische der Deutschen Naturforscher und Physiker 1875 in Graz Konsequenz der wissenschaftlichen Programme war vor. Zur gleichen Zeit hatte auch Georg von Neumayer, der Antarktisvertrag, der im Jahr 1959 von zunächst Direktor des gerade gegründeten Deutschen Marizwölf Ländern ausgehandelt wurde. Literatur: C. Lüdecke: Research Projects of the International Polar Years. Geographische Rundschau International Edition Vol 3 (2007), No. 2 G. Neumayer (Hrsg.): Die internationale Polarforschung 18821883. Die deutschen Expeditionen und ihre Ergebnisse. Bd. 2, Berlin (1891), S. 60 www.carl-weyprecht.org (Informationen zu Carl Weyprecht) www.dels.nas.edu/us-ipy/history.shtml (zur Geschichte der Internationalen Polarjahre) www.nas.edu/history/igy (zur Geschichte des Internationalen Geophysikalischen Jahres) www.scar.org/treaty/ (Informationen zum Antarktis-Vertrag) Internet: www.arctic.noaa.gov/aro/ipy-1/ (1. Internationales Polarjahr 1881-1884) Zusammenstellung: Monika Huch nach Informationen von Dr. Cornelia Lüdecke Die Folge 2 zum Internationalen Polarjahr 2007/08 erschien in der Geographischen Rundschau 59 (2007) Heft 4, S. 49 Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet das deutsche IPJ-Komitee in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 beginnt und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 2: Der deutsche Beitrag zum Internationalen Polarjahr Die polnahen Gebiete der Erde nehmen auf Grund ihrer z.B. der arktische Ozean oder das Land unter dem Eis geotektonischen und klimatischen Verhältnisse eine der Antarktis. Hier sollen die Programme im Internabesondere Rolle bei weltweiten Veränderungen in der tionalen Polarjahr gezielt Lücken schließen. Deutschland ist eines der führenden Länder in der Geo- und Biosphäre ein. Plattentektonische Rekoninternationalen Polarforschung mit einer Infrastruktur, struktionen zeigen, dass sich das östliche Nordpolarmeer in den letzten 50-60 Millionen Jahren als tiefes die Stationen in der Arktis und Antarktis, einen Forschungseisbrecher, Polarflugzeuge und umfangreiche Ozeanbecken geöffnet hat. Die Antarktis wurde vor Technik umfasst. Als deutscher Beitrag zum Internatio30-40 Millionen Jahren durch die Öffnung von Meeresnalen Polarjahr 2007/08 (IPJ) wurden vier wesentliche becken zwischen Australien und Südamerika und in der Folge durch die Entwicklung einer zirkumantarktischen Themenkomplexe ausgewiesen: Strömung isoliert. 1. Polargebiete im Wandel des Die Polargebiete sind SchlüsWeltklimas: Gegenwärtiselregionen für die Entwicklung ge Änderungen vor dem des Weltklimas. Die polaren Hintergrund des Wechsels Eisschilde bilden die größten zwischen Warm- und KaltSüßwasserspeicher der Erde, zeiten. deren Volumenänderungen 2. Wandernde Kontinente und unmittelbare Auswirkungen auf Evolutionsprozesse in den den Meeresspiegel haben. ZuPolargebieten. sammen mit dem polaren Meer3. Vorstoß in unbekannte Reeis beeinflussen sie die globale gionen. Strahlungsbilanz und die Zirku4. Entwicklung und Einsatz lation des Weltozeans. Durch die Forschen in Eis und Schnee: Deutsches Forinnovativer Technologien. Tiefen- und Bodenwasserbilschungscamp im Nordvictorialand, Antarktis dung in den polaren und subpoMehr als 40 deutsche Prolaren Meeresgebieten erfolgt die grammvorschläge wurden bei dem internationalen Umwälzung und die Erneuerung der ozeanischen WasPlanungskomitee des IPJ eingereicht. Alle wurden sermassen. Der Antarktische Zirkumpolarstrom ist das als wichtiger Beitrag zum IPJ bewertet; etliche der einzige Bindeglied für den klimawirksamen Austausch Vorschläge wurden dabei als „Lead Project” größerer von Wärme, Salz und Nährstoffen zwischen den großen Programme eingestuft und die Antragsteller wurden Ozeanbecken. Gleichzeitig hat das Südpolarmeer mit um die internationale Koordination dieser Programme seinen heute nur eingeschränkt genutzten Nährstoffen gebeten. Bundespräsident Dr. Horst Köhler hat die ein hohes Potential, durch biologische Abspeicherung Schirmherrschaft für die deutsche Beteiligung am Invon Treibhausgasen (CO2) auf das globale Klima einzuwirken. In der Arktis ist der Permafrost durch seine ternationalen Polarjahr übernommen. riesigen Methanvorkommen und deren unmittelbarer Das Internationale Polarjahr 2007/08 bietet die einNähe zur Atmosphäre hochgradig klimarelevant. Darzigartige Möglichkeit, den Dialog mit der Öffentlichkeit über hinaus münden 10% der globalen Flusseinträge und Bildungsinitiativen zu intensivieren. Dazu soll der in das Nordpolarmeer und steuern damit die globale Wissenstransfer auf breiter Basis international vernetzt Tiefenwasserzirkulation. und gleichzeitig mit den aktuellen wissenschaftlichen In den vergangenen Internationalen Polarjahren und Programmen geplant und umgesetzt werden. Besonden seither durchgeführten deutschen und internadere Aufmerksamkeit wird dem Wissenstransfer in die tionalen Polarforschungskampagnen sind wesentliche Schulen und Universitäten geschenkt. Durch die vielfälFortschritte zur geowissenschaftlichen, glaziologitigen und multidisziplinären Projekte während des IPJ, schen, ozeanographischen, klimatologischen und die auch attraktive Themen für Doktorarbeiten bieten, biologischen Erkundung der unwirtlichen und schwer soll außerdem eine neue Generation von Wissenschafterreichbaren Polargebiete gemacht worden. Trotz dielern herangebildet werden, die die Leistungsfähigkeit ser enormen Anstrengungen sind große Regionen in Deutschlands im internationalen Vergleich weiterhin polaren Breiten immer noch weitgehend unerforscht, gewährleisten wird. Literatur: Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr 2007/2008: International Polar Year 2007/08. Der deutsche Beitrag. Eine Vision für Forschung und innovative Technologien. (2005) www.bgr.de / Meeres- und Polarforschung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe www.ipy.org / das Internationale Polarjahr 2007/08 www.polarjahr.de / die deutsche Seite zum Internationalen Polarjahr www.dgp-ev.de / Deutsche Gesellschaft für Polarforschung e.V. Internet: Zusammenstellung: www.awi.de / Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung Monika Huch nach Informationen von Prof. Dr. Reinhard Dietrich Die Folge 3 zum Internationalen Polarjahr 2007/08 erschien in der Geographischen Rundschau 59 (2007) Heft 5, S. 53 Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet das deutsche IPJ-Komitee in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 beginnt und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 3: Wissenstransfer in die Öffentlichkeit Das Internationale Polarjahr 2007/2008 (IPJ) kommt werden, um längerfristig Partnerschaften zwischen genau zu dem Zeitpunkt, wo die Öffentlichkeit verstärkt Schulklassen und wissenschaftlichen Institutionen in über den Einfluss des Menschen auf die zukünftige Deutschland und Europa aufzubauen. Im Projekt „Coole Klimaentwicklung diskutiert und von der Wissenschaft Klassen” sollen Lehrer als Vermittler in internationaler genauere Daten über diese Entwicklung fordert. Die Zusammenarbeit spannende Ansätze für geplante Polarwissenschaft kann hier wesentliches beitragen, Klassenprojekte in den Naturwissenschaften entwickeln da die Polargebiete sowohl bedeutende Wetterküchen und dazu an wissenschaftlichen Forschungsprojekten als auch die Quelle der großen ozeanischen Kaltwasdirekt beteiligt werden. Ziel ist es, ein neues Bild der serströme sind. Außerdem können die Polargebiete Polargebiete zu vermitteln, Schulklassen durch Projekte aus den Eisarchiven der Polkappen solide Daten über am IPJ zu beteiligen, Schulen mit einem polaren „Profil” das Klima der Vergangenheit liefern. Das IPJ bietet herauszubilden und zu vernetzen. Diese Bemühungen eine einzigartige Möglichkeit, den Dialog der Wissenwerden durch die Robert-Bosch-Stiftung gefördert. schaft mit der Öffentlichkeit und Bildungsinitativen zu Die Projekte auf Schulebene werden im europäischen Verbund vor, während und nach intensivieren. Dies beinhaltet zum einen der Expedition durchgeführt. die Information einer breiten Erfahrungen können länderÖffentlichkeit durch die Medien, übergreifend ausgetauscht werzum anderen den Wissenstransden. Zentrales Forum für alle fer in die Schulen und Universibeteiligten Lehrer und Schulen täten. Folgende Aktivitäten sind wird ein durch die European geplant: Science Foundation zur Verfü> Nationale und internationale gung gestelltes Web-Portal sein Wettbewerbe für Schülerin(s.u.). In Deutschland werden nen und Schüler zum Thema die Schulaktivitäten zentral Polarforschung, Klima und koordiniert, Lehrer der Fächer Umwelt; Biologie, Chemie, Geographie > Teilnahme von Lehrpersonal und Physik über das Projekt inan Expeditionen mit Beteili- In anderen Ländern schon praktiziert Wis- formiert und Interessenten zur gung an der Gewinnung und senschaftler(innen) und Lehrer(innen) zu- Abgabe von Projektvorschlägen Auswertung von Messdaten; sammen auf Expedition aufgefordert. Kandidaten und > Entwicklung von UnterrichtsProjektziele werden dem European Polar Board bzw. der Deutschen Kommission materialien für verschiedene Altersstufen auf der für das Internationale Polarjahr übermittelt, die sich Grundlage aktueller Forschungsergebnisse; ihrerseits um Teilnehmerplätze bei IPJ-Expeditionen > Live-Unterricht und Internet-Chat mit Wissenschaftbemühen. lerinnen und Wissenschaftlern in den Polargebieten, aber auch zwischen Schulklassen verschiedener NaStudierende. Mit der Beteiligung von Studierenden am tionalitäten; IPJ soll der wissenschaftliche Nachwuchs vor Ort an die > Einrichtung von „Summer Schools” in gut zugänglichen Polarforschung herangeführt werden. Dazu sollen die polaren Regionen für Studierende; Studierenden in den Polargebieten unter Expeditions> Interdisziplinäre und internationale Ringvorlesungen bedingungen erste Erfahrungen sammeln. Der Kontakt an Universitäten und bei wissenschaftlichen Aktionstagen. zu erfahrenen Wissenschaftlern in laufenden Programmen der jeweils benachbarten Forschungsstationen soll zur Integration in die internationale Gemeinschaft der Schulprogramme. In Deutschland sind die PolargePolarforschung beitragen. Innerhalb eines vorgegebebiete in Lehrplänen nicht explizit vertreten und polare nen fachlichen Rahmens sollen sich Studierende mit Themen werden höchstens in Einzelfällen unterrichtet. eigenen Projektvorschlägen bewerben. Die Auswahl zur Junge Menschen nehmen Polarregionen daher nur Teilnahme erfolgt nach wissenschaftlicher Qualifikation bedingt und nicht ihrer heutigen Bedeutung gemäß und Erfolgsaussichten. wahr. Die Möglichkeiten des IPJ sollen deshalb genutzt Lehrerkoordinator: Dr. Rainer Lehmann, [email protected] www.polarjahr.de/Coole-Klassen.155.0.html (Projekt „Coole Klassen”) Internet: www.esf.org (European Science Foundation) Zusammenstellung: www.euroipy.org/Educationalgateway.html (European Polar Board, Lehrerforum) Monika Huch nach Informationen von Dr. Franz Tessensohn Die Folge 4 zum Internationalen Polarjahr 2007/08 erschien in der Geographischen Rundschau 59 (2007) Heft 7-8, S. 64-65 Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet das deutsche IPJ-Komitee in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 beginnt und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 4: Das Internationale Polarjahr im internationalen Zusammenhang Am 1. März 2007 begann das Internationale Polarjahr einer für die Beobachtungssysteme, für die Datenpolitik 2007/08 (IPJ) nach mehrjähriger Vorbereitung mit einer und das Datenmanagement sowie für die Nachwuchszentralen Veranstaltung in Paris und zahlreichen Verbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Im JC sind neben anstaltungen der teilnehmenden Nationen. Es ist eines ICSU und WMO maßgebliche Forschungsorganisationen, der größten Forschungsprogramme der Geschichte, wie die Intergovernmental Oceanographic Commission in dessen Rahmen rund 50.000 Teilnehmerinnen und (IOC), das Scientific Committee on Antarctic Research Teilnehmer mit einer unvergleichlichen logistischen (SCAR) und das International Arctic Science Committee Unterstützung die Arktis und Antarktis untersuchen (IASC) vertreten. Das Arctic Council (AC) und das Antwerden. arctic Treaty Consultive Meeting (ATCM) schicken Beobachter. Besonderer Wert wird beim Organisatorisch wird das JC IPJ darauf gelegt, dass die Menvom International Programme schen, die in den Polargebieten Office (IPO) unterstützt. Um Rat leben, nicht nur der Gegenstand und Unterstützung für Projekte wissenschaftlicher Untersuchunin der eurasischen Arktis zur gen sind, sondern als TeilnehVerfügung zu stellen, wurde mer aktiv bei der Gestaltung und ein IPY International Programme Umsetzung der Arbeiten mitwirSub-Office in St. Petersburg geken. In diesem Zusammenhang gründet. Kanada und Norwegen ist auch zu verstehen, dass das haben ebenfalls zirkumarktisch IPJ in starkem Umfang die Geausgerichtete IPJ-Büros eingesellschafts- und Lebenswissenrichtet. Für die Sicherung der schaften einschließt, wobei die Planung der Fernerkundung Gesundheit von Mensch und Tier Während der IPJ-Eröffnungsveranstaltung am mit Satelliten wurde eine Space ebenso von Projekten behandelt 1. März in Berlin Task Group gegründet. Um die wird wie die Geschichte und das traditionelle Wissen der arktischen Bevölkerung. Ein nächste Generation von Polarforschern heranzubilden, weiteres Ziel ist es, die Aufmerksamkeit der Menschen sind zwei Jugendorganisationen entstanden - „Youth der ganzen Erde auf die Polargebiete zu lenken. in IPY” und das „Young Career Scientist Network”, die Selbst unter Zusammenführung aller Kräfte und mit dem Education, Outreach and Communication Sublogistischen Kapazitäten ist es nicht möglich, alle committee zusammenarbeiten. Ein Zusammenschluss Messungen und Beobachtungen, die beide Polargebiete der Heads of IPY Secretariats (HAIS) arbeitet mit allen über den saisonalen Wechsel überdecken sollen, in nationalen IPJ-Ausschüssen zusammen. einem Jahr durchzuführen. Deshalb entschloss man Neben der Organisation, der Überwachung des sich, das IPJ von März 2007 bis März 2009 dauern zu Fortschritts und der Förderung des Zusammenwachlassen. Durchgehende Messungen von Satelliten, Stasens der Projekte wird das JC das Vermächtnis des IPJ tionen und autonomen Systemen spielen eine wichtige 2007/08 vorbereiten und sichern. Hier spielen BeobRolle, um den Mangel an Gleichzeitigkeit ausgleichen achtungssysteme, die während des IPJ eingerichtet zu können. oder konzipiert werden und nach dem IPJ nachhaltig Das IPJ wird vom Internationalen Wissenschaftsrat weitergeführt werden müssen, eine wesentliche Rolle. (International Council for Science ICSU) und der WeltEinen bedeutenden Teil des Vermächtnisses machen organisation für Meteorologie (World Meteorological die während des IPJ gemessenen Daten aus. Daher Organization WMO) organisiert. Am IPJ 2007/08 sind kommt der Datenpolitik und dem Datenmanagement 63 Nationen beteiligt. Über 1000 Projektvorschläge eine wesentliche Rolle zu, um die Daten so schnell, wurden in 228 internationalen und multidisziplinären so umfassend und so einfach wie möglich allen TeilLeitprojekten zusammengefasst, die die Basis für die nehmern des IPJ und der Öffentlichkeit zur Verfügung Forschungsaktivitäten im IPJ darstellen. Bisher haben zu stellen. Darüber hinaus stellen die gewonnenen 31 Nationen IPJ-Ausschüsse gebildet, um die Arbeiten Kenntnisse und das gewachsene Verständnis einen zu koordinieren. bedeutenden Teil des Vermächtnisses dar, aber auch Das IPJ 2007/08 wird durch einen von ICSU und politische Entwicklungen zur Öffnung der Arktis für die WMO eingerichteten Ausschuss (Joint Committee JC) internationale Forschung oder zur Vereinfachung der gesteuert, dem drei Unterausschüsse zuarbeiten - je Forschungskoordination sollen angestoßen werden. Literatur: ICSU/WMO Joint Committee for IPY 2007-2008: The scope of science for the International Polar Year 2007-2008. WMO/TDNo. 1364, World Meteorological Organization, Geneva 2007 Internet: www.ipy.org/index.php?/ipy/detail/ipy_chart_version_44/ (IPY Wabendiagramm mit allen 228 Leitprojekten) www.ipy.org/index.php?/ipy/detail/a_framework_for_the_ international_polar_year/ (Überblick über Themen, Ziele und Prioritäten im IPJ) Zusammenstellung: Monika Huch nach Informationen von Dr. Eberhard Fahrbach Die Folge 5 zum Internationalen Polarjahr 2007/08 erschien in der Geographischen Rundschau 59 (2007) Heft 9, S. 64-65 Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet das deutsche IPJ-Komitee in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 beginnt und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 5: Evolution und Biodiversität Die Polargebiete im Norden und im Süden der Erde bis in die Tiefsee hinein ein natürliches Evolutionslabor beherbergen hoch angepasste Faunen und Floren, die dar. In diesem Kontext wird das IPY-Leitprojekt Nr. 66 sich auf charakteristische Weise ähneln, aber auch we„System Coupling in the deep Southern Ocean SYSTCO” sentliche Unterschiede aufweisen. Einige Studien haben Kopplungsprozesse zwischen Atmosphäre, Pelagial und gezeigt, dass der marine Artenreichtum in der Antarktis Benthos erforschen: viel höher ist als in der Arktis, was vermutlich an dem > Satellitenaufnahmen der Ozeanoberfläche sollen inAlter dieser Lebensräume und der stärkeren Isolation direkt Auskunft über Aerosolkonzentrationen in der des Südkontinents liegt. Ihre heutige geographische Atmosphäre und die Lichtdurchlässigkeit geben. Verteilung beruht auf unterschiedlichen geologischen > Die atmosphärischen Prozesse haben Einfluss auf und klimatischen Bedingungen, durch die die jeweilige Prozesse in der Wassersäule (Pelagial) und daEvolution in den nördlichen und südlichen Polargebiemit auf die biogeochemischen Eigenschaften der ten beeinflusst wurde. Primärproduktion. Daher sollen die Rolle des NanoAuf beiden Hemisphären planktons im Nahrungsnetz haben sich unterschiedliche und die vertikale Verteilung Endglieder herausgebildet, die der Planktongemeinschaft das marine Nahrungsnetz nutbis in die Tiefsee untersucht zen. Im Nordpolargebiet spielen werden. flugfähige Vögel, Säuger (dar> Das Leben am Meeresboden unter der Eisbär) und die an (Benthos) hängt von Qualipolare Bedingungen vorzüglich tät und Quantität der durch angepasste menschliche Bedie Wassersäule sinkenden völkerung die wichtigste Rolle. Nährstoffe und von sediDagegen herrschen im Südpomentologischen und biogeolargebiet Pinguine und marine chemischen Bedingungen in Warmblüter vor. Für diese Enddiesem Lebensraum ab. glieder können heute paläontoDie Untersuchungen werden logische Alter angegeben werim südlichen Atlantik südwestden. In der Südhemisphäre sind lich von Kapstadt/Südafrika bis fossile Pinguine aus dem frühen zum antarktischen Schelf vor Tertiär (seit ca. 50 Millionen dem Weddellmeer entlang des Jahren) bekannt, der Ursprung 0°-Meridians durchgeführt. Es der übrigen Säugetiere liegt ist vorgesehen, dass die Lokavermutlich im mittleren Tertiär. tionen im Abstand von 5 bis 10 Der Eisbär und die Inuit auf der Jahren erneut beprobt werden, nördlichen Halbkugel haben um Veränderungen registrieren sich erst seit dem Ausgang der zu können. letzten Eiszeit (seit ca. 10.000SYSTCO ist Teil des übergrei15.000 Jahren) entwickelt. fenden Programms „Census of Insbesondere das marine Das Forschungsschiff „Polarstern” beprobt die Marine Life”, in dem DeutschÖkosystem des Südozeans stellt Tiefsee des Südozeans (Quelle: A. Brandt) land u.a. durch das Deutsche eine einzigartige Organismenwelt dar. Es ist kein einheitlicher Lebensraum, vielmehr Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (DZMB) am gliedert es sich in zahlreiche einzelne Bereiche auf. DaSenckenberg-Institut und das Alfred-Wegener-Institut her stellen die antarktischen Küsten- und Schelfmeere für Polar- und Meeresforschung vertreten ist. Literatur: ACIA (2005) Der Arktis-Klima-Report. Die Auswirkungen der Erwärmung. Convent Verlag Deutsche Forschungsgemeinschaft (2005) Deutsche Forschung in der Antarktis. Wissenschaftlicher Fortschritt und Perspektiven. Denkschrift. WileyVCH Weinheim Internet: www.awi.de (Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung) www.biologie.uni-hamburg.de/zim/niedere2/ Science%20Plan%20ANDEEP-SYSTCO-1pdf (Science Plan ANDEEP-SYSTCO) www.coml.org (Census of Marine Life) www.ipy.org/eoi/proposal-details.php?id=66 (Full Proposal Details) www.senckenberg.de/root/index.php?page_id=158 (Deutsches Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung) Zusammenstellung: Monika Huch nach Informationen von Dr. Angelika Brandt Polarforschung 76 (3), 141 – 142, 2006 (erschienen 2007) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 begann und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de Folge 6: Wetter und Klima in Polarregionen Arktis und Antarktis stellen die Kältesenken der atmosphärischen Zirkulation dar und beeinflussen die globale Zirkulation durch den meridionalen Energiegradienten zwischen den Polen und den Tropen. Atmosphärische Beobachtungsdaten für die Polarregionen in der Arktis und Antarktis sind nur spärlich vorhanden, da nur wenige Beobachtungsstationen existieren, die mit langfristigen Daten dienen können. Deshalb stellen neben Satellitendaten, die Reanalysen des ECMWF (European Center for Medium- Range Weather Forecast) und des NCEP (National Center for Environmental Prediction) einen brauchbaren Datensatz für die Polarregionen dar, der durch die Assimilation von existierenden Beobachtungsdaten in ein Wettervorhersagemodell erzeugt wurde. Zirkulation der Arktis Die arktische Winterzirkulation wird in der mittleren Troposphäre durch einen polaren Wirbel bestimmt, der mit seinem Druckminimum über Nordamerika liegt und sich bis nach Westeuropa erstreckt. Diese Druckverteilung wird durch die Orographie, die Land-Meerverteilung und die Strahlungssenke während der Polarnacht bestimmt. Der Polarwirbel schwächt sich im Sommer ab und wird stärker symmetrisch. Im Winter dominieren im Bodenluftdruck (Abb.1a) das Islandtief an der Südküste Grönlands, das Aleutentief im nordpazifischen Bassin und das Sibirienhoch über Zentraleurasien. Das Isländische Tief und das Aleutentief werden durch den thermischen Einfluß des relativ warmen Ozeans und die Entwicklung regionaler Zyklonen bestimmt. Das sibirische Hoch wird im wesentlichen durch langwellige Strahlungsabkühlung getrieben. Das Islandtief ist im Vergleich zum Winter im Sommer deutlich schwächer (Abb. 1b). Die Druckverteilung des Sommers zeigt den höchsten Luftdruck über Grönland, der Barents- und der Beaufortsee. Niedriger Luftdruck herrscht wieder im Islandtief, aber auch über Sibirien. Die mittlere Zirkulation des Winters wird durch großskalige planetare Wellenmuster bestimmt, die im Sommer wesentlich geringer ausgeprägt sind. Die niedrigsten mittleren Wintertemperaturen von unter -30 °C treten über Gebieten Sibiriens, dem eisbedeckten Arktischen Ozean, dem nördlichen Teil Kanadas und Grönlands auf. Die höheren Temperaturen über dem atlantischen Sektor sind mit ozeanischen Wärmeflüssen und starker Wolkenbildung und horizontalen Wärmeflüssen durch die nordatlantischen Zyklonenzugbahnen verknüpft, welche die Bildung von Meereis verhindern. Die tiefsten Temperaturen über Sibirien treten im Kältehoch auf, während ozeanische Wärmeflüsse durch das relativ dünne arktische Eis die Temperaturen über dem arktischen Ozean relativ hoch halten. Dieses globale Muster der Luftdruck- und Temperaturverteilung hat sich in den Jahren 1948-2000 deutlich verändert. In den Wintern trat eine signifikante Erwärmung und in den Sommern ein leichte Abkühlung auf. Die beobachtete Wintererwärmung steht im Zusammenhang mit den Änderungen der nordhemisphärischen Zirkulation und des Telekonnektionsmusters der Nordatlantischen Oszillation (NAO, Hurrell & Van Loon 1997, Dorn et al. 2003). Dieses natürliche Variabilitätsmuster zeichnet sich durch großräumige Schwankungen des Luftdruckes im Bereich des Islandtiefs und des Azorenhochs aus. Wettersysteme der Arktis Die winterliche Zyklonenaktivität ist am stärksten über der atlantischen Seite der Arktis und bildet einen wichtigen Teil der nordatlantischen Zyklonenzugbahn. Dabei treten bevorzugte Zyklonenzugbahnen im Winter über der Südspitze Grönlands im Zusammenhang mit dem Islandtief und in der Barent- und Karasee auf. In dieser Region entwickeln sich Zyklonen durch den großen Temperaturunterschied zwischen dem warmen, nordwärts fließenden Norwegenstrom und dem kalten, südwärts fließenden Ostgrönlandstrom in der Nähe der Eiskanten. Diese Zyklonen transportieren an ihrer Westflanke warme Luft und Drehimpuls polwärts und an der Ostflanke kalte Luft und Drehimpuls südwärts und bewegen sich von West nach Ost. Sommerzyklonen treten häufig über Osteurasien und Alaska auf (SERREZE 1995). Zirkulation der Antarktis Der antarktische Kontinent beeinflusst durch seine topographische Höhe von 2-4 km die Luftdruckverteilung und die Wettersysteme. Das Innere des antarktischen Kontinents ist von den warmen Luftmassen mittlerer Breiten relativ gut isoliert und durch sehr kalte, trockene und wolkenfreie Bedingungen charakterisiert. Dadurch ergibt sich eine relativ einfache Druckverteilung mit einem starken Kältehoch über dem Kontinent und einer im Vergleich zur stark durchmischten Arktis geringen jahreszeitlichen Variabilität. Der höchste Luftdruck tritt im Winter und im Sommer über dem antarktischen Kontinent auf, der von einem Gürtel niedrigen Luftdrucks 141 umgeben ist. Dieser Luftdruckgürtel ist im Winter stärker als im Sommer. Da die Land-Meerverteilung der Antarktis und der Arktis sich sehr deutlich unterscheiden, sind die durch die Topographie und Land-Meer-Kontraste angeregten langen planetaren Wellen in der Südhemisphäre wesentlich schwächer ausgebildet. Die baroklinen Wettersysteme spielen deshalb für die meridionalen Transporte von Drehimpuls und Wärme eine wichtigere Rolle als in der Nordhemisphäre. Wettersysteme der Antarktis Der stärkere meridionale Temperaturgradient zwischen der Antarktis und den Tropen ist verantwortlich für die zahlreichen Zyklonen über dem Südozean zwischen 60-70 °S, die mit einem Gürtel niedrigen Luftdrucks den antarktischen Kontinent einschließen, (KING & TURNER 1997). Diese Wettersysteme können sich infolge des starken Kältehochs nur eingeschränkt über den antarktischen Kontinent bewegen. Der Druckgradient zwischen dem kalten kontinentalen Hoch und den Zyklonen an den Küsten des Kontinents treibt die starken und peristenten Oberflächenwinde der Antarktis, die besonders stark während des Winters ausgeprägt sind und als katabatische Windsysteme bezeichnet werden. Eine bemerkenswerte Eigenschaft der Antarktis ist die starke Temperaturinversion an der Oberfläche, die stärker als in der Arktis ausgeprägt ist. Diese entsteht durch die Strahlungsabkühlung am Erdboden und der unteren Troposphäre. Klimaentwicklung von arktischen Prozessparametrisierungen beinflusst werden (DETHLOFF et al. 2006). Literatur Dethloff, K. et al. (2006): A dynamical link between the Arctic and the global climate system.Geophys. Res. Lett. 33: L03703, doi:10.1029/2005GL025245. Dorn, W. et al. (2003): Competition of NAO regime changes and increasing greenhouse gases and aerosols with respect to Arctic climate estimates.Climate Dyn. 21: 447-458. Hurrell, J.W. & H. van Loon (1997): Decadal variations in climate associated with the North Atlantic Oscillation.- Climate Change 36: 301-326. King, J.C. & Turner, J. 1997, Antarctic meteorology and climatology, Cambridge, Cambridge University Press. Rinke, A. et al. (2006): Evaluation of an ensemble of Arctic regional climate models: Spatiotemporal fields during the SHEBA year.- Climate Dyn. 26: 459-472, doi:10.1007/s00382-005-0095-3. Serreze, M.C. (1995): Climatological aspects of cyclone development and decay in the Arctic.- Atmosphere-Ocean 33: 1-23. Internet: <www.awi.de/www-pot/atmo/glimpse> (Informationen zum EU- Forschungsprojekt GLIMPSE „Global implications of Arctic climate processes and Feedbacks“) <www.ecmwf/int./research/era/> (European Center for Medium-Range Weather Forecast) Zusammenstellung: Prof. Dr. Klaus Dethloff Der jahreszeitlich variierende Luftdruckgürtel um die Antarktis beeinflusst die Verteilung des Meereises. Dieses ist im Unterschied zur Arktis dünner und ca. 1 m dick. Der Effekt der sich bewegenden Wettersysteme führt über dem südlichen Ozean zu offenen Wasserflächen (Polynjas), die lokale Quellen für Wärme und Feuchte und damit für Wolken darstellen und die Kopplung zwischen Atmosphäre, Ozean und Meereis beeinflussen. Globale Auswirkungen polarer Klimaprozesse Die globalen Auswirkungen verbesserter arktischer Prozessparametrisierungen wurden in dem europäischen Forschungsprojekt GLIMPSE (Global implications of Arctic climate processes and feedbacks; (http://www.awi-potsdam.de/wwwpot/atmo/glimpse) untersucht. Dabei wurden acht verschiedene regionale Modelle der arktischen Atmosphäre mit einer hohen horizontalen Auflösung im gleichen Integrationsgebiet angewendet und die Modellunsicherheiten infolge verschiedener Parametrisierungen der Strahlung, der arktischen Grenzschicht und Permafrostprozessen gegen Beobachtungsdaten verglichen. Während die simulierten Temperatur- und Windfelder gut mit den Beobachtungen übereinstimmen, haben die Modelle große Probleme bei der Simulation des Wolkenwassergehaltes, (Rinke et al. 2006). Dies führt zu einem Fehler in der zum Erdboden reflektierten langwelligen Strahlung und fehlerhaften Energieflüssen an der Erdoberfläche. Zukünftige Modellentwicklungen in enger Abstimmung mit Feldmessungen während des IPY 2007-08 erfordern eine verbesserte Beschreibung arktischer Aerosole, die als Kondensationskeime für Wolkenbildung dienen. Eine verbesserte Parametrisierung der Eis- und SchneealbedoRückkopplung wurde in einem regionalen Modell getestet und dann in ein globales Klimamodell implementiert. Dabei zeigte sich, daß die Energiesenke der Arktis starke Einflüsse auf das globale Klima und das Fernverbindungsmuster der Arktischen Schwingung ausübt und damit auch Szenarien der zukünftigen 142 Abb. 1a: Wintermittel des Bodenluftdrucks (hPa) in der Arktis für 1990-2000 aus ERA40 Daten. Abb. 1b: Sommermittel des Bodenluftdrucks (hPa) in der Arktis für 19902000 aus ERA40 Daten. Polarforschung 76 (3), 143 – 144, 2006 (erschienen 2007) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 begann und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de Folge 7: Die bipolare Klimamaschine (BIPOMAC) Paläoklimatologische Untersuchungen zeigen, dass physikalische und biologische Prozesse in den polaren Meeres- und Landgebieten einschließlich der Eisschilde von Grönland und der Antarktis auf Zeitskalen zwischen Jahrzehnten und Jahrtausenden entscheidenden Einfluss auf den Zustand und die Entwicklung des globalen Klimas und damit des Meeresspiegels haben. Diese Prozesse haben mit den biologischen Kreisläufen in polaren Meeresgebieten, der Bildung polarer Wassermassen, der Verbreitung des Meereises, der atmosphärischen Zirkulation einschließlich des Transports von Wasserdampf, dem Verhalten von Permafrost sowie dem Umfang und der Stabilität der polaren Eismassen zu tun. Ziel des IPY-Projekts BIPOMAC (Bipolar Climate Machinery) ist es, während des Internationalen Polarjahres und darüber hinaus die Kenntnisse über Klima steuernde polare Prozesse, ihre bipolaren Wechselwirkungen sowie Auswirkungen auf den Umfang und die zeitliche Entwicklung pola rer und globaler Klimaänderungen wesentlich zu verbessern. Grundlage dieser Arbeiten ist die Rekonstruktion von Klimaänderungen und Klimazuständen in der jüngeren Erdgeschichte, also im Holozän, Pleistozän und Pliozän, der Polargebiete. Dazu werden Klimainformationen aus den verschiedensten Archiven, z.B. marinen und limnischen Sedimenten, Permafrostabfolgen und den kontinentalen Eisschilden, miteinander verknüpft. Mit Hilfe numerischer Modelle werden die Datensätze analysiert, um damit weitere Grundlagen für eine realistische Abschätzung der zukünftigen Entwicklung des Klimas und des Meeresspiegels zu erhalten. Bereits heute ist zu erkennen, wie empfindlich die Polargebiete auf Klimaänderungen reagieren. Die Verringerung des arktischen Sommermeereises und der Eismassen auf Grönland und der Antarktischen Halbinsel sind ein deutliches Zeichen für die voranschreitende Erwärmung der Polargebiete, die die Erwärmung in anderen Breiten deutlich übertrifft. Das komplexe Wechselspiel der „bipolaren Klimamaschine” lässt sich besonders eindrucksvoll an Klimazeitreihen aus polaren Eisbohrkernen dokumentieren und – gestützt auf Klimamodellierungen und marine Datensätze – interpretieren. Dabei spielt die thermohaline Ozeanzirkulation (THZ) eine große Rolle. Die Funktionsweise der „bipolaren Klimamaschine” lässt sich dem folgenden Schema (Abb. 1) entsprechend beschreiben: Ansteigende Insolation im Sommer auf der Nordhemisphäre führt – einhergehend mit einer Zunahme der Treibhausgaskonzentration – ab etwa 21.000 Jahren vor heute in den Übergang vom Letzten Glazialen Maximum (LGM) in die heutige Warmzeit (1). Auf der Nordhemisphäre (NH) wird die Erwärmung durch Schmelzwassereintrag in den Nordatlantik abrupt unterbrochen (2), was zu einer deutlichen Reduzierung bzw. zu einem Zusammenbruch der Nordatlantischen Tiefenwasserbildung und der atlantischen THZ führt. Die Südhemisphäre (SH) reagiert mit zunehmender Erwärmung, die nach Erreichen eines Schwellenwertes eine rasche Ankurbelung der THZ und damit einhergehend eine Erwärmung der NH bewirkt (3). Schmelzwassereinträge in den Südozean führen zu einer Abkühlung der SH. Diese Störung bewirkt eine weitere Erwärmung der NH (4), die durch einen erneuten Schmelzwassereinbruch in den Nordatlantik unterbrochen wird und eine Erwärmung der SH zur Folge hat (5). Nach Erreichen eines Schwellenwertes kommt es wieder zu einer raschen Ankurbelung der THZ und Erwärmung auf der NH (6). Danach etabliert sich ein weitgehend stabiles warmes Klima – das Holozän – bei relativ gleich bleibenden Treibhausgaskonzentrationen, das nur noch einmal vor ca. 8000 Jahren vor heute durch eine kurzzeitige Abkühlung unterbrochen worden ist. Erst seit ca. 1750 und verstärkt in den vergangenen 50 Jahren wird das natürliche Klima durch menschliche Einflüsse mit globaler Auswirkung verändert. Noch sind bei weitem nicht alle Prozesse und Wechselwirkungen, die das Klimageschehen und den damit verbundenen Meeresspiegelstand in seiner natürlichen Variationsbreite steuern, hinreichend verstanden und es sind auch noch nicht alle potentiellen Gebiete mit Steuerungsfunktion untersucht worden. Vor dem Hintergrund des sich durch menschliche Einflüsse wandelnden polaren und globalen Klimas sollen die unter BIPOMAC versammelten Projekte zu einem wesentlichen Kenntnis- und Verständniszuwachs beitragen. Wissenschaftler aus 22 Nationen werden eine Reihe von Expeditionen in bislang wenig untersuchte polare Land- und Meeresgebiete durchführen, wobei u.a. deutsche, italienische, französische, englische und chinesische Forschungsschiffe zum Einsatz kommen. Bei diesen Expeditionen werden Schüler, Studenten, 143 Lehrer und Journalisten Gelegenheit haben, unmittelbare Einblicke in die internationale Paläoklima- und Polarforschung zu bekommen (vgl. Folge 3). Literatur EPICA community members (2006): One-to-one coupling of glacial climate variability.- Nature 444: doi:10.1038/nature05301. Stocker, T.F. (2003): South dials north.- Nature 424: 496-499. BIPOMAC-Koordination: Rainer Gersonde, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven; <[email protected]> Zusammenstellung: Dr. Rainer Gersonde und Monika Huch Abb. 1: Schematische Darstellung der Funktionsweise der „bipolaren Klimamaschine”. 144 Polarforschung 77 (1), 37 – 38, 2007 (erschienen 2008) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 begann und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Bisher erschienene Berichte zum IPY 2007/2008: Folge 1: Zur Geschichte der Internationalen Polarjahre, GR* 59, Heft 3, S. 6465. Folge 2: Deutscher Beitrag zum Internationalen Polarjahr, GR* 59, Heft 4, S.49. Folge 3: Wissenstransfer in Schule und Öffentlichkeit, GR* 59, Heft 5, S. 53. Folge 4: Das IPJ im internationalen Zusammenhang, GR* 59, Heft 7/8, S. 6465. Folge 5: Evolution und Biodiversität, GR* 59, Heft 9, S. 64-65. Folge 6: Wetter und Klima in Polarregionen, Polarforschung, 73(3), S. 141142. Folge 7: Die bipolare Klimamaschine (BIPOMAC), Polarforschung 73(3), S. 143-144 GR* = Geographische Rundschau Folge 8: Coole Klassen – Schulprojekte im IPY Die vergangenen Winter waren zu warm, das Frühjahr 2007 zu warm und zu trocken und der Sommer 2007 kühl und feucht. Dass das Klima sich ändert, erfahren junge Menschen hautnah und zudem aus allen Medien. Sie wissen jedoch kaum etwas über die Bedeutung und Sensibilität der Polargebiete im weltweiten Klimasystem. Das Projekt „Coole Klassen” möchte Schüler für die Polargebiete faszinieren und ihnen die fragile Natur nahe bringen. Dies soll eine Grundlage für einen bewussteren Umgang mit der Natur sein. In den Schulen werden die Polargebiete trotz ihrer Bedeutung für das globale Klimasystem zu wenig thematisiert. Schüler kennen teilweise elementare Unterschiede zwischen Arktis und Antarktis nicht, sie nehmen die Polargebiete normalerweise nur bedingt und nicht ihrer Bedeutung gemäß wahr. Neben den wissenschaftlichen Forschungsarbeiten ist daher der Wissenstransfer auf breiter Basis in die Öffentlichkeit und speziell in die Schulen ein wesentliches Ziel des Internationalen Polarjahres, um junge Menschen zu erreichen und für das System Erde zu sensibilisieren. Im Projekt „Coole Klassen” werden Schulen an wissenschaftliche Forschungsprogramme herangeführt. In seiner Ausrichtung auf die Fächer Geographie, Biologie, Physik, Chemie und Sozialkunde ist es fächerübergreifend angelegt, um die Schüler mit aktuellen und für unsere Gesellschaft wesentlichen Forschungsfragen und -ergebnissen vertraut zu machen. Dadurch soll der Unterricht an den Schulen langfristig positive Impulse erhalten. Eine zukünftige Kooperation zwischen Schulen und Forschern ist ausdrücklich erwünscht. Abb. 1: Schüler erkunden klimatisch-physikalische Zusammenhänge (Foto: R. Lehmann) Bisher engagieren sich über 130 Lehrer in ganz Deutschland am Projekt „Coole Klassen”. Die Lehrer haben sich konkrete Aufgaben gegeben, die sie als aktive Teilnehmer in den jeweiligen Schulprojekten wahrnehmen. Das attraktivste Angebot für die Lehrer ist die Teilnahme an wissenschaftlichen Expeditionen. Ziel ist hierbei eine enge Anbindung an die wissenschaftliche Arbeitsweise, um diese auch den Schülern zu vermitteln. Die Zusammenarbeit in den wissenschaftlichen Programmen findet zwischen deutschen, europäischen und außereuropäischen Lehrern sowie den Wissenschaftlern statt. Zielgebiete sind polare Meeresregionen und Landflächen in der Arktis und Antarktis, beispielsweise der Nordatlantik und die Antarktis. In selbst gewählten Polarprojekten erarbeiten Lehrer mit ihren Schülern die wesentlichen Fragestellungen, vertiefen die Themen in ihren Kursen oder bauen Partnerschaften mit Schulen in Polargebieten auf. In einem künstlerischen Wettbewerb konnten Schüler aller Altersklassen ihre Vorstellungen der Polargebiete auf unterschiedliche Weise darstellen. Einige Ergebnisse sind unter www.polarjahr.de zu sehen. 37 Langfristige wesentliche Ergebnisse des Projekts „Coole Klassen” werden die Ausarbeitung von Arbeitsmaterialien, Schulbuchinhalten und Themenheften sowie die Einbringung polarer Themen in die Curricula, Lehr- oder Rahmenpläne der Bundesländer sein. Ziel des Projektes ist es, eine nachhaltige Wirkung in der deutschen Bildungslandschaft zu hinterlassen. Im Herbst 2007 nahm ein Lehrer an der geowissenschaftlichen Expedition ANDRILL (Antarctic Geological Drilling) in die Antarktis teil, und im Winter/Frühjahr 2008 (d.h. im Südsommer) arbeiteten zwei Lehrer an Bord POLARSTERN im Südatlantik und Weddellmeer in Projekten der physikalischen Ozeanographie mit. Es ist weiterhin möglich und erwünscht, sich am Projekt zu beteiligen. Ein erstes Arbeitstreffen fand im Februar 2007 in Hannover statt, gefolgt von Arbeitstreffen der LehrerKommission im April und September, sowie einer Gesamttagung im September 2007. Expeditionsplätze wurden bereits an Lehrer vermittelt. Im Sommer 2007 fuhren sie mit dem Eis brechenden Forschungsschiff POLARSTERN des AlfredWegener-Instituts, dem Eisrandschiff MARIA SYBILLA MERIAN sowie mit dem schwedischen Eisbrecher ODEN in das Europäische Nordmeer, um bei Forschungsarbeiten an Bord aktiv mitzuwirken. Themen waren Tiefseebiologie (auf POLARSTERN), physikalische Ozeanographie (auf MARIA S. MERIAN) und „Hydrovents“ – hydrothermale submarine Gasaustritte (auf ODEN). Die Aktivitäten im Rahmen von „Coole Klassen” werden durch die Robert-Bosch-Stiftung, die Stiftung AlfredWegener-Institut für Polar und Meeresforschung (AWI) in der Helmholtzgemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF), die Deutsche Gesellschaft für Polarforschung (DGP) und das European Polar Board (EPB) der European Science Foundation (ESF) unterstützt. Links: <www.polarjahr.de/Coole-Klassen.155.0.html> <www.dgp-ev.de> <www.ipy.org> Kontakt: Dr. Rainer Lehmann, Freie Waldorfschule Hannover-Bothfeld, Weidkampshaide 17, 30659 Hannover, <[email protected]> Zusammenstellung: Dr. Rainer Lehmann und Monika Huch 38 Polarforschung 77 (1), 39 – 40, 2007 (erschienen 2008) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 begann und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 9: Klimabohrung in der Antarktis – ANDRILL Für die Rekonstruktion des Klimas der letzten 20 Millionen Jahre wird im Projekt ANDRILL (Antarctic Geological Drilling) in die Sedimente des McMurdo-Sunds in der Antarktis gebohrt. Wissenschaftler aus USA, Neuseeland, Italien und Deutschland interessiert dabei vor allem die Ausdehnung des Schelfeises in den jeweiligen Kalt- und Warmzeiten der Erdgeschichte. Schelfeis ist auf dem Meer aufschwimmendes Gletschereis, das noch mit dem Festlandeis verbunden ist. Schmilzt das Schelfeis in größeren Mengen ab, wird das Festlandeis mobilisiert, fließt schneller vom Kontinent ab und taut anschließend im Meer auf. Als Folge davon steigt der Meeresspiegel weltweit an, weil weniger Wasser in Form von Eis auf dem antarktischen Kontinent festgehalten wird. Aus der Kenntnis über Vorhandensein oder Fehlen des antarktischen Schelfeises bei verschiedenen Klimazuständen in der Vergangenheit können die Auswirkungen einer Klimaänderung – etwa der heutigen – auf den Meeresspiegel besser abgeschätzt werden. Meeressedimente als Klimaarchiv In den Sedimentschichten des Meeresbodens sind zahlreiche Informationen über die Klima- und Umweltbedingungen der letzten Jahrmillionen enthalten. Wie hat sich der Eisschild der Antarktis gebildet? Wie groß war die maximale Ausdehnung des Eises in der Vergangenheit? Wenn man Temperatur und Eisbedeckung in einen Zusammenhang bringen kann, kann man auch den Eisverlust und damit den Meeresspiegelanstieg durch den heutigen Klimawandel beurteilen. An den frisch erbohrten Sedimenten wird sofort die geologische, chemische und physikalische Zusammensetzung der Bohrkerne untersucht. Sind beispielsweise Steine in feinkörnigem Sediment vorhanden, so deutet dies darauf hin, dass sie mit Gletschereis vom antarktischen Festland dorthin transportiert worden sind. Dies bedeutet, dass die Antarktis zum fraglichen Zeitpunkt eisbedeckt gewesen sein muss. Größere Mengen an Resten von Algen, die nur im offenen Meer leben können, verweisen dagegen auf eisfreie Bedingungen in der Umgebung der Bohrstelle zu Zeiten, als diese abgestorbenen Algen zum Meeresboden gesunken sind. Genau dieser Befund wurde in den Bohrkernen der ersten ANDRILL-Bohrung im Jahr 2006 unter dem Schelfeis in einem Zeitfenster zwischen zwei und fünf Millionen Jahren vor heute mehrfach festgestellt. Diese in relativ kurzer Abfolge abwechselnd auftretenden Ablagerungsbedingungen werden im Bohrkern durch sandig-steinige bzw. mit Algenresten durchsetzte Sedimente charakterisiert. Sie lassen darauf schließen, dass es in der Vergangenheit wesentlich häufiger – als es heute zu beobachten ist – zum Abschmelzen und zur Neubildung des Schelfeises kam. Technische Herausforderung auf dem Eis Die Bohrung in der Antarktis ist eine große technische Herausforderung. Im vergangenen Jahr wurde vom 80 m dicken Schelfeis gebohrt. In diesem Jahr steht der Bohrturm 45 km von dieser Bohrung entfernt auf 8 m dickem Meereis mit einer Wassertiefe von 390 m bis zum Meeresboden. Um das Gewicht des Bohrturms auszugleichen, wurden unter dem Eis große Auftriebskörper angebracht. Und es muss schnell gebohrt werden. Anfang Dezember, wenn die Temperaturen in der Antarktis bis in den 0 °C-Bereich ansteigen, muss das Bohrcamp wieder abgebaut werden. Ziel ist es, bis zu diesem Zeitpunkt einen Bohrkern von ca. 1000 m Länge zu gewinnen. Untersuchung und Auswertung dieses nur wenige Zentimeter dicken, aber rund einen Kilometer langen Bohrkerns wird viele Monate dauern. Forschung live ins Klassenzimmer Polarforschung im Internationalen Polarjahr 2007/08 bindet auch die Öffentlichkeit ein. Ein wichtiges Ziel von ANDRILL ist es daher, Schülerinnen und Schüler für die Polarforschung zu begeistern und für den Klimawandel zu sensibilisieren. In der Antarktis sind neun Lehrer aus den USA, Neuseeland, Italien und Deutschland vor Ort und arbeiten zusammen mit den Wissenschaftlern an den Bohrkernen. Sie wollen ihre Erfahrungen mit der aktuellen Forschung in die Klassenzimmer ihrer Heimatländer tragen. Dr. Rainer Lehmann von der Freien Waldorfschule Hannover-Bothfeld ist Mitglied des Teams (siehe Folge 8). Links: <www.andrill.org> Kontakt: Dr. Frank Niessen, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven, <[email protected]> Zusammenstellung: Dr. Frank Niessen, Dr. Gerhard Kuhn und Monika Huch 39 Abb. 1: Der ANDRILL-Bohrturm auf dem Eis im McMurdo-Sund (Foto: F. Niessen) Abb. 2: Blick aus dem Hubschrauber auf die ANDRILL-Bohrstelle auf dem Mereis und das Camp, in dem die Wissenschaftler arbeiten. Im Hintergrund die Berge des Transantarktischen Gebirges (Foto: F. Niessen) 40 Polarforschung 77 (1), 41 – 42, 2007 (erschienen 2008) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 begann und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 10: Langfristige Klimabeobachtungen DAMOCLES in der Arktis – In der Arktis wird der Klimawandel bereits seit mehreren Jahren beobachtet. Gegenüber globalen Beobachtungen ist die Lufttemperatur dort in den letzten Dekaden doppelt so stark angestiegen wie in anderen Klimazonen. Die Fläche, die im Arktischen Ozean im Sommer von Meereis bedeckt ist, hat seit 1978 – seitdem es zuverlässige Satellitenmessungen gibt – um mehr als 20 % abgenommen. Die sommerliche Eisbedeckung hat im September 2007 ein absolutes Minimum erreicht. Weitere Messungen deuten darauf hin, dass auch die Dicke des Meereises abnimmt. Im Nordpolarmeer wird eine seit Jahren andauernde Erwärmung gemessen. Modellrechnungen des Deutschen Klimarechenzentrums bestätigen diese Veränderungen und kommen bei entsprechenden Hochrechnungen zu dem Ergebnis, dass die Arktis ab 2080 im Sommer eisfrei sein könnte, wenn diese Entwicklung anhält. Andere Modelle sagen sogar eine noch schnellere Abnahme voraus. Dies wird weit reichende Auswirkungen für die arktischen Völker und die Natur haben, Lebensräume werden verloren gehen, neue entstehen. Die Nutzung des Arktischen Ozeans als Seeweg und zur Gewinnung von Bodenschätzen wird dramatisch zunehmen. Um die dominierenden Prozesse bei der Abnahme des Meereises verstehen zu können, ist es notwendig, diese Veränderungen mit ausreichend hoher zeitlicher und räumlicher Überdeckung zu erfassen. Zur Verbesserung der Computersimulationen werden ergänzende Messdaten benötigt. Hierzu sind insbesondere Messungen auf und unter dem Meereis erforderlich, welche die Informationen der Satelliten ergänzen und ggf. bestätigen. Einsatz Eis brechender Schiffe Im Rahmen von DAMOCLES (Developing Arctic Modelling and Observing Capabilities for Longterm Environmental Studies) werden mehrere Eis brechende Schiffe eingesetzt, um Messungen auszuführen. Dazu gehören die vom AlfredWegener-Institut betriebene Polarstern und die russischen Forschungsschiffe Kapitan Dranitsyn und Akademik Fedorov. Mit hoher Genauigkeit werden Temperatur und Salzgehalt in der gesamten Wassersäule gemessen. Die Bestimmung der Konzentrationen an gelösten Substanzen wie Sauerstoff, Nährstoffen und gelöstem Kohlendioxid, aber auch Spurenstoffen, die natürlichen Ursprungs sind oder vom Menschen (z.B. durch die Aufbereitung nuklearen Materials) frei gesetzt werden und in den Ozean gelangen, erfolgt in aufgenommenen Wasserproben. Weiterhin werden die Eigenschaften des Meereises vom Schiff aus erfasst. Mit Hilfe von Hubschraubern wird im weiteren Bereich um das Schiff die Meereisdicke mit elektromagnetischen Sensoren gemessen. Diese Messungen werden durch Stationen wie die russische Eisstation NP-35, die im Nordsommer 2007 auf Grund der Abnahme des Meereises nur mit Mühe auf einer geeigneten Eisinsel ausgebracht werden konnte, und das französische Schiff „Tara“, das wesentlich schneller mit dem Meereis driftete als erwartet, ergänzt. Zusätzlich werden die meteorologischen und physikalischchemischen Bedingungen in der Atmosphäre bis in hohe Schichten gemessen. Autonome Messsysteme Autonome Systeme führen automatisch Messungen aus und übertragen die Daten an Landstationen. Die verschiedenen eingesetzten Messsysteme werden im Blockbild veranschaulicht. Ein zum Global Ocean Observing System (GOOS) bereits weit entwickeltes Instrument sind Driftkörper (floats), die in 2000 m. Ist die Datenübertragung abgeschlossen, tauchen sie wieder ab und lassen sich weitere zehn Tage in der Tiefsee treiben. Eine Weiterentwicklung dieser „Floats” stellen Gleiter dar, die sich nicht passiv treiben lassen, sondern durch kleine Flügel das Auf- und Abtauchen zur Horizontalbewegung nutzen, ohne zusätzliche Energie zu benötigen. Sie sind in der Lage, sich im Ozean in eine gewünschte Richtung zu bewegen und können so gezielt Messungen ausführen. In eisbedeckten Gebieten sind diese Methoden nicht anwendbar, da die Geräte durch das Eis nicht an die Wasseroberfläche kommen können. Im DAMOCLES-Projekt werden daher neue Wege gegangen, um auch Daten aus dem Ozean unter dem Eis zu erhalten. So werden Bojen von Schiffen oder Flugzeugen auf dem Eis ausgesetzt. Sie sind mit einem langen Kabel unter dem Eis verbunden, an dem Messgeräte wie die „Floats” auf- und absteigen und die gemessenen Daten über ein Kabel an die Boje auf dem Eis übertragen, die ihrerseits die Daten an die Empfangsstation weiterschicken. Auf diese Weise können Temperatur, Salzgehalt und auch Meeresströmungen unter dem Eis gemessen und über Satelliten übertragen werden. Ergänzend werden automatische Messstationen 41 auf dem Eis eingerichtet, die atmosphärische Größen wie Luftdruck, Wind und Temperatur sowie die Eisdicke messen. Ein anderer Bojentyp driftet unter dem Eis und misst mit einem Echolot den Abstand zur Unterseite des Eises. Da die Tiefe der Drift über Druckmessungen bestimmt werden kann, kann aus dem Abstand die Eisdicke berechnet werden. Um die Daten zu übertragen, müssen diese Eisdickenbojen entweder im Sommer eine Stelle mit offenem Wasser antreffen oder die Daten an einen Gleiter übertragen, der dann zu einer Relaisstation gesteuert wird. Sie befindet sich auf dem Eis und hat einen akustischen Empfänger unter dem Eis. Die Daten müssen mit akustischen Modems vom „Float“ zum Gleiter und vom Gleiter an die Relaisstation auf dem Eis übertragen werden. Diese aufwändige Steuerungstechnologie der Systeme wird im Rahmen von DAMOCLES entwickelt. Eine weitere Art, Messmethodik im Ozean sind so genannte Verankerungen. Dazu werden Messgeräte an einer am Meeresgrund verankerten Leine befestigt und von einer Art Ballon senkrecht in der Wassersäule gehalten. Im Rahmen von DAMOCLES werden derartige Verankerungen in der Framstraße – zwischen Grönland und Spitzbergen – und an mehreren Stellen an den Kontinentalabhängen im Arktischen Ozean eingesetzt, wo starke Meeresströmungen das aus dem Nordatlantik einströmende Wasser verteilen. Im Gegensatz zur üblichen Datenübermittlung, für die das Messgerät aus dem Wasser geholt werden muss, sollen die Daten in diesem Projekt von verschiedenen Messgeräten in einer Verankerung und von verschiedenen Verankerungen akustisch zu einer Relaisstation übertragen werden. Wenn es die Eisbedingungen erlauben, würde diese Relaisstation im Abstand von wenigen Tagen zur Meeresoberfläche aufsteigen und die Daten über Satellit übertragen. Ziel von DAMOCLES ist es, diese Datensätze mit Satellitenmessungen zu verbinden und in die Modellierungen einzubringen. Am Ende des IPY (2009) soll ein Beobachtungssystem im Arktischen Ozean zur Verfügung stehen, das die auftretenden Veränderungen in nahezu Echtzeit übermittelt und die Grundlage zur Planung und Einleitung notwendiger Maßnahmen liefert. Informationen für die Öffentlichkeit Ein wesentliches Ziel von DAMOCLES ist es, die Öffentlichkeit über die Ergebnisse, die im Rahmen des Projekts gewonnen werden, zu informieren. Dies schließt Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft ebenso ein wie Nachwuchswissenschaftler und Schulen. Die Ergebnisse von DAMOCLES sollen helfen, die vielfältigen Zusammenhänge des global wirkenden Klimasystems besser zu verstehen und auf die zu erwartenden Veränderungen der Lebensbedingungen für Menschen und Tiere in der Arktis angemessen reagieren zu können. Links: <www.international-polar-year.de> <www.international-polar-year.de/DAMOCLES.311.0.html> <www.damocles-eu.org> Kontakt: Dr. Eberhard Fahrbach, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven, <[email protected]> Zusammenstellung: Dr. Eberhard Fahrbach und Monika Huch Fig. 1: Das Ziel von DAMOCLES ist die Entwicklung eines Beobachtungssystems, das den gängigen Einsatz von Schiffen und Satelliten durch Geräteträger auf dem Eis und unter dem Eis ergänzt: Floats zur Messung der Eisdicke; Schalltransponder zur Datenübertragung und Navigation; Glider, die gesteuert Messprofile abfahren können; auf dem Eis driftende POPS und am Boden verankerte MOPS, die Vertikalprofile der Temperatur und Salzgehalts im Wasser erfassen. 42 Polarforschung 77 (1), 43 – 44, 2007 (erschienen 2008) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 begann und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 11: Globale Klimasteuerung durch regionale Tektonik – Das Projekt PLATES & GATES (Plate Tectonics and Polar Gateways in Earth History) Im globalen Klimasystem ist die thermohaline Zirkulation in den Ozeanen eine entscheidende Komponente, denn sie hält die Wassermassen in einer permanenten globalen Bewegung. Damit übt sie einen starken Einfluss auf die regionalen Klimate aus, z.B. durch den Golfstrom im Atlantik. Diese Zirkulation wird langfristig durch geodynamische Prozesse beeinflusst, die ihren Motor in Veränderungen im Erdmantel haben. Sie steuern die Plattentektonik an der Oberfläche unseres Planeten. Die resultierenden Bewegungen der Kontinente verändern langfristig die Ozeanbecken in entscheidender Weise. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Meerengen (Gateways), durch die die Wassermassen zwischen den Ozeanen transportiert werden. Eine Rekonstruktion der Öffnung oder Schließung dieser Tore kann daher mithelfen, Einflüsse auf das ehemalige globale Klima zu rekonstruieren. Von besonderer Bedeutung – auch für Modellierungen – sind die Vorgänge, die von Warmzeiten vor 60 Millionen Jahren zu den Eiszeiten in der jüngsten Vergangenheit der Erde führten. Das Projekt PLATES & GATES konzentriert sich besonders auf die Meerengen, die sich während dieser Zeit öffneten und damit zu der heutigen ozeanischen Zirkulation führten (Abb. 1). Das IPY-Projekt PLATES & GATES hat zum Ziel, im Zusammenhang mit paläobiologischen und geochemischen ProxyAnalysen die ozeanographischen Verhältnisse in den Gateways und Ozeanbecken in unterschiedlichen Zeiträumen zu rekonstruieren. Dazu werden tektonisch-magmatische, geodynamische, sedimentäre und biostratigraphische Prozesse in den polaren und subpolaren Regionen mit modernen geophysikalischen Vermessungen und Probennahmen von Sedimenten aus Ozeanbohrungen und Landexpeditionen untersucht. Dabei bearbeiten Wissenschaftler aus 18 Nationen Fragestellungen zu folgenden Zielen: (1) Untersuchungen der Kruste und Lithosphäre der ozeanischen Becken, der Gateways und ihrer Kontinentalränder für ein verbessertes Verständnis der vergangenen und heutigen Plattenbewegungen, Mantelprozesse, Entwicklung der Kontinentalränder, Krustenabsenkungen und Hebungsprozesse. (2) Rekonstruktion des Verlaufs ehemaliger Strömungssystemen in den Becken und Gateways durch seismische Analysen von Sedimentablagerungen der Tiefsee in Verbindung mit Analysen der paläozeanographischen Proxys zur Entschlüsselung der Entwicklung der Tiefenwasserzirkulation. (3) Rekonstruktion der Öffnungsprozesse der Ozeanbecken und Gateways sowie Quantifizierung der Zeiten, in denen Flach- und Tiefenwasseraustausch möglich wurde. (4) Rekonstruktion der langzeitlichen päläoklimatischen Entwicklung von den Treibhaus-Bedingungen des Mesozoikums und frühen Tertiärs bis zu den Eishaus-Bedingungen im späten Tertiär bis Quartär. (5) Identifikation und Modellierung der Rolle der GatewayÖffnungen und Schließungen im globalen Kohlenstoffkreislauf, in der biologischen Evolution und in der Entwicklung von Eisschilden. In der Arktis und der Subarktis werden paläomagnetische, stratigraphische und petrologische Daten und Proben von den Neusibirischen Inseln, von Franz-Josef-Land, den AxelHeiberg- und Ellesmere-Inseln sowie Nordgrönland gesammelt und analysiert. Zu den geowissenschaftlichen Studien gehören seismische und magnetische Vermessungen der arktischen Meeresböden und die Beprobung von Meeressedimenten im Amundsen Becken, dem Alpha-MendeleevRücken, dem Lomonosov-Rücken und des nordgrönländischen Schelfs. Geologische Beprobungen von Hartgestein sowie neotektonische Analysen sind für Nord- und Ostgrönland, Spitzbergen, die Bäreninsel, den Mohns- und Knipovichrücken und in der Barentssee geplant. Die Gateways zwischen dem Nordatlantik und dem Arktischen Ozean – die Framstraße, der kanadische Archipel mit der Baffinbucht und der Davisstraße sowie die Beringstraße – werden mit Hilfe eines weiten Spektrums geophysikalischer und sedimentgeologischer Methoden untersucht, um den Zeitpunkt der Öffnungen und die damit einhergehenden paläoklimatischen Konsequenzen für den Wasseraustausch besser zu verstehen (z.B. JAKOBSSON et al. 2007). In der Antarktis und im Südozean werden geophysikalische und bathymetrische Vermessungen in den Gebieten durchgeführt werden, die am Aufbrechen von Gondwana beteiligt waren. Mit Hilfe dieser neuen und der Integration vorhandener Daten können das Aufbrechen und seine Konsequenzen für die Entwicklung der Ozeanbecken wesentlich besser als bisher rekonstruiert werden. Bisher bestehen noch Unsicherheiten über die frühen Entwicklungsstadien des Drake-Passage und des Scotiameeres (LIVERMORE et al. 2007). Zu ihrer Klärung sollen die tektonischen und sedimentären Veränderungen der Becken, Ursache und Aufbau der bathymetrischen Hochgebiete, Struktur und 43 Entwicklungsgeschichte der relevanten Plattengrenzen und die Deformation der benachbarten Landmassen untersucht werden. Von den geophysikalischen Daten aus dem Tasmanischen Gateway werden Indizien für zwei wesentliche Fragen erwartet: Zum einen sollen der Zeitpunkt und die morphologische Entwicklung der Flach- und Tiefenwasseröffnung zwischen dem Indischen und Pazifischen Ozean enger eingegrenzt werden. Zum anderen geht es um die Relativbewegung zwischen der Ost- und Westantarktis, die entscheidend für den Beginn der Hebung des Transantarktischen Gebirges und die Krustendehnungen des Westantarktischen Riftsystems ist. Der Verlauf globaler und regionaler Meeresströmungen wird nicht allein nur durch die gateways beschränkt, sondern auch durch die morphologische Struktur der Meeresböden in den Tiefseeebenen und entlang der Kontinentalränder. So stellt z.B. das Kerguelenplateau für den Verlauf des Zirkumpolarstroms eine hohe bathymetrische Schwelle dar, durch die der Großteil des Stroms nach Norden in den mittleren Indik abgeleitet wird. Das Plateau und die ihn umgebene Kruste des Indischen Ozeans wird in PLATES & GATES im Zusammenhang mit der Entwicklung des ostantarktischen Kontinentalrandes im Zuge des Aufbruchs Indiens von der Antarktis untersucht. Mit dem Aufbau detaillierter paläobathymetrischer Gitter wird eine der wichtigsten Bedingungen für realistische Simulationen von Paläo-Ozeanströmungen geschaffen. Die geophysikalischen und geologischen Daten und Analyseergebnisse in PLATES & GATES ermöglichen mit einer Reihe von Erdsystemmodellen klimatische Rekonstruktionen des Känozoi- kums und Mesozoikums. Solche Erdsystemmodelle sind darauf zugeschnitten, die Effekte der ozeanischen gateways und Becken auf Paläo-Zirkulationsmuster, globalen Kohlenstoffkreislauf und Ursachen polarer Eisschildentwicklungen abzuschätzen. Die Resultate dieser Szenarien sollen dann mit anderen Modellsimulationen verglichen werden, in denen unterschiedliche Antriebsfaktoren, wie die Bildung von Treibhausgasen und die Wirkung von Gebirgshebungen, eine Rolle spielen. Daraus soll die Relevanz der Paläogeographie für die Entwicklung des polaren und globalen Klimas über lange geologische Zeitskalen quantifiziert werden. Literatur Jacobsson, M., Backman, J., Rudels, B., Nycander, J., Frank, M., Mayer, L., Jokat, W., Sangiorgi, F., O’Regan, M., Brinkhuis, H., King, J. & Moran, K. (2007). The early Miocene onset of a ventilated circulation regime in the Arctic Ocean. Nature, vol. 447, doi:10.1038/nature05924 Lawver, L.A., Dalziel, I.W.D., Gahagan, L.M., Martin, K.M. & Campbell, D. (2002). PLATES 2002 - Atlas of Plate Reconstructions (750 Ma to Present Day). University of Texas, Institute for Geophysics, Austin Livermore, R., Hillenbrand, C.-D., Meredith, M. & Eagles, G. (2007). Drake Passage and Cenozoic climate: An open and shut case? Geochemistry, Geophysics, Geosystems (G3), vol. 8, no. 1, Q01005, doi:10.1029/2005GC001224 Links: platesgates.geo.su.se/ www.international-polar-year.de/Plates-and-Gates.28.0.html Kontakt: Dr. Karsten Gohl, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven, e-mail: [email protected] Zusammenstellung: Dr. Karsten Gohl und Monika Huch Abb. 1: Konstellation der Kontinente und Ozeane vor 20 Millionen Jahren (aus: LAWVER et al. 2002) mit Lage der polaren Tiefenwasseröffnungen (ocean gateways) zwischen den Ozeanbecken (rot) sowie der Kerguelen-Schwelle (dunkelblau). 44 Polarforschung 77 (1), 45 – 46, 2007 (erschienen 2008) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 begann und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 12: Das Projekt AURORA BOREALIS Die Erforschung der Ozeane in den nördlichen und südlichen hohen Breiten ist derzeit das Ziel intensiver wissenschaftlicher Untersuchungen und Diskussionen. Diese Gebiete sind und waren sowohl in historischen als auch geologischen Zeiträumen abrupten und dramatischen Klimaveränderungen unterworfen. Die Polarregionen reagieren sehr viel schneller und drastischer auf einen globalen Klimawandel als andere Regionen der Erde, und zum Teil steuern sie auch die Klimaänderungen. Die Abnahme der arktischen Meereisbedeckung, die möglicherweise schon bald zu einer Öffnung von Seewegen im Norden Amerikas und Eurasiens und längerfristig zu einem sommerlich eisfreien arktischen Ozean führen kann, sowie die Auflösung von Eisschelfen vor der Antarktischen Halbinsel sind nur zwei Beispiele für aktuelle Umweltund Klimaveränderungen in den hohen Breiten. Sowohl klimatisch als auch wirtschaftlich steht Europa in direktem Austausch mit dem arktischen Raum. Die europäischen Nationen haben daher aus mehreren Gründen ein großes Interesse daran, die arktische Umwelt und deren potenzielle Veränderungen zu verstehen. Ihre Territorien reichen teilweise bis in die hohen nördlichen Breiten hinein. Außerdem sind umfangreiche lebende und mineralische Ressourcen in den Tiefseebecken des Arktischen Ozean und den angrenzenden Schelfmeeren vorhanden. Wegen der Eisbedeckung des Arktischen Ozeans kann Forschung in dieser Region nur von technisch hoch entwickelten und speziell für die Eisfahrt ausgelegten Forschungsschiffen durchgeführt werden. Es gibt bisher nur wenige Forschungsschiffe, die in der Lage sind, in den eisbedeckten zentralen Arktischen Ozean vorzudringen. Vor allem fehlt ein Forschungseisbrecher auf dem neuesten Stand der Technik, um den Bedarf der europäischen Polarforschung zu erfüllen. Die geplante Forschungsplattform AURORA BOREALIS würde hier eine große Lücke schließen. Mit ihr wären internationale und interdisziplinäre ganzjährige Expeditionen im zentralen Arktischen Ozean möglich. Die AURORA BOREALIS ist ein Schiffstyp, der weltweit zurzeit noch nicht gebaut worden ist. Sie wird zur Klasse der schweren Eisbrecher gehören, vergleichbar den großen russischen Eisbrechern mit mehr als 55 MW Antriebskraft. Damit wird sie in der Lage sein, fast alle mit Meereis bedeckten polaren Meeresgebiete ganzjährig zu befahren. Insbesondere die zur Rekonstruktion früherer Klimabedingungen notwendigen Bohrungen in die Meeressedimente wären in den Sommermonaten in eisbedeckten Gebieten ohne zusätzliche Unterstützung von Eisbrechern möglich. Die Konzeption von AURORA BOREALIS ist im Rahmen der normalen Risiken, die mit der Entwicklung innovativer Technologien verbunden sind, in einer Technischen Machbarkeitsstudie vom November 2004 vorgestellt worden. Am 22. Mai 2006 hat der Wissenschaftsrat die Empfehlung für den Bau des Eis brechenden Forschungsbohrschiffes AURORA BOREALIS ausgesprochen. Vor Baubeginn sind jedoch weitere Entwicklungsarbeiten und Modellversuche durchzuführen, die insbesondere die Leistungsfähigkeit des Eisbrechers, die dynamische Positionierung sowie die Realisierung von zwei Moon Pools (= Öffnungen im Schiffsrumpf) betreffen. Ein ausführliches wissenschaftliches Programm für die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte ist von einer Arbeitsgruppe des European Polar Board (EPB) und des European Consortium for Ocean Research Drilling (ECORD) erarbeitet und publiziert worden. Der Eisbrecher erhält mittschiffs zwei Öffnungen im Schiffsrumpf (moon pools) mit je 7 x 7 m Größe. Eine der Öffnungen wird ausschließlich für die wissenschaftlichen Bohrungen verwendet. Durch die zweite Öffnung können bei geschlossener Eisdecke alle möglichen wissenschaftlichen Geräte eingesetzt werden. Auch video-geführte Geräte oder ROVs (Remotely operated Vehicles) können durch diese Öffnung eingesetzt werden. Im November 2006 rückte das Projekt AURORA BOREALIS als eines von 35 großen Forschungsprojekten im Rahmen des European Strategy Forum on Research Infrastructures (ESFRI) in den Mittelpunkt des europäischen Interesses. Diese ESFRI-Liste enthält die großen Infrastrukturen, die für die europäische Forschungslandschaft in den nächsten Jahrzehnten von höchster Priorität sind. Zur Vorbereitung und Entwicklung der Managementstrukturen stellt die Europäische Kommission in ihrem 7. Forschungsrahmenprogramm ca. 200 Mio € zur Verfügung. Am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft (AWI) in Bremerhaven ist ein Koordinationsbüro entstanden, um das Projekt in Europa und ausgewählten nicht-europäischen Ländern voranzutreiben und die nötigen Managementstrukturen für dieses multinationale 45 Projekt zu erarbeiten. Dazu hat das AWI gemeinsam mit der European Science Foundation (ESF) einen Antrag mit einem Finanzvolumen von 4,5 Mio € auf Förderung im 7. Forschungsrahmenprogramm gestellt. Bereits 16 Förderorganisationen, Institute und Firmen aus zehn europäischen Ländern einschließlich Russlands werden sich in dieser Vorbereitungsphase an dem im März 2008 begonnenen Projekt beteiligen. Nach einer europaweiten Ausschreibung hat das Unternehmen SCHIFFKO GmbH, Hamburg, den Zuschlag bekommen, die vom Wissenschaftsrat geforderten notwendigen Entwicklungsarbeiten und Modellversuche durchzuführen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert seit März 2007 diese technischen Arbeiten und den Aufbau eines internationalen Konsortiums für AURORA BOREALIS mit 5,2 Millionen Euro. Basierend auf der technischen Machbarkeitsstudie für AURORA BOREALIS und auf Erfahrungswerten aus dem Betrieb von POLARSTERN, dem derzeitigen deutschen Forschungsschiff für beide Polargebiete, werden zurzeit die Investitionskosten für den Bau der Forschungsplattform auf ca. 650 Mio € und die jährlichen Betriebskosten auf ca. 35 Mio € geschätzt. Da von diesen Untersuchungen der gesamte Schiffsentwurf beeinflusst werden wird, müssen diese Summen im Zuge der jetzt laufenden ingenieurwissenschaftlichen Untersuchungen weiter geprüft werden. Links: www.eri-aurora-borealis.eu; www.esf.org/publication/178/AuroraBorealis.pdf Kontakt: Dr. Nicole Biebow, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven, <[email protected]> Zusammenstellung: Dr. Nicole Biebow, Prof. Dr. Jörn Thiede und Monika Huch Abb. 1: Entwurfsskizze der geplanten Plattform AURORA BOREALIS zur Erforschung der polaren Ozeane (Quelle: SCHIFFKO Quitte & Pruin, Architekten). Abb. 2: Querschnitt durch AURORA BOREALIS auf der Höhe des wissenschaftlichen moon pool. 46 Umbruch 77.2-3 09.12.2008 15:43 Uhr Seite 95 Polarforschung 77 (2-3), 95 – 97, 2007 (erschienen 2008) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 13: Wissenschaftskommunikation im Polarjahr Das Internationale Polarjahr, in dem Tausende von Wissenschaftlern aus mehr als 60 Nationen die Polarregionen untersuchen, ist eine einmalige Gelegenheit, weltweit das Interesse und die Aufmerksamkeit auf die Polarforschung zu lenken. Um die breite Öffentlichkeit sowie Politik, Wirtschaft, Schulen und Universitäten zu erreichen, sind neue Wege und Werkzeuge zur Vermittlung von Wissenschaft gefordert. Medien Die Massenmedien sind die Hauptquelle für Wissenschaftsinformationen. Im Jahr 2007 informierten sich in Deutschland 38 % der Bevölkerung über das Fernsehen, 34 % über die Druckmedien und 14 % über den Hörfunk. Das Interesse der Medien an der Polarforschung ist groß. Der Klimawandel, der Zustand unseres Planeten und unserer Umwelt sind aktuelle Forschungsthemen im Internationalen Polarjahr. Die abgelegenen Polargebiete mit ihren extremen Bedingungen für die wissenschaftliche Arbeit faszinieren und geben packenden Erzählstoff, auch über spezialisierte Grundlagenforschung. Die Medien werden über Pressemitteilungen, Pressekonferenzen (Abb. 1) und Journalistenseminare über aktuelle Forschungsaktivitäten informiert. So kann die Aufmerksamkeit der Journalisten über die ganze Laufzeit des Internationalen Polarjahres mit aktuellen Informationen wach gehalten werden. Journalisten haben darüber hinaus die Möglichkeit, an wissenschaftlichen Expeditionen teilzunehmen, gezielt mit Wissenschaftlern in Kontakt zu treten und Hintergrundinformationen in Form von Bild- oder Filmmaterial zu nutzen. Schulen In den Schulen wächst die nächste Generation heran, die vom Klimawandel direkt betroffen sein wird. Auch wenn die Polargebiete in den Lehrplänen nicht ausdrücklich vorkommen, gibt es viele Möglichkeiten, die Polarforschung im Unterricht aufzugreifen. Das Interesse der Lehrerinnen und Lehrer wird durch die Vermittlung von aktuellen Informationen unterstützt, z.B. durch direkte Kontakte zu Wissenschaftlern oder durch die Bereitstellung von Hintergrundmaterial über die Internetseite. Für sehr engagierte Lehrerinnen und Lehrer wurde die Möglichkeit geschaffen, an wissenschaftlichen Expeditionen teilzunehmen und an aktuellen Forschungsthemen mitzuarbeiten. Diese Erfahrungen in Unterrichtsmaterialien und Unterrichtsinhalte umzusetzen, ist das Ziel des Programms „Coole Klassen” (vgl. Folge 8). Abb. 1: Pressekonferenz mit Forschungsministerin Dr. Annette Schavan anlässlich der Präsentation der neuen Antarktisstation Neumayer III (Foto: M. Buchholz, Alfred-Wegener-Institut). Aktionen Ausstellungen zu Aktivitäten im Internationalen Polarjahr sprechen die breite Öffentlichkeit an. Die Anlässe für solche Ausstellungen sind ganz unterschiedlich und bundesweit nutzen Museen, Zoos und Volkshochschulen die Gelegenheit, auf das Internationale Polarjahr aufmerksam zu machen. Mit gezielten Aktionen, wie Wissenschaftsfestivals und öffentlichen Vorträgen, kann die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit immer wieder auf die Polarregionen gelenkt werden. Hochkarätige Veranstaltungen sind ein wichtiges Element in der Kommunikation mit Politik (Abb. 2), Ministerien, Förderinstitutionen und Multiplikatoren. Internet Über Internet-Plattformen werden Informationen für die unterschiedlichsten Zielgruppen bereitgestellt. Auf der Internetseite www.polarjahr.de wird umfassend über den deutschen Beitrag zum Polarjahr informiert. Über das Internet sind auch internationale Aspekte der Polarforschung im Internationalen Polarjahr (in englischer Sprache bei www.ipy.org) zugänglich. Hier öffnet sich ein riesiges Informationsfeld für alle Interessierten. Konkrete Aktivitäten in der 1. Hälfte des Internationalen Polarjahres – IPY In der ersten Hälfte des IPY wurden allein in Deutschland 29 Pressemitteilungen herausgegeben, die mehr als 600 Beiträge in Zeitschriften, Radio, Fernsehen und Internetseiten zur Folge hatten. 95 Umbruch 77.2-3 09.12.2008 15:43 Uhr Seite 96 gewonnen, die normalerweise während der Polarnacht (Abb. 3) des arktischen Winters unzugänglich und damit weitgehend unerforscht ist. Aufstiege mit einem Fesselballon bis in 400 Meter Höhe, sowie Ballon getragene Sondenaufstiege bis in 30 Kilometer Höhe lieferten Messwerte, die dazu beitragen, die Klimamodelle für die Arktis zu verbessern. Abb. 2: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel bei der Festveranstaltung zum 25-jährigen Dienstjubiläum des Forschungsschiffes „Polarstern“ am 28. November 2007 in Berlin (Foto: Alfred-Wegener-Institut). Eines der erfolgreichsten Projekte der Zusammenarbeit mit den Medien, das hier als Beispiel geschildert werden soll, war die Teilnahme von Jürgen Graeser von der Forschungsstelle Potsdam des Alfred-Wegener-Instituts an der driftenden Eisscholle NP-35. Graeser hat als erster Deutscher an einer russischen Drift-Expedition teilgenommen und die Atmosphäre über der zentralen Arktis während der Polarnacht erforscht. Als Mitglied der 21-köpfigen russischen Expedition NP-35 hat er von Oktober 2007 bis April 2008 auf einer treibenden Eisscholle in der Arktis verbracht. Der 49-jährige Wissenschaftstechniker hat in enger Zusammenarbeit mit den russischen Partnern vom Arctic Antarctic Research Institute St. Petersburg (AARI) Beobachtungsdaten aus einer Region Das Interesse der Medien an dieser Expedition war hoch: 21 Fernsehberichte, 40 Hörfunkbeiträge, 75 Online-Berichte und 160 Artikel in Zeitungen (Auflage: 16,5 Mio). Das AlfredWegener-Institut hatte vor der Expedition eine Partnerschaft mit verschiedenen Medien vereinbart: • Für den Hörfunk und das Fernsehen gab es eine Zusammenarbeit mit Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). rbb gab J. Graeser zudem eine Kamera mit. Wegen der begrenzten Kommunikationsmöglichkeiten war es aber erst nach der Expedition möglich, im Fernsehen Bilder zu zeigen. • Während der Expedition berichtete J. Graeser in einem Expeditionstagebuch auf den Internetseiten der Zeit: 32 Beiträge für Die ZEIT – Live von der Eisscholle und für Leonardo, das Wissenschaftsmagazin auf WDR 5 in 29 Beiträgen über Satellitentelefon, die man außerdem als Podcast herunterladen konnte. • Im Herbst 2008 ist außerdem mit dem Titel Auf dünnem Eis im Herder-Verlag ein Buch von J. Graeser über die Expedition erschienen. Bisher nahmen sechs Lehrer an Expeditionen in die Polargebiete teil. Sie haben während der Reise via Internet mit ihren Schülern kommuniziert und im Anschluss an die Expedition Unterrichtsmaterialien entwickelt, die in Fachzeitschriften publiziert und auf Tagungen vorgestellt wurden. Von zwölf Polarexpeditionen liegen Berichte von Wissenschaftlern in Internetseiten und Zeitschriften vor (Abb. 4). Tagebucheinträge, Bilder und Filme zeigen die Arbeit vor Ort und erlauben die virtuelle Teilnahme an den Expeditionen. Abb. 3: Polarnacht mit Polarlicht über der russischen Driftstation „Nordpol-35“ – Forschungsbasis auf einer treibenden Eisscholle im arktischen Polarwinter 2007/08 (Foto: J. Graeser, Alfred-Wegener-Institut). 96 Umbruch 77.2-3 09.12.2008 15:43 Uhr Seite 97 onsmittel für die Öffentlichkeit etabliert. Dort gibt es aus 27 wissenschaftlichen Projekten Informationen für die allgemeine Öffentlichkeit. Neben der Rubrik „Aktuelles” wendet sie sich in den Rubriken „Presse”, „Schüler & Lehrer”, „Studenten” und „Mitmachen” direkt an die jeweiligen Zielgruppen. In der Rubrik „Text, Bild, Ton & Film” wird entsprechendes Hintergrundmaterial bereitgestellt. Abb. 4: Wissenschaftler im Gespräch mit Besuchern des Extrem-Wetter-Kongresses am 23. März 2007 in Hamburg (Foto: S. Diederich, Alfred-WegenerInstitut). In 13 Ausstellungen und 90 Aktionen wurde die breite Öffentlichkeit über Aktivitäten im Internationalen Polarjahr informiert. Beispiele sind die deutsch-französische Wissenschaftskarawane, die in 14 Städten in Deutschland, Belgien und Frankreich Experimente zum Thema Polar- und Klimaforschung präsentiert hat, sowie die Wanderausstellung des Fotografen Ingo Arndt, der eine Expedition in die Antarktis begleitet hat. Die deutsche Internetseite zum Internationalen Polarjahr wird täglich (Abb. 5) von rund 150 Interessenten aufgesucht und hat sich als eines der wesentlichen modernen Kommunikati- Ausblick Die im Rahmen des Internationalen Polarjahrs aufgebauten Kontakte und entwickelten Werkzeuge sind die Basis für eine neue Art der Wissenschaftsvermittlung. Universitäten, Forschungsinstitutionen und Wissenschaftler stehen in der Verantwortung, auch nach dem Ende des Internationalen Polarjahres Informationen über ihre Arbeit und ihr Wissen zu vermitteln. Die Erfahrungen aus dem Zusammenführen der verschiedenen Bereiche – Wissenschaft, Medien, Museen, Kunst und Schulen – und die Entwicklung effizienter Werkzeuge zur Wissensvermittlung sind sowohl für Wissenschaft als auch für die Wissenschaftskommunikation ein wichtiges Vermächtnis aus dem Internationalen Polarjahr. Internet: <www.dgp-ev.de> (Deutsche Gesellschaft für Polarforschung, IPY-Veranstaltungen); <www.ipy.org> (Offizielle internationale Seite des IPY); <www.polarjahr.de> (Offizielle deutsche Seite des IPY); <http://blog.zeit.de/eisscholle/>; <http://podcast.wdr.de/radio/leonardo-togo-graeser.xml>; Kontakt: Margarete Pauls, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven, <[email protected]> Zusammenstellung: Margarete Pauls, Susanne Diederich und Monika Huch Abb. 5: Startseite von www.polarjahr.de (Foto: Alfred-Wegener-Institut). 97 Umbruch 77.2-3 09.12.2008 15:43 Uhr Seite 98 Polarforschung 77 (2-3), 98 – 100, 2007 (erschienen 2008) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 14: Die indigenen Völker im Hohen Norden Russlands Im Themenkatalog des Internationalen Polarjahres 2007/08 ist – anders als in den vorangegangenen Polarjahren – die sozialund geisteswissenschaftliche Komponente fest verankert. Dies drückt sich in einer Vielzahl entsprechender Forschungsaktivitäten aus, wie sie in der Projektübersicht des IPY zusammengestellt sind. Aus dieser Perspektive erscheinen die Arktis und Subarktis nicht als Wildnis, sondern als Kulturraum. Von deutscher Seite widmet sich das Forschungsprojekt NOMAD den Interaktionen zwischen Mensch und Rentier. In weiten Teilen Nordamerikas, Nordeuropas und Nordasiens haben Menschen seit Jahrtausenden Rentiere gejagt und gezüchtet. Auch im 21. Jahrhundert sind Rentierhaltung und Rentierjagd für viele Bewohner des Hohen Nordens ein wichtiger wirtschaftlicher und kultureller (Identität stiftender) Faktor. Auch wenn sich die ökologische Beziehung zwischen Mensch und Rentier im Laufe der langen Entwicklung als sehr wandlungsfähig erwiesen hat, stellen die derzeitigen – teilweise rapiden – sozioökonomischen und klimatischen Veränderungen im Hohen Norden eine besondere Herausforderung dar. Wie das System Rentier – Mensch auf diese Veränderungen reagiert, ist Gegenstand von NOMAD, das zugleich auch generelle Erkenntnisse über sozioökonomische, kulturelle und naturräumliche Wechselwirkungen im Hohen Norden liefern soll. Die indigenen Völker im Norden Russlands Die von den Vereinten Nationen ausgerufene 1. Internationale Dekade der indigenen Völker (1994-2004) hat das öffentliche Bewusstsein für die Belange marginalisierter ethnischer Gruppen weltweit gestärkt. Zudem forderten in den frühen 1990er Jahren in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion viele Gruppen ethnische (bzw. nationale) Selbstbestimmung ein. So wuchs auch das Interesse der internationalen Öffentlichkeit an der Situation der Völker des Hohen Nordens der Russischen Föderation. Für die Vertreter dieser Völker selbst eröffneten sich neue politische Foren und Wege, ihre Forderungen international und medienwirksam geltend zu machen. Der Dachverband der indigenen Völker Russlands (RAIPON) kooperiert mit indigenen Organisationen in anderen Regionen der Erde. Von den etwa 145 Millionen Einwohnern der Russischen Föderation zählen etwa 200.000 Personen zu den „zahlenmäßig kleinen indigenen Völkern des Hohen Nordens, Sibiriens und des Fernen Ostens” (malo čislennye korennye narody 98 Severa, Sibiri i Dal'nego Vostoka), wie der offizielle und gesetzlich verankerte Terminus lautet. In Russland genießen nur ethnische Gruppen mit weniger als 50.000 Angehörigen den Status eines „zahlenmäßig kleinen indigenen Volkes” (es gibt über 45 solcher Völker). Nur diese werden von RAIPON vertreten und in der internationalen Öffentlichkeit als indigene Völker Russlands wahrgenommen. Als „einheimische” Bevölkerung sind außerdem die 67.000 Altaier, die 445.000 Burjaten, die 76.000 Chakassen, die 444.000 Jakuten (Sacha) und die 243.000 Tuwiner (Tyva) anzusehen, wenngleich diese Völker die 50.000-Marke überschreiten und ihnen daher die Privilegien und Rechte, die den „zahlenmäßig kleinen” Völkern zugute kommen, nicht zuerkannt werden. Aus ethnologischer und linguistischer Perspektive ist es üblich, die Völker Sibiriens nach ihrer Sprache zu klassifizieren. Diese Unterteilung umfasst die finno-ugrische Gruppe (Chanten, Enzen, Mansen, Nenzen, Nganasanen und Selkupen); die turksprachige Gruppe (Altaier, Chakassen, Dolganen, Jakuten, Tataren, Tuwiner und andere); die mongolische Gruppe (Burjaten); die tungusische Gruppe (Ewenen, Ewenken, Nanai und andere); und die so genannte paläoasiatische Gruppe (Korjaken und Tschuktschen). Andere Sprachen wie Jukagirisch oder Ketisch lassen sich keiner dieser Gruppen zuordnen. Viele Verwaltungseinheiten Sibiriens tragen den Namen dieser Gruppen, beispielsweise die Republik Sacha (Jakutien), die Republik Burjatien, das Autonome Gebiet der Chanten und Mansen. In den letzten Jahren haben jedoch die Zentralisierungsbestrebungen der Regierung Putin zur Zusammenlegung von Verwaltungseinheiten geführt und somit zur Abkehr von der (ursprünglich Leninschen) Politik „ethnisch” definierter Territorien. Diese Abkehr spiegelt den Wandel der politischen Prinzipien Moskaus im Umgang mit den indigenen Völkern des Nordens wider. Die Tradition des Wandels Die relativ rasche und ungebremste Eroberung Sibiriens durch das Großfürstentum Moskau bzw. das Russische Reich während des 17. Jahrhunderts ist umfangreich dokumentiert und allgemein bekannt. Das war jedoch nicht der „Beginn” der Geschichte Sibiriens. Kontakte, Konflikte und wechselnde Machtkonstellationen gab es auch in früheren Jahrhunderten und Jahrtausenden. Die Region Sibirien hatte stets Anteil an den Interaktionen zwischen Zentralasien, dem Fernen Osten, Europa und auch Nordamerika. Traditionell bestimmen Jagd, Fischfang, Rentierhaltung und Umbruch 77.2-3 09.12.2008 15:43 Uhr Seite 99 Abb. 1: Mysej ist ein Rentierzüchter vom Volk der Nenzen und lebt das Jahr über in der Tundra Nordwest-Sibiriens. Das Foto zeigt ihn bei seiner Rückkehr ins nomadische Camp, wo er von seinem Neffen Pavel begrüßt wird (Foto: Kirill Istomin, Nov. 2005). das Sammeln von Wildgewächsen je nach Region und Periode in wechselndem Maße die Subsistenzgrundlage und den Lebensalltag der Menschen in Sibirien. Ökonomische Anpassungsprozesse, Handel und Kontakte zu Nachbarn führten häufig (und zwar bereits in früheren Jahrhunderten) zu grundlegenden Veränderungen in der Technologie und Praxis dieser Gewerbe. Nach der Domestizierung des Rentiers im ersten Jahrtausend n. Chr. wurde es zunächst als Transporttier bei der Jagd verwendet. Der Übergang zur Rentierzucht mit großen Herden zum Zwecke der Fell- und Fleischproduktion datiert ins 18. Jahrhundert. Es ist gerade diese „moderne” Form der Rentierzucht, die in der westlichen Öffentlichkeit die größte Aufmerksamkeit erfährt und als „traditionelle” Form der Landnutzung beschrieben wird. Das geringe Bewusstsein für die langfristigen Wandlungen und Kontinuitäten liegt sicherlich daran, dass gerade die Zeit der Sowjetunion die gravierendsten Veränderungen mit sich brachte. Kollektivierung, Umsiedlung in größere Gemeinden, teilweise auch Sesshaftmachung von bis dahin nomadisch lebenden Gemeinschaften – diese drei miteinander verbundenen Prozesse haben nicht nur die sozialgeographischen Strukturen, sondern auch den Lebensalltag der ländlichen Bevölkerung Sibiriens stark beeinflusst. Der Kampf gegen Schamanen und schamanische Glaubensvorstellungen, die zeitweilig stark restriktive Sprachpolitik im Hohen Norden, die Erziehung der indigenen Kinder fernab von ihren Eltern in Internaten und andere Prinzipien im Umgang der sowjetischen Staatsmacht mit den indigenen Völkern Sibiriens werden in der westlichen ebenso wie in der gegenwärtigen russischen Literatur als besonders negative Prozesse bewertet. Die indigenen Gruppen reagierten auf diese Maßnahmen jedoch selten mit offenem Widerstand, sondern häufig mit Rückzug, Duldung, Anpassung und in nicht wenigen Fällen auch mit aktiver Unterstützung. Der Glaube an Zivilisation, Fortschritt und das sowjetische Modernisierungsprojekt beseelte nicht nur die in den Hohen Norden zugereisten Funktionäre und Ingenieure, sondern auch viele Menschen vor Ort. Dieser Glaube an den Aufbau und der daraus resultierende, gerade unter den Älteren ausgeprägte Stolz wurden in den 1990er Jahren grundlegend erschüttert. Degradation und Neuanfang waren in allen postsozialistischen Regionen für Abb. 2: In Salechard, dem Verwaltungszentrum des Autonomen Gebietes der Jamal-Nenzen, vergegenwärtigen Plakate wie dieses die symbolische Bedeutung des Lebens in der Tundra (Foto: Joachim Otto Habeck, März 1999). jenes Jahrzehnt kennzeichnend. Im Hohen Norden Russlands hatten der „Rückzug des Staates” und das Versiegen der bis dahin gewährten Subventionen besonders drastische Konsequenzen, weil der Luftverkehr in die ländlichen Siedlungen des Hohen Nordens fast gänzlich eingestellt wurde und die Bewohner nun plötzlich auf sich gestellt waren. Die Privatisierung der Landwirtschaft verlief ohne ausreichende flankierende Maßnahmen; während die Kolchosen und Sowchosen kollabierten, hatten neue Betriebe kaum eine Grundlage, sich zu entwickeln. Da die Kolchosen und Sowchosen zu Sowjetzeiten auch das soziale Leben im Dorf prägten, erinnern sich die Angehörigen der älteren Generation mit viel Sehnsucht an sie. Die Lebenserfahrungen der Sowjetzeit werden nun selbst zu einer Schicht in der Geschichte der Völker des Hohen Nordens und zu einer Komponente ihrer „traditionellen Lebensweise”. Eigen- und Fremdwahrnehmung indigener Gemeinschaften Hinsichtlich der Lebenserwartung und der durchschnittlichen Einkommen gibt es nach wie vor signifikante Unterschiede zwischen der indigenen und nicht-indigenen Bevölkerung des Hohen Nordens. Ansonsten unterscheidet sich der Lebensalltag indigener Personen heutzutage kaum von dem der nichtindigenen Nachbarn in denselben Gemeinden. Dies gilt auch in kultureller Hinsicht: vor allem das Fernsehen trägt zur Abb. 3: Rentierzucht ist ein wichtiger Erwerbszweig in der Großlandtundra im europäischen Norden Russlands. Das Bild zeigt Rentierhirten vom Volk der Komi bei der Auswahl und dem Anspannen von Schlittentieren (Foto Joachim Otto Habeck, Mai 1999). 99 Umbruch 77.2-3 09.12.2008 15:43 Uhr Seite 100 Nivellierung ethnischer Unterschiede bei. Die Medien liefern neue Idole und Identifikationsmuster, die nichts mit der Zugehörigkeit zu der einen oder anderen ethnischen Gruppe zu tun haben. Dennoch bleibt Ethnizität ein Kriterium der Abgrenzung. Sie definiert sich teilweise durch Sprache, teilweise durch Religion, vor allem aber durch die „traditionelle Lebensweise”. Zum Erhalt der Identität einer Gruppe scheint es auszureichen, wenn ein bestimmter Teil der Gruppe in den traditionellen Wirtschaftszweigen beschäftigt ist. Die Minderheit der indigenen Bevölkerung lebt im Wald oder in der Tundra, aber die Mehrheit betont die symbolische Bedeutung des Waldes bzw. der Tundra (und häufig auch die verwandtschaftliche Verbindung zu den Leuten, die dort leben). Vielfach wird die „traditionelle Lebensweise” der indigenen Bevölkerung von westlichen und russischen Beobachtern in einer Weise idealisiert, die dem Alltagsleben, den Forderungen und den Erwartungen der Indigenen selbst wenig Rechnung tragen. Vor bequemen Stereotypen wie das des „edlen Wilden”, der ganz und gar in Harmonie mit der natürlichen Umwelt lebt, ist daher zu warnen. Die Debatten um die Konzepte der „traditionellen Lebensweise”, „Nachhaltigkeit” und „Entwicklung” sind genauso umstritten wie das Recht auf Ressourcennutzung selbst. Die Fronten in den politischen Auseinandersetzungen verlaufen nicht immer zwischen den Indigenen einerseits und den Nicht-Indigenen andererseits. Landnutzungskonflikte in Russland werden von westlichen Medien und Interessenverbänden zu undifferenziert dargestellt, was für die Betroffenen vor Ort nicht immer hilfreich ist. Andererseits – und das soll mit großer Anerkennung vermerkt werden – ermöglicht das Engagement vieler Vereine, Verbände und anderer Nichtregierungsorganisationen, die glanzvollen Selbstdarstellungen der im Hohen Norden operie- 100 Abb. 4: Trommeln ist ein charakteristisches Element der Folklore der Nordvölker. Das Foto zeigt eine Gruppe von Trommelspielern im Kulturhaus der Stadt Anadyr', dem Hauptort des Autonomen Gebietes der Tschuktschen (Foto: Virginie Vaté, April 2006). renden Rohstoff fördernden Konzerne kritisch zu hinterfragen. Darüber hinaus hat die verstärkte Berichterstattung der Medien im Internationalen Polarjahr 2007/08 dafür gesorgt, dass die Belange der indigenen Völker des Hohen Nordens eine größere Aufmerksamkeit in der internationalen Öffentlichkeit erfahren als jemals zuvor. Links: <www.polarjahr.de/NOMAD.194.0.html> <www.nomadsed.de/projects/b6.html> <www.raipon.org/History/Populations/tabid/311/Defaultaspx> Kontakt: Joachim Otto Habeck, Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung, Postfach 110351, 06017 Halle (Saale); <[email protected]> Zusammenstellung: Joachim Otto Habeck und Monika Huch Umbruch 77.2-3 09.12.2008 15:43 Uhr Seite 101 Polarforschung 77 (2-3), 101 – 103, 2007 (erschienen 2008) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 15: Volkszählung im Südlichen Ozean – CAML Die deutsche Übersetzung des Census of Antarctic Marine Life verweist auf einen der größten biologischen Beiträge zum Internationalen Polarjahr 2007/2008. Mittlerweile hat es in diesem Rahmen bis zur Halbzeit des IPY ca. 15 Expeditionen gegeben. Neben ambitionierten kleinen Aktivitäten mit nur wenigen Wissenschaftlern waren dies auch logistisch aufwändige Expeditionen, z.B. mit 52 Wissenschaftlern an Bord des Forschungseisbrechers „Polarstern”. Die Grundlage für solche wissenschaftlichen Arbeiten sind zielgerichtete Konzepte. Oftmals werden diese nach intensiven Diskussionen zwischen den Wissenschaftlern auf Forschungsschiffen in die Praxis umgesetzt, wobei biologische Beprobungen und Messungen ökologisch relevanter Umweltparameter eine wichtige Rolle spielen. Bestandsaufnahme wozu? Traditionell fand über Jahrhunderte ein wesentlicher Teil biologischer Forschung in den Museen statt, wo einzelne Arten gesammelt und wissenschaftlich beschrieben wurden. Allerdings schloss man aus diesen Einzelstudien nur gelegentlich auf das Zusammenspiel zwischen Lebewesen und ihrer physikalischen Umwelt. In den 1970er Jahren hatte sich die Kenntnis über die Lebensbedingungen in den Ozeanen und die Rolle des globalen Klimas unter anderem durch das internationale Ozeanbohrprogramm (IODP) maßgeblich verbessert. Viele Ozeanographen wollten nun ganze Ökosysteme möglichst schnell analysieren und ihre Funktionen entschlüsseln, um damit einen Beitrag zur Rettung des damals schon angegriffenen marinen Lebensraumes zu leisten. Heute weiß man aber, dass für einen solchen Ansatz auch erhebliche Detailkenntnisse notwendig sind. Dabei muss man nach wie vor von dem Grundsatz ausgehen, dass jedes Lebewesen sein eigenes belebtes und unbelebtes Umfeld hat und dass entsprechende „ökologische Nischen” durch spezielle Anpassungen der jeweiligen Art definiert sind. Bei den Umweltansprüchen von nebeneinander vorkommenden Arten besteht in dem daraus resultierenden Wettbewerb für sensible Arten die Gefahr, von robusteren verdrängt zu werden. Andererseits gibt es nahe verwandte Tiere, die sich ökologisch aus dem Weg gehen. So lebt z.B. bei den Flohkrebsen (Amphipoda) die eine Art im Sediment und frisst organischen „Abfall”, während sich ihre „Brüder” und „Schwestern” vom Meeresboden lösen, um lebende Tiere als Nahrung aus dem Wasser herauszufangen. Verändert sich nun die Umwelt, so ist es nach wie vor eine der spannendsten Fragen, wie unsere Biosphäre darauf reagiert. Nur wenn wir wissen, ob eine ökologische Schlüsselart eher zu den Spezialisten oder zu den Generalisten gehört, werden wir das Funktionieren von Ökosystemen verstehen und können damit auch brauchbare Prognosen und Handlungsempfehlungen an die politischen Entscheidungsträger abgeben. Eine Expedition der „Polarstern“ erforschte das Larsen-ABGebiet, in dem – klimabedingt – wenige Jahre zuvor das Schelfeis fast vollständig weggebrochen war. Unter dem Eis hatten sich – möglicherweise über Jahrhunderte oder Jahrtausende – Arten, die an sich in der Tiefsee zuhause sind, angesiedelt (Abb. 1). Wahrscheinlich werden diese Arten in einigen Jahrzehnten durch eine für die Antarktis „normale” Flachwasserfauna ersetzt werden. Als Reaktion auf die so genannte Biodiversity Crisis gewannen in den 1980er Jahren Arbeiten zur biologischen Vielfalt erheblich an Bedeutung. Biodiversitätskrise heißt, dass eine zunehmende Zahl von Arten unwiederbringlich ausstirbt, ohne jemals von einem Wissenschaftler bearbeitet worden zu sein, während gleichzeitig durch Personalkürzungen wertvolle Erfahrungen zu den jeweiligen Tier- und Pflanzengruppen verloren gehen. Die Überzeugung zur Notwendigkeit einer globalen Bestandsaufnahme des Lebens in den Weltmeeren hat in der internationalen Gemeinschaft der Meeresbiologen dazu geführt, dass die US-amerikanische Abb. 1: Dieser vielarmige Seestern war bisher nur aus Wassertiefen unterhalb von 1000 m bekannt. Nach dem Wegbrechen des Larsen-Schelfeises an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel wurde er dort erst kürzlich wegen ähnlicher Umweltbedingungen auch bei 150 m Wassertiefe gefunden (Foto: J. Gutt & W. Dimmler; © AWI/MARUM, Universität Bremen). 101 Umbruch 77.2-3 09.12.2008 15:43 Uhr Seite 102 „Alfred P. Sloan-Stiftung“ im Jahre 2000 die Initiative des Census of Marine Life ins Leben gerufen hat. Unter diesem Dach haben sich inzwischen 17 Einzelvorhaben etabliert, so auch das IPY-Projekt Census of Antarctic Marine Life (CAML). Das marine Ökosystem in der Antarktis Im marinen Ökosystem des Südozeans hat sich über einen Zeitraum von Millionen Jahren eine hoch angepasste Artenvielfalt entwickelt, die besonders empfindlich auf Umweltveränderungen reagiert. Der Census of Antarctic Marine Life unterstützt vielfältige nationale und internationale Projekte und Institutionen mit Biodiversitätsschwerpunkt, die gerade auch in Deutschland in jüngster Zeit einen Aufschwung erfahren haben. Rückenwind hat diese Entwicklung durch die nahezu explosionsartige Entwicklung von molekularbiologischen Untersuchungsmethoden zur Entschlüsselung des Erbguts erfahren. Durch deren Anwendung weiß man erst seit kurzem, dass z.B. einige Meeresasseln keine zirkumantarktische Verbreitung haben, sondern dass sie sich in viele, regional begrenzte Arten gliedern (Abb. 2). Daraus resultieren entscheidende Konsequenzen für die Beurteilung der Empfindlichkeit solcher Ökosysteme. Arten mit großem Ausbreitungsgebiet sind im Falle regional begrenzter Umweltveränderungen, wie wir sie tatsächlich im Bereich der Antarktischen Halbinsel beobachten, viel weniger gefährdet als Arten, die ausschließlich in dem von den Veränderungen betroffenen Gebiet leben. vermessen, ist schon seit vielen Jahren zur Routine geworden. Langfristig verankerte Strömungsmesser sollen später zeigen, wie viel Nahrung in einen Lebensraum hineindriftet und so seine Lebensvielfalt prägt. Moderne Ökosystemforschung bedient sich heute auch technisch aufwändiger Geräte, z.B. ferngesteuerter Unterwasserfahrzeuge (Abb. 3). Sie ermöglichen eine optisch kontrollierte und zielgenaue Durchführung von Experimenten, Messungen sowie Beobachtungen. Maßgebliche Weiterentwicklungen im Verständnis unserer Biosphäre – in diesem Fall der antarktischen Gewässer – sind auch darauf zurückzuführen, dass die biologischen Daten und entsprechende Ergebnisse in moderne Datenbanken eingegeben werden. Insbesondere die große Fülle der heute auf diese Weise allgemein verfügbaren Informationen erfordert in einem ersten Schritt, dass die biologischen Daten zunächst in elektronischen Karten geographisch dargestellt werden. Dann können sie in Computermodellen mit anderen Datensätzen, z.B. zur Nutzung von Ressourcen, zur Meereserwärmung oder zur Eisbedeckung, in Beziehung gesetzt werden, um schließlich wertvolle Einblicke in das Funktionieren von Ökosystemen heute und in der Zukunft zu ermöglichen. Inzwischen gibt es Hunderte solcher Datensätze, deren Analyse auch noch nach der aktiven Phase des Internationalen Polarjahres großen Arbeitsaufwand erfordern. Wenn die einzelnen Ergebnisse schließlich offiziell veröffentlicht sind, Abb. 2: Diese beiden Meeresasseln (Ceratoserolis pasternaki und C. trilobitoides) sind sich zum Verwechseln ähnlich. Solche „Zwillings-Arten“ haben aber unterschiedliche Umweltansprüche und können auch verschiedene Lebensräume besiedeln. Somit spielt die Kenntnis, ob die rund um den Antarktischen Kontinent vorkommenden Tieren zu derselben oder nur nahe verwandten Arten gehören, für die Abschätzung der Belastbarkeit des marinen Ökosystems eine große Rolle (Foto: M. Rauschert, AWI). Methoden Im Rahmen dieser marinen „Volkszählung” wird eine große Breite verschiedener Methoden eingesetzt (vgl. auch Folge 5). Traditionelles Sammeln findet mittels Netzen und Bodengreifern im freien Wasser und am Meeresboden statt. Die einzelnen Tiere jeder Größenklasse werden mühevoll aus dem Fang aussortiert oder aus dem Sediment herausgespült, um anschließend für die weitere Bearbeitung zu Hause konserviert zu werden. Sauberer geht es zu, wenn ferngesteuerte Unterwasser-Roboter eingesetzt werden. Das Charakterisieren eines marinen Lebensraumes durch das Herablassen von physikalischen Messsonden zum Meeresboden und durch den Einsatz von Fächerloten, die den Meeresboden großräumig 102 Abb. 3: Dieses ferngesteuerte Unterwasserfahrzeug liefert im Rahmen der Biodiversitätsforschung quantitative Daten gleichermaßen auf Schlamm- und Hartböden. Damit können insbesondere kleinräumige Veränderungen am Meeresboden erkannt werden (Foto: J. Gutt, AWI). Umbruch 77.2-3 09.12.2008 15:43 Uhr Seite 103 können sie wie Puzzlesteine zu einem großen Gesamtbild zusammengefügt werden. Erst damit ist ein solch großes Projekt abgeschlossen. Fazit Die bisherigen CAML-Expeditionen lassen ein vorläufiges Fazit zu. Das antarktische Ökosystem, insbesondere in der hohen Antarktis, befindet sich zurzeit im weltweiten Vergleich noch in einem recht naturnahen Zustand (Abb. 4). Regional gibt es aber bereits durch eine übertriebene Nutzung und den Klimawandel merkbare Verschiebungen in der Biodiversität. Insgesamt sind noch große Anstrengungen notwendig, um die Toleranz bzw. Empfindlichkeit des Antarktischen Ökosystems gegenüber vom Menschen verursachten und natürlichen Veränderungen der Umwelt genauer kennen zu lernen. Links: <www.caml.aq> Census of Antarctic Marine Life, <www.eba.aq> Evolution and Biodiversity in the Antarctic; <www.awi.de> Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven; <www.ipy.org> International Polar Year <www.scar.org> Scientific Committee on Antarctic Research Kontakt: Dr. Julian Gutt, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven, <[email protected]> Zusammenstellung: Dr. Julian Gutt und Monika Huch Abb. 4: Kaiserpinguine leben in der hohen Antarktis noch weitgehend in einer stabilen Umwelt – wie hier in der Atka-Bucht in der Nähe der Neumayer-Station. Sie reagieren aber empfindlich auf Veränderungen ihrer Lebensbedingungen, was sie zu einem wichtigen Forschungsobjekt in der Klimaforschung macht (Foto: J. Gutt, AWI). 103 Umbruch 77.2-3 09.12.2008 15:43 Uhr Seite 104 Polarforschung 77 (2-3), 104 – 105, 2007 (erschienen 2008) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 16: Kinder-Forschungswerkstatt des Pfalz-Museums Naturkunde – POLLICHIA-Museum für Das Pfalzmuseum für Naturkunde – POLLICHIA-Museum führte 2007 in Zusammenarbeit mit dem Jugend- und Kinderbüro Bad Dürkheim ein Forschungswerkstattprojekt zum Thema „Polarforschung im Hochsommer” durch. Unterstützt durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten sich 16 Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 14 Jahren mit den Lebensräumen an Nord- und Südpol beschäftigen und teilweise selbst forschend aktiv werden. Das umfangreiche Projekt gliederte sich in mehrere Abschnitte und führte am Ende zu einer von den Kindern gestalteten Sonderausstellung im Pfalzmuseum. 13.375 km bis zur Polarstation Der Auftakt zum Projekt fand im Pfalzmuseum statt. Dort wurden die Kinder in das Thema Polargebiete eingeführt. Dann ging es im Museum auf die Suche nach Ausstellungsobjekten, die etwas mit der Arktis oder der Antarktis zu tun hatten. Neben Polarfuchs, Schneehuhn und Schneeeule beeindruckten der große Holzschlitten und das Modell des Forschungsschiffes „Polarstern”. Besonders bestaunt wurde der „echte” Wegweiser aus Holz, der tatsächlich einmal in der Nähe der ersten bundesdeutschen Polarstation in der Antarktis aufgestellt war (Abb. 1). Hier stießen die Kinder auch auf die Spur des berühmten Klimaforschers und „Vater der Polarforschung”, Georg von Neumayer, der Namensgeber der Deut- schen Antarktisstation ist. Zum Abschluss wurden in einer Gesprächsrunde die Fragen der Kinder gesammelt, mit denen sie sich im nächsten Abschnitt des Projektes näher beschäftigen wollten. Polarforschung im Hochsommer Im zweiten Abschnitt des Projektes war die Forschungswerkstatt des Pfalzmuseums für drei Tage ins Jugend- und Kinderbüro der Stadt Bad Dürkheim umgezogen. Wissenschaftlich betreut von einer erfahrenen Expertin, der Geophysikerin Dr. Michaela Bock, galt es für die Kinder, die Unterschiede von Südpol und Nordpol herauszuarbeiten und die Anpassung von Lebewesen an extreme Lebensbedingungen zu untersuchen (Abb. 2). Sie konnten selbst einmal in einen Polaranzug schlüpfen (Abb. 3), unter dem Binokular Pinguinfedern studie-ren und mit zwei Live-Schaltungen zur deutschen Antarktisstation und in die Nordpolarregion die aktuellen Wetterdaten erfragen. Ihre Ergebnisse stellten die Kinder in einer Ausstellung zusammen, zu der sie eigene Arbeitsmaterialien in Form von mitgebrachten Zeitungsartikeln, Internetausdrucken und Büchern beisteuerten. Warum sich Eisbär und Pinguin nicht treffen In einem kleinen Umzug durch die Stadt Bad Dürkheim brachten die „Projektkinder” ihre Ausstellungsstücke in das Pfalzmuseum und bauten dort die Ausstellung „Warum sich Eisbär und Pinguin nicht treffen“ auf (Abb. 4). Zur Eröffnung hielt Dr. Michaela Bock einen Vortrag für die Projektkinder und deren Eltern, Freunde und Verwandte. Anschließend gab Abb. 1: Schüler vor der Antarktiskarte mit dem echten Holz-Wegweiser (Foto: Pfalzmuseum). 104 Umbruch 77.2-3 09.12.2008 15:43 Uhr Seite 105 Abb. 4: Warum Pinguine und Eisbären sich nicht treffen: a) Pinguine in der Antarktis, b) Eisbären in der Arktis (Fotos: Pfalzmuseum) Abb. 2: Ausmalen eines Pinguin-Modells. (Foto: Pfalzmuseum) Abb. 3: Ein Kind im echten Polaranzug (Foto: Pfalzmuseum) es ein „eiskaltes Büffet”. Am Abend wurden Teilnehmer des internationalen Georg-von-Neumayer-Symposiums, das gerade in Bad Dürkheim stattfand, von einem Projektkind durch die Ausstellung geführt. Die Wissenschaftler zeigten sich beeindruckt von der ganz eigenen Atmosphäre, in der sich kindliche Forschungsergebnisse in individueller kindlicher Darstellung und professionelle Gestaltung auf naturwissenschaftlichem Hintergrund in hervorragender Weise ergänzten. Bilanz Die Reaktion der beteiligten Kinder, ihrer Eltern, des Projektteams, der Öffentlichkeit und der Fachwissenschaft auf das Forschungswerkstatt-Sonderprojekt war durchweg positiv. Darüber hinaus hat „Polarforschung im Hochsommer” weitere Aktivitäten nach sich gezogen, zum Beispiel die Einrichtung einer wissenschaftlichen Sonntagsmatinee für Familien im Museum. Damit ist es gelungen, das Recht der Kinder auf Beteiligung am kulturellen und künstlerischen Leben gemäß Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention nachhaltig in die Tat umzusetzen. Gleichzeitig wurde eines der großen Anliegen des Internationalen Polarjahres, die Einbindung von Jugend und Öffentlichkeit, beispielhaft verwirklicht. Links: <www.pfalzmuseum.de> (Pfalzmuseum für Naturkunde-POLLICHIA-Museum); <www.polarjahr.de> Veranstaltungsarchiv; <www.pollichia.de> Pollichia - Verein für Naturforschung und Landespflege e.V.; der Verein wurde 1840 in Bad Dürkheim auf Initiative von Carl Heinrich Schultz von Mitstreitern des Hambacher Festes gegründet und nach Johann Adam Pollich, einem bedeutenden pfälzischen Botaniker, benannt. Projektleitung und Kontakt: Birte Schönborn und Ute Wolf, Pfalzmuseum für Naturkunde-POLLICHIA-Museum, Hermann-Schäferstraße 17, 67098 Bad Dürkheim, <[email protected]> <[email protected]> Zusammenstellung: Birte Schönborn, Ute Wolf und Monika Huch 105 Umbruch 77.2-3 09.12.2008 15:43 Uhr Seite 106 Polarforschung 77 (2-3), 106 – 108, 2007 (erschienen 2008) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 17: Das Projekt Antarctica's Gamburtsev Province – AGAP Die Gamburtsev Mountains sind ein Gebirgszug unter dem Inlandeis der zentralen Ostantarktis, der mit seismischen Methoden während des Internationalen Geophysikalischen Jahres 1957-58 von sowjetischen Wissenschaftlern entdeckt wurde. Dieses Gebirge unter dem Eis befindet sich in dem am wenigsten zugänglichen Bereich der Antarktis: dieser so genannte „Pol der Unzugänglichkeit” liegt am Rande des vermuteten Gebirges. Aus diesem Grund ist es nach seiner Entdeckung auch kaum untersucht worden und man weiß bis heute nicht mehr, als dass es sich um ein mehr als 300.000 km2 großes Hochland oder Gebirge in der zentalen Ostantarktis handelt (Abb. 1). Man vermutet, dass vor über 30 Millionen Jahren von hier aus die große Vereisung der zentralen Antarktis begann. Ob dieses Gebirge unter dem Eis ein einfaches Hochland ist oder alpinen Charakter hat und aus welchen Gesteinen es besteht, ist vollkommen unklar. Auch die Verbindung mit anderen Strukturen, wie den subglazialen Seen oder Grabensystemen, ist unbe- kannt. Deshalb sind die Erforschung der geologischen Struktur der Gamburtsev Mountains und der damit verbundenen Entwicklung des antarktischen Eisschildes herausragende Ziele im Internationalen Polarjahr. Wissenschaftler von mindestens sechs Nationen werden in diesem FlagschiffProjekt des IPY zusammenarbeiten. Kern des AGAP-Projektes sind Flugzeug gestützte Vermessungen des Magnetfeldes und des Schwerefeldes sowie der Eismächtigkeiten im Bereich der Gamburtsev Mountains sowie der benachbarten subglazialen Strukturen. Hier ist bereits ein detaillierter Plan entwickelt worden (Abb. 2), der aus der Integration von GigaGAP – einem ursprünglich deutsch-australischen Vorschlag, GAMBIT – dem ursprünglich rein amerikanischen Projekt und Dome A – einem Vorhaben des British Antarctic Survey – entstand. Zusätzliche Themenschwerpunkte sind die Suche nach dem ältesten Eis in der Antarktis, das irgendwo in der Umgebung oder in den Gamburtsev Mountains selbst vermutet wird, und die Untersuchung der Recovery Subglacial Lakes, wo der Ausgangspunkt von Eisströmen zum Filchner-Ronne-Eisschelf vermutet wird. Abb. 1: Topographie der Antarktis unter dem Eis. Gelbe bis rote Flächen liegen über dem heutigen Meeresspiegel, grüne bis blaue darunter (nach LYTHE & VAUGHAN 2001). Der weiße Kreis markiert die Gamburtsev Mountains. 106 Umbruch 77.2-3 09.12.2008 15:43 Uhr Seite 107 Abb. 2: Übersicht über das Arbeitsgebiet des AGAP-Projekts in der Ostantarktis mit den AGAP-Profillinien und Feldlagern (gelb), seismischen Messpunkten (rot) und bekannte subglazialen Seen (dkl. blau) (Quelle: M. Studinger, Lamont Doherty Earth Observatory, LDEO) Von deutscher Seite ist die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) mit einem umfangreichen Beitrag am AGAP-Projekt beteiligt. Die logistische Koordination der Befliegung wird wesentlich von der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF) getragen. Die wissenschaftlichen Planungen und die Auswertung der Ergebnisse liegen in den Händen eines Konsortiums von Wissenschaftlern des Lamont-Doherty Earth Observatory (LDEO), der Universität Kansas, des US Geological Survey (USGS), des Britisch Antarctic Survey (BAS) und der deutschen BGR. Unterstützt wird die Befliegung außerdem von der Australian Government Antarctic Division (AGAD) und der Chinese Antarctic Research Expedition (CHINARE). Bereits in der Antarktissaison 2007/08 wurden logistische Vorbereitungen getroffen. Neben der Anlage eines Treibstoffdepots an der russischen Station Progress im Frühjahr 2007 wurde im Dezember mit der Einrichtung eines Basislagers auf dem Polarplateau, AGAP-S (Abb. 2), begonnen. Flugtreibstoff und Ausrüstung für diese Basis liegen an der amerikanischen Station McMurdo bereit, von wo aus die Vermessung von Oktober 2008 bis Januar 2009 unterstützt werden soll. Als Messplattform werden zwei Twin-Otter-Flugzeuge dienen (Abb. 3), die beide mit Geräten zur Erfassung des Magnetfeldes, des Schwerefeldes, der Eisoberfläche und der Eisdicke (inklusive der internen Strukturen des Eispanzers) ausgerüstet sind. Über dem zentralen Teil der Gamburtsev Mountains soll ein Rechteck von 800 km Länge und 300 km Breite detailliert, d.h. mit einem Netz von Profillinien im Abstand von 5 km, vermessen werden (Abb. 2). Zusätzliche Einzelmesslinien sollen den regionalen Zusammenhang erfassen und eine Verbindung zu früheren Messgebieten – insbesondere dem subglazialen Lake Vostok – herstellen. Ein zweites engmaschiges Messnetz verbindet die AGAP-Vermessung mit einem Messfeld über dem südlichen Lambert-Graben (DAMASKE & MCLEAN 2005). Damit soll geprüft werden, ob ein Zusammenhang zwischen diesem Graben, dem subglazialen Lake Vostok und dem Gamburtsev-Hochland besteht. Die Planungen umfassen insgesamt 100.000 Profilkilometer. Um dieses Planungsziel überhaupt erreichen zu können, müssen für jedes Flugzeug jeweils zwei Besatzungen vorgesehen werden. Mitte Oktober 2008 sollen beide Messflugzeuge auf der Station McMurdo eintreffen. Hier werden sie mit den Messinstrumenten ausgerüstet und getestet. Mitte November werden dann die Messmannschaften in der Scott-Amundsen-Station am Südpol eintreffen, um sich in der Höhe zu akklimatisieren. Zur gleichen Zeit wird ein Bautrupp das Basislager AGAP-S (in 3500 m Höhe) fertig stellen. Danach wird eine Twin Otter den Messbetrieb vom Hauptcamp aus aufnehmen, während die andere für kurze Zeit von der Südpolstation aus operiert, ehe sie zum Lager AGAP-N (Abb. 2) verlegt wird. Dieses Lager liegt in 3000 m Höhe – etwa 800 km nördlich von AGAP-S – auf der chinesischen Landtraverse zum Dome A. 107 Umbruch 77.2-3 09.12.2008 15:43 Uhr Seite 108 Projektes „Plates & Gates” (vgl. Folge 11) - im Rahmen der „Polarstern“-Expedition ANT-XXIII/9; vorläufige Ergebnisse sind schon auf dem X. ISAES-Kongress in Santa Barbara, USA im August 2007 vorgestellt worden (GOHL et al. 2007). Prince Charles Mountains und Lambert-Graben. Die geplanten geologischen Arbeiten im Gebiet Prince Charles Mountains zur Klärung der geologischen Entwicklung des Lambert-Grabens sowie die damit logistisch verbundenen geodätischen Beobachtungen zu rezenten Deformationen der Erdkruste in diesem Bereich sind zur Zeit unterbrochen. Die hierfür notwendige Unterstützung von australischer Seite kann während des Internationalen Polarjahres nicht geleistet werden. Diese Untersuchungen sollen aber in den Folgejahren wieder aufgenommen werden. Damit entsprechen sie dem Geiste des IPY, nicht nur während des Polarjahres selbst Programme zu betreiben, sondern auch Impulse für zukünftige Forschung zu geben. Abb. 3: Zweimotorige Twin-Otter-Maschine mit Skifahrwerk im Anflug zu einer Außenlandung auf dem Eis. Der bei der russischen Station Progress an der Küste gelagerte Treibstoff soll entweder im Zuge dieser Landtraverse oder auf dem Luftweg mit Hilfe von australischen CASA-Flugzeugen nach AGAP-N gebracht werden. Das Lager selbst soll ebenfalls mit australischer Unterstützung eingerichtet werden. Die von hier ausgehenden Messflüge werden den nördlichsten Teil des Hauptmessgebietes sowie das Gebiet Richtung LambertGletscher abdecken. Am Ende der Saison werden beide Flugzeuge von AGAP-S aus operieren. Die letzten Messflüge müssen Mitte Januar 2009 abgeschlossen werden, da Beobachtungen vergangener Jahre ergeben haben, dass zu dieser Zeit die Temperatur unter eine für den Flugbetrieb kritische Grenze von -50 °F (= -45 °C) fallen wird. Für die Datenbearbeitung und die erste Auswertung ist ein vorläufiger Zeitplan erarbeitet worden. Es wird angestrebt, erste Ergebnisse – zumindest in Teilbereichen – bereits im Herbst 2009 vorzulegen. Die endgültige Auswertung und Interpretation des hoffentlich umfangreichen Materials wird sicherlich ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen. Als erstes wichtiges Resultat wird erwartet, geeignete Bohrpunkte für zwei in den post-IPY-Jahren geplante Eisbohrungen zu bestimmen. Dies sind die chinesische Eisbohrung nahe Dome A und vor allem die ebenfalls vom Chinesischen Antarktisprogramm angekündigte erste Bohrung in das Gestein der Gamburtsev Mountains zur Gewinnung von Gesteinsproben aus dem Inneren des Antarktischen Kontinents. Im Rahmen von AGAP sind mehrere Teilprojekte zusammengeschlossen. Einige wurden schon vor dem Internationalen Polarjahr begonnen und können als Vorerkundungen und Vorbereitungen betrachtet werden, andere sollen nach dem Polarjahr verstärkt in Angriff genommen werden. Prydz Bay. Bereits abgeschlossen sind meeresgeophysikalische Messungen zur Erforschung a) der Struktur der Prydz Bay als Teil des Lambert-Graben-Systems und b) der dort abgelagerten Gesteine, die aus dem Inneren des Kontinents und damit möglicherweise von den Gamburtsev Mountains stammen. Diese Messungen erfolgten - auch als Teil des IPY- 108 Seismologie. Seismologische Beobachtungen – Untersuchungen von natürlichen Erdbeben – zur Erforschung der unter den Gamburtsev Mountains liegenden Lithosphäre und unteren Kruste sind bereits während der Saison 2007/08 von amerikanischer Seite mit dem Projekt GAMSEIS aufgenommen worden. Eine Reihe von seismischen Stationen wurde installiert. Sie werden in der kommenden Saison erneut aufgesucht, um erste Ergebnisse über ein ganzes Messjahr zu erhalten. Zusätzlich werden während 2008/09 weitere Stationen aufgestellt werden, die während des ausgehenden IPY (2009) messen werden (Abb. 2). ICECAP. Im Rahmen des AGAP-Projekts ist auch das Projekt ICECAP angesiedelt. Dieses Projekt, das von der University of Texas initiiert und von britischen und neuerdings auch australischen Institutionen unterstützt wird, ist wesentlich glaziologisch ausgerichtet. Mit weiträumig angelegten aerogeophysikalischen Flugprofilen konzentriert es sich nach neueren Planungen auf die Wilkes- und Aurora-Becken in der Ostantarktis außerhalb der engeren Gamburtsev-Zone. Links: <www.bgr.bund.de/(Meeres- und Polarforschung, Polarforschung, Antarktis, AGAP-GIGAGAP)> <http://classic.ipy.org/development/eoi/proposal-details.php?id=67> <http://www.ldeo.columbia.edu/~mstuding/AGAP> Literatur Damaske, D. & McLean, M. (2005): An Aerogeophysical Survey South of the Prince Charles Mountains, East Antarctica.- Terra Antartica, 12(2), 87-98 DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft (2005): Deutsche Forschung in der Antarktis. Wissenschaftlicher Fortschritt und Perspektiven Denkschrift.Wiley-VCH Verlag, Weinheim, 211 pp. Gohl, K., Leitchenkov, G.L., Parsiegla, N., Ehlers, B.-M., Kopsch, C., Damaske, D., Guseva, Y.B. & Gandyukhin, V.V. (2008) Crustal types ad continent-ocean boundaries between the Kerguelen Plateau and Prydz Bay, East Antarctica.- In: A.K. Cooper, C.R. Raymond et al. (eds) Antarctica: A Keystone in a Changing World. Proc. 10th ISAES, USGS OpenFile Report 2007-1047, Extended Abstract 038, 4 p. Lythe, B.M. & Vaughan, D.G. (2001) BEDMAP: A new ice thickness and subglacial topographic model of Antarctica.- J. Geophys. Res. 106: 11.335-11.352. Kontakt: Dr. Detlef Damaske, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Stilleweg 2, 30655 Hannover; < [email protected]> Zusammenstellung: Dr. Detlef Damaske und Monika Huch Umbruch 78 30.03.2009 17:22 Uhr Seite 79 Polarforschung 78 (1-2), 79 – 80, 2008 (erschienen 2009) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 18: Geowissenschaftliche Observatorien in den Polargebieten: Das Projekt POLENET (Polar Earth Observing Network) Der Betrieb von wissenschaftlichen Observatorien der verschiedensten Art war schon während des ersten Internationalen Polarjahres 1882/83 eine der zentralen Aufgaben. In der Öffentlichkeit ist die Bedeutung von geowissenschaftlichen Observatorien, abgesehen vielleicht von Erdbebenwarten, wenig bekannt. Die Erdsystemforschung, insbesondere in der Geodäsie und Geophysik, zielt auf die Untersuchung der Erde als Ganzes. Wechselbeziehungen und Austauschprozesse zwischen den verschiedenen Sphären (Lithosphäre, Kryosphäre, Hydrosphäre und Atmosphäre) sind vielfältig und komplex. Erst durch eine grundlegende Erfassung und Beschreibung des Zustands der Erde wird eine Voraussetzung für Prognosen der weiteren Entwicklung – z.B. des globalen Klimas – geschaffen. Die Polarregionen sind aufgrund ihrer besonderen Bedingungen – isolierte Lage und komplizierte Erreichbarkeit, extreme Wetterverhältnisse, Polarwinter – von jeher langfristigen geowissenschaftlichen Beobachtungen schwer zugänglich. Nicht umsonst konzentrieren sich z.B. in der Antarktis nahezu alle permanent besetzten Stationen in Küstennähe. Das IPY-Projekt POLENET hat deshalb zum Ziel, zum einen geowis-senschaftliche Observatorien an entlegenen Lokationen in den Polarregionen einzurichten und zum anderen mit Hilfe der in diesen Observatorien erhobenen Daten Lücken im globalen Netz zu schließen und den Kenntnisstand über die aktuelle polare Geodynamik wesentlich zu verbessern. Die Einrichtung geowissenschaftlicher Observatorien betrifft verschiedene Beobachtungstechniken der Geodäsie und Geophysik, die jeweils an einer Lokation permanent Daten aufzeichnen (Abb. 1). An erster Stelle seien hier GPS (Global Positioning System) bzw. in erweiterter Form GNSS (Global Navigation Satellite Systems) sowie die Seismologie genannt. Mit Hilfe von GPS-Messungen werden präzise dreidimensionale Koordinaten der Beobachtungsstation erfasst, so dass über die Zeit Veränderungen bestimmt werden können. Aus den Beobachtungen moderner Breitbandseismometer leitet man Rückschlüsse über den inneren Aufbau der Erde ab, insbesondere über den inneren Spannungs- und Deformationszustand der Lithosphäre. Weiterhin umfassen die geowissenschaftlichen Observatorien Magnetometer (Variationen des Erdmagnetfeldes), Gravimeter (Variationen des Erdschwere- feldes) und Pegel (Variationen des Meeresspiegels), ergänzend dazu meteorologische Sensoren. Die mittels GPS erfassten Krustendeformationen erlauben es, Veränderungen in der Horizontalen zu studieren, z.B. durch die Effekte der globalen Plattentektonik und des aktuellen regionalen tektonischen Regimes. Vertikale Änderungen sind wesentlich auf die visko-elastische Reaktion der Erde infolge veränderlicher Eismassenauflasten rückzuführen. Damit liefert GPS unabhängige Daten für das Studium und somit für die Verbesserung von Modellen der Glazialgeschichte und des postglazialen isostatischen Ausgleichs. Seismische Daten werden für das Studium von Erdbeben genutzt. Die Lokalisierung und Bestimmung der Quellenmechanismen sowie möglicher glazial-induzierter Anregungen trägt zum besseren Verständnis der Plattendynamik und Tektonik bei. Eine verbesserte und überhaupt dichtere Verteilung von seismischen Stationen in den Polarregionen hilft ebenso beim Studium des inneren Aufbaus der Erde, da z.B. seismische Wellen, die den Erdkern durchqueren, aufgezeichnet werden können. Für den permanenten Betrieb der Observatorien sind vielfältige technologische Herausforderungen zu meistern, die vor allem die Sicherstellung der Stromversorgung betreffen. Dazu werden als Energiespeicher Akkumulatoren eingesetzt, die natürlich der Nachladung bedürfen. Neben Solarmodulen (Abb. 2) müssen hier weitere alternative Energiequellen erschlossen werden, die auch während des Polarwinters arbeiten. Dabei entstehen oftmals individuelle Lösungen, die 79 Umbruch 78 30.03.2009 17:22 Uhr Seite 80 Abb. 1: GPS-Permanentstation im Gebiet der russischen Antarktisstation Leningradskaya in Oates-Land, Ostantarktis. (Foto: L. Eberlein) Abb. 2: GPS-Station in Nordostgrönland mit Sonnenmodulen als Energiequelle (Foto: M. Scheinert) teilweise auf kommerziellen Angeboten aufbauen, z.B. unter Nutzung von Windgeneratoren oder Brennstoffzellen. Weitere technologische Entwicklungen betreffen Aufbau und Thermomanagement sowie die Einrichtung von satellitenbasierten Kommunikationsverbindungen für die Abfrage von Statusinformationen und eventuell sogar für die Datenübertragung. Veränderungen des globalen Meeresspiegels, z.B. bedingt durch Schmelzen der kontinentalen Eisschilde in Antarktika und Grönland, lassen sich in ihrer Komplexität nur erfassen, wenn auch Bewegungen und Deformationen der festen Erde beobachtet und modelliert werden. Ebenso wird das Studium der Plattentektonik gefördert. Die multidisziplinären Sensoren der POLENET-Observatorien, ob auf Fels, auf Eis oder am Meeresboden, unterstützen umfassend Studien des polaren Ökosystems und zeigen mögliche Verbindungen zu derzeit aktiven tektonischen Elementen auf. POLENET ist als Kernaktivität im Internationalen Polarjahr 2007/08 anerkannt und wird durch die Beteiligung von Vertretern aus 28 Nationen getragen. Den Vorsitz haben Terry Wilson (Ohio State University, Columbus, USA) und Reinhard Dietrich (TU Dresden) inne. Ein Augenmerk liegt darauf, die Aktivitäten in enger internationaler Kooperation zu gestalten und in der wissenschaftlichen Verwertung der Daten interdisziplinär zusammen zu arbeiten. Zur Vorbereitung und Koordination finden regelmäßig Treffen statt, oft am Rande großer Konferenzen. In Dresden fand vom 4. bis 6. Oktober 2006 ein internationaler Workshop „GPS in the IPY: The POLENET Project“ statt. POLENET kann zur Beantwortung einer Reihe von Fragestellungen der Geowissenschaften und Glaziologie beitragen. 80 Links: <http://www.polenet.org> (Das Projekt POLENET). <http://tpg.geo.tu-dresden.de> (Institut für Planetare Geodäsie, Professur für Theoretische und Physikalische Geodäsie, TU Dresden). Kontakt: Dr. Mirko Scheinert, Prof. Dr. Reinhard Dietrich, Institut für Planetare Geodäsie, Technische Universität Dresden, Helmholtzstraße 10, HülsseBau, Westflügel, 01069 Dresden, <[email protected]> oder <[email protected]> Zusammenstellung: Mirko Scheinert, Reinhard Dietrich und Monika Huch. Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 119 Polarforschung 78 (2), 119 – 120. 2008 (erschienen 2009) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 19: Junge Wissenschaftler im Permafrost Boden im ewigen Eis In den Weiten der amerikanischen, kanadischen und russischen Arktis ist der Boden bis zu einer Tiefe von ca. 600 m permanent gefroren. Wie reagiert der Permafrost auf die derzeitige Klimaentwicklung? Beeinflusst ein mögliches Verschwinden umgekehrt die Stabilität des Weltklimas und wie würde es sich auf die Zukunft der menschlichen Wirtschaftsräume im hohen Norden auswirken? Um diese und andere Fragen geht es im Projekt TEPO (Technological and Environmental Permafrost Observatory), einer internationalen Kooperation von Universitäten, die Geländeveranstaltungen für Studierende in der Arktis anbietet. Im Rahmen von TEPO konnten auch Studenten der Universität Hamburg an einem Forschungsprojekt in West-Sibirien teilnehmen. Zusammen mit Kommilitonen aus Moskau, Tyumen und Montana lernten die Hamburger Studenten wissenschaftliches Arbeiten am Polarkreis (Abb. 1). Schwerpunkte der Untersuchungen waren die besonderen Landschaftsformen der Tundra, die Prozesse der Permafrost- und Bodendynamik sowie Konstruktions- und Bautechnik auf Permafrost. Um die komplexen Zusammenhänge zwischen Bodenbildung und Permafrost deutlich zu machen, wurden bodenkundliche Daten erhoben, Böden klassifiziert und, als besonders wichtiges Merkmal, die Auftautiefe des Permafrosts ermittelt. Die Bildung der Polygonal-Strukturen in der Tundra war ein weiteres Forschungsziel. Die Arbeiten am tief gefrorenen Abb. 1: Gruppenfoto am Polarkreis – manch ein Teilnehmer überquerte den Polarkreis zum ersten Mal. Boden waren mit Blasen an den Händen und viel Schweiß verbunden. Für die Studenten aus Hamburg war das Projekt zudem eine Art Zeitreise mit direktem Bezug zum heimatlichen Norddeutschland. Denn Permafrost prägte auch die Landschaft Norddeutschlands beim Zurückweichen der letzten Vereisung vor etwa 10.000 Jahren. Sibirien: Weites Land Sibirien und Pingo-Hügel Die Tas-Halbinsel am Ob-Busen war Schauplatz der Geländearbeiten in Form von Landschaftskartierung, geothermischer Datensammlung und hydrologischer wie botanischer Untersuchungen. Auf der Halbinsel erstreckt sich die unendliche, flache Tundra baumlos in alle Richtungen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings eine Vielfalt von Landschaftsformen und Bodenstrukturen: Thermokarst-Seen, breite Flussläufe, mysteriöse Polygonstrukturen, Eiskeile und Pingos (Abb. 2 und 3) prägen die Landschaft. Thermokarst bezeichnet Hohlformen, die durch das Auftauen von Eislinsen im Boden entstanden sind. Pingos entstehen, wenn ein wachsender Eiskern im Boden die darüber liegenden Ablagerungen anhebt. An der Oberfläche sind dann kreisrunde Hügel von einigen dutzend Metern Durchmesser zu sehen. Einer dieser „Eisberge” wurde von der Gruppe „Hamburger Pingo” getauft. Abb. 2: „Hamburger Pingo” hinter einem Thermokarst-See. 119 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 120 Städte auf Eis gebaut Sämtliche Infrastruktur in Russlands Norden ist in Permafrost gegründet. Nicht unähnlich dem hierzulande bekannten Betonfundament bedienen sich russische Ingenieure verschiedenster Techniken, um Bauwerke im ewigen Eis des Untergrundes fest zu verankern. Es existieren sogar Techniken, die kleinräumig Permafrost künstlich erzeugen. Eine ständige Kontrolle des Permafrosts ist erforderlich, um die Stabilität der Gebäude zu sichern. Wer hätte in diesem Zusammenhang gedacht, dass hohe Schneedecken zu einem Auftauen des Permafrosts führen können? Nun, der Schnee wirkt als Isolator; darunter herrschen Temperaturen um Null Grad Celsius. Taut der Permafrost, drohen Gebäudeeinstürze! Die Arbeiten wurden durch die Firmen Gazprom und Yamburg-GasDobydcha finanziell unterstützt. Abb. 3: Bodenprofil auf dem „Hamburger Pingo”: Boden aus organischem Material mit Eislinse (Foto: ??) Links: <www.international-polar-year.org> <www.permafrostcourses.org> Kontakt: Prof. Dr. Anna Kurchatova, Tyumen State Gas and Oil University, Tyumen, Russian Federation; <[email protected]> Prof. Dr. Eva-Maria Pfeiffer, Universität Hamburg, Institut für Bodenkunde, Allende-Platz 2, 20146 Hamburg; <[email protected]> Zusammenstellung: Leon von Below, Normann Rüggen, Eva-Maria Pfeiffer und Monika Huch 120 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 121 Polarforschung 78 (2), 121 – 123. 2008 (erschienen 2009) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 20: Der Arktische Ozean - Status und Zukunft Zurzeit finden im Arktischen Ozean drastische Veränderungen statt. Das Meereis verringert sich, die oberen Wasserschichten werden wärmer und Strömungen verschieben sich. Daraus sind Auswirkungen auf den Austausch und den Transport von Stoffen und auf Ozean- und Eisorganismen zu erwarten. Für das Verständnis dieser Veränderungen ist eine umfassende Gesamtaufnahme als Ausgangspunkt für Langzeitbeobachtungen notwendig. Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich Zirkulation und Eigenschaften der Wassermassen im Arktischen Ozean nachweisbar verändert. Wasser, das aus dem Nordatlantik in den Arktischen Ozean gelangt, ist seit den frühen 1990er Jahren wärmer geworden. Eine offene Frage ist, ob diese zusätzliche Wärme dazu beigetragen hat, dass das arktische Meereis abnimmt. Der Zufluss aus dem Atlantik ist auch salzhaltiger geworden, aber zur gleichen Zeit hat auch die Süßwasserzufuhr in die Arktis zugenommen. Die verringerte Meereisbedeckung könnte im Gegenzug die Austauschbeziehungen zwischen Ozean und Atmosphäre beeinflusst haben. Veränderte atmosphärische Bedingungen, z.B. die Arktische Oszillation, beeinflussen den Eintrag, die Speicherung und Zirkulation von Süßwasser, das über Flüsse und Niederschlag in den Arktischen Ozean gelangt. • Steigt Atlantikwasser am Schelfrand auf, so dass es seine Wärme abgeben kann? • Wo vermischen sich die Wassermassen von Framstraße und Barentssee und welche Anteile fließen in welchen Zeiträumen innerhalb der verschiedenen Becken zurück in die Framstraße? • Wie verläuft momentan die Süßwasser-Transpolardrift aus dem Pazifik und den sibirischen Flüssen? • Können wir einzelne Impulse von warmem Salzwassereintrag aus dem Atlantik feststellen und den Zeitablauf ihres Rückflusses in den subarktischen Atlantik eingrenzen? Zur Beantwortung dieser wesentlichen Fragen wurde im IPY 2007/08 neben anderen arktischen Expeditionen die Polarsternfahrt ARK-XXII/2 durchgeführt (Abb. 1), die insbesondere die eurasische und zentrale Arktis erfassen sollte. Um dekadische Veränderungen zu erfassen, wurden im Eurasischen Becken Wiederholungsmessungen zu „Polarstern“und „Oden“-Kampagnen von 1991, 1993, 1995, 1996 und 2005 durchgeführt. Das ozeanographische Programm ist Teil des EU-Projektes DAMOCLES (Developing Arctic Modelling and Observation Capabilities for Longterm Environmental Studies, vgl. Folge 10). Warmes Wasser aus dem Atlantik strömt durch zwei Meerengen in den Arktischen Ozean, zum einen durch die Barentssee, zum anderen durch die Framstraße. Diese Einströme sind von unterschiedlicher Temperatur und Dichte (Salinität). Sie folgen primär als eng begrenzte Randströmungen dem Kontinentalrand und den morhologischen Rücken des Arktischen Ozeans, die dadurch auch hydrographische Untersuchungen in hoher Auflösung erfordern. Neben diesen Randströmen sind diese Einträge auch im übrigen Bereich des Arktischen Ozeans erkennbar, der Einstrom durch die Framstraße als obere „atlantische” Schicht, der Strom durch die Barentsstraße als intermediäre Lage darunter. Das Wasser im Arktischen Ozean – Offene Fragen • Erreicht der wärmere Eintrag in die Barentssee die zentrale Arktis? • In welchem Ausmaß bleibt das Wasser der Framstraße im Kontakt mit der Atmosphäre, während es an den kontinentalen Abhängen und Rücken entlang fließt, und wo wird es durch die Süßwasserschicht aus den sibirischen Flüssen von der Atmosphäre isoliert? Abb. 1: Logo der Polarstern-Expedition ARK-XXII/2 mit dem IPY-Programm SPACE (Synoptic Pan-Arctic Climate and Environment Study) und dem EU-Programm DAMOCLES (Developing Arctic Modelling and Observing Capabilittiees for Long-term Eenvironment Studies. 121 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 122 Zusätzlich leistete ARK-XXII/2 einen Beitrag zu einem internationalen Langzeitbeobachtungsprogramm von Ozean und Meereis durch Eisbojen, die in diesem Jahr auf verschiedenen Expeditionen erstmalig in großem Umfang arktisweit ausgebracht wurden. Ein wesentlicher Bestandteil der Expedition war ein ChemieProgramm im Rahmen von GEOTRACES (Spurenstoffe in der Arktis). Dabei kam erstmalig ein Ultra-clean-System zum Einsatz, mit dem in großem Umfang effektiv Wasserproben für Spurenmetalluntersuchungen genommen werden können. Parallel dazu wurde ein breites Spektrum von natürlichen Radioisotopen für Partikelflussuntersuchungen beprobt. Untersuchungen der Wassersäule entlang von ProfilSchnitten Die ursprüngliche Planung sah vor, dass ARK-XXII/2 vor allem den eurasischen Sektor der Arktis abdeckt. Die unerwartet geringe Eisbedeckung des Sommers 2007 erlaubte jedoch, die Untersuchungen bis weit ins Amerasische (Kanadische) Becken hinein auszudehnen. Die weit nach Norden zurückgezogene Eisgrenze führte aber auch dazu, die Messbojen sehr viel weiter im Nordwesten auszulegen als eigentlich vorgesehen war. Die Profilschnitte erstreckten sich von den Schelfgebieten der Barents-, der Kara- und der Laptewsee über das Nansen-, das Amundsen- und das Makarow-Becken bis über den AlphaMendelejew-Rücken in das Kanadabecken (Abb. 2). Auf allen Schnitten wurden in engem Stationsabstand CTD-Profile (Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoffgehalt und Fluoreszenz) aufgenommen und eine Kombination von Standardproben genommen. Das erste Profilschnitt entlang 34°E nach Norden führte ins Nansenbecken bis 84°30'N. Der zweite Schnitt verlief im Osten entlang 61°E von 84°40'N aus nach Süden in Richtung Franz-Joseph-Land. Der dritte Schnitt begann im östlichen Voronintrog entlang etwa 86°E nach Norden. Nansenbecken, Gakkelrücken, Amundsenbecken und Lomonossowrücken wurden gequert. Über dem Lomonossovrücken wurde ein Abstecher nach Norden gemacht, um den Tiefenwasseraustausch durch das so genannte Intrabecken an der Schwelle zwischen Amundsen- und Makarowbecken zu untersuchen. Anschließend wurde die Fahrt entlang des ursprünglichen Schnittes bei etwa 88°N nach Osten ins Makarow-Becken fortgesetzt. Bei 87°51'N, 170°W wurde die erste Eisboje ausgebracht (Abb 3). Nach dem Makarowbecken wurde der Alpharücken bei 85°42'N, 135° W gequert und der Rand des Kanadabeckens bei 84°30'N, 138°25'W erreicht. Im Amerasischen (Kanadischen) Becken wurde der CTD-Schnitt durch XCTDAbwürfe vom Helikopter aus um jeweils weitere 70 nm nach Osten bzw. nach Süden verlängert. Vom südlichen Alpharücken führte ein kurzer Schnitt über einen der Durchlässe zwischen Makarowbecken und Kanadabecken zum östlichen Ende des Mendelejewrückens. Der vierte Schnitt führte über das Makarow-Becken, den Mendelejew-Rücken und den Lomonossow-Rücken und diente primär dem Ausbringen von Eisbojen. Der abschließende fünfte Schnitt wurde entlang des mittelozeanischen Gakkelrückens durchgeführt, um ggf. hydrothermal verursachte Wärmeanomalien zu lokalisieren. 122 Abb. 2: Lage der untersuchten Profilschnitte mit den CTD-Stationen. Die Zahlen geben die Profilschnitte an. AB = Amundsenbecken, NB = Nansenbecken, MB = Makarowbecken, CB = Kanadabecken Der Kontinentalrand wurde gequert und das Profil endete in der Laptewsee. Erste Ergebnisse Der erste Profilschnitt entlang 34°E reichte von der Barentssee bis fast zum Gakkelrücken. Hier wurde der Einstrom atlantischen Wassers mit hoher Salinität (> 35.1) und 6 °C oberflächennaher Temperatur erfasst. Die polare Front mit geringerer Salinität und Temperatur des Oberflächenwassers (bis 1,6 °C) lag am Südrand der Grand Bank. Über dem Kontinentalabhang wurde durch die Framstraße einfließendes Wasser mit wieder höheren Temperaturen und Abb. 3: Ein internationales Team beim Ausbringen eine Eisboje. Die von der Boje getragene Sonde misst jeden Tag ein Profil der Temperatur und des Salzgehalts bis in 800 m Tiefe und sendet die Daten per Satellit an Land (Foto: K. Bakker, NIOZ). Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 123 Salinität der obersten Schichten angetroffen. Unter 1000 m wurden Arktisches Intermediäres Wasser (AIW) und das Nor dische Tiefenwasser (NDW), beide mit geringerem Salzgehalt, registriert. Weiter beckenwärts nahmen Salzgehalt und Temperatur des oberen atlantischen Wassers ab und Intrusionen wurden registriert. Ein Temperaturminimum darunter ist auf Barentsseewasser zurückzuführen. Eine ähnliche Situation wurde auf den nördlichsten Stationen des zweiten Schnitts angetroffen. Weiter im Süden dominierte das wärmere und geringer salzhaltige, neu zugeflossene Wasser. Dieser Zufluss aus der Barentssee kann möglicherweise eine verringerte Eisbildung verursachen. Auf dem dritten Profilschnitt wurde in der nördlichen Karasee hauptsächlich über den Barentsschelf eingeflossenes Wasser angetroffen. Das Gebiet weiter nördlich ist gekennzeichnet durch Wechselwirkungen der beiden einfließenden atlantischen Wasserkörper aus Barentssee und Framstraße. Vom Gakkelrücken durch das Amundsen-Becken bis zum Lomonossowrücken erreichte die Temperatur der oberen atlantischen Schicht ein Minimum von ca. 1 °C und der Salzgehalt war <34,9. Im kleinen Intrabecken auf dem Lomonos sowrücken konnte kein Durchfluss von tiefem Wasser aus dem Amundsenbecken ins Makarowbecken nachgewiesen werden; im Gegensatz dazu findet in den höheren Teilen der Wassersäule solch ein Zufluss statt. Über dem Alpharücken wurden bedeutende Veränderungen der Wassereigenschaften beobachtet, u.a. sank die Temperatur der oberen Schicht atlantischen Wassers auf 0,5-0,4 °C. In den obersten Schichten des dritten Profilschnitts waren die unterschiedlichen Süßwassereinträge in den Arktischen Ozean gut zu beobachten. Im Nansenbecken ist die oberste Schicht mit geringen Salzgehalten auf saisonales Eisschmelzen zurückzuführen. Im Amundsenbecken konnte ein Einfluss von Brackwasser aus den sibirischen Schelfen festgestellt werden, welches durch die Mischung von Flusswasser und Wasser aus der Barentssee entsteht. Über dem Lomonossowrücken und dem Makarowbecken ist der Einstrom dieses Schelfwassers noch stärker ausgeprägt. Über dem Alpharücken und dem Karabecken schließlich stieg der Süßwasseranteil dramatisch an, was durch pazifischen Zufluss erklärt wird. Ähnliche Verhältnisse wurden auf vierten Profilschnitt angetroffen. Auf dem fünften Profilschnitt entlang des Gakkelrückens lagen die Temperaturen um 1 °C und der Salzgehalt bei <34,9 in der oberen atlantischen Schicht konstant. Das intermediäre Barentsseewasser wurde zwischen 1000 und 2000 m durch eine wärmere und salzigere Wassermasse unterbrochen. In der Laptewsee hatte das Bodenwasser einen relativ hohen Salzgehalt; erst die oberen 10-20 m zeigten hohe Süßwassergehalte durch die sibirischen Flüsse. Das Bodenwasser war kalt (<-1,5 °C), darüber lagen die Temperaturen um 0 °C. Fazit Insgesamt war der Zustrom aus der Barentssee, als intermediäre Schicht unter dem Atlantikwasser, durch ein starkes Salzgehaltsminimum gekennzeichnet. Allerdings änderte sich die Salinität räumlich sehr stark, so dass angenommen werden muss, dass der Zustrom zeitlich stark variiert und die Salinität des Barentsseewassers in den letzten Jahren möglicherweise zurückgegangen ist. Das Atlantikwasser aus der Framstraße wurde vom dritten zum fünften Profilschnitt, d.h. zwischen dem östlichen Karaseeabhang und der westlichen Laptewsee, kälter und süßer. Diese Veränderung hängt möglicherweise zum Teil mit einer Vermischung der beiden Zuströme und zum Teil mit Rückflüssen aus dem Nansenbecken zusammen. Diese Beobachtung deckt sich mit den Intrusionen und Wechsellagen, die in der kälteren und weniger salinen Atlantikschicht in der Framstraße in den ersten drei Profilschnitten beobachtet worden waren. Links: <http://www.geotraces.org/> <http://www.damocles-eu.org> Kontakt: Dr. Ursula Schauer, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven, <[email protected]> Zusammenstellung: Ursula Schauer und Monika Huch. 123 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 125 Polarforschung 78 (2), 125 – 127. 2008 (erschienen 2009) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 21: Studenten-Expeditionen im Internationalen Polarjahr – StudEx – Die Idee dahinter – Ziele und Vorbereitung Eines der generellen Prinzipien des Internationalen Polarjahres 2007/08 war die Gewinnung und Ausbildung einer nächsten Generation von Polarwissenschaftlern. Die Arbeitsgruppe Polar- und Ornitho-Ökologie des Instituts für Ökologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena schreibt sich dieses Anliegen seit Anfang der 1990er Jahre auf ihre Fahnen. So war es eine logische Folge, zum IPY mit russischer Unterstützung eine größere Expedition in die russische Antarktisstation „Bellingshausen” zu organisieren. Ziel der Studenten-Expedition in die Antarktis war es, ein interdisziplinäres Team auszuwählen, das die Bereiche terrestrische Biologie, insbesondere Botanik und Ornithologie, aber auch Marine Biologie einschließlich Robben, Geographie und Geologie abdecken konnte. Nachdem die Übernahme eines Großteiles der Reisekosten für die Teilnehmer geklärt werden konnte, wurde die Expedition auf der deutschen IPY-Internetseite www.polarjahr.de ausgeschrieben. Die Deutsche Gesellschaft für Polarforschung, der Deutsche Akademische Austauschdienst, die FriedrichSchiller-Universität und ein privater Sponsor machten dies möglich. Aus der Vielzahl der Bewerber wurden letztendlich 14 Studierende aus vier Nationen als Teilnehmer der Studenten-Expedition ausgewählt. Neben Studierenden aus Jena, Tübingen, Würzburg und Leipzig waren auch junge Russen, Luxemburger und Argentinier dabei. Der Expedition ging eine intensive Vorbereitungsphase voraus. Dazu gehörte nicht nur die logistische Seite einschließlich der Einkleidung im Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, sondern auch die Beschaffung von Geräten und Materialien und die ärztliche Untersuchung. Besonders wichtig waren gemeinsame Seminare, an denen auch einige ausländische Studierende teilnehmen konnten. Erfahrungen sammeln Die Weihnachtszeit ist für Polarforscher, die in der Antarktis arbeiten, traditionell Reisezeit. Am Heiligabend flog der erste Teil der Gruppe in Richtung Südamerika ab, um von Ushuaia aus die Antarktis per Schiff zu erreichen. Anfang Januar kam wenige Tage später eine zweite Gruppe auf King George Island an. In der Station Bellingshausen (Abb. 1) wurden die Studierenden herzlich empfangen. Als Unterkunft wurde ein Abb. 1: Expeditionsteilnehmer vor dem Hauptgebäude der russischen Bellingshausen-Station auf King George Island (Foto: Archiv Peter). Gebäude unweit der russischen Kirche auf dem Berg zur Verfügung gestellt. Der Aufenthalt im Gebiet war in drei Schwerpunkte geteilt. Die Studierenden führten zuerst Exkursionen auf der FildesHalbinsel durch, um das Untersuchungsgebiet kennenzulernen, sich aber auch einen Überblick über die Geologie, Geomorphologie, Botanik und Zoologie des Gebietes zu verschaffen (PETER et al. 2008a). Darüber hinaus fanden Besuche in den umliegenden Antarktisstationen Great Wall / China, Artigas / Uruguay und Escudero / Chile) statt, um sich mit den Forschungsprogrammen der einzelnen Länder vertraut zu machen. Außerdem halfen die Studierenden abwechselnd den russischen Kollegen bei ihren Feldarbeiten, um Einblicke in die laufenden Forschungsprogramme hautnah zu erleben. Im meeresbiologischen Programm wurde die Verbreitung des Zooplanktons sowohl in der Maxwellbucht als auch im nahe gelegenen Süßwassersee Kitesh, aus dem die Station auch im Winter ihr Trinkwasser bezieht, untersucht. Die russischen Ozeanographen maßen vom Schiff aus im Abstand von zehn Tagen Temperatur, Salinität und Dichte des Meerwassers in der Maxwell Bay. Die Datenerhebung erfolgte mit Hilfe einer Sonde, die automatisch in verschiedenen Tiefen Messungen macht. Die Daten werden im Hydrologischen Institut in St. Petersburg ausgewertet. Ein Schwerpunkt des glaziologischen-Programms war die Bestimmung der Dichte der Schneeschicht, die auf dem Eis 125 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 126 des Collins-Gletschers aufliegt. Die Erfassung der akkumulierten Schneemenge ist ein wichtiger Parameter zur Massenbilanz des Gletschers. Tendenziell ist in den letzten Jahren ein leichter Rückgang festzustellen. Der Rückzug der Gletscher auf King George Island ermöglichte auch, nun freigelegte Fossilien zu kartieren. Die Ergebnisse tertiärer Florenfunde, die als Abdrücke in vulkanoklastischen Sedimenten, als inkohlte Pflanzenreste bzw. als verkieselte Hölzer vorliegen, konnten nach der Expedition für die Neuausweisung des ASPA 125 (Antarctic Specially Protected Area) zur Verfügung gestellt werden (PETER et al. 2008b). Wichtigster Teil der Expedition waren eigene Feldarbeiten der Studierenden in kleinen Gruppen, die insbesondere die Auswirkung der Klimaveränderung auf die antarktische Flora und Fauna zum Ziel hatten. Im Westen der Antarktischen Halbinsel erfolgt der Temperaturanstieg intensiver als im Weltdurchschnitt. Die in den Pinguinkolonien auf Ardley gesammelten Daten bestätigen die langjährigen Beobachtungen der Jenaer Polarökologen, dass die Bestände von Adelie- und Zügelpinguin dramatisch zurückgehen. Vor 20 Jahren brüteten noch etwa 1500 Adelie-Pinguine auf Ardley, während es jetzt nur noch 300 bis 400 sind. Auch wenn der Winter 2007 der kälteste seit 20 Jahren war, lassen die steigenden Durchschnittstemperaturen das antarktische Meereis in dieser Region schmelzen. Mit dem Meereis verschwinden auch Kieselalgen, die an der Eisunterseite wachsen. Ohne diese Algen gibt es im Winter deutlich weniger Krill – die Hauptnahrungsquelle für die Adelie- und Zügel-Pinguine. Doch auch der direkte menschliche Einfluss spielt eine immer größere Rolle. Die Forschungsstationen vor Ort wachsen und werden nicht nur von Wissenschaftlern bewohnt. Mittlerweile gibt es hier einen regelrechten „Tourismusboom”. Gerade in den Sommermonaten – der Brutzeit von Pinguinen und anderen antarktischen Vögeln – herrscht auf den Landebahnen in der Nähe der Stationen Hochbetrieb. Die Folge: Die Riesensturmvögel verlassen ihre angestammten Brutplätze um in ruhigere Gebiet auszuweichen. Auch an der Vegetation lassen sich die Veränderungen des Klimas deutlich ablesen. Die wärmeren und längeren antarktischen Sommer haben beispielsweise zu einer enormen Abb. 3a-b: Verbreitung der Antarktischen Schmiele Deschampsia antarctica auf Fildes Peninsula, King George Island (olivgrüne Kreisflächen). Bestand von 1984, grün-kartiertes Gebiet (3a), und Bestand 2008, gelb-kartiertes Gebiet (3b, auf gegenüberliegender Seite). Verbreitung der Blütenpflanze Deschampsia antarctica (Antarktische Schmiele) geführt. Die Zunahme der Schmiele ist ein Indikator für Veränderungen im terrestrischen antarktischen Ökosystem. Die Studenten haben während ihres Forschungsaufenthaltes eine GPS- und GIS-gestützte Kartierung des Vorkommens dieser Pflanze vorgenommen (Abb. 2), deren Verbreitung auf Fildes vorher schon dreimal (1984/85, 2000/01 und 2004/06) untersucht worden war. Der zunehmende Trend hat sich bestätigt (Abb. 3a, 3b). Ein weiterer Programmpunkt war die Zählung der Robben (Südlicher See-Elefant, Seebär, Seeleopard, Weddellrobbe und Krabbenfresser) entlang der Küstenlinie von Fildes und Ardley. Die häufigsten Arten waren See-Elefanten und Seebären, letzere sogar mit zwei Jungtieren nahe der russischen Schutzhütte Priroda. Ein Doktorand arbeitete auf Fildes Peninsula, um die Nahrungssuche und Wanderung antarktischer Raubmöwen (Skuas) zu untersuchen (Abb. 4). Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützte Projekt der Jenaer PolarOrnithologen untersucht den Einfluss lokaler und regionaler Klimaveränderung auf die Ressourcennutzung und das Brutverhalten dieser Vögel. Abb. 2: Kartierung der Antarktischen Schmiele, einer von zwei Blütenpflanzenarten auf King George Island (Foto: H.-U. Peter) 126 Nach ihrer Rückkehr haben die Studenten und Wissenschaftler ihre Ergebnisse in einem gemeinsamen Forschungsbericht Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 127 zusammengefasst. Zwei Teilnehmerinnen berichteten auf der 23. Internationalen Polartagung im März 2008 in Münster über die Ergebnisse. Das Tagebuch der Studenten im Internet ist immer noch offen, d.h., Interessierte können sich über Details informieren. Literatur Geringhausen, U., Bräutigam, K., Mustafa, O. & Peter, H.-U. (2003): Expansion of Antarctic vascular plants on an Antarctic island – a consequence of climate change?- Proc. VIII SCAR Internat. Biology Sympos. Amsterdam, 79-83. Peter, H.-U. , Braun, C., Mustafa, O. & Pfeiffer, S. (2008a): Vögel der Antarktis – Ökologische Langzeitstudien auf der Fildes-Halbinsel (King George Island).- Meer und Museum 20: 143-156 Peter, H.-U., Buesser, C., Mustafa, O. & Pfeiffer, S. (2008b): Evaluierung des Gefährdungsgrades der Gebiete Fildes Peninsula und Ardley Island und Entwicklung der Managementpläne zur Ausweisung als besonders geschützte oder verwalteten Gebiete. German Federal Environmental Agency 20/08, 344 + 163 pp. Links: <http://www.dgp-ev.de>, Deutsche Gesellschaft für Polar-forschung. <http://www-polarjahr.de>, deutscher Internetauftritt zum Internationalen Polarjahr 2007/08. <http://www.uni-jena.de/antarktistagebuch>, Expeditionstagebuch der Studierenden. Kontakt: Dr. Hans-Ulrich Peter, Arbeitsgruppe Polar- und Ornitho-Ökologie, Institut für Ökologie, Friedrich-Schiller-Universität, Dornburger Str. 159, 07743 Jena, <[email protected]> Zusammenstellung: Dr. Hans-Ulrich Peter und Monika Huch Abb. 4: M. Kopp beim Wiegen an einer jungen Skua mit einer Federwaage (Foto: H.-U. Peter). 127 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 129 Polarforschung 78 (2), 129 – 132. 2008 (erschienen 2009) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 22: Permafrost und der globale Klimawandel Permafrost – dauerhaft gefrorener Boden Permafrost bildet sich in Gebieten mit einer sehr niedrigen Jahresmitteltemperatur und ist definiert als Untergrund (Boden und/oder Festgestein einschließlich Eis oder organisches Material), der über mindestens zwei aufeinander folgende Jahre ständig unter 0 °C bleibt. In der Arktis und in den nicht vergletscherten Gebieten der Antarktis ist Permafrost ein allgemein bekanntes Phänomen. Die Mächtigkeit des Permafrosts variiert weltweit zwischen weniger als 1 m und einigen hundert Metern und kann in Zentralsibirien sogar mehr als 1500 m erreichen. In vielen Regionen der Arktis ist sogar unter den heutigen Schelfmeeren Permafrost anzutreffen. Während Zeiten mit Meeresspiegeltiefständen, also in den Glazialzeiten der Eiszeiten, lagen weite Schelfgebiete der Arktis trocken und es bildete sich Permafrost, der auch heute – nach der Überflutung dieser Gebiete – als submariner Permafrost überdauert. Abb. 1: Im kontinuierlichen Permafrostboden bilden sich Pingos, wenn das Wasser austrocknender Seen gefriert und dabei feines Sediment nach oben gedrückt wird (Foto: J. Boike). Der Prozess des Gefrierens führt dazu, dass sich das Eisvolumen um ca. 10 % vergrößert – Eis wächst zum Beispiel hügelartig aus dem Boden heraus. Solche Erscheinungen, die in Alaska und im Nordwesten Kanadas häufig vorkommen, werden Pingos genannt (Abb. 1). Sie können bis zu mehrere Tausend Jahre alt sein und „leben” von dem saisonalen Wechsel von Gefrieren und Auftauen. Eine weitere charakteristische Form des Eises im Permafrost sind Eiskeile, die durch Frostrisse im Boden wachsen (Abb. 2). Im Frühjahr werden diese Risse von Schmelzwasser gefüllt, das zu Eisadern gefriert. Wiederholt sich dieser Vorgang alljährlich, so kommt es zur Ausbildung von Eiskeilen, die den Permafrostboden wie ein Netzwerk durchziehen. Im Luftbild ist diese netzartige Struktur der Eiskeil-Polygone sehr gut zu erkennen (Abb. 3). Reaktion von Permafrost auf Erwärmung Der Prozess des Auftauens erfasst in den Sommermonaten die Oberfläche der Permafrostgebiete und erreicht je nach Klimabedingungen und Bodenbeschaffenheit eine Tiefe von 50 cm bis einige Meter. Die Dicke der Auftauschicht hängt dabei stark von der Lufttemperatur, der Schneebedeckung und der Vegetation ab. An der Oberfläche entsteht ein Wasserstau, da das Schmelzwasser wegen des gefrorenen Unterbodens nicht versickern kann. Der entstehende Auftauboden ist daher besonders stark wasserdurchtränkt und sehr beweglich. Schon bei geringer Hangneigung kommt es zum Bodenfließen (Solifluktion). Abb. 2: Eiskeil im Permafrostboden in der sibirischen Arktis (Foto: D. Wagner). Seit den späten 1960er Jahren werden an vielen Stellen in der Arktis, aber auch in Hochgebirgen, Veränderungen des Permafrosts durch Erwärmung beobachtet; Neubildung von Permafrost ist dagegen nur minimal. Eine anfängliche Erwärmung der Permafrostoberfläche führt dazu, dass die untere Grenze der Auftauschicht zunächst weiter nach unten wandert. Erst wenn die Erwärmung anhält, wird sie sich bis in tiefere Permafrostschichten auswirken. 129 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 130 Arktis, wo eine reiche Vegetation und menschliche Besiedlung vorkommt, das fünfte Projekt mit der unbesiedelten Antarktis. An allen diesen Projekten haben sich deutsche Wissenschaftler maßgeblich beteiligt und die nachfolgend skizzierten Forschungsthemen bearbeitet. Abb. 3: Tundra mit Eiskeil-Polygonen im Lena-Delta, sibirische Arktis (Foto: K. Piel). Datei: Polygone-Piel.jpg Thermal State of Permafrost – TSP Hierzu wurden mit deutscher Beteiligung im Wesentlichen zwei Themen intensiv bearbeitet. • Langzeitmessungen auf Samoylov im Lena-Delta: Um besser verstehen zu können, warum Permafrost an manchen Stellen taut, wie beispielsweise auf Spitzbergen, und an anderen nicht, werden vor allem die Transportprozesse von Wärme und Wasser in verschiedenen arktischen Ökosystemen untersucht. Darauf aufbauend soll ein prozessgesteuertes Modell für die in der Arktis vorherrschenden Permafrostsysteme entwickelt werden, um die Abläufe im Untergrund besser vorhersagen zu können. Neben Samoylov (Abb. 4) fanden Untersuchungen auf Spitzbergen (Ny Alesund) und in der hohen kanadischen Arktis am Polar Bear Pass statt. Eine nicht zu unterschätzende Konsequenz durch tauenden Permafrost ist die Emission von Gasen, die aus mikrobiologischen Prozessen stammen, also vor allem Kohlendioxid und Methan. Durch tauenden Permafrost können sich die Vegetationszonen (z.B. die Baumgrenze) weiter nach Norden verschieben und damit das gesamte arktische Ökosystem verändern. Großflächig sind die Beobachtungen von tauendem Permafrost eher indirekt und orientieren sich an Veränderungen der Vegetation von Tundra und Wäldern, an der Absenkung des Bodens, dem Vernässen einer Landschaft oder auch dem Verschwinden von Seen (siehe Folge 19 – Studenten am Polarkreis). Sichere Prognosen zur Veränderung von Permafrost erfordern umfangreiche Geländeuntersuchungen und Beobachtungen aus der Luft und dem Weltraum mit Hilfe von Flugzeugen und Satelliten, und zwar möglichst über lange Zeiträume. Wichtig ist eine weltweite Langzeitbeobachtung des Temperaturstatus des Permafrosts (TSP) in den verschiedenen Landschaften der Permafrostgebiete, um die hydrologischen Beziehungen und die zukünftigen Veränderungen in der Permafrostverbreitung besser zu verstehen, damit sie in globale und regionale Modelle einfließen können. Deutsche Mitarbeit Forschung im IPY an Projekten zur Permafrost- Die International Permafrost Association (IPA) hat zum IPY 2007/08 eine Reihe von Projekten initiiert, die ein breites Spektrum der Permafrost-Forschung abdecken und an denen deutsche Wissenschaftler beteiligt sind. Dies sind die Projekte (1) TSP – Thermal State of Permafrost. (2) CAPP – Carbon Pools in Permafrost Regions. (3) ACCOnet – Arctic Circumpolar Coastal Observatory Network. (4) Past Permafrost Records in Arctic Siberia als Teilthema von BIPOMAC (vgl. Folge 7). (5) ANTPAS – Antarctic Permafrost and Periglacial Environments. Die ersten vier Projekte befassen sich mit dem Permafrost der 130 Abb. 4: Messfeld an der Samoylov-Station im Lena-Delta, Sibirien im August 2008 (Foto: H.W. Hubberten). • Temperaturstatus des Permafrost in Bohrungen Gemeinsam mit russischen Kollegen wurden vom AlfredWegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) mehrere Bohrungen im sibirischen Permafrost abgeteuft und mit Thermistorketten instrumentiert. a) Mamontovy Klyk. Während der Bohrkampagne COAST 2005 wurden im Rahmen des Projektes System Laptewsee eine Reihe von Bohrungen, ausgehend von der Küste bis ca. 12 km in das Meer hinein, vom Meereis gebohrt. Das 77 m tiefe Bohrloch am Kap Mamontovy Klyk (Mammut-Eckzahn), zwischen den Flüssen Olenok und Anabar an der Küste der Laptewsee gelegen, wurde mit einer Thermistorkette versehen und registriert seitdem die Permafrosttemperaturen. Die Daten werden alle zwei Jahre an Land ausgelesen und die Datenlogger neu gestartet (Abb. 5). b) Elgygytgyn-See, Tschukschen-Halbinsel, Ostsibirien. In der ersten Phase des deutsch-russisch-amerikanischen Bohrprojektes Elgygytgyn-See wurde im November/Dezember 2008 eine Bohrung in den Permafrost in der Umgebung des Kratersees abgeteuft, aus der ein 141 m langer Bohrkern mit gefrorenen Permafrostablagerungen gewonnen wurde. Diese Bohrung wurde mit einer Thermistorkette instrumentiert und wird in Zukunft kontinuierlich Temperaturdaten liefern, die in Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 131 begonnen (Abb. 7). Es sollen Veränderungen der arktischen Küste quantifiziert werden, um daraus digitale Geländemodelle zu errechnen und die Einträge an Sediment, Kohlenstoff und Schadstoffen in die arktischen Küstenmeere und den Ozean abschätzen zu können (Abb. 8). Dieses Vorhaben wird von der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA durch die Bereitstellung von 350 detaillierten Satellitenbildern ausgewählter Küstenbereiche des Arktischen Ozeans unterstützt. Abb. 5: Paul Overduin und Conrad Kopsch (AWI Potsdam) beim Auslesen der Temperaturdaten im August 2008 (Foto: H.W. Hubberten). Abb. 7: Satelliten-Karte der Arktis mit den 41 Stationen, die zum Arctic Circumpolar Coastal Observatory Network (ACCOnet) gehören (Karte: H. Lantuit, 2008). Abb. 6: Lutz Schirrmeister und Georg Schwamborn bei ersten Temperaturmessungen im Bohrloch des Elgygytgyn-Sees im November 2008 (Foto: B. Chapligin). das Global Terrestrial Network Permafrost (GTN-P) einfließen werden (Abb. 6). CAPP – Carbon Pools in Permafrost Regions – CAPP Unter den feuchtkalten Bedingungen arktischer Permafrostgebiete reichert sich abgestorbenes und gefrorenes Pflanzenmaterial im Permafrostboden an. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa ein Drittel des weltweit in Böden gespeicherten organischen Kohlenstoffs im Permafrost gespeichert ist. Ein Teil dieses Kohlenstoffs wird selbst unter Permafrostbedingungen durch Mikroorganismen zu Treibhausgasen wie Methan und Kohlendioxid umgewandelt. Ein geringer Anstieg der Temperatur beispielsweise von -6 auf -3 °C bewirkt dabei schon einen deutlichen Anstieg der Methanbildung. Dies sind erste Hinweise darauf, dass bei einer weiteren zunehmenden Erwärmung der Arktis die Freisetzung des Treibhausgases Methan ansteigen könnte. Arctic Circumpolar Coastal Observatory Network – ACCOnet In internationalem Verbund wurde mit der Einrichtung eines zirkumarktischen Netzwerks von Küstenobservatorien Abb. 8: Rückschreitende Erosion an der Yukon-Küste, Herschel-Insel, Beaufortsee, Kanada, die durch auftauenden Permafrost verursacht wird. Durch diese Rutschmassen gelangen episodisch Sediment und Kohlenstoff in das Schelfmeer. Das Küstenkliff im Bild bestehen fast völlig aus Eis und sind mehr als 20 m hoch (Foto: H. Lantuit). Past Permafrost records in Arctic Siberia als Teil von BIPOMAC (vgl. Folge 7). Im Rahmen dieses Projekts wurden in den Sommern 2007 und 2008 in Nordostsibirien zwei gemeinsame russisch-deutsche Landexpeditionen an der Dimitrii-Laptewstraße (Bol'shoy Lyakhovsky Insel, Oyogos Yar Küste) und an der unteren Kolyma (Duvanny Yar, Abb. 9) mit zehn bzw. sechs Teilnehmern durchgeführt. 131 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 132 Antarctic Permafrost and Periglacial Environments – ANTPAS Die Antarktis stellt aufgrund ihrer geographisch isolierten Lage und wegen des geringen anthropogenen Einflusses ein natürliches Labor für die Untersuchung zur Entwicklung mikrobieller Lebensgemeinschaften in Böden dar. Im Rahmen des IPY wurden zwei Expeditionen, eine in die klimatisch gemäßigte Region der antarktischen Halbinsel, und eine in die klimatisch extremere Ostantarktis (Abb. 10), durchgeführt. Erste Untersuchungen zeigen eine hohe Diversität der Mikroorganismengemeinschaften in den verschiedenen Untersuchungsgebieten, obwohl die Böden wenig entwickelt und durch geringe Nährstoffgehalte sowie sehr trockene Verhältnisse gekennzeichnet sind. Abb. 9: Eisreicher Permafrost am Standort Duvanny Yar am östlichen Ufer der Kolyma. Die Permafrostabfolgen werden als Umweltarchiv betrachtet, da in ihnen zahlreiche fossile Reste der Pflanzen- und Tierwelt eingefroren sind (Foto: S. Wetterich). Die dabei untersuchten Permafrostabfolgen enthielten sowohl Spuren warmzeitlicher Permafrostdegradation (z.B. eemzeitliche sowie holozäne Eiskeilpseudomorphosen, Seesedimente und Torfablagerungen) als auch eisreiche Schichten mit großen Eiskeilen, die während der Saale- und der WeichselKaltzeit gebildet wurden. Umfangreiches Probenmaterial wird derzeit analysiert, um das Bild der Permafrostdynamik in der sibirischen Arktis während Klimaschwankungen in der Vergangenheit zu erhalten. Erste Ergebnisse zeigen die Entwicklung von Thermokarstsenken in Abhängigkeit von spätquartären Klimaschwankungen. Literatur Brown, J., Ferrians Jr., O.J., Heginbottom, J.A. & Melnikov, E.S. 1998: revised February 2001. Circum-Arctic map of permafrost and ground-ice conditions. Boulder, CO: National Snow and Ice Data Center/World Data Center for Glaciology. Digital Media. Burgess, M.M., Smith, S.L., Brown, J., Romanovsky, V. & Hinkel, K. 2000: The Global Terrestrial Network for Permafrost (GTNet-P): Permafrost monitoring contributing to global climate observations.- In: Current Research 2000E, Geol. Surv. Canada. Links: <www.ipy.org/index.php?/ipy/detail/past> <www.ipa-permafrost.org> International Permafrost Association IPA <permafrost records in arctic siberia/> Spuren von altem Permafrost. <www.awi.de/en/go/sparc> zu Thermal State of Permafrost. Kontakt: Prof. Dr. Hans-Wolfgang Hubberten, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Telegrafenberg A43, 14773 Potsdam, <[email protected]> Zusammenstellung: Julia Boike, Hans-Wolfgang Hubberten, Hugues Lantuit, Paul Overduin, Lutz Schirrmeister, Dirk Wagner und Monika Huch. Abb. 10: Blick vom Feldlager über die küstennahen eisfreien Gebiete der Larsemann-Berge, Prydz-Bucht, Ostantarktis (Foto: D. Wagner). 132 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 133 Polarforschung 78 (2), 133 – 136. 2008 (erschienen 2009) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 23: Neumayer-Station III - die neue Forschungsplattform in der Antarktis Die Neumayer-Station III (70° 40,8’ S; 08° 16,2’ W) auf dem Ekström-Schelfeis in der Antarktis wurde am 20. Februar 2009 nach einer Bauzeit von sieben Monaten, verteilt über zwei antarktische Sommerperioden, in Betrieb genommen (Abb. 1). Der wissenschaftliche und technische Pilotbetrieb begann mit der ersten Überwinterung – der 29. in Folge auf dem Ekström-Schelfeis – mit der Stationsübergabe am 28. Februar 2009. Der Bau der Neumayer-Station III war für die deutsche Polarforschung das aufwändigste innovative Vorhaben technisch-logistischer Art, welches während des IPY realisiert werden konnte. Mit der auf modernstem Stand der Technik gehaltenen Neumayer-Station III und ihren wissenschaftlichen Observatorien leistet Deutschland einen wesentlichen Beitrag, damit auch zukünftig die Verpflichtungen im antarktischen Vertragssystem und im Rahmen der internationalen Polarforschung mit angemessenem Gewicht wahrgenommen werden können. Darüber hinaus wird die politische Verpflichtung erfüllt, den Betrieb einer der vier antarktischen Infraschall-Messstationen zur weltweiten Kontrolle des Atomwaffen-Teststoppabkommens (CTBT) weiterhin langfristig sicher zu stellen. Abb. 1: Neumayer-Station III am Tag der Einweihung, 20. Februar 2009. Das etwa 2.600 t schwere Bauwerk ist im Eis gegründet. Die Plattform ist 68 m lang und 24 m breit. Sie befindet sich 6 m über der Schneeoberfläche. Hier sind die wissenschaftlichen und technischen Einrichtungen untergebracht. Die Gesamthöhe einschließlich Ballonhalle auf dem Dach beträgt 21 m. Die Garagensektion unter der Schneeoberfläche ist 76 m lang, 26 m breit und 8 m tief. Über eine Rampe an der Nordseite können die Fahrzeuge in die Garage gefahren werden (Foto: U. Cieluch, AWI). Das EkströmSchelfeis ist für die deutsche Antarktisforschung der zentrale Standort, an dem 1981 die erste Georg-vonNeumayer-Station eingeweiht wurde (Abb. 2). Zur Aufrechterhaltung des kontinuierlichen wissenschaftlichen Betriebes war bereits 1992 der Nachfolgebau Neumayer-Station II notwendig geworden. Dieses Bauwerk ist nach 17 Jahren Betriebszeit über 12 m im akkumulierten Schnee verschüttet und musste wie die 1981 erbaute Station wegen der zunehmenden Schneelast und der einwirkenden Scherkräfte des fließenden Eises aus bautechnischen Gründen aufgegeben werden. Die in dieser Zeit gesammelten Erfahrungen zeigten, dass die so genannte Röhrenkonzeption für einen nachhaltigen Stationsbetrieb an grundsätzliche bautechnische Grenzen stößt. Bautechnische Konzeption Bei der Konzeption der Neumayer-Station III wurden neue Wege beschritten, damit sowohl die baulichen Anforderungen an eine nachhaltige Lebenszeit des Gebäudes sowie auch an die moderne Ausstattung für Forschung und Logistik, an verbesserte Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Überwinterung und an die Unterbringung von zusätzlichem Personal in Abb. 2: Positionen der Vorgängerstationen Georg-von-Neumayer und Neumayer II und Neumayer-Station III auf dem Ekström-Schelfeis. Die NM III bewegt sich mit dem Eisstrom etwa 157 m/Jahr mit Richtung 355°. In etwa 30 Jahren wird sich ihre jetzige Position (70° 40,8’ S, 08° 16,2’ W) um etwa 5 km ändern (D. Enss, Ing. Büro für Bau-und Polartechnik). 133 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 134 den Sommermonaten erfüllt werden können. Die Neumayer-Station III besteht aus einer Sektion unterhalb und einer Plattform in 6 m Höhe oberhalb der Schneeoberfläche (Abb. 1). Die Realisierung dieser Kombination war eine bautechnische Herausforderung. Die Statik der Stahlkonstruktion muss einerseits über die notwendige Flexibilität zur Aufnahme der Deformationskräfte durch den Eisfluss und andererseits auch über eine ausreichende Stabilität zur Aufnahme der Windlasten verfügen. Über die Außenhülle der Plattform wirkt bei einer Windgeschwindigkeit von 174 km/h – die bislang höchste gemessene Windgeschwindigkeit – eine statische Windkraft von 260 t auf die Stahlkonstruktion ein. Kurzfristig muss die Außenhülle sogar örtlich begrenzten Windlasten bis zu 345 t widerstehen. Insgesamt wurden 1400 t Stahl in das Bauwerk verbaut. Die Konstruktion besteht aus 128.000 Einzelteilen, die mit 16.000 Schrauben (13 t) verschlossert sind. Das Konstruktionsgewicht beläuft sich auf etwa 2.300 t. Hinzu kommt eine mittlere Verkehrslast von 255 t, die die Besatzung und sämtliche Betriebsmittel einschließlich Treibstoffe umfasst. Das gesamte Bauwerk ist so etwa 2.600 t schwer. Diese Last wird über 16 Stützen auf die Fundamentplatten mit einer Gesamt-Sohlfläche von 208 m2 geleitet und über diese Fläche in den Schneegrund abgetragen. Die mittlere Belastung des Schnees unter den Fundamentplatten beträgt 12,4 t/m2. In die Stützen sind hydraulische Bipod-Zylinder eingebaut, die in zwei Ebenen V-förmig angeordnet und oben und unten gelenkig gelagert sind (Abb. 3). Dadurch können auch Horizontallasten aus allen Richtungen in den Untergrund abgeleitet werden, während gleichzeitig ungleiche, differentielle Fundamentsetzungen und horizontale Fundamentverschiebungen durch das sich bewegende Eis keine ungünstige Biegung in den Stützen erzeugen können. Einmal im Jahr wird das Bauwerk als ganzes angehoben und so wieder an die gewachsene Schneeoberfläche angeglichen. Mit diesem flexiblen Tragsystem und seinen integrierten hydraulischen Hebevorrichtungen weicht man den durch den Eisfluss einwirkenden Scherkräften aus, statt ihnen wie bisher mit steifen, schweren Konstruktionen zu begegnen. Das ist ein grundsätzlich neuer Ansatz in der Polararchitektur, der für ein Bauwerk auf Schelfeis die Lebenszeit nicht mehr einschränkt. Wissenschaftlicher und technischer Ausbau Die Laborkapazität und die technische Ausstattung der Neumayer-Station III sind für einen langfristigen Forschungsbetrieb ausgelegt. Die Messprogramme der Observatorien, die seit 1981 durchgeführt werden und kontinuierlich Daten in internationale Netzwerke liefern, sind auch an der neuen Station der wissenschaftliche Schwerpunkt. Beim Umzug wurden die Messstationen der Observatorien im Umfeld der Station neu eingerichtet. Die Labore sind mit modernsten Geräten ausgestattet und an leistungsfähige Datenverarbeitungssysteme und Kommunikationsanlagen angeschlossen. Eine Satellitenverbindung gewährleistet die Übertragung großer Datenmengen in die international organisierten Netzwerke und ermöglicht auch die Kommunikation per E-Mail und Telefon sowie den Zugang zum Internet. Die wissenschaftlichen und technischen Einrichtungen sind in vier Ebenen untergebracht. In der Garage (Deck U2) stehen die Fahrzeuge und anderes Großgerät. In die Stahlkonstruktion 134 Abb. 3: In der Garage befinden sich die 16 Stützen, die als Bipoden mit je zwei Hydraulikzylindern ausgebildet sind. Das flexible Tragsystem gleicht Fundamentsetzungen aus, leitet horizontale Lasten in den Schneegrund ab und einmal im Jahr wird damit das Bauwerk als ganzes angehoben. Anschließend werden die Fundamentplatten nacheinander angehoben und mit Schnee unterfüttert (Foto: U. Cieluch, AWI). des Decks U1, die mit dem Garagendach abschließt, sind Lagerräume, Werkstatt, die Hydraulikpumpen und die Schneeschmelze integriert. Auf der Plattform sind in zwei Decks (D1 und D2) insgesamt 100 Module installiert. Diese sind als wissenschaftliche Labore, Arbeitsräume für das technische Personal, Unterkünfte, Sanitäreinrichtungen und den Sozialbereich für zehn Überwinterer und 40 Sommergäste eingerichtet. Hier befinden sich auch Küche, Messe, Lounge und Hospital. Ebenso sind die Kraftstation, die gesamte Gebäudeleittechnik, Klimatisierungs- und Belüftungsanlagen, Warmwasserbereitung und Abwasserbehandlung. In das Tragwerk der Plattform sind diverse Tanks für Treibstoff, Wasser und Abwasser eingebaut. Die Plattform und die beiden Decks werden durch die Außenhülle mit 55 Fenstern geschützt. Der Raum zwischen den installierten Modulen und der Außenhülle – die Galerie – bietet weitere geschützte Nutzfläche (Abb. 4). Auf dem Dach des Gebäudes befindet sich die Ballonfüllhalle aus der täglich Radiosonden aufgelassen werden. Hier sind auch Instrumente für Strahlungsmessungen und diverse Antennenanlagen montiert (Abb. 5). Bei der Energieversorgung wurden modernste Standards zugrunde gelegt. Insgesamt vier Dieselaggregate stehen als Blockheizkraftwerke (BHKW) zur Verfügung. Ein BHKW liefert 160 KW elektrische und 190 KW thermische Energie und reicht für den Winterbetrieb in der Regel aus. Drei BHKW sichern im Wechselbetrieb die stabile Versorgung der Station, die insbesondere für die wissenschaftlichen Einrichtungen sehr wichtig ist. Das vierte BHKW steht für Notfälle in Bereitschaft. Die thermische Energie wird für Heizung, Schneeschmelze und Warmwasseraufbereitung genutzt. Die BHKW sind mit einer Windkraftanlage (Abb. 6) gekoppelt. Die Einspeisung der vom Windkraftwerk gelieferten elektrischen Energie erfolgt über ein Energiemanagementsystem, so dass das optimale Betriebsregime der BHKW gewahrt und der Treibstoffverbrauch minimiert wird. In den nächsten Jahren sollen weitere Windkraftanlagen integriert werden mit dem Ziel, bis 50 % des Energiebedarfs der Neumayer-Station III über diese Energiequelle bereitzustellen. Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 135 Abb. 6: Umgebung der Neumayer-Station III aus Nordost gesehen, getrennt vom Stationsgebäude sind das Windkraftwerk und die Antenne für die Satelliten-Standleitung aufgebaut. Etwa 1,5 km südlich befinden sich das Spurenstoff-Observatorium und das Magnetik-Observatorium. Südwestlich in etwa 3,5 km Entfernung ist das Infraschall-Array verlegt (Foto: U. Cieluch, AWI). Abb. 4: Auf Höhe Deck 1 zwischen der Außenhülle (links) und den in zwei Ebenen montierten Modulen (rechts) steht weitere geschützte Nutzfläche zur Verfügung (Foto: H. Gernandt, AWI). Abb. 5: Auf dem Dach des Gebäudes (Deck 3) befindet sich die Ballonfüllhalle. Wissenschaftliche Instrumente und Antennen sind auf den Gitterrosten und an den Geländern montiert. Im Hintergrund steht das Radom mit der Satellitenantenne für die Standleitung (Foto: realnature). Logistische und wissenschaftliche Aufgaben An der Neumayer-Station III werden Polarfahrzeuge, Schlitten und mobile Unterkünfte für wissenschaftliche Traversen und Versorgungsfahrten vorgehalten. Auch die Sommerbasis Kohnen-Station (75°00’ S, 00°04’ W) auf dem Inlandeis, 757 km südlich der Atka-Bucht, wird so versorgt. Die NeumayerStation III ist auch für den Polarflugbetrieb eingerichtet. Kleine Flugzeuge mit Skifahrwerk wie die POLAR 5 können von hier aus logistische und wissenschaftliche Flugmissionen durchführen. Für die Transporte von Personal und spezieller Fracht zur Neumayer-Station III ist die internationale Luftbrücke Dronning Maud Land Air Network (DROMLAN) das logistische Rückgrat. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit werden je nach Bedarf in der Sommerperiode von November bis Februar interkontinentale Flüge mit einem Frachtflugzeug IL-76TD von Kapstadt in die Antarktis und zurück durchgeführt. Die Versorgung der Neumayer-Station III mit Material und Verbrauchsgütern erfolgt auf dem Seeweg. Dafür werden FS „Polarstern“ und/oder ein Versorgungsschiff eingesetzt. Charter und Fahrtplanung für dieses Versorgungsschiff werden je nach Bedarf mit Norwegen, Belgien, Schweden und Finnland im Rahmen der Kooperation Dronning Maud Land Shipment (DROMSHIP) verabredet. Die neu eingerichteten wissenschaftlichen Observatorien für Meteorologie, Spurenstoffmessung und Geophysik setzen die Langzeitmessungen fort. Die erhobenen Daten stehen, zum Teil in Echtzeit, für Forschung und Monitoring zur Verfügung. Ständige Nutzer sind die von internationalen Organisationen wie z.B. World Meteorological Organisation (WMO), European Centre for Medium-Range Weather Forecast (ECMWF), Comprehensive Test-Ban-Treaty Organisation (CTBTO) organisierten globalen Netzwerke und operationellen Datenbanken wie z.B. World Radiation Monitoring Center, Network for Detection of Atmospheric Composition Change, National Earthquake Information Center, World Data Center for Geomagnetism sowie Universitäten im In- und Ausland. Als regionales Flugwetter-Vorhersagezentrum betreut das Meteorologie-Observatorium die wissenschaftlichen und logistischen Flugmissionen im Dronning Maud Land. Zur Erbringung dieser wissenschaftlichen und logistischen Leistungen für die internationalen Nutzer und die Nutzung im Rahmen der Forschungsprogramme des AWI werden an der Neumayer-Station III ständig vier wissenschaftliche Stellen für den kontinuierlichen Betrieb der Observatorien besetzt. Zwei Stellen stehen für den technischen Stationsbetrieb, eine Stelle für den Betrieb der IT- und EDV-Anlagen, eine Stelle für die Versorgung (Koch) und eine Stelle für Stationsleitung und medizinische Betreuung zur Verfügung. Während der Sommermonate kommt weiteres technisches Personal für Wartungsarbeiten, für die wissenschaftliche Betreuung der Observatorien, für den Dromlan-Flugwetterdienst sowie für wissenschaftliche Feldeinsätze und Projekte zum Einsatz. 135 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 136 Ausblick Die Neumayer-Station III ist nun der zentrale Standort der deutschen Polarforschung in der Antarktis. Ihre Nutzung bietet für die junge Generation deutscher und ausländischer Polarforscher herausragende Perspektiven. Die moderne wissenschaftliche und technische Ausstattung bietet beste Voraussetzunge für den weiteren Betrieb der Observatorien, die Arbeit von Gastwissenschaftlern und die Durchführung von großen Projekten mit internationaler Beteiligung. Die Station ist die logistische Basis für die Durchführung wissenschaftlicher Projekte auf dem Ekström-Schelfeis, für Feldeinsätze auf dem Inlandeis und den Sommerbetrieb an der Kohnen-Station sowie für den Einsatz der AWI-Forschungsflugzeuge. Dazu gehört die Einbindung in die international organisierte Transportlogistik, ohne die ein effizienter Forschungsbetrieb nicht organisiert werden kann. 136 Der derzeitige Pilotbetrieb der Neumayer-Station III dient bis zur Saison 2010/11 zum Einfahren der technischen Anlagen, zur Erfassung der auftretenden Mängel und deren Beseitigung sowie zur Entwicklung der Betriebsroutinen für den Normalbetrieb. Für den Rückbau der verlassenen Neumayer-Station II wird derzeit ein Konzept in Zusammenarbeit mit dem südafrikanischen Partner DEAT im Rahmen des bestehenden Memorandum of Underststanding erarbeitet. Der Rückbau soll spätestens in der Saison 2011/2012 abgeschlossen sein. Kontakt: Dr. Hartwig Gernandt und Dr. Saad El Naggar, Alfred-WegenerInstitut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven; <[email protected]> oder <[email protected]> Zusammenstellung: Dr. Hartwig Gernandt und Monika Huch Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 137 Polarforschung 78 (2), 137 – 140. 2008 (erschienen 2009) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 24: Das Forschungsflugzeug POLAR 5 im IPY Im Internationalen Polarjahr (IPY) hat das AWI ein neues Polarforschungsflugzeug, die POLAR 5, als Ersatz für die bei einer harten Landung an der britischen Überwinterungsstation Rothera auf der Antarktischen Halbinsel am 24. Januar 2005 schwer beschädigte POLAR 4 in Dienst stellen können. Die neue POLAR 5, eine auf einer Douglas DC-3 basierenden Basler BT-67, hat gegenüber den zuvor eingesetzten Dornier Do228-101 eine deutlich höhere Reichweite und Nutzlast. Die technischen Parameter sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Innerhalb nur eines Jahres wurde der Umbau von der betagten DC-3, Baujahr 1943, zur modernen Basler BT-67 vollzogen. Dabei wurden von Anfang an zahlreiche Modifikationen für die spätere wissenschaftliche Nutung des Flugzeugs mit eingebaut. Gegen über einer „Standard“-Basler wurden mehrere Verteilerkästen in der Kabine und im Flügel, Kabelkanäle, Durchbrüche im Kabinendach, Rolltore an der Unterseite des Rumpfes Halterungen für Außenstationen unter den Tragflächen sowie vorne unterhalb des Cockpits und am Heck installiert. In Abbildung 1 sind einige dieser Modifikationen schematisch dargestellt. Bei der Konzeption der POLAR 5 wurden alle Instrumente, die in der jüngeren Vergangenheit mit den Polarflugzeugen genutzt worden sind, berücksichtigt und auch Raum für künftige Weiterentwicklungen geschaffen. So verfügt die Basler auf jeder Seite über drei Flügelstationen, besitzt Front- und Heckausleger sowie über eine Winde und Fangkörbe für die auch mit den Hubschraubern des FS „Polarstern“ eingesetzten Schleppkörper (Abb. 2). Abb. 1: Querschnitt der POLAR 5 mit wissenschaftlichen Modifikationen und Lage der Antennen für die Avionik des Flugzeugs. 137 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 138 Abb. 2: Polar 5 mit geophysikalischer Instrumentierung nach dem Start. Unter den Tragflächen sind deutlich die Antennen der EMR-Apparatur zur Bestimmung der Eisdicken sowie vorn und am Heck des Flugzeugs die Ausleger für die Messung des Erdmagnetfeldes zu erkennen. Geordnet nach Anwendungsgebieten sind gegenwärtig für POLAR 5 verfügbar für: • Glaziologie und Geophysik: EMR, FMCW Radar, Gravimeter, Magnetometer, Radaraltimeter ASIRAS (European Space Agency, ESA), Laserscanner, Laseraltimeter, EMSystem, GPS • Chemie der Atmosphäre: LIDAR, OPC, Nephelometer, Spektrometer (z.T. Enviroment Canada), Gasprobennahme, Methansensor (GeoForschungszentrum Potsdam, GFZ), AIMMS20 • Meteorologie: 5-Lochsonde, Hygrometer, Strahlungssensoren, Dropsonden-System, Strahlungsthermometer, optische Scanner (Optimare Bremerhaven) • Küstenforschung: Hyperspektralkamera. Abb. 3: Überführungsrouten der POLAR 5 von Bremerhaven bzw. Oshkosh (Kanada) in die Polarregionen. Die aufgelisteten Messsysteme (Acronyme in Tab. 2) können für jede wissenschaftliche Fragestellung nahezu beliebig miteinander kombiniert werden, Einschränkungen gibt es lediglich wenn Instrumente dieselbe Einbauposition beanspruchen oder einander stören. Unter den gelisteten Systemen sind auch mehrere Geräte, die nicht Eigentum des AWIs sind. Die jeweiligen Eigentümer sind in Klammern jeweils dahinter genannt. Der Jungfernflug mit Turboproptriebwerken fand am 27. April 2007 in Oshkosh, WI, USA, im noch unlackierten Zustand statt. Nach Lackierung und Zulassung der ersten wissenschaftlichen Ausrüstung in Kanada wurde die neue POLAR 5 am 29. August 2007 nach Bremerhaven überführt. Aufgrund der größeren Reichweite der Basler gegenüber den Dornier Flugzeugen entfallen auf den langen Überführungsrouten in die Polargebiete einige Zwischenlandungen. Einige wichtige Überführungsrouten sind in Abbildung 3 dargestellt. Die Integration der ersten Messsysteme für die erste Antarktisexpedition wurde im September 2008 in Bremerhaven durchgeführt. Abbildung 4 zeigt die POLAR 5 am Flughafen Luneort in Bremerhaven zwischen zwei Testflügen. Die Zulassung der wissenschaftlichen Geräte an Bord erfolgt durch Transport Canada, da das Flugzeug in Kanada mit der Kennung C-GAWI registriert ist. Die Indienststellung erfolgte 138 Abb. 4: POLAR 5 mit geophysikalischer Instrumentierung vor Hangar 5 am Regionalflughafen Bremerhaven (Foto: Gregor Schlaeger, 2007). am 1. Oktober 2007 in Bremerhaven. Unmittelbar danach wurde das Flugzeug zur Vorbereitung auf die erste Antarktiskampagne nach Kanada überführt und dort gewartet. Während des internationalen Polarjahres wurde POLAR 5 für zwei Antarktis- und zwei Arktisexpeditionen eingesetzt. In Tabelle 3 sind die Messkampagnen und die jeweils eingesetzten Systeme zusammengefasst. Nicht aufgelistet sind die logistischen Einsätze des Flugzeugs. Rein zufällig wurden in Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 139 den ersten beiden Jahren ausschließlich Kampagnen zur Untersuchung der Atmosphäre in der Arktis und zur Untersuchung der Kryosphäre und Lithosphäre in der Antarktis durchgeführt. Dies wird sich mit den nächsten geplanten Kampagnen ändern. Für die Kampagnen MELTEX und PAM-ARCMIP wurden Messflüge zur Untersuchung der Atmosphäre durchgeführt. Darüber hinaus wurde auch die russische Drift Station NP35 im Arktischen Ozean im Frühjahr 2008 versorgt und Personal ausgeflogen. Während der beiden Antarktisexpeditionen wurden sechs Kampagnen zur Untersuchung der Kryosphäre und Lithosphäre mit teilweise unterschiedlicher Instrumentierung durchgeführt sowie diverse logistische Einsätze absolviert. Letztere waren zur Wartung der Außenobservatorien der Neumayer Station und Unterstützung von Feldgruppen des AWI erforderlich (Abb. 5). Darüber hinaus werden mit POLAR 5 auch Flüge im Rahmen von DROMLAN (Dronning Maud Land Air Network) durchgeführt. Ein herausragender logistischer Einsatz der POLAR 5 war die Beteiligung an der Einrichtung des Nordlagers (AGAP-N) des IPY Projekts AGAP (Antarctica’s Gamburtsev Province, vgl. Folge 17) in der Ostantarktis in der Region um Dome A. Abb. 5: Polar 5 bei der Sommerstation Kohnen auf dem antarktischen Polarplateau (Foto: H. Gernandt, 2007). 139 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 140 In Abbildung 7a und 7b sind die während des IPY durchgeführten Flüge der POLAR 5 zusammengefasst. Nicht dargestellt sind die Messflüge für die Kampagne MAMAP. Für diese Kampagne wurde die Überführung des Flugzeugs im November 2008 während der Flüge in Mittel- und Südamerika vom Geo-Forschungszentrum Potsdam eingesetzt, um Methanemissionen über dem tropischen Regenwald zumessen. Diese Messflüge wurden erst durch die größere Reichweite und Nutzlast der Basler möglich. Auch einige andere Kampagnen, insbesondere DoCo und PAM-ARCMIP konnten nur aufgrund dieser verbesserten Parameter durchgeführt werden. Links: <http://www.awi.de/de/infrastruktur/fluggeraete/forschungsflugzeuge/> Polarflugzeuge am Alfred-Wegener-Institut - Hightech über dem Eis Kontakt: Dr. Andreas Herber oder Dr. Daniel Steinhage, Alfred-WegenerInstitut für Polar- und Meeresforschung, Columbusstr., 27568 Bremerhaven, <[email protected]>, <[email protected]> Zusammenstellung: Daniel Steinhage und Monika Huch Abb. 6: Polar 5 vor der französisch-italienischen Station Concordia auf Dom C des antarktischen Polarplateaus, die während der DoCo-Kampagne angeflogen wurde. Abb. 7: Einsätze der POLAR 5 in der Arktis (links) und Antarktis (rechts) während des IPY. 140 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:01 Uhr Seite 141 Polarforschung 78 (2), 141 – 143. 2008 (erschienen 2009) Das Internationale Polarjahr 2007/08 An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de. Folge 25: Das Internationale Polarjahr 2007/08 – Der deutsche Beitrag Das Internationale Polarjahr 2007/08 reiht sich würdig in die Abfolge vorangegangener Polarjahre ein (vgl. Folge 1). Wie schon 1882/83, 1932/33 und im Internationalen Geophysikalischen Jahr 1957/58 wurden in internationaler Kooperation (Abb. 1)umfangreiche Expeditionen in die Polargebiete entsandt, um komplexe Forschungsarbeiten durchzuführen. Insgesamt beteiligten sich mehr als 50.000 Wissenschaftler aus 63 Ländern an den 238 Großprojekten des Polarjahres, die international koordiniert und interdisziplinär angelegt waren. Die deutschen Forschungsschwerpunkte im Polarjahr wurden in einer Broschüre Übersichtlich zusammengestellt (Abb. 2); sie lauteten (vgl. Folge 2): 1. Die Polargebiete im Wandel des Weltklimas. 2. Wandernde Kontinente und Evolutionsprozesse in den Polargebieten. 3. Vorstoß in unbekannte Regionen. 4. Entwicklung und Einsatz innovativer Technologien. 5. Die Arktis – Lebensraum des Menschen. Zu diesen Themen hat Deutschland wichtige Beiträge leisten können. An insgesamt 678 Teilprojekten des Polarjahres haben deutsche Wissenschaftler, mehrfach auch als federführende Koordinatoren, intensiv mitgearbeitet. Für die Einbindung und Koordinierung der deutschen Aktivitäten in das Internationale Polarjahr 2007/08 war eine Deutsche Kommission eingerichtet worden (Abb. 3). unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Dr. Horst Köhler. Das ist ein Beleg für das große Interesse, das Öffentlichkeit und Politik dem Internationalen Polarjahr entgegengebracht haben. Denn inzwischen ist bekannt, welch starke globale Auswirkungen von vielen natürlichen Prozessen in den Polargebieten ausgehen. Schmelzen die Eiskappen an den Polen, so sind alle Küsten vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen. Auch Änderungen in der Dynamik von Atmosphäre und Ozean sind in ihren Wirkungen global. Mehr noch: Wenn wir heute modellieren wollen, wie sich das Klima verändern wird, dann benötigen wir auch Informationen, welche Klimaänderungen in früherer Zeit aufgetreten sind. Hier beher- Die deutsche Beteiligung am Internationalen Polarjahr stand Abb. 1: Polarforschung ist international – Feldlager im Friggfjord, NordGrönland (Foto: F. Tessensohn). Abb. 2: Auftaktbroschüre der deutschen Beteiligung am IPY 2007/08 mit Darstellung der Organisation und der wissenschaftlichen Ziele. 141 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:02 Uhr Seite 142 geführt worden; über einige Vorhaben wurde in dieser Zeitschrift bereits berichtet. Polarexpeditionen dieser Art benötigen eine solide logistische Basis. Forschungsstationen, Eisbrecher, Flugzeuge und Hubschrauber bilden die Grundlage für eine effektive Forschung selbst. Hier konnte Deutschland insbesondere mit seinen Stationen in Arktis und Antarktis, den Forschungsschiffen und Flugzeugen die Voraussetzungen bieten, die für die Durchführung der multidisziplinären und internationalen Forschungsprojekte des Polarjahres unerlässlich waren (vgl. Folgen 12, 23, 24). Einen Höhepunkt in dieser Hinsicht bildete ohne Zweifel die Inbetriebnahme der neuen deutschen Antarktisstation Neumayer III. Abb. 3: Mitglieder der Deutschen Kommission für das Internationale Polarjahr 2007/08 (Foto: M. Huch). bergen die Polargebiete mit den Eisschilden einzigartige Klimaarchive, die es weiter zu erschließen gilt. Wie in geologischer Vergangenheit reagieren auch heute die Polargebiete besonders sensibel auf Änderungen der Umwelt. Wir können sie sozusagen als Frühwarnsysteme ansehen, bei denen sich früher als in anderen Regionen der Erde Auswirkungen eines Klimawandels zeigen. Ein deutscher Schwerpunkt war auch die Einbeziehung der Jugend in die Aktivitäten des Internationalen Polarjahres. Mit speziellen Programmen für Schüler, Studenten und Lehrer konnten sehr interessante, wirkungsvolle Beiträge geleistet werden (Folgen 3, 13, 17, 19, 21; Abb. 5). Über das von der Robert-Bosch-Stiftung geförderte Projekt „Coole Klassen” ist schon ausführlich berichtet worden (vgl. Folgen 8 und 9). Das Projekt wird nach dem Internationalen Polarjahr durch die Deutsche Gesellschaft für Polarforschung weitergeführt. Auch die Entstehung der polaren Vereisung selbst durch die Verschiebung der Kontinente und die Ausbildung entsprechender ozeanischer Zirkulationssysteme bedarf immer noch gründlicher Erforschung, z.B. im IPY-Projekt „Plates & Gates” (Folge 11; Abb. 4). Als Folge der Vereisung der Polregionen haben sich dort in Millionen von Jahren hoch spezialisierte und sensibel reagierende Lebensformen entwickelt, deren Lebensweise und Funktion derzeit gründlich erforscht werden (vgl. Folgen 5, 7, 15). Von Deutschland sind zu den oben angesprochenen Forschungskomplexen eine ganze Reihe von Expeditionen durchAbb. 5: Studenten erleben auf King George Island, Antarktika, Polarforschung hautnah, vgl. Folge 21 (Foto: H.-U. Peter). Wie die bisherigen Berichtsfolgen zum Internationalen Polarjahr mit ihren Darstellungen erster Ergebnisse schon gezeigt haben, konnte die deutsche Wissenschaft auf vielen Feldern zum großen Gesamterfolg des IPY beitragen (z.B. Folgen 9, 10, 11, 14, 16, 18, 20, 22). Nunmehr am Ende des Internationalen Polarjahres 2007/08 aber beginnt die eingehende Analyse aller Daten und Proben, die unter den rauen Bedingungen der Polarnatur gewonnen wurden. Es wird noch viel Mühe notwendig sein und Zeit erfordern, daraus fundierte, gesicherte neue Erkenntnisse zu gewinnen, aber die Bedeutung der Polarforschung für eine nachhaltige Gestaltung unserer Zukunft ist bereits jetzt offensichtlich (Abb. 6). Abb. 4: Operative Abstimmung zwischen deutschen und russischen Kooperationspartnern an Bord des russischen Forschungsschiffes „Akademik Karpinsky” im März 2007 bei gemeinsamen Messfahrten mit RV „Polarstern“ zum IPY-Projekt Plates & Gates in der Prydz Bay/Antarktis, vgl. Folge 11 (Foto: V. Gandyukhin). 142 Umbruch 78-(3) 28.09.2009 15:02 Uhr Seite 143 Berichts-Folgen zum Internationalen Polarjahr 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 Zur Geschichte der Internationalen Polarjahre Der deutsche Beitrag zum Internationalen Polarjahr Wissenstransfer in die Öffentlichkeit Das Internationale Polarjahr im internationalen Zusammenhang Evolution und Biodiversität Wetter und Klima in Polarregionen Die „Bipolare Klimamaschine” (BIPOMAC) Coole Klassen: Schulprojekte im Internationalen Polarjahr Klimabohrung in der Antarktis – ANDRILL Langfristige Klimabeobachtungen in der Arktis – DAMOCLES Globale Klimasteuerung durch regionale Tektonik – Das Projekt PLATES & GATES (Plate Tectonics and Polar Gateways in Earth History) Das Projekt AURORA BOREALIS Wissenskommunikation im Polarjahr Die indigenen Völker im Hohen Norden Russlands Volkszählung des marinen Lebens in der Antarktis” Das Projekt AGAP (Antarctica's Gamburtsev Province) Kinder-Forschungswerkstatt des Pfalzmuseums für Naturkunde – POLLICHIA-Museum Geowissenschaftliche Observatorien in den Polargebieten – Das Projekt POLENET (Polar Earth Observing Network) Junge Wissenschaftler im Permafrost Der Arktische Ozean – Status und Zukunft Studenten-Expeditionen im Internationalen Polarjahr (StudEx) Permafrost und der globale Klimawandel Die neue Antarktisstation Neumayer III Das neue Flugzeug POLAR 5 Das Internationale Polarjahr 2007/08 – Der deutsche Beitrag Folgen 1-5: Geographische Rundschau; Folgen 6-25: Polarforschung; alle Folgen auch als PDF bei www.polarjahr.de, „Text, Bild, Ton & Film” sowie bei www.DGPEV.de, „IPY”. Abb. 6: Abschlussbroschüre zur deutschen Beteiligung am IPY 2007/08 mit der Darstellung der wichtigsten Ereignisse und ersten Ergebnissen sowie der Auflistung aller deutschen Projektbeteiligungen. Broschüren zum Internationalen Polarjahr Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr 2007/08 (Hrsg.) (2005): International Polar Year 2007/2008 – Eine Vision für Forschung und innovative Technologien, 1-24. Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr 2007/08 (Hrsg.) (2009): Internationales Polarjahr 2007/2008. Der Deutsche Beitrag. Polarforschung in globaler Verantwortung, 1-24. www.ipy.org Links: <www.awi.de> Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung <www.bgr.bund.de> Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Polar- und Meeresforschung <www.dgp-ev.de> Deutsche Gesellschaft für Polarforschung e.V. <www.ipy.org> offizielle internationale Seite zum Internationalen Polarjahr <www.polarjahr.de offizielle deutsche Seite zum Internationalen Polarjahr Kontakt: Prof. Dr. Reinhard Dietrich, TU Dresden, Institut für Planetare Geodäsie, 01062 Dresden, <[email protected]> Dr. Karsten Gohl, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven <[email protected]> Zusammenstellung: Reinhard Dietrich, Karsten Gohl und Monika Huch 143