Das Internationale Polarjahr 2007/08

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Die Folge 1 zum Internationalen Polarjahr 2007/08 erschien in der
Geographischen Rundschau 59 (2007) Heft 3, S. 64-65
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet das deutsche IPJ-Komitee in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten
im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 beginnt und am 1. März 2009 endet. Aktuelle
Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 1: Zur Geschichte der Internationalen Polarjahre
Das 1. Internationale Polarjahr 1882-1883 fand
timen Observatoriums in Hamburg, einen ähnlichen
ohne den Mann statt, der es auf den Weg gebracht
Vorschlag für die Südhemisphäre gemacht. Bis zum 2.
hatte. Carl Weyprecht, der den Grundstein für die
Internationalen Meteorologischen Kongress im April
systematische moderne Erforschung der Polargebiete
1879 in Rom wurde das Vorhaben skizziert. Eine in
gelegt hatte, starb am 29. März 1881.
Rom gegründete Internationale Polarkommission unter
Weyprecht (1838 in Darmstadt geboren) trat mit 18
der Leitung von Georg von Neumayer sollte das nun so
Jahren in die österreichische Kriegsmarine ein und
genannte Internationale Polarjahr vorbereiten. Deutfiel durch seine organisatorische Wissenschaftler beteiligten
sche Begabung, seine Charaksich mit zwei Expeditionen: Auf
terstärke und ungewöhnliche
Baffin Island (Nordost-Kanada)
Führungsqualitäten auf. Sein
im Kingua-Fjord und auf der
Ziel wurde es, die Erforschung
Inselgruppe South Georgia im
der Nordpolargebiete voranzuSüdatlantik wurde je eine Statreiben. Bei der österreichischtion für meteorologische und
ungarischen Expedition 1872magnetische Messungen betrie1874 verlor er zwar nahe der
ben. Insgesamt nahmen an den
von ihm entdeckten Inselgruppe
Untersuchungen vom 1. August
Franz-Josef-Land sein Schiff
1882 bis 31. August 1883 elf
„Tegethoff”, aber er leitete aus
Länder mit zwölf Stationen in
Die Deutsche Station Kingua-Fjord im Cumberdiesen Erfahrungen wesentliche
der Arktis und zwei Stationen
land-Golf auf Baffin Island (Nordost-Kanada).
Grundsätze für zukünftige Arkauf der Südhalbkugel teil.
Lithographie von H. Denys. (Quelle: Neumayer
tis-Expeditionen ab:
Das 2. Internationale Polar1891)
jahr 1932-1933 ging wieder auf
einen deutschen Vorschlag zurück. Es sollte sich noch
1. Die arktische Forschung ist für die Kenntnis von
Naturgesetzen von höchster Wichtigkeit.
stärker als das erste auf die Erfassung meteorologischer
2. Die geographische Entdeckung in jenen Regionen
und magnetischer Daten konzentrieren. Trotz finanziist nur insofern von höherem Wert, als durch sie das
eller Probleme nahmen zwischen dem 1. August 1932
Feld für die wissenschaftliche Forschung in engerem
und dem 31. August 1933 Teilnehmer aus 44 Ländern
teil, die insgesamt 27 Beobachtungsstationen in der
Sinne vorbereitet wird.
3. Die arktische Detailtopographie ist nebensächlich.
Arktis betrieben. Von deutscher Seite wurden Routi4. Der geographische Pol besitzt für die Wissenschaft
nemessungen intensiviert und einige Wissenschaftler
keinen höheren Wert als jeder andere in höheren Breiten
nahmen an Arktis-Expeditionen anderer Länder teil.
gelegene Punkt.
Das Internationale Geophysikalische Jahr
5. Die Beobachtungsstationen sind, abgesehen von
1957-1958 umfasste auch die beiden Polargebiete
der Breite, um so günstiger, je intensiver die Erscheiund gilt deshalb ebenfalls als Internationales Polarjahr.
nungen, deren Studium angestrebt wird, auf ihnen
Der Zeitraum wurde auf 18 Monate verlängert, um in
auftreten.
beiden Polarregionen ein komplettes Jahr für Unter6. Vereinzelte Beobachtungsreihen haben mehr relasuchungen zur Verfügung zu haben. Zwischen dem
tiven Wert.
1. Juli 1957 und dem 31. Dezember 1958 nahmen 67
Aus diesen Erkenntnissen heraus setzte er sich für
Nationen mit etwa 4000 Stationen teil. In dieser Zeit
den Aufbau von Observatorien in der gesamten Arktis
wurden vor allem auf dem antarktischen Kontinent neue
ein, die mindestens ein Jahr lang gleichzeitig meteoBeobachtungsstationen eingerichtet, z.B. die US-amerologische und magnetische Messungen durchführen
rikanische Station McMurdo, die heute das Eingangstor
sollten. Diese Empfehlung trug er bei der 48. Tagung
in diesen Sektor der Antarktis ist. Direkte politische
der Deutschen Naturforscher und Physiker 1875 in Graz
Konsequenz der wissenschaftlichen Programme war
vor. Zur gleichen Zeit hatte auch Georg von Neumayer,
der Antarktisvertrag, der im Jahr 1959 von zunächst
Direktor des gerade gegründeten Deutschen Marizwölf Ländern ausgehandelt wurde.
Literatur:
C. Lüdecke: Research Projects of the International Polar Years.
Geographische Rundschau International Edition Vol 3 (2007),
No. 2
G. Neumayer (Hrsg.): Die internationale Polarforschung 18821883. Die deutschen Expeditionen und ihre Ergebnisse. Bd.
2, Berlin (1891), S. 60
www.carl-weyprecht.org (Informationen zu Carl Weyprecht)
www.dels.nas.edu/us-ipy/history.shtml (zur Geschichte der
Internationalen Polarjahre)
www.nas.edu/history/igy (zur Geschichte des Internationalen
Geophysikalischen Jahres)
www.scar.org/treaty/ (Informationen zum Antarktis-Vertrag)
Internet:
www.arctic.noaa.gov/aro/ipy-1/
(1. Internationales Polarjahr 1881-1884)
Zusammenstellung:
Monika Huch nach Informationen von Dr. Cornelia Lüdecke
Die Folge 2 zum Internationalen Polarjahr 2007/08 erschien in der
Geographischen Rundschau 59 (2007) Heft 4, S. 49
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet das deutsche IPJ-Komitee in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten
im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 beginnt und am 1. März 2009 endet. Aktuelle
Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 2: Der deutsche Beitrag zum Internationalen Polarjahr
Die polnahen Gebiete der Erde nehmen auf Grund ihrer
z.B. der arktische Ozean oder das Land unter dem Eis
geotektonischen und klimatischen Verhältnisse eine
der Antarktis. Hier sollen die Programme im Internabesondere Rolle bei weltweiten Veränderungen in der
tionalen Polarjahr gezielt Lücken schließen.
Deutschland ist eines der führenden Länder in der
Geo- und Biosphäre ein. Plattentektonische Rekoninternationalen Polarforschung mit einer Infrastruktur,
struktionen zeigen, dass sich das östliche Nordpolarmeer in den letzten 50-60 Millionen Jahren als tiefes
die Stationen in der Arktis und Antarktis, einen Forschungseisbrecher, Polarflugzeuge und umfangreiche
Ozeanbecken geöffnet hat. Die Antarktis wurde vor
Technik umfasst. Als deutscher Beitrag zum Internatio30-40 Millionen Jahren durch die Öffnung von Meeresnalen Polarjahr 2007/08 (IPJ) wurden vier wesentliche
becken zwischen Australien und Südamerika und in der
Folge durch die Entwicklung einer zirkumantarktischen
Themenkomplexe ausgewiesen:
Strömung isoliert.
1. Polargebiete im Wandel des
Die Polargebiete sind SchlüsWeltklimas: Gegenwärtiselregionen für die Entwicklung
ge Änderungen vor dem
des Weltklimas. Die polaren
Hintergrund des Wechsels
Eisschilde bilden die größten
zwischen Warm- und KaltSüßwasserspeicher der Erde,
zeiten.
deren Volumenänderungen
2. Wandernde Kontinente und
unmittelbare Auswirkungen auf
Evolutionsprozesse in den
den Meeresspiegel haben. ZuPolargebieten.
sammen mit dem polaren Meer3. Vorstoß in unbekannte Reeis beeinflussen sie die globale
gionen.
Strahlungsbilanz und die Zirku4. Entwicklung und Einsatz
lation des Weltozeans. Durch die
Forschen
in
Eis
und
Schnee:
Deutsches
Forinnovativer Technologien.
Tiefen- und Bodenwasserbilschungscamp
im
Nordvictorialand,
Antarktis
dung in den polaren und subpoMehr als 40 deutsche Prolaren Meeresgebieten erfolgt die
grammvorschläge wurden bei dem internationalen
Umwälzung und die Erneuerung der ozeanischen WasPlanungskomitee des IPJ eingereicht. Alle wurden
sermassen. Der Antarktische Zirkumpolarstrom ist das
als wichtiger Beitrag zum IPJ bewertet; etliche der
einzige Bindeglied für den klimawirksamen Austausch
Vorschläge wurden dabei als „Lead Project” größerer
von Wärme, Salz und Nährstoffen zwischen den großen
Programme eingestuft und die Antragsteller wurden
Ozeanbecken. Gleichzeitig hat das Südpolarmeer mit
um die internationale Koordination dieser Programme
seinen heute nur eingeschränkt genutzten Nährstoffen
gebeten. Bundespräsident Dr. Horst Köhler hat die
ein hohes Potential, durch biologische Abspeicherung
Schirmherrschaft für die deutsche Beteiligung am Invon Treibhausgasen (CO2) auf das globale Klima einzuwirken. In der Arktis ist der Permafrost durch seine
ternationalen Polarjahr übernommen.
riesigen Methanvorkommen und deren unmittelbarer
Das Internationale Polarjahr 2007/08 bietet die einNähe zur Atmosphäre hochgradig klimarelevant. Darzigartige Möglichkeit, den Dialog mit der Öffentlichkeit
über hinaus münden 10% der globalen Flusseinträge
und Bildungsinitiativen zu intensivieren. Dazu soll der
in das Nordpolarmeer und steuern damit die globale
Wissenstransfer auf breiter Basis international vernetzt
Tiefenwasserzirkulation.
und gleichzeitig mit den aktuellen wissenschaftlichen
In den vergangenen Internationalen Polarjahren und
Programmen geplant und umgesetzt werden. Besonden seither durchgeführten deutschen und internadere Aufmerksamkeit wird dem Wissenstransfer in die
tionalen Polarforschungskampagnen sind wesentliche
Schulen und Universitäten geschenkt. Durch die vielfälFortschritte zur geowissenschaftlichen, glaziologitigen und multidisziplinären Projekte während des IPJ,
schen, ozeanographischen, klimatologischen und
die auch attraktive Themen für Doktorarbeiten bieten,
biologischen Erkundung der unwirtlichen und schwer
soll außerdem eine neue Generation von Wissenschafterreichbaren Polargebiete gemacht worden. Trotz dielern herangebildet werden, die die Leistungsfähigkeit
ser enormen Anstrengungen sind große Regionen in
Deutschlands im internationalen Vergleich weiterhin
polaren Breiten immer noch weitgehend unerforscht,
gewährleisten wird.
Literatur:
Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr
2007/2008: International Polar Year 2007/08. Der deutsche
Beitrag. Eine Vision für Forschung und innovative Technologien. (2005)
www.bgr.de / Meeres- und Polarforschung der Bundesanstalt
für Geowissenschaften und Rohstoffe
www.ipy.org / das Internationale Polarjahr 2007/08
www.polarjahr.de / die deutsche Seite zum Internationalen Polarjahr
www.dgp-ev.de / Deutsche Gesellschaft für Polarforschung e.V.
Internet:
Zusammenstellung:
www.awi.de / Alfred-Wegener-Institut für Polar- und
Meeresforschung
Monika Huch nach Informationen von Prof. Dr. Reinhard
Dietrich
Die Folge 3 zum Internationalen Polarjahr 2007/08 erschien in der
Geographischen Rundschau 59 (2007) Heft 5, S. 53
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Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 3: Wissenstransfer in die Öffentlichkeit
Das Internationale Polarjahr 2007/2008 (IPJ) kommt
werden, um längerfristig Partnerschaften zwischen
genau zu dem Zeitpunkt, wo die Öffentlichkeit verstärkt
Schulklassen und wissenschaftlichen Institutionen in
über den Einfluss des Menschen auf die zukünftige
Deutschland und Europa aufzubauen. Im Projekt „Coole
Klimaentwicklung diskutiert und von der Wissenschaft
Klassen” sollen Lehrer als Vermittler in internationaler
genauere Daten über diese Entwicklung fordert. Die
Zusammenarbeit spannende Ansätze für geplante
Polarwissenschaft kann hier wesentliches beitragen,
Klassenprojekte in den Naturwissenschaften entwickeln
da die Polargebiete sowohl bedeutende Wetterküchen
und dazu an wissenschaftlichen Forschungsprojekten
als auch die Quelle der großen ozeanischen Kaltwasdirekt beteiligt werden. Ziel ist es, ein neues Bild der
serströme sind. Außerdem können die Polargebiete
Polargebiete zu vermitteln, Schulklassen durch Projekte
aus den Eisarchiven der Polkappen solide Daten über
am IPJ zu beteiligen, Schulen mit einem polaren „Profil”
das Klima der Vergangenheit liefern. Das IPJ bietet
herauszubilden und zu vernetzen. Diese Bemühungen
eine einzigartige Möglichkeit, den Dialog der Wissenwerden durch die Robert-Bosch-Stiftung gefördert.
schaft mit der Öffentlichkeit und Bildungsinitativen zu
Die Projekte auf Schulebene werden im europäischen
Verbund vor, während und nach
intensivieren.
Dies beinhaltet zum einen
der Expedition durchgeführt.
die Information einer breiten
Erfahrungen können länderÖffentlichkeit durch die Medien,
übergreifend ausgetauscht werzum anderen den Wissenstransden. Zentrales Forum für alle
fer in die Schulen und Universibeteiligten Lehrer und Schulen
täten. Folgende Aktivitäten sind
wird ein durch die European
geplant:
Science Foundation zur Verfü> Nationale und internationale
gung gestelltes Web-Portal sein
Wettbewerbe für Schülerin(s.u.). In Deutschland werden
nen und Schüler zum Thema
die Schulaktivitäten zentral
Polarforschung, Klima und
koordiniert, Lehrer der Fächer
Umwelt;
Biologie, Chemie, Geographie
> Teilnahme von Lehrpersonal
und Physik über das Projekt inan Expeditionen mit Beteili- In anderen Ländern schon praktiziert Wis- formiert und Interessenten zur
gung an der Gewinnung und senschaftler(innen) und Lehrer(innen) zu- Abgabe von Projektvorschlägen
Auswertung von Messdaten;
sammen auf Expedition
aufgefordert. Kandidaten und
> Entwicklung von UnterrichtsProjektziele werden dem European Polar Board bzw. der Deutschen Kommission
materialien für verschiedene Altersstufen auf der
für das Internationale Polarjahr übermittelt, die sich
Grundlage aktueller Forschungsergebnisse;
ihrerseits um Teilnehmerplätze bei IPJ-Expeditionen
> Live-Unterricht und Internet-Chat mit Wissenschaftbemühen.
lerinnen und Wissenschaftlern in den Polargebieten,
aber auch zwischen Schulklassen verschiedener NaStudierende. Mit der Beteiligung von Studierenden am
tionalitäten;
IPJ soll der wissenschaftliche Nachwuchs vor Ort an die
> Einrichtung von „Summer Schools” in gut zugänglichen
Polarforschung herangeführt werden. Dazu sollen die
polaren Regionen für Studierende;
Studierenden in den Polargebieten unter Expeditions> Interdisziplinäre und internationale Ringvorlesungen
bedingungen erste Erfahrungen sammeln. Der Kontakt
an Universitäten und bei wissenschaftlichen Aktionstagen.
zu erfahrenen Wissenschaftlern in laufenden Programmen der jeweils benachbarten Forschungsstationen soll
zur Integration in die internationale Gemeinschaft der
Schulprogramme. In Deutschland sind die PolargePolarforschung beitragen. Innerhalb eines vorgegebebiete in Lehrplänen nicht explizit vertreten und polare
nen fachlichen Rahmens sollen sich Studierende mit
Themen werden höchstens in Einzelfällen unterrichtet.
eigenen Projektvorschlägen bewerben. Die Auswahl zur
Junge Menschen nehmen Polarregionen daher nur
Teilnahme erfolgt nach wissenschaftlicher Qualifikation
bedingt und nicht ihrer heutigen Bedeutung gemäß
und Erfolgsaussichten.
wahr. Die Möglichkeiten des IPJ sollen deshalb genutzt
Lehrerkoordinator:
Dr. Rainer Lehmann, [email protected]
www.polarjahr.de/Coole-Klassen.155.0.html (Projekt „Coole
Klassen”)
Internet:
www.esf.org (European Science Foundation)
Zusammenstellung:
www.euroipy.org/Educationalgateway.html (European
Polar Board, Lehrerforum)
Monika Huch nach Informationen von Dr. Franz Tessensohn
Die Folge 4 zum Internationalen Polarjahr 2007/08 erschien in der
Geographischen Rundschau 59 (2007) Heft 7-8, S. 64-65
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet das deutsche IPJ-Komitee in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten
im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 beginnt und am 1. März 2009 endet. Aktuelle
Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 4: Das Internationale Polarjahr im internationalen Zusammenhang
Am 1. März 2007 begann das Internationale Polarjahr
einer für die Beobachtungssysteme, für die Datenpolitik
2007/08 (IPJ) nach mehrjähriger Vorbereitung mit einer
und das Datenmanagement sowie für die Nachwuchszentralen Veranstaltung in Paris und zahlreichen Verbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Im JC sind neben
anstaltungen der teilnehmenden Nationen. Es ist eines
ICSU und WMO maßgebliche Forschungsorganisationen,
der größten Forschungsprogramme der Geschichte,
wie die Intergovernmental Oceanographic Commission
in dessen Rahmen rund 50.000 Teilnehmerinnen und
(IOC), das Scientific Committee on Antarctic Research
Teilnehmer mit einer unvergleichlichen logistischen
(SCAR) und das International Arctic Science Committee
Unterstützung die Arktis und Antarktis untersuchen
(IASC) vertreten. Das Arctic Council (AC) und das Antwerden.
arctic Treaty Consultive Meeting
(ATCM) schicken Beobachter.
Besonderer Wert wird beim
Organisatorisch wird das JC
IPJ darauf gelegt, dass die Menvom International Programme
schen, die in den Polargebieten
Office (IPO) unterstützt. Um Rat
leben, nicht nur der Gegenstand
und Unterstützung für Projekte
wissenschaftlicher Untersuchunin der eurasischen Arktis zur
gen sind, sondern als TeilnehVerfügung zu stellen, wurde
mer aktiv bei der Gestaltung und
ein IPY International Programme
Umsetzung der Arbeiten mitwirSub-Office in St. Petersburg geken. In diesem Zusammenhang
gründet. Kanada und Norwegen
ist auch zu verstehen, dass das
haben ebenfalls zirkumarktisch
IPJ in starkem Umfang die Geausgerichtete IPJ-Büros eingesellschafts- und Lebenswissenrichtet. Für die Sicherung der
schaften einschließt, wobei die
Planung der Fernerkundung
Gesundheit von Mensch und Tier
Während der IPJ-Eröffnungsveranstaltung am
mit Satelliten wurde eine Space
ebenso von Projekten behandelt
1. März in Berlin
Task Group gegründet. Um die
wird wie die Geschichte und das
traditionelle Wissen der arktischen Bevölkerung. Ein
nächste Generation von Polarforschern heranzubilden,
weiteres Ziel ist es, die Aufmerksamkeit der Menschen
sind zwei Jugendorganisationen entstanden - „Youth
der ganzen Erde auf die Polargebiete zu lenken.
in IPY” und das „Young Career Scientist Network”, die
Selbst unter Zusammenführung aller Kräfte und
mit dem Education, Outreach and Communication Sublogistischen Kapazitäten ist es nicht möglich, alle
committee zusammenarbeiten. Ein Zusammenschluss
Messungen und Beobachtungen, die beide Polargebiete
der Heads of IPY Secretariats (HAIS) arbeitet mit allen
über den saisonalen Wechsel überdecken sollen, in
nationalen IPJ-Ausschüssen zusammen.
einem Jahr durchzuführen. Deshalb entschloss man
Neben der Organisation, der Überwachung des
sich, das IPJ von März 2007 bis März 2009 dauern zu
Fortschritts und der Förderung des Zusammenwachlassen. Durchgehende Messungen von Satelliten, Stasens der Projekte wird das JC das Vermächtnis des IPJ
tionen und autonomen Systemen spielen eine wichtige
2007/08 vorbereiten und sichern. Hier spielen BeobRolle, um den Mangel an Gleichzeitigkeit ausgleichen
achtungssysteme, die während des IPJ eingerichtet
zu können.
oder konzipiert werden und nach dem IPJ nachhaltig
Das IPJ wird vom Internationalen Wissenschaftsrat
weitergeführt werden müssen, eine wesentliche Rolle.
(International Council for Science ICSU) und der WeltEinen bedeutenden Teil des Vermächtnisses machen
organisation für Meteorologie (World Meteorological
die während des IPJ gemessenen Daten aus. Daher
Organization WMO) organisiert. Am IPJ 2007/08 sind
kommt der Datenpolitik und dem Datenmanagement
63 Nationen beteiligt. Über 1000 Projektvorschläge
eine wesentliche Rolle zu, um die Daten so schnell,
wurden in 228 internationalen und multidisziplinären
so umfassend und so einfach wie möglich allen TeilLeitprojekten zusammengefasst, die die Basis für die
nehmern des IPJ und der Öffentlichkeit zur Verfügung
Forschungsaktivitäten im IPJ darstellen. Bisher haben
zu stellen. Darüber hinaus stellen die gewonnenen
31 Nationen IPJ-Ausschüsse gebildet, um die Arbeiten
Kenntnisse und das gewachsene Verständnis einen
zu koordinieren.
bedeutenden Teil des Vermächtnisses dar, aber auch
Das IPJ 2007/08 wird durch einen von ICSU und
politische Entwicklungen zur Öffnung der Arktis für die
WMO eingerichteten Ausschuss (Joint Committee JC)
internationale Forschung oder zur Vereinfachung der
gesteuert, dem drei Unterausschüsse zuarbeiten - je
Forschungskoordination sollen angestoßen werden.
Literatur:
ICSU/WMO Joint Committee for IPY 2007-2008: The scope of
science for the International Polar Year 2007-2008. WMO/TDNo. 1364, World Meteorological Organization, Geneva 2007
Internet:
www.ipy.org/index.php?/ipy/detail/ipy_chart_version_44/
(IPY Wabendiagramm mit allen 228 Leitprojekten)
www.ipy.org/index.php?/ipy/detail/a_framework_for_the_
international_polar_year/ (Überblick über Themen, Ziele
und Prioritäten im IPJ)
Zusammenstellung:
Monika Huch nach Informationen von Dr. Eberhard Fahrbach
Die Folge 5 zum Internationalen Polarjahr 2007/08 erschien in der
Geographischen Rundschau 59 (2007) Heft 9, S. 64-65
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet das deutsche IPJ-Komitee in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten
im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März 2007 beginnt und am 1. März 2009 endet. Aktuelle
Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 5: Evolution und Biodiversität
Die Polargebiete im Norden und im Süden der Erde
bis in die Tiefsee hinein ein natürliches Evolutionslabor
beherbergen hoch angepasste Faunen und Floren, die
dar. In diesem Kontext wird das IPY-Leitprojekt Nr. 66
sich auf charakteristische Weise ähneln, aber auch we„System Coupling in the deep Southern Ocean SYSTCO”
sentliche Unterschiede aufweisen. Einige Studien haben
Kopplungsprozesse zwischen Atmosphäre, Pelagial und
gezeigt, dass der marine Artenreichtum in der Antarktis
Benthos erforschen:
viel höher ist als in der Arktis, was vermutlich an dem
> Satellitenaufnahmen der Ozeanoberfläche sollen inAlter dieser Lebensräume und der stärkeren Isolation
direkt Auskunft über Aerosolkonzentrationen in der
des Südkontinents liegt. Ihre heutige geographische
Atmosphäre und die Lichtdurchlässigkeit geben.
Verteilung beruht auf unterschiedlichen geologischen
> Die atmosphärischen Prozesse haben Einfluss auf
und klimatischen Bedingungen, durch die die jeweilige
Prozesse in der Wassersäule (Pelagial) und daEvolution in den nördlichen und südlichen Polargebiemit auf die biogeochemischen Eigenschaften der
ten beeinflusst wurde.
Primärproduktion. Daher
sollen die Rolle des NanoAuf beiden Hemisphären
planktons im Nahrungsnetz
haben sich unterschiedliche
und die vertikale Verteilung
Endglieder herausgebildet, die
der Planktongemeinschaft
das marine Nahrungsnetz nutbis in die Tiefsee untersucht
zen. Im Nordpolargebiet spielen
werden.
flugfähige Vögel, Säuger (dar> Das Leben am Meeresboden
unter der Eisbär) und die an
(Benthos) hängt von Qualipolare Bedingungen vorzüglich
tät und Quantität der durch
angepasste menschliche Bedie Wassersäule sinkenden
völkerung die wichtigste Rolle.
Nährstoffe und von sediDagegen herrschen im Südpomentologischen und biogeolargebiet Pinguine und marine
chemischen Bedingungen in
Warmblüter vor. Für diese Enddiesem Lebensraum ab.
glieder können heute paläontoDie Untersuchungen werden
logische Alter angegeben werim südlichen Atlantik südwestden. In der Südhemisphäre sind
lich von Kapstadt/Südafrika bis
fossile Pinguine aus dem frühen
zum antarktischen Schelf vor
Tertiär (seit ca. 50 Millionen
dem Weddellmeer entlang des
Jahren) bekannt, der Ursprung
0°-Meridians durchgeführt. Es
der übrigen Säugetiere liegt
ist vorgesehen, dass die Lokavermutlich im mittleren Tertiär.
tionen im Abstand von 5 bis 10
Der Eisbär und die Inuit auf der
Jahren erneut beprobt werden,
nördlichen Halbkugel haben
um Veränderungen registrieren
sich erst seit dem Ausgang der
zu können.
letzten Eiszeit (seit ca. 10.000SYSTCO ist Teil des übergrei15.000 Jahren) entwickelt.
fenden Programms „Census of
Insbesondere das marine
Das Forschungsschiff „Polarstern” beprobt die
Marine Life”, in dem DeutschÖkosystem des Südozeans stellt
Tiefsee des Südozeans (Quelle: A. Brandt)
land u.a. durch das Deutsche
eine einzigartige Organismenwelt dar. Es ist kein einheitlicher Lebensraum, vielmehr
Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (DZMB) am
gliedert es sich in zahlreiche einzelne Bereiche auf. DaSenckenberg-Institut und das Alfred-Wegener-Institut
her stellen die antarktischen Küsten- und Schelfmeere
für Polar- und Meeresforschung vertreten ist.
Literatur:
ACIA (2005) Der Arktis-Klima-Report. Die Auswirkungen der Erwärmung. Convent Verlag
Deutsche Forschungsgemeinschaft (2005) Deutsche
Forschung in der Antarktis. Wissenschaftlicher
Fortschritt und Perspektiven. Denkschrift. WileyVCH Weinheim
Internet:
www.awi.de (Alfred-Wegener-Institut für Polar- und
Meeresforschung)
www.biologie.uni-hamburg.de/zim/niedere2/
Science%20Plan%20ANDEEP-SYSTCO-1pdf (Science Plan ANDEEP-SYSTCO)
www.coml.org (Census of Marine Life)
www.ipy.org/eoi/proposal-details.php?id=66 (Full
Proposal Details)
www.senckenberg.de/root/index.php?page_id=158
(Deutsches Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung)
Zusammenstellung:
Monika Huch nach Informationen von Dr. Angelika
Brandt
Polarforschung 76 (3), 141 – 142, 2006 (erschienen 2007)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März
2007 begann und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen
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Folge 6:
Wetter und Klima in Polarregionen
Arktis und Antarktis stellen die Kältesenken der atmosphärischen Zirkulation dar und beeinflussen die globale Zirkulation
durch den meridionalen Energiegradienten zwischen den
Polen und den Tropen. Atmosphärische Beobachtungsdaten
für die Polarregionen in der Arktis und Antarktis sind nur spärlich vorhanden, da nur wenige Beobachtungsstationen
existieren, die mit langfristigen Daten dienen können. Deshalb
stellen neben Satellitendaten, die Reanalysen des ECMWF
(European Center for Medium- Range Weather Forecast) und
des NCEP (National Center for Environmental Prediction)
einen brauchbaren Datensatz für die Polarregionen dar, der
durch die Assimilation von existierenden Beobachtungsdaten
in ein Wettervorhersagemodell erzeugt wurde.
Zirkulation der Arktis
Die arktische Winterzirkulation wird in der mittleren Troposphäre durch einen polaren Wirbel bestimmt, der mit seinem
Druckminimum über Nordamerika liegt und sich bis nach
Westeuropa erstreckt. Diese Druckverteilung wird durch die
Orographie, die Land-Meerverteilung und die Strahlungssenke während der Polarnacht bestimmt. Der Polarwirbel
schwächt sich im Sommer ab und wird stärker symmetrisch.
Im Winter dominieren im Bodenluftdruck (Abb.1a) das
Islandtief an der Südküste Grönlands, das Aleutentief im nordpazifischen Bassin und das Sibirienhoch über Zentraleurasien.
Das Isländische Tief und das Aleutentief werden durch den
thermischen Einfluß des relativ warmen Ozeans und die
Entwicklung regionaler Zyklonen bestimmt. Das sibirische
Hoch wird im wesentlichen durch langwellige Strahlungsabkühlung getrieben. Das Islandtief ist im Vergleich zum Winter
im Sommer deutlich schwächer (Abb. 1b). Die Druckverteilung des Sommers zeigt den höchsten Luftdruck über Grönland, der Barents- und der Beaufortsee. Niedriger Luftdruck
herrscht wieder im Islandtief, aber auch über Sibirien.
Die mittlere Zirkulation des Winters wird durch großskalige
planetare Wellenmuster bestimmt, die im Sommer wesentlich
geringer ausgeprägt sind. Die niedrigsten mittleren Wintertemperaturen von unter -30 °C treten über Gebieten Sibiriens,
dem eisbedeckten Arktischen Ozean, dem nördlichen Teil
Kanadas und Grönlands auf. Die höheren Temperaturen über
dem atlantischen Sektor sind mit ozeanischen Wärmeflüssen
und starker Wolkenbildung und horizontalen Wärmeflüssen
durch die nordatlantischen Zyklonenzugbahnen verknüpft,
welche die Bildung von Meereis verhindern. Die tiefsten
Temperaturen über Sibirien treten im Kältehoch auf, während
ozeanische Wärmeflüsse durch das relativ dünne arktische Eis
die Temperaturen über dem arktischen Ozean relativ hoch
halten.
Dieses globale Muster der Luftdruck- und Temperaturverteilung hat sich in den Jahren 1948-2000 deutlich verändert. In
den Wintern trat eine signifikante Erwärmung und in den
Sommern ein leichte Abkühlung auf. Die beobachtete Wintererwärmung steht im Zusammenhang mit den Änderungen der
nordhemisphärischen Zirkulation und des Telekonnektionsmusters der Nordatlantischen Oszillation (NAO, Hurrell & Van
Loon 1997, Dorn et al. 2003). Dieses natürliche Variabilitätsmuster zeichnet sich durch großräumige Schwankungen des
Luftdruckes im Bereich des Islandtiefs und des Azorenhochs
aus.
Wettersysteme der Arktis
Die winterliche Zyklonenaktivität ist am stärksten über der
atlantischen Seite der Arktis und bildet einen wichtigen Teil
der nordatlantischen Zyklonenzugbahn. Dabei treten bevorzugte Zyklonenzugbahnen im Winter über der Südspitze
Grönlands im Zusammenhang mit dem Islandtief und in der
Barent- und Karasee auf. In dieser Region entwickeln sich
Zyklonen durch den großen Temperaturunterschied zwischen
dem warmen, nordwärts fließenden Norwegenstrom und dem
kalten, südwärts fließenden Ostgrönlandstrom in der Nähe der
Eiskanten. Diese Zyklonen transportieren an ihrer Westflanke
warme Luft und Drehimpuls polwärts und an der Ostflanke
kalte Luft und Drehimpuls südwärts und bewegen sich von
West nach Ost. Sommerzyklonen treten häufig über Osteurasien und Alaska auf (SERREZE 1995).
Zirkulation der Antarktis
Der antarktische Kontinent beeinflusst durch seine topographische Höhe von 2-4 km die Luftdruckverteilung und die
Wettersysteme. Das Innere des antarktischen Kontinents ist
von den warmen Luftmassen mittlerer Breiten relativ gut
isoliert und durch sehr kalte, trockene und wolkenfreie Bedingungen charakterisiert. Dadurch ergibt sich eine relativ
einfache Druckverteilung mit einem starken Kältehoch über
dem Kontinent und einer im Vergleich zur stark durchmischten
Arktis geringen jahreszeitlichen Variabilität. Der höchste Luftdruck tritt im Winter und im Sommer über dem antarktischen
Kontinent auf, der von einem Gürtel niedrigen Luftdrucks
141
umgeben ist. Dieser Luftdruckgürtel ist im Winter stärker als
im Sommer. Da die Land-Meerverteilung der Antarktis und
der Arktis sich sehr deutlich unterscheiden, sind die durch die
Topographie und Land-Meer-Kontraste angeregten langen
planetaren Wellen in der Südhemisphäre wesentlich
schwächer ausgebildet. Die baroklinen Wettersysteme spielen
deshalb für die meridionalen Transporte von Drehimpuls und
Wärme eine wichtigere Rolle als in der Nordhemisphäre.
Wettersysteme der Antarktis
Der stärkere meridionale Temperaturgradient zwischen der
Antarktis und den Tropen ist verantwortlich für die zahlreichen Zyklonen über dem Südozean zwischen 60-70 °S, die
mit einem Gürtel niedrigen Luftdrucks den antarktischen
Kontinent einschließen, (KING & TURNER 1997). Diese Wettersysteme können sich infolge des starken Kältehochs nur
eingeschränkt über den antarktischen Kontinent bewegen. Der
Druckgradient zwischen dem kalten kontinentalen Hoch und
den Zyklonen an den Küsten des Kontinents treibt die starken
und peristenten Oberflächenwinde der Antarktis, die besonders stark während des Winters ausgeprägt sind und als katabatische
Windsysteme
bezeichnet
werden.
Eine
bemerkenswerte Eigenschaft der Antarktis ist die starke
Temperaturinversion an der Oberfläche, die stärker als in der
Arktis ausgeprägt ist. Diese entsteht durch die Strahlungsabkühlung am Erdboden und der unteren Troposphäre.
Klimaentwicklung von arktischen Prozessparametrisierungen
beinflusst werden (DETHLOFF et al. 2006).
Literatur
Dethloff, K. et al. (2006): A dynamical link between the Arctic and the global
climate
system.Geophys.
Res.
Lett.
33:
L03703,
doi:10.1029/2005GL025245.
Dorn, W. et al. (2003): Competition of NAO regime changes and increasing
greenhouse gases and aerosols with respect to Arctic climate estimates.Climate Dyn. 21: 447-458.
Hurrell, J.W. & H. van Loon (1997): Decadal variations in climate associated
with the North Atlantic Oscillation.- Climate Change 36: 301-326.
King, J.C. & Turner, J. 1997, Antarctic meteorology and climatology,
Cambridge, Cambridge University Press.
Rinke, A. et al. (2006): Evaluation of an ensemble of Arctic regional climate
models: Spatiotemporal fields during the SHEBA year.- Climate Dyn. 26:
459-472, doi:10.1007/s00382-005-0095-3.
Serreze, M.C. (1995): Climatological aspects of cyclone development and
decay in the Arctic.- Atmosphere-Ocean 33: 1-23.
Internet:
<www.awi.de/www-pot/atmo/glimpse> (Informationen zum EU- Forschungsprojekt GLIMPSE „Global implications of Arctic climate processes and
Feedbacks“)
<www.ecmwf/int./research/era/> (European Center for Medium-Range
Weather Forecast)
Zusammenstellung: Prof. Dr. Klaus Dethloff
Der jahreszeitlich variierende Luftdruckgürtel um die
Antarktis beeinflusst die Verteilung des Meereises. Dieses ist
im Unterschied zur Arktis dünner und ca. 1 m dick. Der Effekt
der sich bewegenden Wettersysteme führt über dem südlichen
Ozean zu offenen Wasserflächen (Polynjas), die lokale
Quellen für Wärme und Feuchte und damit für Wolken
darstellen und die Kopplung zwischen Atmosphäre, Ozean
und Meereis beeinflussen.
Globale Auswirkungen polarer Klimaprozesse
Die globalen Auswirkungen verbesserter arktischer Prozessparametrisierungen wurden in dem europäischen Forschungsprojekt GLIMPSE (Global implications of Arctic climate
processes and feedbacks; (http://www.awi-potsdam.de/wwwpot/atmo/glimpse) untersucht. Dabei wurden acht verschiedene regionale Modelle der arktischen Atmosphäre mit einer
hohen horizontalen Auflösung im gleichen Integrationsgebiet
angewendet und die Modellunsicherheiten infolge verschiedener Parametrisierungen der Strahlung, der arktischen Grenzschicht und Permafrostprozessen gegen Beobachtungsdaten
verglichen. Während die simulierten Temperatur- und Windfelder gut mit den Beobachtungen übereinstimmen, haben die
Modelle große Probleme bei der Simulation des Wolkenwassergehaltes, (Rinke et al. 2006). Dies führt zu einem Fehler in
der zum Erdboden reflektierten langwelligen Strahlung und
fehlerhaften Energieflüssen an der Erdoberfläche. Zukünftige
Modellentwicklungen in enger Abstimmung mit Feldmessungen während des IPY 2007-08 erfordern eine verbesserte
Beschreibung arktischer Aerosole, die als Kondensationskeime für Wolkenbildung dienen.
Eine verbesserte Parametrisierung der Eis- und SchneealbedoRückkopplung wurde in einem regionalen Modell getestet und
dann in ein globales Klimamodell implementiert. Dabei zeigte
sich, daß die Energiesenke der Arktis starke Einflüsse auf das
globale Klima und das Fernverbindungsmuster der Arktischen
Schwingung ausübt und damit auch Szenarien der zukünftigen
142
Abb. 1a: Wintermittel des Bodenluftdrucks (hPa) in der Arktis für 1990-2000
aus ERA40 Daten.
Abb. 1b: Sommermittel des Bodenluftdrucks (hPa) in der Arktis für 19902000 aus ERA40 Daten.
Polarforschung 76 (3), 143 – 144, 2006 (erschienen 2007)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März
2007 begann und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen
gibt es bei www.polarjahr.de
Folge 7:
Die bipolare Klimamaschine (BIPOMAC)
Paläoklimatologische Untersuchungen zeigen, dass physikalische und biologische Prozesse in den polaren Meeres- und
Landgebieten einschließlich der Eisschilde von Grönland und
der Antarktis auf Zeitskalen zwischen Jahrzehnten und Jahrtausenden entscheidenden Einfluss auf den Zustand und die
Entwicklung des globalen Klimas und damit des Meeresspiegels haben. Diese Prozesse haben mit den biologischen Kreisläufen in polaren Meeresgebieten, der Bildung polarer
Wassermassen, der Verbreitung des Meereises, der atmosphärischen Zirkulation einschließlich des Transports von
Wasserdampf, dem Verhalten von Permafrost sowie dem
Umfang und der Stabilität der polaren Eismassen zu tun.
Ziel des IPY-Projekts BIPOMAC (Bipolar Climate Machinery) ist es, während des Internationalen Polarjahres und
darüber hinaus die Kenntnisse über Klima steuernde polare
Prozesse, ihre bipolaren Wechselwirkungen sowie Auswirkungen auf den Umfang und die zeitliche Entwicklung pola rer und globaler Klimaänderungen wesentlich zu verbessern.
Grundlage dieser Arbeiten ist die Rekonstruktion von
Klimaänderungen und Klimazuständen in der jüngeren Erdgeschichte, also im Holozän, Pleistozän und Pliozän, der Polargebiete. Dazu werden Klimainformationen aus den
verschiedensten Archiven, z.B. marinen und limnischen Sedimenten, Permafrostabfolgen und den kontinentalen Eisschilden, miteinander verknüpft. Mit Hilfe numerischer
Modelle werden die Datensätze analysiert, um damit weitere
Grundlagen für eine realistische Abschätzung der zukünftigen
Entwicklung des Klimas und des Meeresspiegels zu erhalten.
Bereits heute ist zu erkennen, wie empfindlich die Polargebiete auf Klimaänderungen reagieren. Die Verringerung des
arktischen Sommermeereises und der Eismassen auf Grönland
und der Antarktischen Halbinsel sind ein deutliches Zeichen
für die voranschreitende Erwärmung der Polargebiete, die die
Erwärmung in anderen Breiten deutlich übertrifft.
Das komplexe Wechselspiel der „bipolaren Klimamaschine”
lässt sich besonders eindrucksvoll an Klimazeitreihen aus
polaren Eisbohrkernen dokumentieren und – gestützt auf
Klimamodellierungen und marine Datensätze – interpretieren.
Dabei spielt die thermohaline Ozeanzirkulation (THZ) eine
große Rolle.
Die Funktionsweise der „bipolaren Klimamaschine” lässt sich
dem folgenden Schema (Abb. 1) entsprechend beschreiben:
Ansteigende Insolation im Sommer auf der Nordhemisphäre
führt – einhergehend mit einer Zunahme der Treibhausgaskonzentration – ab etwa 21.000 Jahren vor heute in den Übergang
vom Letzten Glazialen Maximum (LGM) in die heutige
Warmzeit (1). Auf der Nordhemisphäre (NH) wird die Erwärmung durch Schmelzwassereintrag in den Nordatlantik abrupt
unterbrochen (2), was zu einer deutlichen Reduzierung bzw.
zu einem Zusammenbruch der Nordatlantischen Tiefenwasserbildung und der atlantischen THZ führt. Die Südhemisphäre
(SH) reagiert mit zunehmender Erwärmung, die nach Erreichen eines Schwellenwertes eine rasche Ankurbelung der THZ
und damit einhergehend eine Erwärmung der NH bewirkt (3).
Schmelzwassereinträge in den Südozean führen zu einer
Abkühlung der SH. Diese Störung bewirkt eine weitere Erwärmung der NH (4), die durch einen erneuten Schmelzwassereinbruch in den Nordatlantik unterbrochen wird und eine
Erwärmung der SH zur Folge hat (5). Nach Erreichen eines
Schwellenwertes kommt es wieder zu einer raschen Ankurbelung der THZ und Erwärmung auf der NH (6). Danach
etabliert sich ein weitgehend stabiles warmes Klima – das
Holozän – bei relativ gleich bleibenden Treibhausgaskonzentrationen, das nur noch einmal vor ca. 8000 Jahren vor heute
durch eine kurzzeitige Abkühlung unterbrochen worden ist.
Erst seit ca. 1750 und verstärkt in den vergangenen 50 Jahren
wird das natürliche Klima durch menschliche Einflüsse mit
globaler Auswirkung verändert.
Noch sind bei weitem nicht alle Prozesse und Wechselwirkungen, die das Klimageschehen und den damit verbundenen
Meeresspiegelstand in seiner natürlichen Variationsbreite
steuern, hinreichend verstanden und es sind auch noch nicht
alle potentiellen Gebiete mit Steuerungsfunktion untersucht
worden.
Vor dem Hintergrund des sich durch menschliche Einflüsse
wandelnden polaren und globalen Klimas sollen die unter
BIPOMAC versammelten Projekte zu einem wesentlichen
Kenntnis- und Verständniszuwachs beitragen. Wissenschaftler
aus 22 Nationen werden eine Reihe von Expeditionen in
bislang wenig untersuchte polare Land- und Meeresgebiete
durchführen, wobei u.a. deutsche, italienische, französische,
englische und chinesische Forschungsschiffe zum Einsatz
kommen. Bei diesen Expeditionen werden Schüler, Studenten,
143
Lehrer und Journalisten Gelegenheit haben, unmittelbare
Einblicke in die internationale Paläoklima- und Polarforschung zu bekommen (vgl. Folge 3).
Literatur
EPICA community members (2006): One-to-one coupling of glacial climate
variability.- Nature 444: doi:10.1038/nature05301.
Stocker, T.F. (2003): South dials north.- Nature 424: 496-499.
BIPOMAC-Koordination:
Rainer Gersonde, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung
Bremerhaven; <[email protected]>
Zusammenstellung: Dr. Rainer Gersonde und Monika Huch
Abb. 1: Schematische Darstellung der Funktionsweise der „bipolaren Klimamaschine”.
144
Polarforschung 77 (1), 37 – 38, 2007 (erschienen 2008)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März
2007 begann und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen
gibt es bei www.polarjahr.de.
Bisher erschienene Berichte zum IPY 2007/2008:
Folge 1: Zur Geschichte der Internationalen Polarjahre, GR* 59, Heft 3, S. 6465.
Folge 2: Deutscher Beitrag zum Internationalen Polarjahr, GR* 59, Heft 4,
S.49.
Folge 3: Wissenstransfer in Schule und Öffentlichkeit, GR* 59, Heft 5, S. 53.
Folge 4: Das IPJ im internationalen Zusammenhang, GR* 59, Heft 7/8, S. 6465.
Folge 5: Evolution und Biodiversität, GR* 59, Heft 9, S. 64-65.
Folge 6: Wetter und Klima in Polarregionen, Polarforschung, 73(3), S. 141142.
Folge 7: Die bipolare Klimamaschine (BIPOMAC), Polarforschung 73(3), S.
143-144
GR* = Geographische Rundschau
Folge 8:
Coole Klassen – Schulprojekte im IPY
Die vergangenen Winter waren zu warm, das Frühjahr 2007 zu
warm und zu trocken und der Sommer 2007 kühl und feucht.
Dass das Klima sich ändert, erfahren junge Menschen hautnah
und zudem aus allen Medien. Sie wissen jedoch kaum etwas
über die Bedeutung und Sensibilität der Polargebiete im weltweiten Klimasystem. Das Projekt „Coole Klassen” möchte
Schüler für die Polargebiete faszinieren und ihnen die fragile
Natur nahe bringen. Dies soll eine Grundlage für einen bewussteren Umgang mit der Natur sein.
In den Schulen werden die Polargebiete trotz ihrer Bedeutung
für das globale Klimasystem zu wenig thematisiert. Schüler
kennen teilweise elementare Unterschiede zwischen Arktis
und Antarktis nicht, sie nehmen die Polargebiete normalerweise nur bedingt und nicht ihrer Bedeutung gemäß wahr.
Neben den wissenschaftlichen Forschungsarbeiten ist daher
der Wissenstransfer auf breiter Basis in die Öffentlichkeit und
speziell in die Schulen ein wesentliches Ziel des Internationalen Polarjahres, um junge Menschen zu erreichen und für
das System Erde zu sensibilisieren.
Im Projekt „Coole Klassen” werden Schulen an wissenschaftliche Forschungsprogramme herangeführt. In seiner Ausrichtung auf die Fächer Geographie, Biologie, Physik, Chemie und
Sozialkunde ist es fächerübergreifend angelegt, um die
Schüler mit aktuellen und für unsere Gesellschaft wesentlichen Forschungsfragen und -ergebnissen vertraut zu machen.
Dadurch soll der Unterricht an den Schulen langfristig positive Impulse erhalten. Eine zukünftige Kooperation zwischen
Schulen und Forschern ist ausdrücklich erwünscht.
Abb. 1: Schüler erkunden klimatisch-physikalische Zusammenhänge (Foto:
R. Lehmann)
Bisher engagieren sich über 130 Lehrer in ganz Deutschland
am Projekt „Coole Klassen”. Die Lehrer haben sich konkrete
Aufgaben gegeben, die sie als aktive Teilnehmer in den jeweiligen Schulprojekten wahrnehmen. Das attraktivste Angebot
für die Lehrer ist die Teilnahme an wissenschaftlichen Expeditionen. Ziel ist hierbei eine enge Anbindung an die wissenschaftliche Arbeitsweise, um diese auch den Schülern zu
vermitteln. Die Zusammenarbeit in den wissenschaftlichen
Programmen findet zwischen deutschen, europäischen und
außereuropäischen Lehrern sowie den Wissenschaftlern statt.
Zielgebiete sind polare Meeresregionen und Landflächen in
der Arktis und Antarktis, beispielsweise der Nordatlantik und
die Antarktis.
In selbst gewählten Polarprojekten erarbeiten Lehrer mit ihren
Schülern die wesentlichen Fragestellungen, vertiefen die
Themen in ihren Kursen oder bauen Partnerschaften mit
Schulen in Polargebieten auf. In einem künstlerischen Wettbewerb konnten Schüler aller Altersklassen ihre Vorstellungen
der Polargebiete auf unterschiedliche Weise darstellen. Einige
Ergebnisse sind unter www.polarjahr.de zu sehen.
37
Langfristige wesentliche Ergebnisse des Projekts „Coole
Klassen” werden die Ausarbeitung von Arbeitsmaterialien,
Schulbuchinhalten und Themenheften sowie die Einbringung
polarer Themen in die Curricula, Lehr- oder Rahmenpläne der
Bundesländer sein. Ziel des Projektes ist es, eine nachhaltige
Wirkung in der deutschen Bildungslandschaft zu hinterlassen.
Im Herbst 2007 nahm ein Lehrer an der geowissenschaftlichen
Expedition ANDRILL (Antarctic Geological Drilling) in die
Antarktis teil, und im Winter/Frühjahr 2008 (d.h. im
Südsommer) arbeiteten zwei Lehrer an Bord POLARSTERN im
Südatlantik und Weddellmeer in Projekten der physikalischen
Ozeanographie mit.
Es ist weiterhin möglich und erwünscht, sich am Projekt zu
beteiligen. Ein erstes Arbeitstreffen fand im Februar 2007 in
Hannover statt, gefolgt von Arbeitstreffen der LehrerKommission im April und September, sowie einer Gesamttagung im September 2007. Expeditionsplätze wurden bereits an
Lehrer vermittelt. Im Sommer 2007 fuhren sie mit dem Eis
brechenden Forschungsschiff POLARSTERN des AlfredWegener-Instituts, dem Eisrandschiff MARIA SYBILLA MERIAN
sowie mit dem schwedischen Eisbrecher ODEN in das Europäische Nordmeer, um bei Forschungsarbeiten an Bord aktiv
mitzuwirken. Themen waren Tiefseebiologie (auf POLARSTERN), physikalische Ozeanographie (auf MARIA S. MERIAN)
und „Hydrovents“ – hydrothermale submarine Gasaustritte
(auf ODEN).
Die Aktivitäten im Rahmen von „Coole Klassen” werden
durch die Robert-Bosch-Stiftung, die Stiftung AlfredWegener-Institut für Polar und Meeresforschung (AWI) in der
Helmholtzgemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF),
die Deutsche Gesellschaft für Polarforschung (DGP) und das
European Polar Board (EPB) der European Science Foundation (ESF) unterstützt.
Links: <www.polarjahr.de/Coole-Klassen.155.0.html>
<www.dgp-ev.de>
<www.ipy.org>
Kontakt: Dr. Rainer Lehmann, Freie Waldorfschule Hannover-Bothfeld,
Weidkampshaide 17, 30659 Hannover, <[email protected]>
Zusammenstellung: Dr. Rainer Lehmann und Monika Huch
38
Polarforschung 77 (1), 39 – 40, 2007 (erschienen 2008)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März
2007 begann und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen
gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 9:
Klimabohrung in der Antarktis – ANDRILL
Für die Rekonstruktion des Klimas der letzten 20 Millionen
Jahre wird im Projekt ANDRILL (Antarctic Geological Drilling) in die Sedimente des McMurdo-Sunds in der Antarktis
gebohrt. Wissenschaftler aus USA, Neuseeland, Italien und
Deutschland interessiert dabei vor allem die Ausdehnung des
Schelfeises in den jeweiligen Kalt- und Warmzeiten der
Erdgeschichte. Schelfeis ist auf dem Meer aufschwimmendes
Gletschereis, das noch mit dem Festlandeis verbunden ist.
Schmilzt das Schelfeis in größeren Mengen ab, wird das Festlandeis mobilisiert, fließt schneller vom Kontinent ab und taut
anschließend im Meer auf. Als Folge davon steigt der Meeresspiegel weltweit an, weil weniger Wasser in Form von Eis auf
dem antarktischen Kontinent festgehalten wird. Aus der
Kenntnis über Vorhandensein oder Fehlen des antarktischen
Schelfeises bei verschiedenen Klimazuständen in der Vergangenheit können die Auswirkungen einer Klimaänderung –
etwa der heutigen – auf den Meeresspiegel besser abgeschätzt
werden.
Meeressedimente als Klimaarchiv
In den Sedimentschichten des Meeresbodens sind zahlreiche
Informationen über die Klima- und Umweltbedingungen der
letzten Jahrmillionen enthalten. Wie hat sich der Eisschild der
Antarktis gebildet? Wie groß war die maximale Ausdehnung
des Eises in der Vergangenheit? Wenn man Temperatur und
Eisbedeckung in einen Zusammenhang bringen kann, kann
man auch den Eisverlust und damit den Meeresspiegelanstieg
durch den heutigen Klimawandel beurteilen. An den frisch
erbohrten Sedimenten wird sofort die geologische, chemische
und physikalische Zusammensetzung der Bohrkerne untersucht. Sind beispielsweise Steine in feinkörnigem Sediment
vorhanden, so deutet dies darauf hin, dass sie mit Gletschereis
vom antarktischen Festland dorthin transportiert worden sind.
Dies bedeutet, dass die Antarktis zum fraglichen Zeitpunkt
eisbedeckt gewesen sein muss. Größere Mengen an Resten
von Algen, die nur im offenen Meer leben können, verweisen
dagegen auf eisfreie Bedingungen in der Umgebung der
Bohrstelle zu Zeiten, als diese abgestorbenen Algen zum
Meeresboden gesunken sind. Genau dieser Befund wurde in
den Bohrkernen der ersten ANDRILL-Bohrung im Jahr 2006
unter dem Schelfeis in einem Zeitfenster zwischen zwei und
fünf Millionen Jahren vor heute mehrfach festgestellt. Diese in
relativ kurzer Abfolge abwechselnd auftretenden Ablagerungsbedingungen werden im Bohrkern durch sandig-steinige bzw.
mit Algenresten durchsetzte Sedimente charakterisiert. Sie
lassen darauf schließen, dass es in der Vergangenheit wesentlich häufiger – als es heute zu beobachten ist – zum
Abschmelzen und zur Neubildung des Schelfeises kam.
Technische Herausforderung auf dem Eis
Die Bohrung in der Antarktis ist eine große technische
Herausforderung. Im vergangenen Jahr wurde vom 80 m
dicken Schelfeis gebohrt. In diesem Jahr steht der Bohrturm
45 km von dieser Bohrung entfernt auf 8 m dickem Meereis
mit einer Wassertiefe von 390 m bis zum Meeresboden. Um
das Gewicht des Bohrturms auszugleichen, wurden unter dem
Eis große Auftriebskörper angebracht. Und es muss schnell
gebohrt werden. Anfang Dezember, wenn die Temperaturen in
der Antarktis bis in den 0 °C-Bereich ansteigen, muss das
Bohrcamp wieder abgebaut werden. Ziel ist es, bis zu diesem
Zeitpunkt einen Bohrkern von ca. 1000 m Länge zu gewinnen.
Untersuchung und Auswertung dieses nur wenige Zentimeter
dicken, aber rund einen Kilometer langen Bohrkerns wird
viele Monate dauern.
Forschung live ins Klassenzimmer
Polarforschung im Internationalen Polarjahr 2007/08 bindet
auch die Öffentlichkeit ein. Ein wichtiges Ziel von ANDRILL
ist es daher, Schülerinnen und Schüler für die Polarforschung
zu begeistern und für den Klimawandel zu sensibilisieren. In
der Antarktis sind neun Lehrer aus den USA, Neuseeland,
Italien und Deutschland vor Ort und arbeiten zusammen mit
den Wissenschaftlern an den Bohrkernen. Sie wollen ihre
Erfahrungen mit der aktuellen Forschung in die Klassenzimmer ihrer Heimatländer tragen. Dr. Rainer Lehmann von
der Freien Waldorfschule Hannover-Bothfeld ist Mitglied des
Teams (siehe Folge 8).
Links: <www.andrill.org>
Kontakt: Dr. Frank Niessen, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven, <[email protected]>
Zusammenstellung: Dr. Frank Niessen, Dr. Gerhard Kuhn und Monika Huch
39
Abb. 1: Der ANDRILL-Bohrturm auf dem Eis im McMurdo-Sund (Foto: F. Niessen)
Abb. 2: Blick aus dem Hubschrauber auf die ANDRILL-Bohrstelle auf dem Mereis und das Camp, in dem die Wissenschaftler arbeiten. Im
Hintergrund die Berge des Transantarktischen Gebirges (Foto: F. Niessen)
40
Polarforschung 77 (1), 41 – 42, 2007 (erschienen 2008)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März
2007 begann und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen
gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 10:
Langfristige Klimabeobachtungen
DAMOCLES
in
der Arktis
–
In der Arktis wird der Klimawandel bereits seit mehreren
Jahren beobachtet. Gegenüber globalen Beobachtungen ist die
Lufttemperatur dort in den letzten Dekaden doppelt so stark
angestiegen wie in anderen Klimazonen. Die Fläche, die im
Arktischen Ozean im Sommer von Meereis bedeckt ist, hat
seit 1978 – seitdem es zuverlässige Satellitenmessungen gibt –
um mehr als 20 % abgenommen. Die sommerliche Eisbedeckung hat im September 2007 ein absolutes Minimum
erreicht. Weitere Messungen deuten darauf hin, dass auch die
Dicke des Meereises abnimmt. Im Nordpolarmeer wird eine
seit Jahren andauernde Erwärmung gemessen. Modellrechnungen des Deutschen Klimarechenzentrums bestätigen diese
Veränderungen und kommen bei entsprechenden Hochrechnungen zu dem Ergebnis, dass die Arktis ab 2080 im Sommer
eisfrei sein könnte, wenn diese Entwicklung anhält. Andere
Modelle sagen sogar eine noch schnellere Abnahme voraus.
Dies wird weit reichende Auswirkungen für die arktischen
Völker und die Natur haben, Lebensräume werden verloren
gehen, neue entstehen. Die Nutzung des Arktischen Ozeans
als Seeweg und zur Gewinnung von Bodenschätzen wird
dramatisch zunehmen.
Um die dominierenden Prozesse bei der Abnahme des
Meereises verstehen zu können, ist es notwendig, diese Veränderungen mit ausreichend hoher zeitlicher und räumlicher
Überdeckung zu erfassen. Zur Verbesserung der Computersimulationen werden ergänzende Messdaten benötigt. Hierzu
sind insbesondere Messungen auf und unter dem Meereis
erforderlich, welche die Informationen der Satelliten ergänzen
und ggf. bestätigen.
Einsatz Eis brechender Schiffe
Im Rahmen von DAMOCLES (Developing Arctic Modelling
and Observing Capabilities for Longterm Environmental
Studies) werden mehrere Eis brechende Schiffe eingesetzt, um
Messungen auszuführen. Dazu gehören die vom AlfredWegener-Institut betriebene Polarstern und die russischen
Forschungsschiffe Kapitan Dranitsyn und Akademik Fedorov.
Mit hoher Genauigkeit werden Temperatur und Salzgehalt in
der gesamten Wassersäule gemessen. Die Bestimmung der
Konzentrationen an gelösten Substanzen wie Sauerstoff, Nährstoffen und gelöstem Kohlendioxid, aber auch Spurenstoffen,
die natürlichen Ursprungs sind oder vom Menschen (z.B.
durch die Aufbereitung nuklearen Materials) frei gesetzt
werden und in den Ozean gelangen, erfolgt in aufgenommenen Wasserproben.
Weiterhin werden die Eigenschaften des Meereises vom Schiff
aus erfasst. Mit Hilfe von Hubschraubern wird im weiteren
Bereich um das Schiff die Meereisdicke mit elektromagnetischen Sensoren gemessen. Diese Messungen werden durch
Stationen wie die russische Eisstation NP-35, die im Nordsommer 2007 auf Grund der Abnahme des Meereises nur mit
Mühe auf einer geeigneten Eisinsel ausgebracht werden
konnte, und das französische Schiff „Tara“, das wesentlich
schneller mit dem Meereis driftete als erwartet, ergänzt.
Zusätzlich werden die meteorologischen und physikalischchemischen Bedingungen in der Atmosphäre bis in hohe
Schichten gemessen.
Autonome Messsysteme
Autonome Systeme führen automatisch Messungen aus und
übertragen die Daten an Landstationen. Die verschiedenen
eingesetzten Messsysteme werden im Blockbild veranschaulicht. Ein zum Global Ocean Observing System (GOOS)
bereits weit entwickeltes Instrument sind Driftkörper (floats),
die in 2000 m. Ist die Datenübertragung abgeschlossen,
tauchen sie wieder ab und lassen sich weitere zehn Tage in der
Tiefsee treiben.
Eine Weiterentwicklung dieser „Floats” stellen Gleiter dar, die
sich nicht passiv treiben lassen, sondern durch kleine Flügel
das Auf- und Abtauchen zur Horizontalbewegung nutzen,
ohne zusätzliche Energie zu benötigen. Sie sind in der Lage,
sich im Ozean in eine gewünschte Richtung zu bewegen und
können so gezielt Messungen ausführen.
In eisbedeckten Gebieten sind diese Methoden nicht
anwendbar, da die Geräte durch das Eis nicht an die Wasseroberfläche kommen können. Im DAMOCLES-Projekt werden
daher neue Wege gegangen, um auch Daten aus dem Ozean
unter dem Eis zu erhalten. So werden Bojen von Schiffen oder
Flugzeugen auf dem Eis ausgesetzt. Sie sind mit einem langen
Kabel unter dem Eis verbunden, an dem Messgeräte wie die
„Floats” auf- und absteigen und die gemessenen Daten über
ein Kabel an die Boje auf dem Eis übertragen, die ihrerseits
die Daten an die Empfangsstation weiterschicken. Auf diese
Weise können Temperatur, Salzgehalt und auch Meeresströmungen unter dem Eis gemessen und über Satelliten übertragen werden. Ergänzend werden automatische Messstationen
41
auf dem Eis eingerichtet, die atmosphärische Größen wie
Luftdruck, Wind und Temperatur sowie die Eisdicke messen.
Ein anderer Bojentyp driftet unter dem Eis und misst mit
einem Echolot den Abstand zur Unterseite des Eises. Da die
Tiefe der Drift über Druckmessungen bestimmt werden kann,
kann aus dem Abstand die Eisdicke berechnet werden. Um die
Daten zu übertragen, müssen diese Eisdickenbojen entweder
im Sommer eine Stelle mit offenem Wasser antreffen oder die
Daten an einen Gleiter übertragen, der dann zu einer Relaisstation gesteuert wird. Sie befindet sich auf dem Eis und hat
einen akustischen Empfänger unter dem Eis. Die Daten
müssen mit akustischen Modems vom „Float“ zum Gleiter
und vom Gleiter an die Relaisstation auf dem Eis übertragen
werden. Diese aufwändige Steuerungstechnologie der
Systeme wird im Rahmen von DAMOCLES entwickelt.
Eine weitere Art, Messmethodik im Ozean sind so genannte
Verankerungen. Dazu werden Messgeräte an einer am Meeresgrund verankerten Leine befestigt und von einer Art Ballon
senkrecht in der Wassersäule gehalten. Im Rahmen von
DAMOCLES werden derartige Verankerungen in der Framstraße – zwischen Grönland und Spitzbergen – und an
mehreren Stellen an den Kontinentalabhängen im Arktischen
Ozean eingesetzt, wo starke Meeresströmungen das aus dem
Nordatlantik einströmende Wasser verteilen. Im Gegensatz zur
üblichen Datenübermittlung, für die das Messgerät aus dem
Wasser geholt werden muss, sollen die Daten in diesem
Projekt von verschiedenen Messgeräten in einer Verankerung
und von verschiedenen Verankerungen akustisch zu einer
Relaisstation übertragen werden. Wenn es die Eisbedingungen
erlauben, würde diese Relaisstation im Abstand von wenigen
Tagen zur Meeresoberfläche aufsteigen und die Daten über
Satellit übertragen.
Ziel von DAMOCLES ist es, diese Datensätze mit Satellitenmessungen zu verbinden und in die Modellierungen einzubringen. Am Ende des IPY (2009) soll ein
Beobachtungssystem im Arktischen Ozean zur Verfügung
stehen, das die auftretenden Veränderungen in nahezu Echtzeit
übermittelt und die Grundlage zur Planung und Einleitung
notwendiger Maßnahmen liefert.
Informationen für die Öffentlichkeit
Ein wesentliches Ziel von DAMOCLES ist es, die Öffentlichkeit über die Ergebnisse, die im Rahmen des Projekts
gewonnen werden, zu informieren. Dies schließt Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft ebenso ein wie Nachwuchswissenschaftler und Schulen. Die Ergebnisse von
DAMOCLES sollen helfen, die vielfältigen Zusammenhänge
des global wirkenden Klimasystems besser zu verstehen und
auf die zu erwartenden Veränderungen der Lebensbedingungen für Menschen und Tiere in der Arktis angemessen
reagieren zu können.
Links: <www.international-polar-year.de>
<www.international-polar-year.de/DAMOCLES.311.0.html>
<www.damocles-eu.org>
Kontakt: Dr. Eberhard Fahrbach, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und
Meeresforschung, 27568 Bremerhaven, <[email protected]>
Zusammenstellung: Dr. Eberhard Fahrbach und Monika Huch
Fig. 1: Das Ziel von DAMOCLES ist die Entwicklung eines Beobachtungssystems, das den gängigen Einsatz von
Schiffen und Satelliten durch Geräteträger auf dem Eis
und unter dem Eis ergänzt: Floats zur Messung der Eisdicke; Schalltransponder zur Datenübertragung und Navigation; Glider, die gesteuert Messprofile abfahren können; auf dem Eis driftende POPS und am Boden verankerte MOPS, die Vertikalprofile der Temperatur und Salzgehalts im Wasser erfassen.
42
Polarforschung 77 (1), 43 – 44, 2007 (erschienen 2008)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März
2007 begann und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen
gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 11: Globale Klimasteuerung durch regionale
Tektonik – Das Projekt PLATES & GATES (Plate Tectonics
and Polar Gateways in Earth History)
Im globalen Klimasystem ist die thermohaline Zirkulation in
den Ozeanen eine entscheidende Komponente, denn sie hält
die Wassermassen in einer permanenten globalen Bewegung.
Damit übt sie einen starken Einfluss auf die regionalen
Klimate aus, z.B. durch den Golfstrom im Atlantik. Diese
Zirkulation wird langfristig durch geodynamische Prozesse
beeinflusst, die ihren Motor in Veränderungen im Erdmantel
haben. Sie steuern die Plattentektonik an der Oberfläche
unseres Planeten. Die resultierenden Bewegungen der Kontinente verändern langfristig die Ozeanbecken in entscheidender Weise. Von besonderer Bedeutung sind dabei die
Meerengen (Gateways), durch die die Wassermassen zwischen
den Ozeanen transportiert werden. Eine Rekonstruktion der
Öffnung oder Schließung dieser Tore kann daher mithelfen,
Einflüsse auf das ehemalige globale Klima zu rekonstruieren.
Von besonderer Bedeutung – auch für Modellierungen – sind
die Vorgänge, die von Warmzeiten vor 60 Millionen Jahren zu
den Eiszeiten in der jüngsten Vergangenheit der Erde führten.
Das Projekt PLATES & GATES konzentriert sich besonders
auf die Meerengen, die sich während dieser Zeit öffneten und
damit zu der heutigen ozeanischen Zirkulation führten (Abb.
1).
Das IPY-Projekt PLATES & GATES hat zum Ziel, im Zusammenhang mit paläobiologischen und geochemischen ProxyAnalysen die ozeanographischen Verhältnisse in den
Gateways und Ozeanbecken in unterschiedlichen Zeiträumen
zu rekonstruieren. Dazu werden tektonisch-magmatische,
geodynamische, sedimentäre und biostratigraphische Prozesse
in den polaren und subpolaren Regionen mit modernen
geophysikalischen Vermessungen und Probennahmen von
Sedimenten aus Ozeanbohrungen und Landexpeditionen
untersucht. Dabei bearbeiten Wissenschaftler aus 18 Nationen
Fragestellungen zu folgenden Zielen:
(1) Untersuchungen der Kruste und Lithosphäre der ozeanischen Becken, der Gateways und ihrer Kontinentalränder für
ein verbessertes Verständnis der vergangenen und heutigen
Plattenbewegungen, Mantelprozesse, Entwicklung der Kontinentalränder, Krustenabsenkungen und Hebungsprozesse.
(2) Rekonstruktion des Verlaufs ehemaliger Strömungssystemen in den Becken und Gateways durch seismische
Analysen von Sedimentablagerungen der Tiefsee in Verbindung mit Analysen der paläozeanographischen Proxys zur
Entschlüsselung der Entwicklung der Tiefenwasserzirkulation.
(3) Rekonstruktion der Öffnungsprozesse der Ozeanbecken
und Gateways sowie Quantifizierung der Zeiten, in denen
Flach- und Tiefenwasseraustausch möglich wurde.
(4) Rekonstruktion der langzeitlichen päläoklimatischen
Entwicklung von den Treibhaus-Bedingungen des Mesozoikums und frühen Tertiärs bis zu den Eishaus-Bedingungen im
späten Tertiär bis Quartär.
(5) Identifikation und Modellierung der Rolle der GatewayÖffnungen und Schließungen im globalen Kohlenstoffkreislauf, in der biologischen Evolution und in der Entwicklung
von Eisschilden.
In der Arktis und der Subarktis werden paläomagnetische,
stratigraphische und petrologische Daten und Proben von den
Neusibirischen Inseln, von Franz-Josef-Land, den AxelHeiberg- und Ellesmere-Inseln sowie Nordgrönland gesammelt und analysiert. Zu den geowissenschaftlichen Studien
gehören seismische und magnetische Vermessungen der arktischen Meeresböden und die Beprobung von Meeressedimenten im Amundsen Becken, dem Alpha-MendeleevRücken, dem Lomonosov-Rücken und des nordgrönländischen Schelfs. Geologische Beprobungen von Hartgestein
sowie neotektonische Analysen sind für Nord- und Ostgrönland, Spitzbergen, die Bäreninsel, den Mohns- und Knipovichrücken und in der Barentssee geplant. Die Gateways
zwischen dem Nordatlantik und dem Arktischen Ozean – die
Framstraße, der kanadische Archipel mit der Baffinbucht und
der Davisstraße sowie die Beringstraße – werden mit Hilfe
eines weiten Spektrums geophysikalischer und sedimentgeologischer Methoden untersucht, um den Zeitpunkt der
Öffnungen und die damit einhergehenden paläoklimatischen
Konsequenzen für den Wasseraustausch besser zu verstehen
(z.B. JAKOBSSON et al. 2007).
In der Antarktis und im Südozean werden geophysikalische
und bathymetrische Vermessungen in den Gebieten durchgeführt werden, die am Aufbrechen von Gondwana beteiligt
waren. Mit Hilfe dieser neuen und der Integration vorhandener
Daten können das Aufbrechen und seine Konsequenzen für die
Entwicklung der Ozeanbecken wesentlich besser als bisher
rekonstruiert werden.
Bisher bestehen noch Unsicherheiten über die frühen
Entwicklungsstadien des Drake-Passage und des Scotiameeres
(LIVERMORE et al. 2007). Zu ihrer Klärung sollen die tektonischen und sedimentären Veränderungen der Becken, Ursache
und Aufbau der bathymetrischen Hochgebiete, Struktur und
43
Entwicklungsgeschichte der relevanten Plattengrenzen und die
Deformation der benachbarten Landmassen untersucht
werden.
Von den geophysikalischen Daten aus dem Tasmanischen
Gateway werden Indizien für zwei wesentliche Fragen
erwartet: Zum einen sollen der Zeitpunkt und die morphologische Entwicklung der Flach- und Tiefenwasseröffnung
zwischen dem Indischen und Pazifischen Ozean enger eingegrenzt werden. Zum anderen geht es um die Relativbewegung
zwischen der Ost- und Westantarktis, die entscheidend für den
Beginn der Hebung des Transantarktischen Gebirges und die
Krustendehnungen des Westantarktischen Riftsystems ist.
Der Verlauf globaler und regionaler Meeresströmungen wird
nicht allein nur durch die gateways beschränkt, sondern auch
durch die morphologische Struktur der Meeresböden in den
Tiefseeebenen und entlang der Kontinentalränder. So stellt
z.B. das Kerguelenplateau für den Verlauf des Zirkumpolarstroms eine hohe bathymetrische Schwelle dar, durch die der
Großteil des Stroms nach Norden in den mittleren Indik abgeleitet wird. Das Plateau und die ihn umgebene Kruste des Indischen Ozeans wird in PLATES & GATES im Zusammenhang
mit der Entwicklung des ostantarktischen Kontinentalrandes
im Zuge des Aufbruchs Indiens von der Antarktis untersucht.
Mit dem Aufbau detaillierter paläobathymetrischer Gitter wird
eine der wichtigsten Bedingungen für realistische Simulationen von Paläo-Ozeanströmungen geschaffen. Die geophysikalischen und geologischen Daten und Analyseergebnisse in
PLATES & GATES ermöglichen mit einer Reihe von Erdsystemmodellen klimatische Rekonstruktionen des Känozoi-
kums und Mesozoikums. Solche Erdsystemmodelle sind
darauf zugeschnitten, die Effekte der ozeanischen gateways
und Becken auf Paläo-Zirkulationsmuster, globalen Kohlenstoffkreislauf und Ursachen polarer Eisschildentwicklungen
abzuschätzen. Die Resultate dieser Szenarien sollen dann mit
anderen Modellsimulationen verglichen werden, in denen
unterschiedliche Antriebsfaktoren, wie die Bildung von Treibhausgasen und die Wirkung von Gebirgshebungen, eine Rolle
spielen. Daraus soll die Relevanz der Paläogeographie für die
Entwicklung des polaren und globalen Klimas über lange
geologische Zeitskalen quantifiziert werden.
Literatur
Jacobsson, M., Backman, J., Rudels, B., Nycander, J., Frank, M., Mayer, L.,
Jokat, W., Sangiorgi, F., O’Regan, M., Brinkhuis, H., King, J. & Moran,
K. (2007). The early Miocene onset of a ventilated circulation regime in
the Arctic Ocean. Nature, vol. 447, doi:10.1038/nature05924
Lawver, L.A., Dalziel, I.W.D., Gahagan, L.M., Martin, K.M. & Campbell, D.
(2002). PLATES 2002 - Atlas of Plate Reconstructions (750 Ma to
Present Day). University of Texas, Institute for Geophysics, Austin
Livermore, R., Hillenbrand, C.-D., Meredith, M. & Eagles, G. (2007). Drake
Passage and Cenozoic climate: An open and shut case? Geochemistry,
Geophysics, Geosystems (G3), vol. 8, no. 1, Q01005,
doi:10.1029/2005GC001224
Links: platesgates.geo.su.se/
www.international-polar-year.de/Plates-and-Gates.28.0.html
Kontakt: Dr. Karsten Gohl, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven, e-mail: [email protected]
Zusammenstellung: Dr. Karsten Gohl und Monika Huch
Abb. 1: Konstellation der Kontinente und Ozeane vor 20 Millionen Jahren (aus: LAWVER et al. 2002) mit Lage der polaren Tiefenwasseröffnungen (ocean gateways) zwischen den Ozeanbecken (rot) sowie der Kerguelen-Schwelle (dunkelblau).
44
Polarforschung 77 (1), 45 – 46, 2007 (erschienen 2008)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr in den kommenden Monaten über deutsche Aktivitäten im Internationalen Polarjahr 2007/08, das am 1. März
2007 begann und am 1. März 2009 endet. Aktuelle Informationen
gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 12: Das Projekt AURORA BOREALIS
Die Erforschung der Ozeane in den nördlichen und südlichen
hohen Breiten ist derzeit das Ziel intensiver wissenschaftlicher
Untersuchungen und Diskussionen. Diese Gebiete sind und
waren sowohl in historischen als auch geologischen
Zeiträumen abrupten und dramatischen Klimaveränderungen
unterworfen. Die Polarregionen reagieren sehr viel schneller
und drastischer auf einen globalen Klimawandel als andere
Regionen der Erde, und zum Teil steuern sie auch die
Klimaänderungen. Die Abnahme der arktischen Meereisbedeckung, die möglicherweise schon bald zu einer Öffnung von
Seewegen im Norden Amerikas und Eurasiens und längerfristig zu einem sommerlich eisfreien arktischen Ozean führen
kann, sowie die Auflösung von Eisschelfen vor der Antarktischen Halbinsel sind nur zwei Beispiele für aktuelle Umweltund Klimaveränderungen in den hohen Breiten.
Sowohl klimatisch als auch wirtschaftlich steht Europa in
direktem Austausch mit dem arktischen Raum. Die europäischen Nationen haben daher aus mehreren Gründen ein großes
Interesse daran, die arktische Umwelt und deren potenzielle
Veränderungen zu verstehen. Ihre Territorien reichen teilweise
bis in die hohen nördlichen Breiten hinein. Außerdem sind
umfangreiche lebende und mineralische Ressourcen in den
Tiefseebecken des Arktischen Ozean und den angrenzenden
Schelfmeeren vorhanden.
Wegen der Eisbedeckung des Arktischen Ozeans kann
Forschung in dieser Region nur von technisch hoch
entwickelten und speziell für die Eisfahrt ausgelegten
Forschungsschiffen durchgeführt werden. Es gibt bisher nur
wenige Forschungsschiffe, die in der Lage sind, in den eisbedeckten zentralen Arktischen Ozean vorzudringen. Vor allem
fehlt ein Forschungseisbrecher auf dem neuesten Stand der
Technik, um den Bedarf der europäischen Polarforschung zu
erfüllen. Die geplante Forschungsplattform AURORA BOREALIS
würde hier eine große Lücke schließen. Mit ihr wären internationale und interdisziplinäre ganzjährige Expeditionen im
zentralen Arktischen Ozean möglich.
Die AURORA BOREALIS ist ein Schiffstyp, der weltweit zurzeit
noch nicht gebaut worden ist. Sie wird zur Klasse der
schweren Eisbrecher gehören, vergleichbar den großen russischen Eisbrechern mit mehr als 55 MW Antriebskraft. Damit
wird sie in der Lage sein, fast alle mit Meereis bedeckten
polaren Meeresgebiete ganzjährig zu befahren. Insbesondere
die zur Rekonstruktion früherer Klimabedingungen notwendigen Bohrungen in die Meeressedimente wären in den
Sommermonaten in eisbedeckten Gebieten ohne zusätzliche
Unterstützung von Eisbrechern möglich.
Die Konzeption von AURORA BOREALIS ist im Rahmen der
normalen Risiken, die mit der Entwicklung innovativer Technologien verbunden sind, in einer Technischen Machbarkeitsstudie vom November 2004 vorgestellt worden. Am 22. Mai
2006 hat der Wissenschaftsrat die Empfehlung für den Bau
des Eis brechenden Forschungsbohrschiffes AURORA BOREALIS
ausgesprochen. Vor Baubeginn sind jedoch weitere Entwicklungsarbeiten und Modellversuche durchzuführen, die insbesondere die Leistungsfähigkeit des Eisbrechers, die
dynamische Positionierung sowie die Realisierung von zwei
Moon Pools (= Öffnungen im Schiffsrumpf) betreffen. Ein
ausführliches wissenschaftliches Programm für die nächsten
ein bis zwei Jahrzehnte ist von einer Arbeitsgruppe des European Polar Board (EPB) und des European Consortium for
Ocean Research Drilling (ECORD) erarbeitet und publiziert
worden.
Der Eisbrecher erhält mittschiffs
zwei Öffnungen im
Schiffsrumpf (moon pools) mit je 7 x 7 m Größe. Eine der
Öffnungen wird ausschließlich für die wissenschaftlichen
Bohrungen verwendet. Durch die zweite Öffnung können bei
geschlossener Eisdecke alle möglichen wissenschaftlichen
Geräte eingesetzt werden. Auch video-geführte Geräte oder
ROVs (Remotely operated Vehicles) können durch diese
Öffnung eingesetzt werden.
Im November 2006 rückte das Projekt AURORA BOREALIS als
eines von 35 großen Forschungsprojekten im Rahmen des
European Strategy Forum on Research Infrastructures
(ESFRI) in den Mittelpunkt des europäischen Interesses.
Diese ESFRI-Liste enthält die großen Infrastrukturen, die für
die europäische Forschungslandschaft in den nächsten Jahrzehnten von höchster Priorität sind. Zur Vorbereitung und
Entwicklung der Managementstrukturen stellt die Europäische
Kommission in ihrem 7. Forschungsrahmenprogramm ca. 200
Mio € zur Verfügung.
Am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung
in der Helmholtz-Gemeinschaft (AWI) in Bremerhaven ist ein
Koordinationsbüro entstanden, um das Projekt in Europa und
ausgewählten nicht-europäischen Ländern voranzutreiben und
die nötigen Managementstrukturen für dieses multinationale
45
Projekt zu erarbeiten. Dazu hat das AWI gemeinsam mit der
European Science Foundation (ESF) einen Antrag mit einem
Finanzvolumen von 4,5 Mio € auf Förderung im 7.
Forschungsrahmenprogramm gestellt. Bereits 16 Förderorganisationen, Institute und Firmen aus zehn europäischen
Ländern einschließlich Russlands werden sich in dieser Vorbereitungsphase an dem im März 2008 begonnenen Projekt
beteiligen.
Nach einer europaweiten Ausschreibung hat das Unternehmen
SCHIFFKO GmbH, Hamburg, den Zuschlag bekommen, die
vom Wissenschaftsrat geforderten notwendigen Entwicklungsarbeiten und Modellversuche durchzuführen. Das
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
fördert seit März 2007 diese technischen Arbeiten und den
Aufbau eines internationalen Konsortiums für AURORA
BOREALIS mit 5,2 Millionen Euro. Basierend auf der technischen Machbarkeitsstudie für AURORA BOREALIS und auf
Erfahrungswerten aus dem Betrieb von POLARSTERN, dem
derzeitigen deutschen Forschungsschiff für beide Polargebiete,
werden zurzeit die Investitionskosten für den Bau der
Forschungsplattform auf ca. 650 Mio € und die jährlichen
Betriebskosten auf ca. 35 Mio € geschätzt. Da von diesen
Untersuchungen der gesamte Schiffsentwurf beeinflusst
werden wird, müssen diese Summen im Zuge der jetzt
laufenden
ingenieurwissenschaftlichen
Untersuchungen
weiter geprüft werden.
Links:
www.eri-aurora-borealis.eu; www.esf.org/publication/178/AuroraBorealis.pdf
Kontakt: Dr. Nicole Biebow, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven, <[email protected]>
Zusammenstellung: Dr. Nicole Biebow, Prof. Dr. Jörn Thiede und Monika
Huch
Abb. 1: Entwurfsskizze der geplanten Plattform
AURORA BOREALIS zur Erforschung der polaren
Ozeane (Quelle: SCHIFFKO Quitte & Pruin, Architekten).
Abb. 2: Querschnitt durch AURORA BOREALIS auf
der Höhe des wissenschaftlichen moon pool.
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Polarforschung 77 (2-3), 95 – 97, 2007 (erschienen 2008)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 13:
Wissenschaftskommunikation im Polarjahr
Das Internationale Polarjahr, in dem Tausende von Wissenschaftlern aus mehr als 60 Nationen die Polarregionen untersuchen, ist eine einmalige Gelegenheit, weltweit das Interesse
und die Aufmerksamkeit auf die Polarforschung zu lenken.
Um die breite Öffentlichkeit sowie Politik, Wirtschaft,
Schulen und Universitäten zu erreichen, sind neue Wege und
Werkzeuge zur Vermittlung von Wissenschaft gefordert.
Medien
Die Massenmedien sind die Hauptquelle für Wissenschaftsinformationen. Im Jahr 2007 informierten sich in Deutschland
38 % der Bevölkerung über das Fernsehen, 34 % über die
Druckmedien und 14 % über den Hörfunk. Das Interesse der
Medien an der Polarforschung ist groß. Der Klimawandel, der
Zustand unseres Planeten und unserer Umwelt sind aktuelle
Forschungsthemen im Internationalen Polarjahr. Die abgelegenen Polargebiete mit ihren extremen Bedingungen für die
wissenschaftliche Arbeit faszinieren und geben packenden
Erzählstoff, auch über spezialisierte Grundlagenforschung.
Die Medien werden über Pressemitteilungen, Pressekonferenzen (Abb. 1) und Journalistenseminare über aktuelle
Forschungsaktivitäten informiert. So kann die Aufmerksamkeit der Journalisten über die ganze Laufzeit des Internationalen Polarjahres mit aktuellen Informationen wach gehalten
werden. Journalisten haben darüber hinaus die Möglichkeit, an
wissenschaftlichen Expeditionen teilzunehmen, gezielt mit
Wissenschaftlern in Kontakt zu treten und Hintergrundinformationen in Form von Bild- oder Filmmaterial zu nutzen.
Schulen
In den Schulen wächst die nächste Generation heran, die vom
Klimawandel direkt betroffen sein wird. Auch wenn die Polargebiete in den Lehrplänen nicht ausdrücklich vorkommen,
gibt es viele Möglichkeiten, die Polarforschung im Unterricht
aufzugreifen. Das Interesse der Lehrerinnen und Lehrer wird
durch die Vermittlung von aktuellen Informationen unterstützt, z.B. durch direkte Kontakte zu Wissenschaftlern oder
durch die Bereitstellung von Hintergrundmaterial über die
Internetseite. Für sehr engagierte Lehrerinnen und Lehrer
wurde die Möglichkeit geschaffen, an wissenschaftlichen
Expeditionen teilzunehmen und an aktuellen Forschungsthemen mitzuarbeiten. Diese Erfahrungen in Unterrichtsmaterialien und Unterrichtsinhalte umzusetzen, ist das Ziel des
Programms „Coole Klassen” (vgl. Folge 8).
Abb. 1: Pressekonferenz mit Forschungsministerin Dr. Annette Schavan anlässlich der Präsentation der neuen Antarktisstation Neumayer III (Foto: M. Buchholz, Alfred-Wegener-Institut).
Aktionen
Ausstellungen zu Aktivitäten im Internationalen Polarjahr
sprechen die breite Öffentlichkeit an. Die Anlässe für solche
Ausstellungen sind ganz unterschiedlich und bundesweit
nutzen Museen, Zoos und Volkshochschulen die Gelegenheit,
auf das Internationale Polarjahr aufmerksam zu machen.
Mit gezielten Aktionen, wie Wissenschaftsfestivals und öffentlichen Vorträgen, kann die Aufmerksamkeit der breiten
Öffentlichkeit immer wieder auf die Polarregionen gelenkt
werden. Hochkarätige Veranstaltungen sind ein wichtiges
Element in der Kommunikation mit Politik (Abb. 2), Ministerien, Förderinstitutionen und Multiplikatoren.
Internet
Über Internet-Plattformen werden Informationen für die
unterschiedlichsten Zielgruppen bereitgestellt. Auf der Internetseite www.polarjahr.de wird umfassend über den deutschen
Beitrag zum Polarjahr informiert. Über das Internet sind auch
internationale Aspekte der Polarforschung im Internationalen
Polarjahr (in englischer Sprache bei www.ipy.org) zugänglich.
Hier öffnet sich ein riesiges Informationsfeld für alle Interessierten.
Konkrete Aktivitäten in der 1. Hälfte des Internationalen
Polarjahres – IPY
In der ersten Hälfte des IPY wurden allein in Deutschland 29
Pressemitteilungen herausgegeben, die mehr als 600 Beiträge
in Zeitschriften, Radio, Fernsehen und Internetseiten zur Folge
hatten.
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gewonnen, die normalerweise während der Polarnacht (Abb.
3) des arktischen Winters unzugänglich und damit weitgehend
unerforscht ist. Aufstiege mit einem Fesselballon bis in 400
Meter Höhe, sowie Ballon getragene Sondenaufstiege bis in
30 Kilometer Höhe lieferten Messwerte, die dazu beitragen,
die Klimamodelle für die Arktis zu verbessern.
Abb. 2: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel bei der Festveranstaltung zum
25-jährigen Dienstjubiläum des Forschungsschiffes „Polarstern“ am 28. November 2007 in Berlin (Foto: Alfred-Wegener-Institut).
Eines der erfolgreichsten Projekte der Zusammenarbeit mit
den Medien, das hier als Beispiel geschildert werden soll, war
die Teilnahme von Jürgen Graeser von der Forschungsstelle
Potsdam des Alfred-Wegener-Instituts an der driftenden
Eisscholle NP-35. Graeser hat als erster Deutscher an einer
russischen Drift-Expedition teilgenommen und die Atmosphäre über der zentralen Arktis während der Polarnacht
erforscht.
Als Mitglied der 21-köpfigen russischen Expedition NP-35
hat er von Oktober 2007 bis April 2008 auf einer treibenden
Eisscholle in der Arktis verbracht. Der 49-jährige Wissenschaftstechniker hat in enger Zusammenarbeit mit den russischen Partnern vom Arctic Antarctic Research Institute St.
Petersburg (AARI) Beobachtungsdaten aus einer Region
Das Interesse der Medien an dieser Expedition war hoch: 21
Fernsehberichte, 40 Hörfunkbeiträge, 75 Online-Berichte und
160 Artikel in Zeitungen (Auflage: 16,5 Mio). Das AlfredWegener-Institut hatte vor der Expedition eine Partnerschaft
mit verschiedenen Medien vereinbart:
• Für den Hörfunk und das Fernsehen gab es eine Zusammenarbeit mit Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). rbb gab J.
Graeser zudem eine Kamera mit. Wegen der begrenzten
Kommunikationsmöglichkeiten war es aber erst nach der
Expedition möglich, im Fernsehen Bilder zu zeigen.
• Während der Expedition berichtete J. Graeser in einem Expeditionstagebuch auf den Internetseiten der Zeit: 32 Beiträge
für Die ZEIT – Live von der Eisscholle und für Leonardo, das
Wissenschaftsmagazin auf WDR 5 in 29 Beiträgen über Satellitentelefon, die man außerdem als Podcast herunterladen
konnte.
• Im Herbst 2008 ist außerdem mit dem Titel Auf dünnem Eis
im Herder-Verlag ein Buch von J. Graeser über die Expedition
erschienen.
Bisher nahmen sechs Lehrer an Expeditionen in die Polargebiete teil. Sie haben während der Reise via Internet mit ihren
Schülern kommuniziert und im Anschluss an die Expedition
Unterrichtsmaterialien entwickelt, die in Fachzeitschriften
publiziert und auf Tagungen vorgestellt wurden. Von zwölf
Polarexpeditionen liegen Berichte von Wissenschaftlern in
Internetseiten und Zeitschriften vor (Abb. 4). Tagebucheinträge, Bilder und Filme zeigen die Arbeit vor Ort und erlauben
die virtuelle Teilnahme an den Expeditionen.
Abb. 3: Polarnacht mit Polarlicht über der russischen Driftstation „Nordpol-35“ – Forschungsbasis auf einer treibenden Eisscholle im arktischen Polarwinter 2007/08 (Foto: J. Graeser, Alfred-Wegener-Institut).
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onsmittel für die Öffentlichkeit etabliert. Dort gibt es aus 27
wissenschaftlichen Projekten Informationen für die allgemeine Öffentlichkeit. Neben der Rubrik „Aktuelles” wendet
sie sich in den Rubriken „Presse”, „Schüler & Lehrer”,
„Studenten” und „Mitmachen” direkt an die jeweiligen Zielgruppen. In der Rubrik „Text, Bild, Ton & Film” wird entsprechendes Hintergrundmaterial bereitgestellt.
Abb. 4: Wissenschaftler im Gespräch mit Besuchern des Extrem-Wetter-Kongresses am 23. März 2007 in Hamburg (Foto: S. Diederich, Alfred-WegenerInstitut).
In 13 Ausstellungen und 90 Aktionen wurde die breite Öffentlichkeit über Aktivitäten im Internationalen Polarjahr informiert. Beispiele sind die deutsch-französische Wissenschaftskarawane, die in 14 Städten in Deutschland, Belgien und
Frankreich Experimente zum Thema Polar- und Klimaforschung präsentiert hat, sowie die Wanderausstellung des Fotografen Ingo Arndt, der eine Expedition in die Antarktis
begleitet hat.
Die deutsche Internetseite zum Internationalen Polarjahr wird
täglich (Abb. 5) von rund 150 Interessenten aufgesucht und
hat sich als eines der wesentlichen modernen Kommunikati-
Ausblick
Die im Rahmen des Internationalen Polarjahrs aufgebauten
Kontakte und entwickelten Werkzeuge sind die Basis für eine
neue Art der Wissenschaftsvermittlung. Universitäten,
Forschungsinstitutionen und Wissenschaftler stehen in der
Verantwortung, auch nach dem Ende des Internationalen
Polarjahres Informationen über ihre Arbeit und ihr Wissen zu
vermitteln. Die Erfahrungen aus dem Zusammenführen der
verschiedenen Bereiche – Wissenschaft, Medien, Museen,
Kunst und Schulen – und die Entwicklung effizienter Werkzeuge zur Wissensvermittlung sind sowohl für Wissenschaft
als auch für die Wissenschaftskommunikation ein wichtiges
Vermächtnis aus dem Internationalen Polarjahr.
Internet: <www.dgp-ev.de> (Deutsche Gesellschaft für Polarforschung,
IPY-Veranstaltungen);
<www.ipy.org> (Offizielle internationale Seite des IPY);
<www.polarjahr.de> (Offizielle deutsche Seite des IPY);
<http://blog.zeit.de/eisscholle/>;
<http://podcast.wdr.de/radio/leonardo-togo-graeser.xml>;
Kontakt: Margarete Pauls, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven, <[email protected]>
Zusammenstellung: Margarete Pauls, Susanne Diederich und Monika Huch
Abb. 5: Startseite von www.polarjahr.de (Foto: Alfred-Wegener-Institut).
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Polarforschung 77 (2-3), 98 – 100, 2007 (erschienen 2008)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 14:
Die indigenen Völker im Hohen Norden Russlands
Im Themenkatalog des Internationalen Polarjahres 2007/08 ist
– anders als in den vorangegangenen Polarjahren – die sozialund geisteswissenschaftliche Komponente fest verankert. Dies
drückt sich in einer Vielzahl entsprechender Forschungsaktivitäten aus, wie sie in der Projektübersicht des IPY zusammengestellt sind. Aus dieser Perspektive erscheinen die Arktis
und Subarktis nicht als Wildnis, sondern als Kulturraum.
Von deutscher Seite widmet sich das Forschungsprojekt
NOMAD den Interaktionen zwischen Mensch und Rentier. In
weiten Teilen Nordamerikas, Nordeuropas und Nordasiens
haben Menschen seit Jahrtausenden Rentiere gejagt und
gezüchtet. Auch im 21. Jahrhundert sind Rentierhaltung und
Rentierjagd für viele Bewohner des Hohen Nordens ein wichtiger wirtschaftlicher und kultureller (Identität stiftender)
Faktor. Auch wenn sich die ökologische Beziehung zwischen
Mensch und Rentier im Laufe der langen Entwicklung als sehr
wandlungsfähig erwiesen hat, stellen die derzeitigen – teilweise rapiden – sozioökonomischen und klimatischen Veränderungen im Hohen Norden eine besondere Herausforderung
dar. Wie das System Rentier – Mensch auf diese Veränderungen reagiert, ist Gegenstand von NOMAD, das zugleich
auch generelle Erkenntnisse über sozioökonomische, kulturelle und naturräumliche Wechselwirkungen im Hohen
Norden liefern soll.
Die indigenen Völker im Norden Russlands
Die von den Vereinten Nationen ausgerufene 1. Internationale
Dekade der indigenen Völker (1994-2004) hat das öffentliche
Bewusstsein für die Belange marginalisierter ethnischer
Gruppen weltweit gestärkt. Zudem forderten in den frühen
1990er Jahren in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion
viele Gruppen ethnische (bzw. nationale) Selbstbestimmung
ein. So wuchs auch das Interesse der internationalen Öffentlichkeit an der Situation der Völker des Hohen Nordens der
Russischen Föderation. Für die Vertreter dieser Völker selbst
eröffneten sich neue politische Foren und Wege, ihre Forderungen international und medienwirksam geltend zu machen.
Der Dachverband der indigenen Völker Russlands (RAIPON)
kooperiert mit indigenen Organisationen in anderen Regionen
der Erde.
Von den etwa 145 Millionen Einwohnern der Russischen
Föderation zählen etwa 200.000 Personen zu den „zahlenmäßig kleinen indigenen Völkern des Hohen Nordens, Sibiriens und des Fernen Ostens” (malo čislennye korennye narody
98
Severa, Sibiri i Dal'nego Vostoka), wie der offizielle und
gesetzlich verankerte Terminus lautet. In Russland genießen
nur ethnische Gruppen mit weniger als 50.000 Angehörigen
den Status eines „zahlenmäßig kleinen indigenen Volkes” (es
gibt über 45 solcher Völker). Nur diese werden von RAIPON
vertreten und in der internationalen Öffentlichkeit als indigene
Völker Russlands wahrgenommen. Als „einheimische” Bevölkerung sind außerdem die 67.000 Altaier, die 445.000
Burjaten, die 76.000 Chakassen, die 444.000 Jakuten (Sacha)
und die 243.000 Tuwiner (Tyva) anzusehen, wenngleich diese
Völker die 50.000-Marke überschreiten und ihnen daher die
Privilegien und Rechte, die den „zahlenmäßig kleinen”
Völkern zugute kommen, nicht zuerkannt werden.
Aus ethnologischer und linguistischer Perspektive ist es
üblich, die Völker Sibiriens nach ihrer Sprache zu klassifizieren. Diese Unterteilung umfasst die finno-ugrische Gruppe
(Chanten, Enzen, Mansen, Nenzen, Nganasanen und
Selkupen); die turksprachige Gruppe (Altaier, Chakassen,
Dolganen, Jakuten, Tataren, Tuwiner und andere); die mongolische Gruppe (Burjaten); die tungusische Gruppe (Ewenen,
Ewenken, Nanai und andere); und die so genannte paläoasiatische Gruppe (Korjaken und Tschuktschen). Andere Sprachen
wie Jukagirisch oder Ketisch lassen sich keiner dieser
Gruppen zuordnen.
Viele Verwaltungseinheiten Sibiriens tragen den Namen dieser
Gruppen, beispielsweise die Republik Sacha (Jakutien), die
Republik Burjatien, das Autonome Gebiet der Chanten und
Mansen. In den letzten Jahren haben jedoch die Zentralisierungsbestrebungen der Regierung Putin zur Zusammenlegung
von Verwaltungseinheiten geführt und somit zur Abkehr von
der (ursprünglich Leninschen) Politik „ethnisch” definierter
Territorien. Diese Abkehr spiegelt den Wandel der politischen
Prinzipien Moskaus im Umgang mit den indigenen Völkern
des Nordens wider.
Die Tradition des Wandels
Die relativ rasche und ungebremste Eroberung Sibiriens durch
das Großfürstentum Moskau bzw. das Russische Reich
während des 17. Jahrhunderts ist umfangreich dokumentiert
und allgemein bekannt. Das war jedoch nicht der „Beginn” der
Geschichte Sibiriens. Kontakte, Konflikte und wechselnde
Machtkonstellationen gab es auch in früheren Jahrhunderten
und Jahrtausenden. Die Region Sibirien hatte stets Anteil an
den Interaktionen zwischen Zentralasien, dem Fernen Osten,
Europa und auch Nordamerika.
Traditionell bestimmen Jagd, Fischfang, Rentierhaltung und
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09.12.2008 15:43 Uhr
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Abb. 1: Mysej ist ein Rentierzüchter vom Volk der Nenzen und lebt das Jahr
über in der Tundra Nordwest-Sibiriens. Das Foto zeigt ihn bei seiner Rückkehr
ins nomadische Camp, wo er von seinem Neffen Pavel begrüßt wird (Foto:
Kirill Istomin, Nov. 2005).
das Sammeln von Wildgewächsen je nach Region und Periode
in wechselndem Maße die Subsistenzgrundlage und den
Lebensalltag der Menschen in Sibirien. Ökonomische Anpassungsprozesse, Handel und Kontakte zu Nachbarn führten
häufig (und zwar bereits in früheren Jahrhunderten) zu grundlegenden Veränderungen in der Technologie und Praxis dieser
Gewerbe. Nach der Domestizierung des Rentiers im ersten
Jahrtausend n. Chr. wurde es zunächst als Transporttier bei der
Jagd verwendet. Der Übergang zur Rentierzucht mit großen
Herden zum Zwecke der Fell- und Fleischproduktion datiert
ins 18. Jahrhundert. Es ist gerade diese „moderne” Form der
Rentierzucht, die in der westlichen Öffentlichkeit die größte
Aufmerksamkeit erfährt und als „traditionelle” Form der
Landnutzung beschrieben wird.
Das geringe Bewusstsein für die langfristigen Wandlungen
und Kontinuitäten liegt sicherlich daran, dass gerade die Zeit
der Sowjetunion die gravierendsten Veränderungen mit sich
brachte. Kollektivierung, Umsiedlung in größere Gemeinden,
teilweise auch Sesshaftmachung von bis dahin nomadisch
lebenden Gemeinschaften – diese drei miteinander verbundenen Prozesse haben nicht nur die sozialgeographischen
Strukturen, sondern auch den Lebensalltag der ländlichen
Bevölkerung Sibiriens stark beeinflusst. Der Kampf gegen
Schamanen und schamanische Glaubensvorstellungen, die
zeitweilig stark restriktive Sprachpolitik im Hohen Norden,
die Erziehung der indigenen Kinder fernab von ihren Eltern in
Internaten und andere Prinzipien im Umgang der sowjetischen
Staatsmacht mit den indigenen Völkern Sibiriens werden in
der westlichen ebenso wie in der gegenwärtigen russischen
Literatur als besonders negative Prozesse bewertet. Die indigenen Gruppen reagierten auf diese Maßnahmen jedoch selten
mit offenem Widerstand, sondern häufig mit Rückzug,
Duldung, Anpassung und in nicht wenigen Fällen auch mit
aktiver Unterstützung. Der Glaube an Zivilisation, Fortschritt
und das sowjetische Modernisierungsprojekt beseelte nicht
nur die in den Hohen Norden zugereisten Funktionäre und
Ingenieure, sondern auch viele Menschen vor Ort.
Dieser Glaube an den Aufbau und der daraus resultierende,
gerade unter den Älteren ausgeprägte Stolz wurden in den
1990er Jahren grundlegend erschüttert. Degradation und
Neuanfang waren in allen postsozialistischen Regionen für
Abb. 2: In Salechard, dem Verwaltungszentrum des Autonomen Gebietes der
Jamal-Nenzen, vergegenwärtigen Plakate wie dieses die symbolische Bedeutung des Lebens in der Tundra (Foto: Joachim Otto Habeck, März 1999).
jenes Jahrzehnt kennzeichnend. Im Hohen Norden Russlands
hatten der „Rückzug des Staates” und das Versiegen der bis
dahin gewährten Subventionen besonders drastische Konsequenzen, weil der Luftverkehr in die ländlichen Siedlungen
des Hohen Nordens fast gänzlich eingestellt wurde und die
Bewohner nun plötzlich auf sich gestellt waren. Die Privatisierung der Landwirtschaft verlief ohne ausreichende flankierende Maßnahmen; während die Kolchosen und Sowchosen
kollabierten, hatten neue Betriebe kaum eine Grundlage, sich
zu entwickeln. Da die Kolchosen und Sowchosen zu Sowjetzeiten auch das soziale Leben im Dorf prägten, erinnern sich
die Angehörigen der älteren Generation mit viel Sehnsucht an
sie. Die Lebenserfahrungen der Sowjetzeit werden nun selbst
zu einer Schicht in der Geschichte der Völker des Hohen
Nordens und zu einer Komponente ihrer „traditionellen
Lebensweise”.
Eigen- und Fremdwahrnehmung indigener Gemeinschaften
Hinsichtlich der Lebenserwartung und der durchschnittlichen
Einkommen gibt es nach wie vor signifikante Unterschiede
zwischen der indigenen und nicht-indigenen Bevölkerung des
Hohen Nordens. Ansonsten unterscheidet sich der Lebensalltag indigener Personen heutzutage kaum von dem der nichtindigenen Nachbarn in denselben Gemeinden. Dies gilt auch
in kultureller Hinsicht: vor allem das Fernsehen trägt zur
Abb. 3: Rentierzucht ist ein wichtiger Erwerbszweig in der Großlandtundra
im europäischen Norden Russlands. Das Bild zeigt Rentierhirten vom Volk
der Komi bei der Auswahl und dem Anspannen von Schlittentieren (Foto Joachim Otto Habeck, Mai 1999).
99
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Nivellierung ethnischer Unterschiede bei. Die Medien liefern
neue Idole und Identifikationsmuster, die nichts mit der
Zugehörigkeit zu der einen oder anderen ethnischen Gruppe
zu tun haben. Dennoch bleibt Ethnizität ein Kriterium der
Abgrenzung. Sie definiert sich teilweise durch Sprache, teilweise durch Religion, vor allem aber durch die „traditionelle
Lebensweise”. Zum Erhalt der Identität einer Gruppe scheint
es auszureichen, wenn ein bestimmter Teil der Gruppe in den
traditionellen Wirtschaftszweigen beschäftigt ist. Die Minderheit der indigenen Bevölkerung lebt im Wald oder in der
Tundra, aber die Mehrheit betont die symbolische Bedeutung
des Waldes bzw. der Tundra (und häufig auch die verwandtschaftliche Verbindung zu den Leuten, die dort leben).
Vielfach wird die „traditionelle Lebensweise” der indigenen
Bevölkerung von westlichen und russischen Beobachtern in
einer Weise idealisiert, die dem Alltagsleben, den Forderungen
und den Erwartungen der Indigenen selbst wenig Rechnung
tragen. Vor bequemen Stereotypen wie das des „edlen
Wilden”, der ganz und gar in Harmonie mit der natürlichen
Umwelt lebt, ist daher zu warnen. Die Debatten um die
Konzepte der „traditionellen Lebensweise”, „Nachhaltigkeit”
und „Entwicklung” sind genauso umstritten wie das Recht auf
Ressourcennutzung selbst. Die Fronten in den politischen
Auseinandersetzungen verlaufen nicht immer zwischen den
Indigenen einerseits und den Nicht-Indigenen andererseits.
Landnutzungskonflikte in Russland werden von westlichen
Medien und Interessenverbänden zu undifferenziert dargestellt, was für die Betroffenen vor Ort nicht immer hilfreich
ist. Andererseits – und das soll mit großer Anerkennung
vermerkt werden – ermöglicht das Engagement vieler Vereine,
Verbände und anderer Nichtregierungsorganisationen, die
glanzvollen Selbstdarstellungen der im Hohen Norden operie-
100
Abb. 4: Trommeln ist ein charakteristisches Element der Folklore der Nordvölker. Das Foto zeigt eine Gruppe von Trommelspielern im Kulturhaus der
Stadt Anadyr', dem Hauptort des Autonomen Gebietes der Tschuktschen (Foto: Virginie Vaté, April 2006).
renden Rohstoff fördernden Konzerne kritisch zu hinterfragen.
Darüber hinaus hat die verstärkte Berichterstattung der
Medien im Internationalen Polarjahr 2007/08 dafür gesorgt,
dass die Belange der indigenen Völker des Hohen Nordens
eine größere Aufmerksamkeit in der internationalen Öffentlichkeit erfahren als jemals zuvor.
Links: <www.polarjahr.de/NOMAD.194.0.html>
<www.nomadsed.de/projects/b6.html>
<www.raipon.org/History/Populations/tabid/311/Defaultaspx>
Kontakt: Joachim Otto Habeck, Max-Planck-Institut für ethnologische
Forschung, Postfach 110351, 06017 Halle (Saale); <[email protected]>
Zusammenstellung: Joachim Otto Habeck und Monika Huch
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Polarforschung 77 (2-3), 101 – 103, 2007 (erschienen 2008)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 15:
Volkszählung im Südlichen Ozean – CAML
Die deutsche Übersetzung des Census of Antarctic Marine Life
verweist auf einen der größten biologischen Beiträge zum
Internationalen Polarjahr 2007/2008. Mittlerweile hat es in
diesem Rahmen bis zur Halbzeit des IPY ca. 15 Expeditionen
gegeben. Neben ambitionierten kleinen Aktivitäten mit nur
wenigen Wissenschaftlern waren dies auch logistisch aufwändige Expeditionen, z.B. mit 52 Wissenschaftlern an Bord des
Forschungseisbrechers „Polarstern”. Die Grundlage für solche
wissenschaftlichen Arbeiten sind zielgerichtete Konzepte.
Oftmals werden diese nach intensiven Diskussionen zwischen
den Wissenschaftlern auf Forschungsschiffen in die Praxis
umgesetzt, wobei biologische Beprobungen und Messungen
ökologisch relevanter Umweltparameter eine wichtige Rolle
spielen.
Bestandsaufnahme wozu?
Traditionell fand über Jahrhunderte ein wesentlicher Teil
biologischer Forschung in den Museen statt, wo einzelne
Arten gesammelt und wissenschaftlich beschrieben wurden.
Allerdings schloss man aus diesen Einzelstudien nur gelegentlich auf das Zusammenspiel zwischen Lebewesen und ihrer
physikalischen Umwelt. In den 1970er Jahren hatte sich die
Kenntnis über die Lebensbedingungen in den Ozeanen und die
Rolle des globalen Klimas unter anderem durch das internationale Ozeanbohrprogramm (IODP) maßgeblich verbessert.
Viele Ozeanographen wollten nun ganze Ökosysteme
möglichst schnell analysieren und ihre Funktionen entschlüsseln, um damit einen Beitrag zur Rettung des damals schon
angegriffenen marinen Lebensraumes zu leisten.
Heute weiß man aber, dass für einen solchen Ansatz auch
erhebliche Detailkenntnisse notwendig sind. Dabei muss man
nach wie vor von dem Grundsatz ausgehen, dass jedes Lebewesen sein eigenes belebtes und unbelebtes Umfeld hat und
dass entsprechende „ökologische Nischen” durch spezielle
Anpassungen der jeweiligen Art definiert sind. Bei den
Umweltansprüchen von nebeneinander vorkommenden Arten
besteht in dem daraus resultierenden Wettbewerb für sensible
Arten die Gefahr, von robusteren verdrängt zu werden. Andererseits gibt es nahe verwandte Tiere, die sich ökologisch aus
dem Weg gehen. So lebt z.B. bei den Flohkrebsen (Amphipoda) die eine Art im Sediment und frisst organischen
„Abfall”, während sich ihre „Brüder” und „Schwestern” vom
Meeresboden lösen, um lebende Tiere als Nahrung aus dem
Wasser herauszufangen. Verändert sich nun die Umwelt, so ist
es nach wie vor eine der spannendsten Fragen, wie unsere
Biosphäre darauf reagiert. Nur wenn wir wissen, ob eine
ökologische Schlüsselart eher zu den Spezialisten oder zu den
Generalisten gehört, werden wir das Funktionieren von
Ökosystemen verstehen und können damit auch brauchbare
Prognosen und Handlungsempfehlungen an die politischen
Entscheidungsträger abgeben.
Eine Expedition der „Polarstern“ erforschte das Larsen-ABGebiet, in dem – klimabedingt – wenige Jahre zuvor das
Schelfeis fast vollständig weggebrochen war. Unter dem Eis
hatten sich – möglicherweise über Jahrhunderte oder Jahrtausende – Arten, die an sich in der Tiefsee zuhause sind, angesiedelt (Abb. 1). Wahrscheinlich werden diese Arten in einigen
Jahrzehnten durch eine für die Antarktis „normale” Flachwasserfauna ersetzt werden.
Als Reaktion auf die so genannte Biodiversity Crisis
gewannen in den 1980er Jahren Arbeiten zur biologischen
Vielfalt erheblich an Bedeutung. Biodiversitätskrise heißt,
dass eine zunehmende Zahl von Arten unwiederbringlich
ausstirbt, ohne jemals von einem Wissenschaftler bearbeitet
worden zu sein, während gleichzeitig durch Personalkürzungen wertvolle Erfahrungen zu den jeweiligen Tier- und
Pflanzengruppen verloren gehen. Die Überzeugung zur
Notwendigkeit einer globalen Bestandsaufnahme des Lebens
in den Weltmeeren hat in der internationalen Gemeinschaft der
Meeresbiologen dazu geführt, dass die US-amerikanische
Abb. 1: Dieser vielarmige Seestern war bisher nur aus Wassertiefen unterhalb
von 1000 m bekannt. Nach dem Wegbrechen des Larsen-Schelfeises an der
Ostküste der Antarktischen Halbinsel wurde er dort erst kürzlich wegen ähnlicher Umweltbedingungen auch bei 150 m Wassertiefe gefunden (Foto: J. Gutt
& W. Dimmler; © AWI/MARUM, Universität Bremen).
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„Alfred P. Sloan-Stiftung“ im Jahre 2000 die Initiative des
Census of Marine Life ins Leben gerufen hat. Unter diesem
Dach haben sich inzwischen 17 Einzelvorhaben etabliert, so
auch das IPY-Projekt Census of Antarctic Marine Life
(CAML).
Das marine Ökosystem in der Antarktis
Im marinen Ökosystem des Südozeans hat sich über einen
Zeitraum von Millionen Jahren eine hoch angepasste Artenvielfalt entwickelt, die besonders empfindlich auf Umweltveränderungen reagiert. Der Census of Antarctic Marine Life
unterstützt vielfältige nationale und internationale Projekte
und Institutionen mit Biodiversitätsschwerpunkt, die gerade
auch in Deutschland in jüngster Zeit einen Aufschwung
erfahren haben. Rückenwind hat diese Entwicklung durch die
nahezu explosionsartige Entwicklung von molekularbiologischen Untersuchungsmethoden zur Entschlüsselung des
Erbguts erfahren. Durch deren Anwendung weiß man erst seit
kurzem, dass z.B. einige Meeresasseln keine zirkumantarktische Verbreitung haben, sondern dass sie sich in viele,
regional begrenzte Arten gliedern (Abb. 2). Daraus resultieren
entscheidende Konsequenzen für die Beurteilung der
Empfindlichkeit solcher Ökosysteme. Arten mit großem
Ausbreitungsgebiet sind im Falle regional begrenzter Umweltveränderungen, wie wir sie tatsächlich im Bereich der Antarktischen Halbinsel beobachten, viel weniger gefährdet als
Arten, die ausschließlich in dem von den Veränderungen
betroffenen Gebiet leben.
vermessen, ist schon seit vielen Jahren zur Routine geworden.
Langfristig verankerte Strömungsmesser sollen später zeigen,
wie viel Nahrung in einen Lebensraum hineindriftet und so
seine Lebensvielfalt prägt.
Moderne Ökosystemforschung bedient sich heute auch technisch aufwändiger Geräte, z.B. ferngesteuerter Unterwasserfahrzeuge (Abb. 3). Sie ermöglichen eine optisch kontrollierte
und zielgenaue Durchführung von Experimenten, Messungen
sowie Beobachtungen.
Maßgebliche Weiterentwicklungen im Verständnis unserer
Biosphäre – in diesem Fall der antarktischen Gewässer – sind
auch darauf zurückzuführen, dass die biologischen Daten und
entsprechende Ergebnisse in moderne Datenbanken eingegeben werden. Insbesondere die große Fülle der heute auf
diese Weise allgemein verfügbaren Informationen erfordert in
einem ersten Schritt, dass die biologischen Daten zunächst in
elektronischen Karten geographisch dargestellt werden. Dann
können sie in Computermodellen mit anderen Datensätzen,
z.B. zur Nutzung von Ressourcen, zur Meereserwärmung oder
zur Eisbedeckung, in Beziehung gesetzt werden, um schließlich wertvolle Einblicke in das Funktionieren von Ökosystemen heute und in der Zukunft zu ermöglichen.
Inzwischen gibt es Hunderte solcher Datensätze, deren
Analyse auch noch nach der aktiven Phase des Internationalen
Polarjahres großen Arbeitsaufwand erfordern. Wenn die
einzelnen Ergebnisse schließlich offiziell veröffentlicht sind,
Abb. 2: Diese beiden Meeresasseln (Ceratoserolis pasternaki und C. trilobitoides) sind sich zum Verwechseln ähnlich. Solche „Zwillings-Arten“ haben
aber unterschiedliche Umweltansprüche und können auch verschiedene Lebensräume besiedeln. Somit spielt die Kenntnis, ob die rund um den Antarktischen Kontinent vorkommenden Tieren zu derselben oder nur nahe verwandten Arten gehören, für die Abschätzung der Belastbarkeit des marinen Ökosystems eine große Rolle (Foto: M. Rauschert, AWI).
Methoden
Im Rahmen dieser marinen „Volkszählung” wird eine große
Breite verschiedener Methoden eingesetzt (vgl. auch Folge 5).
Traditionelles Sammeln findet mittels Netzen und Bodengreifern im freien Wasser und am Meeresboden statt. Die
einzelnen Tiere jeder Größenklasse werden mühevoll aus dem
Fang aussortiert oder aus dem Sediment herausgespült, um
anschließend für die weitere Bearbeitung zu Hause konserviert zu werden. Sauberer geht es zu, wenn ferngesteuerte
Unterwasser-Roboter eingesetzt werden. Das Charakterisieren
eines marinen Lebensraumes durch das Herablassen von
physikalischen Messsonden zum Meeresboden und durch den
Einsatz von Fächerloten, die den Meeresboden großräumig
102
Abb. 3: Dieses ferngesteuerte Unterwasserfahrzeug liefert im Rahmen der
Biodiversitätsforschung quantitative Daten gleichermaßen auf Schlamm- und
Hartböden. Damit können insbesondere kleinräumige Veränderungen am
Meeresboden erkannt werden (Foto: J. Gutt, AWI).
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können sie wie Puzzlesteine zu einem großen Gesamtbild
zusammengefügt werden. Erst damit ist ein solch großes
Projekt abgeschlossen.
Fazit
Die bisherigen CAML-Expeditionen lassen ein vorläufiges
Fazit zu. Das antarktische Ökosystem, insbesondere in der
hohen Antarktis, befindet sich zurzeit im weltweiten Vergleich
noch in einem recht naturnahen Zustand (Abb. 4). Regional
gibt es aber bereits durch eine übertriebene Nutzung und den
Klimawandel merkbare Verschiebungen in der Biodiversität.
Insgesamt sind noch große Anstrengungen notwendig, um die
Toleranz bzw. Empfindlichkeit des Antarktischen Ökosystems
gegenüber vom Menschen verursachten und natürlichen
Veränderungen der Umwelt genauer kennen zu lernen.
Links: <www.caml.aq> Census of Antarctic Marine Life,
<www.eba.aq> Evolution and Biodiversity in the Antarctic;
<www.awi.de> Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven;
<www.ipy.org> International Polar Year
<www.scar.org> Scientific Committee on Antarctic Research
Kontakt: Dr. Julian Gutt, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven, <[email protected]>
Zusammenstellung: Dr. Julian Gutt und Monika Huch
Abb. 4: Kaiserpinguine leben in der hohen Antarktis noch weitgehend in einer
stabilen Umwelt – wie hier in der Atka-Bucht in der Nähe der Neumayer-Station. Sie reagieren aber empfindlich auf Veränderungen ihrer Lebensbedingungen, was sie zu einem wichtigen Forschungsobjekt in der Klimaforschung
macht (Foto: J. Gutt, AWI).
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Polarforschung 77 (2-3), 104 – 105, 2007 (erschienen 2008)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 16:
Kinder-Forschungswerkstatt des Pfalz-Museums
Naturkunde – POLLICHIA-Museum
für
Das Pfalzmuseum für Naturkunde – POLLICHIA-Museum
führte 2007 in Zusammenarbeit mit dem Jugend- und Kinderbüro Bad Dürkheim ein Forschungswerkstattprojekt zum
Thema „Polarforschung im Hochsommer” durch. Unterstützt
durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten sich
16 Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 14 Jahren mit den
Lebensräumen an Nord- und Südpol beschäftigen und teilweise selbst forschend aktiv werden. Das umfangreiche
Projekt gliederte sich in mehrere Abschnitte und führte am
Ende zu einer von den Kindern gestalteten Sonderausstellung
im Pfalzmuseum.
13.375 km bis zur Polarstation
Der Auftakt zum Projekt fand im Pfalzmuseum statt. Dort
wurden die Kinder in das Thema Polargebiete eingeführt.
Dann ging es im Museum auf die Suche nach Ausstellungsobjekten, die etwas mit der Arktis oder der Antarktis zu tun
hatten. Neben Polarfuchs, Schneehuhn und Schneeeule beeindruckten der große Holzschlitten und das Modell des Forschungsschiffes „Polarstern”. Besonders bestaunt wurde der
„echte” Wegweiser aus Holz, der tatsächlich einmal in der
Nähe der ersten bundesdeutschen Polarstation in der Antarktis
aufgestellt war (Abb. 1). Hier stießen die Kinder auch auf die
Spur des berühmten Klimaforschers und „Vater der Polarforschung”, Georg von Neumayer, der Namensgeber der Deut-
schen Antarktisstation ist. Zum Abschluss wurden in einer
Gesprächsrunde die Fragen der Kinder gesammelt, mit denen
sie sich im nächsten Abschnitt des Projektes näher beschäftigen wollten.
Polarforschung im Hochsommer
Im zweiten Abschnitt des Projektes war die Forschungswerkstatt des Pfalzmuseums für drei Tage ins Jugend- und Kinderbüro der Stadt Bad Dürkheim umgezogen. Wissenschaftlich
betreut von einer erfahrenen Expertin, der Geophysikerin Dr.
Michaela Bock, galt es für die Kinder, die Unterschiede von
Südpol und Nordpol herauszuarbeiten und die Anpassung von
Lebewesen an extreme Lebensbedingungen zu untersuchen
(Abb. 2). Sie konnten selbst einmal in einen Polaranzug
schlüpfen (Abb. 3), unter dem Binokular Pinguinfedern
studie-ren und mit zwei Live-Schaltungen zur deutschen
Antarktisstation und in die Nordpolarregion die aktuellen
Wetterdaten erfragen. Ihre Ergebnisse stellten die Kinder in
einer Ausstellung zusammen, zu der sie eigene Arbeitsmaterialien in Form von mitgebrachten Zeitungsartikeln, Internetausdrucken und Büchern beisteuerten.
Warum sich Eisbär und Pinguin nicht treffen
In einem kleinen Umzug durch die Stadt Bad Dürkheim
brachten die „Projektkinder” ihre Ausstellungsstücke in das
Pfalzmuseum und bauten dort die Ausstellung „Warum sich
Eisbär und Pinguin nicht treffen“ auf (Abb. 4). Zur Eröffnung
hielt Dr. Michaela Bock einen Vortrag für die Projektkinder
und deren Eltern, Freunde und Verwandte. Anschließend gab
Abb. 1: Schüler vor der Antarktiskarte mit dem
echten Holz-Wegweiser (Foto: Pfalzmuseum).
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Abb. 4: Warum Pinguine und Eisbären sich nicht treffen: a) Pinguine in der
Antarktis, b) Eisbären in der Arktis (Fotos: Pfalzmuseum)
Abb. 2: Ausmalen eines Pinguin-Modells. (Foto: Pfalzmuseum)
Abb. 3: Ein Kind im echten Polaranzug (Foto: Pfalzmuseum)
es ein „eiskaltes Büffet”. Am Abend wurden Teilnehmer des
internationalen
Georg-von-Neumayer-Symposiums,
das
gerade in Bad Dürkheim stattfand, von einem Projektkind
durch die Ausstellung geführt. Die Wissenschaftler zeigten
sich beeindruckt von der ganz eigenen Atmosphäre, in der sich
kindliche Forschungsergebnisse in individueller kindlicher
Darstellung und professionelle Gestaltung auf naturwissenschaftlichem Hintergrund in hervorragender Weise ergänzten.
Bilanz
Die Reaktion der beteiligten Kinder, ihrer Eltern, des Projektteams, der Öffentlichkeit und der Fachwissenschaft auf das
Forschungswerkstatt-Sonderprojekt war durchweg positiv.
Darüber hinaus hat „Polarforschung im Hochsommer”
weitere Aktivitäten nach sich gezogen, zum Beispiel die Einrichtung einer wissenschaftlichen Sonntagsmatinee für Familien im Museum. Damit ist es gelungen, das Recht der Kinder
auf Beteiligung am kulturellen und künstlerischen Leben
gemäß Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention nachhaltig
in die Tat umzusetzen. Gleichzeitig wurde eines der großen
Anliegen des Internationalen Polarjahres, die Einbindung von
Jugend und Öffentlichkeit, beispielhaft verwirklicht.
Links: <www.pfalzmuseum.de> (Pfalzmuseum für Naturkunde-POLLICHIA-Museum);
<www.polarjahr.de> Veranstaltungsarchiv;
<www.pollichia.de> Pollichia - Verein für Naturforschung und
Landespflege e.V.; der Verein wurde 1840 in Bad Dürkheim auf
Initiative von Carl Heinrich Schultz von Mitstreitern des Hambacher
Festes gegründet und nach Johann Adam Pollich, einem bedeutenden
pfälzischen Botaniker, benannt.
Projektleitung und Kontakt: Birte Schönborn und Ute Wolf, Pfalzmuseum
für Naturkunde-POLLICHIA-Museum, Hermann-Schäferstraße 17, 67098
Bad Dürkheim, <[email protected]> <[email protected]>
Zusammenstellung: Birte Schönborn, Ute Wolf und Monika Huch
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Polarforschung 77 (2-3), 106 – 108, 2007 (erschienen 2008)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 17:
Das Projekt Antarctica's Gamburtsev Province – AGAP
Die Gamburtsev Mountains sind ein Gebirgszug unter dem
Inlandeis der zentralen Ostantarktis, der mit seismischen
Methoden während des Internationalen Geophysikalischen
Jahres 1957-58 von sowjetischen Wissenschaftlern entdeckt
wurde. Dieses Gebirge unter dem Eis befindet sich in dem am
wenigsten zugänglichen Bereich der Antarktis: dieser so
genannte „Pol der Unzugänglichkeit” liegt am Rande des
vermuteten Gebirges. Aus diesem Grund ist es nach seiner
Entdeckung auch kaum untersucht worden und man weiß bis
heute nicht mehr, als dass es sich um ein mehr als 300.000 km2
großes Hochland oder Gebirge in der zentalen Ostantarktis
handelt (Abb. 1).
Man vermutet, dass vor über 30 Millionen Jahren von hier aus
die große Vereisung der zentralen Antarktis begann. Ob dieses
Gebirge unter dem Eis ein einfaches Hochland ist oder alpinen
Charakter hat und aus welchen Gesteinen es besteht, ist vollkommen unklar. Auch die Verbindung mit anderen Strukturen,
wie den subglazialen Seen oder Grabensystemen, ist unbe-
kannt. Deshalb sind die Erforschung der geologischen
Struktur der Gamburtsev Mountains und der damit verbundenen Entwicklung des antarktischen Eisschildes herausragende Ziele im Internationalen Polarjahr. Wissenschaftler von
mindestens sechs Nationen werden in diesem FlagschiffProjekt des IPY zusammenarbeiten.
Kern des AGAP-Projektes sind Flugzeug gestützte Vermessungen des Magnetfeldes und des Schwerefeldes sowie der
Eismächtigkeiten im Bereich der Gamburtsev Mountains
sowie der benachbarten subglazialen Strukturen. Hier ist
bereits ein detaillierter Plan entwickelt worden (Abb. 2), der
aus der Integration von GigaGAP – einem ursprünglich
deutsch-australischen Vorschlag, GAMBIT – dem ursprünglich rein amerikanischen Projekt und Dome A – einem
Vorhaben des British Antarctic Survey – entstand. Zusätzliche
Themenschwerpunkte sind die Suche nach dem ältesten Eis in
der Antarktis, das irgendwo in der Umgebung oder in den
Gamburtsev Mountains selbst vermutet wird, und die Untersuchung der Recovery Subglacial Lakes, wo der Ausgangspunkt
von Eisströmen zum Filchner-Ronne-Eisschelf vermutet wird.
Abb. 1: Topographie der Antarktis unter
dem Eis. Gelbe bis rote Flächen liegen
über dem heutigen Meeresspiegel, grüne bis blaue darunter (nach LYTHE &
VAUGHAN 2001). Der weiße Kreis markiert die Gamburtsev Mountains.
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Abb. 2: Übersicht über das Arbeitsgebiet des AGAP-Projekts in der Ostantarktis mit den AGAP-Profillinien und Feldlagern (gelb), seismischen Messpunkten
(rot) und bekannte subglazialen Seen (dkl. blau) (Quelle: M. Studinger, Lamont Doherty Earth Observatory, LDEO)
Von deutscher Seite ist die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) mit einem umfangreichen
Beitrag am AGAP-Projekt beteiligt. Die logistische Koordination der Befliegung wird wesentlich von der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF) getragen. Die
wissenschaftlichen Planungen und die Auswertung der Ergebnisse liegen in den Händen eines Konsortiums von Wissenschaftlern des Lamont-Doherty Earth Observatory (LDEO),
der Universität Kansas, des US Geological Survey (USGS),
des Britisch Antarctic Survey (BAS) und der deutschen BGR.
Unterstützt wird die Befliegung außerdem von der Australian
Government Antarctic Division (AGAD) und der Chinese
Antarctic Research Expedition (CHINARE).
Bereits in der Antarktissaison 2007/08 wurden logistische
Vorbereitungen getroffen. Neben der Anlage eines Treibstoffdepots an der russischen Station Progress im Frühjahr 2007
wurde im Dezember mit der Einrichtung eines Basislagers auf
dem Polarplateau, AGAP-S (Abb. 2), begonnen. Flugtreibstoff
und Ausrüstung für diese Basis liegen an der amerikanischen
Station McMurdo bereit, von wo aus die Vermessung von
Oktober 2008 bis Januar 2009 unterstützt werden soll. Als
Messplattform werden zwei Twin-Otter-Flugzeuge dienen
(Abb. 3), die beide mit Geräten zur Erfassung des Magnetfeldes, des Schwerefeldes, der Eisoberfläche und der Eisdicke
(inklusive der internen Strukturen des Eispanzers) ausgerüstet
sind.
Über dem zentralen Teil der Gamburtsev Mountains soll ein
Rechteck von 800 km Länge und 300 km Breite detailliert,
d.h. mit einem Netz von Profillinien im Abstand von 5 km,
vermessen werden (Abb. 2). Zusätzliche Einzelmesslinien
sollen den regionalen Zusammenhang erfassen und eine
Verbindung zu früheren Messgebieten – insbesondere dem
subglazialen Lake Vostok – herstellen. Ein zweites engmaschiges Messnetz verbindet die AGAP-Vermessung mit einem
Messfeld über dem südlichen Lambert-Graben (DAMASKE &
MCLEAN 2005). Damit soll geprüft werden, ob ein Zusammenhang zwischen diesem Graben, dem subglazialen Lake Vostok
und dem Gamburtsev-Hochland besteht. Die Planungen
umfassen insgesamt 100.000 Profilkilometer. Um dieses
Planungsziel überhaupt erreichen zu können, müssen für jedes
Flugzeug jeweils zwei Besatzungen vorgesehen werden.
Mitte Oktober 2008 sollen beide Messflugzeuge auf der
Station McMurdo eintreffen. Hier werden sie mit den Messinstrumenten ausgerüstet und getestet. Mitte November werden
dann die Messmannschaften in der Scott-Amundsen-Station
am Südpol eintreffen, um sich in der Höhe zu akklimatisieren.
Zur gleichen Zeit wird ein Bautrupp das Basislager AGAP-S
(in 3500 m Höhe) fertig stellen. Danach wird eine Twin Otter
den Messbetrieb vom Hauptcamp aus aufnehmen, während
die andere für kurze Zeit von der Südpolstation aus operiert,
ehe sie zum Lager AGAP-N (Abb. 2) verlegt wird. Dieses
Lager liegt in 3000 m Höhe – etwa 800 km nördlich von
AGAP-S – auf der chinesischen Landtraverse zum Dome A.
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Projektes „Plates & Gates” (vgl. Folge 11) - im Rahmen der
„Polarstern“-Expedition ANT-XXIII/9; vorläufige Ergebnisse
sind schon auf dem X. ISAES-Kongress in Santa Barbara,
USA im August 2007 vorgestellt worden (GOHL et al. 2007).
Prince Charles Mountains und Lambert-Graben. Die
geplanten geologischen Arbeiten im Gebiet Prince Charles
Mountains zur Klärung der geologischen Entwicklung des
Lambert-Grabens sowie die damit logistisch verbundenen
geodätischen Beobachtungen zu rezenten Deformationen der
Erdkruste in diesem Bereich sind zur Zeit unterbrochen. Die
hierfür notwendige Unterstützung von australischer Seite kann
während des Internationalen Polarjahres nicht geleistet
werden. Diese Untersuchungen sollen aber in den Folgejahren
wieder aufgenommen werden. Damit entsprechen sie dem
Geiste des IPY, nicht nur während des Polarjahres selbst
Programme zu betreiben, sondern auch Impulse für zukünftige
Forschung zu geben.
Abb. 3: Zweimotorige Twin-Otter-Maschine mit Skifahrwerk im Anflug zu einer Außenlandung auf dem Eis.
Der bei der russischen Station Progress an der Küste gelagerte
Treibstoff soll entweder im Zuge dieser Landtraverse oder auf
dem Luftweg mit Hilfe von australischen CASA-Flugzeugen
nach AGAP-N gebracht werden. Das Lager selbst soll ebenfalls mit australischer Unterstützung eingerichtet werden. Die
von hier ausgehenden Messflüge werden den nördlichsten Teil
des Hauptmessgebietes sowie das Gebiet Richtung LambertGletscher abdecken. Am Ende der Saison werden beide Flugzeuge von AGAP-S aus operieren. Die letzten Messflüge
müssen Mitte Januar 2009 abgeschlossen werden, da Beobachtungen vergangener Jahre ergeben haben, dass zu dieser
Zeit die Temperatur unter eine für den Flugbetrieb kritische
Grenze von -50 °F (= -45 °C) fallen wird.
Für die Datenbearbeitung und die erste Auswertung ist ein
vorläufiger Zeitplan erarbeitet worden. Es wird angestrebt,
erste Ergebnisse – zumindest in Teilbereichen – bereits im
Herbst 2009 vorzulegen. Die endgültige Auswertung und
Interpretation des hoffentlich umfangreichen Materials wird
sicherlich ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen. Als erstes
wichtiges Resultat wird erwartet, geeignete Bohrpunkte für
zwei in den post-IPY-Jahren geplante Eisbohrungen zu
bestimmen. Dies sind die chinesische Eisbohrung nahe Dome
A und vor allem die ebenfalls vom Chinesischen Antarktisprogramm angekündigte erste Bohrung in das Gestein der
Gamburtsev Mountains zur Gewinnung von Gesteinsproben
aus dem Inneren des Antarktischen Kontinents.
Im Rahmen von AGAP sind mehrere Teilprojekte zusammengeschlossen. Einige wurden schon vor dem Internationalen
Polarjahr begonnen und können als Vorerkundungen und
Vorbereitungen betrachtet werden, andere sollen nach dem
Polarjahr verstärkt in Angriff genommen werden.
Prydz Bay. Bereits abgeschlossen sind meeresgeophysikalische Messungen zur Erforschung a) der Struktur der Prydz
Bay als Teil des Lambert-Graben-Systems und b) der dort
abgelagerten Gesteine, die aus dem Inneren des Kontinents
und damit möglicherweise von den Gamburtsev Mountains
stammen. Diese Messungen erfolgten - auch als Teil des IPY-
108
Seismologie. Seismologische Beobachtungen – Untersuchungen von natürlichen Erdbeben – zur Erforschung der
unter den Gamburtsev Mountains liegenden Lithosphäre und
unteren Kruste sind bereits während der Saison 2007/08 von
amerikanischer Seite mit dem Projekt GAMSEIS aufgenommen worden. Eine Reihe von seismischen Stationen
wurde installiert. Sie werden in der kommenden Saison erneut
aufgesucht, um erste Ergebnisse über ein ganzes Messjahr zu
erhalten. Zusätzlich werden während 2008/09 weitere
Stationen aufgestellt werden, die während des ausgehenden
IPY (2009) messen werden (Abb. 2).
ICECAP. Im Rahmen des AGAP-Projekts ist auch das Projekt
ICECAP angesiedelt. Dieses Projekt, das von der University
of Texas initiiert und von britischen und neuerdings auch
australischen Institutionen unterstützt wird, ist wesentlich
glaziologisch ausgerichtet. Mit weiträumig angelegten aerogeophysikalischen Flugprofilen konzentriert es sich nach
neueren Planungen auf die Wilkes- und Aurora-Becken in der
Ostantarktis außerhalb der engeren Gamburtsev-Zone.
Links: <www.bgr.bund.de/(Meeres- und Polarforschung, Polarforschung,
Antarktis, AGAP-GIGAGAP)>
<http://classic.ipy.org/development/eoi/proposal-details.php?id=67>
<http://www.ldeo.columbia.edu/~mstuding/AGAP>
Literatur
Damaske, D. & McLean, M. (2005): An Aerogeophysical Survey South of the
Prince Charles Mountains, East Antarctica.- Terra Antartica, 12(2), 87-98
DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft (2005): Deutsche Forschung in der
Antarktis. Wissenschaftlicher Fortschritt und Perspektiven Denkschrift.Wiley-VCH Verlag, Weinheim, 211 pp.
Gohl, K., Leitchenkov, G.L., Parsiegla, N., Ehlers, B.-M., Kopsch, C.,
Damaske, D., Guseva, Y.B. & Gandyukhin, V.V. (2008) Crustal types ad
continent-ocean boundaries between the Kerguelen Plateau and Prydz
Bay, East Antarctica.- In: A.K. Cooper, C.R. Raymond et al. (eds) Antarctica: A Keystone in a Changing World. Proc. 10th ISAES, USGS OpenFile Report 2007-1047, Extended Abstract 038, 4 p.
Lythe, B.M. & Vaughan, D.G. (2001) BEDMAP: A new ice thickness and
subglacial topographic model of Antarctica.- J. Geophys. Res. 106:
11.335-11.352.
Kontakt: Dr. Detlef Damaske, Bundesanstalt für Geowissenschaften und
Rohstoffe, Stilleweg 2, 30655 Hannover; < [email protected]>
Zusammenstellung: Dr. Detlef Damaske und Monika Huch
Umbruch 78
30.03.2009 17:22 Uhr
Seite 79
Polarforschung 78 (1-2), 79 – 80, 2008 (erschienen 2009)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 18:
Geowissenschaftliche Observatorien in den Polargebieten:
Das Projekt POLENET (Polar Earth Observing Network)
Der Betrieb von wissenschaftlichen Observatorien der verschiedensten Art war schon während des ersten Internationalen Polarjahres 1882/83 eine der zentralen Aufgaben. In der
Öffentlichkeit ist die Bedeutung von geowissenschaftlichen
Observatorien, abgesehen vielleicht von Erdbebenwarten,
wenig bekannt.
Die Erdsystemforschung, insbesondere in der Geodäsie und
Geophysik, zielt auf die Untersuchung der Erde als Ganzes.
Wechselbeziehungen und Austauschprozesse zwischen den
verschiedenen Sphären (Lithosphäre, Kryosphäre, Hydrosphäre und Atmosphäre) sind vielfältig und komplex. Erst
durch eine grundlegende Erfassung und Beschreibung des
Zustands der Erde wird eine Voraussetzung für Prognosen der
weiteren Entwicklung – z.B. des globalen Klimas – geschaffen.
Die Polarregionen sind aufgrund ihrer besonderen Bedingungen – isolierte Lage und komplizierte Erreichbarkeit,
extreme Wetterverhältnisse, Polarwinter – von jeher langfristigen geowissenschaftlichen Beobachtungen schwer zugänglich. Nicht umsonst konzentrieren sich z.B. in der Antarktis
nahezu alle permanent besetzten Stationen in Küstennähe. Das
IPY-Projekt POLENET hat deshalb zum Ziel, zum einen
geowis-senschaftliche Observatorien an entlegenen Lokationen in den Polarregionen einzurichten und zum anderen mit
Hilfe der in diesen Observatorien erhobenen Daten Lücken im
globalen Netz zu schließen und den Kenntnisstand über die
aktuelle polare Geodynamik wesentlich zu verbessern.
Die Einrichtung geowissenschaftlicher Observatorien betrifft
verschiedene Beobachtungstechniken der Geodäsie und Geophysik, die jeweils an einer Lokation permanent Daten aufzeichnen (Abb. 1). An erster Stelle seien hier GPS (Global
Positioning System) bzw. in erweiterter Form GNSS (Global
Navigation Satellite Systems) sowie die Seismologie genannt.
Mit Hilfe von GPS-Messungen werden präzise dreidimensionale Koordinaten der Beobachtungsstation erfasst, so dass
über die Zeit Veränderungen bestimmt werden können. Aus
den Beobachtungen moderner Breitbandseismometer leitet
man Rückschlüsse über den inneren Aufbau der Erde ab,
insbesondere über den inneren Spannungs- und Deformationszustand der Lithosphäre. Weiterhin umfassen die geowissenschaftlichen Observatorien Magnetometer (Variationen des
Erdmagnetfeldes), Gravimeter (Variationen des Erdschwere-
feldes) und Pegel (Variationen des Meeresspiegels), ergänzend
dazu meteorologische Sensoren.
Die mittels GPS erfassten Krustendeformationen erlauben es,
Veränderungen in der Horizontalen zu studieren, z.B. durch
die Effekte der globalen Plattentektonik und des aktuellen
regionalen tektonischen Regimes. Vertikale Änderungen sind
wesentlich auf die visko-elastische Reaktion der Erde infolge
veränderlicher Eismassenauflasten rückzuführen. Damit
liefert GPS unabhängige Daten für das Studium und somit für
die Verbesserung von Modellen der Glazialgeschichte und des
postglazialen isostatischen Ausgleichs. Seismische Daten
werden für das Studium von Erdbeben genutzt. Die Lokalisierung und Bestimmung der Quellenmechanismen sowie möglicher glazial-induzierter Anregungen trägt zum besseren
Verständnis der Plattendynamik und Tektonik bei. Eine verbesserte und überhaupt dichtere Verteilung von seismischen
Stationen in den Polarregionen hilft ebenso beim Studium des
inneren Aufbaus der Erde, da z.B. seismische Wellen, die den
Erdkern durchqueren, aufgezeichnet werden können.
Für den permanenten Betrieb der Observatorien sind vielfältige technologische Herausforderungen zu meistern, die vor
allem die Sicherstellung der Stromversorgung betreffen. Dazu
werden als Energiespeicher Akkumulatoren eingesetzt, die
natürlich der Nachladung bedürfen. Neben Solarmodulen
(Abb. 2) müssen hier weitere alternative Energiequellen
erschlossen werden, die auch während des Polarwinters
arbeiten. Dabei entstehen oftmals individuelle Lösungen, die
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30.03.2009 17:22 Uhr
Seite 80
Abb. 1: GPS-Permanentstation im Gebiet der russischen Antarktisstation Leningradskaya in Oates-Land, Ostantarktis. (Foto: L. Eberlein)
Abb. 2: GPS-Station in Nordostgrönland mit Sonnenmodulen als Energiequelle (Foto: M. Scheinert)
teilweise auf kommerziellen Angeboten aufbauen, z.B. unter
Nutzung von Windgeneratoren oder Brennstoffzellen. Weitere
technologische Entwicklungen betreffen Aufbau und Thermomanagement sowie die Einrichtung von satellitenbasierten
Kommunikationsverbindungen für die Abfrage von Statusinformationen und eventuell sogar für die Datenübertragung.
Veränderungen des globalen Meeresspiegels, z.B. bedingt
durch Schmelzen der kontinentalen Eisschilde in Antarktika
und Grönland, lassen sich in ihrer Komplexität nur erfassen,
wenn auch Bewegungen und Deformationen der festen Erde
beobachtet und modelliert werden. Ebenso wird das Studium
der Plattentektonik gefördert. Die multidisziplinären Sensoren
der POLENET-Observatorien, ob auf Fels, auf Eis oder am
Meeresboden, unterstützen umfassend Studien des polaren
Ökosystems und zeigen mögliche Verbindungen zu derzeit
aktiven tektonischen Elementen auf.
POLENET ist als Kernaktivität im Internationalen Polarjahr
2007/08 anerkannt und wird durch die Beteiligung von Vertretern aus 28 Nationen getragen. Den Vorsitz haben Terry
Wilson (Ohio State University, Columbus, USA) und Reinhard Dietrich (TU Dresden) inne. Ein Augenmerk liegt darauf,
die Aktivitäten in enger internationaler Kooperation zu
gestalten und in der wissenschaftlichen Verwertung der Daten
interdisziplinär zusammen zu arbeiten. Zur Vorbereitung und
Koordination finden regelmäßig Treffen statt, oft am Rande
großer Konferenzen. In Dresden fand vom 4. bis 6. Oktober
2006 ein internationaler Workshop „GPS in the IPY: The
POLENET Project“ statt.
POLENET kann zur Beantwortung einer Reihe von Fragestellungen der Geowissenschaften und Glaziologie beitragen.
80
Links: <http://www.polenet.org> (Das Projekt POLENET).
<http://tpg.geo.tu-dresden.de> (Institut für Planetare Geodäsie,
Professur für Theoretische und Physikalische Geodäsie, TU
Dresden).
Kontakt: Dr. Mirko Scheinert, Prof. Dr. Reinhard Dietrich, Institut für Planetare Geodäsie, Technische Universität Dresden, Helmholtzstraße 10, HülsseBau, Westflügel, 01069 Dresden, <[email protected]> oder
<[email protected]>
Zusammenstellung: Mirko Scheinert, Reinhard Dietrich und Monika Huch.
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28.09.2009 15:01 Uhr
Seite 119
Polarforschung 78 (2), 119 – 120. 2008 (erschienen 2009)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 19:
Junge Wissenschaftler im Permafrost
Boden im ewigen Eis
In den Weiten der amerikanischen, kanadischen und russischen Arktis ist der Boden bis zu einer Tiefe von ca. 600 m
permanent gefroren. Wie reagiert der Permafrost auf die
derzeitige Klimaentwicklung? Beeinflusst ein mögliches
Verschwinden umgekehrt die Stabilität des Weltklimas und
wie würde es sich auf die Zukunft der menschlichen Wirtschaftsräume im hohen Norden auswirken? Um diese und
andere Fragen geht es im Projekt TEPO (Technological and
Environmental Permafrost Observatory), einer internationalen
Kooperation von Universitäten, die Geländeveranstaltungen
für Studierende in der Arktis anbietet. Im Rahmen von TEPO
konnten auch Studenten der Universität Hamburg an einem
Forschungsprojekt in West-Sibirien teilnehmen. Zusammen
mit Kommilitonen aus Moskau, Tyumen und Montana lernten
die Hamburger Studenten wissenschaftliches Arbeiten am
Polarkreis (Abb. 1). Schwerpunkte der Untersuchungen waren
die besonderen Landschaftsformen der Tundra, die Prozesse
der Permafrost- und Bodendynamik sowie Konstruktions- und
Bautechnik auf Permafrost.
Um die komplexen Zusammenhänge zwischen Bodenbildung
und Permafrost deutlich zu machen, wurden bodenkundliche
Daten erhoben, Böden klassifiziert und, als besonders wichtiges Merkmal, die Auftautiefe des Permafrosts ermittelt. Die
Bildung der Polygonal-Strukturen in der Tundra war ein
weiteres Forschungsziel. Die Arbeiten am tief gefrorenen
Abb. 1: Gruppenfoto am Polarkreis – manch ein Teilnehmer überquerte den
Polarkreis zum ersten Mal.
Boden waren mit Blasen an den Händen und viel Schweiß
verbunden. Für die Studenten aus Hamburg war das Projekt
zudem eine Art Zeitreise mit direktem Bezug zum heimatlichen Norddeutschland. Denn Permafrost prägte auch die
Landschaft Norddeutschlands beim Zurückweichen der letzten
Vereisung vor etwa 10.000 Jahren.
Sibirien: Weites Land Sibirien und Pingo-Hügel
Die Tas-Halbinsel am Ob-Busen war Schauplatz der Geländearbeiten in Form von Landschaftskartierung, geothermischer
Datensammlung und hydrologischer wie botanischer Untersuchungen. Auf der Halbinsel erstreckt sich die unendliche,
flache Tundra baumlos in alle Richtungen. Bei näherer
Betrachtung zeigt sich allerdings eine Vielfalt von Landschaftsformen und Bodenstrukturen: Thermokarst-Seen, breite
Flussläufe, mysteriöse Polygonstrukturen, Eiskeile und Pingos
(Abb. 2 und 3) prägen die Landschaft. Thermokarst bezeichnet
Hohlformen, die durch das Auftauen von Eislinsen im Boden
entstanden sind. Pingos entstehen, wenn ein wachsender
Eiskern im Boden die darüber liegenden Ablagerungen
anhebt. An der Oberfläche sind dann kreisrunde Hügel von
einigen dutzend Metern Durchmesser zu sehen. Einer dieser
„Eisberge” wurde von der Gruppe „Hamburger Pingo”
getauft.
Abb. 2: „Hamburger Pingo” hinter einem Thermokarst-See.
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28.09.2009 15:01 Uhr
Seite 120
Städte auf Eis gebaut
Sämtliche Infrastruktur in Russlands Norden ist in Permafrost
gegründet. Nicht unähnlich dem hierzulande bekannten
Betonfundament bedienen sich russische Ingenieure verschiedenster Techniken, um Bauwerke im ewigen Eis des Untergrundes fest zu verankern. Es existieren sogar Techniken, die
kleinräumig Permafrost künstlich erzeugen. Eine ständige
Kontrolle des Permafrosts ist erforderlich, um die Stabilität
der Gebäude zu sichern. Wer hätte in diesem Zusammenhang
gedacht, dass hohe Schneedecken zu einem Auftauen des
Permafrosts führen können? Nun, der Schnee wirkt als
Isolator; darunter herrschen Temperaturen um Null Grad
Celsius. Taut der Permafrost, drohen Gebäudeeinstürze!
Die Arbeiten wurden durch die Firmen Gazprom und
Yamburg-GasDobydcha finanziell unterstützt.
Abb. 3: Bodenprofil auf dem „Hamburger Pingo”: Boden aus organischem
Material mit Eislinse (Foto: ??)
Links: <www.international-polar-year.org>
<www.permafrostcourses.org>
Kontakt: Prof. Dr. Anna Kurchatova, Tyumen State Gas and Oil University,
Tyumen, Russian Federation; <[email protected]>
Prof. Dr. Eva-Maria Pfeiffer, Universität Hamburg, Institut für Bodenkunde,
Allende-Platz 2, 20146 Hamburg; <[email protected]>
Zusammenstellung: Leon von Below, Normann Rüggen, Eva-Maria Pfeiffer
und Monika Huch
120
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28.09.2009 15:01 Uhr
Seite 121
Polarforschung 78 (2), 121 – 123. 2008 (erschienen 2009)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 20:
Der Arktische Ozean - Status und Zukunft
Zurzeit finden im Arktischen Ozean drastische Veränderungen
statt. Das Meereis verringert sich, die oberen Wasserschichten
werden wärmer und Strömungen verschieben sich. Daraus
sind Auswirkungen auf den Austausch und den Transport von
Stoffen und auf Ozean- und Eisorganismen zu erwarten. Für
das Verständnis dieser Veränderungen ist eine umfassende
Gesamtaufnahme als Ausgangspunkt für Langzeitbeobachtungen notwendig.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich Zirkulation und
Eigenschaften der Wassermassen im Arktischen Ozean nachweisbar verändert. Wasser, das aus dem Nordatlantik in den
Arktischen Ozean gelangt, ist seit den frühen 1990er Jahren
wärmer geworden. Eine offene Frage ist, ob diese zusätzliche
Wärme dazu beigetragen hat, dass das arktische Meereis
abnimmt. Der Zufluss aus dem Atlantik ist auch salzhaltiger
geworden, aber zur gleichen Zeit hat auch die Süßwasserzufuhr in die Arktis zugenommen. Die verringerte Meereisbedeckung könnte im Gegenzug die Austauschbeziehungen
zwischen Ozean und Atmosphäre beeinflusst haben. Veränderte atmosphärische Bedingungen, z.B. die Arktische Oszillation, beeinflussen den Eintrag, die Speicherung und
Zirkulation von Süßwasser, das über Flüsse und Niederschlag
in den Arktischen Ozean gelangt.
• Steigt Atlantikwasser am Schelfrand auf, so dass es seine
Wärme abgeben kann?
• Wo vermischen sich die Wassermassen von Framstraße und
Barentssee und welche Anteile fließen in welchen Zeiträumen
innerhalb der verschiedenen Becken zurück in die Framstraße?
• Wie verläuft momentan die Süßwasser-Transpolardrift aus
dem Pazifik und den sibirischen Flüssen?
• Können wir einzelne Impulse von warmem Salzwassereintrag aus dem Atlantik feststellen und den Zeitablauf ihres
Rückflusses in den subarktischen Atlantik eingrenzen?
Zur Beantwortung dieser wesentlichen Fragen wurde im IPY
2007/08 neben anderen arktischen Expeditionen die Polarsternfahrt ARK-XXII/2 durchgeführt (Abb. 1), die insbesondere die eurasische und zentrale Arktis erfassen sollte. Um
dekadische Veränderungen zu erfassen, wurden im Eurasischen Becken Wiederholungsmessungen zu „Polarstern“und „Oden“-Kampagnen von 1991, 1993, 1995, 1996 und
2005 durchgeführt. Das ozeanographische Programm ist Teil
des EU-Projektes DAMOCLES (Developing Arctic Modelling
and Observation Capabilities for Longterm Environmental
Studies, vgl. Folge 10).
Warmes Wasser aus dem Atlantik strömt durch zwei
Meerengen in den Arktischen Ozean, zum einen durch die
Barentssee, zum anderen durch die Framstraße. Diese
Einströme sind von unterschiedlicher Temperatur und Dichte
(Salinität). Sie folgen primär als eng begrenzte Randströmungen dem Kontinentalrand und den morhologischen
Rücken des Arktischen Ozeans, die dadurch auch hydrographische Untersuchungen in hoher Auflösung erfordern. Neben
diesen Randströmen sind diese Einträge auch im übrigen
Bereich des Arktischen Ozeans erkennbar, der Einstrom durch
die Framstraße als obere „atlantische” Schicht, der Strom
durch die Barentsstraße als intermediäre Lage darunter.
Das Wasser im Arktischen Ozean – Offene Fragen
• Erreicht der wärmere Eintrag in die Barentssee die zentrale
Arktis?
• In welchem Ausmaß bleibt das Wasser der Framstraße im
Kontakt mit der Atmosphäre, während es an den kontinentalen
Abhängen und Rücken entlang fließt, und wo wird es durch
die Süßwasserschicht aus den sibirischen Flüssen von der
Atmosphäre isoliert?
Abb. 1: Logo der Polarstern-Expedition ARK-XXII/2 mit dem IPY-Programm SPACE (Synoptic Pan-Arctic Climate and Environment Study) und
dem EU-Programm DAMOCLES (Developing Arctic Modelling and Observing Capabilittiees for Long-term Eenvironment Studies.
121
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28.09.2009 15:01 Uhr
Seite 122
Zusätzlich leistete ARK-XXII/2 einen Beitrag zu einem internationalen Langzeitbeobachtungsprogramm von Ozean und
Meereis durch Eisbojen, die in diesem Jahr auf verschiedenen
Expeditionen erstmalig in großem Umfang arktisweit ausgebracht wurden.
Ein wesentlicher Bestandteil der Expedition war ein ChemieProgramm im Rahmen von GEOTRACES (Spurenstoffe in der
Arktis). Dabei kam erstmalig ein Ultra-clean-System zum
Einsatz, mit dem in großem Umfang effektiv Wasserproben
für Spurenmetalluntersuchungen genommen werden können.
Parallel dazu wurde ein breites Spektrum von natürlichen
Radioisotopen für Partikelflussuntersuchungen beprobt.
Untersuchungen der Wassersäule entlang von ProfilSchnitten
Die ursprüngliche Planung sah vor, dass ARK-XXII/2 vor
allem den eurasischen Sektor der Arktis abdeckt. Die unerwartet geringe Eisbedeckung des Sommers 2007 erlaubte
jedoch, die Untersuchungen bis weit ins Amerasische (Kanadische) Becken hinein auszudehnen. Die weit nach Norden
zurückgezogene Eisgrenze führte aber auch dazu, die
Messbojen sehr viel weiter im Nordwesten auszulegen als
eigentlich vorgesehen war.
Die Profilschnitte erstreckten sich von den Schelfgebieten der
Barents-, der Kara- und der Laptewsee über das Nansen-, das
Amundsen- und das Makarow-Becken bis über den AlphaMendelejew-Rücken in das Kanadabecken (Abb. 2). Auf allen
Schnitten wurden in engem Stationsabstand CTD-Profile
(Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoffgehalt und Fluoreszenz)
aufgenommen und eine Kombination von Standardproben
genommen.
Das erste Profilschnitt entlang 34°E nach Norden führte ins
Nansenbecken bis 84°30'N. Der zweite Schnitt verlief im
Osten entlang 61°E von 84°40'N aus nach Süden in Richtung
Franz-Joseph-Land. Der dritte Schnitt begann im östlichen
Voronintrog entlang etwa 86°E nach Norden. Nansenbecken,
Gakkelrücken, Amundsenbecken und Lomonossowrücken
wurden gequert. Über dem Lomonossovrücken wurde ein
Abstecher nach Norden gemacht, um den Tiefenwasseraustausch durch das so genannte Intrabecken an der Schwelle
zwischen Amundsen- und Makarowbecken zu untersuchen.
Anschließend wurde die Fahrt entlang des ursprünglichen
Schnittes bei etwa 88°N nach Osten ins Makarow-Becken
fortgesetzt.
Bei 87°51'N, 170°W wurde die erste Eisboje ausgebracht
(Abb 3). Nach dem Makarowbecken wurde der Alpharücken
bei 85°42'N, 135° W gequert und der Rand des Kanadabeckens bei 84°30'N, 138°25'W erreicht. Im Amerasischen
(Kanadischen) Becken wurde der CTD-Schnitt durch XCTDAbwürfe vom Helikopter aus um jeweils weitere 70 nm nach
Osten bzw. nach Süden verlängert. Vom südlichen
Alpharücken führte ein kurzer Schnitt über einen der Durchlässe zwischen Makarowbecken und Kanadabecken zum östlichen Ende des Mendelejewrückens. Der vierte Schnitt führte
über das Makarow-Becken, den Mendelejew-Rücken und den
Lomonossow-Rücken und diente primär dem Ausbringen von
Eisbojen. Der abschließende fünfte Schnitt wurde entlang des
mittelozeanischen Gakkelrückens durchgeführt, um ggf.
hydrothermal verursachte Wärmeanomalien zu lokalisieren.
122
Abb. 2: Lage der untersuchten Profilschnitte mit den CTD-Stationen. Die
Zahlen geben die Profilschnitte an. AB = Amundsenbecken, NB = Nansenbecken, MB = Makarowbecken, CB = Kanadabecken
Der Kontinentalrand wurde gequert und das Profil endete in
der Laptewsee.
Erste Ergebnisse
Der erste Profilschnitt entlang 34°E reichte von der
Barentssee bis fast zum Gakkelrücken. Hier wurde der
Einstrom atlantischen Wassers mit hoher Salinität (> 35.1) und
6 °C oberflächennaher Temperatur erfasst. Die polare Front
mit geringerer Salinität und Temperatur des Oberflächenwassers (bis 1,6 °C) lag am Südrand der Grand Bank.
Über dem Kontinentalabhang wurde durch die Framstraße
einfließendes Wasser mit wieder höheren Temperaturen und
Abb. 3: Ein internationales Team beim Ausbringen eine Eisboje. Die von der
Boje getragene Sonde misst jeden Tag ein Profil der Temperatur und des Salzgehalts bis in 800 m Tiefe und sendet die Daten per Satellit an Land (Foto: K.
Bakker, NIOZ).
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28.09.2009 15:01 Uhr
Seite 123
Salinität der obersten Schichten angetroffen. Unter 1000 m
wurden Arktisches Intermediäres Wasser (AIW) und das Nor
dische Tiefenwasser (NDW), beide mit geringerem Salzgehalt,
registriert. Weiter beckenwärts nahmen Salzgehalt und Temperatur des oberen atlantischen Wassers ab und Intrusionen
wurden registriert. Ein Temperaturminimum darunter ist auf
Barentsseewasser zurückzuführen.
Eine ähnliche Situation wurde auf den nördlichsten Stationen
des zweiten Schnitts angetroffen. Weiter im Süden dominierte
das wärmere und geringer salzhaltige, neu zugeflossene
Wasser. Dieser Zufluss aus der Barentssee kann möglicherweise eine verringerte Eisbildung verursachen.
Auf dem dritten Profilschnitt wurde in der nördlichen Karasee
hauptsächlich über den Barentsschelf eingeflossenes Wasser
angetroffen. Das Gebiet weiter nördlich ist gekennzeichnet
durch Wechselwirkungen der beiden einfließenden atlantischen Wasserkörper aus Barentssee und Framstraße. Vom
Gakkelrücken durch das Amundsen-Becken bis zum Lomonossowrücken erreichte die Temperatur der oberen atlantischen Schicht ein Minimum von ca. 1 °C und der Salzgehalt
war <34,9. Im kleinen Intrabecken auf dem Lomonos
sowrücken konnte kein Durchfluss von tiefem Wasser aus dem
Amundsenbecken ins Makarowbecken nachgewiesen werden;
im Gegensatz dazu findet in den höheren Teilen der Wassersäule solch ein Zufluss statt. Über dem Alpharücken wurden
bedeutende Veränderungen der Wassereigenschaften beobachtet, u.a. sank die Temperatur der oberen Schicht atlantischen Wassers auf 0,5-0,4 °C.
In den obersten Schichten des dritten Profilschnitts waren die
unterschiedlichen Süßwassereinträge in den Arktischen Ozean
gut zu beobachten. Im Nansenbecken ist die oberste Schicht
mit geringen Salzgehalten auf saisonales Eisschmelzen
zurückzuführen. Im Amundsenbecken konnte ein Einfluss von
Brackwasser aus den sibirischen Schelfen festgestellt werden,
welches durch die Mischung von Flusswasser und Wasser aus
der Barentssee entsteht. Über dem Lomonossowrücken und
dem Makarowbecken ist der Einstrom dieses Schelfwassers
noch stärker ausgeprägt. Über dem Alpharücken und dem
Karabecken schließlich stieg der Süßwasseranteil dramatisch
an, was durch pazifischen Zufluss erklärt wird. Ähnliche
Verhältnisse wurden auf vierten Profilschnitt angetroffen.
Auf dem fünften Profilschnitt entlang des Gakkelrückens
lagen die Temperaturen um 1 °C und der Salzgehalt bei <34,9
in der oberen atlantischen Schicht konstant. Das intermediäre
Barentsseewasser wurde zwischen 1000 und 2000 m durch
eine wärmere und salzigere Wassermasse unterbrochen.
In der Laptewsee hatte das Bodenwasser einen relativ hohen
Salzgehalt; erst die oberen 10-20 m zeigten hohe Süßwassergehalte durch die sibirischen Flüsse. Das Bodenwasser war
kalt (<-1,5 °C), darüber lagen die Temperaturen um 0 °C.
Fazit
Insgesamt war der Zustrom aus der Barentssee, als intermediäre Schicht unter dem Atlantikwasser, durch ein starkes
Salzgehaltsminimum gekennzeichnet. Allerdings änderte sich
die Salinität räumlich sehr stark, so dass angenommen werden
muss, dass der Zustrom zeitlich stark variiert und die Salinität
des Barentsseewassers in den letzten Jahren möglicherweise
zurückgegangen ist.
Das Atlantikwasser aus der Framstraße wurde vom dritten
zum fünften Profilschnitt, d.h. zwischen dem östlichen Karaseeabhang und der westlichen Laptewsee, kälter und süßer.
Diese Veränderung hängt möglicherweise zum Teil mit einer
Vermischung der beiden Zuströme und zum Teil mit Rückflüssen aus dem Nansenbecken zusammen. Diese Beobachtung deckt sich mit den Intrusionen und Wechsellagen, die in
der kälteren und weniger salinen Atlantikschicht in der Framstraße in den ersten drei Profilschnitten beobachtet worden
waren.
Links: <http://www.geotraces.org/>
<http://www.damocles-eu.org>
Kontakt: Dr. Ursula Schauer, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven, <[email protected]>
Zusammenstellung: Ursula Schauer und Monika Huch.
123
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28.09.2009 15:01 Uhr
Seite 125
Polarforschung 78 (2), 125 – 127. 2008 (erschienen 2009)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 21:
Studenten-Expeditionen im Internationalen Polarjahr –
StudEx –
Die Idee dahinter – Ziele und Vorbereitung
Eines der generellen Prinzipien des Internationalen Polarjahres 2007/08 war die Gewinnung und Ausbildung einer
nächsten Generation von Polarwissenschaftlern. Die Arbeitsgruppe Polar- und Ornitho-Ökologie des Instituts für Ökologie
der Friedrich-Schiller-Universität Jena schreibt sich dieses
Anliegen seit Anfang der 1990er Jahre auf ihre Fahnen. So war
es eine logische Folge, zum IPY mit russischer Unterstützung
eine größere Expedition in die russische Antarktisstation
„Bellingshausen” zu organisieren.
Ziel der Studenten-Expedition in die Antarktis war es, ein
interdisziplinäres Team auszuwählen, das die Bereiche terrestrische Biologie, insbesondere Botanik und Ornithologie, aber
auch Marine Biologie einschließlich Robben, Geographie und
Geologie abdecken konnte.
Nachdem die Übernahme eines Großteiles der Reisekosten für
die Teilnehmer geklärt werden konnte, wurde die Expedition
auf der deutschen IPY-Internetseite www.polarjahr.de ausgeschrieben. Die Deutsche Gesellschaft für Polarforschung, der
Deutsche Akademische Austauschdienst, die FriedrichSchiller-Universität und ein privater Sponsor machten dies
möglich. Aus der Vielzahl der Bewerber wurden letztendlich
14 Studierende aus vier Nationen als Teilnehmer der
Studenten-Expedition ausgewählt. Neben Studierenden aus
Jena, Tübingen, Würzburg und Leipzig waren auch junge
Russen, Luxemburger und Argentinier dabei.
Der Expedition ging eine intensive Vorbereitungsphase
voraus. Dazu gehörte nicht nur die logistische Seite einschließlich der Einkleidung im Alfred-Wegener-Institut in
Bremerhaven, sondern auch die Beschaffung von Geräten und
Materialien und die ärztliche Untersuchung. Besonders
wichtig waren gemeinsame Seminare, an denen auch einige
ausländische Studierende teilnehmen konnten.
Erfahrungen sammeln
Die Weihnachtszeit ist für Polarforscher, die in der Antarktis
arbeiten, traditionell Reisezeit. Am Heiligabend flog der erste
Teil der Gruppe in Richtung Südamerika ab, um von Ushuaia
aus die Antarktis per Schiff zu erreichen. Anfang Januar kam
wenige Tage später eine zweite Gruppe auf King George
Island an. In der Station Bellingshausen (Abb. 1) wurden die
Studierenden herzlich empfangen. Als Unterkunft wurde ein
Abb. 1: Expeditionsteilnehmer vor dem Hauptgebäude der russischen Bellingshausen-Station auf King George Island (Foto: Archiv Peter).
Gebäude unweit der russischen Kirche auf dem Berg zur
Verfügung gestellt.
Der Aufenthalt im Gebiet war in drei Schwerpunkte geteilt.
Die Studierenden führten zuerst Exkursionen auf der FildesHalbinsel durch, um das Untersuchungsgebiet kennenzulernen, sich aber auch einen Überblick über die Geologie,
Geomorphologie, Botanik und Zoologie des Gebietes zu
verschaffen (PETER et al. 2008a).
Darüber hinaus fanden Besuche in den umliegenden Antarktisstationen Great Wall / China, Artigas / Uruguay und Escudero / Chile) statt, um sich mit den Forschungsprogrammen
der einzelnen Länder vertraut zu machen. Außerdem halfen
die Studierenden abwechselnd den russischen Kollegen bei
ihren Feldarbeiten, um Einblicke in die laufenden Forschungsprogramme hautnah zu erleben. Im meeresbiologischen
Programm wurde die Verbreitung des Zooplanktons sowohl in
der Maxwellbucht als auch im nahe gelegenen Süßwassersee
Kitesh, aus dem die Station auch im Winter ihr Trinkwasser
bezieht, untersucht. Die russischen Ozeanographen maßen
vom Schiff aus im Abstand von zehn Tagen Temperatur, Salinität und Dichte des Meerwassers in der Maxwell Bay. Die
Datenerhebung erfolgte mit Hilfe einer Sonde, die automatisch in verschiedenen Tiefen Messungen macht. Die Daten
werden im Hydrologischen Institut in St. Petersburg ausgewertet.
Ein Schwerpunkt des glaziologischen-Programms war die
Bestimmung der Dichte der Schneeschicht, die auf dem Eis
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des Collins-Gletschers aufliegt. Die Erfassung der akkumulierten Schneemenge ist ein wichtiger Parameter zur Massenbilanz des Gletschers. Tendenziell ist in den letzten Jahren ein
leichter Rückgang festzustellen. Der Rückzug der Gletscher
auf King George Island ermöglichte auch, nun freigelegte
Fossilien zu kartieren. Die Ergebnisse tertiärer Florenfunde,
die als Abdrücke in vulkanoklastischen Sedimenten, als
inkohlte Pflanzenreste bzw. als verkieselte Hölzer vorliegen,
konnten nach der Expedition für die Neuausweisung des ASPA
125 (Antarctic Specially Protected Area) zur Verfügung
gestellt werden (PETER et al. 2008b).
Wichtigster Teil der Expedition waren eigene Feldarbeiten der
Studierenden in kleinen Gruppen, die insbesondere die
Auswirkung der Klimaveränderung auf die antarktische Flora
und Fauna zum Ziel hatten. Im Westen der Antarktischen
Halbinsel erfolgt der Temperaturanstieg intensiver als im Weltdurchschnitt. Die in den Pinguinkolonien auf Ardley gesammelten Daten bestätigen die langjährigen Beobachtungen der
Jenaer Polarökologen, dass die Bestände von Adelie- und
Zügelpinguin dramatisch zurückgehen. Vor 20 Jahren brüteten
noch etwa 1500 Adelie-Pinguine auf Ardley, während es jetzt
nur noch 300 bis 400 sind. Auch wenn der Winter 2007 der
kälteste seit 20 Jahren war, lassen die steigenden Durchschnittstemperaturen das antarktische Meereis in dieser
Region schmelzen. Mit dem Meereis verschwinden auch
Kieselalgen, die an der Eisunterseite wachsen. Ohne diese
Algen gibt es im Winter deutlich weniger Krill – die Hauptnahrungsquelle für die Adelie- und Zügel-Pinguine.
Doch auch der direkte menschliche Einfluss spielt eine immer
größere Rolle. Die Forschungsstationen vor Ort wachsen und
werden nicht nur von Wissenschaftlern bewohnt. Mittlerweile
gibt es hier einen regelrechten „Tourismusboom”. Gerade in
den Sommermonaten – der Brutzeit von Pinguinen und
anderen antarktischen Vögeln – herrscht auf den Landebahnen
in der Nähe der Stationen Hochbetrieb. Die Folge: Die Riesensturmvögel verlassen ihre angestammten Brutplätze um in
ruhigere Gebiet auszuweichen.
Auch an der Vegetation lassen sich die Veränderungen des
Klimas deutlich ablesen. Die wärmeren und längeren antarktischen Sommer haben beispielsweise zu einer enormen
Abb. 3a-b: Verbreitung der Antarktischen Schmiele Deschampsia antarctica
auf Fildes Peninsula, King George Island (olivgrüne Kreisflächen). Bestand
von 1984, grün-kartiertes Gebiet (3a), und Bestand 2008, gelb-kartiertes Gebiet (3b, auf gegenüberliegender Seite).
Verbreitung der Blütenpflanze Deschampsia antarctica
(Antarktische Schmiele) geführt. Die Zunahme der Schmiele
ist ein Indikator für Veränderungen im terrestrischen antarktischen Ökosystem. Die Studenten haben während ihres
Forschungsaufenthaltes eine GPS- und GIS-gestützte Kartierung des Vorkommens dieser Pflanze vorgenommen (Abb. 2),
deren Verbreitung auf Fildes vorher schon dreimal (1984/85,
2000/01 und 2004/06) untersucht worden war. Der zunehmende Trend hat sich bestätigt (Abb. 3a, 3b).
Ein weiterer Programmpunkt war die Zählung der Robben
(Südlicher See-Elefant, Seebär, Seeleopard, Weddellrobbe und
Krabbenfresser) entlang der Küstenlinie von Fildes und
Ardley. Die häufigsten Arten waren See-Elefanten und
Seebären, letzere sogar mit zwei Jungtieren nahe der russischen Schutzhütte Priroda.
Ein Doktorand arbeitete auf Fildes Peninsula, um die
Nahrungssuche und Wanderung antarktischer Raubmöwen
(Skuas) zu untersuchen (Abb. 4). Das von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft unterstützte Projekt der Jenaer PolarOrnithologen untersucht den Einfluss lokaler und regionaler
Klimaveränderung auf die Ressourcennutzung und das Brutverhalten dieser Vögel.
Abb. 2: Kartierung der Antarktischen Schmiele, einer von zwei Blütenpflanzenarten auf King George Island (Foto: H.-U. Peter)
126
Nach ihrer Rückkehr haben die Studenten und Wissenschaftler
ihre Ergebnisse in einem gemeinsamen Forschungsbericht
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zusammengefasst. Zwei Teilnehmerinnen berichteten auf der
23. Internationalen Polartagung im März 2008 in Münster
über die Ergebnisse. Das Tagebuch der Studenten im Internet
ist immer noch offen, d.h., Interessierte können sich über
Details informieren.
Literatur
Geringhausen, U., Bräutigam, K., Mustafa, O. & Peter, H.-U. (2003): Expansion of Antarctic vascular plants on an Antarctic island – a consequence of climate change?- Proc. VIII SCAR Internat. Biology Sympos.
Amsterdam, 79-83.
Peter, H.-U. , Braun, C., Mustafa, O. & Pfeiffer, S. (2008a): Vögel der Antarktis – Ökologische Langzeitstudien auf der Fildes-Halbinsel (King
George Island).- Meer und Museum 20: 143-156
Peter, H.-U., Buesser, C., Mustafa, O. & Pfeiffer, S. (2008b): Evaluierung des
Gefährdungsgrades der Gebiete Fildes Peninsula und Ardley Island und
Entwicklung der Managementpläne zur Ausweisung als besonders
geschützte oder verwalteten Gebiete. German Federal Environmental Agency 20/08, 344 + 163 pp.
Links: <http://www.dgp-ev.de>, Deutsche Gesellschaft für Polar-forschung.
<http://www-polarjahr.de>, deutscher Internetauftritt zum Internationalen Polarjahr 2007/08.
<http://www.uni-jena.de/antarktistagebuch>, Expeditionstagebuch der
Studierenden.
Kontakt: Dr. Hans-Ulrich Peter, Arbeitsgruppe Polar- und Ornitho-Ökologie,
Institut für Ökologie, Friedrich-Schiller-Universität, Dornburger Str. 159,
07743 Jena, <[email protected]>
Zusammenstellung: Dr. Hans-Ulrich Peter und Monika Huch
Abb. 4: M. Kopp beim Wiegen an einer jungen Skua mit einer Federwaage
(Foto: H.-U. Peter).
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Polarforschung 78 (2), 129 – 132. 2008 (erschienen 2009)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 22:
Permafrost und der globale Klimawandel
Permafrost – dauerhaft gefrorener Boden
Permafrost bildet sich in Gebieten mit einer sehr niedrigen
Jahresmitteltemperatur und ist definiert als Untergrund
(Boden und/oder Festgestein einschließlich Eis oder organisches Material), der über mindestens zwei aufeinander
folgende Jahre ständig unter 0 °C bleibt. In der Arktis und in
den nicht vergletscherten Gebieten der Antarktis ist
Permafrost ein allgemein bekanntes Phänomen. Die Mächtigkeit des Permafrosts variiert weltweit zwischen weniger als 1
m und einigen hundert Metern und kann in Zentralsibirien
sogar mehr als 1500 m erreichen. In vielen Regionen der
Arktis ist sogar unter den heutigen Schelfmeeren Permafrost
anzutreffen. Während Zeiten mit Meeresspiegeltiefständen,
also in den Glazialzeiten der Eiszeiten, lagen weite Schelfgebiete der Arktis trocken und es bildete sich Permafrost, der
auch heute – nach der Überflutung dieser Gebiete – als submariner Permafrost überdauert.
Abb. 1: Im kontinuierlichen Permafrostboden bilden sich Pingos, wenn das
Wasser austrocknender Seen gefriert und dabei feines Sediment nach oben gedrückt wird (Foto: J. Boike).
Der Prozess des Gefrierens führt dazu, dass sich das Eisvolumen um ca. 10 % vergrößert – Eis wächst zum Beispiel
hügelartig aus dem Boden heraus. Solche Erscheinungen, die
in Alaska und im Nordwesten Kanadas häufig vorkommen,
werden Pingos genannt (Abb. 1). Sie können bis zu mehrere
Tausend Jahre alt sein und „leben” von dem saisonalen
Wechsel von Gefrieren und Auftauen. Eine weitere charakteristische Form des Eises im Permafrost sind Eiskeile, die durch
Frostrisse im Boden wachsen (Abb. 2). Im Frühjahr werden
diese Risse von Schmelzwasser gefüllt, das zu Eisadern
gefriert. Wiederholt sich dieser Vorgang alljährlich, so kommt
es zur Ausbildung von Eiskeilen, die den Permafrostboden wie
ein Netzwerk durchziehen. Im Luftbild ist diese netzartige
Struktur der Eiskeil-Polygone sehr gut zu erkennen (Abb. 3).
Reaktion von Permafrost auf Erwärmung
Der Prozess des Auftauens erfasst in den Sommermonaten die
Oberfläche der Permafrostgebiete und erreicht je nach Klimabedingungen und Bodenbeschaffenheit eine Tiefe von 50 cm
bis einige Meter. Die Dicke der Auftauschicht hängt dabei
stark von der Lufttemperatur, der Schneebedeckung und der
Vegetation ab. An der Oberfläche entsteht ein Wasserstau, da
das Schmelzwasser wegen des gefrorenen Unterbodens nicht
versickern kann. Der entstehende Auftauboden ist daher
besonders stark wasserdurchtränkt und sehr beweglich. Schon
bei geringer Hangneigung kommt es zum Bodenfließen (Solifluktion).
Abb. 2: Eiskeil im Permafrostboden in der sibirischen Arktis (Foto: D. Wagner).
Seit den späten 1960er Jahren werden an vielen Stellen in der
Arktis, aber auch in Hochgebirgen, Veränderungen des
Permafrosts durch Erwärmung beobachtet; Neubildung von
Permafrost ist dagegen nur minimal. Eine anfängliche Erwärmung der Permafrostoberfläche führt dazu, dass die untere
Grenze der Auftauschicht zunächst weiter nach unten wandert.
Erst wenn die Erwärmung anhält, wird sie sich bis in tiefere
Permafrostschichten auswirken.
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Arktis, wo eine reiche Vegetation und menschliche Besiedlung
vorkommt, das fünfte Projekt mit der unbesiedelten Antarktis.
An allen diesen Projekten haben sich deutsche Wissenschaftler
maßgeblich beteiligt und die nachfolgend skizzierten
Forschungsthemen bearbeitet.
Abb. 3: Tundra mit Eiskeil-Polygonen im Lena-Delta, sibirische Arktis (Foto:
K. Piel). Datei: Polygone-Piel.jpg
Thermal State of Permafrost – TSP Hierzu wurden mit deutscher Beteiligung im Wesentlichen zwei Themen intensiv
bearbeitet.
• Langzeitmessungen auf Samoylov im Lena-Delta: Um
besser verstehen zu können, warum Permafrost an manchen
Stellen taut, wie beispielsweise auf Spitzbergen, und an
anderen nicht, werden vor allem die Transportprozesse von
Wärme und Wasser in verschiedenen arktischen Ökosystemen
untersucht. Darauf aufbauend soll ein prozessgesteuertes
Modell für die in der Arktis vorherrschenden Permafrostsysteme entwickelt werden, um die Abläufe im Untergrund
besser vorhersagen zu können. Neben Samoylov (Abb. 4)
fanden Untersuchungen auf Spitzbergen (Ny Alesund) und in
der hohen kanadischen Arktis am Polar Bear Pass statt.
Eine nicht zu unterschätzende Konsequenz durch tauenden
Permafrost ist die Emission von Gasen, die aus mikrobiologischen Prozessen stammen, also vor allem Kohlendioxid und
Methan. Durch tauenden Permafrost können sich die Vegetationszonen (z.B. die Baumgrenze) weiter nach Norden
verschieben und damit das gesamte arktische Ökosystem
verändern. Großflächig sind die Beobachtungen von tauendem
Permafrost eher indirekt und orientieren sich an Veränderungen der Vegetation von Tundra und Wäldern, an der Absenkung des Bodens, dem Vernässen einer Landschaft oder auch
dem Verschwinden von Seen (siehe Folge 19 – Studenten am
Polarkreis).
Sichere Prognosen zur Veränderung von Permafrost erfordern
umfangreiche Geländeuntersuchungen und Beobachtungen
aus der Luft und dem Weltraum mit Hilfe von Flugzeugen und
Satelliten, und zwar möglichst über lange Zeiträume. Wichtig
ist eine weltweite Langzeitbeobachtung des Temperaturstatus
des Permafrosts (TSP) in den verschiedenen Landschaften der
Permafrostgebiete, um die hydrologischen Beziehungen und
die zukünftigen Veränderungen in der Permafrostverbreitung
besser zu verstehen, damit sie in globale und regionale
Modelle einfließen können.
Deutsche Mitarbeit
Forschung im IPY
an
Projekten
zur
Permafrost-
Die International Permafrost Association (IPA) hat zum IPY
2007/08 eine Reihe von Projekten initiiert, die ein breites
Spektrum der Permafrost-Forschung abdecken und an denen
deutsche Wissenschaftler beteiligt sind. Dies sind die Projekte
(1) TSP – Thermal State of Permafrost.
(2) CAPP – Carbon Pools in Permafrost Regions.
(3) ACCOnet – Arctic Circumpolar Coastal Observatory
Network.
(4) Past Permafrost Records in Arctic Siberia als Teilthema
von BIPOMAC (vgl. Folge 7).
(5) ANTPAS – Antarctic Permafrost and Periglacial Environments.
Die ersten vier Projekte befassen sich mit dem Permafrost der
130
Abb. 4: Messfeld an der Samoylov-Station im Lena-Delta, Sibirien im August
2008 (Foto: H.W. Hubberten).
• Temperaturstatus des Permafrost in Bohrungen
Gemeinsam mit russischen Kollegen wurden vom AlfredWegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI)
mehrere Bohrungen im sibirischen Permafrost abgeteuft und
mit Thermistorketten instrumentiert.
a) Mamontovy Klyk. Während der Bohrkampagne COAST
2005 wurden im Rahmen des Projektes System Laptewsee
eine Reihe von Bohrungen, ausgehend von der Küste bis ca.
12 km in das Meer hinein, vom Meereis gebohrt. Das 77 m
tiefe Bohrloch am Kap Mamontovy Klyk (Mammut-Eckzahn),
zwischen den Flüssen Olenok und Anabar an der Küste der
Laptewsee gelegen, wurde mit einer Thermistorkette versehen
und registriert seitdem die Permafrosttemperaturen. Die Daten
werden alle zwei Jahre an Land ausgelesen und die Datenlogger neu gestartet (Abb. 5).
b) Elgygytgyn-See, Tschukschen-Halbinsel, Ostsibirien. In
der ersten Phase des deutsch-russisch-amerikanischen Bohrprojektes Elgygytgyn-See wurde im November/Dezember
2008 eine Bohrung in den Permafrost in der Umgebung des
Kratersees abgeteuft, aus der ein 141 m langer Bohrkern mit
gefrorenen Permafrostablagerungen gewonnen wurde. Diese
Bohrung wurde mit einer Thermistorkette instrumentiert und
wird in Zukunft kontinuierlich Temperaturdaten liefern, die in
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begonnen (Abb. 7). Es sollen Veränderungen der arktischen
Küste quantifiziert werden, um daraus digitale Geländemodelle zu errechnen und die Einträge an Sediment, Kohlenstoff
und Schadstoffen in die arktischen Küstenmeere und den
Ozean abschätzen zu können (Abb. 8). Dieses Vorhaben wird
von der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA durch die
Bereitstellung von 350 detaillierten Satellitenbildern ausgewählter Küstenbereiche des Arktischen Ozeans unterstützt.
Abb. 5: Paul Overduin und Conrad Kopsch (AWI Potsdam) beim Auslesen der
Temperaturdaten im August 2008 (Foto: H.W. Hubberten).
Abb. 7: Satelliten-Karte der Arktis mit den 41 Stationen, die zum Arctic Circumpolar Coastal Observatory Network (ACCOnet) gehören (Karte: H. Lantuit, 2008).
Abb. 6: Lutz Schirrmeister und Georg Schwamborn bei ersten Temperaturmessungen im Bohrloch des Elgygytgyn-Sees im November 2008 (Foto: B.
Chapligin).
das Global Terrestrial Network Permafrost (GTN-P) einfließen
werden (Abb. 6).
CAPP – Carbon Pools in Permafrost Regions – CAPP
Unter den feuchtkalten Bedingungen arktischer Permafrostgebiete reichert sich abgestorbenes und gefrorenes Pflanzenmaterial im Permafrostboden an. Schätzungen gehen davon aus,
dass etwa ein Drittel des weltweit in Böden gespeicherten
organischen Kohlenstoffs im Permafrost gespeichert ist. Ein
Teil dieses Kohlenstoffs wird selbst unter Permafrostbedingungen durch Mikroorganismen zu Treibhausgasen wie
Methan und Kohlendioxid umgewandelt. Ein geringer Anstieg
der Temperatur beispielsweise von -6 auf -3 °C bewirkt dabei
schon einen deutlichen Anstieg der Methanbildung. Dies sind
erste Hinweise darauf, dass bei einer weiteren zunehmenden
Erwärmung der Arktis die Freisetzung des Treibhausgases
Methan ansteigen könnte.
Arctic Circumpolar Coastal Observatory Network –
ACCOnet
In internationalem Verbund wurde mit der Einrichtung eines
zirkumarktischen Netzwerks von Küstenobservatorien
Abb. 8: Rückschreitende Erosion an der Yukon-Küste, Herschel-Insel, Beaufortsee, Kanada, die durch auftauenden Permafrost verursacht wird. Durch
diese Rutschmassen gelangen episodisch Sediment und Kohlenstoff in das
Schelfmeer. Das Küstenkliff im Bild bestehen fast völlig aus Eis und sind
mehr als 20 m hoch (Foto: H. Lantuit).
Past Permafrost records in Arctic Siberia als Teil von
BIPOMAC (vgl. Folge 7).
Im Rahmen dieses Projekts wurden in den Sommern 2007 und
2008 in Nordostsibirien zwei gemeinsame russisch-deutsche
Landexpeditionen an der Dimitrii-Laptewstraße (Bol'shoy
Lyakhovsky Insel, Oyogos Yar Küste) und an der unteren
Kolyma (Duvanny Yar, Abb. 9) mit zehn bzw. sechs Teilnehmern durchgeführt.
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Antarctic Permafrost and Periglacial Environments –
ANTPAS
Die Antarktis stellt aufgrund ihrer geographisch isolierten
Lage und wegen des geringen anthropogenen Einflusses ein
natürliches Labor für die Untersuchung zur Entwicklung
mikrobieller Lebensgemeinschaften in Böden dar. Im Rahmen
des IPY wurden zwei Expeditionen, eine in die klimatisch
gemäßigte Region der antarktischen Halbinsel, und eine in die
klimatisch extremere Ostantarktis (Abb. 10), durchgeführt.
Erste Untersuchungen zeigen eine hohe Diversität der Mikroorganismengemeinschaften in den verschiedenen Untersuchungsgebieten, obwohl die Böden wenig entwickelt und
durch geringe Nährstoffgehalte sowie sehr trockene Verhältnisse gekennzeichnet sind.
Abb. 9: Eisreicher Permafrost am Standort Duvanny Yar am östlichen Ufer der
Kolyma. Die Permafrostabfolgen werden als Umweltarchiv betrachtet, da in
ihnen zahlreiche fossile Reste der Pflanzen- und Tierwelt eingefroren sind
(Foto: S. Wetterich).
Die dabei untersuchten Permafrostabfolgen enthielten sowohl
Spuren warmzeitlicher Permafrostdegradation (z.B. eemzeitliche sowie holozäne Eiskeilpseudomorphosen, Seesedimente
und Torfablagerungen) als auch eisreiche Schichten mit
großen Eiskeilen, die während der Saale- und der WeichselKaltzeit gebildet wurden. Umfangreiches Probenmaterial wird
derzeit analysiert, um das Bild der Permafrostdynamik in der
sibirischen Arktis während Klimaschwankungen in der
Vergangenheit zu erhalten. Erste Ergebnisse zeigen die
Entwicklung von Thermokarstsenken in Abhängigkeit von
spätquartären Klimaschwankungen.
Literatur
Brown, J., Ferrians Jr., O.J., Heginbottom, J.A. & Melnikov, E.S. 1998: revised
February 2001. Circum-Arctic map of permafrost and ground-ice conditions. Boulder, CO: National Snow and Ice Data Center/World Data
Center for Glaciology. Digital Media.
Burgess, M.M., Smith, S.L., Brown, J., Romanovsky, V. & Hinkel, K. 2000: The
Global Terrestrial Network for Permafrost (GTNet-P): Permafrost monitoring contributing to global climate observations.- In: Current Research
2000E, Geol. Surv. Canada.
Links: <www.ipy.org/index.php?/ipy/detail/past>
<www.ipa-permafrost.org> International Permafrost Association IPA
<permafrost records in arctic siberia/> Spuren von altem Permafrost.
<www.awi.de/en/go/sparc> zu Thermal State of Permafrost.
Kontakt: Prof. Dr. Hans-Wolfgang Hubberten, Alfred-Wegener-Institut für
Polar- und Meeresforschung, Telegrafenberg A43, 14773 Potsdam, <[email protected]>
Zusammenstellung: Julia Boike, Hans-Wolfgang Hubberten, Hugues
Lantuit, Paul Overduin, Lutz Schirrmeister, Dirk Wagner und Monika Huch.
Abb. 10: Blick vom Feldlager über die küstennahen eisfreien Gebiete der Larsemann-Berge, Prydz-Bucht, Ostantarktis (Foto: D. Wagner).
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Polarforschung 78 (2), 133 – 136. 2008 (erschienen 2009)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 23:
Neumayer-Station III - die neue Forschungsplattform in
der Antarktis
Die Neumayer-Station III (70° 40,8’ S; 08° 16,2’ W) auf dem
Ekström-Schelfeis in der Antarktis wurde am 20. Februar
2009 nach einer Bauzeit von sieben Monaten, verteilt über
zwei antarktische Sommerperioden, in Betrieb genommen
(Abb. 1). Der wissenschaftliche und technische Pilotbetrieb
begann mit der ersten Überwinterung – der 29. in Folge auf
dem Ekström-Schelfeis – mit der Stationsübergabe am 28.
Februar 2009. Der Bau der Neumayer-Station III war für die
deutsche Polarforschung das aufwändigste innovative
Vorhaben technisch-logistischer Art, welches während des
IPY realisiert werden konnte.
Mit der auf modernstem Stand der Technik gehaltenen
Neumayer-Station III und ihren wissenschaftlichen Observatorien leistet Deutschland einen wesentlichen Beitrag, damit
auch zukünftig die Verpflichtungen im antarktischen Vertragssystem und im Rahmen der internationalen Polarforschung mit
angemessenem Gewicht wahrgenommen werden können.
Darüber hinaus wird die politische Verpflichtung erfüllt, den
Betrieb einer der vier antarktischen Infraschall-Messstationen
zur weltweiten Kontrolle des Atomwaffen-Teststoppabkommens (CTBT) weiterhin langfristig sicher zu stellen.
Abb. 1: Neumayer-Station III am Tag der Einweihung, 20. Februar 2009. Das
etwa 2.600 t schwere Bauwerk ist im Eis gegründet. Die Plattform ist 68 m
lang und 24 m breit. Sie befindet sich 6 m über der Schneeoberfläche. Hier
sind die wissenschaftlichen und technischen Einrichtungen untergebracht. Die
Gesamthöhe einschließlich Ballonhalle auf dem Dach beträgt 21 m. Die Garagensektion unter der Schneeoberfläche ist 76 m lang, 26 m breit und 8 m tief.
Über eine Rampe an der Nordseite können die Fahrzeuge in die Garage gefahren werden (Foto: U. Cieluch, AWI).
Das EkströmSchelfeis ist für die deutsche Antarktisforschung
der zentrale Standort, an dem 1981 die erste Georg-vonNeumayer-Station eingeweiht wurde (Abb. 2). Zur Aufrechterhaltung des kontinuierlichen wissenschaftlichen Betriebes war
bereits 1992 der Nachfolgebau Neumayer-Station II notwendig geworden. Dieses Bauwerk ist nach 17 Jahren
Betriebszeit über 12 m im akkumulierten Schnee verschüttet
und musste wie die 1981 erbaute Station wegen der zunehmenden Schneelast und der einwirkenden Scherkräfte des
fließenden Eises aus bautechnischen Gründen aufgegeben
werden. Die in dieser Zeit gesammelten Erfahrungen zeigten,
dass die so genannte Röhrenkonzeption für einen nachhaltigen
Stationsbetrieb an grundsätzliche bautechnische Grenzen
stößt.
Bautechnische Konzeption
Bei der Konzeption der Neumayer-Station III wurden neue
Wege beschritten, damit sowohl die baulichen Anforderungen
an eine nachhaltige Lebenszeit des Gebäudes sowie auch an
die moderne Ausstattung für Forschung und Logistik, an
verbesserte Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Überwinterung und an die Unterbringung von zusätzlichem Personal in
Abb. 2: Positionen der Vorgängerstationen Georg-von-Neumayer und Neumayer II und Neumayer-Station III auf dem Ekström-Schelfeis. Die NM III
bewegt sich mit dem Eisstrom etwa 157 m/Jahr mit Richtung 355°. In etwa 30
Jahren wird sich ihre jetzige Position (70° 40,8’ S, 08° 16,2’ W) um etwa 5 km
ändern (D. Enss, Ing. Büro für Bau-und Polartechnik).
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den Sommermonaten erfüllt werden können.
Die Neumayer-Station III besteht aus einer Sektion unterhalb
und einer Plattform in 6 m Höhe oberhalb der Schneeoberfläche (Abb. 1). Die Realisierung dieser Kombination war eine
bautechnische Herausforderung. Die Statik der Stahlkonstruktion muss einerseits über die notwendige Flexibilität zur
Aufnahme der Deformationskräfte durch den Eisfluss und
andererseits auch über eine ausreichende Stabilität zur
Aufnahme der Windlasten verfügen. Über die Außenhülle der
Plattform wirkt bei einer Windgeschwindigkeit von 174 km/h
– die bislang höchste gemessene Windgeschwindigkeit – eine
statische Windkraft von 260 t auf die Stahlkonstruktion ein.
Kurzfristig muss die Außenhülle sogar örtlich begrenzten
Windlasten bis zu 345 t widerstehen.
Insgesamt wurden 1400 t Stahl in das Bauwerk verbaut. Die
Konstruktion besteht aus 128.000 Einzelteilen, die mit 16.000
Schrauben (13 t) verschlossert sind. Das Konstruktionsgewicht beläuft sich auf etwa 2.300 t. Hinzu kommt eine mittlere
Verkehrslast von 255 t, die die Besatzung und sämtliche
Betriebsmittel einschließlich Treibstoffe umfasst. Das gesamte
Bauwerk ist so etwa 2.600 t schwer. Diese Last wird über 16
Stützen auf die Fundamentplatten mit einer Gesamt-Sohlfläche von 208 m2 geleitet und über diese Fläche in den
Schneegrund abgetragen. Die mittlere Belastung des Schnees
unter den Fundamentplatten beträgt 12,4 t/m2. In die Stützen
sind hydraulische Bipod-Zylinder eingebaut, die in zwei
Ebenen V-förmig angeordnet und oben und unten gelenkig
gelagert sind (Abb. 3). Dadurch können auch Horizontallasten
aus allen Richtungen in den Untergrund abgeleitet werden,
während gleichzeitig ungleiche, differentielle Fundamentsetzungen und horizontale Fundamentverschiebungen durch das
sich bewegende Eis keine ungünstige Biegung in den Stützen
erzeugen können. Einmal im Jahr wird das Bauwerk als
ganzes angehoben und so wieder an die gewachsene Schneeoberfläche angeglichen. Mit diesem flexiblen Tragsystem und
seinen integrierten hydraulischen Hebevorrichtungen weicht
man den durch den Eisfluss einwirkenden Scherkräften aus,
statt ihnen wie bisher mit steifen, schweren Konstruktionen zu
begegnen. Das ist ein grundsätzlich neuer Ansatz in der Polararchitektur, der für ein Bauwerk auf Schelfeis die Lebenszeit
nicht mehr einschränkt.
Wissenschaftlicher und technischer Ausbau
Die Laborkapazität und die technische Ausstattung der
Neumayer-Station III sind für einen langfristigen Forschungsbetrieb ausgelegt. Die Messprogramme der Observatorien, die
seit 1981 durchgeführt werden und kontinuierlich Daten in
internationale Netzwerke liefern, sind auch an der neuen
Station der wissenschaftliche Schwerpunkt. Beim Umzug
wurden die Messstationen der Observatorien im Umfeld der
Station neu eingerichtet. Die Labore sind mit modernsten
Geräten ausgestattet und an leistungsfähige Datenverarbeitungssysteme und Kommunikationsanlagen angeschlossen.
Eine Satellitenverbindung gewährleistet die Übertragung
großer Datenmengen in die international organisierten Netzwerke und ermöglicht auch die Kommunikation per E-Mail
und Telefon sowie den Zugang zum Internet.
Die wissenschaftlichen und technischen Einrichtungen sind in
vier Ebenen untergebracht. In der Garage (Deck U2) stehen
die Fahrzeuge und anderes Großgerät. In die Stahlkonstruktion
134
Abb. 3: In der Garage befinden sich die 16 Stützen, die als Bipoden mit je
zwei Hydraulikzylindern ausgebildet sind. Das flexible Tragsystem gleicht
Fundamentsetzungen aus, leitet horizontale Lasten in den Schneegrund ab und
einmal im Jahr wird damit das Bauwerk als ganzes angehoben. Anschließend
werden die Fundamentplatten nacheinander angehoben und mit Schnee unterfüttert (Foto: U. Cieluch, AWI).
des Decks U1, die mit dem Garagendach abschließt, sind
Lagerräume, Werkstatt, die Hydraulikpumpen und die Schneeschmelze integriert. Auf der Plattform sind in zwei Decks (D1
und D2) insgesamt 100 Module installiert. Diese sind als
wissenschaftliche Labore, Arbeitsräume für das technische
Personal, Unterkünfte, Sanitäreinrichtungen und den Sozialbereich für zehn Überwinterer und 40 Sommergäste eingerichtet.
Hier befinden sich auch Küche, Messe, Lounge und Hospital.
Ebenso sind die Kraftstation, die gesamte Gebäudeleittechnik,
Klimatisierungs- und Belüftungsanlagen, Warmwasserbereitung und Abwasserbehandlung. In das Tragwerk der Plattform
sind diverse Tanks für Treibstoff, Wasser und Abwasser eingebaut. Die Plattform und die beiden Decks werden durch die
Außenhülle mit 55 Fenstern geschützt. Der Raum zwischen
den installierten Modulen und der Außenhülle – die Galerie –
bietet weitere geschützte Nutzfläche (Abb. 4). Auf dem Dach
des Gebäudes befindet sich die Ballonfüllhalle aus der täglich
Radiosonden aufgelassen werden. Hier sind auch Instrumente
für Strahlungsmessungen und diverse Antennenanlagen
montiert (Abb. 5).
Bei der Energieversorgung wurden modernste Standards
zugrunde gelegt. Insgesamt vier Dieselaggregate stehen als
Blockheizkraftwerke (BHKW) zur Verfügung. Ein BHKW
liefert 160 KW elektrische und 190 KW thermische Energie
und reicht für den Winterbetrieb in der Regel aus. Drei BHKW
sichern im Wechselbetrieb die stabile Versorgung der Station,
die insbesondere für die wissenschaftlichen Einrichtungen
sehr wichtig ist. Das vierte BHKW steht für Notfälle in Bereitschaft. Die thermische Energie wird für Heizung, Schneeschmelze und Warmwasseraufbereitung genutzt. Die BHKW
sind mit einer Windkraftanlage (Abb. 6) gekoppelt. Die
Einspeisung der vom Windkraftwerk gelieferten elektrischen
Energie erfolgt über ein Energiemanagementsystem, so dass
das optimale Betriebsregime der BHKW gewahrt und der
Treibstoffverbrauch minimiert wird. In den nächsten Jahren
sollen weitere Windkraftanlagen integriert werden mit dem
Ziel, bis 50 % des Energiebedarfs der Neumayer-Station III
über diese Energiequelle bereitzustellen.
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Abb. 6: Umgebung der Neumayer-Station III aus Nordost gesehen, getrennt
vom Stationsgebäude sind das Windkraftwerk und die Antenne für die Satelliten-Standleitung aufgebaut. Etwa 1,5 km südlich befinden sich das Spurenstoff-Observatorium und das Magnetik-Observatorium. Südwestlich in etwa
3,5 km Entfernung ist das Infraschall-Array verlegt (Foto: U. Cieluch, AWI).
Abb. 4: Auf Höhe Deck 1 zwischen der Außenhülle (links) und den in zwei
Ebenen montierten Modulen (rechts) steht weitere geschützte Nutzfläche zur
Verfügung (Foto: H. Gernandt, AWI).
Abb. 5: Auf dem Dach des Gebäudes (Deck 3) befindet sich die Ballonfüllhalle. Wissenschaftliche Instrumente und Antennen sind auf den Gitterrosten
und an den Geländern montiert. Im Hintergrund steht das Radom mit der Satellitenantenne für die Standleitung (Foto: realnature).
Logistische und wissenschaftliche Aufgaben
An der Neumayer-Station III werden Polarfahrzeuge, Schlitten und mobile Unterkünfte für wissenschaftliche Traversen
und Versorgungsfahrten vorgehalten. Auch die Sommerbasis
Kohnen-Station (75°00’ S, 00°04’ W) auf dem Inlandeis, 757
km südlich der Atka-Bucht, wird so versorgt. Die NeumayerStation III ist auch für den Polarflugbetrieb eingerichtet.
Kleine Flugzeuge mit Skifahrwerk wie die POLAR 5 können
von hier aus logistische und wissenschaftliche Flugmissionen
durchführen. Für die Transporte von Personal und spezieller
Fracht zur Neumayer-Station III ist die internationale Luftbrücke Dronning Maud Land Air Network (DROMLAN) das
logistische Rückgrat. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit
werden je nach Bedarf in der Sommerperiode von November
bis Februar interkontinentale Flüge mit einem Frachtflugzeug
IL-76TD von Kapstadt in die Antarktis und zurück durchgeführt.
Die Versorgung der Neumayer-Station III mit Material und
Verbrauchsgütern erfolgt auf dem Seeweg. Dafür werden FS
„Polarstern“ und/oder ein Versorgungsschiff eingesetzt.
Charter und Fahrtplanung für dieses Versorgungsschiff werden
je nach Bedarf mit Norwegen, Belgien, Schweden und Finnland im Rahmen der Kooperation Dronning Maud Land Shipment (DROMSHIP) verabredet.
Die neu eingerichteten wissenschaftlichen Observatorien für
Meteorologie, Spurenstoffmessung und Geophysik setzen die
Langzeitmessungen fort. Die erhobenen Daten stehen, zum
Teil in Echtzeit, für Forschung und Monitoring zur Verfügung.
Ständige Nutzer sind die von internationalen Organisationen
wie z.B. World Meteorological Organisation (WMO), European Centre for Medium-Range Weather Forecast (ECMWF),
Comprehensive Test-Ban-Treaty Organisation (CTBTO) organisierten globalen Netzwerke und operationellen Datenbanken
wie z.B. World Radiation Monitoring Center, Network for
Detection of Atmospheric Composition Change, National
Earthquake Information Center, World Data Center for
Geomagnetism sowie Universitäten im In- und Ausland. Als
regionales Flugwetter-Vorhersagezentrum betreut das
Meteorologie-Observatorium die wissenschaftlichen und logistischen Flugmissionen im Dronning Maud Land.
Zur Erbringung dieser wissenschaftlichen und logistischen
Leistungen für die internationalen Nutzer und die Nutzung im
Rahmen der Forschungsprogramme des AWI werden an der
Neumayer-Station III ständig vier wissenschaftliche Stellen
für den kontinuierlichen Betrieb der Observatorien besetzt.
Zwei Stellen stehen für den technischen Stationsbetrieb, eine
Stelle für den Betrieb der IT- und EDV-Anlagen, eine Stelle für
die Versorgung (Koch) und eine Stelle für Stationsleitung und
medizinische Betreuung zur Verfügung. Während der
Sommermonate kommt weiteres technisches Personal für
Wartungsarbeiten, für die wissenschaftliche Betreuung der
Observatorien, für den Dromlan-Flugwetterdienst sowie für
wissenschaftliche Feldeinsätze und Projekte zum Einsatz.
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Ausblick
Die Neumayer-Station III ist nun der zentrale Standort der
deutschen Polarforschung in der Antarktis. Ihre Nutzung bietet
für die junge Generation deutscher und ausländischer Polarforscher herausragende Perspektiven. Die moderne wissenschaftliche und technische Ausstattung bietet beste
Voraussetzunge für den weiteren Betrieb der Observatorien,
die Arbeit von Gastwissenschaftlern und die Durchführung
von großen Projekten mit internationaler Beteiligung. Die
Station ist die logistische Basis für die Durchführung wissenschaftlicher Projekte auf dem Ekström-Schelfeis, für Feldeinsätze auf dem Inlandeis und den Sommerbetrieb an der
Kohnen-Station sowie für den Einsatz der AWI-Forschungsflugzeuge. Dazu gehört die Einbindung in die international
organisierte Transportlogistik, ohne die ein effizienter
Forschungsbetrieb nicht organisiert werden kann.
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Der derzeitige Pilotbetrieb der Neumayer-Station III dient bis
zur Saison 2010/11 zum Einfahren der technischen Anlagen,
zur Erfassung der auftretenden Mängel und deren Beseitigung
sowie zur Entwicklung der Betriebsroutinen für den Normalbetrieb. Für den Rückbau der verlassenen Neumayer-Station II
wird derzeit ein Konzept in Zusammenarbeit mit dem südafrikanischen Partner DEAT im Rahmen des bestehenden Memorandum of Underststanding erarbeitet. Der Rückbau soll
spätestens in der Saison 2011/2012 abgeschlossen sein.
Kontakt: Dr. Hartwig Gernandt und Dr. Saad El Naggar, Alfred-WegenerInstitut für Polar- und Meeresforschung, 27568 Bremerhaven;
<[email protected]> oder <[email protected]>
Zusammenstellung: Dr. Hartwig Gernandt und Monika Huch
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Polarforschung 78 (2), 137 – 140. 2008 (erschienen 2009)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 24:
Das Forschungsflugzeug POLAR 5 im IPY
Im Internationalen Polarjahr (IPY) hat das AWI ein neues
Polarforschungsflugzeug, die POLAR 5, als Ersatz für die bei
einer harten Landung an der britischen Überwinterungsstation
Rothera auf der Antarktischen Halbinsel am 24. Januar 2005
schwer beschädigte POLAR 4 in Dienst stellen können. Die
neue POLAR 5, eine auf einer Douglas DC-3 basierenden
Basler BT-67, hat gegenüber den zuvor eingesetzten Dornier
Do228-101 eine deutlich höhere Reichweite und Nutzlast. Die
technischen Parameter sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Innerhalb nur eines Jahres wurde der Umbau von der betagten
DC-3, Baujahr 1943, zur modernen Basler BT-67 vollzogen.
Dabei wurden von Anfang an zahlreiche Modifikationen für
die spätere wissenschaftliche Nutung des Flugzeugs mit
eingebaut. Gegen über einer „Standard“-Basler wurden
mehrere Verteilerkästen in der Kabine und im Flügel, Kabelkanäle, Durchbrüche im Kabinendach, Rolltore an der Unterseite des Rumpfes Halterungen für Außenstationen unter den
Tragflächen sowie vorne unterhalb des Cockpits und am Heck
installiert. In Abbildung 1 sind einige dieser Modifikationen
schematisch dargestellt.
Bei der Konzeption der POLAR 5 wurden alle Instrumente,
die in der jüngeren Vergangenheit mit den Polarflugzeugen
genutzt worden sind, berücksichtigt und auch Raum für künftige Weiterentwicklungen geschaffen. So verfügt die Basler
auf jeder Seite über drei Flügelstationen, besitzt Front- und
Heckausleger sowie über eine Winde und Fangkörbe für die
auch mit den Hubschraubern des FS „Polarstern“ eingesetzten
Schleppkörper (Abb. 2).
Abb. 1: Querschnitt der POLAR 5 mit wissenschaftlichen Modifikationen und Lage der Antennen für die Avionik des Flugzeugs.
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Abb. 2: Polar 5 mit geophysikalischer Instrumentierung nach dem Start. Unter
den Tragflächen sind deutlich die Antennen der EMR-Apparatur zur Bestimmung der Eisdicken sowie vorn und am Heck des Flugzeugs die Ausleger für
die Messung des Erdmagnetfeldes zu erkennen.
Geordnet nach Anwendungsgebieten sind gegenwärtig für
POLAR 5 verfügbar für:
• Glaziologie und Geophysik: EMR, FMCW Radar, Gravimeter, Magnetometer, Radaraltimeter ASIRAS (European
Space Agency, ESA), Laserscanner, Laseraltimeter, EMSystem, GPS
• Chemie der Atmosphäre: LIDAR, OPC, Nephelometer,
Spektrometer (z.T. Enviroment Canada), Gasprobennahme,
Methansensor (GeoForschungszentrum Potsdam, GFZ),
AIMMS20
• Meteorologie: 5-Lochsonde, Hygrometer, Strahlungssensoren, Dropsonden-System, Strahlungsthermometer, optische
Scanner (Optimare Bremerhaven)
• Küstenforschung: Hyperspektralkamera.
Abb. 3: Überführungsrouten der POLAR 5 von Bremerhaven bzw. Oshkosh
(Kanada) in die Polarregionen.
Die aufgelisteten Messsysteme (Acronyme in Tab. 2) können
für jede wissenschaftliche Fragestellung nahezu beliebig
miteinander kombiniert werden, Einschränkungen gibt es
lediglich wenn Instrumente dieselbe Einbauposition beanspruchen oder einander stören. Unter den gelisteten Systemen sind
auch mehrere Geräte, die nicht Eigentum des AWIs sind. Die
jeweiligen Eigentümer sind in Klammern jeweils dahinter
genannt.
Der Jungfernflug mit Turboproptriebwerken fand am 27. April
2007 in Oshkosh, WI, USA, im noch unlackierten Zustand
statt. Nach Lackierung und Zulassung der ersten wissenschaftlichen Ausrüstung in Kanada wurde die neue POLAR 5 am 29.
August 2007 nach Bremerhaven überführt. Aufgrund der
größeren Reichweite der Basler gegenüber den Dornier Flugzeugen entfallen auf den langen Überführungsrouten in die
Polargebiete einige Zwischenlandungen. Einige wichtige
Überführungsrouten sind in Abbildung 3 dargestellt.
Die Integration der ersten Messsysteme für die erste Antarktisexpedition wurde im September 2008 in Bremerhaven durchgeführt. Abbildung 4 zeigt die POLAR 5 am Flughafen
Luneort in Bremerhaven zwischen zwei Testflügen. Die Zulassung der wissenschaftlichen Geräte an Bord erfolgt durch
Transport Canada, da das Flugzeug in Kanada mit der
Kennung C-GAWI registriert ist. Die Indienststellung erfolgte
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Abb. 4: POLAR 5 mit geophysikalischer Instrumentierung vor Hangar 5 am
Regionalflughafen Bremerhaven (Foto: Gregor Schlaeger, 2007).
am 1. Oktober 2007 in Bremerhaven. Unmittelbar danach
wurde das Flugzeug zur Vorbereitung auf die erste Antarktiskampagne nach Kanada überführt und dort gewartet.
Während des internationalen Polarjahres wurde POLAR 5 für
zwei Antarktis- und zwei Arktisexpeditionen eingesetzt. In
Tabelle 3 sind die Messkampagnen und die jeweils eingesetzten Systeme zusammengefasst. Nicht aufgelistet sind die
logistischen Einsätze des Flugzeugs. Rein zufällig wurden in
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den ersten beiden Jahren ausschließlich Kampagnen zur
Untersuchung der Atmosphäre in der Arktis und zur Untersuchung der Kryosphäre und Lithosphäre in der Antarktis durchgeführt. Dies wird sich mit den nächsten geplanten
Kampagnen ändern.
Für die Kampagnen MELTEX und PAM-ARCMIP wurden
Messflüge zur Untersuchung der Atmosphäre durchgeführt.
Darüber hinaus wurde auch die russische Drift Station NP35
im Arktischen Ozean im Frühjahr 2008 versorgt und Personal
ausgeflogen. Während der beiden Antarktisexpeditionen
wurden sechs Kampagnen zur Untersuchung der Kryosphäre
und Lithosphäre mit teilweise unterschiedlicher Instrumentierung durchgeführt sowie diverse logistische Einsätze absolviert. Letztere waren zur Wartung der Außenobservatorien der
Neumayer Station und Unterstützung von Feldgruppen des
AWI erforderlich (Abb. 5). Darüber hinaus werden mit
POLAR 5 auch Flüge im Rahmen von DROMLAN (Dronning
Maud Land Air Network) durchgeführt. Ein herausragender
logistischer Einsatz der POLAR 5 war die Beteiligung an der
Einrichtung des Nordlagers (AGAP-N) des IPY Projekts
AGAP (Antarctica’s Gamburtsev Province, vgl. Folge 17) in
der Ostantarktis in der Region um Dome A.
Abb. 5: Polar 5 bei der Sommerstation Kohnen auf dem antarktischen Polarplateau (Foto: H. Gernandt, 2007).
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In Abbildung 7a und 7b sind die während des IPY durchgeführten Flüge der POLAR 5 zusammengefasst. Nicht dargestellt sind die Messflüge für die Kampagne MAMAP. Für
diese Kampagne wurde die Überführung des Flugzeugs im
November 2008 während der Flüge in Mittel- und Südamerika
vom Geo-Forschungszentrum Potsdam eingesetzt, um Methanemissionen über dem tropischen Regenwald zumessen. Diese
Messflüge wurden erst durch die größere Reichweite und
Nutzlast der Basler möglich. Auch einige andere Kampagnen,
insbesondere DoCo und PAM-ARCMIP konnten nur aufgrund
dieser verbesserten Parameter durchgeführt werden.
Links: <http://www.awi.de/de/infrastruktur/fluggeraete/forschungsflugzeuge/> Polarflugzeuge am Alfred-Wegener-Institut - Hightech über
dem Eis
Kontakt: Dr. Andreas Herber oder Dr. Daniel Steinhage, Alfred-WegenerInstitut für Polar- und Meeresforschung, Columbusstr., 27568 Bremerhaven,
<[email protected]>, <[email protected]>
Zusammenstellung: Daniel Steinhage und Monika Huch
Abb. 6: Polar 5 vor der französisch-italienischen Station Concordia auf Dom
C des antarktischen Polarplateaus, die während der DoCo-Kampagne angeflogen wurde.
Abb. 7: Einsätze der POLAR 5 in der Arktis (links) und Antarktis (rechts) während des IPY.
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Polarforschung 78 (2), 141 – 143. 2008 (erschienen 2009)
Das Internationale Polarjahr 2007/08
An dieser Stelle berichtet die Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr über deutsche Aktivitäten im IPY 2007/08. Aktuelle Informationen gibt es bei www.polarjahr.de.
Folge 25:
Das Internationale Polarjahr 2007/08 – Der deutsche
Beitrag
Das Internationale Polarjahr 2007/08 reiht sich würdig in die
Abfolge vorangegangener Polarjahre ein (vgl. Folge 1). Wie
schon 1882/83, 1932/33 und im Internationalen Geophysikalischen Jahr 1957/58 wurden in internationaler Kooperation
(Abb. 1)umfangreiche Expeditionen in die Polargebiete entsandt, um komplexe Forschungsarbeiten durchzuführen. Insgesamt beteiligten sich mehr als 50.000 Wissenschaftler aus
63 Ländern an den 238 Großprojekten des Polarjahres, die
international koordiniert und interdisziplinär angelegt waren.
Die deutschen Forschungsschwerpunkte im Polarjahr wurden
in einer Broschüre Übersichtlich zusammengestellt (Abb. 2);
sie lauteten (vgl. Folge 2):
1. Die Polargebiete im Wandel des Weltklimas.
2. Wandernde Kontinente und Evolutionsprozesse in den Polargebieten.
3. Vorstoß in unbekannte Regionen.
4. Entwicklung und Einsatz innovativer Technologien.
5. Die Arktis – Lebensraum des Menschen.
Zu diesen Themen hat Deutschland wichtige Beiträge leisten
können. An insgesamt 678 Teilprojekten des Polarjahres haben
deutsche Wissenschaftler, mehrfach auch als federführende
Koordinatoren, intensiv mitgearbeitet. Für die Einbindung und
Koordinierung der deutschen Aktivitäten in das Internationale
Polarjahr 2007/08 war eine Deutsche Kommission eingerichtet
worden (Abb. 3).
unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Dr. Horst
Köhler. Das ist ein Beleg für das große Interesse, das Öffentlichkeit und Politik dem Internationalen Polarjahr entgegengebracht haben. Denn inzwischen ist bekannt, welch starke
globale Auswirkungen von vielen natürlichen Prozessen in
den Polargebieten ausgehen. Schmelzen die Eiskappen an den
Polen, so sind alle Küsten vom Anstieg des Meeresspiegels
betroffen. Auch Änderungen in der Dynamik von Atmosphäre
und Ozean sind in ihren Wirkungen global. Mehr noch: Wenn
wir heute modellieren wollen, wie sich das Klima verändern
wird, dann benötigen wir auch Informationen, welche Klimaänderungen in früherer Zeit aufgetreten sind. Hier beher-
Die deutsche Beteiligung am Internationalen Polarjahr stand
Abb. 1: Polarforschung ist international – Feldlager im Friggfjord, NordGrönland (Foto: F. Tessensohn).
Abb. 2: Auftaktbroschüre der deutschen Beteiligung am IPY 2007/08 mit
Darstellung der Organisation und der wissenschaftlichen Ziele.
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geführt worden; über einige Vorhaben wurde in dieser
Zeitschrift bereits berichtet. Polarexpeditionen dieser Art
benötigen eine solide logistische Basis. Forschungsstationen,
Eisbrecher, Flugzeuge und Hubschrauber bilden die Grundlage für eine effektive Forschung selbst. Hier konnte Deutschland insbesondere mit seinen Stationen in Arktis und
Antarktis, den Forschungsschiffen und Flugzeugen die
Voraussetzungen bieten, die für die Durchführung der multidisziplinären und internationalen Forschungsprojekte des
Polarjahres unerlässlich waren (vgl. Folgen 12, 23, 24). Einen
Höhepunkt in dieser Hinsicht bildete ohne Zweifel die Inbetriebnahme der neuen deutschen Antarktisstation Neumayer
III.
Abb. 3: Mitglieder der Deutschen Kommission für das Internationale Polarjahr 2007/08 (Foto: M. Huch).
bergen die Polargebiete mit den Eisschilden einzigartige
Klimaarchive, die es weiter zu erschließen gilt. Wie in geologischer Vergangenheit reagieren auch heute die Polargebiete
besonders sensibel auf Änderungen der Umwelt. Wir können
sie sozusagen als Frühwarnsysteme ansehen, bei denen sich
früher als in anderen Regionen der Erde Auswirkungen eines
Klimawandels zeigen.
Ein deutscher Schwerpunkt war auch die Einbeziehung der
Jugend in die Aktivitäten des Internationalen Polarjahres. Mit
speziellen Programmen für Schüler, Studenten und Lehrer
konnten sehr interessante, wirkungsvolle Beiträge geleistet
werden (Folgen 3, 13, 17, 19, 21; Abb. 5). Über das von der
Robert-Bosch-Stiftung geförderte Projekt „Coole Klassen” ist
schon ausführlich berichtet worden (vgl. Folgen 8 und 9). Das
Projekt wird nach dem Internationalen Polarjahr durch die
Deutsche Gesellschaft für Polarforschung weitergeführt.
Auch die Entstehung der polaren Vereisung selbst durch die
Verschiebung der Kontinente und die Ausbildung entsprechender ozeanischer Zirkulationssysteme bedarf immer noch
gründlicher Erforschung, z.B. im IPY-Projekt „Plates & Gates” (Folge 11; Abb. 4). Als Folge der Vereisung der Polregionen haben sich dort in Millionen von Jahren hoch
spezialisierte und sensibel reagierende Lebensformen
entwickelt, deren Lebensweise und Funktion derzeit gründlich
erforscht werden (vgl. Folgen 5, 7, 15).
Von Deutschland sind zu den oben angesprochenen Forschungskomplexen eine ganze Reihe von Expeditionen durchAbb. 5: Studenten erleben auf King George Island, Antarktika, Polarforschung hautnah, vgl. Folge 21 (Foto: H.-U. Peter).
Wie die bisherigen Berichtsfolgen zum Internationalen Polarjahr mit ihren Darstellungen erster Ergebnisse schon gezeigt haben, konnte die deutsche Wissenschaft auf vielen
Feldern zum großen Gesamterfolg des IPY beitragen (z.B.
Folgen 9, 10, 11, 14, 16, 18, 20, 22). Nunmehr am Ende des
Internationalen Polarjahres 2007/08 aber beginnt die eingehende Analyse aller Daten und Proben, die unter den rauen
Bedingungen der Polarnatur gewonnen wurden. Es wird noch
viel Mühe notwendig sein und Zeit erfordern, daraus
fundierte, gesicherte neue Erkenntnisse zu gewinnen, aber die
Bedeutung der Polarforschung für eine nachhaltige Gestaltung
unserer Zukunft ist bereits jetzt offensichtlich (Abb. 6).
Abb. 4: Operative Abstimmung zwischen deutschen und russischen Kooperationspartnern an Bord des russischen Forschungsschiffes „Akademik Karpinsky” im März 2007 bei gemeinsamen Messfahrten mit RV „Polarstern“ zum
IPY-Projekt Plates & Gates in der Prydz Bay/Antarktis, vgl. Folge 11 (Foto: V.
Gandyukhin).
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Berichts-Folgen zum Internationalen Polarjahr
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5
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8
9
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12
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Zur Geschichte der Internationalen Polarjahre
Der deutsche Beitrag zum Internationalen Polarjahr
Wissenstransfer in die Öffentlichkeit
Das Internationale Polarjahr im internationalen Zusammenhang
Evolution und Biodiversität
Wetter und Klima in Polarregionen
Die „Bipolare Klimamaschine” (BIPOMAC)
Coole Klassen: Schulprojekte im Internationalen Polarjahr
Klimabohrung in der Antarktis – ANDRILL
Langfristige Klimabeobachtungen in der Arktis – DAMOCLES
Globale Klimasteuerung durch regionale Tektonik – Das Projekt
PLATES & GATES (Plate Tectonics and Polar Gateways in Earth
History)
Das Projekt AURORA BOREALIS
Wissenskommunikation im Polarjahr
Die indigenen Völker im Hohen Norden Russlands
Volkszählung des marinen Lebens in der Antarktis”
Das Projekt AGAP (Antarctica's Gamburtsev Province)
Kinder-Forschungswerkstatt des Pfalzmuseums für Naturkunde –
POLLICHIA-Museum
Geowissenschaftliche Observatorien in den Polargebieten – Das
Projekt POLENET (Polar Earth Observing Network)
Junge Wissenschaftler im Permafrost
Der Arktische Ozean – Status und Zukunft
Studenten-Expeditionen im Internationalen Polarjahr (StudEx)
Permafrost und der globale Klimawandel
Die neue Antarktisstation Neumayer III
Das neue Flugzeug POLAR 5
Das Internationale Polarjahr 2007/08 – Der deutsche Beitrag
Folgen 1-5: Geographische Rundschau;
Folgen 6-25: Polarforschung; alle Folgen auch als PDF bei
www.polarjahr.de, „Text, Bild, Ton & Film” sowie bei www.DGPEV.de, „IPY”.
Abb. 6: Abschlussbroschüre zur deutschen Beteiligung am IPY 2007/08 mit
der Darstellung der wichtigsten Ereignisse und ersten Ergebnissen sowie der
Auflistung aller deutschen Projektbeteiligungen.
Broschüren zum Internationalen Polarjahr
Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr 2007/08
(Hrsg.) (2005): International Polar Year 2007/2008 – Eine Vision
für Forschung und innovative Technologien, 1-24.
Deutsche Kommission für das Internationale Polarjahr 2007/08
(Hrsg.) (2009): Internationales Polarjahr 2007/2008. Der Deutsche Beitrag. Polarforschung in globaler Verantwortung, 1-24.
www.ipy.org
Links: <www.awi.de> Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung
<www.bgr.bund.de> Bundesanstalt für Geowissenschaften und
Rohstoffe, Polar- und Meeresforschung
<www.dgp-ev.de> Deutsche Gesellschaft für Polarforschung e.V.
<www.ipy.org> offizielle internationale Seite zum Internationalen
Polarjahr
<www.polarjahr.de offizielle deutsche Seite zum Internationalen
Polarjahr
Kontakt: Prof. Dr. Reinhard Dietrich, TU Dresden, Institut für Planetare
Geodäsie, 01062 Dresden, <[email protected]>
Dr. Karsten Gohl, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung,
27568 Bremerhaven <[email protected]>
Zusammenstellung: Reinhard Dietrich, Karsten Gohl und Monika Huch
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