Burnout – stationäres Behandlungskonzept und Therapieevaluation Michael Tischinger, Frederik Strom Adula Klinik Oberstdorf, Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie Hintergrund Die Zahl der Menschen, die aufgrund einer starken Erschöpfungssymptomatik eine stationäre psychosomatische Behandlung aufsuchen, nimmt stetig zu. Obwohl die genaue Definition und Verwendung des Burnoutbegriffs weiter heftig umstritten ist, so besteht in Fachkreisen doch Einigkeit, dass das Burnoutphänomen nicht ignoriert werden darf und weiterer Erforschung bedarf. In der vorliegenden Arbeit wird die Gruppe der Patienten, die bei Aufnahme in ein stationäres psychosomatisches Setting die Zusatzdiagnose Z73 (Ausgebranntsein) erhielten, systematisch untersucht. Gleichzeitig sollen die Therapieergebnisse eines Gesamtbehandlungsplanes vorgestellt werden, der sowohl allgemeinen indikationsbezogenen Behandlungspfaden (z.B. für Depression, Sucht) folgt, als auch störungsspezifische Gruppenangebote i.S. von burnoutspezifischen Behandlungsmodulen integriert. Die stationären Behandlungsangebote folgen einem integrativen Ansatz und umfassen neben Gruppen- auch Einzeltherapie, auch eine Vielfalt von kreativen, erlebnisorientieren, systemischen und körpertherapeutischen Angeboten. Zentral ist das Konzept der therapeutischen Gemeinschaft, das zahlreiche Begegnungsmöglichkeiten schafft und Kommunikation und Kooperation fördert. Im Zentrum der arbeitsbezogenen Therapieangebote steht das Konzept der Selbststeuerung nach Howard Gardner, wonach die effektive Führung der eigenen Person empirisch belegte, positive Auswirkungen auf die Überwindung des Burnout-Syndroms hat. Patienten und Methodik Die Behandlungsergebnisse von 120 Patienten, die in den letzten drei Jahren mit der Zusatzdiagnose Z73 zur stationären Weiterbehandlung aufgenommen wurden, sollen im Folgenden dargestellt werden. Für alle diese Patienten liegen ausführliche soziodemographische Daten, eine allgemeine Diagnosenstellung (nach ICD-10), sowie eine umfangreiche testpsychologische Prä-Post-Testung vor. Der Therapieerfolg der stationären Behandlungsmaßnahme wurde u.a. mittels standardisierter Fragebögen wie dem BDI II, dem ISR und dem VEV-K gemessen. Die subjektive Patientenzufriedenheit mit dem Therapieangebot und dem Behandlungserfolg wurde mit dem ZUF-8 erfasst. Ergebnisse Job Demands-Resources Modell nach Bakker* Soziodemografische Daten Alter („Energiequellen“) Wertschätzung und „gute“ Beziehungen (Zugehörigkeit) Anforderungen („Energieverbrauch“) Resilienz Gestaltungsmöglichkeiten Kreativität und Einfluss Aufmerksamkeit und Konzentration unter Zeitdruck Persönliches Wachstum Lernen und Ethik Emotional belastende Situationen und Verhalten Körperliche Anspannung und Belastung Zunehmende Komplexität und steigende Ansprüche Notwendige Kompetenzen Selbststeuerung Selbstmanagement Umsetzungskompetenz *Arnold Bakker, The Job Demands-Resources model: state of the art. In Journal of Managerial Psychology. Vol. 23 (2007), pp. 309-328 weiblich N=76 44,4 Schlulabschluss Hauptschulabschluss Realschulabschluss/ Mittlere Reife Abitur/ Fachabitur/POS (Fach-)Hochschulabschluss Sonstiges Gesamt Anzahl 8 5 13 17 1 44 % 18,2 11,4 29,5 38,6 2,3 100 Anzahl 7 21 17 31 76 zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit ungelernter/angelernter Arbeiter Facharbeiter, einfacher Angestellter/Beamter Mittlerer / höherer Angestellter hochqualifizierter Angestellter/ Beamter Selbständige Sonstiges Gesamt Anzahl 1 11 13 7 11 1 44 % 2,3 25,0 29,5 15,9 25,0 2,3 100 Familienstand ledig verheiratet/eingetr. L. zusammenlebend verheiratet/eingetr. L., getrennt lebend geschieden verwitwet Gesamt Anzahl 17 16 3 6 2 44 % 38,6 36,4 6,8 13,6 4,5 100,0 Gesamt N=120 45,0 % 9,2 27,6 22,4 40,4 100 Anzahl 15 26 30 48 1 120 % 12,5 21,5 25 40 0,8 100 Anzahl 4 27 30 4 7 4 76 % 5,3 35,5 39,5 5,3 9,2 5,3 100,0 Anzahl 5 38 43 11 18 5 120 % 4,2 31,7 35,8 9,2 15,0 4,1 100,0 Anzahl 27 19 9 18 3 76 % 35,5 25,0 11,8 23,7 3,9 100,0 Anzahl 44 35 12 24 5 120 % 36,7 29,2 10,0 20,0 4,2 100,0 Durchschnittliches Ergebnis Veränderungsfragebogen des Erlebens und Verhaltens - kurz (VEV-K) 30,0 145 25,3 22,0 25,0 BDI II-Wert Ressourcen männlich N=44 45,9 Veränderung BDI II prä / post Vergleich ohne und mit Antidepressiva 20,0 129,8 133 125 Effektstärke: 1,13 Effektstärke: 1,16 131 135 115 12,3 15,0 VEV-K BDI II prä 9,3 10,0 105 95 85 BDI II post 5,0 75 65 55 0,0 ohne Antidepressiva (N=88) 45 mit Antidepressiva (N=32) 35 25 VEV-K Gesamtwert N=120 Männer N=44 Frauen N=76 1 Häufigste Diagnosen Sinn/Ziele Wer bin ich? Identität Unsicherheit Entfremdung/ Depersonalisation Unsicherheit emotionale Erschöpfung Wer ist mir wichtig? Wer unterstützt mich? Beziehung/soz. Unterstützung Unsicherheit Leistungsschwäche männlich N=44 weiblich N=76 Gesamt N=120 Anzahl F-Diagnosen Anzahl Somatische Diagnosen ohne Zusatzschlüssel 2,8 3,8 2,8 4,2 2,8 4,0 F33 Rezidivierende depressive Störung F33.1 mittelgradige Episode F33.2 Schwere Episode, o. psy. S. 26 15 11 % 59,1 34,1 25,0 48 30 18 % 63,2 39,5 23,7 74 45 29 % 61,7 37,5 24,2 F32 Depressive Episode F32.1 mittelgradig F32.2 schwere, o. psych. S. 17 12 4 38,6 27,3 9,1 26 23 2 34,2 30,3 2,6 43 35 6 35,8 29,2 5,0 F45 Somatoforme Störungen M54 Rückenschmerzen F41 andere Angsstörungen G442 Spannungskopfschmerzen & G43 Migräne F51 nichtorganische Schlafstörungen F60 & F61 Persönlichkeitsstörung(en) F50 Esstörungen E66 Adipositas F43.1 posttraumatische Belastungsstörung I10 Bluthochdruck (Essentielle Hypertonie) 11 9 11 6 11 7 5 7 2 8 25,0 20,5 25,0 13,6 25,0 15,9 11,4 15,9 4,5 18,2 25 23 15 18 12 13 15 10 14 7 32,9 30,3 19,7 23,7 15,8 17,1 19,7 13,2 18,4 9,2 36 32 26 24 23 20 20 17 16 15 Durchschnittswerte Zufriedenheitsfragebogen ZUF-8 Gesamtwert: 27,23 (min 8 / max. 32) N=120 ICD-10- Symptom-Rating prä / post Veränderung Gesamtscore Männer (m) Frauen (w) 30,0 26,7 21,7 20,0 19,2 16,7 16,7 14,2 13,3 12,5 ISR-Gesamtscore Was ist mir wichtig? Ergebnisse der acht Einzelfragen (von min. 1 bis max. 4) 2,8 1,20 1,10 1,00 0,90 0,80 0,70 0,60 0,50 0,40 0,30 0,20 0,10 0,00 2,9 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 1,02 0,96 3,7 3,8 0,56 3,25 Beurteilung Qualität der Behandlung Art der Behandlung die Sie wollten 0,57 0,53 Klinik hat den Bedürfnissen entsprochen 3,15 3,28 Weiterempfehlung an Freunde Zufrieden mit erhaltenen Ausmaß der Hilfe 3,59 3,35 Behandlung hat geholfen angemessener mit Problemen umzugehen prä N=120 3,6 1,06 post N=120 prä m N=44 post m N=44 prä w N=76 post w N=76 Zufrieden im Großen und Ganzen Würden Sie wiederkommen 3,74 3,38 3,49 1 Diskussion Beinahe alle Patienten mit der Zusatzdiagnose Burnout weisen in dem stationär behandlungsbedürftigen Stadium eine mittelschwere bis schwere Form einer depressiven Störung auf. Auffallend hoch ist die Anzahl der somatischen Diagnosen (u.a. Schmerzstörungen und Bluthochdruck) sowie die Komorbidität mit weiteren psychischen Störungen, wobei überraschend wenig Achse II Störungen zu verzeichnen sind. Die Behandlungserfolge während eines durchschnittlich ca. 7 wöchentlichen Zeitraums können durchweg als sehr gut bezeichnet werden, was sowohl für die kombinierte psychopharmakologisch-psychotherapeutische als auch die rein psychotherapeutische Behandlung galt. Ebenso war die subjektive Patientenzufriedenheit insgesamt als auch was die Güte der einzelnen Therapieangebote betrifft, sehr hoch. Die Frage, wie stabil die erzielten Verbesserungen im Längsschnitt sind, soll mittels einer katamnestischen Untersuchung noch geklärt werden.